MENSCHEN MACHEN MEDIEN - Ausbildung Ausbremsen gilt nicht
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mmm.verdi.de E 2814 Jahrgang 69 MENSCHEN MACHEN Medien in Kurzarbeit MEDIEN Trotz hoher Klickzahlen Tarifverhandlungen Medienpolitisches ver.di-Magazin Juni 2020 Nr. 2 Perspektive für Zeitungen Ausbildung Ausbremsen gilt nicht
INHALT IM FOKUS: AUSBILDUNG BERUF MEDIENPOLITIK 16 METERWEIT ÜBER DEN 26 SCHEINHEILIGE DEBATTE BODEN GESCHLEIFT Trotz Empfehlung der Foto: Robert Kiehn / BIBB Foto: Christian v. Polentz Frankfurt / Main: KEF geht Gezerre um Eine Journalistin berichtet Rundfunkbeitrag weiter von ihrer Begegnung mit der Polizei 27 GUTE ARGUMENTE FÜR DEN RUNDFUNKBEITRAG 18 SMARTER WECHSEL ver.di-Gutachten 6 DIGITALER LERNRAUM 12 BLAUE FLECKEN Genossenschaft ver BERUFSSCHULE GEHÖREN DAZU zaubert Selbstständige auf 28 DIE GROSSE ZERSTÖRUNG Von Susanne Stuntleute: Multitalente Wunsch in Angestellte Der Ökonom Andreas Stracke-Neumann mit viel Geduld und gesun- Bathelmess über den der Selbsteinschätzung 20 KAPITÄNE digitalen Umbau der 10 AUSBREMSEN GILT NICHT FÜR DIE BILDERFLUT Gesellschaft und ein Die Ausbildung im 14 FRAU MACHT BUCH Die freie Fotoredakteurin „Daten-#MeToo“ Bühnenservice läuft – nur Ausbildung in der und Dozentin Ina-Jasmin eben anders als sonst Buchbranche als Kossatz im Gespräch mit M 29 IMPRESSUM Karrierechance 27 SCHON ENTDECKT? 15 EHRENAMT PRÜFER DIE KORRESPONDENTIN INTERNATIONAL JEDEN MONAT Etwa ein Drittel Verdianer EIN NEUER PODCAST engagieren sich in den AUF M ONLINE Ausschüssen TARIFE UND HONORARE MEINUNG 22 MIT BLICK AUF Foto: Knut Henkel DIE PERSPEKTIVE NACH CORONA 4 BILDKRITIK Gespräch mit Tarifsekretär Symbol statt Beleg Matthias von Fintel über die Tarifverhandlungen 30 GUMMIPARAGRAF 5 MEDIEN NACH CORONA der dju in ver.di Kuba: Geldstrafen für Journalisten bei Verstoß gegen Gesetz 370 AKTUELL: WIE IST ES DERZEIT MEDIENWIRTSCHAFT UM DEN PRIVATFUNK HIERZU- 31 AKTION FÜR LANDE BESTELLT? GESPRÄCH DALER SHARIPOV, MIT TINO UTASSY, GESCHÄFTS- TITELBILD SEITE 1 23 HOHE KLICKZAHLEN TADSCHIKISTAN FÜHRER DER RTL-TOCHTER Die Fotowerkstatt der Ernst- UND KURZARBEIT BROADCAST SACHSEN Litfaß-Schule in Corona-Zeiten. Selbstständige in Alle M-Podcast unter Foto: Markus Dupré „existenziell bedrohlicher https://mmm.verdi.de/podcast/ /Ernst-Litfaß-Schule Lage“ 2 M 2.2020
XXXXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXXXXX CBS-Reporterin Katie Nielsen wird während einer Kundgebung in Oak- land (Kalifornien) festgenommen. Bei den landesweiten Protesten gegen Rassismus und Gewalt nach dem Mord an George Floyd geht die Foto: Stephen Lam/REUTERS Polizei nicht nur gegen Demonstran ten brutal vor, sondern auch gegen Medienschaffende. Sie werden mas- siv an ihrer Arbeit behindert, einige wurden teilweise schwer verletzt. Kein Stillstand in der Krise n v. Polentz Es gibt keine Ausgabe des M-Magazins und kaum eine Woche auf M Online ohne aktuelle Berichte über Verletzungen der Pressefreiheit. Wie gewalttätig die Polizei derzeit in den USA mit Demon strant*innen und Journalist*innen bei den Protesten gegen den Mord an Georg Floyd umgeht, ist Foto: Christia unerträglich. Sie schießen mit Gummigeschossen auch auf Medienschaffende, eine Journalistin wurde dabei an einem Auge schwer verletzt. Mehr dazu auf M Online unter dem Titel „Kultur der Straffreiheit statt Pressefreiheit“ (https://mmm.verdi.de). In vielen Staaten wird zudem die Corona-Krise genutzt, um mit Hilfe verschärfender Gesetze freie Meinungsäußerungen einzuschrän- ken, wie aktuell in Kuba (S. 30/31). Leider mehren sich auch in Deutschland tätliche Angriffe auf Berichterstatter*innen. Sie kommen meist aus dem rechten Spektrum wie Mitte Mai und Anfang Juni gegen Fernsehteams des ZDF. Und sehr oft greift die Polizei nicht konsequent ein oder sieht sogar weg. Auch sie selbst behindert noch zu oft Jour- nalist*innen bei ihrer Arbeit, erkennt Presseausweise nicht an, wird übergriffig, mitunter gewalttätig – so wie gegen eine Journalistin in Frankfurt am Main, die M ihre „Begegnung“ mit der Polizei während einer friedlichen Demonstration schildert (S. 16). Die Corona-Krise fordert allen viel ab. Der Shutdown hinterlässt auch in der Medienbranche tiefe Spuren. Bei so manchem Selbstständigen sinkt das Einkommen auf Null, weil es keine Aufträge gibt. Trotz hoher Klickzahlen setzen viele Verlage ihre Freien ganz frei und die Redakteur*innen auf Kurzarbeit. Um Auf stockungen des mageren Gehalts müssen Betriebsräte hart verhandeln, die Bereitschaft der Verleger ist gering. Hilfen aus den Staats- und Ländersäckeln greifen – bedauerlicherweise aber oft zu kurz. (S. 23 – 25) Und die Tarifverhandlungen für Zeitungsjournalist*innen will ver.di mit dem Blick auf die Perspektive nach Corona gestalten – eine ganz besondere Herausforderung (S. 22). Auch Berufsschüler*innen standen im März vor den geschlossenen Türen ihrer Bildungszentren. Stillstand gibt es jedoch nicht. Man trifft sich im digitalen Lernraum, Lehrer*innen greifen zu neuen didaktischen Formaten, Prüfungen werden verschoben … (S. 6 – 9). Ausbremsen gilt auch bei der Ausbildung im Büh- nenservice bei der Stiftung Oper in Berlin nicht. Kreativität ist gefragt (S. 10/11). Karin Wenk, verantwortliche Redakteurin 2.2020 M 3
MEINUNG Bildkritik Bildkritik ist die neue Kolumne von Menschen Machen Medien. Der Journalist und Kommunikations- wissenschaftler Felix Koltermann diskutiert dort in regelmäßigen Ab- ständen den Umgang publizistischer Medien mit fotografischen Bildern. Screenshot: dw.com Symbol statt Beleg A bstrakte politische Themen wie Pes keine Bildunterschrift den Zusammenhang auflöst tizideinsatz zu visualisieren, ohne da- liegt es nahe, im dargestellten Traktorfahrer einen der bei willkürliche Bezüge herzustellen, Arbeiter zu sehen, auf dessen Kosten deutsche Kon- stellt eine große Herausforderung zerne mit verbotenen Chemikalien Profite machen. dar. Wie es nicht geschehen sollte, zeigt ein Aufmacherbild zu einem Artikel der Deut- Eine Recherche des Originalbildes in der Datenbank schen Welle. von Picture Alliance kann diese Assoziation jedoch nicht bestätigen. Zum einen stammt das von M. Har- Am 12. Mai 2020 veröffentlichte die Deutsche Welle vey fotografierte und von WILDLIFE über Picture Al- auf ihrer Webseite den Artikel „Gefährliche deutsche liance vertriebene Bild bereits aus dem Jahr 2009. Zum Pestizide für Afrika“. Ausgangspunkt war die Publi anderen gibt das Original keine genaueren Informa kation einer von verschiedenen nationalen und inter- tionen über die Art der Pestizide und deren Herkunft. nationalen NGOs und einer deutschen Stiftung her- Nur folgende Information wird dort vermittelt: „ZAF, ausgegebenen Studie über den Einsatz in der EU 2009: Kohl (Brassica oleracea). Erntearbeiter mit ei- verbotener Pestizide in Afrika. Das unter dem Teaser nem Trecker sprüht ein Kohlfeld.