Mehr Dialog an den Schnittstellen - Bundesverband Deutscher ...
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1/2020 LESERBEFRAGUNG IN DIESER AUSGABE Chancen und Perspektiven der Beruflichen Rehabilitation Mehr Dialog an den Schnittstellen Medizin & Beruf: Vernetzung fördert schnelle Integration Deutschland hat viele Spezialisten, wenn es darum geht, die Leistungsfähigkeit von Menschen wiederherzustellen und ihre Erwerbs- fähigkeit zu erhalten. Dafür bürgt das gegliederte System der sozialen Sicherung. Insgesamt erbringen acht Sozialleistungsträger Leistungen der Rehabilitation und Teilhabe, die Menschen mit Behinderungen bei der Wiedereingliederung in das berufliche Leben unterstützen. Erweitert wurden die Leistungen zudem um Angebote zur Prävention gemäß dem Grundsatz „Prävention vor Reha vor Rente“. Idealerweise arbeiten die verschiedenen Leistungsträger Hand in Hand, damit die Übergänge an den Schnittstellen so reibungslos wie möglich gestaltet werden. REHAVISION gibt Einblicke in Entwicklungen und alltägliche Praxis. Seite 3 Betriebe im Fokus Bekenntnis zu „Stay at work“ Dass Unternehmen beim Erhalt von Beschäfti- Wie können Leistungen für gungsfähigkeit wichtige einen dauerhaften Verbleib Partner sind, spiegelt im Arbeitsleben aussehen? sich beim 29. Rehabilita- Interview mit Jan Miede, tionswissenschaftlichen Geschäftsführer der DRV Kolloquium wider. Braunschweig-Hannover. Seite 9 Seite 8 Die REHAVISION wird herausgegeben vom
VORWORT Liebe Leserin, lieber Leser,, eine gute, effiziente Zusammenarbeit von medizi- setzen, wie die Verzahnung von medizinscher und nischer und beruflicher Rehabilitation bewegt alle beruflicher Rehabilitation aktuell aussieht. Gleichzei- Akteure der Rehabilitation seit vielen Jahren. Insbe- tig möchten wir unseren Beitrag dazu leisten, dass sondere für Menschen mit komplexen Problemlagen, durch mehr Dialog und Verständnis voneinander die für ihre Teilhabe medizinische und berufliche eine bessere Zusammenarbeit gelingt. Rehabilitationsleistungen benötigen, sind die Brüche und Wartezeiten an den Schnittstellen teilweise Ihnen ist sicher aufgefallen, dass die REHAVISION gravierend. Dies ist nicht nur individuell frustrierend, diesmal mehr Inhalt bietet. Wir haben uns dafür sondern auch volkswirtschaftlich nicht sinnvoll. Der entschieden, zwei statt bisher drei Ausgaben heraus- Gesetzgeber hat dies erkannt und mit dem Bundes- zubringen – dafür mit deutlich erweitertem Um- teilhabegesetz (BTHG) und dem Modellvorhaben fang. Ihre Meinung zur Rehavision können Sie uns „rehapro“ alle Akteure aufgefordert, die Zusammen- übrigens jetzt auch über den neuen Feedbackbogen arbeit weiter zu verbessern und gleichzeitig neue mitteilen. Wir freuen uns über Ihre Rückmeldungen! Wege der Kooperation auszuprobieren. Auch wenn noch lange nicht alles perfekt ist, hat das BTHG Ihre schon jetzt einiges in Bewegung gebracht. Alle Ak- teure der Rehabilitation tauschen sich deutlich mehr als früher darüber aus, wie die Zusammenarbeit Dr. Susanne Gebauer verbessert werden kann. In der neuen Ausgabe der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes REHAVISION möchten wir uns damit auseinander- Deutscher Berufsförderungswerke Inhaltsverzeichnis Schwerpunkt Thema. . . . . . . . . . . . . . . 3 Schwerpunkt Forschungsprojekt . . . . . . . . . 16 Mehr Dialog an den Schnittstellen . . . . . . . . 3 Berufliche Teilhabe sehbeeinträchtigter Bekenntnis zu „Stay at work“ . . . . . . . . . . 8 Menschen verbessern . . . . . . . . . . . . . . 16 Betriebe im Fokus . . . . . . . . . . . . . . . . 9 „Es geht uns um das Miteinander“ . . . . . . . . 11 Leserbefragung . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Unternehmen als Partner . . . . . . . . . . . . 12 Namen und Nachrichten . . . . . . . . . . . . 18 Aus den BFW . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Kurz notiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Vorteil Telemedizin. . . . . . . . . . . . . . . . 14 Personalia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Dank Case Management zurück in Arbeit . . . . 15 Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Verzahnung ermöglicht schnelle Integration . . . 15 Impressum Redaktion: Gestaltung: Dr. Susanne Gebauer, Frank Gottwald, zeichensetzen kommunikation GmbH Hans-Dieter Herter, Kerstin Kölzner, GDA Kommunikation − Gesellschaft für Marketing Ellen Krüger, Frank Memmler, Niels Reith, und Service der Deutschen Arbeitgeber mbH Dr. Jessica Stock, Astrid Hadem (V. i. S. d. P.) Leserservice: Kontakt: Ellen Krüger Fotonachweise (Seite): Knobelsdorffstraße 92, 14059 Berlin iStockphoto.com (1, 3, 14); DRV Braunschweig- Tel.: 030 3002-1253, Fax: 030 3002-1256 Hannover (1, 8); BV BFW/Kruppa (2, 11, 16, E-Mail: rehavision@bv-bfw.de 19); SPD/Susie Knoll (4); Zentrum für seelische Gesundheit (5); CeP Höhenried (7); DRV Bund Herausgeber: (10, 13, 19); DEGEMED/Lawall (11); SBK/Eric Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke e. V. Thevenet (15); zeichensetzen/M.Pletz (18), BFW Hamburg (18); DEGEMED, Druck: INN-tegrativ (19) Königsdruck – Printmedien und digitale Dienste GmbH 2 REHAVISION 1/2020
SCHWERPUNKT MEDIZIN & BERUF Mehr Dialog an den Schnittstellen Medizin & Beruf: Vernetzung fördert schnelle Integration Deutschland hat viele Spezialisten, wenn es darum geht, die Leistungsfähigkeit von Menschen wiederherzustellen und ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten. Dafür bürgt das gegliederte System der sozialen Sicherung aus gesetzlicher Kranken-, Renten-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung. Insgesamt erbringen acht Sozialleistungsträger Leistungen der Rehabilitation und Teilhabe, die Menschen mit Behinderungen bei der Wiedereingliederung in das berufliche Leben unterstützen. Idealerweise arbeiten die verschiedenen Leistungsträger Hand in Hand, damit die Übergänge an den Schnittstellen so reibungslos wie möglich gestaltet werden. In der Praxis gestaltet sich die Zusammenarbeit an den Schnittstellen jedoch oft alles andere als nahtlos. E s gibt in Deutschland ein breites Spektrum an Zuständigkeiten und damit an vielfältiger Exper- tise, die zur Entwicklung von hochqualifizierten zungen müssen zügig bearbeitet und Möglichkeiten einer schnellen, dem Gesundheitszustand angepass- ten Arbeitsaufnahme gefördert werden. Last but not Leistungen mit großer Wirksamkeit geführt haben. least muss der Arbeitgeber eine Wiederaufnahme Das ist einer der großen Vorteile des gegliederten der Tätigkeit unterstützen, selbst wenn diese zu- Systems. Alle Leistungen sind angelegt auf einen nächst modifiziert ist oder in reduziertem Umfang zielgerichteten, gestuften Einsatz. Zur teilhabeorien- erfolgt. Das sind nicht eben wenige