MinervaPreis 2020 Förderverein Museum Jülich e. V - Förderverein Museum Jülich e. V - Stadt Jülich
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MinervaPreis-Verleihung 2020 Einleitung an Conrad Doose Professor Dr.-Ing. Wolfgang Marquardt Vorsitzender des Fördervereins Museum Jülich e. V. Bereits kurz nach dem Vorstandsbeschluss im Frühjahr, Conrad Doose mit dem Vorstandsvorsitzender des Forschungszentrums Jülich MinervaPreis 2020 zu ehren, wurde klar, dass diese Verleihung eine ungewöhnliche würde. Bis zum Oktober hoffte der Vorstand, eine kleine Feier vor begrenztem Publi- kum im Rahmen der Corona-Verordnung durchführen zu können. Als auch dies unmög- lich wurde, blieb nur die Preisübergabe an Conrad Doose im privaten Kreis – in der Hoffnung, die öffentliche Würdigung im Frühsommer 2021 nachholen zu können. Am 10. Januar 2021 verstarb der Preisträger dann – auch angesichts seines hohen Alters – Renaissance-Idealstadt Jülich als einzig- Conrad Doose kannte, weiß, dass dieses plötzlich. artig bekannt zu machen und zu erhalten, Zitat die Art seines Engagements treffend Der Vorstand möchte mit der Herausgabe einer Broschüre zum MinervaPreis, die bei ihm Zuhause noch persönlich über- beschreibt: Die sinnstiftende Wirkung bei den bisherigen Preisträgern die bei der Preisübergabe gehaltenen Reden dokumen- reicht haben zu können. Wenige Wochen seines Handelns war für ihn stets von tierte, den Preisträger 2020 Conrad Doose und sein Wirken für Jülich würdigen. später verstarb Conrad Doose. Wie gerne hoher Bedeutung. Und immer war er von Wir sind allen Beteiligten für die Unterstützung bei diesem Vorhaben dankbar. hätten wir ihn im Rahmen einer Feier- Neugier getrieben: Sowohl während sei- stunde geehrt, um die Preisverleihung ner 25-jährigen Tätigkeit als Leiter der mit zahlreichen seiner Weggefährtinnen Zentralen Werkstätten im Forschungs- und Weggefährten feierlich zu begehen. zentrum Jülich als auch während seines Doch die pandemiebedingten Kontakt- langjährigen Einsatzes für Städtebau und beschränkungen verhinderten dies und Heimatpflege. Beständigkeit war Teil sei- machten eine Publikumsveranstaltung nes Charakters und drückte sich beruflich leider unmöglich. und ehrenamtlich in treuer Verbundenheit Stattdessen empfing uns Conrad Doo- und unermüdlichem Engagement aus. se gemeinsam mit seiner Ehefrau an ei- nem sonnigen Tag kurz vor Weihnachten im Garten seines Hauses. Seine Herzlich- keit war ebenso groß wie seine Freude 3 Einleitung 13 Aus der MinervaGalerie des Museums: darüber, die Ehrung entgegennehmen zu Professor Dr.-Ing. Wolfgang Marquardt Göttlicher Alltag – alltägliche Gottheit Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Marquardt dürfen. Zugleich wirkte der stets beschei- Vorsitzender des Fördervereins Museum Jülich e. V. den auftretende Conrad Doose auch ein Maria Hintzen-Muckel Museum Zitadelle Jülich wenig stolz, stehen der MinervaPreis und die gleichnamige römische Göttin symbo- 6 Grußwort Sehr geehrte Frau Ministerin Schar- lisch doch für „seine“ Stadt Jülich: Mit renbach, sehr geehrter Herr Bürgermeis- dem MinervaPreis ehrt der Förderverein Axel Fuchs 18 Förderprojekte des Vereins: Bürgermeister der Stadt Jülich ter Fuchs, liebe Mitglieder des Rates Museum Jülich seit 1994 alle zwei Jahre Schirmers Vermächtnis – der Stadt Jülich, sehr geehrte Minerva- Persönlichkeiten und Institutionen, die Ankauf und Restaurierung von Werken Preis-Träger der vergangenen Jahre, liebe sich in besonderem Maße für die Stadt Mitglieder des Fördervereins Museum Jülich sowie die Region in den Bereichen 7 Laudatio aus dem künstlerischen Nachlass Jülich, liebe Vorstandskollegen, meine Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft Ina Scharrenbach Marcell Perse sehr verehrten Damen und Herren, liebe verdient gemacht haben. Minerva steht Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Leiter des Museums Zitadelle Jülich Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen Kolleginnen und Kollegen. hierbei als Schutzpatronin der Weisheit, Conrad Doose habe das Erscheinungs- schönen Künste und des Handwerks. Sie bild Jülichs geprägt wie nur wenige andere übernimmt damit die Rolle als Hüterin 24 Die MinervaPreis-Träger seit dem Wiederaufbau, so beschrieb des Wissens und vereint so Historie und 8 Würdigung 1994 – 2020 Dr. Rüdiger Urban, Vorsitzender des Moderne symbolisch miteinander. So Dorothée Schenk und Wolfgang Hommel Fördervereins Festung Zitadelle Jülich, auch Conrad Doose, der es verstand, die Vorstand des Fördervereins Museum Jülich e. V. vor wenigen Jahren unseren diesjährigen historische Vergangenheit der Stadt 26 Impressum MinervaPreis-Träger. Jülich mit Gegenwart und Zukunft der Es ist tragisch und bestürzend, dass Stadtentwicklung zu verbinden. 10 Dankesworte Conrad Doose diese Festschrift nicht „Es reichte mir nicht, einfach irgend- Conrad Doose 27 Der Förderverein Museum Jülich e. V. mehr erleben kann. Umso mehr tröstet wo nur zu sein, um dort zu leben oder Ehrenvorsitzender des Fördervereins Festung stellt sich vor es mich, ihm den Preis für sein langjäh- zu arbeiten. Ich wollte immer einen größe- Zitadelle Jülich e. V. riges Engagement, die Pasqualinische ren Zusammenhang kennenlernen.“ – Wer 2 MinervaPreis Jülich | 2020 MinervaPreis Jülich | 2020 3
