Migrationsbericht Jena 2019 - Rathaus

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Migrationsbericht Jena 2019 - Rathaus
Migrationsbericht
Jena 2019
Migrationsbericht Jena 2019 - Rathaus
Impressum:

August 2019

Herausgeber:
Stadtverwaltung Jena
Dezernat 1
Büro für Migration und Integration
Saalbahnhofstraße 9
07743 Jena

In Zusammenarbeit mit:
Stadtverwaltung Jena
Dezernat 2
Team Statistik
Am Anger 28
07743 Jena

Timourou Wohn- und Stadtraumkonzepte
Karl-Liebknecht-Str. 141
04275 Leipzig

Sowie alle weiteren mitwirkenden Bereiche der Stadtverwaltung Jena und ihrer Eigenbetriebe.

Alle Rechte vorbehalten.
Vervielfältigungen, auch auszugsweise, sind nur mit Quellenangaben gestattet.

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Migrationsbericht Jena 2019 - Rathaus
Inhaltsverzeichnis

Einleitung ............................................................................................................................................... 4
1 Migration in Jena im Vergleich ..................................................................................................... 6
2 Demographie .................................................................................................................................. 9
  2.1    Entwicklung der Anzahl der Migrant_innen ............................................................................. 9
  2.2    Altersstruktur der Migrant_innen ........................................................................................... 11
  2.3    Herkunftsländer der Ausländer_innen ................................................................................... 13
  2.4    Wanderungsbewegungen der Ausländer_innen ................................................................... 15
  2.5    Ausländer_innen nach Aufenthaltszwecken .......................................................................... 17
3 Soziale und sozioökonomische Merkmale ................................................................................ 19
  3.1    Kinder, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist, in den Kindertageseinrichtungen .......... 19
  3.2    Schüler_innen, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist, an den Schulen ........................ 20
  3.3    Ausländische Studierende an Universität und Hochschule ................................................... 22
  3.4    Beschäftigungsverhältnisse und Gewerbeanmeldungen von Ausländer_innen ................... 23
  3.5    Leistungsberechtigte Ausländer_innen nach Asylbewerberleistungsgesetz ........................ 26
  3.6    Leistungsberechtigte Ausländer_innen nach SGB II ............................................................. 28
4 Planungsräume im Vergleich ...................................................................................................... 31
  4.1    Planungsraum Lobeda .......................................................................................................... 36
  4.2    Planungsraum West/Zentrum ................................................................................................ 38
  4.3    Planungsraum Nord ............................................................................................................... 40
  4.4    Planungsraum Ost ................................................................................................................. 42
  4.5    Planungsraum Winzerla ........................................................................................................ 44
  4.6    Planungsraum Ortschaften .................................................................................................... 46
5 Anzahl und Struktur von Haushalten mit Migrationshintergrund ........................................... 48
6 Empfehlungen für die Weiterentwicklung des Migrationsberichtes ....................................... 51
Anhang ................................................................................................................................................. 52

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Migrationsbericht Jena 2019 - Rathaus
Einleitung
Die Familie Winogradow übersiedelte 1991                   Neuhinzuziehenden Konflikte auftreten, die es
aus der Russischen Föderation nach Jena und                aufzugreifen und zu diskutieren gilt.
sowohl die Eltern als auch die damals minder-
jährige Tochter Lenja tragen als Aussiedler_in-            In den letzten Jahren nahm die Intensität der
nen die deutsche Staatsangehörigkeit. Lenja                internationalen Wanderungsbewegungen stetig
ist inzwischen 30 Jahre alt und hat mit Harun              zu und seit 2010 ziehen jährlich mehr Men-
eine eigene Familie gegründet. Harun kommt                 schen über die Grenze nach Deutschland als
ursprünglich aus Syrien und erhielt 2016 ge-               weg. Auch in Jena erlangt das Thema „Migra-
meinsam mit seinen zwei Brüdern als Asylbe-                tion“ wachsende Bedeutung, der Anteil der
rechtigter eine Aufenthaltserlaubnis. Ein Blick            Migrant_innen an der Gesamtbevölkerung
in die Zukunft zeigt, dass Harun nach drei Jah-            stieg im Zeitraum von 2011 bis 2018 von 8,3 %
ren zuerst eine Niederlassungserlaubnis erhal-             auf 14,0 % an (siehe Kasten Wer wird als Mig-
ten wird, zwölf Jahre später den Einbürge-                 rant_in bezeichnet?). Durch den starken Zuzug
rungstest erfolgreich bestehen und somit eben-             von Geflüchteten in den Jahren 2015 und 2016
falls die deutsche Staatsangehörigkeit anneh-              gewann die Thematik noch einmal an Ge-
men wird. Seine Brüder ziehen jedoch wieder                wicht.1 Doch was wissen wir eigentlich über die
nach Syrien zurück, sie stehen trotzdem in en-             neuen Mitbürger_innen? Warum haben sie ihr
gem Kontakt zu Harun. Lenja selbst genießt                 Herkunftsgebiet verlassen? Warum sind sie
die europäische Freizügigkeit und verlagert vo-            nach Jena gekommen und nicht in eine andere
rübergehend ihren Lebensmittelpunkt als                    deutsche Gemeinde gezogen? Kamen sie al-
Künstlerin nach Italien.                                   lein oder mit Verwandten, Freunden oder Be-
                                                           kannten? Welche Erwartungen und Hoffnun-
Dieses fiktive Beispiel verdeutlicht die Migra-            gen verbinden sie mit Jena? Wie lange möch-
tion als einen Prozess mit eigener Dynamik                 ten sie in Jena bleiben?
und Sogwirkung. Der Prozesscharakter drückt
sich dabei in der räumlichen Dimension – von               Um sich diesen und weiteren Fragen zu wid-
Syrien über Italien bis zur Russischen Födera-             men und der zunehmenden Bedeutung von
tion – aus. Gleichzeitig kann der aufenthalts-             Migration in Jena, die sich auf alle ökonomi-
rechtliche Status wechseln – beispielsweise                schen, sozialen und gesellschaftlichen Berei-
von dem eines Asylbewerbers über den eines                 che auswirkt, besser gerecht zu werden, wurde
Asylberechtigten bis zum Eingebürgerten.                   dieser Migrationsbericht erstellt. Mit dem Be-
Deutlich werden ferner unterschiedliche Migra-             richt werden drei wesentliche Ziele verfolgt:
tionsursachen und Handlungsmotive wie
Kriegszustände im Herkunftsgebiet, bessere                 • Bereitstellung einer umfassenden Daten-
berufliche Perspektiven, die Familienzusam-                  sammlung zu verschiedenen statistischen
menführung oder auch die persönliche Neugier                 Aspekten von Migration,
und Abenteuerlust.                                         • Erstellung einer Informationsgrundlage für
                                                             die kommunale Politik sowie
Hinter jeder Wanderungsbewegung steht ein                  • Zusammenstellung allgemeiner Information
Individuum, dessen soziale Beziehungen sich                  für an der Thematik interessierte Bürger_in-
mit der räumlichen Verschiebung entweder nur                 nen.
zeitlich begrenzt oder gar dauerhaft verändern.
Die Migration ist ein Teil der Gesellschaft und            Aus diesen Zielen resultieren unterschiedliche
führt dazu, dass sich diese tagtäglich neu kon-            Anforderungen an den Bericht. Der Schwer-
stituiert. Dieser gesellschaftliche Aushand-               punkt liegt auf der Darstellung empirischer
lungsprozess geschieht größtenteils unbe-                  Fakten auf Grundlage vorhandener Datenquel-
wusst und unscheinbar. So wird vor allem von               len der Statistikstelle der Stadt Jena, des Thü-
einer gelungenen Integration gesprochen,                   ringer Landesamtes für Statistik und weiteren
wenn sie unauffällig bleibt. Gleichzeitig können           Institutionen. Erforderlich ist aber auch eine
durch Interaktionsprozesse sowohl zwischen                 fundierte Interpretation und Bewertung der Da-
als auch innerhalb der Gruppen der Einheimi-               ten, die in eine Empfehlung für die Weiterent-
schen, der schon länger Ansässigen und den                 wicklung des Migrationsberichtes mündet.

1   Siehe Stadt Jena: Aktuelle Situation der Flüchtlinge auf dem Jenaer Wohnungsmarkt, 2017.

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Migrationsbericht Jena 2019 - Rathaus
Die Aussagekraft der vorhandenen Daten ist               Schritt erfolgt dafür ein innerdeutscher Ver-
jedoch begrenzt, da zu vielen Aspekten keine             gleich, um anschließend auf Teilbereiche in
oder nur geringe beziehungsweise wenig diffe-            Jena genauer eingehen zu können. Dabei wer-
renzierte Informationen vorliegen, sodass nicht          den sowohl die demographischen als auch die
alle Fragen beantwortet werden können. Auch              sozialen und sozioökonomischen Merkmale
wenn in der Statistik zwischen Deutschen ohne            der Migrant_innen thematisiert, soweit im Zeit-
Migrationshintergrund und Migrant_innen un-              verlauf möglich. Nachdem der gesamtstädti-
terschieden wird und die folgenden Darstellun-           sche Bogen aufgespannt wurde, erfolgt eine
gen auf dieser Unterteilung fußen, soll an die-          kleinräumige Analyse auf der Ebene der Pla-
ser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen               nungsräume. Am Ende münden die Ergeb-
werden, dass die Gruppe der Migrant_innen                nisse und Erkenntnisse in Empfehlungen für
als ein Teil der Jenaer Gesellschaft verstanden          die Weiterentwicklung des Migrationsberichtes.
wird.
Um die Entwicklungen und Besonderheiten der              Hinweis: Aufgrund von Rundungen bei den Prozentanga-
                                                         ben kann die Summe unter Umständen von 100 % leicht
Migration in Jena herauszuarbeiten, werden
                                                         abweichen.
zuerst Eckwerte auf gesamtstädtischer Ebene
dargestellt und interpretiert. In einem ersten

Wer wird als Migrant_in bezeichnet?

