Migrationsbericht Jena 2019 - Rathaus
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Impressum: August 2019 Herausgeber: Stadtverwaltung Jena Dezernat 1 Büro für Migration und Integration Saalbahnhofstraße 9 07743 Jena In Zusammenarbeit mit: Stadtverwaltung Jena Dezernat 2 Team Statistik Am Anger 28 07743 Jena Timourou Wohn- und Stadtraumkonzepte Karl-Liebknecht-Str. 141 04275 Leipzig Sowie alle weiteren mitwirkenden Bereiche der Stadtverwaltung Jena und ihrer Eigenbetriebe. Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigungen, auch auszugsweise, sind nur mit Quellenangaben gestattet. -2-
Inhaltsverzeichnis Einleitung ............................................................................................................................................... 4 1 Migration in Jena im Vergleich ..................................................................................................... 6 2 Demographie .................................................................................................................................. 9 2.1 Entwicklung der Anzahl der Migrant_innen ............................................................................. 9 2.2 Altersstruktur der Migrant_innen ........................................................................................... 11 2.3 Herkunftsländer der Ausländer_innen ................................................................................... 13 2.4 Wanderungsbewegungen der Ausländer_innen ................................................................... 15 2.5 Ausländer_innen nach Aufenthaltszwecken .......................................................................... 17 3 Soziale und sozioökonomische Merkmale ................................................................................ 19 3.1 Kinder, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist, in den Kindertageseinrichtungen .......... 19 3.2 Schüler_innen, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist, an den Schulen ........................ 20 3.3 Ausländische Studierende an Universität und Hochschule ................................................... 22 3.4 Beschäftigungsverhältnisse und Gewerbeanmeldungen von Ausländer_innen ................... 23 3.5 Leistungsberechtigte Ausländer_innen nach Asylbewerberleistungsgesetz ........................ 26 3.6 Leistungsberechtigte Ausländer_innen nach SGB II ............................................................. 28 4 Planungsräume im Vergleich ...................................................................................................... 31 4.1 Planungsraum Lobeda .......................................................................................................... 36 4.2 Planungsraum West/Zentrum ................................................................................................ 38 4.3 Planungsraum Nord ............................................................................................................... 40 4.4 Planungsraum Ost ................................................................................................................. 42 4.5 Planungsraum Winzerla ........................................................................................................ 44 4.6 Planungsraum Ortschaften .................................................................................................... 46 5 Anzahl und Struktur von Haushalten mit Migrationshintergrund ........................................... 48 6 Empfehlungen für die Weiterentwicklung des Migrationsberichtes ....................................... 51 Anhang ................................................................................................................................................. 52 -3-
Einleitung Die Familie Winogradow übersiedelte 1991 Neuhinzuziehenden Konflikte auftreten, die es aus der Russischen Föderation nach Jena und aufzugreifen und zu diskutieren gilt. sowohl die Eltern als auch die damals minder- jährige Tochter Lenja tragen als Aussiedler_in- In den letzten Jahren nahm die Intensität der nen die deutsche Staatsangehörigkeit. Lenja internationalen Wanderungsbewegungen stetig ist inzwischen 30 Jahre alt und hat mit Harun zu und seit 2010 ziehen jährlich mehr Men- eine eigene Familie gegründet. Harun kommt schen über die Grenze nach Deutschland als ursprünglich aus Syrien und erhielt 2016 ge- weg. Auch in Jena erlangt das Thema „Migra- meinsam mit seinen zwei Brüdern als Asylbe- tion“ wachsende Bedeutung, der Anteil der rechtigter eine Aufenthaltserlaubnis. Ein Blick Migrant_innen an der Gesamtbevölkerung in die Zukunft zeigt, dass Harun nach drei Jah- stieg im Zeitraum von 2011 bis 2018 von 8,3 % ren zuerst eine Niederlassungserlaubnis erhal- auf 14,0 % an (siehe Kasten Wer wird als Mig- ten wird, zwölf Jahre später den Einbürge- rant_in bezeichnet?). Durch den starken Zuzug rungstest erfolgreich bestehen und somit eben- von Geflüchteten in den Jahren 2015 und 2016 falls die deutsche Staatsangehörigkeit anneh- gewann die Thematik noch einmal an Ge- men wird. Seine Brüder ziehen jedoch wieder wicht.1 Doch was wissen wir eigentlich über die nach Syrien zurück, sie stehen trotzdem in en- neuen Mitbürger_innen? Warum haben sie ihr gem Kontakt zu Harun. Lenja selbst genießt Herkunftsgebiet verlassen? Warum sind sie die europäische Freizügigkeit und verlagert vo- nach Jena gekommen und nicht in eine andere rübergehend ihren Lebensmittelpunkt als deutsche Gemeinde gezogen? Kamen sie al- Künstlerin nach Italien. lein oder mit Verwandten, Freunden oder Be- kannten? Welche Erwartungen und Hoffnun- Dieses fiktive Beispiel verdeutlicht die Migra- gen verbinden sie mit Jena? Wie lange möch- tion als einen Prozess mit eigener Dynamik ten sie in Jena bleiben? und Sogwirkung. Der Prozesscharakter drückt sich dabei in der räumlichen Dimension – von Um sich diesen und weiteren Fragen zu wid- Syrien über Italien bis zur Russischen Födera- men und der zunehmenden Bedeutung von tion – aus. Gleichzeitig kann der aufenthalts- Migration in Jena, die sich auf alle ökonomi- rechtliche Status wechseln – beispielsweise schen, sozialen und gesellschaftlichen Berei- von dem eines Asylbewerbers über den eines che auswirkt, besser gerecht zu werden, wurde Asylberechtigten bis zum Eingebürgerten. dieser Migrationsbericht erstellt. Mit dem Be- Deutlich werden ferner unterschiedliche Migra- richt werden drei wesentliche Ziele verfolgt: tionsursachen und Handlungsmotive wie Kriegszustände im Herkunftsgebiet, bessere • Bereitstellung einer umfassenden Daten- berufliche Perspektiven, die Familienzusam- sammlung zu verschiedenen statistischen menführung oder auch die persönliche Neugier Aspekten von Migration, und Abenteuerlust. • Erstellung einer Informationsgrundlage für die kommunale Politik sowie Hinter jeder