Akteure. tierten Versorgung des Menschen sollen sie ineinan- dergreifen und sich gegenseitig ergänzen. Das ist Hinzu kommt: Je komplexer die Bedarfslagen, der Kerngedanke des Systems. Denn eine nahtlose umso anfälliger ist der reibungslose Ablauf in der Unterstützung von Menschen mit chronischen Krank- Versorgungskette. Die Gründe dafür sind ganz heiten oder Behinderungen ist eine der zentralen unterschiedlich. Nicht immer ist klar, welcher Reha- Aufgaben der Sozialleistungsträger im gegliederten bilitationsträger am Ende für eine Anschlussleistung System. Auch deshalb genießt das deutsche Vorge- zuständig ist – und vor allem nicht, ob eine Anschluss- hen international hohes Ansehen. leistung dann auch bewilligt wird. Mehrfachbegut- achtungen und lange Bearbeitungszeiten verzögern Schnittstellen als Hürden nicht selten den reibungslosen Reha-Verlauf. Zudem zeigen sich in der Praxis die Sozialgesetzbücher Was in der Theorie allerdings gut funktioniert, ha- als ungenügend aufeinander abgestimmt, so das pert in der Praxis. „Damit berufliche Wiederein- Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). gliederung gelingen kann, müssen viele Akteure Kurz: Die Erfahrung lehrt, dass die trägerüber- zusammenwirken“, erklärt Prof. Dr. Matthias Bethge, greifende Zusammenarbeit nicht überall gut funk- Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für tioniert. So stagnieren die Zugänge zu Rehabilita- Rehabilitationswissenschaften (DGRW): Die betrof- tionsleistungen von Leistungsberechtigten im SGB II fene Person muss aktiv an der Wiedereingliederung seit Jahren, so die Bundesagentur für Arbeit. arbeiten, die ärztlichen und therapeutischen Akteu- Gerade bei SGB II-Leistungsberechtigten stei- re müssen die berufliche Wiedereingliederung als gen aufgrund eines langen Zeitverlaufs die ein prioritäres Behandlungsziel anerkennen. An- Hindernisse für die Arbeitsmarktintegration träge auf notwendige Anpassungen und Unterstüt- bis hin zur Erwerbsunfähigkeit. ➝ Fortsetzung REHAVISION 1/2020 3
SCHWERPUNKT MEDIZIN & BERUF Die Forderung nach verbesserten Zugangsmög- worden. „Die Mühe der Bürgerinnen und Bürger bei lichkeiten zu Reha-Leistungen, besserer Information der Suche nach den zuständigen Behörden haben wir und Beratung sowie optimierter Zusammenarbeit damit dorthin verschoben, wo sie hingehört: zu den der Leistungserbringer und Leistungsträger ist da- Rehabilitationsträgern“, sagt Griese weiter. her ein Dauerthema. Denn fest steht: Kommt es zu Brüchen in der Versorgung und zu ungewollten La- Auf Wunsch können die betroffenen Menschen tenzzeiten, hat das Auswirkungen auf die spätere auch selbst an der Teilhabeplankonferenz teilneh- Teilhabe am Arbeitsleben. Ohne eine frühzeitige men. So erhalten sie nicht nur alle Informationen Verknüpfung von medizinischer und beruflicherrund um den Bescheid, sondern auch mehr Selbstbe- Rehabilitation gerade bei schwerwiegenden ge-stimmung im Reha-Prozess. Im Mittelpunkt steht also sundheitlichen Beeinträchtigungen geht wertvolle nur noch der einzelne Mensch und die Frage, welche Lebensarbeitszeit verloren. Das ist mehr als ein indi- Unterstützung er benötigt – wie es die Träger unter- viduelles Problem des Einzelnen. Es ist auch gesamt- einander organisieren, darum muss sich der Mensch gesellschaftlich eine Herausforderung. mit Behinderungen nicht mehr kümmern. „Nach mei- ner Einschätzung ist viel in Bewegung gekommen und Bürgerinnen und Bür- ger sowie Verwaltung können besser zusammenwirken im Sinne guter Reha- Leistungen“, zeigt sich Kerstin Griese „Nach meiner Einschätzung ist zufrieden. „Das ist eine der großen Er- viel in Bewegung gekommen rungenschaften des BTHG.“ und Bürgerinnen und Bürger Das sieht auch Dr. Susanne Ge- sowie Verwaltung können bauer, Vorstandsvorsitzende des besser zusammenwirken im Bundesverbandes Deutscher Berufs- Sinne guter Reha-Leistungen“ förderungswerke (BV BFW) so: „Wir begrüßen die Deutlichkeit, mit der der Gesetzgeber mit dem BTHG nach- Kerstin Griese, Parlamentarische drücklich die trägerübergreifende Zu- Staatssekretärin beim Bundesminister sammenarbeit verpflichtend gemacht für Arbeit und Soziales hat. Die Zukunft wird zeigen, ob das Gesetz die Hürden der Realität meis- tern wird.“ Die BFW seien mehr als be- reit, ihren Part dazu beizutragen. BTHG: Herausforderungen erkannt rehapro: Fokus Schnittstellenmanagement Mit dem Bundesteilhabegesetz und dem Programm Wenn es Erfolgsfaktoren für eine Vermeidung von „rehapro“ hat das BMAS die Weichen für eine in- Ausgliederung gibt, ist ein wesentlicher die mög- novative und erfolgreiche Vernetzung gestellt und lichst frühe Intervention. Das BTHG verpflichtet die dabei auch den Faktor Frühzeitigkeit in den Blick Träger von Reha-Maßnahmen daher, drohende Be- genommen. Probleme wie unterschiedliche Bedarfs- hinderungen frühzeitig zu erkennen und gezieltes feststellungs- und Planungsverfahren oder Zuständig- Handeln noch vor Eintritt der Rehabilitation zu er- keitsstreitigkeiten zwischen den Trägern sollen damit möglichen. Dafür braucht es geeignete präventive der Vergangenheit angehören. Das BTHG setzt ganz Maßnahmen. Auch aus diesem Grund hat der Bund bewusst an den bisherigen Schwachstellen des ge- das Förderprogramm „rehapro“ entwickelt. gliederten Systems an, um die Schnittstellen zu redu- zieren. Und das sind einige. Aktuell beschäftigen sich im Förderprogramm rehapro 19 Modellprojekte – rund ein Drittel aller Vor allem das neue Teilhabeplanverfahren soll da- Vorhaben – mit dem Übergang von medizinischer zu bei helfen. Neu ist, dass nur noch ein Träger als „leis- beruflicher Rehabilitation. „Der Fokus liegt hier ent- tender Träger" bei trägerübergreifenden Teilhabeleis- weder direkt beim Schnittstellenmanagement oder tungen zuständig ist – auch wenn Rentenversicherung, es werden innovative Bestandteile aus beiden Ver- Bundesagentur für Arbeit, Unfall-, Kranken- und sorgungssegmenten miteinander verknüpft bzw. neu Pflegekasse für unterschiedliche Leistungen zuständig konzipiert“, berichtet die Parlamentarische Staatsse- bleiben. Dieser eine Träger ist auch verantwortlich für kretärin Kerstin Griese und stellt das Modellprojekt die Teilhabeplankonferenzen. So werden „Hilfen wie „AktiFAME“ der DRV Nord vor: „Eine neu entwickelte aus einer Hand ermöglicht“, erklärt die Parlamenta- Intervention für psychisch erkrankte Menschen ver- rische Staatssekretärin Kerstin Griese im Gespräch bunden mit einem individuellen, bedarfsorientierten mit REHAVISION. Damit wird nun ein Antrag auf ver- Fallmanagement. Letzteres ermöglicht u. a. einen schiedene Reha-Leistungen so behandelt, als wäre nahtlosen Übergang zwischen medizinischen und be- er zugleich bei allen Rehabilitationsträgern gestellt ruflichen Rehabilitationsleistungen.“ 4 REHAVISION 1/2020
