Zwischen Mission und Versuchung: Die Wissen-schaft und die "gute Sache" - hlb Hochschullehrerbund
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Ausgabe 04-2018 FÜR ANWENDUNGSBEZOGENE WISSENSCHAFT UND KUNST Zwischen Mission und Versuchung: Die Wissen- schaft und die „gute Sache“ Campusnotizen hlb aktuell Aus Wissenschaft Wissenswertes Bayerisches Modell zur DNH im Gespräch mit Mitglied & Politik Rückforderung überzahlter Verbundpromotion des Akkreditierungsrats Neue Lotterie fördert Bezüge Prof. Petra Gromann Bildungsprojekte 4 16 31 34
2 Inhalt Campusnotizen Titelthema: hlb aktuell 4 Bayern: BayWISS – Bayerisches Zwischen Mission 16 DNH-Sommerinterview mit Prof. Wissenschaftsforum – und Versuchung: Dr. Petra Gromann, Mitglied im Verbundpromotion auf Augenhöhe Die Wissenschaft Akkreditierungsrat | Von Dr. Karla Neschke 5 Hochschule Biberach: Auf dem und die „gute Sache“ besten Weg zur Klimaneutralität 17 hlb -Kolumne: hlb = Politikberatung + Service + Hochschule Düsseldorf: Dreißig Musterprozesse | Von Dr. Hubert Deutschlandstipendien 8 Aktivismus statt Mücke wissenschaftliches Arbeiten 6 HTWK Leipzig: Internationaler | Von Prof. Dr. Markus Karp Mathematik-Preis für Schüler und Professor 10 Wertedenken in Life Science Engineering | Von Prof. Dr. Jens Wissenswertes OTH Regensburg: Zertifikat im Hartmann agilen Projektmanagement als 34 Alles, was Recht ist zusätzliche Qualifikation 12 Ideologische Überzeugungstäter mit akademischem Titel versus 35 Neue Bücher von Kolleginnen Wissenschaftler mit gefestigtem und Kollegen Wertekostüm | Von Prof. Dr. Jochen Aus Wissenschaft Struwe 36 Neuberufene & Politik Standards 30 MINT international: Studie konstatiert Nachholbedarf bei Fachaufsätze 3 Editorial internationaler Lehre 18 Was braucht der Prof zu seinem 33 Autorinnen und Autoren gesucht 31 Bildungs-Chancen-Lotterie: Neue Glück? | Von Prof. Dr. Christa Wehner Soziallotterie fördert Bildungsprojekte und Carolin Lange 38 Stellenanzeigen und bietet attraktive Gewinne 22 Masterstudiengang 40 hlb -Seminartermine 2018 Bund: BMU fördert kreative Projekte Organisationsentwicklung zur Bewältigung der Folgen des und Inklusion – Der Plan hat Klimawandels funktioniert | Von Anke S. 32 Nebenjobs im Bachelor- Kampmeier und Steffi Kraehmer Studium: Geringe Auswirkungen 26 Zum Diskurs über die Sprache in auf Notenniveau, jedoch längere der Wissenschaftskommunikation Studienzeiten | Von Prof. Dr. Olga Rösch und Prof. Nordrhein-Westfalen: Land Dr. Günter-Ulrich Tolkiehn verlängert Förderprogramm „Karrierewege FH-Professur“ 04 | 2018 DNH
Editorial 3 Wissenschaft schafft Wissen, nicht Meinungen Nicht wenige wissenschaftliche Fortschritte verdankt die Menschheit Forscherinnen und Forschern, die leidenschaftlich für ein Anliegen brannten, die unbedingt die Lebensbedingungen ihrer Zeit verbessern wollten. Gleichwohl müssen wissenschaftlich Tätige Grenzen beachten, die auch die beste Absicht nicht aufheben kann und darf. Ob Atombombe, Empfängnisverhütung, deren Werke zu Klassikern wurden, weil Gentechnik oder autonome Roboter – die Autoren zwischen methodisch abgesi- Diskussionen darüber, ob wissenschaft- cherten Aussagen und ihren persönlichen Foto: hlb/Judith Wallerius liche Erkenntnisgewinnung nicht lieber Ansichten ausreichend zu differenzieren unterbleiben oder zumindest gedrosselt wussten (Seite 8). werden sollte, wenn ihre Folgen persön- lichen oder gesellschaftlichen Moralvor- Jens Hartmann präsentiert ein Konzept, stellungen zuwiderlaufen, führen wir um innerhalb von Life-Science-Studien- Christoph Maas seit Langem. Aber es gibt ja auch die gängen ethisches Denken zu schulen umgekehrte Situation: Behauptungen (Seite 10). von Wissenschaftlerinnen oder Wissen- schaftlern, die wir nur zu gerne glauben, Jochen Struwe zeigt anhand von weil sie dem, was wir für gesellschaft- studentischen Hausarbeiten auf, wie lich wünschenswert halten, Rücken- notwendig es ist, die Unterscheidung wind geben. Sie richten Schaden an zwischen wissenschaftlicher Schlussfolge- und das möglicherweise über lange Zeit rung und Vorurteil zu lehren und vorzu- hinweg. Ich denke etwa an die Theorie leben (Seite 12). von Thomas Malthus, der 1798 mathe- matisch „bewies“, dass Armenfürsorge Aber auch, wenn wir uns gegen Angriffe unterbleiben müsse, weil die Unterschich- auf die Wissenschaft zur Wehr setzen, ten bei verbesserten Überlebenschan- lauert die Versuchung. „π is all the irra- cen mit ihrem Vermehrungsdrang jede tionality I need“ hört sich als Parole bei Volkswirtschaft ruinieren würden.1 Noch einem „March for science“ ja ganz pfif- während meiner Schulzeit, also etwa 170 fig an. Nur wissen wir alle, dass es in der Jahre später, habe ich dies als „Argument“ Wissenschaft eben nicht rational zugeht gegen Entwicklungshilfe für die damals – weder beim Kampf um Gelder, Stellen jungen Staaten Afrikas gehört. und Karrieren, noch bei der Auseinander- setzung um Inhalte. Mit unterkomplexen In unserem Beruf sind wir an dieser Stelle Entgegnungen gefährden wir unsere Posi- Literatur auf zweierlei Weise gefordert: hinsichtlich tion aber eher, als dass wir sie festigen. unserer eigenen Forschungsarbeit, aber 1 „An essay on the principle of popu- ebenso auch hinsichtlich der Förderung Um es mit den Worten Friedrich Schil- lation as it affects the future impro- wissenschaftlichen Denkens bei unseren lers zu sagen: „Es ist gewiß der Wahrheit vement of society“, London 1798 Studierenden. Die Autoren der Aufsätze in nichts so gefährlich, als wenn einsei- 2 „Über den Zusammenhang der thie- diesem Heft führen dies näher aus: tige Meinungen einseitige Widerleger rischen Natur des Menschen mit seiner finden.“2 geistigen“, § 1. Einleitung, Stuttgart Richard Karp stellt aktuelle Ergebnisse 1780 absichtsgeleiteter Forschung dem Arbeits- ethos von Wissenschaftlern gegenüber, Ihr Christoph Maas DNH 04 | 2018