Der Förderverein Museum Jülich e. V. verleiht den MinervaPreis Jülich im Jahr 2020 Herrn Dipl.-Ing. Conrad Doose für sein langjähriges, unermüdliches Engagement, die Pasqualinische Renaissance-Idealstadt Jülich als einzigartig bekannt zu machen, Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Marquardt bei der MinervaPreis-Übergabe an Conrad Doose (links) im Dezember 2020 zu erhalten und zu schützen. Ebenfalls nahezu ein Vierteljahr- In einer Zeit, in der Wandel allgegen- Doose erforschte, hatte Mauern, die in hundert war er Vorsitzender des Förder- wärtig ist und sich auf zahlreiche gesell- der damaligen Zeit eine elementare Funk- vereins Festung Zitadelle Jülich und schaftliche Bereiche erstreckt, erweist tion erfüllten und noch heute als Jülicher übernahm dabei gesellschaftliche Verant- sich das historische Erbe, um das sich Sinnbild für Historie und Tradition stehen. wortung, um Mehrwerte für die Stadt Conrad Doose so verdient gemacht hat, So sehr Conrad Doose Mauern als Zeug- Jülich und ihre Bürgerinnen und Bürger zu als besonders wertvoll. Wir danken ihm nissen der Geschichte verbunden war, schaffen. So engagierte er sich im Jahre für sein Engagement. Auch weil es zeigt, so selbstverständlich war es für ihn, 1990 für einen Bürgerantrag, um die dass das Zusammenspiel aus beruf- dass im Denken Mauern, die die Perspek- Renaissance-Idealstadtanlage und deren lichem Einsatz in einer dem Wandel durch tive einschränken, keinen Platz haben historisches Umfeld nach dem Landes- Innovation verpflichteten Einrichtung wie dürfen, damit Neues seinen Weg finden Denkmalgesetz zu schützen. Das Vor- dem Forschungszentrum sowie dem kann. Dass im Bewusstsein der Vergan- haben gelang und zeigte einmal mehr, ehrenamtlichen Engagement für die Stadt genheit der Weg in eine gute offene wie sehr Conrad Doose für Fortschritt Jülich identitätsstiftend wirkt – für die Zukunft führen kann, dafür hat sich und Wandel eintrat, ohne dabei jedoch Engagierten selbst, aber auch für die Conrad Doose sein ganzes Leben einge- den Wert der Vergangenheit aus den Nachbarschaft in und um Jülich. Die setzt. Wir werden uns dankbar an ihn Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Marquardt Dorothée Schenk, M. A. Augen zu verlieren. Pasqualinische Idealstadt, die Conrad erinnern. 1. Vorsitzender Stellvertretende Vorsitzende Jülich, 16. Dezember 2020 4 MinervaPreis Jülich | 2020 MinervaPreis Jülich | 2020 5
Grußwort Laudatio Axel Fuchs Ina Scharrenbach Bürgermeister der Stadt Jülich Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen Historische Festungsstadt – Moderne Der Förderverein Museum Jülich e. V. Der mit dem MinervaPreis 2020 ge- schen Bauwerke erhalten und gewürdigt Forschungsstadt ehrt mit dem MinervaPreis im Jahr 2020 ehrte Conrad Doose war auf denkwürdige werden. Dafür interessierte er sich als Dass dies heute in Jülicher Ohren so einen Mann, der über eine sehr lange Zeit Weise mit Jülich verbunden. Als gebore- Zugezogener – und dafür setzte er sich selbstverständlich klingt, ist zu einem mit großem Engagement als streitbarer ner Norddeutscher hat er in seiner Wahl- über Jahrzehnte bis ins hohe Alter uner- großen Teil dem unermüdlichen Wirken Geist zur Entwicklung des heutigen heimat starke Wurzeln geschlagen und müdlich ein. Beharrlich und streitbar ist von Conrad Doose in den vergangenen Selbstverständnisses unserer Stadt bei- sich in der Festungsstadt tief verankert. er im Förderverein Festung Zitadelle für rund drei Jahrzehnten zu verdanken. Als getragen hat. Mit dem Wunsch, in der neuen Umge- den Schutz und für die Weiterentwicklung Wahl-Jülicher und Autodidakt hat er sich Dass Conrad Doose so kurz nach der bung heimisch zu werden, verband er das des Jülicher Wahrzeichens eingetreten, für die Entwicklung des historischen Er- Preisverleihung verstorben ist, hat mich Interesse an der Jülicher Geschichte und davon nahezu ein Vierteljahrhundert als bes unserer Stadt eingesetzt. Die Wert- sehr bewegt. Mit Dank und großer Aner- Architektur. Daraus erwuchs schon bald Vorsitzender dieser verdienstvollen ehren- schätzung der historischen Stadtgestalt kennung werde ich ihn im Gedächtnis ein überaus