Wanderungsbewegung steht ein • Zusammenstellung allgemeiner Information Individuum, dessen soziale Beziehungen sich für an der Thematik interessierte Bürger_in- mit der räumlichen Verschiebung entweder nur nen. zeitlich begrenzt oder gar dauerhaft verändern. Die Migration ist ein Teil der Gesellschaft und Aus diesen Zielen resultieren unterschiedliche führt dazu, dass sich diese tagtäglich neu kon- Anforderungen an den Bericht. Der Schwer- stituiert. Dieser gesellschaftliche Aushand- punkt liegt auf der Darstellung empirischer lungsprozess geschieht größtenteils unbe- Fakten auf Grundlage vorhandener Datenquel- wusst und unscheinbar. So wird vor allem von len der Statistikstelle der Stadt Jena, des Thü- einer gelungenen Integration gesprochen, ringer Landesamtes für Statistik und weiteren wenn sie unauffällig bleibt. Gleichzeitig können Institutionen. Erforderlich ist aber auch eine durch Interaktionsprozesse sowohl zwischen fundierte Interpretation und Bewertung der Da- als auch innerhalb der Gruppen der Einheimi- ten, die in eine Empfehlung für die Weiterent- schen, der schon länger Ansässigen und den wicklung des Migrationsberichtes mündet. 1 Siehe Stadt Jena: Aktuelle Situation der Flüchtlinge auf dem Jenaer Wohnungsmarkt, 2017. -4-
Die Aussagekraft der vorhandenen Daten ist Schritt erfolgt dafür ein innerdeutscher Ver- jedoch begrenzt, da zu vielen Aspekten keine gleich, um anschließend auf Teilbereiche in oder nur geringe beziehungsweise wenig diffe- Jena genauer eingehen zu können. Dabei wer- renzierte Informationen vorliegen, sodass nicht den sowohl die demographischen als auch die alle Fragen beantwortet werden können. Auch sozialen und sozioökonomischen Merkmale wenn in der Statistik zwischen Deutschen ohne der Migrant_innen thematisiert, soweit im Zeit- Migrationshintergrund und Migrant_innen un- verlauf möglich. Nachdem der gesamtstädti- terschieden wird und die folgenden Darstellun- sche Bogen aufgespannt wurde, erfolgt eine gen auf dieser Unterteilung fußen, soll an die- kleinräumige Analyse auf der Ebene der Pla- ser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen nungsräume. Am Ende münden die Ergeb- werden, dass die Gruppe der Migrant_innen nisse und Erkenntnisse in Empfehlungen für als ein Teil der Jenaer Gesellschaft verstanden die Weiterentwicklung des Migrationsberichtes. wird. Um die Entwicklungen und Besonderheiten der Hinweis: Aufgrund von Rundungen bei den Prozentanga- ben kann die Summe unter Umständen von 100 % leicht Migration in Jena herauszuarbeiten, werden abweichen. zuerst Eckwerte auf gesamtstädtischer Ebene dargestellt und interpretiert. In einem ersten Wer wird als Migrant_in bezeichnet? Eine allgemeingültige Definition von Mig- Von den Migrant_innen sind derzeit fast rant_innen beziehungsweise von Personen mit 10.100 Personen beziehungsweise 71,1 % Migrationshintergrund existiert nicht. Aus die- Ausländer_innen. Sie besitzen (noch) nicht die sem Grund variieren begriffliche Abgrenzun- deutsche Staatsangehörigkeit. Derzeit liegt in gen je nach Themenfeld. Jena der Ausländeranteil an der Gesamtbevöl- kerung bei 10,0 %. Ob eine Person einen Migrationshintergrund Darüber hinaus leben rd. 4.400 Migrant_innen hat oder nicht, wird in der Meldestatistik nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit in Jena. Sie direkt aufgeführt und kann nur indirekt über ein kamen entweder zuvor als Ausländer_in nach Verfahren hergeleitet werden. Wie auch in an- Jena und wurden inzwischen eingebürgert deren Städten arbeitet die Statistikstelle in oder sie zogen als (Spät-)Aussiedler_in zu. Ak- Jena seit 2012 mit dem Programm MigraPro tuell sind Eingebürgerte und (Spät-)Aussied- und kann Daten bis 2009 rückwirkend berech- ler_innen gleichermaßen vertreten und neh- INFORMATION nen. men jeweils einen Anteil von rd. 15,0 % an al- len Migrant_innen beziehungsweise 2,0 % an In Anlehnung an das Programm werden Perso- allen Jenaern ein. nen dann als Migrant_innen bezeichnet, wenn sie ihren Lebensmittelpunkt über die Staats- Neben dem Programm MigraPro können Da- grenzen hinweg verlagert haben. Bei den Ein- ten zu Migrant_innen auch über andere Quel- wohner_innen Jenas trifft dies auf 15.272 Per- len generiert werden. So wird beispielsweise sonen zu, was einem Anteil an allen Einwoh- der Migrationshintergrund beim Mikrozensus, ner_innen von 14,0 % entspricht (Stand 2018). welcher auf einer Haushaltsstichprobe basiert, Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass mit ebenfalls aus Angaben zur Zuwanderung, 86,0 % der Großteil der Jenaer keinen Migrati- Staatsangehörigkeit und Einbürgerung abgelei- onshintergrund aufweist. tet. Die Definition und die Ergebnisse unter- scheiden sich zwischen MigraPro und Mikro- zensus nur geringfügig. Im Gegensatz dazu unterliegt die Schul- sowie Kinder- und Jugendhilfestatistik einer anderen Herangehensweise: Von einem Migrationshin- tergrund wird dann gesprochen, wenn in der Familie oder im häuslichen Umfeld des Kindes beziehungsweise Jugendlichen nicht vorrangig „Deutsch“ gesprochen wird. Die Ergebnisse sind somit nicht mit den MigraPro-Daten ver- gleichbar. -5-
1 Migration in Jena im Vergleich Das Thema Migration gewinnt in Deutschland Deutschland auf die Zuwanderung zurückzu- zunehmend an Bedeutung. Zogen von 1995 führen – die Zahl der Deutschen ohne Migrati- bis 2010 pro Jahr durchschnittlich onshintergrund nahm in diesem Zeitraum um 635.000 Ausländer_innen nach Deutschland rd. 3,1 Millionen Personen ab und die Zahl der zu, während 540.000 Ausländer_innen das Deutschen mit Migrationshintergrund nahm um Land verließen, stieg in den Folgejahren das 4,5 Millionen Personen zu. Entsprechend stieg Niveau spürbar an (siehe Abb. 1). Folglich ist der Anteil an Migrant_innen von 18 % auf laut Mikrozensus von 2010 bis 2017 der zwei- 24 %. Im Vergleich dazu lag der Anteil in Thü- prozentige Anstieg der Bevölkerungszahl in ringen 2017 bei nur 6 %.2 ABB. 1 ZU- UND WEGZÜGE VON AUSLÄNDER_INNEN ÜBER DIE GRENZEN DEUTSCHLANDS absolut 2.250.000 2.000.000 1.750.000 1.500.000 Zuzüge 1.250.000 1.000.000 Wegzüge 750.000 500.000 250.000 0 ‚ Datengrundlage: Statistische Ämter des Bundes und der Länder Darstellung und Berechnungen: Timourou Im Laufe der Zeit veränderten sich auch die sowie auf die zunehmende Fluchtmigration zu- Herkunftsregionen und die Handlungsmotive rückzuführen ist. Trotzdem bestehen die der Migrant_innen. So kamen immer mehr Per- stärksten Verflechtungen weiterhin mit europäi- sonen aus Asien, was im Wesentlichen auf schen Ländern. eine stärker international ausgerichtete Ver- flechtung von Wirtschafts- und Lebensräumen In ostdeutschen Gemeinden leben weniger Migrant_innen als in westdeutschen Gemeinden Die Anzahl der Migrant_innen in Deutschland Die alten Bundesländer weisen eine längere ist in den letzten Jahren angestiegen. In Ab- und intensivere Zuwanderungsgeschichte auf. hängigkeit von der zeitlichen und räumlichen Dort lebende Migrant_innen sind häufig schon FAZIT Entwicklung entstanden dabei unterschiedliche länger und teilweise über mehrere Generatio- Schwerpunkträume. Insgesamt nehmen Mig- nen in Deutschland, sodass der Anteil an Ein- rant_innen in westdeutschen Gemeinden einen gebürgerten höher liegt. Demzufolge liegt der höheren Anteil an der Einwohnerzahl ein als Anteil an neu hinzugezogenen Ausländer_in- beispielsweise in Jena, Leipzig, Erfurt oder nen in den ostdeutschen Gemeinden auf ei- Potsdam. nem höheren Niveau – sie können aus der Migrationsgeschichte im früheren Bundesge- biet lernen. 2 Weitere Informationen siehe Ergebnisse des Mikrozensus 2010 und 2017. -6-