4 Campusnotizen Bayern BayWISS – Bayerisches Wissenschaftsforum – Verbundpromotion auf Augenhöhe Das BayWISS wurde 2016 als Kommunika- ohne Differenzierung nach der akade- werden. Die Masterabschlüsse von HAW tionsplattform für 30 bayerische Univer- mischen Herkunft der Promovierenden und Universitäten sind gleichwertig sitäten und Hochschulen für angewandte – für ein Miteinander im Interesse des und schließen spezielle, lediglich für Wissenschaften (HAW) gegründet und wissenschaftlichen Nachwuchses. HAW-Absolventen geltende zusätzliche fördert, koordiniert und stärkt die Zusam- Leistungsnachweise als Voraussetzung menarbeit von Universitäten und HAW Unsere ersten bayernweiten Verbund- zur Aufnahme in das Promotionsverfah- in der Wissenschaft. kollegs stehen für die Themen „Mobilität ren aus. Zu Beginn jedes Promotions- Struktur Bayerisches Wissenschaftsforum – BayWISS Lenkungsrat je 3 Mitglieder aus Universität Bayern e.V. und Hochschule Bayern e.V. Bayerische Universitäten Geschäftsstelle Unterstützung des Lenkungsrates und der Fachforen Bayerische Hochschulen Fachforum für angewandte Wissenschaften Verbundpromotionen weitere Fachforen Quelle: BayWISS BayWISS-Fachforum Verbundpromotion und Verkehr“, „Energie“, „Digitalisierung“, vorhabens wird von den Betreuerinnen „Werkstoffe und Ressourceneffizienz“, und Betreuern und dem Promovierenden Das Fachforum Verbundpromotion als „Sozialer Wandel“ und „Gesundheit“. eine Betreuungsvereinbarung abgeschlos- Pilotprojekt im Rahmen von BayWISS Trägerhochschulen jedes Verbundkollegs sen, welche u. a. das Thema, die fach- stellt ein neu entwickeltes Modell für sind mindestens eine bayerische Univer- liche Betreuung, die Projektmeilensteine gemeinsame Promotionen von Univer- sität und eine bayerische HAW. Aktuell und ggfs. fachliche sowie überfachliche sitäten und HAW in Bayern dar. Mit dem befinden sich die weiteren Verbundkol- Qualifizierungsmaßnahmen definiert. Das Strukturmodell der Verbundpromotion legs „Ökonomie“, „Medien und Kommu- Promotionsrecht liegt auch bei Verbund- eröffnet BayWISS einen begleiteten, trans- nikation“ sowie „Infrastruktur, Bauen und promotionen bei den Universitäten. Die parenten und planbaren Weg zur Promo- Urbanisierung“ in der Gründungsphase Betreuung der Promotion beruht jedoch tion. Die neuen BayWISS-Verbundkol- und „Life Sciences, grüne Technologien“ auf einem Miteinander auf Augenhöhe legs bauen für gemeinschaftlich betreute und „Industrie 4.0“ in der Vorbereitung. zwischen den beteiligten Universitäts- Promotionen Hürden ab, schaffen und HAW-Professorinnen und -Profes- verbindliche, klare Strukturen, fördern Umsetzung Fachforum Verbundpromotion soren. Diese fungieren gleichberechtigt die Kultur der wissenschaftlichen Zusam- als Betreuerinnen und Betreuer, Gutachte- menarbeit und der Netzwerkbildung Die Zusammenarbeit zwischen baye- rinnen und Gutachter und Prüferinnen zwischen den beteiligten Institutionen. rischen Universitäten und HAW bei und Prüfer. In den Prüfungskommissionen Die Promovierenden in den Verbundkol- Verbundpromotionen umfasst das bzw. Prüfungsausschüssen der Univer- legs profitieren in hohem Maß von diesen gesamte Fächerspektrum der HAW. Die sitäten ist gleichberechtigt jeweils eine neuen und belastbaren Strukturen. Die Universitäten und HAW haben jeweils HAW-Professorin bzw. ein HAW-Professor BayWISS-Verbundkollegs formulieren auf einen zentralen Ansprechpartner für vertreten. Bei dem Doktorgrad wird keine zentralen Themenfeldern der bayerischen kooperative Promotionen und Verbund- Differenzierung nach der akademischen Hochschullandschaft ein attraktives, von promotionen benannt. So können die Herkunft der Promovierenden vorgenom- beiden Hochschularten paritätisch getra- Promotionswege transparent kommu- men. Die jeweils an der Promotion betei- genes, kollegbasiertes Betreuungsangebot niziert und entsprechend unterstützt ligte HAW ist auf der Promotionsurkunde 04 | 2018 DNH
5 als Institut präsent. Die Zitationsfähig- Finanzierung BayWISS keit und wissenschaftliche Verwertbar- keit der Veröffentlichungen im Rahmen Ressourcen – Staatsministerium der Promotion wird beiden Hochschulen zugerechnet. Das Modell der Verbund- Aus den BayWISS-Mitteln dürfen 2017: für sechs BayWISS- finanziert werden: promotion unterliegt einem jährlichen Verbundkollegs € 750.000 Monitoringverfahren und wird nach fünf gemeinsame, hochschulübergreifende Jahren erstmals umfassend evaluiert und Strukturen und Koordinationsstellen (1/2 E13) ergebnisabhängig fortgesetzt. gemeinsame und projektbezogene Prof. Dr. Uta M. Feser 2018 bis einschließlich 2021: Aktivitäten wie: für zehn BayWISS-Verbundkollegs Tagungen, Workshops Präsidentin der Hochschule Neu-Ulm jährlich € 1,1 Millionen, Coachings 2018 zusätzlich € 200.000 für die Equipment Weitere Informationen zu BayWISS und Einrichtung neuer Kollegs Reisekosten Maßnahmen zur Projektsteuerung den Verbundpromotionskollegs unter 2017 bis einschließlich 2021: Promotionskostenpauschale (€ 250 p. M.) www.baywiss.de € 5,35 Millionen keine Promotionsstellen Quelle: BayWISS keine Promotionsstipendien Hochschule Biberach Hochschule Düsseldorf Auf dem besten Weg zur Dreißig Deutsch- Klimaneutralität landstipendien Die Hochschule Biberach (HBC) ist Klimaschutzkonzeptes besteht also deut- Die LEPPER Stiftung vergibt im Rahmen bereits seit 2014 nach der EMAS-Verord- licher Handlungsbedarf und die Heraus- des Deutschlandstipendiums erstmals nung der EU zertifiziert. Aktuell erarbei- forderungen bei der späteren Umsetzung das LEPPER Stipendium zur Förderung tet die HBC mit externen Planungsbüros zur Erreichung der gesetzten Ziele sind herausragender Leistungen an 30 Studie- als erste Hochschule in Baden-Württem- beträchtlich. rende der Hochschule Düsseldorf. Damit berg ein Klimaschutzkonzept mit dem ist die LEPPER Stiftung größter Einzelför- Ziel, durch abgestimmte Maßnahmen in Im Konzept sollen Umsetzungsvarian- derer und Stipendiengeber der Hochschu- den Bereichen Energie, Mobilität, Abfall ten mit den geringsten Lebenszykluskos- le. Die LEPPER Stiftung hat sich unter und Biodiversität den gesamten Campus ten unter Berücksichtigung des überge- anderem der Förderung von Wissenschaft mittelfristig in Richtung Klimaneutralität ordneten Ziels einer Klimaneutralität und Forschung verschrieben und wird zu entwickeln. Die HBC sieht sich hier in priorisiert werden. Gemeinsam mit dem im Rahmen der Zusammenarbeit mit der einer besonderen Vorbildfunktion, steht Land Baden-Württemberg als Gebäude- Hochschule Düsseldorf den Hochschul- sie doch in Lehre und Forschung für die eigentümer will die HBC ihren Campus standort sowie den Wissenschaftsstandort Fachbereiche Bauen, Energie und Biotech- zu einem Leuchtturm entwickeln, der die Deutschland nachhaltig stärken. nologie. landespolitischen Ziele einer Klimaneu- tralität der Landesverwaltung bis 2040 Die HSD vergibt schon seit vielen Ein größerer Teil der Gebäude am Inner- beispielgebend unterstützt. Das gesetz- Jahren das Deutschlandstipendium, das stadt-Campus wurde in den 1950er-Jahren te Ziel ist ambitioniert, soll aber ggf. in mit 300 Euro pro Monat