engagierter Einsatz für das amtlichen Organisation. Conrad Dooses als Grundlage für die Identität der Stadt behalten. Mein Mitgefühl gilt der Familie. baukulturelle Erbe der Stadt. Gerade im Wirken steht dafür, dass Heimat dort ist, in das Bewusstsein der Menschen zu Den Verantwortlichen des Förderver- als „ideale“ Renaissance-Stadt errichte- wo wir ein funktionierendes soziales Netz- bringen, war ihm ein wichtiges Anliegen. eins Museum Jülich danke ich für das ten und im Zweiten Weltkrieg nahezu werk haben, wo wir eingebettet sind in Das Stadtlogo ist damit auch ein Ergeb- stetige Engagement. komplett zerbombten Jülich, fand Conrad einen verlässlichen Kreis aus Angehörigen, nis seiner Arbeit. Doose, sollten die verbliebenen histori- Freundinnen und Freunden, Kolleginnen Sein Wirken war durchaus maßgeblich und Kollegen. Als Ingenieur im For- dafür, dass das Bewusstsein für den Wert schungszentrum Jülich hatte er die der Zitadelle für die städtische Identität Leitung der Zentralwerkstätten übernom- Bürgermeister Axel Fuchs in die Mitte des Bewusstseins Aller ge- men und damit die Verantwortung für die Ministerin Ina Scharrenbach langt ist. Als langjähriger Vorsitzender anspruchsvolle Einzelanfertigung von und zuletzt Ehrenvorsitzender des Förder- Versuchseinrichtungen. Und in seinem Sehr geehrte Damen und Herren, wie vereins Festung Zitadelle Jülich hat er Ehrenamt hat er sich ebenfalls an zentraler Projekte wurden bislang rund 65 Millio- gerne hätte ich Sie im Namen von Rat sich ganz und gar dieser Sache verschrie- Stelle engagiert und das Gemeinwesen nen Euro freigegeben. Weil wir das Enga- und Verwaltung der Stadt Jülich in der ben. vorangebracht. Denn sein Interesse für gement von Bürgerinnen und Bürgern, Schlosskapelle begrüßt. Sie alle und ganz Zahlreiche Abhandlungen und Veröf- das Jülicher baukulturelle Erbe war kein von Vereinen und Initiativen auszeichnen besonders den MinervaPreis-Träger des fentlichungen zeugen von seinem her- Selbstzweck: Immer ging es ihm darum, und weiter anregen möchten, verleihen Jahres 2020, Herrn Conrad Doose. Leider ausragenden Interesse an der Geschichte die einmaligen Zeugnisse der Geschichte wir seit 2019 für besonders wirkungsvol- sollte es ganz anders kommen. unserer Stadt. Auch in unzähligen ins Bewusstsein der Stadtgesellschaft zu le und wegweisende Projekte die Heimat- Aufgrund der im Dezember geltenden Führungen gab er seine Erkenntnisse holen und für die Allgemeinheit zu erhalten. preise des Landes Nordrhein-Westfalen. strengen Corona-Regeln war die geplante weiter. Als Pasqualini-Experte hat er So wie Conrad Doose es in und für Denn außergewöhnliches Engagement feierliche Preisverleihung mit der Lauda- Jülich auch überregional repräsentiert. Jülich getan hat, so setzen sich in ganz verdient es, öffentlich gewürdigt zu wer- torin Ina Scharrenbach, Ministerin für Geschichte war für ihn nicht nur Selbst- Nordrhein-Westfalen Tausende für die den. So wie es in Jülich mit dem Minerva- Heimat, Kommunales, Bau und Gleich- zweck, vielmehr hat er immer wieder den lokale Geschichte und Kultur ein. Sie las- Preis geschieht, bei dem die römische stellung des Landes NRW nicht möglich. Wert der Historie für das Stadtmarketing sen die Vergangenheit lebendig werden Göttin der Weisheit als Sinnbild für Ver- Daher fand die Überreichung des Minerva- betont. und sie gestalten die Gegenwart und die dienste um Kultur, Wissenschaft und Preises im allerkleinsten Kreis durch den Die Minerva verdeutlicht die enge Zukunft ihrer Heimat tatkräftig mit. Unse- Wirtschaft steht. Sehr gern hätte ich Vereinsvorsitzenden Prof. Dr. Marquardt Verknüpfung zwischen Wissenschaft und re Gesellschaft braucht dieses Engage- Conrad Doose persönlich kennengelernt statt – zum Glück wenigstens das, wie Kultur, Historie und Moderne. Dies alles ment und diese Mitwirkung, und deshalb und ihn als MinervaPreis-Träger 2020 ge- wir im Nachhinein festhalten müssen. verkörpert auch die Person Conrad Doose. unterstützt die Landesregierung unter ehrt. Ich bin sicher, dass sein Vermächtnis Umso wichtiger ist es, eine bleibende Als Entwicklungsingenieur lange am For- dem Motto „Wir fördern, was Menschen weitergeführt wird und dass der Förder- Erinnerung an den MinervaPreis-Träger schungszentrum tätig hat er seinen verbindet“ die Heimat-Aktiven in ganz verein Festung Zitadelle Jülich sich heute des Jahres 2020 zu schaffen, zu der ich Ruhestand der Erforschung und Vermitt- Nordrhein-Westfalen. Für Tausende kleine und morgen ideenreich für das baukultu- gerne einen kleinen Teil beitrage. lung der Jülicher Geschichte gewidmet. Fassade der Schlosskapelle Jülich Innenraum der Schlosskapelle und zahlreiche groß angelegte Heimat- relle Erbe der Stadt einsetzen wird. 6 MinervaPreis Jülich | 2020 MinervaPreis Jülich | 2020 7