“ Damit lässt sich die platzierte Aufmacherbild des Artikels zeigt einen Trak- durch die Kontextualisierung dem Bild zugeschriebene tor beim Versprühen einer Flüssigkeit auf einem Feld. Funktion, die Umweltskandalthese zu belegen, nicht Aber anders als der Kontext vermuten mag, ist nicht halten. Das kann auch die korrekt vom Original über- klar, ob die gezeigte Situation den Einsatz deutscher nommene Bildzeile beim Mouse-Over nicht retten. bzw. in der EU verbotene Pestizide belegt. Damit liegt eine Irreführung der Leser*innen vor. Die Willkürlichkeit des Bildeinsatzes wird noch deut- licher bei einer Suche nach anderen Verwendungskon- Entscheidend für eine mögliche Einordnung des Bil- texten dieser Fotografie durch die Deutsche Welle. des sind Überschrift, Teaser und der erste Absatz des Eine Rückwärtssuche auf Google Bilder fördert zu Tage, Textes. Während erste auf einen Umweltskandal und dass das Bild bei drei weiteren Artikeln zwischen 2013 mögliche Doppelstandards beim Export deutscher und 2017 zum Einsatz kam. Die Kontexte, in denen bzw. europäischer Chemikalien verweisen, startet der das Bild genutzt wird reichen von Landverteilung an eigentliche Text mit einer Beschreibung der grünen die schwarze Bevölkerung in Südafrika, der Notwen- Idylle einer Zitrusfarm in der südafrikanischen Pro- digkeit einer Lobby für Afrikas Bauern bis hin zur De- vinz Ostkap, was offensichtlich nicht mit dem Bild batte um die Krebsgefahr von Glyphosat. Jedes Mal korrespondiert. Als Überleitung zum Aufmacherbild musste der südafrikanische Traktorfahrer als Platz am Ende des Teasers wird gefragt „Machen deutsche halter für die Visualisierungsnöte der Redaktion her- Konzerne Profite auf Kosten der Arbeiter vor Ort?“. Da halten. Felix Koltermann ‹‹ 4 M 2.2020
MEINUNG Medien nach Corona D ie Corona-Kurve flacht ab, nach und Ausgerechnet in Zeiten größten Informationsbedarfs nach kehrt in der Gesellschaft wieder offenbarte sich bei viele private Medien eine Art Sys- „normaler“ Alltag ein. Was verändert temversagen. Printmedien erlitten dramatische Werbe sich für die Medien, welche Folgen umsatzeinbußen. Ihr schon vor dem Ausbruch der wird die Krise für den Journalismus Pandemie schwächelndes Geschäftsmodell siechte haben, wer sind die Gewinner und Verlierer? weiter. Viele Verlage schickten ihre Beschäftigten in Kurzarbeit, private Radio- und TV-Anbieter forderten Erste Erkenntnis: Journalist*innen sind systemrele- vom Staat massive Finanzhilfen – sonst Konkurs! In vant! Diese quasiamtliche Einstufung – auf gleicher dieser Situation erwies sich speziell der öffentlich- Höhe mit Mediziner*innen, Pfleger*innen und ja, rechtliche Rundfunk als eine verlässliche Säule der auch Supermarktkassierer*innen – sollte unserer Be- Demokratie. ARD, ZDF und Deutschlandradio organi- rufsgruppe genügend Selbstbewusstsein geben, künf- sierten den gesellschaftlichen Dialog. Die „Tages- tig noch konsequenter von der Politik Maßnahmen schau“ entzündete – trotz mancher Redundanzen in zur Absicherung ihrer Tätigkeit einzufordern. Etwa zu den täglichen Specials – einmal mehr das „Leuchtfeuer klären, dass wir als Gesellschaft einen unabhängigen der Aufklärung“. Verlierer der Krise sind dagegen die Journalismus auch finanziell langfristig ermöglichen Boulevardpresse und viele soziale Medien. Sie verlo- können. Oder dass Journalist*innen besser gegen An- ren letzte Reste an Glaubwürdigkeit, profilierten sich griffe demokratiefeindlicher Gruppierungen geschützt eher als Verbreiter von Verschwörungsmythen und werden. Auch gegen Attacken von Seiten rechtslasti- Angstpropaganda. ger Akteure in Polizei und Justiz. Oder dass das Recht auf Informationsfreiheit garantiert und die Aushöh- Die Konsequenz kann nur sein: Verteidigen wir den Günter Herkel lebt in lung des Redaktionsgeheimnisses durch schärfere öffentlich-rechtlichen Rundfunk gegen seine klein- Berlin und arbeitet als freier Überwachungsgesetze definitiv gestoppt wird. geistigen Gegner vor allem in CDU, FDP und AfD! Medienjournalist für Branchen- Kämpfen wir für eine solide, bedarfsgerechte Finanz- magazine in Print, Rundfunk Mit einiger Sicherheit dürfte Corona die Digitalisie- ausstattung der sehr systemrelevanten Anstalten. Ent- und Online rung hierzulande beschleunigen. Viele Journalist*in- larven wir das schändliche Gefeilsche um einige Cent nen haben Erfahrungen mit Home-Office und Zoom- Beitragserhöhung als demokratiefeindlich. Aufgabe Konferenzen gemacht, dieser Arbeitsweise sogar Posi- von ARD, ZDF und Deutschlandradio ist es schließ- tives abgewinnen können. Aber Vorsicht! Manche Ver- lich nach Auffassung unserer Verfassungsrichter, die lage könnten versucht sein, diese Erfahrungen für ihre „für die freiheitliche Demokratie konstitutive Mei- Schaube Zwecke zu kapitalisieren. Durch die Reduzierung von nungsvielfalt“ mit zu sichern. Die Grundversorgung Foto: Jan-Timo Mietkosten, durch Arbeitsverdichtung per Fernsteue- mit diesem hohen Gut sollte sich die Gesellschaft al- rung oder durch eine schleichende Verlängerung der lemal den Gegenwert von zwei Maß Bier pro Monat Arbeitszeiten. In dieser Hinsicht ist – auch gewerk- und Haushalt kosten lassen. Günter Herkel ‹‹ schaftliche – Wachsamkeit geboten. Anzeige « Das Familienkonzept Für Sie, Ihren Partner und Ihre minderjährigen Kinder ! Risiken absichern Steuern sparen Förderungen nutzen RobertKneschke-stock.adobe.com Jetzt informieren 0711 2056 244 www.presse-versorgung.de/familie info@presse-versorgung.de