Eine allgemeingültige Definition von Mig-                Von den Migrant_innen sind derzeit fast
rant_innen beziehungsweise von Personen mit              10.100 Personen beziehungsweise 71,1 %
Migrationshintergrund existiert nicht. Aus die-          Ausländer_innen. Sie besitzen (noch) nicht die
sem Grund variieren begriffliche Abgrenzun-              deutsche Staatsangehörigkeit. Derzeit liegt in
gen je nach Themenfeld.                                  Jena der Ausländeranteil an der Gesamtbevöl-
                                                         kerung bei 10,0 %.
Ob eine Person einen Migrationshintergrund               Darüber hinaus leben rd. 4.400 Migrant_innen
hat oder nicht, wird in der Meldestatistik nicht         mit deutscher Staatsangehörigkeit in Jena. Sie
direkt aufgeführt und kann nur indirekt über ein         kamen entweder zuvor als Ausländer_in nach
Verfahren hergeleitet werden. Wie auch in an-            Jena und wurden inzwischen eingebürgert
deren Städten arbeitet die Statistikstelle in            oder sie zogen als (Spät-)Aussiedler_in zu. Ak-
Jena seit 2012 mit dem Programm MigraPro                 tuell sind Eingebürgerte und (Spät-)Aussied-
und kann Daten bis 2009 rückwirkend berech-              ler_innen gleichermaßen vertreten und neh-

                                                                                                                INFORMATION
nen.                                                     men jeweils einen Anteil von rd. 15,0 % an al-
                                                         len Migrant_innen beziehungsweise 2,0 % an
In Anlehnung an das Programm werden Perso-               allen Jenaern ein.
nen dann als Migrant_innen bezeichnet, wenn
sie ihren Lebensmittelpunkt über die Staats-             Neben dem Programm MigraPro können Da-
grenzen hinweg verlagert haben. Bei den Ein-             ten zu Migrant_innen auch über andere Quel-
wohner_innen Jenas trifft dies auf 15.272 Per-           len generiert werden. So wird beispielsweise
sonen zu, was einem Anteil an allen Einwoh-              der Migrationshintergrund beim Mikrozensus,
ner_innen von 14,0 % entspricht (Stand 2018).            welcher auf einer Haushaltsstichprobe basiert,
Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass mit                 ebenfalls aus Angaben zur Zuwanderung,
86,0 % der Großteil der Jenaer keinen Migrati-           Staatsangehörigkeit und Einbürgerung abgelei-
onshintergrund aufweist.                                 tet. Die Definition und die Ergebnisse unter-
                                                         scheiden sich zwischen MigraPro und Mikro-
                                                         zensus nur geringfügig.
                                                         Im Gegensatz dazu unterliegt die Schul- sowie
                                                         Kinder- und Jugendhilfestatistik einer anderen
                                                         Herangehensweise: Von einem Migrationshin-
                                                         tergrund wird dann gesprochen, wenn in der
                                                         Familie oder im häuslichen Umfeld des Kindes
                                                         beziehungsweise Jugendlichen nicht vorrangig
                                                         „Deutsch“ gesprochen wird. Die Ergebnisse
                                                         sind somit nicht mit den MigraPro-Daten ver-
                                                         gleichbar.

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Migrationsbericht Jena 2019 - Rathaus
1       Migration in Jena im Vergleich

    Das Thema Migration gewinnt in Deutschland                Deutschland auf die Zuwanderung zurückzu-
    zunehmend an Bedeutung. Zogen von 1995                    führen – die Zahl der Deutschen ohne Migrati-
    bis 2010 pro Jahr durchschnittlich                        onshintergrund nahm in diesem Zeitraum um
    635.000 Ausländer_innen nach Deutschland                  rd. 3,1 Millionen Personen ab und die Zahl der
    zu, während 540.000 Ausländer_innen das                   Deutschen mit Migrationshintergrund nahm um
    Land verließen, stieg in den Folgejahren das              4,5 Millionen Personen zu. Entsprechend stieg
    Niveau spürbar an (siehe Abb. 1). Folglich ist           der Anteil an Migrant_innen von 18 % auf
    laut Mikrozensus von 2010 bis 2017 der zwei-              24 %. Im Vergleich dazu lag der Anteil in Thü-
    prozentige Anstieg der Bevölkerungszahl in                ringen 2017 bei nur 6 %.2

    ABB. 1 ZU- UND WEGZÜGE VON AUSLÄNDER_INNEN ÜBER DIE GRENZEN DEUTSCHLANDS

                  absolut

    2.250.000
    2.000.000
    1.750.000
    1.500.000
                                                                                             Zuzüge
    1.250.000
    1.000.000
                                                                                             Wegzüge
        750.000
        500.000
        250.000
              0

‚
    Datengrundlage: Statistische Ämter des Bundes und der Länder
    Darstellung und Berechnungen: Timourou

    Im Laufe der Zeit veränderten sich auch die               sowie auf die zunehmende Fluchtmigration zu-
    Herkunftsregionen und die Handlungsmotive                 rückzuführen ist. Trotzdem bestehen die
    der Migrant_innen. So kamen immer mehr Per-               stärksten Verflechtungen weiterhin mit europäi-
    sonen aus Asien, was im Wesentlichen auf                  schen Ländern.
    eine stärker international ausgerichtete Ver-
    flechtung von Wirtschafts- und Lebensräumen

    In ostdeutschen Gemeinden leben weniger Migrant_innen als in westdeutschen Gemeinden

    Die Anzahl der Migrant_innen in Deutschland               Die alten Bundesländer weisen eine längere
    ist in den letzten Jahren angestiegen. In Ab-             und intensivere Zuwanderungsgeschichte auf.
    hängigkeit von der zeitlichen und räumlichen              Dort lebende Migrant_innen sind häufig schon
                                                                                                                FAZIT

    Entwicklung entstanden dabei unterschiedliche             länger und teilweise über mehrere Generatio-
    Schwerpunkträume. Insgesamt nehmen Mig-                   nen in Deutschland, sodass der Anteil an Ein-
    rant_innen in westdeutschen Gemeinden einen               gebürgerten höher liegt. Demzufolge liegt der
    höheren Anteil an der Einwohnerzahl ein als               Anteil an neu hinzugezogenen Ausländer_in-
    beispielsweise in Jena, Leipzig, Erfurt oder              nen in den ostdeutschen Gemeinden auf ei-
    Potsdam.                                                  nem höheren Niveau – sie können aus der
                                                              Migrationsgeschichte im früheren Bundesge-
                                                              biet lernen.

    2    Weitere Informationen siehe Ergebnisse des Mikrozensus 2010 und 2017.

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Migrationsbericht Jena 2019 - Rathaus
Die Regionen in Deutschland sind in unter-                      Letztlich leben im Durchschnitt in den alten
schiedlichem Maß von der Migration geprägt.                     Ländern mehr Migrant_innen als in den neuen
Aufgrund verschiedener Rahmenbedingungen                        Ländern. Doch wie hoch liegen die jeweiligen
– von Politik über Wirtschaft bis hin zu gesell-                Anteile in Jena im Vergleich? Weil für entspre-
schaftlichen Faktoren – entstanden und entwi-                   chende Veröffentlichungen von Kommunen zu-
ckeln sich unterschiedliche räumliche Schwer-                   nächst Auswertungen mit MigraPro notwendig
punkte. So weist das frühere Bundesgebiet                       sind, ist ein Vergleich auf der Gemeindeebene
eine längere und intensivere Migrationsge-                      nur für eine begrenzte Auswahl an Städten
schichte auf als die ostdeutschen Bundeslän-                    möglich. Verglichen wird mit den ostdeutschen
der, was Auswirkungen auch auf die aktuellen                    Städten Leipzig, Potsdam und Erfurt sowie mit
Migrationsbewegungen hat. Beispielsweise                        westdeutschen Universitätsstädten ähnlicher
schloss die Bundesrepublik Anfang der 1950er                    Größe wie Erlangen, Göttingen oder Münster.
Jahre mit Mittelmeeranrainerstaaten soge-
nannte Anwerbevereinbarungen ab, um neue                        Im Vergleich mit den westdeutschen Städten
Arbeitskräfte für das hohe Wirtschaftswachs-                    weisen Jena und die anderen drei ostdeut-
tum gewinnen zu können. In diesem Kontext                       schen Städte sowohl die geringsten Anteile an
kamen insgesamt bis zu 4 Millionen Auslän-                      Migrant_innen als auch an Ausländer_innen
der_innen in die Bundesrepublik zum Arbeiten,                   auf (siehe Abb. 2). Aufgrund der Zuwande-
darunter Italiener_innen, Spanier_innen,                        rungsgeschichte liegen die Anteile in den west-
Türk_innen, Marokkaner_innen. 1973 wurde                        deutschen Städten deutlich höher. Über ein
ein Anwerbestopp als Folge der Ölkrise ver-                     Drittel der Einwohner_innen sind in Darmstadt,
hängt, in den 1970er und 1980er Jahre erfolgte                  Erlangen und Mainz Migrant_innen.
ein Familiennachzug dieser sogenannten
„Gastarbeiter“. Als Arbeitskräfte kamen auch in                 In Westdeutschland leben die Migrant_innen
die neuen Bundesländer sogenannte „Ver-                         im Durchschnitt schon länger, unter ihnen sind
tragsarbeiter“ beispielsweise aus Ungarn,                       Eingebürgerte häufiger als in den neuen Län-
Mosambique, Kuba oder Vietnam. Im Gegen-                        dern. Aus diesem Grund liegt die Spanne zwi-
satz zu den alten Ländern wurde der Aufent-                     schen dem Anteil an Migrant_innen und Aus-
halt jedoch von vornherein zeitlich begrenzt,                   länder_innen bei den westdeutschen Gemein-
der Familiennachzug unterbunden und die Un-                     den höher als bei den ostdeutschen.
terbringung erfolgte in der Regel in seperaten
Wohnheimen.