Würdigung des MinervaPreis-Trägers Conrad Doose und seines Wirkens Dorothée Schenk und Wolfgang Hommel Vorstandsmitglieder des Fördervereins Museum Jülich e. V. Der Förderverein Museum Jülich e. V. seine pointierte Expertise und seine hat den MinervaPreis Jülich 2020 Conrad Hartnäckigkeit nicht immer reibungslos Doose für sein langjähriges, unermüdli- im Spannungsfeld zwischen Stadtent- ches Engagement verliehen, die Pasquali- wicklung, Verwaltung, Denkmalbehörden nische Renaissance-Idealstadt Jülich in und seinen Vorstellungen reüssierten, ihrem heutigen Erscheinungsbild als ein- liegt in der Natur der Sache. zigartig bekannt zu machen, sie zu erfor- Er ließ auch nach dem Ausscheiden schen, zu erhalten und zu schützen. aus dem Vorsitz in seiner neuen Funktion Conrad Doose war ein Herr im besten als Ehrenvorsitzender seines Förderver- Sinne: stets aufrecht, geradlinig und kor- eins ab 2015 nicht in seinem Streben rekt, ernsthaft in der Sache und ein nach. Zuletzt beschäftigte den Pasqualini- Schmunzler. Die klaren Töne waren seine Experten Doose die Herausgabe des Sache, nicht die lauten – und die Beharr- Buches „Alessandro Pasqualinis Ent- lichkeit. 22 Jahre setzte sich Conrad Doose wurfsmodell von 1545 für den Renais- unermüdlich als Vorsitzender des Förder- sance-Neubau der herzoglichen Residenz vereins Festung Zitadelle Jülich für seine zu Jülich. Die mathematisch-philosophi- Wahlheimatstadt Jülich ein. schen Hintergründe des Modell-Grundris- Er lebte den Jülicher Stadtslogan ses und ihre Bedeutung für die reduzierte „Historische Festungsstadt – Moderne Ausführungsplanung von 1549“. Autor war Forschungsstadt“: Sein Berufsleben ver- Prof. Jürgen Eberhardt, aber ohne das brachte er im Forschungszentrum, seine intensive Engagement von Conrad Doose Passion wurde die Idealstadtanlage Pas- wäre das Buch nicht entstanden. Erschie- qualinis und damit die Festungsstadt nen ist es im November 2020 – mit der Jülich. Conrad Doose wurde zum Vermitt- Aufforderung zu weiteren Forschungen, ler zwischen der Kunst des italienischen gewissermaßen als sein Vermächtnis. Festungsbaumeisters Alessandro Pas- Conrad Doose untersucht an der Schlosskapelle ... ... das Kapitell mit den Engelsköpfen im Stil von Raffael.* Für sein vielfältiges Wirken für Jülich qualini, deren Erforschung und Wiederent- war Conrad Doose bereits mit dem deckungen in den letzten fast einhundert Rheinlandtaler, der Joseph-Kuhl-Medaille Jahren und ihrem Erhalt sowie der Nut- und dem Goldenen Apfel ausgezeichnet zung für die aktuelle Stadtentwicklung Initiator, der andere zur Mitarbeit moti- sches Jülich“, den er für ein Buch und Zudem hat er durch Recherchen den land, Prof. Udo Mainzer, würdigte in einer worden. Am 15. Dezember 2020 hätte und das Stadtmarketing Jülichs. Damit vierte und durch sein Vorbild herausfor- einen Videofilm einsetzte und an dessen 500. Geburtstag Alessandro Pasqualinis Laudatio sein Schaffen mit den Worten: Conrad Doose in „seiner Schlosskapelle“ erfüllt er die Kriterien für den Minerva- derte. Umsetzung als Motto für Stadtfeste der ermittelt und ein umfangreiches Festpro- „Conrad Doose betreibt Denkmalpflege, den MinervaPreis für seine Leistungen an Preis in nahezu idealer Weise. Das nachhaltigste Zeugnis seines Wir- Werbegemeinschaft er mitarbeitete. gramm für das Jahr 1993 entwickelt. Als Marketing und Öffentlichkeitsarbeit für der Schnittstelle von Kunst, Kultur, Wis- Neben Pasqualini war die Bauberatung kens werden seine Publikationen bleiben. Er verfolgte damit immer das Ziel, Ein- „Botschafter“ reiste er zu Pasqualini- Denkmalpflege und ausgewählte Denk- senschaft und Wirtschaft erhalten sollen. durch René von Schöfer beim Wieder- Er brachte Wissenschaftler dazu, sich in- wohner, Besucher und die Entscheider in Tagungen in dessen Geburtsstadt Bologna. mäler im Hauptamt, und der Verein ist – Mit seinem Tod am 10. Januar 2021 ver- aufbau Jülichs nach 1945 ein zentraler tensiver mit der Architektur Jülichs zu Politik und Verwaltung von den Chancen Konsequent stellte Conrad Doose den gemessen an der Vielzahl seiner Aktivitä- liert die Stadt Jülich einen engagierten Ankerpunkt des Wirkens von Conrad beschäftigen, wie z. B. bei den Pasqualini- zu überzeugen, die sich durch das ein- Zusammenhang zwischen dem Erhalt der ten – ein von ihm professionell geführtes Streiter für das historische Erbe und des- Doose. Symposien 1993 und 1998. Ihre Erkennt- malige Ensemble von Idealstadtanlage historischen Werte und deren Vermitt- Amt, das als kompetenter Dienstleister sen Bedeutung für das Jülich der Zukunft. Eindringlich förderte er das Bewusst- nisse veröffentlichte er gewissenhaft und mit Zitadelle ergaben. Auf seine Anre- lung an die Gäste der Stadt her – also für die Gesellschaft, für die Stadt und Dieses Denken wird in seiner Wahlheimat- sein der Menschen für das bauliche Erbe akribisch – wie er es als Ingenieur gelernt gung hin wurde 1990 vom Brückenkopf- den „Marketing-Effekt“. Sechs Jahre lang namentlich die Zitadelle Jülich arbeitet.