SCHWERPUNKT MEDIZIN & BERUF Mit dem neuen Gesetz und dem Förderprogramm Sprache des Mediziners, die berufliche Rehabilitation ist also an den Schnittstellen tatsächlich etwas ins Rol- die des Pädagogen. Der Mediziner sieht immer zuerst len gekommen. Das ist gut so. Aber es reicht nicht. die Diagnose, während der Pädagoge das Entwick- Dass die Umsetzung in der Praxis Zeit braucht, ist an- lungspotenzial sieht.“ Damit es an den Übergängen gut gesichts der Komplexität der Leistungen und Vielzahl funktioniert, müssen also beide Gruppen nicht nur eine der Akteure nicht allzu verwunderlich. gemeinsame Terminologie entwickeln, sondern auch ein gemeinsames Verständnis dafür, welche Schwer- Noch immer zu lange Wartezeiten punkte die einzelnen Bereiche setzen. „Der Gesetzgeber hat aus gutem Grund das verbes- Aber nicht nur die Sprache ist unterschiedlich, serte Zusammenspiel der Akteure eingefordert“, sagt sondern auch die jeweiligen Dokumentationssyste- Dr. Petra Becker. Sie ist geschäftsführende Gesellschaf- me. „Beim Wechsel der Patienten von einem System terin der Dr. Becker-Unternehmensgruppe, die bun- ins andere kann meist nicht auf den Ergebnissen des desweit acht Reha-Kliniken, drei Therapiezentren und vorhergehenden Systems aufgebaut werden – etwa vier Seniorenpflegeeinrichtungen betreibt. „Aus unse- beim Assessment.“ An den Schnittstellen gibt es daher rer Sicht ist es extrem wichtig, dass sich die Nachver- nicht nur einen Systemwechsel, sondern auch einen sorgung gut anschließt, da in der medizinischen Reha Medienbruch. „Hier erfolgt sehr viel Doppelarbeit, Impulse gesetzt und Voraussetzungen geschaffen wer- statt auf der Vorarbeit aus dem System zuvor aufzu- den können, damit Patienten ihren Lebensstil oder ihr bauen“, kritisiert sie. Systeme kompatibel zu machen berufliches Umfeld langfristig erfolgreich verändern und mehr Einheitlichkeit zu schaffen, sei ein sinnvoller können.“ Die Erfahrung zeige aber, dass es immer wie- Schritt zu fließenden Übergängen. der zu lange Wartezeiten zwischen abgeschlossener medizinischer Rehabilitation und Beginn der berufli- chen Rehabilitation gebe. Die Ursachen dafür sind aus ihrer Sicht zu lange Bearbeitungszeiten und Friktionen im Bewilligungsprozess. Doch schon während der me- dizinischen gelte es, die berufliche Rehabilitation „auf den Weg zu bringen“. Dazu gehöre es, frühzeitig den Bedarf für eine Leistung zur beruflichen Rehabilitation zu erkennen und noch während der medizinischen Re- habilitation die nächsten Schritte einzuleiten. Woran hapert es also in der Praxis genau? „In der medizinischen Rehabilitation können derzeit nur Empfehlungen ausgesprochen werden. Die Entschei- dungen darüber, ob diese Empfehlungen umgesetzt werden, wie z. B. die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) oder eine stufenwei- se Wiedereingliederung, finden in der Regel erst anschließend statt.“ Hier könnten Absprachen und Fallkonferenzen, wie sie das BTHG insbesondere für komplexe Fälle vorsieht, Abhilfe schaffen. Auch ge- Best Practice für nahtlose Übergänge Vernetzung im meinsam definierte Standardfälle könnten dazu bei- Zentrum für seelische tragen, die Übergänge an den Schnittstellen zu ver- Dass es besser laufen kann, hat die Dr. Becker-Unter- Gesundheit Bremen bessern. „Aktuell werden beim Übergang in LTA die nehmensgruppe zusammen mit dem BFW Weser-Ems verbessert Versor- gung von Menschen Empfehlungen aus der medizinischen Reha zu 80 % der INN-tegrativ gGmbH vorgemacht. Seit ein paar mit psychischen bewilligt, 20 % werden zunächst abgelehnt“, erklärt Jahren arbeitet ein Gemeinschaftsunternehmen, das Erkrankungen. die Reha-Expertin. Im Idealfall sollten die Empfehlun- Zentrum für seelische Gesundheit in Bremen, nach gen der Klinik regelhaft ausreichend sein und kein einem einmaligen Konzept, das sich den nahtlosen weiteres Bewilligungsverfahren nach sich ziehen. Al- Übergang zwischen medizinischer und beruflicher ternativen könnten beschleunigte Prüfverfahren für Reha zum Ziel gemacht hat. Eine beispielhafte Zusam- bestimmte Patientengruppen sein oder eine gemein- menarbeit, die zeigt, wie sich Hürden abbauen und same Abstimmung am Ende der medizinischen Re- Versorgungsketten besser gestalten lassen. Das BFW habilitation. Video-Reha-Beratungen könnten solche Weser-Ems hält als nahtlose Ergänzung zum thera- Abstimmungsgespräche effizient ermöglichen und peutischen und beratenden Angebot des Rehabilita- dabei unterstützen, frühzeitig Weichen zu stellen. tionszentrums eine Vielzahl von Angeboten zur beruf- lichen Rehabilitation bereit. „Bereits in der Konzeption Unterschiedliche Sprachen haben wir überlegt, welches Assessment und welche Datenerhebungen sowohl in der medizinischen als Ein weiteres Problem an den Schnittstellen sei, dass dort auch in der nachfolgenden beruflichen Rehabilita- unterschiedliche Sprachen gesprochen werden. Dr. Pet- tion sinnvoll und notwendig sind“, skizziert Dr. Petra ra Becker: „Die medizinische Rehabilitation spricht die Becker das gemeinsame Vorgehen. ➝ Fortsetzung REHAVISION 1/2020 5
SCHWERPUNKT MEDIZIN & BERUF Und natürlich waren auch die zuständigen Reha-Trä- Anbietern der beruflichen Rehabilitation wie den Be- ger mit an Bord. Zusammen wurde ein Prozess entwi- rufsförderungswerken erarbeitet. Sie umfassen spezi- ckelt, in dem Patienten-Diagnosen und -Erkenntnisse fische Leistungen wie die Belastungserprobung und für die nachfolgende Integrationsmaßnahme nutzbar eignen sich für Patienten, bei denen nicht absehbar ist, gemacht werden und der Patient gezielt auf die nach- ob sie ihren alten oder einen entsprechenden Arbeits- folgende berufliche Rehabilitation vorbereitet wird. platz wieder erfolgreich einnehmen können. Aller- Direkt und gänzlich unbürokratisch, vor allem aber dings erweist sich die MBOR Stufe C in der Praxis oft ohne zeitliche Verluste. „Für den Patienten ist es sehr als wenig praktikabel, da der Koordinierungsaufwand wichtig, dass er an einer Schnittstelle nicht in ein Loch an der Schnittstelle kein Bestandteil der Vergütung ist. und damit in neue Unsicherheit fällt“, unterstreicht Dr. Petra Becker einen weiteren wichtigen Aspekt naht- „Die Wirksamkeit dieses Ansatzes ist durch ran- loser Rehabilitation. Denn der Gewinn einer sicheren domisierte kontrollierte Studien klar belegt“, so Perspektive schon in der medizinischen Reha gehöre DGRW-Vorstand Prof. Dr. Matthias Bethge vom Ins- zu den Erfolgsfaktoren einer erfolgreichen Rehabili- titut für Sozialmedizin und Epidemiologie der Univer- tation. „Verunsicherung zu vermeiden, bedeutet den sität zu Lübeck. Allerdings sei die Umsetzung in der Erfolg zu steigern“, so ihr Fazit. Versorgungspraxis