IM FOKUS Als das Coronavirus nach Deutschland kam, standen Mitte März auch die Aus zubildenden vor den geschlossenen Türen der Berufsbildungszentren. Betriebe verlagerten die Arbeit ins Homeoffice ihrer Beschäftigten, meldeten Kurzarbeit an oder mussten ganz schließen. Wie sollten Ausbildung und Prüfungen weiter gehen? Digitaler Lernraum Berufsschule Von Susanne Stracke-Neumann D em „Bundesverband der Lehrkräfte für Berufsbildung“ schenprüfungen ersatzlos gestrichen, die bundesein- (BVLB) offenbarten sich in der Coronakrise die „ekla- heitlichen schriftlichen Abschlussprüfungen aber ver- tanten Schwächen“ des „bildungspolitischen Flicken- legt, für die Medienberufe auf den 17. Juni. Die münd- teppichs in Deutschland“, als einige Kultusministerien lichen Prüfungen begannen später und werden, je erwogen, die Abschlüsse auf der Basis der Leistungen nach Industrie- und Handelskammer (IHK), bis weit bis Anfang März zu vergeben. Die Vorsitzenden der in den Sommer dauern. „Berufsbildner“, wie sich der BVLB auch nennt, ver- langten Chancengleichheit und forderten, die Ab- Bei den Berufsschulen kam der Bildungsstoff auf schlussprüfungen zu verschieben, nicht abzusetzen: neuen Wegen zu den Schüler*innen: als Lernpaket per „Auch in der Krise darf die Prüfungspflicht nicht aus- Post, per Mail oder auf digitalen Plattformen. Als Ende gesetzt werden.“ April die Berufsschulen wieder öffneten, konnten sie Präsenzunterricht zunächst nur für bestimmte Ausbil- Zu diesem Schluss kamen auch die Bildungsverant- dungs- und Abschlussklassen anbieten, die anderen wortlichen der Länder: Zunächst wurden zwar die Zwi- Jahrgänge folgten gestaffelt. Wegen der Abstandsregeln Gemeinsam mit den Ausbildern online Symbolfoto: Getty Images 6 M 2.2020
Foto: Lena Laurisch/Ernst-Litfaß-Schule Drucken und fotografieren – Präsentation von zwei Ausbildungen an der Ernst- wurden die Klassen in kleine Gruppen aufgeteilt und schule, etwa ein Drittel Realschule und um die 60 Pro- Litfaß-Schule am Tag der nur abwechselnd unterrichtet. Für Schulorganisatoren zent mit Abitur oder Fachabitur. Darunter sind auch offenen Tür 2020 – noch vor wie Wilm Diestelkamp, den Abteilungsleiter der Be- Auszubildende mit Hochschulerfahrung oder sogar ab- dem Corona-Shutdown. rufsschule am Oberstufenzentrum der Ernst-Litfaß- geschlossenem Studium. Schule für Mediengestaltung und Medientechnologie Interessent*innen können in Berlin, bot sich ein buntes Puzzle mit vielen Teilen. Kurzer „Weg“ zur Arbeit und sich jedes Jahr über die An der Ernst-Litfaß-Schule bedeutet das eine Zweitei- fehlende Kontakte schulischen Ausbildungsan- lung: Die Mediengestalter*innen und Fotograf*innen gebote informieren. Neben werden fast ausschließlich im Fernunterricht beschult, Die auszubildenden Mediengestalter*innen im ersten Drucktechnik und Fotografie erklärt Diestelkamp und verweist dankbar auf die vie- und zweiten Lehrjahr an der Ernst-Litfaß-Schule se- gibt es Einblicke in die Fach- len Aktivitäten der Kolleg*innen in diesem Bereich. hen den Online-Unterricht eher positiv. Auch wenn bereiche Mediengestaltung, Bei den Medientechnolog*innen Druck, -Druckverar- Sarah meint, es sei schon eine „gefühlte Übergangs Geovisualisierung und Wei- beitung, -Siebdruck und den Packmitteltechnolog*in- lösung“ und merkwürdig, alle nur übers Display zu se- terverarbeitung. nen spielt der Präsenzunterricht neben Online-Aufga- hen. Sie arbeitet überwiegend im Homeoffice und ben eine große Rolle, wegen der nötigen Technik, der fährt nur in den Betrieb, wenn es die Produktion er- teils mangelnden Ausstattung der Azubis mit Compu- fordert. Oder wenn Kundenkontakte im Terminkalen- ter-Lernplätzen, aber auch wegen einer geringeren „di- der stehen, ergänzt Vivien im natürlich per Digital- gitalen Affinität“ und Vorbildung, erläutert Diestel- plattform geführten Gespräch mit M. kamp die Situation seiner Schüler*innen. „Man muss sich seine Struktur für einen geregelten In diesen Ausbildungsgängen ist die Zahl der Schü- Arbeitstag selbst schaffen“, fasst Sarah ihre Tage im ler*innen mit Hauptschulabschluss viel höher als etwa Homeoffice zusammen. Sofie findet es eigentlich sehr bei den Mediengestalter*innen. Die Übersicht der angenehm im Homeoffice, wenn man sich den Tag Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) zur gut einteilt. Sie habe auch vorher schon viel digital ge- schulischen Vorbildung zeigt bei den technischen Be- arbeitet. Daniel, der seine Ausbildung in einer Grafik- rufen, zu denen in der Statistik auch die Medientech- abteilung im Öffentlichen Dienst absolviert, hat für nolog*innen im Druckbereich gehören, ziemlich kon- das Homeoffice einen Rechner bekommen und spart stant einen Anteil von 18 Prozent Hauptschule und wegen des kurzen Wegs zur Arbeit am heimischen 50 Prozent Realschule. Rund ein Viertel beginnen die Schreibtisch viel Zeit. „Mir geht es sehr gut dabei“, Ausbildung mit einer Hochschul- oder Fachhochschul- kommentiert er die vergangenen Wochen, die er als reife. Für die „Querschnittsberufe“ wie Mediengestal- eine Zeit der Konzentration empfindet. „Ich finde ter*innen verzeichnet die Statistik in den vergange- gerne alles selbst heraus“. Sie hätten ja auch schon nen Jahren einen Anteil von unter fünf Prozent Haupt- vorher in der Schule sehr viel mit der Online-Platt- 2.2020 M 7
IM FOKUS form „Lernraum Berlin“ gearbeitet. „Trotzdem wäre und Durchführung einer Veranstaltung und hätte zwi- es mir lieber, mal wieder zur Schule zu fahren wegen schen März und Mai erledigt werden sollen. Aber: der sozialen Kontakte.“ Auch wenn er regelmäßig mit Keine Veranstaltungen, keine Projektarbeiten. Soweit Lehrer*innen und Ausbildern telefoniert. möglich, sollten die Auszubildenden die Technik im Betrieb aufbauen. Prüfer besuchen diese Aufbauten Erklärvideos und Quiz stichprobenhaft, das bleibe aber ohne Einfluss auf die in der Schulcloud Note, erklärt Stroetmann die schwierige Situation. Es gebe etliche Angebote zum Austausch, erklärt Leh- Durch den kompletten Ausfall von Galas, Konzerten, rerin Elisabeth Lohse, wie das an der Schule übliche Sportveranstaltungen und anderen Events fehlt den Tutorensystem, Chats oder auch die Podcast-Reihe Auszubildenden in der Veranstaltungstechnik jetzt zum Schulalltag in Corona-Zeiten von Lohse und ihrer nicht nur der Präsenzunterricht in der Berufsschule, Kollegin Caroline Münch. In der wöchentlichen Vi- sondern auch die betriebliche Ausbildung ist massiv deokonferenz mit den Schülerinnen und Schülern eingeschränkt. Um dennoch auf die bundesweite werden auch Probleme angesprochen. So hatten einige schriftliche Abschlussprüfung am 16. Juni gut vorzu- berichtet, dass sie von den Betrieben nicht genug Zeit bereiten, bietet die Interessengemeinschaft Veranstal- zum Lernen für die Schule erhielten. Mittlerweise habe tungswirtschaft (IGVW) seit 11. Mai ein Kursangebot sich das gebessert, so Lohse. auf der neuen Plattform „IGVW 4 Education“: Neben Einzelfragen zu Ton, Licht, Veranstaltungsorganigram- Die Düsseldorfer Berufsschullehrerin