ABB. 2 ANTEIL DER MIGRANT_INNEN UND AUSLÄNDER_INNEN AN DER GESAMTBEVÖLKE-
       RUNG MIT HAUPTWOHNSITZ 2017**

        Erfurt        11,3%               Migrant_innen            Erfurt        7,7%          Ausländer_innen
     Potsdam          12,9%                                    Potsdam           8,3%
         Jena         13,2%                                        Jena           9,3%
      Leipzig         14,1%                                      Leipzig          9,5%
                                                               Münster*           10,5%
     Münster*             23,2%
                                                              Göttingen              13,9%
    Göttingen             23,9%
                                                            Regensburg*               15,6%
 Regensburg*                  31,2%
                                                                Aachen                  18,2%
        Mainz                  33,8%                           Erlangen                 18,4%
     Erlangen                  35,3%                              Mainz                 18,5%
   Darmstadt                      40,0%                       Darmstadt                  20,2%
                 0%      10%     20%       30%      40%                     0%     5%    10% 15%        20%   25%
                               Anteil in %                                                Anteil in %
‚
 * Wohnberechtigte Bevölkerung (Haupt- und Nebenwohnsitz)
 ** Daten von 2018 lagen bei Redaktionsschluss nicht vor
 Datengrundlage: kommunale Statistiken der aufgeführten Gemeinden
 Darstellung und Berechnungen: Timourou

                                                          -7-
Migrationsbericht Jena 2019 - Rathaus
Im zeitlichen Verlauf stiegen Anzahlen und An-            Inzwischen werden in Deutschland wieder we-
    teile an Migrant_innen und Ausländer_innen in             niger Anträge gestellt. Die räumliche Verteilung
    allen Vergleichsstädten an; mit der Fluchtmig-            der Geflüchteten innerhalb Deutschlands er-
    ration 2015/2016 verstärkte sich diese Dyna-              folgt über den „Königsteiner Schlüssel“ propor-
    mik noch. Die Asylantragszahlen in Deutsch-               tional auf die Bundesländer. Indem allerdings
    land bilden diese Entwicklung ebenfalls ab –              in den ostdeutschen Gemeinden weniger Aus-
    seit ungefähr 2010 stieg die Anzahl der Erstan-           länder_innen leben, fällt dort rechnerisch der
    träge wieder an und erreichte 2015 mit fast               prozentuale Anstieg stärker aus als in den
    450.000 Anträgen und 2016 mit                             westdeutschen Gebieten.
    rd. 720.000 Anträgen den Höchststand.

    ABB. 3 ENTWICKLUNG DER ASYLANTRAGSZAHLEN BIS 1994 ERST- UND FOLGEANTRÄGE
           UND AB 1995 NUR ERSTANTRÄGE IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND

              absolut
    800.000

    700.000

    600.000

    500.000

    400.000

    300.000

    200.000

    100.000

          0

‚
    * 2019 Januar bis Juni
    Datengrundlage: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
    Darstellung und Berechnungen: Timourou

                                                        -8-
Migrationsbericht Jena 2019 - Rathaus
2     Demographie

In Jena nahm in den letzten Jahren die Anzahl           woher sie kommen, wohin sie gehen und aus
der Migrant_innen deutlich zu. Wie sich die             welchen Gründen sie in Jena wohnen, ist Ge-
einzelnen Gruppen der Migrant_innen entwi-              genstand dieses Kapitels.
ckelt haben, wie alt die Migrant_innen sind,

2.1 Entwicklung der Anzahl der Migrant_innen

Die Zusammensetzung der Jenaer Bevölke-                 Ein Spezifikum dieser Zunahme ist, dass auch
rung ist in Bewegung und aufgrund internatio-           die Zuwanderungsdynamik selbst angestiegen
naler Wanderungsbewegungen steigt sowohl                ist. Während sich von 2009 bis 2012 die An-
die absolute Anzahl der Migrant_innen als               zahl der Migrant_innen um rd. 1.100 Personen
auch der prozentuale Anteil an der Bevölke-             erhöhte, war das Plus zwischen 2013 und
rung. Lebten 2009 knapp 8.000 Migrant_innen             2016 mit 3.400 Personen fast dreimal so groß.
in Jena, so sind es inzwischen fast 15.300 Per-         Im Wesentlichen ist der Niveauunterschied bei-
sonen – das sind 7.200 Menschen mehr                    der Phasen auf den stärkeren Zuzug von Ge-
(siehe Abb. 4). Da die Anzahl der Deutschen            flüchteten – vor allem in den Jahren 2015 und
ohne Migrationshintergrund im gleichen Zeit-            2016 – zurückzuführen.
raum um rd. 1.200 Personen gesunken ist,
stieg der Anteil der Migrant_innen an der Ge-
samtbevölkerung von 7,8 % auf 14,0 % an.

Vielfältig, jung und dynamisch

Inzwischen weisen 14,0 % der Jenaer einen               Fluchtmigration kommen mehr junge Personen
Migrationshintergrund auf und der Großteil der          nach Jena. Die Vielfalt an Bevölkerungs-
Migrant_innen sind Ausländer_innen. Jena                gruppen beeinflusst derzeit verschiedene
wird dabei aus unterschiedlichsten Gründen              Bereiche wie den Arbeits- und Wohnungsmarkt
                                                                                                            FAZIT

zum neuen Lebensmittelpunkt gewählt. Von                sowie die Bildungsinfrastruktur.
den Europäer_innen kommen aufgrund der                  Noch sind unter den Ausländer_innen viele
Freizügigkeit höchstwahrscheinlich mehr                 neu Hinzugezogene. Einige von ihnen werden
Personen zum Arbeiten in die Stadt, während             in Jena für eine längere Zeit oder dauerhaft
unter den Asiat_innen der Anteil an                     bleiben. Im Ergebnis wird längerfristig mit einer
Studierenden, Forschenden und seit 2015                 Zunahme an Eingebürgerten gerechnet, bisher
auch der Geflüchteten höher liegen wird.                liegt ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung bei
Aufgrund der Internationalisierungskampagnen            2,0 %.
von Universität und Hochschule sowie der

                                                  -9-
Migrationsbericht Jena 2019 - Rathaus
ABB. 4 ENTWICKLUNG DER ANZAHLEN VON DEUTSCHEN OHNE MIGRATIONSHINTER-
           GRUND UND MIGRANT_INNEN

                                 Deutsche ohne MH*                        Migrant_innen
                                 Anteil Deutsche ohne MH*                 Anteil Migrant_innen
              absolut                                                                                  Anteil in %
               92,2%    91,9%    91,7%    91,2%    90,6%      89,8%                                                  100%
                                                                           88,7%     87,6%    86,8%       86,0%
    100.000

     80.000                                                                                                          75%

     60.000
                                 95.417

                                          95.337

                                                   95.342
                        95.312

                                                                                                                     50%
               94.938

                                                                            94.943
                                                               94.902

                                                                                     94.619

                                                                                              94.348

                                                                                                           93.728
     40.000
                                                                                                                     25%
                                                                           11,3%     12,4%    13,2%       14,0%
     20.000    7,8%     8,1%     8,3%     8,8%     9,4%       10,2%

                8.068    8.402    8.673    9.214   9.940      10.806 12.105 13.364            14.374 15.272
          0                                                                                                          0%

‚
    * Migrationshintergrund
    Datengrundlage: Stadt Jena
    Darstellung und Berechnungen: Timourou