Die Regionen in Deutschland sind in unter- Letztlich leben im Durchschnitt in den alten schiedlichem Maß von der Migration geprägt. Ländern mehr Migrant_innen als in den neuen Aufgrund verschiedener Rahmenbedingungen Ländern. Doch wie hoch liegen die jeweiligen – von Politik über Wirtschaft bis hin zu gesell- Anteile in Jena im Vergleich? Weil für entspre- schaftlichen Faktoren – entstanden und entwi- chende Veröffentlichungen von Kommunen zu- ckeln sich unterschiedliche räumliche Schwer- nächst Auswertungen mit MigraPro notwendig punkte. So weist das frühere Bundesgebiet sind, ist ein Vergleich auf der Gemeindeebene eine längere und intensivere Migrationsge- nur für eine begrenzte Auswahl an Städten schichte auf als die ostdeutschen Bundeslän- möglich. Verglichen wird mit den ostdeutschen der, was Auswirkungen auch auf die aktuellen Städten Leipzig, Potsdam und Erfurt sowie mit Migrationsbewegungen hat. Beispielsweise westdeutschen Universitätsstädten ähnlicher schloss die Bundesrepublik Anfang der 1950er Größe wie Erlangen, Göttingen oder Münster. Jahre mit Mittelmeeranrainerstaaten soge- nannte Anwerbevereinbarungen ab, um neue Im Vergleich mit den westdeutschen Städten Arbeitskräfte für das hohe Wirtschaftswachs- weisen Jena und die anderen drei ostdeut- tum gewinnen zu können. In diesem Kontext schen Städte sowohl die geringsten Anteile an kamen insgesamt bis zu 4 Millionen Auslän- Migrant_innen als auch an Ausländer_innen der_innen in die Bundesrepublik zum Arbeiten, auf (siehe Abb. 2). Aufgrund der Zuwande- darunter Italiener_innen, Spanier_innen, rungsgeschichte liegen die Anteile in den west- Türk_innen, Marokkaner_innen. 1973 wurde deutschen Städten deutlich höher. Über ein ein Anwerbestopp als Folge der Ölkrise ver- Drittel der Einwohner_innen sind in Darmstadt, hängt, in den 1970er und 1980er Jahre erfolgte Erlangen und Mainz Migrant_innen. ein Familiennachzug dieser sogenannten „Gastarbeiter“. Als Arbeitskräfte kamen auch in In Westdeutschland leben die Migrant_innen die neuen Bundesländer sogenannte „Ver- im Durchschnitt schon länger, unter ihnen sind tragsarbeiter“ beispielsweise aus Ungarn, Eingebürgerte häufiger als in den neuen Län- Mosambique, Kuba oder Vietnam. Im Gegen- dern. Aus diesem Grund liegt die Spanne zwi- satz zu den alten Ländern wurde der Aufent- schen dem Anteil an Migrant_innen und Aus- halt jedoch von vornherein zeitlich begrenzt, länder_innen bei den westdeutschen Gemein- der Familiennachzug unterbunden und die Un- den höher als bei den ostdeutschen. terbringung erfolgte in der Regel in seperaten Wohnheimen. ABB. 2 ANTEIL DER MIGRANT_INNEN UND AUSLÄNDER_INNEN AN DER GESAMTBEVÖLKE- RUNG MIT HAUPTWOHNSITZ 2017** Erfurt 11,3% Migrant_innen Erfurt 7,7% Ausländer_innen Potsdam 12,9% Potsdam 8,3% Jena 13,2% Jena 9,3% Leipzig 14,1% Leipzig 9,5% Münster* 10,5% Münster* 23,2% Göttingen 13,9% Göttingen 23,9% Regensburg* 15,6% Regensburg* 31,2% Aachen 18,2% Mainz 33,8% Erlangen 18,4% Erlangen 35,3% Mainz 18,5% Darmstadt 40,0% Darmstadt 20,2% 0% 10% 20% 30% 40% 0% 5% 10% 15% 20% 25% Anteil in % Anteil in % ‚ * Wohnberechtigte Bevölkerung (Haupt- und Nebenwohnsitz) ** Daten von 2018 lagen bei Redaktionsschluss nicht vor Datengrundlage: kommunale Statistiken der aufgeführten Gemeinden Darstellung und Berechnungen: Timourou -7-
Im zeitlichen Verlauf stiegen Anzahlen und An- Inzwischen werden in Deutschland wieder we- teile an Migrant_innen und Ausländer_innen in niger Anträge gestellt. Die räumliche Verteilung allen Vergleichsstädten an; mit der Fluchtmig- der Geflüchteten innerhalb Deutschlands er- ration 2015/2016 verstärkte sich diese Dyna- folgt über den „Königsteiner Schlüssel“ propor- mik noch. Die Asylantragszahlen in Deutsch- tional auf die Bundesländer. Indem allerdings land bilden diese Entwicklung ebenfalls ab – in den ostdeutschen Gemeinden weniger Aus- seit ungefähr 2010 stieg die Anzahl der Erstan- länder_innen leben, fällt dort rechnerisch der träge wieder an und erreichte 2015 mit fast prozentuale Anstieg stärker aus als in den 450.000 Anträgen und 2016 mit westdeutschen Gebieten. rd. 720.000 Anträgen den Höchststand. ABB. 3 ENTWICKLUNG DER ASYLANTRAGSZAHLEN BIS 1994 ERST- UND FOLGEANTRÄGE UND AB 1995 NUR ERSTANTRÄGE IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND absolut 800.000 700.000 600.000 500.000 400.000 300.000 200.000 100.000 0 ‚ * 2019 Januar bis Juni Datengrundlage: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Darstellung und Berechnungen: Timourou -8-
2 Demographie In Jena nahm in den letzten Jahren die Anzahl woher sie kommen, wohin sie gehen und aus der Migrant_innen deutlich zu. Wie sich die welchen Gründen sie in Jena wohnen, ist Ge- einzelnen Gruppen der Migrant_innen entwi- genstand dieses Kapitels. ckelt haben, wie alt die Migrant_innen sind, 2.1 Entwicklung der Anzahl der Migrant_innen Die Zusammensetzung der Jenaer Bevölke- Ein Spezifikum dieser Zunahme ist, dass auch rung ist in Bewegung und aufgrund internatio- die Zuwanderungsdynamik selbst angestiegen naler Wanderungsbewegungen steigt sowohl ist. Während sich von 2009 bis 2012 die An- die absolute Anzahl der Migrant_innen als zahl der Migrant_innen um rd. 1.100 Personen auch der prozentuale Anteil an der Bevölke- erhöhte, war das Plus zwischen 2013 und rung. Lebten 2009 knapp 8.000 Migrant_innen 2016 mit 3.400 Personen fast dreimal so groß. in Jena, so sind es inzwischen fast 15.300 Per- Im Wesentlichen ist der Niveauunterschied bei- sonen – das sind 7.200 Menschen mehr der Phasen auf den stärkeren Zuzug von Ge- (siehe Abb. 4). Da die Anzahl der Deutschen flüchteten – vor allem in den Jahren 2015 und ohne Migrationshintergrund im gleichen Zeit- 2016 – zurückzuführen. raum um rd. 1.200 Personen gesunken ist, stieg der Anteil der Migrant_innen an der Ge- samtbevölkerung von 7,8 % auf 14,0 % an. Vielfältig, jung und dynamisch Inzwischen weisen 14,0 % der Jenaer einen Fluchtmigration kommen mehr junge Personen Migrationshintergrund auf und der Großteil der nach Jena. Die Vielfalt an Bevölkerungs- Migrant_innen sind Ausländer_innen. Jena gruppen beeinflusst derzeit verschiedene wird dabei aus unterschiedlichsten Gründen Bereiche wie den Arbeits- und Wohnungsmarkt FAZIT zum neuen Lebensmittelpunkt gewählt. Von sowie die Bildungsinfrastruktur. den Europäer_innen kommen aufgrund der Noch sind unter den Ausländer_innen viele Freizügigkeit höchstwahrscheinlich mehr neu Hinzugezogene. Einige von ihnen werden Personen zum Arbeiten in die Stadt, während in Jena für eine längere Zeit oder dauerhaft unter den Asiat_innen der Anteil an bleiben. Im Ergebnis wird längerfristig mit einer Studierenden, Forschenden und seit 2015 Zunahme an Eingebürgerten gerechnet, bisher auch der Geflüchteten höher liegen wird. liegt ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung bei Aufgrund der Internationalisierungskampagnen 2,0 %. von Universität und Hochschule sowie der -9-