Tanja Diaz von men oder Plänen werden auch ganz konkret Kurse zur Lochow, die seit Mai im 14-tägigen Wechsel jeweils Prüfungsvorbereitung angeboten. nur die halbe Klasse in der Schule sieht, hat in der langen Zeit des „Homeschoolings“ nicht nur Arbeitsblätter, Susanne Fritzsch organisiert dieses Kursangebot, sie sondern auch Erklärvideos in die Schulcloud gestellt. will nicht nur die Techniker*innen, sondern auch die Für die Gruppenarbeit gibt es in der Cloud eigene Ord- Veranstaltungskaufleute ansprechen. Die Kurse zur ner. Für die Abschlussklasse bastelte sie ein Quiz mit Prüfungsvorbereitung stehen zu Zeit ganz vorn in der häufigen Prüfungsfragen. Die Berliner Lehrerin Münch Nachfrage. Rund 50 Azubis nutzen die jeweiligen kos- hebt hervor, dass „Selbstorganisation“ auch schon vor tenlosen Angebote nach der ersten Woche: „Das Feed- Corona ein Thema im Unterricht war, „aber jetzt ver- back von Ausbildungsbetrieben und deren Azubis ist stehen die Schülerinnen und Schüler die Bedeutung sehr positiv und die Zusammenarbeit mit den Berufs- aus eigener Erfahrung.“ Auch Diestelkamp sieht in verbänden der Branche rege. Täglich kommen neue mehr Selbstständigkeit ein Ziel, das er künftig noch Kursangebote hinzu und die Reichweite steigt“, erklärt stärker im Berufsschulunterricht verfolgen will. Fritzsch. Die Dozent*innen seien selbst Ausbilder*in- nen und/oder Fachleute der Branche. Während die Mediengestalter*innen den Vorteil ha- ben, ihren Arbeitsplatz und ihre Produkte mit PC oder Veränderte Regelungen Laptop relativ flexibel gestalten zu können, sei es im bei Fortbildungen Betrieb oder im Homeoffice, sieht das für die Fach- kräfte der Veranstaltungstechnik schon schwieriger Die Corona-Schließungen haben aber nicht nur die aus – denn Veranstaltungen finden derzeit nicht statt. berufliche Ausbildung getroffen, sondern auch die be- Zu ihrer Abschlussprüfung gehört eine Projektarbeit, rufliche Weiterbildung. Auf vielen IHK-Internetseiten erläutert Ralf Stroetmann, Solo-Selbstständiger der findet man die Terminverschiebungen für Fortbil- Veranstaltungstechnik und Prüfer sowohl für Azubis dungsprüfungen aller möglichen Fachrichtungen. Auch Leimen will geübt sein! wie für Meister*innen seines Fachs (s. „Ehrenamt Prü- Im Mai hat das Bundesinstitut für Berufsbildung Ein Schüler in der Buch fer“, S. 15). Diese Projektarbeit besteht in der Planung (BIBB) drei neu geregelte Fortbildungen in der Medien- binderwerkstatt der Ernst- und Veranstaltungsbranche hervorgehoben: die/den Lifaß-Schule. „Geprüfte/n Meister/in für Veranstaltungstechnik“, die/den „Geprüfte/n Industriemeister/in Fachrichtung Printmedien“, der jetzt auch die Buchbinderei ein- schließt, und die/den „Geprüfte/n Medienfachwirt/ in“. Die Regelungen, so das BIBB, „greifen inhaltlich auch Veränderungen durch die zunehmende Digitali- sierung und Vernetzung auf. Insbesondere im mittle- Foto: Lena Laurisch/Ernst-Litfaß-Schule ren Management bedeutet dies für Beschäftigte mit höherer Fachkompetenz und Führungsverantwortung eine deutliche Erweiterung ihres Tätigkeitfelds.“ Neue Prüfungsverordnungen, ob für Fachkräfte oder Meister, werden von den Expert*innen der Berufsbildung zusammen mit Vertreter*innen der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite konzipiert. Ralf Stroetmann, 8 M 2.2020
Foto: Robert Kiehn/BIBB Schülerinnen und Schüler der Beruflichen Schule Farmsen BS19 Hamburg auf der Suche ebenso wie Uta Kupfer von ver.di, bei der Erarbeitung schiedenen Ausbildungsrichtungen und -niveaus ab- nach der richtigen Einstellung der neuen Prüfungsverordnung „Veranstaltungsmeis- zustufende digitale Lehre. Er geht davon aus, dass die bei Kamera, Licht und Ton. ter/in“ beteiligt, stellt besonders die verstärkte Aufgabe Online-Vermittlung nach diesem Schuljahr nicht wie- der Personalführung für die neuen Meister*innen he- der zweitrangig wird, sondern dass die Einschränkun- raus. Dazu gehöre als Teil der Prüfung auch ein Rol- gen durch die Pandemie auch im kommenden Schul- lenspiel zu einem Konfliktgespräch. Durch die neue jahr noch deutlich zu spüren sein werden. Ähnliche Prüfungsordnung, die seit Jahresbeginn in Kraft ist, Überlegungen gibt es offenbar ebenfalls in Schulver- fallen die früheren Meisterprüfungen ohne Fachrich- waltungen und auch bei den organisierten Berufs- tung und die Meisterprüfung mit den Fachrichtungen schullehrern: „Denn die Frage ‚Homeschooling vs. Prä- „Bühne/Studio, „Beleuchtung“ und „Halle“ weg. senzunterricht?‘ stellt sich nicht mehr. Der Mix aus bei- i dem … ist gelebte Realität – und bleibt es auch auf Den ersten Kurs für den neuen Abschluss als „Geprüf- Dauer.“ Das macht die Planung für das neue Schuljahr te/r Meister/in für Veranstaltungstechnik“ erlebte Stro- ebenso schwierig wie Diestelkamps Befürchtung, im nfo etmann, der selbst Dozent ist, an der Deutschen Event nächsten Jahr weniger Schüler*innen begrüßen zu Akademie in Hannover mit. Aber nur einen Tag lang, können. Betriebe könnten als Folge der Krise Ausbil- dann kam auch hier die Corona-Schließung. Ge- dungsplätze abbauen. Eine Sorge, mit der er nicht al- Bundesverband der schäftsführerin Anke Lohmann musste zehn Männer lein ist. Auch die IHKs, Handwerkskammern (HWK), Lehrkräfte für Berufsbildung und eine Frau gleich wieder verabschieden. Weiter Gewerkschaften, Arbeitsagenturen, Verwaltungen und (BVLB): ging es mit dem Kurs, der eigentlich sehr stark auf Prä- Unternehmerverbände fordern dazu auf, Betrieben für www.bvlb.de senz und Projekte ausgerichtet ist, am PC. Das war für den Erhalt von Ausbildungsplätzen Hilfe anzubieten die Teilnehmer*innen ziemlich herausfordernd. Nor- und wollen dafür zum Beispiel in Berlin und Branden- Plattform malerweise treffen sie sich zum zwei- bis dreiwöchi- burg enger zusammenarbeiten. www.lernraum-berlin.de/ gen Blockunterricht an der Akademie und absolvieren start/ nur ein Fünftel der 850 Lerneinheiten à 45 Minuten Als Konsequenz aus den Schulschließungen haben die im Selbstlernen. „Berufsbildner“ vom BVLB und ihre Realschulkolle- Kursangebot gen, die Bildungsallianz Mittelstand und der Bundes- https://igvw4edu.de/ Neu entwickelte Didaktik verband der mittelständischen Wirtschaft „ein digita- les Fitnessprogramm für die Schulen“ gefordert. Es Bundesinstitut für Berufs für Online-Unterricht gebe keine übergreifende „Bildungscloud“, sondern bildung – neue Regelungen Auch für die Dozent*innen war das eine grundlegende bisher nur „digitale Insellösungen“. Für Caroline Fortbildung: Veränderung des Fortbildungsformats. Für diesen On- Münch, die Berufsschullehrerin aus Berlin, hat die Co- https://tinyurl.com/Neue- line-Unterricht müsse man eine ganz neue Didaktik ronakrise bei aller Tragik und allen Einschränkungen, Fortb-Medien-Veranst entwickeln, sagt Stroetmann. Das sehen auch Wilm die sie gebracht hat, doch ein Gutes als Chance für Diestelkamp von der Ernst-Litfaß-Schule und seine „mehr Bewegung in der Bildungspolitik“. Ihre Kolle- Kolleginnen so. Für Diestelkamp ist dabei nicht die gin Elisabeth Lohse ergänzt: als „Zwang, sich neuen Technik das Problem, sondern die jeweils auf die ver- Herausforderungen zu stellen“. ‹‹ 2.2020 M 9