    Entsprechend deutlich fiel der Zuwachs an                           Indem seit einigen Jahren zunehmend mehr
    Ausländer_innen aus (siehe Abb. 5). Erkenn-                        Ausländer_innen in Jena leben, nimmt folglich
    bar ist eine Verdoppelung gegenüber 2009 und                        auch die Möglichkeit der Einbürgerung und
    ein erhöhter Anstieg seit 2014/2015, wobei                          letztlich die Anzahl der Eingebürgerten zu.
    sich die Dynamik 2017/2018 wieder etwas ab-                         Entsprechend steigt ihre Zahl in Jena relativ
    milderte. Aus welchen Gründen die Personen                          kontinuierlich um rd. 5 % pro Jahr. Mit diesem
    im Einzelnen nach Jena gekommen sind, ist                           Anstieg nimmt gleichzeitig der Anteil der einge-
    nicht bekannt. Die Herkunftsländer der Auslän-                      bürgerten Personen mit einer Wohndauer von
    der_innen bieten jedoch einen Anhaltspunkt:                         weniger als 8 Jahren in den letzten Jahren ten-
    Demnach ist der Anstieg im Wesentlichen auf                         denziell zu: Während von den 2016 eingebür-
    die Personengruppe aus Asien und somit auf                          gerten Personen ungefähr ein Viertel seit weni-
    die Kontexte Flucht sowie Studium/Forschung                         ger als 8 Jahren in der Bundesrepublik ansäs-
    zurückzuführen (siehe Kapitel 2.3).                                sig waren, traf dies 2018 bereits auf ein Drittel
                                                                        der eingebürgerten Personen zu.
    In den letzten Jahren war der Zuzug von
    (Spät-)Aussiedler_innen nach Deutschland                            Aufgrund des überproportionalen Anstiegs der
    marginal und die Anzahl der hier lebenden                           Ausländer_innen in jüngster Zeit kann in den
    (Spät-)Aussiedler_innen blieb somit relativ                         nächsten Jahrzehnten auch von einem stärke-
    konstant. Innerhalb von Deutschland führt die                       ren Anstieg an Einbürgerungen ausgegangen
    Binnenwanderung dieser Bevölkerungsgruppe                           werden.
    allerdings zu Veränderungen. Im Ergebnis
    nahm in Jena seit 2009 die Anzahl ab, wäh-
    rend beispielsweise in Erfurt ein Anstieg fest-
    gestellt werden konnte.

                                                            - 10 -
ABB. 5 VERTEILUNG UND ENTWICKLUNG DER VERSCHIEDENEN GRUPPEN VON MIG-
       RANT_INNEN

            absolut                                                                   15.272
16.000                                                                                           Migrant_innen
                                                                           14.374
                                                                  13.364
14.000
                                                         12.105
12.000                                          10.806
                                        9.940

                                                                                        10.866
                                9.214

                                                                             10.060
10.000                  8.673
            8.068 8.402                                           9.195
    8.000                                                8.008
                                                6.415                                            Ausländer_innen
                                    5.766
                        4.653 5.119
    6.000   4.293 4.465
                                                                                                 (Spät-)
    4.000                                                                                        Aussiedler_innen
                                          2.607 2.198 2.180 2.181 2.180
            2.421 2.514 2.504 2.490 2.483
    2.000                                                                                        Eingebürgerte
                                                                  2.226
            1.354 1.423 1.516 1.605 1.691 1.784 1.899 1.989 2.133
       0
                                                                                                 Migrant_innen
‚
 Datengrundlage: Stadt Jena
 Darstellung und Berechnungen: Timourou

2.2 Altersstruktur der Migrant_innen

Migrant_innen sind im Durchschnitt jünger als                     höhere Aufenthaltsdauer auf, was sich auch in
Deutsche ohne Migrationshintergrund und be-                       der Altersstruktur niederschlägt.
wirken somit eine Verjüngung der Jenaer Be-
völkerung. Dieser Effekt verstärkt sich, wenn                     Im Vergleich zu den Eingebürgerten und Aus-
der Anteil der Migrant_innen an der Bevölke-                      länder_innen liegen die Anteile an der Gruppe
rung zunimmt. Überdurchschnittlich stark sind                     „45 Jahre und älter“ bei den (Spät-)Aussied-
alle Altersgruppen unter 45 Jahre vertreten,                      ler_innen am höchsten. Markant ist insbeson-
insbesondere die der jungen Erwachsenen (18-                      dere die Gruppe der Senior_innen.
bis unter 27-Jährige; siehe Abb. 6).
                                                                  Eine Besonderheit der Eingebürgerten ist hin-
Bei den Ausländer_innen werden hinter die-                        gegen der ausgesprochen hohe Anteil an Min-
ser Altersgruppe im hohen Maße Studierende                        derjährigen, darunter vor allem 6- bis unter 18-
und Geflüchtete stehen sowie Personen im                          Jährige. Schätzungsweise wird ungefähr ein
Kontext der Arbeitsmigration.                                     Viertel der Minderjährigen keine eigene Migra-
                                                                  tionserfahrung haben, jedoch wird mindestens
Im Vergleich zu den Ausländer_innen weisen                        ein Elternteil eine solche aufweisen.3 Insge-
aufgrund der Migrationsgeschichte und der                         samt finden sich unter den Eingebürgerten
Einbürgerungspolitik die (Spät-)Aussiedler_in-                    demnach häufiger Familien mit Kind(ern).
nen und Eingebürgerten im Durchschnitt eine

3    Diese Einschätzung fußt auf den Ergebnissen des Mikrozensus 2016 für Deutschland.

                                                         - 11 -
ABB. 6 ALTERSSTRUKTUR 2018 IM VERGLEICH

        Anteil in %                         Altersgruppe                          Migrant_innen
 100%                                                                                                    3%
                                 5%                                     7%
                                            65 und mehr                                14%              11%
  90%                           13%
                  24%                                                   12%
  80%                                       45 bis unter 65
                                                                                       21%
  70%                                                                   19%
                                34%                                                                     39%
                  24%                       27 bis unter 45
  60%
                                                                        19%            25%
  50%                                       18 bis unter 27
  40%             25%
                                27%         6 bis unter 18                             11%
  30%                                                                   25%                             31%

  20%             11%                                                                  16%
                                            3 bis unter 6
                                13%                                     9%
  10%         9%                                                                        6%               9%
               3%                4%                                     9%                               3%
                                 5%         unter 3                                     7%               4%
   0%         3%
         Deutsche ohne      Migrant_innen                           darunter          darunter         darunter
          Migrations-                                            Eingebürgerte      (Spät-)Aus-          Aus-
          hintergrund                                                              siedler_innen     länder_innen

Datengrundlage: Stadt Jena
Darstellung und Berechnungen: Timourou

Abbildung 7 zeigt die im Zeitverlauf zuneh-                    schrumpfte als einzige Altersgruppe von 2009
mende Dominanz der Altersgruppen zwischen                      bis 2018. Trotz dieser Dynamiken konnte der
18 und unter 45 Jahren. Eine Besonderheit                      Alterungsprozess in Jena insgesamt nicht aus-
stellt die Gruppe der Senior_innen dar, diese                  geglichen werden.

ABB. 7 ENTWICKLUNG DER ALTERSSTRUKTUR DER MIGRANT_INNEN

        absolut                                         2009             2014           2018
6.000

5.000

4.000

3.000

2.000

1.000

    0
          unter 3       3 bis      6 bis      18 bis           27 bis         45 bis       65
                        unter      unter       unter           unter          unter     und mehr
                          6         18          27              45             65
                                              Jahre
‚
 Datengrundlage: Stadt Jena
 Darstellung und Berechnungen: Timourou                                           Link zur Tabelle

                                                      - 12 -
Die dargestellte Altersstruktur wirkt sich vielfäl-            einflusst. Die Auswirkungen auf dem Woh-
    tig aus: So werden die Integrationsprozesse in                 nungsmarkt zeigen sich in einer erhöhten
    den Kindertagesstätten, das Bildungswesen                      Nachfrage nach preiswertem Wohnraum
    mit den Schulen, Hochschulen und For-                          oder/und größerem Wohnraum für Familien. Im
    schungseinrichtungen sowie der Arbeitsmarkt                    Gegensatz dazu spielen jedoch die Themen
    sowohl bezüglich der Ausbildungs- und Weiter-                  Altersvorsorge und Wohnen im Alter noch eine
    bildungsplätze als auch der Arbeitslosigkeit be-               untergeordnete Bedeutung.