“ stadt weiter wirken. der Herzogstadt durch Ausstellungen, hatte. Das zeichnet auch seine eigenen Gesprächskreis ein Bürgerantrag einge- machte er sich hierfür auch als Vor- Für sein Anliegen fand Conrad Doose * Beschreibung in: Das „italienische“ Jülich: durch anschauliche Vorträge und unzählige Texte aus, mit denen er auf die Besonder- bracht, die Renaissance-Idealstadtanlage standsmitglied bei „Jülich Information Verbündete in einer Vielzahl von Verei- Grundzüge im Konzept Alessandro Pasquali- und deren historisches Umfeld nach nis für die Stadtanlage, die Zitadelle und Führungen, durch Zitadellenfeste und bei heiten auch des aktuellen Stadtbildes hin- e. V.“ stark. Der ehemalige Direktor des nen, die seinen Fach- und Sachverstand das Residenzschloss, hsg. von Conrad Doose, Stadtfesten. Immer wieder war er der wies. Dafür prägte er den Begriff „Italieni- dem Landes-Denkmalgesetz zu schützen. LVR-Amtes für Denkmalpflege im Rhein- als Beirat oder Berater schätzten. Dass Jülich 2009, S. 361 ff. 8 MinervaPreis Jülich | 2020 MinervaPreis Jülich | 2020 9
Dankeswort in Jülich. Beruflich und emotional, denn mit dem Wissen um die Geschichte und eine gewisse Vorrangstellung in den fami- liären Diskussionen erobert hatte, einen Er, der Wissenschaftler, und ich, vor Ort lebend und mit großer Begeisterung alle die Bedeutung dieser Stadt wuchs meine Abenteuerspielplatz der Sonderklasse. Anstrengungen unternehmend, mir das Conrad Doose Faszination und, fast möchte ich sagen, Wie sehr das Thema, dessentwegen Wissen anzueignen, das ich nicht nur für Ehrenvorsitzender des Fördervereins Festung Zitadelle Jülich e. V. meine Liebe zu ihr. ich heute hier stehe, mich über Jahre, ja die vielen Publikationen brauchte, sondern Kurz schwankend zwischen den For- Jahrzehnte hinweg beschäftigt hat und das auch die Grundlage für unzählige Ver- schungszentren Jülich und Karlsruhe habe damit zwangsweise auch die Familie, anstaltungen und Ausstellungen war, mit ich es aus vielerlei Gründen nie bereut, mag folgendes Zwiegespräch verdeutli- denen der „Förderverein Festung Zitadelle mich für Jülich entschieden zu haben, wo chen. Unsere damals vierjährige Enkel- Jülich“ auch über die Stadtgrenzen hin- alle Institute im Aufbau begriffen waren tochter – heute ist sie 30 – fragte meine aus große Resonanz fand. und mich unglaublich interessante Auf- Frau: „Wer ist Pasqualini?“ und die auf Während sich die wehrtechnische gaben erwarteten. Mein erstes Projekt deren etwas spitz geratene Antwort: Bedeutung der Zitadelle mit dem reprä- Aufgrund der Einschränkungen wäh- Jülicher Schlosses geben könnte. Daher „Sehr geehrte Frau Ministerin, sehr war eine „Kalte-Neutronen-Quelle“ am „Opas Liebling“ völlig irritiert sagte: sentativen Schloss und seiner eindrucks- rend der Corona-Pandemie blieb lange hatte er sich schon Gedanken über eine geehrter Herr Prof. Marquardt, liebe Gäste! Reaktor DIDO. Es folgten Berufsjahre „Aber das bin doch ich!“ vollen Schlosskapelle als „Palazzo in offen, ob es nicht doch anlässlich der kurze Dankesrede gemacht, eine Rede, Ich muss gestehen, dass es mir, den mit spannenden Institutswechseln, mit Es ist so: Jülich und seine wechsel- fortezza“ relativ einfach erklären lässt, Überreichung des MinervaPreises eine die nie mehr gehalten werden wird. Der 89. Geburtstag in greifbarer Nähe und Firmen-Besuchen, die oft in eine tech- volle Geschichte haben mich über all die erschließt sich die Bedeutung von Jülichs Feier in kleinstem Kreis in der von Con- Entwurf wird hier leicht gekürzt wieder- nach den Monaten alters- und corona- nische Herausforderung mündeten, oder Jahre fasziniert. Vor allem natürlich die Stadtbild nicht auf den ersten Blick, an- rad Doose so geschätzten Kapelle des gegeben. bedingten Rückzugs, nicht ganz leicht auch Auslandsaufenthalte in Brasilien, In- Jahrzehnte, die Jülichs Stadtbild als ders als z. B. der des mittelalterlichen fällt, hier zu stehen und die richtigen donesien und ganz zu Anfang in den USA. „Idealstadtanlage der Renaissance“ noch Monschau. Es war daher bei den sonn- Worte dafür zu finden, was mich bewegt. Die „Cryotechnik“, d. h. die Erzeugung heute in ganz herausragender Weise täglichen Führungen, zu denen stets auch Freude ganz sicher, aber auch Dankbar- ultratiefer Temperaturen für die Durch- prägen. Auch wenn es inzwischen – das viele Interessierte von weit her kamen, keit