IM FOKUS Ausbremsen gilt nicht Die Ausbildung im Bühnenservice läuft – nur eben anders als sonst F ünf Wochen Shutdown. So wird dieser Krause, der die Lehrwerkstatt leitet, ist ein exzellenter Corona-Frühling auch in die Biogra- Fachmann und hat ein gutes Händchen bei der Aus- fien der Auszubildenden des Bühnen- wahl seiner Azubis. 230 Bewerbungen sichtet er aktu- service Berlin eingehen. Der Theater- ell für drei Ausbildungsplätze ab Herbst. „Wir nehmen dienstleister unter dem Dach der nicht nur Abiturienten. Warum soll jemand mit hauptstädtischen Opernstiftung ist der größte Ausbil- Hauptschulabschluss kein guter Tischler werden?“ Mo- dungsbetrieb in der Berliner Kulturbranche. Was be- tivation und handwerkliches Geschick seien das Wich- deutet der Ausfall für die angehenden Fachkräfte für tigste. Gut, einen Blick auf die Noten wirft der Ausbil- Kostüm- und Requisitenfertigung oder Bühnenbild- der natürlich auch. Bestergebnisse bei Prüfungen und produktion? Wir fragten vor Ort nach. Preise bei Berufswettbewerben geben ihm Recht. Drei sind ausgebremst. In der Montagehalle bauen sie Mit dem Niveau seines ersten Lehrjahres ist er erneut an einer riesigen Dekorationswand für eine Neuinsze- sehr zufrieden. Hier geht es zunächst um handwerk- nierung an der Deutschen Staatsoper. „Neun Meter liche Techniken, Maschinen kommen später zum Ein- hoch und zwei Meter breit. Die Wand soll irgendwie satz. Im Lehrprogramm seien sie bisher so gut voran- einschweben“, wissen sie. Doch gerade fehlt eine gekommen, dass sie den Ausfall im März und April, Lösung. Und der Mann, der entscheiden müsste, ist der durch die coronabedingte Schließung des Bühnen- wegen Kurzarbeit nicht in der Werkstatt. So muss der service entstanden ist, „ganz sicher kompensieren“ Bau pausieren. Wilfried Klingbeil und seine Azubi-Kol- können. Auch Svenja Haarmann-Thiemann, Camilla legen aus dem zweiten Lehrjahr werkeln deshalb an Schlief und Alexander Stuker sind, was die handwerk- ihren Hobelbänken, füllen Berichtshefte aus, lesen in liche Seite angeht, optimistisch. Die Praxis sei „nicht Arbeitsmaterialien. In die Berufsschule sollen sie erst das Ding“. Bedenklicher stimmt sie der Unterrichts- Ende Juni wieder. Ob die anstehende Zwischenprü- ausfall in der Berufsschule. „Jein“, heißt es auf die fung abgenommen wird, ist noch unklar. „Dafür kön- Frage, ob sie zwischenzeitlich Aufgaben bekommen nen wir ja jetzt hier genug üben“, sagt Wilfried. „Zeit hätten. Theorie-Unterweisungen seien Ausbilder zum Lernen bekommen wir auch.“ Krause überantwortet worden. Mit den digitalen Mög- lichkeiten hapere es in der Berufsschule eher noch. Abteilungsleiter Jörg Wiedemann von der Max-Bill- Schule, dem Berliner Oberstufenzentrum Planen, Bauen, Gestalten, will das bei späterer Nachfrage so nicht gelten lassen. Er verweist auf die Plattform „Lernraum Berlin“, wo Lehrmaterialien eingestellt und Aufgaben auch kontrolliert würden. Doch sei „die Si- tuation für alle neu“ gewesen, 30 Prozent der Lehrer zählten zur Risikogruppe. Man konzentriere sich auf die Abschlussjahrgänge, schon bei den Tischlern an die 200 Azubis. Solange die Berufsschulpflicht ausge- Foto: Christian v. Polentz setzt sei, liege die Verantwortung bei den Ausbildungs- betrieben. Doch im Mai habe man Möglichkeiten di- gitaler Fernbeschulung so richtig ausgetestet. Flächen- deckend eingeführt werden soll Unterricht an Com- putern nach den Sommerferien. Erst dann kommen auch die Azubis des jetzigen ersten Lehrjahres wieder Bühnenservice der Stiftung Ein hölzerner Werkstattbock, vielfältig zu gebrauchen, zum Präsenzunterricht an der Schule. Oper in Berlin, sei „ein Knaller zum Bauen“ für angehende Tischler – Lehrwerkstatt für Tischler. wegen der vielen schrägen Teile. Heute hat Lehraus- Anfang Mai sind zumindest die Abschlussjahrgänge Ausbilder Ronny Krause (Mitte) bilder Ronny Krause dazu eine seiner Lieblingsauf dorthin zurückgerufen worden. Prüfungsvorbereitung mit Svenja, Alexander und der gaben gestellt: Die Winkel an der Diagonalschräge steht an. Vom Bühnenservice betrifft das, nachdem Diagonalleiste. ermitteln. Knifflige Sache. Nur einmal bisher sei ein seine zwei Jahrgangskolleginnen vorzeitig ausgelernt Azubi ganz allein auf die Lösung gekommen. „Die drei haben, nur noch Jonathan Hilliger. Der JAV-Vorsitzende knobeln noch“, meint Krause mit Blick auf die Aus- der Stiftung Oper in Berlin weiß über den Stand bei zubildenden des ersten Lehrjahres. „Wir klären das den anderen Auszubildenden im Bühnenservice genau dann gemeinsam.“ Bescheid. Ihm selbst bringe die Schule momentan 10 M 2.2020
AUSBILDUNG „richtig viel“. Mit 1,50 m Abstand und neun Schüler* richtseinheit zeigt, hat sie auf dem Handy. In ihren 40 innen im Klassenraum macht er sich für seine Prüfun- Dienstjahren an der Staatsoper und beim Bühnen gen fit. Die Termine im Juni stehen fest. Sein Ge service gab es so etwas schließlich noch nie. sellenstück, einen ausziehbaren Tisch, muss er bis Anfang August fertig haben … Seit 22. April sind auch die Auszubildenden in der Schuhmacherei, die angehenden Bühnenmaler und Mit etwas „Sinnvollem“ wurde in der Kostümabtei- -plastiker, wieder zurück in den Werkstätten. Für sie lung die Zwangspause ab Mitte März überbrückt: Wie gilt keine Kurzarbeit. Für die nichtkünstlerischen Be- alle anderen Beschäftigten sind die Azubis auf „mobi- schäftigten des Bühnenservice und der gesamten Stif- les Arbeiten“ umgestiegen und haben auf heimischen tung Oper in Berlin dagegen schon. Mit ver.di wurde Maschinen Masken genäht. Den Prototyp in verschie- ein Covid-19-Tarifvertrag vereinbart, der unter ande- denen Varianten zeigt Ausbilderin Monika Krenz. Die rem das Kurzarbeitergelt auf 100 Prozent aufstockt. Gewandmeisterinnen hätten vor Ort zugeschnitten, die „Näher*innen“, unter die sich auch die Schuhma- cher mischten, holten sich Material ab oder bekamen es über einen Shuttle zugeliefert. Fertige Teile kamen zurück. 