herausfordernd. „Damit es in der Realität klappt, muss die Zielgruppe erreicht werden MBOR für möglichst frühzeitige und müssen die empfohlenen Module in vollem Um- Zusammenarbeit fang umgesetzt werden. Die berufliche Orientierung der Rehabilitation muss sich als klar erkennbarer ro- Ganz neu ist die Vernetzung von medizinischer mit ter Faden durch das Programm ziehen“, sagt Bethge. beruflicher Rehabilitation nicht. Seit 2012 bietet die Deutsche Rentenversicherung als „Medizinisch-be- Schnittstelle Betrieb wird wichtiger ruflich orientierte Rehabilitation“ (MBOR) gezielt dia- Und noch eine Schnittstelle ist in den letzten Jahren gnostische und therapeutische Konzepte an, um Re- verstärkt in den Fokus gerückt: die Zusammenarbeit habilitanden möglichst frühzeitig bei der Bewältigung mit Betrieben. Hier sind schnellere Zugänge zu er- beruflicher Problemlagen zu unterstützen. Mit der so genannten MBOR Stufe C wurden zudem neue For- forderlichen Leistungen gefragt, um Unternehmen dabei zu unterstützen, Mitarbeiter nicht frühzeitig men der Zusammenarbeit zwischen Reha-Kliniken und durch Ausgliederung zu verlieren. Einer der Auslöser dafür sind die steigende Kom- Herausforderung Schnittstelle – Status Quo plexität und Dynamik der Arbeitswelt, die wachsende psychische Belastungen mit sich bringt. Der Anteil der Langzeiterkrankten aufgrund von Stress, Burnout und Depressi- onen steigt unaufhaltbar. Laut BKK Gesund- heitsreport 2018 ist ihr Anteil am Arbeitsun- fähigkeitsgeschehen in den vergangenen 40 Jahren von 2 % auf 16,6 % gestiegen. Psy- y Die Politik hat mit dem BTHG y Fehlende Anreize zur chische Erkrankungen sind mit 43 % zudem den Handlunsgauftrag Kooperation häufigste Ursache für krankheitsbedingte angenommen Frühberentungen, das Durchschnittsalter ist y Unterschiedliche Sprache in mit 48,3 Jahren überdurchschnittlich jung. y Forschungsergebnisse den verschiedenen Systemen Eine beunruhigende Entwicklung. bestätigen Wirksamkeit gut vernetzter medizinischer und y Berufliche In Summe addieren sich die Gesundheits- beruflicher Rehabilitation Wiedereingliederung störungen zu einem gesundheitsökonomi- noch nicht als prioritäres schen Problem mit klaren Risiken beim Thema y Erfolgreiche Beispiele aus Behandlungsziel anerkannt Fachkräftesicherung. Kein Wunder, dass die der Praxis belegen Nutzen Gesundheit ihrer Arbeitnehmer für Unter- vernetzter Leistungen y Wenig Erfahrungen mit nehmen zunehmend an Bedeutung gewinnt. dem neuen Instrument y Programme wie rehapro Teilhabeplanverfahren Prävention für fördern Innovationen an Arbeitnehmer gefragt Schnittstellen y Fehlen von generellen trägerübergreifenden Präventionsleistungen für Beschäftigte sind Standards daher gefragt. Es geht darum, Gesundheit zu fördern, Arbeitskraft zu erhalten und ein y Keine regelhafte Einführung möglichst langes und gesundes Erwerbsleben von Erfolgsmodellen zu ermöglichen. Auch hier zielt der Gesetz- © BV BFW geber auf eine Stärkung der Zusammen- arbeit, da Prävention, Akutbehandlung und 6 REHAVISION 1/2020
SCHWERPUNKT MEDIZIN & BERUF medizinische Rehabilitation ineinandergreifen. Dass im Mittelpunkt. „Energie Vital soll die Resilienz stärken Centrum für die gesetzlichen Krankenversicherungen Gesund- sowie die körperliche und seelische Gesundheit för- Prävention der heitsuntersuchungen zur Früherkennung von Krank- dern“, erklärt Zucker und berichtet: „Das Programm Klinik Höhenried heiten anbieten, ist bekannt. Aber auch die Renten- wurde so gut angenommen, dass wir an die Grenzen versicherung hat ihre Leistungen zur Sicherung der unserer Kapazitäten gestoßen sind.“ Deshalb ent- Erwerbsfähigkeit an Versicherte erweitert. Mit dem schloss sich die Geschäftsführung, das Angebot zu er- Flexirentengesetz hat der Gesetzgeber noch einmal weitern und das CeP zu bauen. „Durch den Rechtsan- die Präventionsleistungen betont und zur Pflichtleis- spruch auf den Ü45-Check und Präventionsangebote tung der DRV erklärt. Ab dem 45. Lebensjahr gibt sind einfach mehr Kapazitäten erforderlich“, erklärt es nun den „Ü45-Check“, einen freiwilligen, berufsbe- der Klinik-Geschäftsführer. Immerhin werden deutsch- zogenen Gesundheits-Check. Noch mehr Angebote landweit rund 40 Mio. Versicherte nach und nach von bieten spezielle Präventionszentren, die die Deutsche den Rentenversicherungen angeschrieben und auf die Rentenversicherung derzeit bundesweit aufbaut. Präventionsleistungen hingewiesen. Klinik Höhenried: Zugänge aus Betrieben unterschiedlich Innovatives Präventionszentrum Der Zugang von Beschäftigten aus Konzernen ins Eines davon gehört zur Klinik Höhenried der DRV Präventionszentrum läuft problemlos. Dort gibt es Bayern Süd, die Anfang Oktober 2019 ein eigenes in der Regel gut informierte Betriebsmediziner, die Centrum für Prävention (CeP) eröffnete – ein wirk- präventionsrelevante Mitarbeitergruppen im Auge liches Leuchtturmprojekt. Angebote zur Prävention haben. Mit vielen großen Konzernen gibt es feste haben hier Tradition, sagt Geschäftsführer Robert Kooperationen. Anders sieht es bei den kleinen und Zucker: „Bereits 2013 wurde für Mitarbeiter großer mittelständischen Betrieben aus: „Die müssen über Unternehmen ein präventives Angebot eingeführt: die DRV erreicht werden“, erklärt Robert Zucker. Um BETSI.“ Das Präventionsprogramm, das in seiner Mitarbeiter aus Kleinbetrieben anzusprechen, hat Langform „Beschäftigungsfähigkeit teilhabeorientiert man den Zugang bewusst niedrigschwellig konzi- sichern“ heißt, richtet sich an Menschen im Beruf, die piert. Eine kurze ärztliche Stellungnahme und eine bereits gesundheitliche Beschwerden haben, aber Überweisung reichen aus. noch nicht chronisch krank sind. Meist sind es Proble- me mit dem Gewicht, hohe Blutdruckwerte oder Rü- Schon jetzt zeigt sich, wie gefragt das neue Prä- ckenschmerzen. Andere fühlen sich vom Job gestresst. ventionszentrum ist: Mehr als 2.000 Personen haben BETSI fördert gesundheitsorientierte Verhaltenswei- bereits die Angebote genutzt. Die meisten stationär, sen und einen bewussteren Umgang mit körperlichen einige ambulant. Dazu haben die Präventionsexper- und psychischen Anforderungen. ten extra ein Online-Coaching und eine eigene Trainings-App entwickelt. „Mit dem neuen Konzept Neben dem Präventions- und Gesundheitsförde- rennen wir offenen Türen ein“, bestätigt Robert rungsprogramm BETSI gibt es inzwischen ein weiteres Zucker den CeP-Erfolg. Profitieren werden davon Programm, das den Fokus auf die Stärkung des psy- alle: Die leistungsgestärkten Beschäftigten und ihre chischen Immunsystems richtet: „Energie Vital“. Hier Unternehmen, aber auch die Rentenversicherungen stehen der Schutz vor psychischen Belastungen sowie – denn Prävention ist volkswirtschaftlich besser als Techniken zur Entspannung und Konfliktbewältigung Reha und noch besser als Rente. REHAVISION 1/2020 7