sind die vorherrschenden Gefühle. führung physikalischer Experimente, war muss leider konstatiert werden – an vie- jedes Mal ein Erlebnis, mit welch anderen Zunächst einmal über diese ehrenvolle mein Thema an der Universität von Kalifor- len Stellen – milde ausgedrückt – sehr Augen Jülich mit seinen breiten, auf die Auszeichnung, die ich auch für den För- nien in San Diego, wo ich über ein Jahr mit verunklart wurde. Bastionen ausgerichteten Straßen und derverein Festung Zitadelle Jülich entge- meiner Familie lebte. So interessant dieser Mein Freund Jürgen Eberhardt hat mit den glatten, scheinbar unattraktiven gennehme und über die ich mich sehr Forschungsaufenthalt auch war, so gern seiner schon 1978 erschienenen Publi- Fassaden danach gesehen und verstanden gefreut habe. Zeigt sie mir doch, dass kehrten wir 1972 in die Kleinstadt Jülich kation „Jülich, eine Idealstadtanlage der wurde. Wenn zum Augenschein auch unser jahrzehntelanges Bemühen, die in zurück. Bot sie doch alles, was man als Renaissance“ mir und vielen anderen die Wissen kommt, dann gewinnt der Satz jeder Hinsicht große Bedeutung dieser Familie mit drei Kindern so brauchte: Schu- Augen dafür geöffnet, welches Kleinod „Nur was ich kenne, beschütze ich“ an kleinen Stadt sichtbar und erlebbar zu len, Kindergärten, Schwimmbäder, ja sogar uns mit dieser Stadt anvertraut wurde. Bedeutung. Und Denkmalschutz im wahr- machen, gesehen und gewürdigt wird. eine Musikschule und vor allem, das er- Ihm gilt mein ganz besonderer Dank. sten Sinn des Wortes bedeutet für mich, Ich möchte einen kurzen, persönlichen fuhr ich dann von meiner ältesten Tochter Unsere Zusammenarbeit war ein großes wie die Vielen, die vor mir waren, Wissen Rückblick auf meine fast 60 Jahre Lebens- sehr viel später, als das Thema Zitadelle Glück, menschlich, aber auch fachlich. aneignen, vertiefen und weitergeben. zeit in dieser Stadt geben. Eine Rückschau, die mich mit großer Dankbarkeit erfüllt, weil sie mir – über ein spannendes Be- rufsleben hinaus - Möglichkeiten bot, von denen ich als Ältester von sieben Kindern auf unserem Bauernhof in Schleswig Hol- stein nie zu träumen gewagt hätte. Als ich 1962, am letzten Julitag, von Hannover, meinem Studienort, über die B 1 kommend (die Autobahn gab es ja noch nicht) den Stadtrand Jülichs erreichte, um bereits am nächsten Tag meinen Dienst in der „KFA“ anzutreten, lag diese mir noch gänzlich unbekannte Stadt vor mir am Fuß der „Merscher Höhe“ – fast vollständig vom Grün der vielen Bäume bedeckt. Hinter mir, im Rückspiegel, ver- schwanden die hohen schweren Stahltür- me mit den rot blinkenden Lichtern – die Sendemasten der „Deutschen Welle“, wie ich später erfuhr – die jahrzehntelang nach jeder Reise signalisierten: in Jülich Conrad Doose vor der Ostfassade der Schlosskapelle in der Zitadelle Jülich angekommen. Und angekommen bin ich Idealstadtanlage Jülich mit der Zitadelle von Süden 10 MinervaPreis Jülich | 2020 MinervaPreis Jülich | 2020 11
Aus der MinervaGalerie des Museums Jülich Dies heißt auch, Mitstreiter und Unter- stützer zu finden. Es bedeutet aber auch, des Entwurfsmodells der Jülicher Zita- delle, das Pasqualini 1545 vorgestellt hat. Jülich ist jedenfalls in vielerlei Hinsicht ein stadthistorisches Denkmal von euro- Göttlicher Alltag – alltägliche Göttin damit umzugehen, dass nicht alle die Es zeigt uns aber auch, wie Menschen im päischem Rang, für dessen weiteren Um- Verpflichtung für den Denkmalschutz 16. Jahrhundert, einer Zeit des Aufbruchs gang und Erhalt wir uns würdig erweisen Maria Hintzen-Muckel teilen und deshalb bei der Entwicklung und Umbruchs, gelebt und gedacht haben. müssen.“, dann weiß ich, auch bei ihm – Museum Zitadelle Jülich der Stadt zu Entscheidungskriterien kom- Auch das ist unser Erbe, die Grundlage als einem von den Jungen – wird das men, die mich und sicher auch andere unserer Kultur und Zivilisation. Thema Stadtbild in guten Händen sein. regelrecht schmerzen. Prof. Günter Bers schließe ich in mei- Ganz zum Schluss noch ein Gedanke, Mein Dank gilt allen, die vor mir waren nen Dank ein, genauso wie meine zum der mich schon lange beschäftigt. Viel- und auf deren Engagement und Erkennt- Teil langjährigen Vorstandskolleginnen leicht könnte zur Bewusstseinsbildung nissen ich aufbauen konnte, wie Rene und -kollegen, besonders meinen Nach- auch die Wiederaufnahme des von Adi v. Schöfer und wie Hartwig Neumann, aber folger Dr. Rüdiger Urban. Es gibt viele, Retz und Minister Christoph Zöpel Anfang auch die vielen Menschen vor Ort, mit nicht alle kann ich hier aufzählen. Einer der 1990er Jahre initiierten Antrags auf Ob HB-Männchen, Clementine und Tilly denen ich diskutieren und gelegentlich muss aber noch genannt werden: Guido Eintrag