20.000 Masken entstanden so, die vorwiegend an Alters- und Pflegeheime, Krankenhäuser, Arztpra- xen, aber auch in die Berliner Verwaltung gegangen seien. „Zuletzt haben wir 1.800 Stück an die Zentral- und Landesbibliothek geliefert, als die Häuser wieder öffnen durften“, erklärt Geschäftsführer Rolf D. Suhl. Da Anproben in der Kostümschneiderei bis auf wei teres nicht möglich sein werden, wolle man leer Foto: Christian v. Polentz stehende Flächen nutzen, die Arbeitsplätze der Auszu- bildenden mit Abstandsgebot weiter räumlich zu ent- zerren. Mehr angehende Damen- und Herrenschnei- der*innen könnten so zeitgleich wieder an ihren Ausbildungsplatz zurück. Noch wird rolliert. Die zwei Damen- und zwei Herren- Er sei froh, dass mit einem entsprechenden Hygiene- Bühnenservice der Stiftung schneider-Azubis des zweiten Lehrjahres üben gerade und Sicherheitskonzept ab 11. Mai zunächst der Be- Oper in Berlin, Lehrwerkstatt an Teilen, die für ihre zunächst ausgefallene Zwischen- trieb in der Tischlerei und den gesamten Dekorations- für Damen- und Herrenmaß- prüfung auf dem Programm stehen. Bei den Herren werkstätten wieder hochgefahren werden konnte. schneider*innen. kann das rechte Bein einer Hose vorgearbeitet werden. „Alles, was wir nun für künftige Premieren vorprodu- Elisabeth (vorn) und Nico Das linke ist dann mit Zeitlimit in der Prüfung zu nä- zieren, wird zunächst eingelagert“, erläutert Bühnen- nähen Herrenhosen auf Probe hen. Nico Vanni hat die Taschen für seine graue service-Geschäftsführer Suhl. „Wir haben immer sehr für die Zwischenprüfung. Übungshose fertig und kümmert sich nun um eine intensiv ausgebildet, auch um die theaterspezifische Leineneinlage im Bund. Wie seine Jahrgangskollegin Qualifikation und das Know-how zu sichern.“ Die Aus- Elisabeth Riele investiert er zusätzlich Zeit für die The- bildungsplätze seien einmalig und begehrt, speziell orie. Aus dem Oberstufenzentrum Mode kommen Auf- im handwerklichen Bereich. 30 Auszubildende gibt es gaben: „Für Stoffkunde legen wir gerade ein Stoff- im Bühnenservice aktuell, im Stiftungsdach fast noch- Lexikon an.“ Elisabeth fürchtet keine großen Ausfälle. mal so viele. Dort werden vorrangig Kaufleute für Sie ist „sehr glücklich“ über ihren Ausbildungsplatz Büromanagement und Fachkräfte für Veranstaltungs- und den hohen Standard. Melissa Roxanne Hebold als management ausgebildet. Es sei „immer wieder toll, angehende Damenschneiderin wird bei der Zwischen- wie viel die jungen Leute lernen. Sie bringen auch prüfung einen Rock mit Taschen und Schlitz anferti- Munterkeit und Dynamik ins Haus.“, Man könne so gen müssen, soviel ist inzwischen klar. Ihr gefällt in gut wie allen Ausgelernten eine Übernahme anbieten ihrem Metier ein „noch größeres Spektrum“ an gestal- – teilweise befristet. Das dürfte so bleiben, „mittelfris- terischen Möglichkeiten, vor allem durch Schmuck- tig gibt es Personalbedarf“, so der Geschäftsführer. techniken. Kontinuität sei für das kommende Ausbildungsjahr Die werden auch beim Gesellenstück der Azubis aus 2020/21 beschlossen worden, auch wenn noch offen dem 3. Lehrjahr gefragt sein, wenn es um die Gestal- ist, ob die bisherige hälftige Förderung der Azubi- tung eines kompletten „Ensembles“ geht. Die Herren- Entgelte aus dem solidarischen Finanzausgleich des schneider*innen fertigen dagegen ein Sakko. Ausbil- Berliner Senats fortgeführt wird. Dafür hat sich auch derin Karin Krenz fürchtet für den aktuellen Ab- der Personalrat bei der Finanzverwaltung stark ge- schlussjahrgang keine ernsthaften Lücken. Auch das macht. „Wir wollen den gegenwärtigen Umfang und Oberstufenzentrum sei sehr aktiv – „sogar mit Video- das Niveau der Ausbildung unbedingt halten“, so das konferenzen“. Ein Foto, das die Akteure des dritten für die Jugendvertretung zuständige Personalratsmit- Lehrjahres maskentragend bei einer solchen Unter- glied Klaus Grunow. Helma Nehrlich ‹‹ 2.2020 M 11
IM FOKUS Blaue Flecken gehören dazu Stuntleute: Multitalente mit viel Geduld und gesunder Selbsteinschätzung S tuntleute können spektakulär kämpfen, stürzen oder sich mit dem Auto überschla- gen. Doch sie können auch Dinge, die auf der Leinwand nicht so deutlich zu sehen sind: Sie sorgen für die Sicherheit am Seil oder unter Wasser und bauen auch mal ein Glasdach für eine Actionszene selbst. Wer sich für diesen Beruf entschei- det, sollte belastbar und furchtlos sein – und die eigenen Fähigkeiten gut einschätzen können. Sie kommt zur Hilfe, als ihre Kollegin in einem Zwei- kampf mit einem Bösewicht steckt. Nimmt Anlauf und springt mit gestrecktem Bein auf den Mann zu, dreht sich um die eigene Achse und will ihm einen Schlag ins Gesicht verpassen. Den kann der Mann abwehren – dafür verpasst sie ihm nur wenige Sekunden später ei- nen fiesen Tritt in die Kniebeuge. Die Zuschauer*innen von „3 Engel für Charlie“ von 2019 sehen in dieser Kampfszene eine gnadenlose Kristen Stewart im knappen Glitzerkleid – sie sehen aber auch Han- nah Spreitzenbarth, eines der drei Doubles der US-Schauspielerin. Fotos (2): Kay Herschelmann Als Stuntfrau kam sie in den Actionszenen des Films zum Einsatz. Weniger actiongeladen geht es an diesem Tag Anfang Mai zu. Nor- malerweise würden Hannah Spreitzenbarth und ihr Freund Nik- las Kinzel jetzt mit anderen Stuntleuten trainieren, vielleicht Kampfsport machen oder einen Workshop für Auto- stunts belegen. Doch wegen der Corona-Pande- Hannah Spreitzenbarth (links) und Niklas Kinzel (oben), Dani Stein (rechts) mie haben die Hallen geschlossen, Filmdrehs wurden abgesagt. Da muss der Park in der Nähe ihrer Berliner Wohnung reichen. lich, dass ich diesen Beruf machen kann.“ Auch wenn das bedeute, Dort machen sie dass man bei einem Dreh nicht nur einmal, sondern vielleicht mehr Boxtraining, als ein Dutzend Mal eine Treppe hinunterstürzen müsse. „Es wird schlagen und immer von uns erwartet, dass wir nicht meckern“, sagt er. kicken ab- wechselnd Kein anerkannter Beruf gegen das Schlagpols- Der 31-Jährige hatte eigentlich vor, Sozialarbeiter zu werden. Aber ter und stellen da war diese Leidenschaft für den Kampfsport, die ihn schon seit sei- eine Mini-Kampf ner Kindheit begleitet. Über Kontakte landete er als Stuntman bei szene nach. der RTL-Serie „Lasko – Die Faust Gottes“. Hinter der Serie steht die in Hürth bei Köln ansässige Filmproduktionsfirma Action Concept, „Ich bin nicht für den die sich auf Formate spezialisiert hat, in denen Stunts eine große Schreibtisch geboren“, Rolle spielen und die auch die Serie „Alarm für Cobra 11“ produziert. sagt Niklas Kinzel. Trotz der Niklas Kinzel fasste Fuß im Stungeschäft. Als Quereinsteiger ist er Unsicherheit, die er und seine eher die Regel als die Ausnahme unter den Stuntleuten. Stuntleute Kolleg*innen derzeit erleben, können auch Sachen machen, die für Filmzuschauer*innen weniger schwärmt er von seinem Job. Er sichtbar sind. Niklas Kinzel ist zum Beispiel auch Stuntrigger. Das be- könne reisen und arbeite mit Men- deutet, dass er am Set Stunts betreut, für die Seile genutzt werden. schen, die andere nur auf der Lein- Die kommen oft dann zum Einsatz, wenn Darsteller*innen durch wand erleben. „Ich bin sehr glück- die Luft fliegen, etwa nach einem kräftigen Schlag. 12 M 2.2020