SCHWERPUNKT MEDIZIN & BERUF Bekenntnis zu „Stay at work“ Interview mit Jan Miede, Geschäftsführer der DRV Braunschweig-Hannover Der Auftrag der Deutschen Rentenversicherung (DRV) ist klar: Die Beschäftigungsfähigkeit der Versicherten soll möglichst optimal sichergestellt werden. Dazu gibt es rehabilitative und präventive Leistungen. Immer wichtiger wird für die DRV die frühzeitige Zusammenarbeit mit Betrieben. Jan Miede, Geschäftsführer der DRV Braunschweig-Hannover, spricht im Interview mit REHAVISION über Leistungen und Konzepte, wie die DRV und Betriebe gemeinsam gesundheitsfördernde Rahmenbedin- gungen für einen dauerhaften Verbleib im Arbeitsleben schaffen können. Konzept entwickelt, das jetzt in aktualisierter Form vorliegt. Noch stärker als zuvor werden jetzt psychi- sche Beeinträchtigungen in den Fokus genommen. Dabei geht es darum, im Rahmen rehabilitativer Leis- tungen die besonderen Anforderungen eines konkre- ten Arbeitsplatzes zu erkennen und die Versicherten bereits während ihrer medizinischen Rehabilitation op- timal dafür zu trainieren. Anders als bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation geht es bei Präventions- leistungen um Versicherte mit lediglich ersten gesund- heitlichen Beeinträchtigungen, gleichwohl wird aber ein Bezug zur ausgeübten Beschäftigung hergestellt. Damit bekennt sich die Rentenversicherung bewusst zu ihrer Verantwortung, durch die Gestaltung ihrer prä- ventiven Angebote ein „Stay-at-Work“ sicherzustellen. So werden etwa die wichtigen Trainingsphasen auch parallel zur beruflichen Tätigkeit weitergeführt. Und über ein „Refreshing“, das Teil jeder Präventionsleis- tung ist, wird der Blick noch einmal darauf geschärft, ob die Leistung erfolgreich ist im Hinblick auf die Wei- Jan Miede, REHAVISION: Was brauchen erfolgreiche „Return-to- terführung der bisherigen beruflichen Tätigkeit. Geschäftsführer Work“- oder „Stay-at-Work“-Konzepte? der Deutschen Und für Menschen mit erheblich eingeschränkter Rentenversicherung Jan Miede: Der gesetzliche Auftrag der Rentenversi- Leistungsfähigkeit für ihre beruflichen Aufgaben hat Braunschweig- cherung ist es, durch Leistungen zur Teilhabe den Aus- die DRV Fallmanagementstrukturen entwickelt. Sie Hannover wirkungen einer Krankheit oder Behinderung auf die stellen zeitnah sicher, dass erforderliche Unterstüt- Erwerbstätigkeit der Versicherten vorzubeugen oder zungsleistungen wie etwa Hilfsmittel oder Weiterqua- sie zu überwinden. So sollen Beeinträchtigungen der lifizierungen umgehend erbracht werden können, und Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges damit eine Weiterbeschäftigung, ein „Return to work“, Ausscheiden aus dem Erwerbsleben verhindert wer- möglich wird – häufig bei dem bisherigen Arbeitgeber. den. Unser Ziel ist es, sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern. Es geht also nicht Welche präventiven Leistungen setzen an der darum, allgemein die gesundheitlichen Verhältnisse Schnittstelle zum Betrieb an? der versicherten Bevölkerung zu verbessern. Vielmehr steht für die Rentenversicherung das Individuum, also Präventive Leistungen gibt es bei der DRV unter zwei die oder der Versicherte im Mittelpunkt. Deren Be- Aspekten: Für ihre Versicherten erbringt sie individu- schäftigungsfähigkeit soll optimal sichergestellt wer- elle verhaltenspräventive Leistungen, wenn erste ge- den, um sie idealerweise bis zur Regelaltersrente im sundheitliche Beeinträchtigungen aufgetreten sind, die Erwerbsleben zu halten. Damit trägt die DRV – auch die ausgeübte Beschäftigung gefährden. So ist es im aus eigenem Interesse heraus – dazu bei, dem demo- SGB VI, § 14 geregelt. Schon hier sehen wir den Be- grafischen Wandel und dem sich entwickelnden Fach- zug zur konkreten beruflichen Tätigkeit. Darüber hin- kräftemangel entgegenzutreten. aus nimmt die Rentenversicherung auch Betriebe unter dem Präventionsgedanken in den Fokus, insbesondere Wie sieht das konkret aus? kleine und mittlere. 2015 hat sie einen bundeswei- ten Firmenservice geschaffen mit dem Schwerpunkt Die Rentenversicherung hat ihre Leistungen zur medizi- „Gesunde Beschäftigte“. Dabei handelt es sich um ein nischen Rehabilitation zu MBOR-Leistungen, also Leis- umfassendes Dienstleistungsangebot der Rentenversi- tungen zur medizinisch-beruflich-orientierten Rehabili- cherung an die Unternehmen. Sie berät zu den The- tation, weiterentwickelt und dafür ein viel beachtetes men medizinische und berufliche Rehabilitation, zur 8 REHAVISION 1/2020
SCHWERPUNKT MEDIZIN & BERUF Prävention, zum Betrieblichen Eingliederungsmanage- vorgesehenen versichertenbezogenen individuellen ment und zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement. verhaltenspräventiven Leistungen sind Teil dieser Es geht sowohl um das konkrete Leistungsangebot als Strategie. Zudem soll die DRV darauf hinwirken, dass auch um den Weg in diese Leistungen für einzelne Be- die Einführung einer freiwilligen, individuellen und be- schäftigte. In diesem Kontext übernimmt die Deutsche rufsbezogenen Gesundheitsvorsorge für Versicherte Rentenversicherung auch eine Wegweiserfunktion zu ab Vollendung des 45. Lebensjahres trägerübergrei- Angeboten anderer Sozialversicherungsträger. fend in Modellprojekten erprobt wird. Auch hierzu laufen regionale Projekte an. Wie kann man Betriebe gut erreichen? Auf welche Partner setzt „Prävention 4.0“? Gerade wenn es um die Beratung der Arbeitgeber zum Thema Mitarbeitergesundheit geht, steht der Der Gesetzgeber hat erkannt, dass es für eine er- Ausbau der Firmenserviceangebote der Deutschen folgreiche Prävention im Prinzip einer Kooperation Rentenversicherung eher noch am Anfang – jeden- aller Sozialversicherungsträger im regionalen Bereich falls wenn man es auf die Gesamtzahl der Versi- bedarf. Deshalb hat er den Auftrag erteilt, Landes- cherten und der Unternehmen bezieht. Dabei gibt rahmenvereinbarungen zur Umsetzung der nationa- es durchaus regionale Unterschiede. Die Rentenver- len Präventionsstrategie abzuschließen. Ein Auftrag, sicherung wird sich in Zukunft viel stärker engagie- der auch in allen Bundesländern umgesetzt wurde. ren, ihre Leistungsangebote und insbesondere auch Hier geht es darum, Partner für Prävention und Ge- die Präventionsangebote sowohl gegenüber den sundheitsförderung zu finden und die Reichweite und Arbeitgebern als auch den Versicherten zu vermitteln. Wirksamkeit der Aktivitäten zu erweitern. Die DRV hat Denn wir sind der Überzeugung, dass frühzeitige ge- dabei einen Auftrag für das Setting „Arbeitswelt“. Auf sundheitliche Interventionen vielfach der Entwicklung dieser Basis werden regional