ABB. 4 ENTWICKLUNG DER ANZAHLEN VON DEUTSCHEN OHNE MIGRATIONSHINTER- GRUND UND MIGRANT_INNEN Deutsche ohne MH* Migrant_innen Anteil Deutsche ohne MH* Anteil Migrant_innen absolut Anteil in % 92,2% 91,9% 91,7% 91,2% 90,6% 89,8% 100% 88,7% 87,6% 86,8% 86,0% 100.000 80.000 75% 60.000 95.417 95.337 95.342 95.312 50% 94.938 94.943 94.902 94.619 94.348 93.728 40.000 25% 11,3% 12,4% 13,2% 14,0% 20.000 7,8% 8,1% 8,3% 8,8% 9,4% 10,2% 8.068 8.402 8.673 9.214 9.940 10.806 12.105 13.364 14.374 15.272 0 0% ‚ * Migrationshintergrund Datengrundlage: Stadt Jena Darstellung und Berechnungen: Timourou Entsprechend deutlich fiel der Zuwachs an Indem seit einigen Jahren zunehmend mehr Ausländer_innen aus (siehe Abb. 5). Erkenn- Ausländer_innen in Jena leben, nimmt folglich bar ist eine Verdoppelung gegenüber 2009 und auch die Möglichkeit der Einbürgerung und ein erhöhter Anstieg seit 2014/2015, wobei letztlich die Anzahl der Eingebürgerten zu. sich die Dynamik 2017/2018 wieder etwas ab- Entsprechend steigt ihre Zahl in Jena relativ milderte. Aus welchen Gründen die Personen kontinuierlich um rd. 5 % pro Jahr. Mit diesem im Einzelnen nach Jena gekommen sind, ist Anstieg nimmt gleichzeitig der Anteil der einge- nicht bekannt. Die Herkunftsländer der Auslän- bürgerten Personen mit einer Wohndauer von der_innen bieten jedoch einen Anhaltspunkt: weniger als 8 Jahren in den letzten Jahren ten- Demnach ist der Anstieg im Wesentlichen auf denziell zu: Während von den 2016 eingebür- die Personengruppe aus Asien und somit auf gerten Personen ungefähr ein Viertel seit weni- die Kontexte Flucht sowie Studium/Forschung ger als 8 Jahren in der Bundesrepublik ansäs- zurückzuführen (siehe Kapitel 2.3). sig waren, traf dies 2018 bereits auf ein Drittel der eingebürgerten Personen zu. In den letzten Jahren war der Zuzug von (Spät-)Aussiedler_innen nach Deutschland Aufgrund des überproportionalen Anstiegs der marginal und die Anzahl der hier lebenden Ausländer_innen in jüngster Zeit kann in den (Spät-)Aussiedler_innen blieb somit relativ nächsten Jahrzehnten auch von einem stärke- konstant. Innerhalb von Deutschland führt die ren Anstieg an Einbürgerungen ausgegangen Binnenwanderung dieser Bevölkerungsgruppe werden. allerdings zu Veränderungen. Im Ergebnis nahm in Jena seit 2009 die Anzahl ab, wäh- rend beispielsweise in Erfurt ein Anstieg fest- gestellt werden konnte. - 10 -
ABB. 5 VERTEILUNG UND ENTWICKLUNG DER VERSCHIEDENEN GRUPPEN VON MIG- RANT_INNEN absolut 15.272 16.000 Migrant_innen 14.374 13.364 14.000 12.105 12.000 10.806 9.940 10.866 9.214 10.060 10.000 8.673 8.068 8.402 9.195 8.000 8.008 6.415 Ausländer_innen 5.766 4.653 5.119 6.000 4.293 4.465 (Spät-) 4.000 Aussiedler_innen 2.607 2.198 2.180 2.181 2.180 2.421 2.514 2.504 2.490 2.483 2.000 Eingebürgerte 2.226 1.354 1.423 1.516 1.605 1.691 1.784 1.899 1.989 2.133 0 Migrant_innen ‚ Datengrundlage: Stadt Jena Darstellung und Berechnungen: Timourou 2.2 Altersstruktur der Migrant_innen Migrant_innen sind im Durchschnitt jünger als höhere Aufenthaltsdauer auf, was sich auch in Deutsche ohne Migrationshintergrund und be- der Altersstruktur niederschlägt. wirken somit eine Verjüngung der Jenaer Be- völkerung. Dieser Effekt verstärkt sich, wenn Im Vergleich zu den Eingebürgerten und Aus- der Anteil der Migrant_innen an der Bevölke- länder_innen liegen die Anteile an der Gruppe rung zunimmt. Überdurchschnittlich stark sind „45 Jahre und älter“ bei den (Spät-)Aussied- alle Altersgruppen unter 45 Jahre vertreten, ler_innen am höchsten. Markant ist insbeson- insbesondere die der jungen Erwachsenen (18- dere die Gruppe der Senior_innen. bis unter 27-Jährige; siehe Abb. 6). Eine Besonderheit der Eingebürgerten ist hin- Bei den Ausländer_innen werden hinter die- gegen der ausgesprochen hohe Anteil an Min- ser Altersgruppe im hohen Maße Studierende derjährigen, darunter vor allem 6- bis unter 18- und Geflüchtete stehen sowie Personen im Jährige. Schätzungsweise wird ungefähr ein Kontext der Arbeitsmigration. Viertel der Minderjährigen keine eigene Migra- tionserfahrung haben, jedoch wird mindestens Im Vergleich zu den Ausländer_innen weisen ein Elternteil eine solche aufweisen.3 Insge- aufgrund der Migrationsgeschichte und der samt finden sich unter den Eingebürgerten Einbürgerungspolitik die (Spät-)Aussiedler_in- demnach häufiger Familien mit Kind(ern). nen und Eingebürgerten im Durchschnitt eine 3 Diese Einschätzung fußt auf den Ergebnissen des Mikrozensus 2016 für Deutschland. - 11 -
ABB. 6 ALTERSSTRUKTUR 2018 IM VERGLEICH Anteil in % Altersgruppe Migrant_innen 100% 3% 5% 7% 65 und mehr 14% 11% 90% 13% 24% 12% 80% 45 bis unter 65 21% 70% 19% 34% 39% 24% 27 bis unter 45 60% 19% 25% 50% 18 bis unter 27 40% 25% 27% 6 bis unter 18 11% 30% 25% 31% 20% 11% 16% 3 bis unter 6 13% 9% 10% 9% 6% 9% 3% 4% 9% 3% 5% unter 3 7% 4% 0% 3% Deutsche ohne Migrant_innen darunter darunter darunter Migrations- Eingebürgerte (Spät-)Aus- Aus- hintergrund siedler_innen länder_innen Datengrundlage: Stadt Jena Darstellung und Berechnungen: Timourou Abbildung 7 zeigt die im Zeitverlauf zuneh- schrumpfte als einzige Altersgruppe von 2009 mende Dominanz der Altersgruppen zwischen bis 2018. Trotz dieser Dynamiken konnte der 18 und unter 45 Jahren. Eine Besonderheit Alterungsprozess in Jena insgesamt nicht aus- stellt die Gruppe der Senior_innen dar, diese geglichen werden. ABB. 7 ENTWICKLUNG DER ALTERSSTRUKTUR DER MIGRANT_INNEN absolut 2009 2014 2018 6.000 5.000 4.000 3.000 2.000 1.000 0 unter 3 3 bis 6 bis 18 bis 27 bis 45 bis 65 unter unter unter unter unter und mehr 6 18 27 45 65 Jahre ‚ Datengrundlage: Stadt Jena Darstellung und Berechnungen: Timourou Link zur Tabelle - 12 -