je zur Hälfte vom errichtet und entspricht in keiner Weise mehreren Schritten und flankiert durch Bund und von nicht staatlichen Förderern dem heutigen energetischen Standard. geeignete Förderprogramme in den nächs- getragen und finanziert wird. In beson- Als regionale Hochschule ist der Anteil an ten Jahren umgesetzt werden. deren Fällen benennt die Hochschule Fahrten von und zur HBC mit privaten Düsseldorf die geförderten Stipendien PKW überdurchschnittlich hoch. Zudem Die Erstellung des Klimaschutzkon- nach dem Stipendiengeber. liegen die beiden Standorte Innenstadt zeptes wird durch das Bundesministeri- und Aspach rund vier Kilometer auseinan- um für Umwelt, Naturschutz, Bau und Hochschule Düsseldorf der und sind relativ schlecht miteinan- Reaktorsicherheit im Rahmen der nati- der verbunden. Das getrennte Erfassen onalen Klimaschutzinitiative gefördert. von Abfällen ist derzeit nicht flächende- ckend gegeben. Zudem sind die Freiflä- Prof. Dr. Jörg Entress chen am Campus Innenstadt im hohen Hochschule Biberach Maße versiegelt. In allen Bereichen des DNH 04 | 2018
6 Campusnotizen HTWK Leipzig Internationaler Mathematik-Preis für Schüler und Professor verhalten. Um das chaotische Verhal- ten eines Systems quantitativ zu erfas- sen, kann man bestimmte Zahlen nutzen. Diese werden – nach ihrem Entdecker, dem russischen Mathematiker und Physi- ker Alexander Michailowitsch Lyapunov – Lyapunov-Exponenten genannt. In ihrem Fachartikel diskutieren Merker und Foto: Robert Weinhold/HTWK Leipzig Hofmann, wie man ohne genaue Kennt- nis des Langzeitverhaltens allein aufgrund lokaler Informationen Lyapunov-Expo- nenten berechnen kann. Diese Arbeit wurde von der Jury des Ian Snook Prize mit einer „Honorable Mention“ ausge- zeichnet. Der eigentliche Preis ging an Kenichiro Aoki aus Japan, doch da die Prof. Jochen Merker (links) und Timo Hofmann HTWK-Einreichung und seine nahezu gleichwertig waren, entschloss sich die Eine besondere Auszeichnung wurde „Chaotische Dynamik in Hamilton- Jury zu dieser Sonderform der Ehrung. der Zusammenarbeit eines Professors schen Systemen“ entstanden, die Timo der Hochschule für Technik, Wirtschaft Hofmann unter Betreuung von Prof. Der Erfolg beim Ian Snook Prize – und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) mit Jochen Merker erbracht hatte. Dabei einem der wenigen internationalen Prei- einem Leipziger Gymnasiasten zuteil: Für geht es um die Untersuchung chaotischer se für angewandte Mathematik – zeige, so ihre Arbeit zu einem Thema der ange- mechanischer Systeme mittels Methoden Professor Merker, dass auch Fachhoch- wandten Mathematik wurden Jochen der angewandten Mathematik. schulen auf diesem Gebiet international Merker, Professor für Analysis und Opti- Herausragendes leisten. „Andere Wettbe- mierung, und Timo Hofmann, Elftkläss- Chaos tritt in ganz unterschiedlichen werbe wie beispielsweise die internationa- ler des Wilhelm-Ostwald-Gymnasiums, Situationen auf, zum Beispiel bei der le Mathematik-Olympiade richten sich an Anfang April 2018 mit einer Ehrung durch Bewegung eines Doppelpendels oder Schüler und belohnen das Abschneiden die Jury des Ian Snook Prize gewürdigt. Der dreier Himmelskörper in der Mechanik, bei einer Klausur, nicht aber eine kreative prämierte Artikel wurde am 30. Mai in der bei der Wettervorhersage in der Meteo- Forschungsleistung“, sagt Merker. internationalen Fachzeitschrift „Compu- rologie oder beim Stop-and-go im Feier- tational Methods in Science and Techno- abendverkehr. Gemeinsam haben diese HTWK Leipzig logy“ veröffentlicht. Systeme, dass sie sensitiv auf Verände- rungen reagieren, dass sich also belie- Der Fachartikel war aus einer „Beson- big nah beieinander liegende Zustände deren Lernleistung“ (BeLL) zum Thema im Lauf der Zeit völlig unterschiedlich OTH Regensburg Zertifikat im agilen Projektmanagement als zusätzliche Qualifikation Neben dem klassischen Projektmanage- Prof. Dr. Sabine Jaritz von der Ostbaye- anerkanntes Scrum-Zertifikat vorberei- ment gewinnen agile Methoden bei der risch Technischen Hochschule Regens- tet. So haben im Wintersemester 2017/18 Durchführung von Projekten immer mehr burg (OTH) hat sich im Rahmen ihrer erstmals 25 Studierende des Schwerpunkts an Bedeutung. Für die Lehre im Bereich Vorlesung „Projekt-Controlling“ nicht Projektmanagement im Studiengang Projektmanagement bedeutet dies, dass nur intensiv mit dem agilen Projektma- Bachelor Betriebswirtschaft das Zertifi- Studierende auch Fach- und Methoden- nagement nach Scrum auseinanderge- kat „Professional Scrum Master I“ (PSM I) kompetenzen im agilen Management von setzt, sondern die Studierenden auch der Zertifizierungsorganisation scrum.org Projekten vermittelt bekommen müssen. auf ein renommiertes, international erworben. 04 | 2018 DNH
7 Personal in Hochschule und Wissenschaft entwickeln STRATEGIE – PRAXIS – FORSCHUNG Foto: privat Gruppenfoto der „Professional Scrum Master I“-zertifizierten Studierenden mit ihrer Professorin Prof. Dr. Jaritz (links) Die Vorbereitung auf das anspruchs- Die Begeisterung, die positive Einstel- volle Zertifikat wurde unter Einsatz der lung und das große Engagement der Peer-to-Peer-Learning-Methode in die Studierenden hätte Prof. Dr. Jaritz so im Vorlesung integriert. Die Studierenden Vorfeld nie erwartet. „Die Studierenden haben Techniken gelernt, die ihnen als haben diese sehr anspruchsvolle Zerti- zukünftige Scrum Master dabei helfen, fikatsprüfung als eine Chance gesehen, das Konzept erfolgreich in einem Team sich ihre erworbenen Kompetenzen durch einzuführen, den Product Owner in eine anerkannte Organisation bestätigen 5 Ausgaben pro Jahr, seiner täglichen Arbeit zu unterstützen zu lassen.