    2.3 Herkunftsländer der Ausländer_innen

    Hinsichtlich der Herkunftsländer liegen derzeit                2010 zeigt im Detail leichte Veränderungen
    auf kommunaler Ebene nur Daten für die                         auf, wobei fast alle Länder als Herkunftsge-
    Gruppe der Ausländer_innen vor. Aufgrund                       biete an Bedeutung gewonnen haben. Absolut
    historischer Ereignisse kommen (Spät-)Aus-                     betrachtet stieg die Anzahl der Eingebürgerten
    siedler_innen jedoch meist aus Polen, Rumä-                    aus der Türkei am stärksten, gefolgt von Men-
    nien, Kasachstan oder der Russischen Födera-                   schen aus dem Kosovo, der Ukraine, Polen so-
    tion. Bei den Eingebürgerten entsteht ein he-                  wie Bosnien und Herzegowina (siehe Anhang
    terogenes Bild: Den Ergebnissen des Mikro-                     Abb. 3).
    zensus von 2017 zufolge kommen von allen in
    Deutschland lebenden Eingebürgerten zwei                       Die Vielfalt an Herkunftsländern ist bei den
    Drittel ursprünglich aus einem europäischen                    Ausländer_innen im Vergleich am höchsten,
    Land, schwerpunktmäßig aus der Türkei, aus                     wobei auch hier der Schwerpunkt auf den eu-
    Polen oder der Russischen Föderation. Fast                     ropäischen und asiatischen Ländern liegt
    ein Viertel stammt ursprünglich aus Asien, bei-                (siehe Abb. 8).
    spielsweise aus Kasachstan, dem Iran oder Af-
    ghanistan. Ein Blick auf die Ergebnisse von

    ABB. 8 AUSLÄNDER_INNEN NACH HERKUNFTSGEBIETEN IM ZEITVERLAUF

            absolut
    6.000                                                                                 Asien

    5.000                                                                                 Europa

    4.000                                                                                 Afrika

    3.000                                                                                 Amerika

                                                                                          ungeklärt
    2.000

                                                                                          Australien
    1.000                                                                                 und
                                                                                          Neuseeland
                                                                                          staatenlos
        0

‚
    Datengrundlage: Stadt Jena
    Darstellung und Berechnungen: Timourou

    Inzwischen kommen die Ausländer_innen zur                      0,3 % aus Australien und Neuseeland. Im
    Hälfte aus Asien, rd. 40 % aus Europa und je-                  Laufe der Zeit zeigt sich ein stetiger Anstieg
    weils rd. 5 % aus Afrika und Amerika sowie nur

                                                          - 13 -
der Personen aus europäischen und asiati-                  nen und am Stichtag 31.12.2018 rd. 1.800 Per-
schen Ländern und von 2014 bis 2015 kam der                sonen. Demnach kommen derzeit rd. 16 % der
sprunghafte Anstieg mit der Flüchtlingswande-              Ausländer_innen aus Syrien (siehe Abb. 9).
rung hinzu.
                                                           Zwar kommen auch Personen aus Syrien oder
Obwohl die einzelnen Beweggründe für ein Le-               Afghanistan zum Studieren und Forschen nach
ben in Jena statistisch nicht erfasst werden,              Jena, doch der Kontext der Bildungsmigra-
lassen sich über die Herkunftsländer Vermu-                tion wird vorrangig mit Personen aus China
tungen und Annahmen ableiten. Der erste und                und Indien sowie aus den europäischen Län-
augenfälligste Kontext wurde mit der Flucht-               dern verbunden (siehe Kapitel 3.3). Auch hier
migration bereits benannt. Im Besonderen                   zeichnet sich ein kontinuierlicher Anstieg ab,
spiegelt sich dies in der Anzahl der Auslän-               wonach Jena als Wissenschafts- und For-
der_innen aus Syrien: Kamen Ende 2013 noch                 schungsstandort international an Bedeutung
rd. 100 Personen ursprünglich aus Syrien, so               gewinnt. Anhand der Karte ist erkennbar, dass
waren es Ende 2015 bereits knapp 890 Perso-                zum Beispiel 8 % der Ausländer_innen aus
                                                           China und 5 % aus Indien kommen.

ABB. 9 ANZAHL UND ANTEIL DER AUSLÄNDER_INNEN NACH HERKUNFTSGEBIETEN AM
       31.12.2018

Datengrundlage: Stadt Jena
Darstellung und Berechnungen: Timourou

Die Arbeitsmigration kann ebenfalls auf Per-               soziale Bindungen. Diesbezüglich bieten die
sonen aus unterschiedlichen Ländern zutref-                Herkunftsländer jedoch keinerlei Anhalts-
fen. Aufgrund der Arbeitnehmerfreizügigkeit in-            punkte. Inwelchem Maße solche Motive zur
nerhalb der EU wird die wirtschaftliche Ver-               Migration führten, kann nicht abgeschätzt wer-
flechtung untereinander erleichtert und die Ar-            den.
beitsmigration befördert. Auf der Ebene der
EU-Mitgliedstaaten kommen mit einem Anteil                 Insgesamt wird der Migration nicht selten ein
von 3 % die meisten Ausländer_innen aus Ita-               Mix an Handlungsmotiven zugrunde liegen.
lien, gefolgt von Polen, Spanien und Bulgarien             Vor allem aber steht hinter jeder Migration im-
mit jeweils 2 %.                                           mer ein individueller Abwägungs- und Ent-
                                                           scheidungsprozess, der nur bedingt kategori-
Weiterhin spielen individuelle Gründe bei der              siert und in Zahlen ausgedrückt werden kann.
Migrationsentscheidung eine wichtige Rolle, in
Frage kommen etwa Neugier, Interesse oder

                                                  - 14 -
2.4 Wanderungsbewegungen der Ausländer_innen

    Im Jahr 2018 kamen insgesamt 7.185 Perso-                    tergliederung der Ausländer_innen nach Her-
    nen nach Jena, 6.968 Personen zogen weg;                     kunftsländern. Die meisten Zuzüge und Ge-
    der Saldo lag demnach bei einem Plus von                     winne konnten gegenüber asiatischen Ländern
    rd. 200 Menschen. 40 % der Zugezogenen wa-                   verzeichnet werden. Dabei handelt es sich vor-
    ren Ausländer_innen, unter den Weggezoge-                    rangig um Bildungsmigration, was der Anstieg
    nen waren es jedoch nur 29 %, sodass sich die                der Zahl Studierender aus diesen Ländern ver-
    Anzahl der Ausländer_innen erhöhte und die                   deutlicht. Lag sie zum Wintersemster 2015/16
    der Deutschen ohne Migrationshintergrund                     noch bei 1.536, so betrug sie 2018/19 schon
    verringerte. Zudem sind Ausländer_innen im                   2.110. Zu einem geringeren Teil ist auch der
    Durchschnitt deutlich mobiler als Deutsche. So               Familieinnachzug Geflüchteter ein Grund für
    betrug die Zuzugsquote4 bei den Ausländer_in-                die Zuzüge.
    nen 26 % und bei den Deutschen nur 4 %. Ein
    weiterer Unterschied kommt bei der räumli-                   An zweiter Stelle folgen die europäischen Län-
    chen Dimension zum Tragen: Ausländer_innen                   der, darunter vor allem EU-Mitgliedsstaaten.
    ziehen erwartungsgemäß häufiger über die                     Wanderungsverluste treten hingegen in erster
    Bundesgrenze nach Jena, während bei den                      Linie gegenüber Europa auf und weniger ge-
    Deutschen die innerdeutschen Wanderungsbe-                   genüber Asien. Dies liegt in der stärkeren wirt-
    wegungen stärker ausgeprägt sind.                            schaftlichen Verflechtung zwischen Jena und
                                                                 den europäischen Ländern, die zu einem stär-
    Im Hinblick auf die Außenwanderung – damit                   keren Austausch führt. Im Gegensatz dazu
    ist hier die Wanderung über die Grenzen des                  handelt es sich bisher bei der Fluchtmigration
    Bundesgebietes gemeint – konnte ein positiver                um eine einseitige Wanderungsbewegung. In-
    Wanderungssaldo von 1.000 Ausländer_innen                    wieweit in Zukunft eine Rückwanderung in
    ausgewiesen werden (siehe Abb. 10). Bei den                 nennenswertem Maß einsetzen wird, hängt vor
    Wanderungsbewegungen entsteht ein analo-                     allem von der Integration der Geflüchteten in
    ges Bild zu der in Kapitel 2.3 dargestellten Un-             Jena und der Situation in den Herkunftsgebie-
                                                                 ten ab.

    ABB. 10 AUSSENWANDERUNG DER AUSLÄNDER_INNEN 2018

‚
                 absolut                  Zuzüge              Wegzüge                Saldo
        2.500

        2.000

        1.500
                                                                                                         1.000
        1.000
                                           508
          500                   88                     229           93                                  1.953
                        83                                                                          1
                             188           864                    225           10             8
                  104                                 554
            0
                     -21       -100        -356        -325                    -12             -7
                                                                     -132            -2
         -500                                                                                             -953

        -1.000

        -1.500
             Afrika    Amerika      Asien              EU          nicht-EU   Ozeanien       unbekannt   gesamt
Datengrundlage: Stadt Jena
Darstellung und Berechnungen: Timourou

    4     Die Zuzugsquote berechnet sich aus dem Anteil der zugezogenen Personen einer Bevölkerungsgruppe an
          allen Personen dieser Gruppe.