in die Weltkulturerbeliste der in den Siebzigerjahren oder aktueller auch ein wenig streiten konnte. Allen vor- v. Büren. Mit ihm habe ich nicht nur gern UNESCO beitragen. Es ist sicher nicht gleich die komplette Fußballnationalmann- an natürlich Jürgen Eberhardt, der sich zusammen gearbeitet, er war mir mit sei- leichter geworden, aber schon die Vorbe- schaft, die Werbung für einen Schoko- zuletzt und darauf bin ich ein bisschen nem profunden Wissen auch ein wichti- reitung eines solchen Antrags, unter ladenbrotaufstrich macht – sehr häufig stolz, in unserem gerade erst erschiene- ger Gesprächspartner. Und wenn er mit Berücksichtigung der Gründe, weshalb er setzt Werbung auf einen Werbebotschaf- nen Buch eines Themas angenommen hat, dem letzten Satz in seinem Beitrag für nicht angenommen wurde, wäre ein Ge- ter, auf ein Gesicht, auf eine Person, die das ich lange mit mir herum trug. Es führt das oben erwähnte Buch zusammenfas- winn für diese Stadt, die uns allen doch mit ihren Eigenschaften, mit ihren Erfol- uns ein in die mathematisch-philoso- send sagt: „Der erhaltene Grundriss der aus den unterschiedlichsten Gründen am gen oder auch nur aufgrund ihres Bekannt- phischen Hintergründe des Grundrisses Idealstadtanlage der Renaissancefestung Herzen liegt.“ heitsgrades das zu verkaufende Produkt in die Wahrnehmung holen, im Gedächt- nis halten und schließlich in den Einkaufs- wagen befördern soll. Auch die römische Göttin Minerva, die Göttin der Weisheit, der Wissenschaft und Erfindung, der Kultur und der Kunst Nachruf und als solche Patronin des Minerva- Preises, fügt sich in diese Reihe ein. Sie Conrad Doose ist in der Neuzeit nicht nur als Symbol von Bildung und Technik präsent, son- dern begegnet uns auch in der Werbung * 7. Februar 1932 in Döhnsdorf/Holstein † 10. Januar 2021 in Jülich für die unterschiedlichsten Produkte. Einige Firmen setzen explizit die Fürspra- Conrad Doose hat sich in den letzten dreißig Jahren intensiv für die Entwicklung des historischen Erbes seiner Wahl- che der göttlichen Minerva beim Kunden heimatstadt Jülich eingesetzt. Zahlreiche Ideen und Projekte im Bereich Geschichte, Stadtbild, Stadtentwicklung und ins Bild. Andere nutzen die Göttin als Abb. 1: Label für Citrusfrüchte der Firma W. H. Jameson, Corona, Kalifornien (USA), Stadtmarketing hat er maßgeblich beeinflusst und an ihrer Umsetzung mitgearbeitet, als Vorstandsmitglied, Ratge- Namensgeberin für ihr Unternehmen und frühes 20. Jahrhundert, Repro, Inv.-Nr. M399. ber und engagierter Bürger. Denkmalschutz, Publikationen, Ausstellungen, Lichtprojekte, Konzepte und die Außen- schmücken Produkte mit dem Bild der darstellung Jülichs, für ihn waren das Elemente seiner breit aufgestellten Zielsetzung, die Alleinstellungsmerkmale Göttin, die so implizit zur „Vergöttlichung“ Jülichs zu bewahren, für sie Verständnis zu erwecken und sie zu bewerben. des Alltags beitragen soll. Als Imageträgerin hat Minerva schon zeitgenössische Künstler mit der Gestal- grafik nimmt die Göttin fast die komplette Für sein wegweisendes Wirken ist Conrad Doose mit dem Rheinlandtaler, dem Goldenen Apfel, der Joseph-Kuhl- eine längere Tradition in der Münz- und tung der bunten Aufkleber, die die Ver- linke Bildhälfte ein. Den Oberkörper der Medaille und dem MinervaPreis ausgezeichnet worden. Medaillenprägung und als bildungsbezo- packungskisten ihrer Zitrusfrüchte kenn- Göttin bedeckt ein detailreich gestalteter genes Accessoire in der bildenden Kunst. zeichnen und aus der Masse der Kisten Schuppenpanzer. In ihrer rechten Hand Wir haben auf unterschiedliche Art mit ihm zusammengearbeitet, sind ihm alle zu Dank verpflichtet und werden ihm Die Idee der expliziten Werbung ist noch herausstechen lassen sollen. So greift hält Minerva Speer und den Schild, der ein ehrendes Andenken bewahren. relativ jung. Die ältesten Objekte, die die Jameson Company aus Kalifornien auf mit der Ortsangabe „California“ die Tradi- sich in der MinervaGalerie des Museums die Darstellung der Göttin Minerva zu- tion der Göttin als Schutzmacht und Seiner Familie und vor allem seiner Frau Friederike sprechen wir unser Mitgefühl aus. Zitadelle Jülich finden, stammen aus dem rück, als sie ihr Label gestalten lässt, um Personifikation von Städten und Staaten frühen 20. Jahrhundert. Einige Beispiele die Besonderheit und Einzigartigkeit ihrer anklingen lässt – Britannia z. B. führt den Brückenkopf-Verein Jülich e. V. Stadtmarketing Jülich e. V. Förderverein Museum Jülich e. V. sollen hier vorgestellt werden, wobei deren Produkte vor Augen zu stellen (Abb. 1). Union Jack im Schilde. Mit ihrer linken Förderverein Werbegemeinschaft Jülich e. V. Jülicher Geschichtsverein 1923 e. V. Herkunft aus Amerika den Export