AUSBILDUNG „Stuntman ist kein anerkannter Beruf, für den es eine fest- schub, den der Job ihr gebe. Dafür nimmt sie eini- gelegte Ausbildung und dann einen Abschluss gibt“, sagt ges in Kauf: Arbeitstage, die 16 Stunden dauern kön- Pamela Gräbe, Geschäftsführerin der German Stunt As- nen, und kurzfristig angekündigte oder verschobene sociation – das ist der Bundesverband deutscher Stunt- Drehtage, Phasen, in denen es am Stück sehr viel, leute. Praxiserfahrungen am Filmset seien entscheidend. dann wieder weniger zu tun gibt. Das sei nicht „Die praktische Seite ist ganz wichtig. einfach gewesen, als ihre Tochter noch klein Learning by doing mit erfahrenen Stunt war. „Das war hart als alleinerziehende Mutter. koordinatoren“ sei der beste Ich habe an die 30 Kindermädchen und Baby- Weg, um in den Beruf einzu- sitter verschlissen.“ steigen. Besondere Fähigkei- ten eignen sich Stuntleute Oft seien Stuntleute nur tageweise in Filmprojek- auch über Workshops und ten tätig, sagt Pamela Gräbe. Bei großen, interna- Weiterbildungen an. In Work- tionalen Produktionen wirkten sie aber auch shops, die unter anderem die Ger- mehrere Wochen oder Monate am Stück mit. man Stunt Association anbietet, üben sie Nur wenige Stuntleute seien fest angestellt, Autostunts, Theaterfechten und Kampfchoreografien oder lernen, die meisten arbeiteten freiberuflich, viele wie ein Stunt vor der Kamera am besten zur Geltung kommt. Einige seien in der Künstlersozialkasse. Trotzdem Stuntleute haben zusätzliche Qualifikationen, etwa als Industrieklet- gebe es über den Status der Freiberuf- Foto: Elke Schmidt ter*in oder als so genannter Rescue Diver, der für die Sicherheit bei lichkeit immer wieder Auseinanderset Tauchszenen sorgt. Als Voraussetzung für diesen Beruf sieht der Ver- zungen mit der Rentenversicherung. band eine abgeschlossene Berufsausbildung oder ein Studium an – auf eine bestimmte Fachrichtung ist man jedoch nicht festgelegt. Studienabschluss für die Zukunft „Learning by doing“ – diesen Weg wählte Hannah Spreitzenbarth. Superreich könne man hierzulande als Stuntfrau oder -mann nicht Sie ist ausgebildete Balletttänzerin, stellte aber fest, dass diese Bran- unbedingt werden – anders als in den USA, dem Land der großen che nichts für sie ist, und beschloss, Stuntfrau zu werden. „Dafür Actionfilme. Dort seien manche Stuntleute Millionäre, sagt Dani habe ich fünf Jahre trainiert“, sagt die 30-Jährige. So oft es ging, nahm Stein. In deutschen Produktionen hingegen, vor allem fürs Fernse- sie am Training von Stuntleuten teil. Immer wieder bot sie sich für hen, spielten Actionszenen eine geringere Rolle. Das bestätigt auch Tests an, mit denen Stunts vorab ausprobiert und geprobt werden. Niklas Kinzel: „Wenn man sparen muss, sind wir die ersten, die da- Dabei kam ihr zugute, dass sie bereits Leute in der Szene kannte. Die runter leiden“. Doch auch in Deutschland lasse sich von dem Job Branche in Deutschland ist überschaubar, man kennt sich. „Das Netz- gut leben. „Man kann gut bis sehr gut verdienen“, sagt Dani Stein. werk ist alles“, sagt Hannah Spreitzenbarth. Vor Corona habe es ausreichend Aufträge gegeben. Das habe zu gro- ßen Teilen an der Streamingplattform Netflix gelegen, die Filme und Die German Stunt Association schätzt, dass es in Deutschland bis zu Serien in hoher Zahl selbst produziert und auch in Deutschland 160 Stuntleute gibt, von denen nur etwa 20 Prozent Frauen sind. Das dreht. Wie es weitergeht, weiß sie nicht. Vielleicht, sagt sie, erlebe liege daran, dass es in TV- und Kinoproduktionen generell weniger die Branche einen Boom. „Die Menschen wollen Filme gucken.“ In Rollen für Frauen gebe, sagt Gräbe. Zudem seien in den Drehbüchern der Krise kommt ihr möglicherweise eine Eigenschaft zugute, die den weniger Actionszenen für weibliche Charaktere vorgesehen. Der Ver- Job aus ihrer Sicht erst möglich macht: „Man darf keine Angst ha- band der Stuntleute unterscheidet zwischen neun verschiedenen Be- ben“, sagt Dani Stein. Nur dann funktioniere auch ein Treppensturz. rufsbildern in der Branche – das sind neben den Stuntperformern Der Körper stecke die Stunts am besten weg, wenn er locker und un- und -riggern unter anderem Choreograph*innen für Kampfszenen verkrampft sei. Sie habe sich noch nie bei einem Stunt einen Kno- oder Expert*innen für Stunts mit Pferden. Eine tragende Rolle hat chen gebrochen. Doch blaue Flecken gehörten dazu. „Und meine der Stunt Coordinator, der für die Umsetzung der Actionszenen zu- Schienbeine sehen auch nicht so toll aus“, lacht sie. ständig ist. Die wohl wichtigste Voraussetzung für den Beruf sei eine gesunde „Der Stunt Coordinator ist am Set das Bindeglied zwischen der Re- Selbsteinschätzung, sagt Hannah Spreitzenbarth. Falscher Stolz sei gie und den Stuntleuten“, sagt Dani Stein im Telefongespräch mit fehl am Platz. Niklas Kinzel ergänzt: „Wenn man eine Sache noch „M“. Die Wahlberlinerin ist eine der wenigen weiblichen Stuntko- nicht gut beherrscht oder einen anderen Schwerpunkt hat, muss ordinatoren weltweit. Sie entscheidet, welche Szenen gedoubelt wer- man auch mal einen Job ablehnen.“ Die beiden haben sich darauf den und sorgt dafür, dass die Ausstattung stimmt. „Wenn jemand in eingestellt, dass sie nicht bis zur Rente Stunts umsetzen werden. Han- einem Film durch ein Glasdach fällt, weiß ich, wie das Dach gebaut nah Spreitzenbarth hat im Fernstudium ihren Abschluss in Kultur- werden muss.