“ Aufgrund des großen Erfolges ca. 100 Seiten pro Ausgabe und die Selbstorganisation im Entwick- wird die Vorbereitung für die Zertifikats- lungsteam zu stärken. Die Teilnehmer prüfung auch in Zukunft fester Bestandteil Online-Zugriff des Kurses haben gemeinsam Lernstra- des Schwerpunktfaches „Projekt-Control- auf sämtliche Inhalte tegien entwickelt, um die durchaus sehr ling“ sein. Natürlich bedeutet dies auch, anspruchsvolle Zertifikatsprüfung erfolg- dass Unterrichtsstoff im Bereich des klas- Ab 224,50 € reich zu bestehen. Nach der inhaltlichen sischen Projektmanagements dafür etwas pro Jahr erhältlich Vorbereitung hatten die Studierenden vier reduziert werden muss. Jedoch werden die www.personalentwicklung-wissenschaft.de Campuslizenz erhältlich, Wochen Zeit, die Prüfung anzutreten. In Studierenden dafür besser auf die verän- dieser Zeit fand in der Vorlesung selbst derten Anforderungen des Marktes vorbe- auch über bestehendes ein moderierter Austausch statt. Dieje- reitet. Konsortium nigen, die die Prüfung bereits abgelegt hatten, haben von ihrer Vorbereitung und Dass die Integration des Scrum-Zertifi- ihrer Erfahrungen auch während des Tests kats in ein Hochschulstudium nicht Stan- berichtet. All dies wurde schriftlich fest- dard ist, zeigt auch, dass scrum.org über gehalten und jedem zugänglich gemacht. dieses Projekt an der OTH eine Case Study Die Prüfung selbst ist ein 60-minütiges, erstellt hat, die auf deren Webseite öffent- aus 80 Fragen bestehendes englischspra- lich verfügbar ist. WEITERE INFORMATIONEN UNTER chiges Online-Assessment, das individu- ell abzulegen ist. Prof. Dr. Sabine Jaritz Professorin für Betriebswirtschaftslehre Beleg für die erfolgreiche Teilnahme Ostbayerische Technische Hochschule an der Zertifizierungsprüfung ist neben Regensburg dem Zertifikat auch ein Abzeichen. Auf der Webseite von scrum.org gibt es eine öffentlich zugängliche Datenbank, in der alle Zertifizierten aufgeführt und so auch Die Meldungen in dieser Rubrik, soweit für potenzielle Arbeitgeber als Scrum- sie nicht namentlich gekennzeichnet Experten identifizierbar sind. sind, basieren auf Pressemitteilungen der jeweils genannten Institutionen. DNH 04 | 2018 PEH-Anzeigen.indd 1 13.09.17 15:37
8 Titel: Zwischen Mission und Versuchung: Die Wissenschaft und die „gute Sache“ Aktivismus statt wissenschaftliches Arbeiten Auch wer in der Wissenschaft arbeitet, hat eigene Meinungen und Vorlieben. Werke von andauernder Bedeutung wurden jedoch gerade von solchen Menschen geschrieben, die sich darauf verstanden, fachliche Methodik und persönliche Anliegen weit genug auseinanderzuhalten. | Von Prof. Dr. Markus Karp „Eine berufsmäßigen ,Denkern‘ beson- „statistisch höchst umstrittene Annähe- ders nahezulegende Obliegenheit ist: rung, die in keinster Weise belastbar ist“.2 sich gegenüber den jeweilig herrschen- den Idealen, auch den majestätischsten, Auch in einem anderen Fall mutierten einen kühlen Kopf im Sinn der persön- spektakuläre Studienergebnisse zur Pein- lichen Fähigkeit zu bewahren, nötigenfalls lichkeit: Im Mai 2017 legte das Göttinger ,gegen den Strom zu schwimmen‘“. 1 Max Foto: privat Zentrum für Demokratieforschung eine Weber, Übervater der deutschen Soziolo- Untersuchung zum Rechtsextremismus gie, hat zeitlebens für eine werturteilsfreie, in Ostdeutschland vor, die ein düsteres Prof. Dr. Markus Karp objektive Wissenschaft geworben. Webers Bild der neuen Bundesländer als braunem Technische Hochschule Wildau Diktum war des Öfteren unter Beschuss. Hort rechtsextremer Umtriebe zeichnete. Forschende sind keine Maschinen, die ihre Die Lage scheinbar: dramatisch, die Radi- markus.karp@th-wildau.de Normen und Werte vor Arbeitsbeginn able- kalen: flächendeckend präsent. Nur kam gen. Unzweifelhaft haben sie persönliche wenig später heraus, dass das ganze Ergeb- Präferenzen, welche Impulse sie mit ihrer nis auf nur vierzig Einzelinterviews offen- Forschung der Umwelt und den Mitmen- kundig nicht repräsentativ ausgewählter schen geben wollen. Es lässt sich gar Gesprächspartnerinnen und -partner aus behaupten, dass selbst bei einem Vorha- nur wenigen ostdeutschen Orten basier- ben mit dem trockensten, nüchternsten te. Nach einigem Zieren distanzierte sich Forschungsgegenstand, dem sich mit der denn auch die Auftraggeberin.3 menschenmöglich größten Objektivität angenähert wurde, noch Spuren subjek- Wie kann es zu derlei Reinfällen tiver Überzeugungen finden lassen, die kommen? Hier sind schließlich keine aus dem Forschungsdesign heraus nicht Rechenfehler passiert, keine Fehlschlüs- zu erklären sind. se erfolgt. Nein, es wurde gepfuscht, weil nicht die Forschung, sondern das Ergeb- In jüngerer Zeit aber häufen sich nis das eigentliche Arbeitsziel ist. Sicher- Forschungsergebnisse, die weltanschaulich lich, die Gründe mögen lauter gewesen derart in der Wolle gefärbt sind, dass dem sein. Sensationelle Studienergebnisse, die Ruf der Wissenschaft Schaden droht. Ein nicht nur Aufmerksamkeit in der wissen- Beispiel: Im März 2018 trat das Bundesum- schaftlichen Gemeinde, sondern auch ein weltamt mit einer Studie an die Öffent- großes Medienecho erzeugen, sollen dazu lichkeit, die 6.000 Tote pro Jahr auf Stick- führen, den Umwelt- und Gesundheits- oxid in der Atemluft zurückführte. Große schutz voranzubringen oder Rechtsex- Aufregung! Das Ergebnis schlug wie eine tremismus kleinzuhalten. Denn für die Bombe in der erhitzten Debatte um Fahr- Verantwortlichen fügen sich die disku- verbote in deutschen Innenstädten ein. tierten Probleme in ein größeres Bild ein: Aber nur wenige Tage später mussten sich Es geht nicht allein um Schadstoffbelas- die Forschenden ausgerechnet vom Boule- tung in den Ausfallsstraßen der Groß- vardblatt BILD Unwissenschaftlichkeit städte oder politischen Extremismus in vorwerfen lassen. Es handle sich um eine peripheren Kleinstädten. Nur wenig subtil werden die großen weltanschaulichen 04 | 2018 DNH
9 „Es wurde gepfuscht, weil nicht die Forschung, sondern das Ergebnis Foto: Juan Pablo Gonzalez/123rf.com das eigentliche Arbeitsziel ist.“ Fragen gleich mitverhandelt: Der unzureichend unbeschriebenes Blatt ohne subjektive Wert- und fundierte Angriff auf den Diesel ist im Kern die Sollensvorstellungen sein kann. Auch Max Weber, Attacke auf das Auto als solches, das die Studien- der große Verfechter der werturteilsfreien Wissen- autorinnen und -autoren ob seiner Umweltkosten schaft, vertrat politische Positionen, die nicht einfach mehr als skeptisch beäugen. Und die Rechtsextremis- als typisch zeitgeistig abgetan oder belächelt werden musstudie soll mit ihren schrillen Befunden einen können. Vielmehr machte er sich einen Nationalis- Umbruch im Parteiensystem und einen Politikwan- mus bis Ultranationalismus zu eigen, der schon damals del, wie ihn viele unserer europäischen Nachbarn nicht ohne Widerspruch war und heute noch sehr schon erlebt haben, verhindern helfen. Das sind viel mehr befremdet. Seine Arbeiten aber sind lager- legitime Anliegen, die man in einer pluralistischen übergreifend zeitlos, bis heute aktuell geblieben und und demokratischen Gesellschaft mit ihrem viel- inspirieren immer wieder neu. Das kann beileibe nicht stimmigen Meinungskonzert vertreten kann und von vielen national durchglühten wilhelminischen darf. Allerdings sind Studien, die sich