Die dargestellte Altersstruktur wirkt sich vielfäl- einflusst. Die Auswirkungen auf dem Woh- tig aus: So werden die Integrationsprozesse in nungsmarkt zeigen sich in einer erhöhten den Kindertagesstätten, das Bildungswesen Nachfrage nach preiswertem Wohnraum mit den Schulen, Hochschulen und For- oder/und größerem Wohnraum für Familien. Im schungseinrichtungen sowie der Arbeitsmarkt Gegensatz dazu spielen jedoch die Themen sowohl bezüglich der Ausbildungs- und Weiter- Altersvorsorge und Wohnen im Alter noch eine bildungsplätze als auch der Arbeitslosigkeit be- untergeordnete Bedeutung. 2.3 Herkunftsländer der Ausländer_innen Hinsichtlich der Herkunftsländer liegen derzeit 2010 zeigt im Detail leichte Veränderungen auf kommunaler Ebene nur Daten für die auf, wobei fast alle Länder als Herkunftsge- Gruppe der Ausländer_innen vor. Aufgrund biete an Bedeutung gewonnen haben. Absolut historischer Ereignisse kommen (Spät-)Aus- betrachtet stieg die Anzahl der Eingebürgerten siedler_innen jedoch meist aus Polen, Rumä- aus der Türkei am stärksten, gefolgt von Men- nien, Kasachstan oder der Russischen Födera- schen aus dem Kosovo, der Ukraine, Polen so- tion. Bei den Eingebürgerten entsteht ein he- wie Bosnien und Herzegowina (siehe Anhang terogenes Bild: Den Ergebnissen des Mikro- Abb. 3). zensus von 2017 zufolge kommen von allen in Deutschland lebenden Eingebürgerten zwei Die Vielfalt an Herkunftsländern ist bei den Drittel ursprünglich aus einem europäischen Ausländer_innen im Vergleich am höchsten, Land, schwerpunktmäßig aus der Türkei, aus wobei auch hier der Schwerpunkt auf den eu- Polen oder der Russischen Föderation. Fast ropäischen und asiatischen Ländern liegt ein Viertel stammt ursprünglich aus Asien, bei- (siehe Abb. 8). spielsweise aus Kasachstan, dem Iran oder Af- ghanistan. Ein Blick auf die Ergebnisse von ABB. 8 AUSLÄNDER_INNEN NACH HERKUNFTSGEBIETEN IM ZEITVERLAUF absolut 6.000 Asien 5.000 Europa 4.000 Afrika 3.000 Amerika ungeklärt 2.000 Australien 1.000 und Neuseeland staatenlos 0 ‚ Datengrundlage: Stadt Jena Darstellung und Berechnungen: Timourou Inzwischen kommen die Ausländer_innen zur 0,3 % aus Australien und Neuseeland. Im Hälfte aus Asien, rd. 40 % aus Europa und je- Laufe der Zeit zeigt sich ein stetiger Anstieg weils rd. 5 % aus Afrika und Amerika sowie nur - 13 -
der Personen aus europäischen und asiati- nen und am Stichtag 31.12.2018 rd. 1.800 Per- schen Ländern und von 2014 bis 2015 kam der sonen. Demnach kommen derzeit rd. 16 % der sprunghafte Anstieg mit der Flüchtlingswande- Ausländer_innen aus Syrien (siehe Abb. 9). rung hinzu. Zwar kommen auch Personen aus Syrien oder Obwohl die einzelnen Beweggründe für ein Le- Afghanistan zum Studieren und Forschen nach ben in Jena statistisch nicht erfasst werden, Jena, doch der Kontext der Bildungsmigra- lassen sich über die Herkunftsländer Vermu- tion wird vorrangig mit Personen aus China tungen und Annahmen ableiten. Der erste und und Indien sowie aus den europäischen Län- augenfälligste Kontext wurde mit der Flucht- dern verbunden (siehe Kapitel 3.3). Auch hier migration bereits benannt. Im Besonderen zeichnet sich ein kontinuierlicher Anstieg ab, spiegelt sich dies in der Anzahl der Auslän- wonach Jena als Wissenschafts- und For- der_innen aus Syrien: Kamen Ende 2013 noch schungsstandort international an Bedeutung rd. 100 Personen ursprünglich aus Syrien, so gewinnt. Anhand der Karte ist erkennbar, dass waren es Ende 2015 bereits knapp 890 Perso- zum Beispiel 8 % der Ausländer_innen aus China und 5 % aus Indien kommen. ABB. 9 ANZAHL UND ANTEIL DER AUSLÄNDER_INNEN NACH HERKUNFTSGEBIETEN AM 31.12.2018 Datengrundlage: Stadt Jena Darstellung und Berechnungen: Timourou Die Arbeitsmigration kann ebenfalls auf Per- soziale Bindungen. Diesbezüglich bieten die sonen aus unterschiedlichen Ländern zutref- Herkunftsländer jedoch keinerlei Anhalts- fen. Aufgrund der Arbeitnehmerfreizügigkeit in- punkte. Inwelchem Maße solche Motive zur nerhalb der EU wird die wirtschaftliche Ver- Migration führten, kann nicht abgeschätzt wer- flechtung untereinander erleichtert und die Ar- den. beitsmigration befördert. Auf der Ebene der EU-Mitgliedstaaten kommen mit einem Anteil Insgesamt wird der Migration nicht selten ein von 3 % die meisten Ausländer_innen aus Ita- Mix an Handlungsmotiven zugrunde liegen. lien, gefolgt von Polen, Spanien und Bulgarien Vor allem aber steht hinter jeder Migration im- mit jeweils 2 %. mer ein individueller Abwägungs- und Ent- scheidungsprozess, der nur bedingt kategori- Weiterhin spielen individuelle Gründe bei der siert und in Zahlen ausgedrückt werden kann. Migrationsentscheidung eine wichtige Rolle, in Frage kommen etwa Neugier, Interesse oder - 14 -
2.4 Wanderungsbewegungen der Ausländer_innen Im Jahr 2018 kamen insgesamt 7.185 Perso- tergliederung der Ausländer_innen nach Her- nen nach Jena, 6.968 Personen zogen weg; kunftsländern. Die meisten Zuzüge und Ge- der Saldo lag demnach bei einem Plus von winne konnten gegenüber asiatischen Ländern rd. 200 Menschen. 40 % der Zugezogenen wa- verzeichnet werden. Dabei handelt es sich vor- ren Ausländer_innen, unter den Weggezoge- rangig um Bildungsmigration, was der Anstieg nen waren es jedoch nur 29 %, sodass sich die der Zahl Studierender aus diesen Ländern ver- Anzahl der Ausländer_innen erhöhte und die deutlicht. Lag sie zum Wintersemster 2015/16 der Deutschen ohne Migrationshintergrund noch bei 1.536, so betrug sie 2018/19 schon verringerte. Zudem sind Ausländer_innen im 2.110. Zu einem geringeren Teil ist auch der Durchschnitt deutlich mobiler als Deutsche. So Familieinnachzug Geflüchteter ein Grund für betrug die Zuzugsquote4 bei den Ausländer_in- die Zuzüge. nen 26 % und bei den Deutschen nur 4 %. Ein weiterer Unterschied kommt bei der räumli- An zweiter Stelle folgen die europäischen Län- chen Dimension zum Tragen: Ausländer_innen der, darunter vor allem EU-Mitgliedsstaaten. ziehen erwartungsgemäß häufiger über die Wanderungsverluste treten hingegen in erster Bundesgrenze nach Jena, während bei den Linie gegenüber Europa auf und weniger ge- Deutschen die innerdeutschen Wanderungsbe- genüber Asien. Dies liegt in der stärkeren wirt- wegungen stärker ausgeprägt sind. schaftlichen Verflechtung zwischen Jena und den europäischen Ländern, die zu einem stär- Im Hinblick auf die Außenwanderung – damit keren Austausch führt. Im Gegensatz dazu ist hier die Wanderung über die Grenzen des handelt es sich bisher bei der Fluchtmigration Bundesgebietes gemeint – konnte ein positiver um eine einseitige Wanderungsbewegung. In- Wanderungssaldo von 1.000 Ausländer_innen wieweit in Zukunft eine Rückwanderung in ausgewiesen werden (siehe Abb. 10). Bei den nennenswertem Maß einsetzen wird, hängt vor Wanderungsbewegungen entsteht ein analo- allem von der Integration der Geflüchteten in ges Bild zu der in Kapitel 2.3 dargestellten Un- Jena und der Situation in den Herkunftsgebie- ten ab. ABB. 10 AUSSENWANDERUNG DER AUSLÄNDER_INNEN 2018 ‚ absolut Zuzüge Wegzüge Saldo 2.500 2.000 1.500 1.000 1.000 508 500 88 229 93 1.953 83 1 188 864 225 10 8 104 554 0 -21 -100 -356 -325 -12 -7 -132 -2 -500 -953 -1.000 -1.500 Afrika Amerika Asien EU nicht-EU Ozeanien unbekannt gesamt Datengrundlage: Stadt Jena Darstellung und Berechnungen: Timourou 4 Die Zuzugsquote berechnet sich aus dem Anteil der zugezogenen Personen einer Bevölkerungsgruppe an allen Personen dieser Gruppe. - 15 -