“ Häufig baut sie die Sachen gleich selbst – handwerk- und Medienmanagement gemacht, um für die Zeit nach den aktiven liches Geschick kann im Stuntgeschäft nicht schaden. Zuletzt hat sie Stunts als Produktionsassistenz am Set arbeiten zu können. Niklas unter anderem die Stunts für die Serie „Babylon Berlin“ koordiniert. Kinzel will später verstärkt auf seine Arbeit als Stuntrigger setzen. Seit 30 Jahren ist Dani Stein außerdem als Stuntfrau aktiv, ihr Alter Dani Stein hingegen möchte nicht von einem Höchstalter ausgehen. verrät sie grundsätzlich nicht. Wer sich ihre Website ansieht, kann Autostunts werde sie noch eine Weile machen können, und ihre Ar- ihr dabei zuschauen, wie sie in eine Fensterscheibe kracht, mit ei- beit als Stuntkoordinatorin sowieso. Wie lange man in diesem Job nem Auto über eine Parkschranke hinweg fliegt oder auf einem bren- bleiben könne, das sei individuell. Es brauche eben eine gewisse nenden Motorrad ins Wasser stürzt. Ihre Begeisterung gilt allem, was Grundfitness. „Man darf nicht aufhören, man muss immer weiter schnell fährt. Sie „liebe Geschwindigkeit“, brauche den Adrenalin- machen.“ Sarah Schaefer « 2.2020 M 13
IM FOKUS XXXXXXXXXXXXXXX Frau macht Buch Ausbildung in der Buchbranche als Karrierechance D ie Buchbranche ist größtenteils weib- Medienkaufleuten Digital und Print im Buchverlag lich geprägt – das belegen auch die 75 Prozent und im Buchhandel sogar 83 Prozent aller Zahlen zu den aktuell laufenden Aus- Neu-Azubis Frauen waren. Dem entspricht ein im Ver- bildungsverträgen, von denen rund gleich zu anderen Medienbranchen deutlich höherer 80 Prozent durch Frauen unterschrie- Anteil von Frauen in Führungspositionen. So waren Anteil von Frauen in ben wurden. Im Gegensatz zu anderen Medienberei- nach einer Analyse des Branchenmediums „Buchre- Führungspositionen, chen – wie etwa dem Journalismus – entsprechen diese port“ 2019 rund 40 Prozent der Führungspositionen Geschäftsführungs- und Zahlen aber auch einem vergleichsweise hohen und auf Geschäftsführungs- und Leitungs-Ebene weiblich Leitungs-Ebene bei Buch- erfreulicherweise wachsenden Anteil von Frauen in besetzt. Tendenz steigend mit 33 Prozent im Jahr 2017 handel und Buchverlagen Führungspositionen. Drei Ausbildungsberufe bietet und 29 Prozent im Jahr 2010. Erfreulich hohe Zahlen die Branche. Und zahlreiche Möglichkeiten für den vor allem im Vergleich zum Journalismus, wo – ob- Nachwuchs, sich aktiv einzubringen. wohl die Branche insgesamt auch hier mehrheitlich weiblich geprägt ist – nach Angaben des Vereins Pro- 2010: 29% „Was mit Buch“, das heißt für den Ausbildungs Quote Medien 2019 etwa bei den Regionalzeitungen bereich: Buchhändler*in, Medienkauffrau/mann Di- zu 93 Prozent Männer in den Chefsesseln saßen, der gital und Print oder Kaufmann/frau im E-Commerce. Frauenanteil demnach nur sieben Prozent betrug. Der Berufsausbildung im Buchladen – mit Fokus auf den direkten Kontakt zu den Kund*innen und eher „Die Ausbildung im Verlag hat zum Glück, im Gegen- weniger Arbeit im Büro – entspricht im Buchverlag die satz zu den Volontariaten, einen gesetzlich veranker- 2017: Ausbildung zum Medienkaufmann oder zu Medien- ten Ausbildungsplan. So haben die Azubis im Verlag 33% kauffrau Digital und Print. Seit 2017 bietet die Buch- im Gegensatz zu den meisten Volontär*innen klare branche außerdem die Möglichkeit für eine Ausbildung Vorgaben, wie die Ausbildung gestaltet sein muss“, zum Kaufmann oder zu Kauffrau im E-Commerce in sagt Lynne Forster, Schriftführerin im Verein Junge Medienunternehmen, die ihre Bücher ausschließlich Verlagsmenschen. Der 2009 gegründete Zusammen- oder auch online vertreiben. schluss von inzwischen mehr als 800 Mitgliedern ist der größte Nachwuchsverein der Buch- und Medien- 464 junge Männer und Frauen haben nach Angaben branche und in 15 Städtegruppen organisiert. Berufs- 2019: des Deutschen Industrie- und Handelskammertags einsteiger*innen und Student*innen finden hier eine 40% (DIHK) im Jahr 2019 eine Ausbildung zur Buchhänd- unabhängige Plattform, um sich auszutauschen und ler*in begonnen. Bei den Medienkaufleuten Digital weiterzubilden. und Print im Verlag waren es 579. Ob sich die Corona- Krise auch auf das Angebot von Ausbildungsplätzen Zur Qualität der Ausbildung im Verlag habe man keine in diesem Jahr auswirken werde, lasse sich momentan Zahlen und Fakten, so Forster. Berufsanfänger*innen, Zum Vergleich: noch nicht beantworten, sagt Monika Kolb-Klausch, die sich über ihre Rechte informieren oder auf Miss- Anteil von Frauen in Bildungsdirektorin beim Börsenverein des Deutschen stände aufmerksam machen wollen, könnten sich je- Chefsesseln Buchhandels und Geschäftsführerin des mediacam- doch direkt an die Arbeitsgruppe Nachwuchsrechte bei Regionalzeitungen pus frankfurt, eine zentrale Aus- und Weiterbildungs- wenden, die 2014 innerhalb des Junge Verlagsmen- einrichtung des Börsenvereins, die auch als Berufs- schen e.V. geschaffen wurde. Deren Ziel ist es, die Ar- schule fungiert. „Die Buchhandlungen und Verlage beitsbedingungen des Nachwuchses in der Buch- und gehen sehr individuell mit den Herausforderungen Medienbranche zu untersuchen und kritisch zu hin- um Corona um. Viele halten an ihren Planstellen fest, terfragen. In tarif- und arbeitsrechtlichen Fragen ko- andere legen beim Rekrutieren zunächst eine Pause operiert der Verein seit 2016 außerdem mit ver.di. 2019: 7% ein und beobachten die Entwicklung des Geschäfts. Unseres Wissens bleibt die Mehrheit allerdings bei den Aktiv einbringen können sich Azubis der Buchbran- ausgeschriebenen Ausbildungsplätzen.“ che zudem beim Börsenverein. Auch hier entstand im September 2019 eine Nachwuchs-AG – im Anschluss Etwas weniger genaue Angaben lassen sich zur Zahl an das ebenfalls vom Börsenverein ins Leben gerufene der Ausbildungsplätze zum/r Medienkaufmann/frau Nachwuchsparlament, bei dem Fachthemen diskutiert im E-Commerce machen, da es sich hier nicht um eine und Workshops gestaltet werden, und das Nachwuchs- branchenspezifische Ausbildung handelt. Laut DIHK sprecher*innen wählt, die auch Ansprechpersonen für haben 2019 über alle Handelsbranchen hinweg 2.700 Berufsanfänger*innen mit ihren Fragen sind. Mit dem junge Menschen diesen Berufsweg eingeschlagen, da- Nachwuchsparlament startet zudem jedes Jahr ein runter knapp 40 Prozent Frauen. Ziemlich genau lässt Mentoring-Programm, das Branchenprofis und -nach- sich dagegen sagen, dass im letzten Jahr bei den wuchs zusammenbringt. Monique Hofmann ‹‹ 14 M 2.2020
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