wissenschaft- Denkern gesagt werden. Ein wenig Stochern in der lich geben, aber ganz bewusst nicht wissenschaft- Wissenschaftsgeschichte führt zu der Einsicht, dass lichen Ansprüchen genügen, dafür ungeeignet. Im viele Klassikerautoren wenig glanzvolle Ausritte in die Ergebnis wird dieses Gebaren darauf hinauslaufen, Politik unternommen und oft auch mit radikalen oder dass wissenschaftlichen Arbeiten per se Misstrau- totalitären Ideen geliebäugelt haben. Trotzdem sind en und Zweifel entgegenschlagen. Dann kommt es ihre Werke klassisch. Weil sie ihre wissenschaftlichen nicht mehr auf das Studienergebnis an, sondern auf Arbeiten nicht zugunsten des gewünschten gesell- die vermutete Intention der Verfasser. Mit den akade- schaftlich-politischen Effekts frisiert haben. Ihre Werte mischen Kontroversen, die idealerweise jede Veröf- und Normvorstellungen mögen sie auf ein bestimm- fentlichung begleiten und die Wissenschaft über- tes Feld oder zu einem bestimmten Forschungsgegen- haupt erst voranbringen, hat das allerdings nichts stand geführt haben. Dort aber blieben sie dem ergeb- zu tun. Vielmehr ist es ein Gift, das langfristig in nisoffenen wissenschaftlichen Arbeiten treu, ohne den Augen vieler Wissenschaft und Meinung unun- mit aufgesetzten Scheuklappen das „richtige“ Resultat terscheidbar macht. Das wird für Probleme sorgen: zu berechnen, welches die eigenen guten Absichten Es entwertet letztlich alle Forschungsergebnisse und befördern würde. schwächt die Akzeptanz der Wissenschaft. Missionarischer Eifer hingegen ist der Feind der Indes wurde eingangs angeführt, dass eine Aufklärung. Auch die besten Absichten rechtfertigen Wissenschaftlerin oder ein Wissenschaftler kein keinen Verzicht auf das Wissenschaftsethos. Literatur 1 Weber, Max (2013): Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. 1. Aufl. Paderborn: Salzwasser Verlag. 2 https://www.bild.de/auto/auto-news/dieselkraftstoff/diesel-studie-dobrindt-55050000.bild.html 3 http://www.sueddeutsche.de/politik/ostdeutschland-ostbeauftragte-distanziert-sich-von-rechtsextremismus- studie-1.3605843 DNH 04 | 2018
10 Titel: Zwischen Mission und Versuchung: Die Wissenschaft und die „gute Sache“ Wertedenken in Life Science Engineering Im Modul Ingenieurethik diskutiert der Autor anhand von Fallbeispielen aus den Gebieten Gesundheit und Ernährung mit Studierenden das Pro und Contra von Entscheidungen bis hin zu eigenen Lösungsvorstellungen. | Von Prof. Dr. Jens Hartmann Die Formulierung und Durchsetzung ethi- Das Modul Ingenieurethik soll Werteden- scher Grundsätze und Werte werden bei ken anregen der Ausbildung von Ingenieuren in den Lebenswissenschaften (Life Science Engi- Im Mittelpunkt eines neuen Werteden- Foto: Hochschule Anhalt neering) zukünftig an Bedeutung gewin- kens in Life Science Engineering als einem nen. Die immer schneller werdende Teilgebiet des Lehrmoduls „Ingenieure- Wachstumsgesellschaft mit ihren Tech- thik“ stehen interdisziplinäres Denken nologietreibern Biotechnologie und Digi- und Folgenabschätzung sowie die nach- talisierung erzeugt in unserer Gesellschaft haltige Umsetzung fortschrittlicher Ideen Prof. Dr. Jens Hartmann gerade einen technologischen und gesell- mit hoher Verantwortung. Es werden Professor für Physikalische Chemie schaftspolitischen Sprung, wie man ihn „Werkzeuge“ aufgezeigt, ingenieurtech- noch nie verzeichnete. Neue Produktions- nische Entscheidungen moralisch zu jens.hartmann@hs-anhalt.de prozesse, Vernetzungen von Prozessen, begleiten, allen voran Technologie(folge)- Anbietern und Daten sowie zunehmende abschätzungen, Risikoanalysen und Hochschule Anhalt Digitalisierungsstrategien werden schnell Präventivmaßnahmen für die Gesund- FB Angewandte Biowissenschaften den Markt beherrschen, ohne dass eine heit der Menschen, für Tierrechte und und Prozesstechnik wirkliche gesellschaftliche Reflexion statt- nachhaltige Umwelterhaltung. So müssen Bernburger Str. 55 finden kann. Eine soziale Marktwirtschaft fortschrittliche Strategien oft auf Verträg- 06366 Köthen/Anhalt wird so nur noch eine geringe Chance lichkeitskriterien geprüft und neue www.hs-anhalt.de/bwp haben, sich zu behaupten. Der Gesell- Rahmenbedingungen geschaffen werden. schaft fehlt es an wahrhaftigen Informa- tionen, an moralischen Orientierungen In einer durch die Technologie weiter und vor allem an Durchsetzungsvermö- wachsenden und von ihr getriebenen gen. Beispiel: der Umgang mit den Verfeh- Gesellschaft werden Bedürfnisse nach lungen der deutschen Autoindustrie. Regeln, Entschleunigungsmaßnahmen und moralischen Grenzen notwendig, um So auch auf dem Sektor des Life Science unsere Existenz auf dieser Erde langfristig Engineering, der Ingenieurwissenschaf- zu sichern. Die technologische Problem- ten rund um die Themen Ernährung und lösung muss durch Bedenkenforschung Gesundheit. Zahlreiche Fallbeispiele aus zeitnah begleitet werden. Beispiel: Die Gentechnik, Pharmaforschung, Lebens- Zukunft der Gesundheitswirtschaft (Carl, mittelqualität oder über den Umgang Gondlach 2018) sollte neben den tech- mit Ressourcen und der Umwelt zeigen nologischen Hotspots Künstliche Intelli- gelegentlich Fehlentwicklungen und genz, Drucken von 3-D-Organen, Genthe- -meldungen, inkonsequentes Handeln, rapien, Smarte Sensoren und Wohnungen Intransparenz und Verdeckungen der usw. die Würde des Menschen nach einem wahren Probleme. Personenkreise, Firmen eigenbestimmten Leben in den Vorder- oder ganze Branchen kommen so in Miss- grund stellen. kredit. Und überdecken all die Aktivitäten derjenigen, die im Sinne von Moral und Am Fachbereich Angewandte Biowis- Nachhaltigkeit echte Verbesserungen in senschaften und Prozesstechnik der den jeweiligen Branchen erzielen. Hochschule Anhalt werden Studierende 04 | 2018 DNH