Fügt man die Ergebnisse der Außenwande- Geflüchteter aus der Erstaufnahmeeinrichtung. rung mit denen der innerdeutschen Wande- Zum anderen stellt sich die Frage, inwieweit rung zusammen, so ergibt sich ein komplexes der in den Vorjahren beobachtbare Zuzug vor Migrationsmuster, in dem verschiedene Wan- allem anerkannter Asylbewerber aus den länd- derungsbewegungen zusamenhängen (siehe lichen Gemeinden nach Jena noch anhält. Of- Abb. 10 und 11): fensichtlich ist jedoch, dass ein Teil der Zuge- zogenen wieder weiterziehen, und zwar vor al- • Gegenüber dem Ausland erzielt Jena einen lem nach Westdeutschland. Im Ergebnis resul- deutlichen und leicht steigenen Wande- tiert daraus erstmals seit 2018 ein negativer rungsgewinn. Saldo der innerdeutschen Wanderung von • Gegenüber Thüringen wurde 2018 zwar 178 Personen. noch ein Gewiin von + 119 Ausländer_in- nen erzielt, dieser Saldo hat aber gegen- In den westdeutschen Metropolen sind vermut- über den Vorjahren deutlich abgenommen. lich die Einstiegsmöglichkeiten in den Arbeits- • Gegenüber Westdeutschland sind seit Jah- markt sowie die sozio-kulturellen Gemein- ren deutliche Wanderungsverluste zu ver- schaften stärker ausgeprägt als in Jena. Es ist zeichnen. davon auszugehen, dass dieser Prozess wei- ter anhält, je weniger das Wohnortzuweisungs- Der Rückgang aus Thüringen begründet sich gesetz eine beschränkende Wirkung entfaltet. 5 zum einen aus den geringeren Zuweisungen ABB. 11 INNERDEUTSCHE WANDERUNG DER AUSLÄNDER_INNEN 2018 absolut Zuzüge Wegzüge Saldo 2.500 2.000 1.500 1.000 500 119 891 342 57 126 5 361 5 0 -552 -67 -121 -242 -87 -10 -210 -82 -178 -500 -1.069 -1.000 -1.500 West- Berlin Ost- Thüringen unbekannt gesamt deutschland deutschland ‚ ohne Thüringen Datengrundlage: Stadt Jena Darstellung und Berechnungen: Timourou 5 Gemäß des Wohnortzuweisungsgesetzes können die Geflüchteten drei Jahre lang nach der Anerkennung ihren Wohnsitz nicht außerhalb von Thüringen wählen, außer zur Aufnahme einer Arbeit. - 16 -
2.5 Ausländer_innen nach Aufenthaltszwecken Reist eine ausländische Person nach Deutsch- land beziehungsweise Jena und möchte sich Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dort länger aufhalten, so muss ein Antrag ge- (BAMF) prüft die Anträge der Asylbewerber_in- stellt werden, um einen Aufenthaltstitel erhal- nen. Die Anzahl der Jenaer Asylbewerber_in- ten zu können.6 Von dieser Regelung ausge- nen im Verfahren stieg von 36 Personen im nommen sind Bürger_innen aus einem EU-Mit- Jahr 2012 auf 510 Personen im Jahr 2016 gliedstaat oder einem anderen Mitgliedstaat deutlich an und sank 2018 auf 317 Personen des Europäischen Wirtschaftsraums sowie (siehe Abb. 12 und Anhang Abb. 4). Nach der Diplomaten – für sie gilt die Freizügigkeit. Bearbeitung erhalten Asylbewerber_innen ent- weder einen positiven oder negativen Be- Jeweils im Dezember eines Jahres waren in scheid. Den Ergebnissen nach stieg im Jahr den letzten neun Jahren in Jena durchschnitt- 2018 auch die Anzahl abgelehnter Asylbewer- lich knapp 650 Anträge in Bearbeitung ber_innen und damit ausreisepflichtiger Aus- (siehe Abb. 12). Den Antrag auf eine Aufent- länder_innen auf 115 Personen. In der Jah- haltserlaubnis müssen Studierende, die aus ei- ressumme haben 2018 30 Personen, die durch nem Nicht-EU-Land kommen, stellen. Indem Ablehnung oder Rücknahme der Asylanträge häufig im Oktober das Studium begonnen wird, ausreisepflichtig geworden sind, die Stadt ver- nimmt im Zeitverlauf eines Jahres zu jedem lassen. Im Jahr zuvor waren es knapp 46 Per- Wintersemester die Anzahl zu. Zudem stieg sonen. Weitere 26 Personen haben durch ei- mit dem stärkeren Zuzug von Geflüchteten im nen Erfolg vor der Thüringer Härtefallkommis- Jahr 2015 die Anzahl durch Verzögerungen bei sion den Status „ausreisepflichtiger abgelehn- der Antragsbearbeitung kurzfristig auf ter Asylbewerber“ verloren. 1.215 Anträge an. ABB. 12 AUSLÄNDER_INNEN NACH AUFENTHALTSZWECK absolut 6.000 5.372 5.726 mit befristetem Aufenthalt 5.000 4.726 mit unbefristetem 4.000 Aufenthalt 3.438 3.741 3.273 3.239 2.889 3.000 2.674 mit aktuellen Anträgen 2.419 2.275 (in Bearbeitung) 2.134 2.872 2.912 2.000 2.479 1.873 2.040 2.149 1.215 Asylbewerber_innen 819 im Verfahren 1.000 589 967 494 521 468 529 435 314 510 322 63 53 133 131 109 317 21 36 29 79 115 abgelehnte 0 Asylbewerber_innen/ ausreisepflichtige Ausländer_innen ‚ Datengrundlage: Stadt Jena Darstellung und Berechnungen: Timourou 6 In Deutschland werden die Einreise und der Aufenthalt im Wesentlichen im Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ge- regelt. Der Aufenthalt von Ausländer_innen wird in Form und Dauer immer an einen Aufenthaltszweck gebun- den. - 17 -
Asylbewerber mit einem positiven Bescheid er- der Ausländer_innen mit einer befristeten Auf- halten in aller Regel eine befristete Aufent- enthaltserlaubnis schätzungsweise zwei Drittel haltserlaubnis.7 Aufgrund der Bearbeitungs- ohne einen Fluchtkontext nach Jena. Neben zeit erfolgte der Anstieg zeitlich versetzt erst im den Geflüchteten stellen die Studierenden und Jahr 2016. Ende 2018 waren in Jena Auszubildenden mit 34 % eine größere Gruppe 5.726 Ausländer_innen mit einer befristeten dar. Auch wenn der Anteil im Jahr 2010 bei Aufenthaltserlaubnis gemeldet, darunter 46 % lag, ihre Anzahl ist deutlich von 861 Per- 2.043 Personen (36 %) aus humanitären be- sonen auf 1.935 Personen im besagten Zeit- ziehungsweise politischen Gründen (siehe raum angestiegen. Absolut betrachtet wuchs Abb. 12 und Abb. 13). Weiterhin stieg die Anzahl auch die Anzahl der Erwerbstätigen, wobei mit der aus familiären Gründen zugezogenen Aus- dem deutlichen Anstieg der Geflüchteten der länder_innen auf 1.214 Personen, was unter Anteil bezogen auf alle Personen mit einer be- anderem auf den Familiennachzug zurückzu- fristeten Aufenthaltserlaubnis auf 9 % sank. führen ist. Im Ergebnis kamen aus der Gruppe ABB. 13 AUSLÄNDER_INNEN MIT BEFRISTETER AUFENTHALTSERLAUBNIS 2010 UND 2018 2010 2018 Studium oder 9% Ausbildung Erwerbstätigkeit 34% 46% 36% 33% familiäre Gründe 9% humanitäre, 12% 21% politische Gründe ‚ Datengrundlage: Stadt Jena Darstellung und Berechnungen: Timourou Ausländer, die eine Niederlassungserlaubnis vor eine befristete Aufenthaltserlaubnis erhal- erhalten, können sich unbefristet in Deutsch- ten hatten und nach einer bestimmten Zeit und land aufhalten. Dies traf in Jena Ende 2018 anhand gewisser Kriterien inzwischen eine auf 3.741 Ausländer_innen, rd. 34 % aller Aus- Niederlassungserlaubnis bekommen haben. länder_innen, zu; 2010 waren es noch unge- Ausländer_innen, darunter sogenannte Kon- fähr 1.600 Personen weniger. Unter ihnen sind ventionsflüchtlinge (Anerkennung gemäß der fast zwei Drittel EU-Bürger_innen, Schwei- Genfer Flüchtlingkonvention), können aus hu- zer_innen oder ihre Familienangehörigen. manitären oder politischen Gründen direkt eine Auch die Anzahl der übrigen Ausländer_innen unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhalten – mit einer Niederlassungserlaubnis ist auf ihre Anzahl ist in Jena jedoch in den letzten 900 Personen gestiegen. Darunter zählen neun Jahren auf 397 Personen leicht gesun- auch nach Jena geflüchtete Personen, die zu- ken. 7 Eine Aufenthaltserlaubnis gilt je nach Herkunft und entsprechenden Umständen entweder drei Jahre oder ein Jahr, in der Regel aber immer mindestens ein Jahr (vgl. BAMF: Ablauf eines Asylverfahrens, Stand Oktober 2016). - 18 -