                                                        - 15 -
Fügt man die Ergebnisse der Außenwande-                           Geflüchteter aus der Erstaufnahmeeinrichtung.
rung mit denen der innerdeutschen Wande-                          Zum anderen stellt sich die Frage, inwieweit
rung zusammen, so ergibt sich ein komplexes                       der in den Vorjahren beobachtbare Zuzug vor
Migrationsmuster, in dem verschiedene Wan-                        allem anerkannter Asylbewerber aus den länd-
derungsbewegungen zusamenhängen (siehe                           lichen Gemeinden nach Jena noch anhält. Of-
Abb. 10 und 11):                                                  fensichtlich ist jedoch, dass ein Teil der Zuge-
                                                                  zogenen wieder weiterziehen, und zwar vor al-
• Gegenüber dem Ausland erzielt Jena einen                        lem nach Westdeutschland. Im Ergebnis resul-
  deutlichen und leicht steigenen Wande-                          tiert daraus erstmals seit 2018 ein negativer
  rungsgewinn.                                                    Saldo der innerdeutschen Wanderung von
• Gegenüber Thüringen wurde 2018 zwar                             178 Personen.
  noch ein Gewiin von + 119 Ausländer_in-
  nen erzielt, dieser Saldo hat aber gegen-                       In den westdeutschen Metropolen sind vermut-
  über den Vorjahren deutlich abgenommen.                         lich die Einstiegsmöglichkeiten in den Arbeits-
• Gegenüber Westdeutschland sind seit Jah-                        markt sowie die sozio-kulturellen Gemein-
  ren deutliche Wanderungsverluste zu ver-                        schaften stärker ausgeprägt als in Jena. Es ist
  zeichnen.                                                       davon auszugehen, dass dieser Prozess wei-
                                                                  ter anhält, je weniger das Wohnortzuweisungs-
Der Rückgang aus Thüringen begründet sich                         gesetz eine beschränkende Wirkung entfaltet. 5
zum einen aus den geringeren Zuweisungen

ABB. 11 INNERDEUTSCHE WANDERUNG DER AUSLÄNDER_INNEN 2018

            absolut                     Zuzüge          Wegzüge            Saldo
    2.500

    2.000

    1.500

    1.000

     500                                                            119                          891
                  342             57         126 5                361                    5
       0
              -552          -67                  -121               -242           -87
                                  -10
                 -210                                                                    -82     -178
     -500
                                                                                                -1.069
-1.000

-1.500
                 West-        Berlin            Ost-              Thüringen        unbekannt    gesamt
              deutschland                   deutschland
‚                                          ohne Thüringen
 Datengrundlage: Stadt Jena
 Darstellung und Berechnungen: Timourou

5     Gemäß des Wohnortzuweisungsgesetzes können die Geflüchteten drei Jahre lang nach der Anerkennung
      ihren Wohnsitz nicht außerhalb von Thüringen wählen, außer zur Aufnahme einer Arbeit.

                                                         - 16 -
2.5 Ausländer_innen nach Aufenthaltszwecken

    Reist eine ausländische Person nach Deutsch-
    land beziehungsweise Jena und möchte sich                         Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
    dort länger aufhalten, so muss ein Antrag ge-                     (BAMF) prüft die Anträge der Asylbewerber_in-
    stellt werden, um einen Aufenthaltstitel erhal-                   nen. Die Anzahl der Jenaer Asylbewerber_in-
    ten zu können.6 Von dieser Regelung ausge-                        nen im Verfahren stieg von 36 Personen im
    nommen sind Bürger_innen aus einem EU-Mit-                        Jahr 2012 auf 510 Personen im Jahr 2016
    gliedstaat oder einem anderen Mitgliedstaat                       deutlich an und sank 2018 auf 317 Personen
    des Europäischen Wirtschaftsraums sowie                           (siehe Abb. 12 und Anhang Abb. 4). Nach der
    Diplomaten – für sie gilt die Freizügigkeit.                      Bearbeitung erhalten Asylbewerber_innen ent-
                                                                      weder einen positiven oder negativen Be-
    Jeweils im Dezember eines Jahres waren in                         scheid. Den Ergebnissen nach stieg im Jahr
    den letzten neun Jahren in Jena durchschnitt-                     2018 auch die Anzahl abgelehnter Asylbewer-
    lich knapp 650 Anträge in Bearbeitung                             ber_innen und damit ausreisepflichtiger Aus-
    (siehe Abb. 12). Den Antrag auf eine Aufent-                     länder_innen auf 115 Personen. In der Jah-
    haltserlaubnis müssen Studierende, die aus ei-                    ressumme haben 2018 30 Personen, die durch
    nem Nicht-EU-Land kommen, stellen. Indem                          Ablehnung oder Rücknahme der Asylanträge
    häufig im Oktober das Studium begonnen wird,                      ausreisepflichtig geworden sind, die Stadt ver-
    nimmt im Zeitverlauf eines Jahres zu jedem                        lassen. Im Jahr zuvor waren es knapp 46 Per-
    Wintersemester die Anzahl zu. Zudem stieg                         sonen. Weitere 26 Personen haben durch ei-
    mit dem stärkeren Zuzug von Geflüchteten im                       nen Erfolg vor der Thüringer Härtefallkommis-
    Jahr 2015 die Anzahl durch Verzögerungen bei                      sion den Status „ausreisepflichtiger abgelehn-
    der Antragsbearbeitung kurzfristig auf                            ter Asylbewerber“ verloren.
    1.215 Anträge an.

    ABB. 12 AUSLÄNDER_INNEN NACH AUFENTHALTSZWECK

             absolut
    6.000
                                                               5.372          5.726      mit befristetem
                                                                                         Aufenthalt
    5.000
                                                     4.726
                                                                                         mit unbefristetem
    4.000                                                                                Aufenthalt
                                                               3.438          3.741
                                             3.273     3.239
                                         2.889
    3.000                        2.674                                                   mit aktuellen Anträgen
                         2.419
                 2.275                                                                   (in Bearbeitung)
    2.134                                2.872 2.912
    2.000                        2.479
     1.873       2.040 2.149                   1.215                                     Asylbewerber_innen
                                                                819                      im Verfahren
    1.000                                                 589                 967
                          494    521     468    529
     435          314                                   510   322
                                  63 53 133              131 109              317
                         21 36 29               79
                                                                              115        abgelehnte
        0
                                                                                         Asylbewerber_innen/
                                                                                         ausreisepflichtige
                                                                                         Ausländer_innen
‚
    Datengrundlage: Stadt Jena
    Darstellung und Berechnungen: Timourou

    6   In Deutschland werden die Einreise und der Aufenthalt im Wesentlichen im Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ge-
        regelt. Der Aufenthalt von Ausländer_innen wird in Form und Dauer immer an einen Aufenthaltszweck gebun-
        den.

                                                             - 17 -
Asylbewerber mit einem positiven Bescheid er-                  der Ausländer_innen mit einer befristeten Auf-
    halten in aller Regel eine befristete Aufent-                  enthaltserlaubnis schätzungsweise zwei Drittel
    haltserlaubnis.7 Aufgrund der Bearbeitungs-                    ohne einen Fluchtkontext nach Jena. Neben
    zeit erfolgte der Anstieg zeitlich versetzt erst im            den Geflüchteten stellen die Studierenden und
    Jahr 2016. Ende 2018 waren in Jena                             Auszubildenden mit 34 % eine größere Gruppe
    5.726 Ausländer_innen mit einer befristeten                    dar. Auch wenn der Anteil im Jahr 2010 bei
    Aufenthaltserlaubnis gemeldet, darunter                        46 % lag, ihre Anzahl ist deutlich von 861 Per-
    2.043 Personen (36 %) aus humanitären be-                      sonen auf 1.935 Personen im besagten Zeit-
    ziehungsweise politischen Gründen (siehe                      raum angestiegen. Absolut betrachtet wuchs
    Abb. 12 und Abb. 13). Weiterhin stieg die Anzahl               auch die Anzahl der Erwerbstätigen, wobei mit
    der aus familiären Gründen zugezogenen Aus-                    dem deutlichen Anstieg der Geflüchteten der
    länder_innen auf 1.214 Personen, was unter                     Anteil bezogen auf alle Personen mit einer be-
    anderem auf den Familiennachzug zurückzu-                      fristeten Aufenthaltserlaubnis auf 9 % sank.
    führen ist. Im Ergebnis kamen aus der Gruppe

    ABB. 13 AUSLÄNDER_INNEN MIT BEFRISTETER AUFENTHALTSERLAUBNIS 2010 UND 2018

                      2010                                                               2018

                                               Studium oder
                   9%                          Ausbildung
                                               Erwerbstätigkeit                                 34%
                              46%                                                  36%

                33%                            familiäre Gründe
                                                                                                9%
                                               humanitäre,
                        12%                                                              21%
                                               politische Gründe

‚
    Datengrundlage: Stadt Jena
    Darstellung und Berechnungen: Timourou

    Ausländer, die eine Niederlassungserlaubnis                    vor eine befristete Aufenthaltserlaubnis erhal-
    erhalten, können sich unbefristet in Deutsch-                  ten hatten und nach einer bestimmten Zeit und
    land aufhalten. Dies traf in Jena Ende 2018                    anhand gewisser Kriterien inzwischen eine
    auf 3.741 Ausländer_innen, rd. 34 % aller Aus-                 Niederlassungserlaubnis bekommen haben.
    länder_innen, zu; 2010 waren es noch unge-                     Ausländer_innen, darunter sogenannte Kon-
    fähr 1.600 Personen weniger. Unter ihnen sind                  ventionsflüchtlinge (Anerkennung gemäß der
    fast zwei Drittel EU-Bürger_innen, Schwei-                     Genfer Flüchtlingkonvention), können aus hu-
    zer_innen oder ihre Familienangehörigen.                       manitären oder politischen Gründen direkt eine
    Auch die Anzahl der übrigen Ausländer_innen                    unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhalten –
    mit einer Niederlassungserlaubnis ist auf                      ihre Anzahl ist in Jena jedoch in den letzten
    900 Personen gestiegen. Darunter zählen                        neun Jahren auf 397 Personen leicht gesun-
    auch nach Jena geflüchtete Personen, die zu-                   ken.