11 Foto: Juan Pablo Gonzalez/123rf.com ausgebildet, die später einmal auf den Gebieten des Life Science Engineering arbeiten. Und zwar als Inge- nieure! Sie werden es sein, die Prozesse und Produkte in den Branchen Biotechnologie, Pharmatechnik und „Die technologische Problemlösung Lebensmitteltechnologie maßgeblich bestimmen. Weniger in der Forschung als vielmehr in der täglichen muss durch Bedenkenforschung Herstellung, Entwicklung und Qualitätskontrolle von Produkten. Hier liegt eine ganz besondere Verantwor- zeitnah begleitet werden.“ tung. Es handelt sich nämlich um Produkte, die als Wirkstoffe, Nährstoffe, Nahrungsergänzungsmittel, additive und persönliche (Körper-)Schutzmittel täglich sind wir derzeit nicht. Aufgrund der Wachstumsgesell- von Menschen bzw. Tieren aufgenommen werden schaft geraten uns immer wieder Prozesse und Hand- bzw. mit ihnen in Kontakt kommen. Wohl und Wehe lungen außer moralischer Kontrolle. sind von der Reinheit, Identität und Unbedenklichkeit dieser Stoffe maßgeblich abhängig. Auch die Informa- Dies ist zugleich der Appell an die nächste junge tionen über diese Produkte werden von zunehmender Generation, Veränderungen einzuleiten. Das setzt Bedeutung für Kunden, Patienten und Verbraucher. wiederum voraus, dass sich diese Generation intensiv Die Herkunft von Rohstoffdaten, ethische Grundsätze und ehrlich mit der Wirklichkeit beschäftigt: „Ethik bei der Haltung und Tötung von Tieren, nachhaltige stiftet Unruhe hin zum tieferen Nachdenken über die Produktion inklusive Entsorgung und Umweltschutz Folgen unseres Tuns” (Lendi 2003). Und: Wir brauchen stehen hinter diesen Produkten. Diese Werte sind nicht Orientierung auf unserem Wege zum neuen Werteden- neu, jeder modern eingestellte Mensch möchte ethisch ken: Es muss uns gelingen, durch mehr Kommunika- handeln. Aber neue ökonomische Bedingungen und tion, gesellschaftliche Diskurse und Dialoge zwischen technologische Entwicklungen (z. B. Genmanipula- Experten und Laien eine umfassende Folgenethik zu tionen oder Automatisierung humaner Handlungen) entwickeln. Wir sollten erkennen, dass dies kein Boll- müssen zu neuem Wertedenken führen, insbesonde- werk gegen den Fortschritt ist, sondern ein Geländer re auch zu neuen Strategien und Ideen, um Werte zu am Weg einer neuen Generation von erfolgreichen erhalten im “Spagat” zwischen Moral und Gewinn. und mit ihrem Berufsbild zufriedenen Ingenieuren. Wir wollen erfolgreich sein und gut! Aber genau das Literatur Carl, Michael; Gondlach, Kai: Die Zukunft der Krankenversicherung. Wie Krankenkassen und Versicherer die Kundenbe- dürfnisse an individuelle und prädiktive Gesundheitsförderung erfüllen. Trendstudie des 2b AHEAD ThinkTanks. Leipzig. www.zukunft.business/forschung/trendstudien/ veröffentlicht am 15.01.2018 – Abruf am 18.01.2018 Lendi, Martin: Hinweise auf ethische Anhaltspunkte für das Planen und Entscheiden wie auch das Handeln in der räum- lichen Planung – Etappenbericht auf dem Weg einer offenen Diskussion. Eine Gastvorlesung, gehalten in Wien an der Universität für Bodenkultur. 2003.www.research-collection.ethz.ch/bitstream/handle/20.500.11850/147811/eth-26888- 01.pdf – Abruf am 28.03.2018 DNH 04 | 2018
12 Titel: Zwischen Mission und Versuchung: Die Wissenschaft und die „gute Sache“ Ideologische Überzeugungstäter mit akademischem Titel versus Wissen- schaftler mit gefestigtem Wertekostüm Viele Studierende scheinen heute nicht mehr in der Lage zu sein, Wissen wertfrei zu ordnen – sie verwechseln die Überzeugungen aus ihrem (oft eher beliebigen) Wertekanon mit dem Ergebnis wissenschaftlicher Analyse. Was ist zu tun? | Von Prof. Dr. Jochen Struwe „Die Wissenschaft und die ‚gute Sache‘“ nicht, dass Wissenschaft nicht wertefun- – ein ebenso spannender wie erschöp- diert oder interessegeleitet sein dürfte. fender Konflikt, gerade in Zeiten, in Natürlich darf ein Wissenschaftler – und Foto: Barbara Frommann denen weltweit Populisten auf dem dazu zählen a priori die Professorinnen Vormarsch zu sein scheinen, Fake News und Professoren, perspektivisch aber sich nahezu ungehindert verbreiten, auch die Studierenden einer Hochschu- das Googeln nach „Trump + Lügen + le – religiöse, politische, gesellschaftliche Zähler“ etwa 20.600 Treffer ergibt und Überzeugungen, Meinungen, Ansichten es schick zu sein scheint, Überzeugungen haben. Warum sollte ein Wissenschaft- Prof. Dr. Jochen Struwe für Tatsachen zu nehmen und ebenso ler kein „Zoon politikon“ sein oder sein Professor für Unternehmensführung, unbedenklich zu verbreiten wie unbe- dürfen? Und dass Wissenschaft – viel- Rechnungswesen und Controlling dacht zu glauben. leicht abgesehen von der Grundlagen- forschung und dem „reinen“, zweckfreien j.struwe@umwelt-campus.de „Meinungsstark und kenntnisarm“ Erkenntnisgewinn in der Tradition des als pauschale Kennzeichnung heutiger Thales von Milet – durchaus interessenge- Hochschule Trier Studierender ist sicher überpointiert. leitet sein darf, oft sogar sein muss, zeigt Umwelt-Campus Birkenfeld Auch wenn man sich als Lehrender über- die Existenz der Auftrags- bzw. Drittmit- Campusallee haupt manchmal eine Meinung seiner telforschung, der angewandten Forschung 55768 Hoppstädten-Weiersbach Studierenden wünschte: Im Kern ist und Entwicklung oder der Industriefor- etwas Wahres dran (zumindest, wenn das schung. www.umwelt-campus.de/~j.struwe „kenntnisarm“ auf die stets einwandfreie Anwendung wissenschaftlicher Methodik Wissenschaftsbasiert heißt aber immer beschränkt wird). (!), dass die „Ordnung des Wissens“ (= „Wissenschaft“) den folgenden Grund- Die beiden Fragen, denen im Folgenden forderungen genügen muss: nachgegangen werden soll, lauten: 1. Hat die „gute Sache“ Auswirkungen Eindeutigkeit durch genaue Definiti- auf die Wissenschaft, und falls ja, wie onen, spiegelt sich das konkret wider? Transparenz durch Offenlegung 2. Was ist vonseiten der Lehrenden wie der Methoden und der Quellen des Lernenden gegen wissenschaftsmetho- Erkenntnisgewinns, dische Fehlentwicklungen zu unter- Überprüfbarkeit des Wahrheitsgehaltes nehmen? durch jederzeitige Validierung und Verifizierung, ggf. auch Falsifizierbar- keit, Die Grundforderungen Verlässlichkeit des Erkenntnisgewinns durch Wiederholbarkeit, Hier wird der Ansatz vertreten, dass Objektivität durch ausschließliche Studium und Lehre an einer Hochschule Berücksichtigung von Fakten und grundsätzlich wissenschaftsbasiert zu sein logisch konsistenten Schlussfolge- haben. Wissenschaftsbasiert heißt dabei rungen, 04 | 2018 DNH