3 Soziale und sozioökonomische Merkmale Die Zunahme an Personen mit Migrationshin- Themenkomplexe zu vertiefen, wird die Situa- tergrund hat zahlreiche ökonomische, soziale tion in sozialen Einrichtungen, Bildungseinrich- und gesellschaftliche Auswirkungen. Um diese tungen und auf dem Arbeitsmarkt untersucht. 3.1 Kinder, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist, in den Kindertagesein- richtungen Der Integrationsprozess beginnt bereits im Kin- Die Bedeutung dieses Themas hat in den letz- desalter, weshalb hier auch die Entwicklungen ten Jahren zugenommen, denn in den Jenaer in den Kindertageseinrichtungen analysiert Kindertageseinrichtungen stieg der Anteil der werden. Informationen zum Integrationsverlauf Kinder, deren Herkunftssprache nicht Deutsch liegen nicht vor, jedoch existieren Angaben zu ist, von 7,8 % im Jahr 2009 auf 13,2 % im Jahr den Anzahlen der Kinder in Jenaer Kinderta- 2018 (siehe Abb. 14). Damit verändern sich geseinrichtungen, deren Herkunftssprache die Anforderungen an die frühkindliche Erzie- nicht Deutsch ist beziehungsweise die einen hung und Bildung. Migrationshintergrund aufweisen. Wichtig ist an dieser Stelle, dass bei der Schul- sowie Kin- Absolut betrachtet waren Ende 2018 insge- der- und Jugendhilfestatistik von einem Migra- samt 749 Kinder mit Migrationshintergrund in tionshintergrund gesprochen wird, wenn in der den Einrichtungen gemeldet. Seit 2009 nahm Familie oder im häuslichen Umfeld des Minder- die Anzahl pro Jahr um durchschnittlich 45 Kin- jährigen nicht vorrangig „deutsch“ gesprochen der zu, was insgesamt einem Anstieg um wird. Diese Angabe wird bei der Anmeldung 117 % entspricht. des Kindes erfasst. Bildung und Arbeit als Grundvoraussetzung für eine gelingende Integration Migrant_innen und darunter Ausländer_innen Darüber hinaus findet an der Universität und sind im Durchschnitt jünger als Deutsche ohne an der Hochschule verstärkt ein internationaler Migrationshintergrund. Da ihre absolute Zahl Wissenstransfer statt. Ausländische Studie- und ihr prozentualer Anteil in den letzten Jah- rende und Forschende sind jedoch überwie- FAZIT ren zugenommen haben, gewinnt dieses gend zeitlich befristet in Jena. Thema in den Kindertages- und Bildungsein- Auf dem Arbeitsmarkt ist die Stellung der Aus- richtungen an Bedeutung. Räumlicher Schwer- länder_innen ungünstiger als die der Deut- punkt ist der Planungsraum Lobeda mit einem schen – sie sind häufiger von Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich hohen Anteil an ausländi- betroffen und folglich abhängig von sozialen schen Schüler_innen und entsprechenden Er- Leistungen. Aufgrund des Mengeneffektes fahrungen. stieg allerdings ihre Bedeutung auf dem Ar- beitsmarkt. - 19 -
ABB. 14 KINDER, DEREN HERKUNFTSSPRACHE NICHT DEUTSCH IST, IN DEN KINDERTA- GESEINRICHTUNGEN Kinder mit deutscher Herkunftssprache absolut Kinder, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist Anteil in % 6.000 15,0% Anteil Kinder, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist 13,2% 5.000 11,7% 12,5% 10,4% 9,6% 4.000 9,1% 10,0% 7,8% 8,1% 7,8% 7,9% 7,8% 3.000 7,5% 4.990 4.918 4.919 4.833 4.787 4.678 4.534 4.396 4.195 4.074 2.000 5,0% 1.000 2,5% 477 515 572 661 749 345 370 374 389 396 0 0,0% 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Datengrundlage: Stadt Jena Darstellung und Berechnungen: Timourou 3.2 Schüler_innen, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist, an den Schulen Nach Angaben des Thüringer Ministeriums für der Kinder im Grundschulalter (6 bis unter Bildung, Jugend und Sport gehen im Schuljahr 10 Jahre) an allen Kindern im schulfähigen Al- 2018/2019 rd. 9.700 Schüler_innen in ausge- ter (6 bis unter 18 Jahren) jeweils bei rd. 37 %. wählte Jenaer Schulen8, darunter 12 % bezie- Aus diesem Grund liegt die Vermutung nahe, hungsweise fast 1.200 Personen mit nicht- dass in den Grundschulen die erhöhte Präsenz deutscher Herkunftssprache.9 der Schüler_innen, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist, auf unterschiedliche Fähig- Eine Auswertung nach der Schulart ergibt, keiten – insbesondere Sprachkenntnisse – und dass die Jenaer Schüler_innen zu jeweils fast Möglichkeiten der Kinder und Jugendlichen so- einem Drittel eine Grundschule, Gemein- wie auf die Zugangsvoraussetzungen in den schaftsschule oder Gymnasium besuchen. Schulen zurückzuführen ist. Im Umkehrschluss Schüler_innen, deren Herkunftssprache nicht führt die Zugangsbedingung der Gymnasien, Deutsch ist, sind mit 41 % in den Grundschu- dass Schüler_innen im Fach Deutsch mindes- len überrepräsentiert und mit rd. 16 % auf den tens die Note „gut“ erreicht haben, zu einer Un- Gymnasien unterrepräsentiert. Diese Differenz terrepräsentation von Schüler_innen, deren kann jedoch nicht über eine unterschiedliche Herkunftssprache nicht Deutsch ist. Darüber Altersstruktur erklärt werden. Denn relativ un- hinaus kommt für sie auf Gymnasien das Erler- abhängig vom Migrationshintergrund lag den nen einer zweiten Fremdsprache erschwerend Ergebnissen von MigraPro zufolge der Anteil hinzu. 8 Die Schüler_innenzahlen an Berufs- und Privatschulen wurden in dieser Statistik nicht erfasst. 9 Nach den Ergebnissen von MigraPro waren Ende 2018 insgesamt 1.923 Personen im Alter von 6 bis unter 18 Jahren in Jena gemeldet. Auch unter der Berücksichtigung, dass nicht alle Kinder und Jugendliche mit Mig- rationshintergrund in Jena zur Schule gehen, fallen die Anzahlen in der Schul- sowie Kinder- und Jugendhil- festatistik geringer aus. - 20 -