    7   Eine Aufenthaltserlaubnis gilt je nach Herkunft und entsprechenden Umständen entweder drei Jahre oder ein
        Jahr, in der Regel aber immer mindestens ein Jahr (vgl. BAMF: Ablauf eines Asylverfahrens, Stand Oktober
        2016).

                                                          - 18 -
3     Soziale und sozioökonomische Merkmale

Die Zunahme an Personen mit Migrationshin-                  Themenkomplexe zu vertiefen, wird die Situa-
tergrund hat zahlreiche ökonomische, soziale                tion in sozialen Einrichtungen, Bildungseinrich-
und gesellschaftliche Auswirkungen. Um diese                tungen und auf dem Arbeitsmarkt untersucht.

3.1 Kinder, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist, in den Kindertagesein-
    richtungen

Der Integrationsprozess beginnt bereits im Kin-             Die Bedeutung dieses Themas hat in den letz-
desalter, weshalb hier auch die Entwicklungen               ten Jahren zugenommen, denn in den Jenaer
in den Kindertageseinrichtungen analysiert                  Kindertageseinrichtungen stieg der Anteil der
werden. Informationen zum Integrationsverlauf               Kinder, deren Herkunftssprache nicht Deutsch
liegen nicht vor, jedoch existieren Angaben zu              ist, von 7,8 % im Jahr 2009 auf 13,2 % im Jahr
den Anzahlen der Kinder in Jenaer Kinderta-                 2018 (siehe Abb. 14). Damit verändern sich
geseinrichtungen, deren Herkunftssprache                    die Anforderungen an die frühkindliche Erzie-
nicht Deutsch ist beziehungsweise die einen                 hung und Bildung.
Migrationshintergrund aufweisen. Wichtig ist
an dieser Stelle, dass bei der Schul- sowie Kin-            Absolut betrachtet waren Ende 2018 insge-
der- und Jugendhilfestatistik von einem Migra-              samt 749 Kinder mit Migrationshintergrund in
tionshintergrund gesprochen wird, wenn in der               den Einrichtungen gemeldet. Seit 2009 nahm
Familie oder im häuslichen Umfeld des Minder-               die Anzahl pro Jahr um durchschnittlich 45 Kin-
jährigen nicht vorrangig „deutsch“ gesprochen               der zu, was insgesamt einem Anstieg um
wird. Diese Angabe wird bei der Anmeldung                   117 % entspricht.
des Kindes erfasst.

Bildung und Arbeit als Grundvoraussetzung für eine gelingende Integration

Migrant_innen und darunter Ausländer_innen                  Darüber hinaus findet an der Universität und
sind im Durchschnitt jünger als Deutsche ohne               an der Hochschule verstärkt ein internationaler
Migrationshintergrund. Da ihre absolute Zahl                Wissenstransfer statt. Ausländische Studie-
und ihr prozentualer Anteil in den letzten Jah-             rende und Forschende sind jedoch überwie-
                                                                                                               FAZIT

ren zugenommen haben, gewinnt dieses                        gend zeitlich befristet in Jena.
Thema in den Kindertages- und Bildungsein-                  Auf dem Arbeitsmarkt ist die Stellung der Aus-
richtungen an Bedeutung. Räumlicher Schwer-                 länder_innen ungünstiger als die der Deut-
punkt ist der Planungsraum Lobeda mit einem                 schen – sie sind häufiger von Arbeitslosigkeit
überdurchschnittlich hohen Anteil an ausländi-              betroffen und folglich abhängig von sozialen
schen Schüler_innen und entsprechenden Er-                  Leistungen. Aufgrund des Mengeneffektes
fahrungen.                                                  stieg allerdings ihre Bedeutung auf dem Ar-
                                                            beitsmarkt.

                                                   - 19 -
ABB. 14 KINDER, DEREN HERKUNFTSSPRACHE NICHT DEUTSCH IST, IN DEN KINDERTA-
        GESEINRICHTUNGEN

                                          Kinder mit deutscher Herkunftssprache
            absolut                       Kinder, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist                                                    Anteil in %
    6.000                                                                                                                                                       15,0%
                                          Anteil Kinder, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist
                                                                                                                                                  13,2%

    5.000                                                                                                                           11,7%                       12,5%
                                                                                                                          10,4%
                                                                                                               9,6%
    4.000                                                                                       9,1%                                                            10,0%

                     7,8%           8,1%           7,8%           7,9%           7,8%
    3.000                                                                                                                                                       7,5%

                                                                                                                                    4.990
                                                                                                                      4.918

                                                                                                                                                  4.919
                                                                                                       4.833
                                                                                        4.787
                                                                         4.678
                                                          4.534
                                           4.396
                            4.195
             4.074

    2.000                                                                                                                                                       5,0%

    1.000                                                                                                                                                       2,5%

                                                                                                477            515            572           661           749
                     345            370            374            389             396
       0                                                                                                                                                        0,0%
           2009    2010    2011     2012                                  2013           2014           2015           2016          2017          2018
Datengrundlage: Stadt Jena
Darstellung und Berechnungen: Timourou

3.2 Schüler_innen, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist, an den Schulen

Nach Angaben des Thüringer Ministeriums für                                                     der Kinder im Grundschulalter (6 bis unter
Bildung, Jugend und Sport gehen im Schuljahr                                                    10 Jahre) an allen Kindern im schulfähigen Al-
2018/2019 rd. 9.700 Schüler_innen in ausge-                                                     ter (6 bis unter 18 Jahren) jeweils bei rd. 37 %.
wählte Jenaer Schulen8, darunter 12 % bezie-                                                    Aus diesem Grund liegt die Vermutung nahe,
hungsweise fast 1.200 Personen mit nicht-                                                       dass in den Grundschulen die erhöhte Präsenz
deutscher Herkunftssprache.9                                                                    der Schüler_innen, deren Herkunftssprache
                                                                                                nicht Deutsch ist, auf unterschiedliche Fähig-
Eine Auswertung nach der Schulart ergibt,                                                       keiten – insbesondere Sprachkenntnisse – und
dass die Jenaer Schüler_innen zu jeweils fast                                                   Möglichkeiten der Kinder und Jugendlichen so-
einem Drittel eine Grundschule, Gemein-                                                         wie auf die Zugangsvoraussetzungen in den
schaftsschule oder Gymnasium besuchen.                                                          Schulen zurückzuführen ist. Im Umkehrschluss
Schüler_innen, deren Herkunftssprache nicht                                                     führt die Zugangsbedingung der Gymnasien,
Deutsch ist, sind mit 41 % in den Grundschu-                                                    dass Schüler_innen im Fach Deutsch mindes-
len überrepräsentiert und mit rd. 16 % auf den                                                  tens die Note „gut“ erreicht haben, zu einer Un-
Gymnasien unterrepräsentiert. Diese Differenz                                                   terrepräsentation von Schüler_innen, deren
kann jedoch nicht über eine unterschiedliche                                                    Herkunftssprache nicht Deutsch ist. Darüber
Altersstruktur erklärt werden. Denn relativ un-                                                 hinaus kommt für sie auf Gymnasien das Erler-
abhängig vom Migrationshintergrund lag den                                                      nen einer zweiten Fremdsprache erschwerend
Ergebnissen von MigraPro zufolge der Anteil                                                     hinzu.

8     Die Schüler_innenzahlen an Berufs- und Privatschulen wurden in dieser Statistik nicht erfasst.
9     Nach den Ergebnissen von MigraPro waren Ende 2018 insgesamt 1.923 Personen im Alter von 6 bis unter
      18 Jahren in Jena gemeldet. Auch unter der Berücksichtigung, dass nicht alle Kinder und Jugendliche mit Mig-
      rationshintergrund in Jena zur Schule gehen, fallen die Anzahlen in der Schul- sowie Kinder- und Jugendhil-
      festatistik geringer aus.

                                                                                   - 20 -
Für eine Verbesserung der Sprachstände wer-                   Einerseits gehen die meisten Schüler_innen,
den entsprechende Kurse angeboten, darunter                   deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist, in
Vor-, Grund- und Aufbaukurse.10 Der Anteil der                Lobeda zur Schule (511 Schüler_innen, bezie-
Schüler_innen, die einen Förderungsbedarf                     hungsweise 43 %) und andererseits liegt dort
haben, liegt erwartungsgemäß in den Grund-                    der Anteil der Schüler_innen mit nicht-deut-
schulen und Gemeinschaftsschulen am höchs-                    scher Herkunftssprache an allen Schüler_in-
ten.                                                          nen am höchsten (18 %). Einzelne Schulen
                                                              verfügen dort bereits über langjährige Erfah-
Im Folgenden wird der Frage nachgegangen,                     rungen mit der Beschulung von Kindern nicht-
welche Schulen die Schüler_innen mit nicht-                   deutscher Herkunftssprache, was die teilweise
deutscher Herkunftssprache besuchen. Das                      höheren Anteile von Schüler_innen nicht-deut-
räumliche Muster hängt dabei zum einen von                    scher Herkunftssprache erklärt. Nach den Er-
den Schulstandorten und den jeweiligen Bil-                   gebnissen von MigraPro wohnen 43 % der 6-
dungsprofilen ab und zum anderen von den                      bis unter 18-jährigen Migrant_innen in Lobeda;
Wohnstandorten der Schüler_innen. Im Ergeb-                   ebenfalls 43 % der Schüler_innen mit nicht-
nis wird der Planungsraum Lobeda als                          deutscher Herkunftssprache gehen dort zur
Schwerpunktraum deutlich (siehe Abb. 15).                    Schule. Die jeweils gleichen Anteile weisen da-
Gleichzeitig nahm dort seit 2016 die Anzahl                   rauf hin, dass es im Saldo in Lobeda nicht zu
der Schüler_innen mit nicht-deutscher Her-                    einer zusätzlichen Konzentration im Bildungs-
kunftssprache überdurchschnittlich stark zu.                  bereich kommt.