13 Redlichkeit des Erkenntnisgewinns durch unvor- eingenommene Berücksichtigung aller relevanten Aspekte und Offenlegung etwaiger Interessenkol- lisionen durch den Forschenden. Dass Wissenschaft einen Neuigkeitswert im Sinne eines Erkenntnisfortschritts haben sollte, ist zwar grundsätzlich verständlich, soll hier aber – auch und gerade angesichts des zunehmenden Anteils deskrip- Foto: Juan Pablo Gonzalez/123rf.com tiver, vergleichender oder schlicht kompilierender Arbeiten – nicht als methodische Forderung aufge- stellt werden. Auf eine vertiefte Diskussion verschie- dener Wissenschaftsvorstellungen (Thales, Aristo- teles, Karl Popper, Thomas S. Kuhn u. v. a.) muss an dieser Stelle ebenfalls verzichtet werden. Die Realität Die folgenden Beispiele stammen ausnahmslos aus Hausarbeiten, die Studierende eines Masterstudien- „Die Geschwindigkeit, mit der sich gangs am Umwelt-Campus Birkenfeld in den letz- ten vier Jahren im Seminar „Umweltökonomie“ des heutzutage neue Probleme auftun, Verfassers – sicher unbewusst – geschrieben haben; aus verständlichen Gründen bleiben die Namen scheint momentan deutlich größer zu der jeweiligen Autoren ungenannt, etwaige Recht- schreib- und Satzbaufehler finden sich in den Origi- sein als die Geschwindigkeit, mit der nalen. Bei den ausgewählten Zitaten handelt es sich nicht um „Ausreißer“, wie zahlreiche wiederkehren- erkannte Probleme gelöst werden.“ de Beobachtungen auch von Kolleginnen und Kolle- gen nahelegen; ein – überschlägiger – Anteil von etwa einem Fünftel der abgegebenen Seminararbeiten mit ähnlichen Auffälligkeiten wird häufig – und zwar werden müsste), kann aber offensichtlich mit seiner hochschul- und studiengangübergreifend – bestätigt. Wertung („leider“) nicht hinterm Berg halten. Bespiel 1: „250 Jahre nach Beginn der industriellen Beispiel 3: „Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Revolution steht die Menschheit einerseits, beson- Gründung der Christlich-Sozialen Union (CSU) ders in Industrieländern, vor einem enormen Wohl- in Bayern e. V. eine Antwort auf die Katastrophe stand, andererseits jedoch auch vor einem starken von Gewaltherrschaft und Krieg. Schon im Herbst globalen Wohlstandsgefälle sowie dem Raubbau an 1945 haben sich Frauen und Männer, trotz Leid der Natur mit seinen irreversiblen Folgen für die und Not in der Nachkriegszeit, nicht entmutigen Menschheit. Durch diese vorherrschende Machtun- lassen, eine neue Partei zu gründen. Diese basier- gleichheit versuchen sich machtüberlegene Indi- te bereits damals auf der Wertorientierung ‚Verant- viduen, Staaten und soziale Gruppen auf Kosten wortung vor Gott und den Menschen‘. Die CSU anderer zu bereichern. Den benachteiligten Grup- kämpft als christlich-konservative Volkspartei in pen fehlen dagegen die Mittel, sich dem zu widerset- Bayern für ein gemeinsames Europa. Angetrie- zen und sich dagegen zu wehren. Aus diesem Grund ben von der Verantwortung für das Gemeinwohl ist vor allem die Wirtschaft zum größten Teil für das steht sie für die Einheit Deutschlands in Frieden soziale Elend und die Zerstörung der Umwelt verant- und Freiheit. Mit klaren Werten und Wegen hat wortlich.“ Immer wieder zu beobachten: der große die CSU nicht nur die bayrische, sondern auch die Rundumschlag. Die Moralkeule wird geschwungen deutsche und europäische Politik zum Wohle der und saust auf alles nieder, was das eigene Weltbild Menschen geprägt.“ Wenn in einer Arbeit, die die stört. Besonders ärgerlich wird das, wenn das, was umweltökonomischen Ansätze verschiedener im nach Meinung dieses Autors (männlich/weiblich) Bundestag vertretener Parteien erläutern soll, jede wohl unbedingt geschrieben werden musste, mit Partei derart vorgestellt wird, drängt sich die Inter- dem gestellten Thema überhaupt nichts zu tun hat. pretation auf, dass der Autor zumindest die CSU vorher kaum kannte (und dies auch seinen Lesern Beispiel 2: „In der Vergangenheit und leider auch unterstellt), dass (im Übrigen ohne Quellenanga- noch in der heutigen Zeit wird der Blick ausschließ- be) eine Parteibroschüre der CSU kritiklos ausge- lich auf das Ziel, also auf das herzustellende Produkt, schlachtet wurde und dass zum eigentlichen Thema gerichtet.“ Dieser Autor will eine Beobachtung (für das nur 15 Textseiten zur Verfügung standen) wiedergeben (die für sich genommen auch hinterfragt kaum etwas zu sagen war (sonst hätten derartige DNH 04 | 2018
14 Titel: Zwischen Mission und Versuchung: Die Wissenschaft und die „gute Sache“ „Sosehr zum Erziehungs- auftrag der Hochschulen auch die Heranbildung des gesell- schaftlichen Führungskräfte- nachwuchses gehört, so sehr muss sichergestellt werden, Foto: alhovik/123rf.com dass das Herzblut nicht mit den Studierenden durchgeht.“ kontextuelle Nebensächlichkeiten nicht diesen Raum Zukunft der Weg geebnet.“ Ist der zweite Satz eige- eingenommen). ne wissenschaftliche Erkenntnis oder wird hier nur die Selbsteinschätzung einer Denkschule kritiklos Beispiel 4: „Die drei Prinzipien sind ein Schritt in kolportiert? Der Unterschied zwischen Indikativ und die richtige Richtung. Auch wenn es bei den Prin- Konjunktiv scheint vielen Studierenden nicht mehr zipien einige Probleme bei der Umsetzung gibt, sind bewusst – man lasse mal aus Übungsgründen („effek- sie dennoch gut umsetzbar und tragen zu einem besse- tives Zuhören“) den Seminarvortrag eines Studieren- ren Umgang mit unserer Umwelt bei.“ Prinzipien sind den von einem anderen Studierenden zusammenfas- ein Schritt in die richtige Richtung? Und wie ist es nun send wiedergeben … um die Umsetzbarkeit bestellt? Unsere Umwelt? Sollte sich ein Wissenschaftler zur Partei machen? Die Notwendigkeiten Beispiel 5: „Nachhaltigkeit ist ein extrem wichtig werdendes Thema, welches hohe Beachtung benö- Was ist aus alldem zu lernen? Was können, was tigt.“ Der Autor will seine Überzeugung unbedingt müssen die Lehrenden, aber auch die Studieren- verstärken: „wichtig“ allein reicht nicht, und „hohe den tun, damit Letztere wissenschaftlich sauberes Beachtung“ kommt noch dazu. In die gleiche Kate- Arbeiten im Sinn der oben angerissenen Grundfor- gorie fallen oft zu lesende „Steigerungsformen“ wie derungen verinnerlichen (zugunsten des eigenen „idealste, optimalste, maximalste, aktuellste …“ oder Berufsstandes sei den Erstgenannten die stets gute eben ,,strenge“ oder gar ,,strengste“ Regeln. wissenschaftliche Praxis konzediert). Beispiel 6: „Der Schutz unserer Welt und deren Zunächst zu den Lehrenden: Es reicht nicht, im Mikrokosmos (Umwelt) gilt es zu schützen. Umwelt ersten Hochschulsemester eine zweistündige Übung ist all das, was sich bewegt und was wir sehen, fühlen „Wissenschaftliches Arbeiten“ anzubieten. Es reicht und riechen. Sei es das frische Quellwasser, welches nicht, wenn bald jeder Fachbereich meint dadurch sich zu einem Bach ergießt, oder die Natur die sich zu helfen, dass er eigene Gestaltungsvorschriften für jedes Frühjahr neu findet, um im Herbst größtenteils Abschlussarbeiten, Zitationsregeln etc. veröffent- wieder zu verschwinden.“ Dass dieser Autor umwelt- licht (abgesehen davon, dass sich darin immer wieder bewegt ist, drängt sich unweigerlich auf. Aber den fragwürdige Vorgaben finden, die zudem verhin- Schutz zu schützen? Und romantische Lyrik mag ja dern, dass Studierende durch eigenen Versuch bessere für Gedichte taugen, hat aber in einer wissenschaft- Lösungen finden). Es reicht nicht zu beklagen, dass lichen Standards genügenden Seminararbeit kaum eine Hochschulzugangsberechtigung heute vielfach etwas zu suchen – ganz abgesehen davon, dass auch nicht mehr gleichbedeutend mit der Hochschulreife im Herbst Natur kaum verschwindet. ist (Letztere soll eigentlich notwendige Schlüsselqua- lifikationen attestieren). Beispiel 7: „Aus ethischer Sicht verfolgt die neue Umweltökonomie Gerechtigkeit und die ‚Verantwor- Lehrende müssen vielmehr in jeder (!) Veranstal- tung für die Mitwelt, künftiger Generationen und sich tung, egal ob Vorlesung, Seminar, Übung, Laborprak- selbst‘. Somit ist für eine stabile, ressourcenhaltige tikum o. Ä., in jeder (!) Prüfung (schriftlich, mündlich, 04 | 2018 DNH