Für eine Verbesserung der Sprachstände wer- Einerseits gehen die meisten Schüler_innen, den entsprechende Kurse angeboten, darunter deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist, in Vor-, Grund- und Aufbaukurse.10 Der Anteil der Lobeda zur Schule (511 Schüler_innen, bezie- Schüler_innen, die einen Förderungsbedarf hungsweise 43 %) und andererseits liegt dort haben, liegt erwartungsgemäß in den Grund- der Anteil der Schüler_innen mit nicht-deut- schulen und Gemeinschaftsschulen am höchs- scher Herkunftssprache an allen Schüler_in- ten. nen am höchsten (18 %). Einzelne Schulen verfügen dort bereits über langjährige Erfah- Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, rungen mit der Beschulung von Kindern nicht- welche Schulen die Schüler_innen mit nicht- deutscher Herkunftssprache, was die teilweise deutscher Herkunftssprache besuchen. Das höheren Anteile von Schüler_innen nicht-deut- räumliche Muster hängt dabei zum einen von scher Herkunftssprache erklärt. Nach den Er- den Schulstandorten und den jeweiligen Bil- gebnissen von MigraPro wohnen 43 % der 6- dungsprofilen ab und zum anderen von den bis unter 18-jährigen Migrant_innen in Lobeda; Wohnstandorten der Schüler_innen. Im Ergeb- ebenfalls 43 % der Schüler_innen mit nicht- nis wird der Planungsraum Lobeda als deutscher Herkunftssprache gehen dort zur Schwerpunktraum deutlich (siehe Abb. 15). Schule. Die jeweils gleichen Anteile weisen da- Gleichzeitig nahm dort seit 2016 die Anzahl rauf hin, dass es im Saldo in Lobeda nicht zu der Schüler_innen mit nicht-deutscher Her- einer zusätzlichen Konzentration im Bildungs- kunftssprache überdurchschnittlich stark zu. bereich kommt. ABB. 15 SCHÜLER_INNEN, DEREN HERKUNFTSSPRACHE NICHT DEUTSCH IST, SCHULJAHR 2018/2019 ‚ Datengrundlage: Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (Stichtag 03.05.2019) Kartengrundlage: Stadt Jena Darstellung und Berechnungen: Timourou 10 Vorkurse zielen auf die Alphabetisierung sowie die Vermittlung von Grundkenntnissen der deutschen Sprache gemäß A 1. Im Grundkurs geht es um Deutschkenntnisse gemäß B 1 sowie um eine Hinführung zu Fachspra- chen. Der Aufbaukurs vermittelt Deutschkenntnisse gemäß B 2 sowie Grundkenntnisse in Fach- und Bil- dungssprachen. - 21 -
In den Planungsräumen West/Zentrum und deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist, auf. Winzerla liegen die Anteile nicht-deutscher Zudem ist der Planungsraum Ost der einzige, Schüler_innen an allen Schüler_innen bei je- in dem seit 2016 die Anzahl der Schüler_innen weils rd. 13 %. Dies entspricht in etwa dem ge- mit nicht-deutscher Herkunftssprache abge- samtstädtischen Durchschnitt. nommen hat. Die Planungsräume Ost und Nord weisen un- terdurchschnittliche Anteile an Schüler_innen, 3.3 Ausländische Studierende an Universität und Hochschule Möchte ein Studierender aus dem Ausland ent- samt 21.773 Personen. Ausschlaggebend da- weder an der Friedrich-Schiller-Universität für ist der Rückgang deutscher Studierender – (FSU) oder an der Ernst-Abbe-Hochschule seit dem Wintersemester 2009/2010 um 23 %. (EAH) in Jena studieren, so wird dies von den Gleichzeitig hat sich die Anzahl der ausländi- jeweiligen Einrichtungen erfasst und veröffent- schen Studierenden mehr als verdoppelt licht. Angaben über Migrant_innen insgesamt (+117 %), was den Rückgang jedoch nicht liegen jedoch nicht vor. Der Erfassung liegen ausgleichen konnte. Im Ergebnis stieg der An- jedoch unterschiedliche Stichtage zugrunde: teil ausländischer Studierender von 6 % auf in- Bei der FSU zählt der 31.10. und bei der EAH zwischen 16 % an (siehe Abb. 16).11 Beson- der 4., 5. oder 6.11. eines Jahres. ders stark war die Zunahme an der EAH um 284 % (FSU 86 %), auch liegt der Anteil von Generell hat die Gesamtzahl der Studierenden Ausländer_innen mit 21 % bei der EAH höher in den letzten Jahren stetig abgenommen und als mit 14 % bei der FSU, absolut betrachtet ist lag im Wintersemester 2018/2019 bei insge- es jedoch umgekehrt. ABB. 16 ENTWICKLUNG DER ANZAHL DER AUSLÄNDISCHEN STUDIERENDEN Deutsche an der FSU Deutsche an der EAH Ausländer_innen an der FSU Ausländer_innen an der EAH Anteil Ausländer_innen Studierende Anteil Ausländer_innen 40.000 18% 16% 35.000 15% 16% 14% 13% 14% 30.000 12% 255 249 262 12% 25.000 344 10% 1.334 1.477 1.586 406 514 1.776 1.994 603 741 841 978 4.713 4.511 10% 4.436 4.261 2.177 2.264 20.000 2.336 2.390 2.478 7% 4.193 7% 4.012 3.878 3.807 8% 6% 9% 3.672 3.616 15.000 6% 10.000 19.173 19.267 18.760 17.913 17.042 16.078 15.540 15.236 4% 14.933 14.701 5.000 2% 0 0% 2009/ 2010/ 2011/ 2012/ 2013/ 2014/ 2015/ 2016/ 2017/ 2018/ 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 ‚ Wintersemester Datengrundlage: Friedrich-Schiller-Universität und Ernst-Abbe-Hochschule Darstellung und Berechnungen: Timourou 11 Im Vergleich dazu lag der Anteil ausländischer Studierender beispielsweise in Göttingen 2016 bei 13 %, die Westfälische Wilhelms-Universität in Münster wies 2015 rd. 8 % auf. - 22 -
An der EAH studiert ungefähr die Hälfte der Geisteswissenschaften. Jeweils kommen die Ausländer_innen den Studiengang SciTec meisten Studierenden aus Asien nach Jena (Präzision-Optik-Materialien-Umwelt). Deut- (EAH 75 % und FSU 55 %) (siehe Abb. 17). sche Studierende wählen diesen Studiengang An der EAH sind allerdings in erster Linie Stu- nur zu 15 %. Die Studienfachwahl an der FSU dierende aus Indien und an der FSU aus China ist bei den ausländischen Studierenden deut- eingeschrieben. Studierende aus europäischen lich variabler – gewählt werden sowohl Fächer- Ländern verbleiben in etwa auf dem Niveau gruppen der Mathematik/Naturwissenschaften von ungefähr 900 Personen. als auch der Rechts-, Wirtschafts-, Sozial- und ABB. 17 ENTWICKLUNG DER ANZAHL DER AUSLÄNDISCHEN STUDIERENDEN NACH HER- KUNFTSKONTINENTEN Studierende 4.000 3.456 3.500 3.231 insgesamt 3.072 2.867 3.000 2.691 Asien 2.400 2.500 2.120 2.110 1.848 1.876 Europa 2.000 1.726 1.758 1.589 1.536 1.466 1.500 1.268 Afrika 1.064 852 909 1.000 775 961 991 970 947 Amerika 831 891 891 500 687 750 660 0 sonstige 2009/ 2010/ 2011/ 2012/ 2013/ 2014/ 2015/ 2016/ 2017/ 2018/ 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 ‚ Datengrundlage: Friedrich-Schiller-Universität und Ernst-Abbe-Hochschule Darstellung und Berechnungen: Timourou 3.4 Beschäftigungsverhältnisse und Gewerbeanmeldungen von Auslän- der_innen Die Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht die Bedeutung, denn ihre Anzahl ist stärker gestie- Anzahl sozialversicherungspflichtig Be- gen als die der Deutschen, womit der Anteil an schäftigter in Jena nach Staatsangehörigkeit. allen Beschäftigten von 3 % auf 6 % zunahm Im Zeitraum von Dezember 2013 bis Juni (siehe Kasten Voraussetzungen für den Zugang 201812 verbesserte sich in Jena die Arbeits- zum Arbeitsmarkt). Die zunehmende Bedeutung platzsituation und sowohl bei den Deutschen ist jedoch nur ein Ergebnis des Mengeneffek- als auch bei den Ausländer_innen nahm die tes und nicht einer besseren Integration der Anzahl sozialversicherungspflichtig Beschäftig- Ausländer_innen in den Arbeitsmarkt. Bei Aus- ter zu (siehe Abb. 18). Ausländer_innen ge- länder_innen ist angesichts der zahlreichen winnen für den Arbeitsmarkt zunehmend an Studierenden, Asylbewerber_innen und teil- weise eingeschränkten Arbeitsberechtigungen 12 Aktuelle Daten für Dezember 2018 lagen zum Bearbeitungszeitpunkt nicht vor. Im Vergleich zum Dezember fallen die Ergebnisse im Juni in der Regel etwas positiver aus. - 23 -
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