auch Kooperationen mit chronischer Erkrankungen vorbeugen können. Dazu Trägern der Unfallversicherung oder der gesetzlichen gehören etwa Informationen zum richtigen Lebensstil, Krankenversicherung gesucht. Ziel ist es, gemeinsame zum verantwortungsvollen Suchtmittelgebrauch so- Strategien zu entwickeln, wie Betriebe für ihre Mit- wie zu Ernährung, Entspannung und Bewegung. Und arbeiter gesundheitsfördernde Rahmenbedingungen dies gilt es immer wieder zu betonen. Letztlich wird schaffen können. Sie sollen ihre gesetzlichen Aufträge das auch von der Politik unterstützt, indem sie sich im zur Durchführung des Betrieblichen Eingliederungs- SGB V für die Beteiligung der Rentenversicherung an managements erfüllen können, sodass Präventions- der Entwicklung einer gemeinsamen nationalen Prä- und Rehabilitationsbedarfe der Mitarbeiter frühzeitig ventionsstrategie ausgesprochen hat. Die im Gesetz erkannt werden können. Betriebe im Fokus 29. Reha-Kolloquium beschäftigt sich mit Prävention, Rehabilitation und „guter Arbeit“ Dass Unternehmen beim Erhalt von Beschäftigungsfähigkeit ein wichtiger Partner sind, spiegelt das 29. Rehabilitationswissen- schaftliche Kolloquium wider. Zu Recht gilt der von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) und Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW) veranstaltete Kongress als wichtigstes Forum für praxisrelevante Ergebnisse zur medi- zinischen und beruflichen Rehabilitation. Schwerpunktthema ist 2020 „Prävention und Rehabilitation – der Betrieb als Partner“. Einen Einblick in das Programm geben Katrin Parthier, wissenschaftliche Referentin bei der DRV Bund, und Dr. Marco Streibelt, wissenschaftlicher Leiter des Kongresses. D urch die Auswirkungen des demografischen und digitalen Wandels befindet sich unsere Arbeits- welt im Umbruch: Belegschaften altern, Arbeits- verstärkt mit der betrieblichen Ebene. Neben Arbeit- gebern in Klein-, Mittel- und Großunternehmen sind Werks- und Betriebsärzte sowie betriebliche Sozial- anforderungen werden komplexer, Arbeitsformen dienste wichtige Kooperationspartner. Der Dialog flexibler. Wie, was und wie viel bzw. wie lange wir zwischen betrieblichen Akteuren, Leistungsträgern künftig arbeiten, könnte sich dadurch grundlegend und -erbringern ist notwendig, um eine nahtlose ändern. Unterstützungsangebote zur Förderung, Versorgung sicherzustellen. Ziel ist ein abgestimmter zum Erhalt und zur Wiederherstellung von Gesund- Präventions- bzw. Rehabilitationsprozess. heit und Teilhabe gewinnen vor diesem Hintergrund an Bedeutung. Eine nachhaltige berufliche (Re-)Inte- Damit diese Angebote und Prozesse mit dynami- gration erfordert dabei zunehmend die Verzahnung schen Veränderungen Schritt halten können, bedarf der Unterstützungsangebote mit Leistungen anderer es wissenschaftlicher Forschung als Grundlage für Versorgungsbereiche und mit den Betrieben selbst. eine kontinuierliche Weiterentwicklung. Für eine prä- Die DRV und Leistungserbringer kooperieren daher ventive und gesundheitserhaltende ➝ Fortsetzung REHAVISION 1/2020 9
SCHWERPUNKT MEDIZIN & BERUF Rehabilitationsstrategien. Die Auswirkun- gen der Digitalisierung auf die Arbeitsbe- dingungen im Joballtag beleuchtet der Ar- beits- und Organisationspsychologe Prof. Dr. Bertolt Meyer von der TU Chemnitz. Er zeigt auf, welche Chancen mit der Digita- lisierung einhergehen, in welche Richtung sich die „Arbeitswelt 4.0“ entwickeln kann und welche Herausforderungen es für Be- triebe und Arbeitnehmende zu meistern gilt. Einflussfaktor Betriebsgröße Inwiefern die Betriebsgröße einen Einfluss auf die Umsetzungs- und Ergebnisqualität von gesundheitsbezogenen Maßnahmen hat, ist Gegenstand eines weiteren Diskus- sionsforums. In der Veranstaltung werden Arbeitsgestaltung sind die kontextuellen Bedingungen sowohl wissenschaftliche als auch betriebliche Akteu- des Betriebes bzw. des einzelnen Arbeitsplatzes und re aus dem kürzlich abgeschlossenen Forschungsver- das individuelle Gesundheitsverhalten der Arbeit- bund „Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit bei gesund- nehmenden in den Blick zu nehmen. Letztlich kommt heitlicher Beeinträchtigung“ der Hans-Böckler-Stiftung es darauf an, Gestaltungspotenziale für Prävention, zu Wort kommen. Über die Erfahrungen aus der Per- Rehabilitation und „gute Arbeit“ auf der Grundlage spektive eines Großunternehmens wird Bernd Oster- wissenschaftlicher Erkenntnisse partnerschaftlich mit loh, Vorsitzender des Gesamt- und Konzernbetriebs- Betrieben wahrzunehmen. Wie das am besten gelin- rats sowie Mitglied des Präsidiums des Aufsichtsrates gen kann, darum geht es beim Rehabilitationswissen- der Volkswagen AG, im Rahmen einer Keynote be- schaftlichen Kolloquium in über 250 Vorträgen und richten. Volkswagen praktiziert seit langem ein ganz- Diskussionsforen. heitliches Gesundheitsmanagement, das auch Aspekte der Arbeitsorganisation, der Ergonomie und der Pers- Studien zu Prävention und Rehabilitation pektive für jeden Einzelnen umfasst. Eine der größten Herausforderungen dürfte zukünf- Kooperation und Vernetzung tig darin liegen, Personen frühzeitig mit Angeboten der Prävention und Rehabilitation zu erreichen. Die Auch Kooperation und Vernetzung sind Thema: Un- DRV fördert daher gezielt Forschungsprojekte zur ter dem Titel „Starke Partner für gesundes Leben und Erschließung neuer Zugangswege. Beim Kongress Arbeiten“ koordinieren die DRV Bund und die Deut- werden Ergebnisse zu Studien vorgestellt, die hierfür sche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) ihre Zu- die Nutzung von Routinedaten, Möglichkeiten der Di- sammenarbeit bei der Beratung von Unternehmen gitalisierung sowie eine engere Zusammenarbeit mit insbesondere zu den Themen BEM und Prävention. betrieblichen und ärztlichen Akteuren, aber auch der Über das Netzwerk „KMU-Gesundheitskompetenz“ Sozialversicherungsträger untereinander analysieren. der AOKen Niedersachsen und Nordost erhalten Als weitere Erfolgsfaktoren für gelingende berufliche klein- und mittelständische Unternehmen unter Be- Teilhabe gelten ein verstärkter Arbeitsplatzbezug und teiligung der DRV und der DGUV Beratung und Un- eine stärkere Ausdifferenzierung der Reha-Leistun- terstützung zu verschiedenen Themen des betrieb- gen. Verschiedene konzeptuelle Ansätze zu „Medi- lichen Gesundheitsmanagements. zinisch-beruflich orientierter Rehabilitation“ (MBOR) und Fallmanagement greifen dies auf. Evidenzbasierung von Teilhabeleistungen Für die Entwicklung, Evaluation Auch für Teilhabeleistungen gilt der Anspruch der und Umsetzung betriebsnaher An- wissenschaftlichen Evidenzbasierung. Bislang war Das 29. „Reha-Kolloquium“ sätze bietet sich die gemeinsame es jedoch nicht oder nur schwer möglich, die dafür findet vom 2. bis 4. März Forschung mit Unternehmen an. notwendigen Studiendesigns durchzuführen. Zwei 2020 im Hannover Mögliche Partizipationsformate sol- aktuellen Studien zur „absoluten“ Wirksamkeit der Congress Centrum statt. len daher in einem Diskussionsforum stationären medizinischen Rehabilitation ist dies nun von wissenschaftlichen und betrieb- gelungen. Die Ergebnisse sind ermutigend: Sie bele- ➝ reha-kolloquium.de lichen Akteuren gemeinsam erörtert gen die spezifische Wirksamkeit und den klinisch re- werden. Die Erkenntnisse werden u. a. levanten Nutzen der Rehabilitation. Ergänzend wird relevant sein für die im Spätsommer sich der Rehabilitationswissenschaftler Prof. Dr. Mat- geplante rentenversicherungsüber- thias Bethge von der Universität zu Lübeck mit den greifende Förderbekanntmachung wissenschaftlichen Ergebnissen zur Return-to-Work- zur Weiterentwicklung beruflicher Forschung in Deutschland beschäftigen. 10 REHAVISION 1/2020