15 praktisch, in niedrigrangigen Hausarbeiten genauso das irgendwann auch für die Inhalte gelten! Vermei- wie in hochdotierten Abschlussarbeiten) Verstöße det allen sprachlichen Ballast und Zierrat, der wissen- gegen gute wissenschaftliche Praxis korrigieren und schaftliche Eindeutigkeit und Klarheit verhindert! ggf. sanktionieren. Und das nicht ein Mal, sondern Und wenn eine Rechnung nicht aufgeht, dann geht immer und immer wieder. „Wiederholung festigt“, sie nicht auf, und es wird nicht an den Prämissen das gilt auch für formale Aspekte des wissenschaft- herumgeschraubt oder so lange gerechnet, bis das lichen Arbeitens. So traurig es ist: Selbst „einwand- Ergebnis „passt“! Trennt Tatsachen und Wertungen! freies Deutsch“ (schon eine der Minimalforderungen Macht euch eure eigene Befangenheit klar, legt eure im Tutzinger Maturitätskatalog der Westdeutschen eigenen Scheuklappen ab! Beschäftigt euch gerne Rektorenkonferenz und der Kultusministerkonfe- mit heißem Herzen, aber vorurteilsfrei, mit kühlem renz von 1958) muss so lange eingefordert werden, Kopf und klarem Verstand mit euren Themen! Geht bis Rechtschreibung, Grammatik, Satzbau, logische immer davon aus, dass Andersdenkende auch recht Konsistenz wissenschaftlichen Anforderungen genü- haben könnten! Es gibt auch in den Wissenschaf- gen (es erschreckt, wenn Studierende über Jahre ten nicht nur schwarz-weiß, nicht nur richtig oder hinweg behaupten, man sei der einzige Hochschulleh- falsch, es gibt genauso gut Grauschattierungen oder rer, der darauf achte). Wenn bspw. in ingenieurwissen- mehrere vertretbare, gleichwohl unterschiedliche schaftlichen oder betriebswirtschaftlichen Disziplinen Argumentationen. nicht ständig darauf geschaut wird, dass Maßeinheiten in Formeln korrekt mitgeschleift werden (man kann Äpfel und Birnen zu Kompott verarbeiten, aber nicht Fazit Euro und Stück zusammenziehen), werden fehlerhafte Berechnungen die Folge sein. Das Titelthema dieser DNH „Zwischen Mission und Versuchung: Die Wissenschaft und die ‚gute Sache‘“ Gleichzeitig müssen Lehrende Wert darauf legen, ist ein Dauerbrenner, zurzeit auf besonders großer dass die Studierenden etwa den Blick verstellende Flamme stehend. Es gab und gibt (und wird, so wie „ideologische Brillen“ absetzen, wenn sie wissen- der Mensch gestrickt ist, immer geben) ideologische schaftlich arbeiten. Sosehr zum Erziehungsauftrag Überzeugungstäter mit akademischen Titeln. Ange- der Hochschulen auch die Heranbildung des gesell- sichts der Erkenntnis, dass das „Ende der Geschichte“ schaftlichen Führungskräftenachwuchses gehört (stell- (Francis Fukuyama) wohl doch noch nicht gekom- vertretend § 16 HochSchG RP: Studierende sollen „zu men und der „Fortschritt eine Schnecke“ (angeblich wissenschaftlicher Arbeit und zu verantwortlichem Günter Grass) ist, werden aber Wissenschaftler mit Handeln in einem freiheitlichen, demokratischen gefestigtem Wertekostüm gebraucht. Die Geschwin- und sozialen Rechtsstaat fähig werden“), so sehr muss digkeit, mit der sich heutzutage neue Probleme sichergestellt werden, dass das Herzblut nicht mit den auftun, scheint momentan deutlich größer zu sein Studierenden durchgeht (gerade auch dann, wenn als die Geschwindigkeit, mit der erkannte Probleme diese die Wertvorstellungen des Lehrenden punktge- gelöst werden. Die deutsche, europäische wie welt- nau treffen). Ideologiegeschwängerte Versatzstücke weite Gemengelage, egal ob sozial, politisch, ökolo- gehören, wenn es denn sein muss, auf entsprechende gisch oder ökonomisch, schreit zwar im Hinblick Parteitage, aber nicht in wissenschaftlicher Metho- auf immer drängender werdende Herausforderungen dik genügenden Arbeiten. Natürlich ist begrüßens- nach Antworten. Diese Antworten werden aller Erfah- wert, wenn Studierende sich für ein Thema interes- rung nach jedoch kaum von heilsgewissen Versu- sieren, vielleicht gar für ihr Thema brennen. Dies chern, sondern eher von Wissenschaftlern, die ihr darf nur nie dazu führen, dass andere wissenschaft- Handwerk gelernt haben und jederzeit ernsthaft und lich begründete Ansichten delegitimiert werden, die lauter betreiben, kommen. eigene „gute Sache“ hingegen verabsolutiert wird. Die meisten (angehenden) Wissenschaftler werden sich in Wie hat es Max Weber 1919 in „Wissenschaft als einem Wertekostüm bewegen; es kommt aber darauf Beruf“ beschrieben? „Dem Menschen muss etwas – an, sich immer wieder im Spiegel selbstkritisch zu und zwar das Richtige – einfallen, damit er irgendet- überprüfen und zu fragen, inwieweit dieses Kostüm was Wertvolles leistet. Dieser Einfall aber lässt sich zur Uniform geworden ist, die allen Gleichgewande- nicht erzwingen. Der Einfall ersetzt nicht die Arbeit. ten von vornherein die Unbedenklichkeit beschei- Und die Arbeit ihrerseits kann den Einfall nicht erset- nigt, während anders Uniformierten ebenso selbstver- zen oder erzwingen, so wenig wie die Leidenschaft es ständlich „feindliche Absichten“ unterstellt werden. tut. Denn nichts ist für den Menschen als Menschen etwas wert, was er nicht mit Leidenschaft tun kann.“ Und der Appell an die Studierenden: Glaubt uns Professoren bloß nicht alles! Wir wandeln selbst oft Dazu sollten die Hochschulen, Lehrende wie genug auf dünnem Eis, sind in der Regel nur erfahren Lernende, beitragen. genug, euch das nicht merken zu lassen. Hinterfragt! Traut euch selbst zu denken! Tretet nicht immer nur in unsere Fußstapfen, sonst werdet ihr uns nie über- holen! Haltet euch jederzeit an gute wissenschaftliche Praxis, denn wenn die Methodik nicht stimmt, wird DNH 04 | 2018
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