ABB. 15 SCHÜLER_INNEN, DEREN HERKUNFTSSPRACHE NICHT DEUTSCH IST,
        SCHULJAHR 2018/2019

‚
 Datengrundlage: Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (Stichtag 03.05.2019)
 Kartengrundlage: Stadt Jena
 Darstellung und Berechnungen: Timourou

10   Vorkurse zielen auf die Alphabetisierung sowie die Vermittlung von Grundkenntnissen der deutschen Sprache
     gemäß A 1. Im Grundkurs geht es um Deutschkenntnisse gemäß B 1 sowie um eine Hinführung zu Fachspra-
     chen. Der Aufbaukurs vermittelt Deutschkenntnisse gemäß B 2 sowie Grundkenntnisse in Fach- und Bil-
     dungssprachen.

                                                     - 21 -
In den Planungsräumen West/Zentrum und                          deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist, auf.
Winzerla liegen die Anteile nicht-deutscher                     Zudem ist der Planungsraum Ost der einzige,
Schüler_innen an allen Schüler_innen bei je-                    in dem seit 2016 die Anzahl der Schüler_innen
weils rd. 13 %. Dies entspricht in etwa dem ge-                 mit nicht-deutscher Herkunftssprache abge-
samtstädtischen Durchschnitt.                                   nommen hat.
Die Planungsräume Ost und Nord weisen un-
terdurchschnittliche Anteile an Schüler_innen,

3.3 Ausländische Studierende an Universität und Hochschule

Möchte ein Studierender aus dem Ausland ent-                    samt 21.773 Personen. Ausschlaggebend da-
weder an der Friedrich-Schiller-Universität                     für ist der Rückgang deutscher Studierender –
(FSU) oder an der Ernst-Abbe-Hochschule                         seit dem Wintersemester 2009/2010 um 23 %.
(EAH) in Jena studieren, so wird dies von den                   Gleichzeitig hat sich die Anzahl der ausländi-
jeweiligen Einrichtungen erfasst und veröffent-                 schen Studierenden mehr als verdoppelt
licht. Angaben über Migrant_innen insgesamt                     (+117 %), was den Rückgang jedoch nicht
liegen jedoch nicht vor. Der Erfassung liegen                   ausgleichen konnte. Im Ergebnis stieg der An-
jedoch unterschiedliche Stichtage zugrunde:                     teil ausländischer Studierender von 6 % auf in-
Bei der FSU zählt der 31.10. und bei der EAH                    zwischen 16 % an (siehe Abb. 16).11 Beson-
der 4., 5. oder 6.11. eines Jahres.                             ders stark war die Zunahme an der EAH um
                                                                284 % (FSU 86 %), auch liegt der Anteil von
Generell hat die Gesamtzahl der Studierenden                    Ausländer_innen mit 21 % bei der EAH höher
in den letzten Jahren stetig abgenommen und                     als mit 14 % bei der FSU, absolut betrachtet ist
lag im Wintersemester 2018/2019 bei insge-                      es jedoch umgekehrt.

ABB. 16 ENTWICKLUNG DER ANZAHL DER AUSLÄNDISCHEN STUDIERENDEN

                         Deutsche an der FSU                    Deutsche an der EAH
                         Ausländer_innen an der FSU             Ausländer_innen an der EAH
                         Anteil Ausländer_innen
           Studierende                                                       Anteil Ausländer_innen
40.000                                                                                                18%
                                                                                             16%
35.000                                                                              15%               16%
                                                                           14%
                                                                   13%                                14%
30.000
                                                         12%
             255      249     262                                                                     12%
25.000                                 344       10%
            1.334    1.477   1.586          406       514
                                      1.776 1.994                  603      741     841      978
            4.713    4.511                                                                            10%
                             4.436    4.261          2.177        2.264
20.000                                                                     2.336   2.390     2.478
                              7%             4.193
                      7%                             4.012        3.878    3.807                      8%
             6%                        9%                                          3.672     3.616
15.000
                                                                                                      6%
10.000     19.173 19.267 18.760 17.913
                                       17.042 16.078 15.540 15.236                                    4%
                                                                   14.933 14.701
  5.000                                                                                               2%

       0                                                                                              0%
            2009/    2010/   2011/    2012/    2013/    2014/      2015/   2016/   2017/     2018/
            2010     2011    2012     2013     2014     2015       2016    2017    2018      2019

‚                                               Wintersemester
 Datengrundlage: Friedrich-Schiller-Universität und Ernst-Abbe-Hochschule
 Darstellung und Berechnungen: Timourou

11   Im Vergleich dazu lag der Anteil ausländischer Studierender beispielsweise in Göttingen 2016 bei 13 %, die
     Westfälische Wilhelms-Universität in Münster wies 2015 rd. 8 % auf.

                                                       - 22 -
An der EAH studiert ungefähr die Hälfte der                       Geisteswissenschaften. Jeweils kommen die
Ausländer_innen den Studiengang SciTec                            meisten Studierenden aus Asien nach Jena
(Präzision-Optik-Materialien-Umwelt). Deut-                       (EAH 75 % und FSU 55 %) (siehe Abb. 17).
sche Studierende wählen diesen Studiengang                        An der EAH sind allerdings in erster Linie Stu-
nur zu 15 %. Die Studienfachwahl an der FSU                       dierende aus Indien und an der FSU aus China
ist bei den ausländischen Studierenden deut-                      eingeschrieben. Studierende aus europäischen
lich variabler – gewählt werden sowohl Fächer-                    Ländern verbleiben in etwa auf dem Niveau
gruppen der Mathematik/Naturwissenschaften                        von ungefähr 900 Personen.
als auch der Rechts-, Wirtschafts-, Sozial- und

ABB. 17 ENTWICKLUNG DER ANZAHL DER AUSLÄNDISCHEN STUDIERENDEN NACH HER-
        KUNFTSKONTINENTEN

           Studierende
 4.000
                                                                                     3.456
 3.500                                                                       3.231             insgesamt
                                                                     3.072
                                                           2.867
 3.000
                                                   2.691                                       Asien
                                           2.400
 2.500
                                   2.120                                             2.110
                           1.848                                             1.876             Europa
 2.000             1.726                                             1.758
           1.589                                           1.536
                                                   1.466
 1.500                                     1.268                                               Afrika
                                   1.064
                   852     909
 1.000      775
                                                   961      991      970     947               Amerika
                                   831     891                                       891
     500           687     750
            660

       0                                                                                       sonstige
           2009/   2010/   2011/   2012/   2013/   2014/    2015/    2016/   2017/   2018/
           2010    2011    2012    2013    2014    2015     2016     2017    2018    2019
‚
 Datengrundlage: Friedrich-Schiller-Universität und Ernst-Abbe-Hochschule
 Darstellung und Berechnungen: Timourou

3.4 Beschäftigungsverhältnisse und Gewerbeanmeldungen von Auslän-
    der_innen

Die Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht die                   Bedeutung, denn ihre Anzahl ist stärker gestie-
Anzahl sozialversicherungspflichtig Be-                           gen als die der Deutschen, womit der Anteil an
schäftigter in Jena nach Staatsangehörigkeit.                     allen Beschäftigten von 3 % auf 6 % zunahm
Im Zeitraum von Dezember 2013 bis Juni                            (siehe Kasten Voraussetzungen für den Zugang
201812 verbesserte sich in Jena die Arbeits-                      zum Arbeitsmarkt). Die zunehmende Bedeutung
platzsituation und sowohl bei den Deutschen                       ist jedoch nur ein Ergebnis des Mengeneffek-
als auch bei den Ausländer_innen nahm die                         tes und nicht einer besseren Integration der
Anzahl sozialversicherungspflichtig Beschäftig-                   Ausländer_innen in den Arbeitsmarkt. Bei Aus-
ter zu (siehe Abb. 18). Ausländer_innen ge-                      länder_innen ist angesichts der zahlreichen
winnen für den Arbeitsmarkt zunehmend an                          Studierenden, Asylbewerber_innen und teil-
                                                                  weise eingeschränkten Arbeitsberechtigungen

12   Aktuelle Daten für Dezember 2018 lagen zum Bearbeitungszeitpunkt nicht vor. Im Vergleich zum Dezember
     fallen die Ergebnisse im Juni in der Regel etwas positiver aus.

                                                         - 23 -
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