SCHWERPUNKT MEDIZIN & BERUF „Es geht uns um das Miteinander“ Vernetzung stärkt die Zusammenarbeit an den Schnittstellen Gemeinsam netzwerken – ein Interview mit Christof Lawall, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation (DEGEMED) und Niels Reith, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Berufsförderungswerke (BV BFW) über die Zusammenarbeit von medizinischer und beruflicher Rehabilitation. Christof Lawall (links), Geschäftsführer der DEGEMED und Niels Reith (rechts), Geschäftsführer des BV BFW REHAVISION: Neben einer Satellitenveranstaltung Hier dürfen Antragsverfahren oder bürokratische haben DEGEMED und BV BFW anlässlich des Planungs- und Auswahlprozesse nicht im Weg stehen. Reha-Kolloquiums erstmals einen gemeinsamen Alle sind zur maximalen Beschleunigung verpflichtet – Netzwerkabend ins Leben gerufen. Was waren Ihre Leistungsträger und Leistungserbringer. Beweggründe? Welche Möglichkeiten bietet aus Ihrer Sicht das Niels Reith: Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) for- Bundesprogamm rehapro bei der Entwicklung neuer dert alle Akteure der Rehabilitation dazu auf, die Lösungsansätze? Zusammenarbeit an den Schnittstellen zu verbes- sern. Neben den Rehabilitationsträgern sind hier Niels Reith: Mit rehapro sollen die Grundsätze „Prä- auch die Leistungserbringer gefragt. Als Verbände vention vor Rehabilitation“ und „Rehabilitation vor wollen wir unsere Mitglieder und das Anliegen des Rente“ gestärkt werden. Damit dies gelingt, brauchen BTHG unterstützen, indem wir Raum für Austausch wir eine bessere Verzahnung von medizinischer und und neue Ideen schaffen. Wir wollen medizinischen beruflicher Rehabilitation. Gerade bei komplexen ge- und beruflichen Leistungserbringern Gelegenheit sundheitlichen Beeinträchtigungen und besonderen bieten, sich besser kennenzulernen und zu vernet- beruflichen Problemlagen sind reibungslose Übergän- zen. Nach unserer Erfahrung kann Vernetzung ein ge von der medizinischen in die berufliche Rehabilita- erster Schritt für Projektideen und konkrete Koope- tion wichtig, um die Arbeitsfähigkeit zu erhalten oder rationen sein. wiederherzustellen und Verrentun- gen zu vermeiden. Auch die Schnitt- Christof Lawall: Es geht uns um das Miteinander. stelle zum Betrieb muss im gesamten Die DEGEMED ist der Spit- Medizinische und berufliche Reha sind Teil einer Bran- Prozess immer im Blick behalten wer- zenverband der medizini- che. Wir arbeiten für dieselben Rehabilitanden und den. Eine übergreifende Fallsteue- schen Rehabilitation. Sie haben eine hohe Übereinstimmung bei den gesetz- rung, wie sie stellenweise implemen- setzt sich für die Interessen lichen Leistungsträgern. Daher sind wir sehr froh, dass tiert wurde, bietet hier erhebliche der stationären und ambu- das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und Vorteile. In manchen Fällen können lanten Rehabilitationsein- die Deutsche Rentenversicherung diesen Netzwerk- auch kombinierte oder parallele Leis- richtungen ein und ist offen gedanken unterstützen und mit hochrangigen Vertre- tungen sinnvoll sein. rehapro bietet für alle Betreibermodelle terinnen und Vertretern persönlich präsent sind. den Raum, neue Ansätze der Zusam- und Rechtsformen. Ihre An- menarbeit zu erproben. Mit Blick auf liegen und Themen vertritt Wo müssen die Rahmenbedingungen angepasst die kommenden Förderwellen gibt es die DEGEMED gegenüber werden, damit die Zusammenarbeit an den Schnitt- sicherlich noch Potenzial, innovative Politik, Leistungsträgern stellen noch besser gelingt? Vorhaben mit medizinischen und be- und Öffentlichkeit. ruflichen Rehabilitationserbringern zu ➝ degemed.de Christof Lawall: Menschen mit einer chronischen Er- entwickeln, die neue Kooperations- krankung, einer Behinderung oder nach einem Unfall formen beinhalten. Unter Umständen haben keine Zeit zu verlieren, wenn es um ihre Reinte- sollten auch neue Anreize geschaffen gration geht. Die Unternehmen übrigens auch nicht – werden, um die Kooperation an den jeder Arbeitsausfall ist sofort ein Produktivitätsverlust. Schnittstellen weiter zu befördern. REHAVISION 1/2020 11
SCHWERPUNKT MEDIZIN & BERUF Unternehmen als Partner Erfolgsmodelle für Prävention und Gesundheitsförderung Prävention hat Konjunktur – in allen Lebenswelten. Betriebe sind gefragt, die wertvolle Arbeitskraft ihrer Beschäftigten zu erhalten oder wiederherzustellen. Gleichzeitig sind alle Sozialversicherungsträger angehalten, miteinander zu kooperieren, um ihren gesetz- lichen Präventionsauftrag zu erfüllen. Es geht darum, Betriebe beim Aufbau gesundheitsfördernder und präventiver Rahmenbedin- gungen zu unterstützen. Modellvorhaben und gute Beispiele zeigen, wie die Umsetzung in der Praxis gelingen kann I m Vergleich zur Rehabilitation ist die Zusammen- arbeit der Sozialversicherungsträger im Bereich Prävention relativ neu. Mit dem Präventionsgesetz Hand“ erbracht werden. Durch das vernetzte Zu- sammenwirken vor Ort sollen Zuständigkeitsgrenzen überwunden werden, so dass der Zugang zu Leis- (2015), dem Flexirentengesetz (2016) und zuletzt dem tungen für Betroffene und Betriebe erleichtert wird. Bundesteilhabegesetz (ab 2017) hat der Gesetzgeber die Eckpfeiler für diese Entwicklung gesteckt. Das Zu- Kooperation von DRV Bund und DGUV sammenspiel der Akteure koordiniert eine Nationale Präventionsstrategie; sie beschreibt gemeinsame Ziele Wie die Zusammenarbeit über Trägergrenzen hin- zur Gesundheitsförderung und Prävention, benennt weg in der Praxis funktionieren kann, zeigen die vorrangige Handlungsfelder und Zielgruppen. Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung Lotsen im gegliederten System (DGUV). Mit der gemeinsamen Erklärung „Starke Partner für gesundes Leben und Arbeiten“ legten sie Damit kommt den gesetzlichen Sozialversicherungs- im Jahr 2016 den Grundstein ihrer Kooperation bei trägern im gegliederten Versicherungssystem eine der Beratung von Unternehmen zum Betrieblichen Lotsenfunktion für Beschäftigte und Arbeitgeber Eingliederungsmanagement (BEM). Auch die Themen zu. Leistungen sollen koordiniert und „wie aus einer Prävention und Gesundheitsförderung sollen dabei Berücksichtigung finden. „Betriebe und Unternehmen haben ein Interesse daran, von den Trägern der So- Gesetzliche Grundlagen für Prävention im SGB zialversicherung eine Beratung ‚wie aus einer Hand‘ zu erhalten.“ heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Ziel des Vorhabens ist es, die Belegschaft gesund zu SGB I Verpflichtung aller Sozialleistungsträger zu halten und ihre Beschäftigungsfähigkeit zu sichern. § 14, 15 Auskunft und Beratung Trägerübergreifendes Know-how SGB V Nationale Präventionsstrategie Eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen ist die § 20 d Kenntnis der Leistungsangebote der Kooperations- Abs. 1 Entwicklung einer nationalen Präventionsstrategie – Krankenkassen gemeinsam mit den Trägern der partner sowie der jeweiligen Ansprechpersonen vor gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung und Ort. Gemeinsame Beratungen, Qualifizierungen und den Pflegekassen Workshops versetzen die Berater und Beraterinnen Abs. 2 Inhalte der Nationalen Präventionsstrategie: der Renten- und Unfallversicherung in die Lage, Ar- bundeseinheitliche, trägerübergreifende beitgeber je nach Bedarf auf ergänzende Leistungen Rahmenempfehlungen und Präventionsbericht des anderen Trägers hinzuweisen. Damit können die Abs. 3 Vereinbarung einer Bundesrahmenempfehlung der beteiligten Akteure die Lotsen- und Wegweiserfunk- Träger durch Festlegung gemeinsamer Ziele, tion bei der Beratung von Betrieben ausfüllen. Handlungsfelder und Zielgruppen. Abs. 4 Erstellung eines Präventionsberichts alle vier Jahre Modellregion Berlin-Brandenburg durch die Nationale Präventionskonferenz Konkretisiert wurde die Kooperation in regionalen SGB V Gesetzliche Krankenversicherung: Primäre Modellprojekten. In der Modellregion Berlin-Branden- § 20 Prävention und Gesundheitsförderung burg konnte als ein Partnerunternehmen ein Finanz- dienstleister mit etwa 200 Beschäftigten gewonnen werden. In dem mittelständischen Unternehmen be- SGB VI Leistungen der Rentenversicherung zur Prävention stand Handlungsbedarf aufgrund des hohen Durch- § 14 schnittsalters der Beschäftigten und eines zunehmen- den Veränderungsdrucks in der Belegschaft infolge SGB VII Gesetzliche Unfallversicherung: Grundsatz des digitalen Umbruchs im Finanzsektor. Im Projekt § 14 setzten die Partner – der Finanzdienstleister, die zu- ständige Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) 12 REHAVISION 1/2020
SCHWERPUNKT MEDIZIN & BERUF Die Kooperation zwischen DGUV und DRV wurde bei der Führungskräftever- anstaltung im Januar 2020 weiterentwickelt. Im Bild: Andreas Konrad, Leiter der Abteilung Rehabilitation der DRV Bund und die DRV – auf eine Kombination aus individual- ben Vorbildwirkung. Perspektivisch soll die Zusammen- und verhältnispräventiven Maßnahmen. Seit Herbst arbeit auch für andere Leistungsträger geöffnet wer- 2017 befindet sich das Projekt in der Umsetzung. Das den. In einigen Modellregionen wurde dieser Schritt Spektrum der Dienstleistungen reicht von Präventions- bereits gegangen. Dass die Kooperation zwischen leistungen der Rentenversicherung über psychische Renten- und Unfallversicherung ein Erfolg ist, unter- Gefährdungsbeurteilung und regelmäßige Angebote strichen die Partner Anfang 2020 mit einer Führungs- zur Individualprävention und Gesundheitsvorsorge kräfteveranstaltung und ebneten damit den Weg zum der VBG bis zur BEM-Einzelfallberatung. bundesweiten Rollout. „Gesunde Arbeit Hamburg“ Berliner Stadtreinigung: BEM zählt In Hamburg arbeiten Berufsgenossenschaften und Un- Auf Vernetzung setzten auch die Berliner Stadt- fallkassen, die Rentenversicherung sowie Krankenkas- reinigungsbetriebe (BSR). Der größte kommunale sen im Modellvorhaben „Gesunde Arbeit Hamburg“ Entsorger Deutschlands arbeitet in Sachen Präven- zusammen. Zum Thema Rückengesundheit erproben tion und Wiedereingliederung seit Jahren mit dem die Träger mit ausgewählten Pflegeeinrichtungen und Firmenservice der DRV Berlin-Brandenburg zusam- dem Hamburg Airport, wie sie Leistungen in Präventi- men. Weitere Partner sind dabei das BFW Berlin- on und Rehabilitation stärker aufeinander abstimmen Brandenburg, die Betriebskrankenkasse (BKK) VBU und miteinander verzahnen können. Profitieren sollen sowie die Unfallkasse (UKB) Berlin. Seine Beschäf- davon sowohl die Unternehmen als auch deren Be- tigten informiert der Berliner Entsorger systematisch schäftigte. Ihren neuen Weg der vernetzten Koopera- über die Präventionsleistungen der Rentenversiche- tion stellten die Hamburger Sozialversicherungen An- rung. Diese bietet wiederum ihre fachliche Expertise fang Februar 2020 bei einem Infotag Führungskräften bei Fragen der Antragstellung und Ablauforgani- aus Unternehmen, Fachkräften aus dem Arbeitsschutz sation an. Mit dem BEM hat die BSR ein wichtiges und Experten aus Politik und der Trägerlandschaft vor. Instrument zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit etabliert. „BEM ist eine Gemeinschaftsaufgabe“, Um die Kooperation von DRV und DGUV bei den stellt BSR-Personalvorstand Martin Urban fest und relevanten Akteuren bekannt zu machen, werden unterstreicht damit das vernetzte interdisziplinäre alle Maßnahmen von einer intensiven Öffentlichkeits- Engagement bei dem Thema. arbeit begleitet. Neben den Unternehmen sind Be- triebsärzte und Interessenvertretungen hierbei wich- 2017 schuf der Dienstleister tige Zielgruppen. mit dem BEM-Symposium eine Aus- 4. BEM-Symposium der tauschplattform für Führungskräfte, BSR zum Thema „Individua- Angebote ergänzen sich ideal Beschäftigte aus Personalabteilun- lität der Eingliederungs- gen und Interessenvertretungen maßnahme“. In den Modellprojekten hat sich gezeigt, dass sich die sowie BGM- und BEM-Beauftragte ➝ 26. / 27. August 2020 Angebote der Renten- und Unfallversicherung ideal von Unternehmen aus Berlin und bei der DRV Bund ergänzen und Unternehmen dadurch besonders von dem Bundesgebiet. 2020 geht die der Kooperation profitieren können. Die Erfahrungen BSR mit ihrem Symposium in die 4. der Regionen sollen in ein strukturiertes Vorgehen für Runde. Unterstützt wird sie dabei die bundesweite Beratung von Betrieben einfließen. wieder von der BKK VBU, die UKB Sie zeigen das Spektrum der Möglichkeiten und ha- und der DRV Berlin-Brandenburg. REHAVISION 1/2020 13
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