euro- So wie die griechische Athena – die Vor- Hand bekränzt die Göttin den Marken- Festung Zitadelle Jülich e. V. Bürgerbeirat Straßengemeinschaft päischer Kulturgeschichte, Symbole und läuferin der römischen Minerva – Attika namen mit einem Lorbeerkranz, dem Joseph-Kuhl-Gesellschaft e. V. Historische Festungsstadt Jülich e. V. Kleine Rurstraße/Grünstraße e. V. Werte bezeugt. den Olivenbaum schenkt, wird Minerva in Zeichen von Sieg und Ruhm. Minerva Zu Beginn des 20. Jahrhunderts be- der „neuen“ Welt für die dortigen Früchte dient hier nicht nur persönlich als Werbe- auftragen viele Obstbauern in den USA zuständig. Bei der Gestaltung der Werbe- trägerin, die Firma hat auch gleich ihren 12 MinervaPreis Jülich | 2020 MinervaPreis Jülich | 2020 13
Aus der MinervaGalerie des Museums Jülich Aus der MinervaGalerie des Museums Jülich um auf die Vorzüge ihrer Fahrzeuge hin- Die folgenden Doppelseiten zeigen zu- erläutert, vertraut er darauf, dass die zuweisen (Abb. 2). In der ganzseitigen nächst auf der linken Seite ein kleines antike Göttin eine gute Botschafterin Werbung nutzt der Automobilhersteller Kalendarium für den jeweiligen Monat, für die Qualität seiner Erzeugnisse dar- explizit die Konnotation Minerva – Weis- daneben eine ovale Minervabüste als stellt. Die Tatsache, dass sie und ihre heit, um Kunden mit Bildungshintergrund Firmenlogo, umgeben vom Firmenmotto: Geschichte die Jahrhunderte überdauert von seinem Produkt zu überzeugen. Die „Minerva Farben – decken besser – halten haben und immer noch bekannt sind, antike Göttin, erkennbar an Helm, Speer länger“. Es findet sich der Hinweis auf die weist sie als Expertin für die Konservie- und angedeutetem Brustpanzer, erteilt göttliche Namensgeberin oben, der auf rung des Erfolgs aus – und genau das ihrem Schützling Bellorophon den Rat- ihre Hilfestellung im Alltag in den unteren verspricht der Händler seinen Kunden: schlag, sein geflügeltes Pferd Pegasus Gefilden, sprich am unteren Rand des Durch die Verwendung seiner Produkte gegen ein Fahrzeug dieser Marke einzu- Blattes. Unterhalb des Kalendariums fol- machen sie ihren Besitz haltbar und kon- tauschen. Diesem Ratschlag muss bei gen jahreszeitlich passende Rezepte und servieren ihren materialisierten Erfolg für der Göttin Minerva-Athena selbst an- sehr vielfältige Tipps zur Führung eines die Ewigkeit. Durch zwei Bezüge ist die scheinend ein radikaler Sinneswandel Haushaltes oder einer Farm, angefangen Firma mit den Zuständigkeitsbereichen vorausgegangen sein, denn schließlich von Düngetipps für Zimmerpflanzen über der antiken Göttin verbunden: allgemein ist sie in der griechischen Mythologie die- Hinweise zur Pferdehaltung bis hin zu ist sie Patronin der Technik und Innovati- jenige, die die Menschen mit Pferden in Erste-Hilfe-Anweisungen bei Rippenbrü- on, die die Firmenpalette für sich in An- Kontakt gebracht und mit deren Nutzung chen und Hundebissen. Die rechte Seite spruch nimmt. Zum andern hat Minerva vertraut gemacht hat. Die zeitgenössi- zeigt oben in einer kleinen Zeichnung als Patronin der Künste eine enge Verbin- sche Minerva schwebt aus den Wolken in Abb. 3: Almanach April 1913 bis März einen Menschen, der eines der Minerva- dung zu Farben, auch wenn ursprünglich die irdischen Gefilde hinab und lenkt mit 1914 der Firma Pinchin Johnson & Co Ltd, Produkte aus der umfangreichen Produkt- eher Künstlerfarben gemeint waren. ihrem Blick und einem unterstützenden Toronto/Winnipeg (Kanada) und London palette im modernen Alltag anwendet. Die Firma Foster & Streeter aus Mas- Fingerzeig der linken Hand die Aufmerk- (GB) für „Minerva Paints“, 18 x 12 cm, Der Text auf der Seite erläutert aus- sachusetts lässt zu Beginn des 20. Jahr- samkeit des jungen Helden auf den Wer- 24 Seiten, Inv.-Nr.M315. führlich die Verwendungsmöglichkeiten hunderts kleine, handliche Werbekarten betext und damit das Produkt. Der Text und Vorteile des jeweiligen Produkts. im Hosentaschenformat drucken (Abb. 4), erläutert unter der Überschrift „Wisdom“ Obwohl der Farbenhersteller in seiner die sie „mit freundlichen Grüßen“ an (Weisheit), dass White Cars mit ihrem Werbebroschüre an keiner Stelle explizit potentielle Kunden und Kundinnen ver- Design und ihrer hochwertigen Bauweise pretiert – eine Möglichkeit, wie Minerva seinen persönlichen Bezug zu Minerva teilt, um ihre Produkte ins Gedächtnis zu quasi für die Ewigkeit gebaut sind und so durchaus auch im 21. Jahrhundert als holen und dort zu halten. Sie produziert kurzlebige Modetrends problemlos über- alternative Werbebotschafterin zum Ein- und verkauft „feine Kleidung für Männer, dauern werden. Von dieser Werbebot- satz kommen könnte ... Jugendliche, Jungen und Kinder“ und schaft scheint sogar der Pegasus über- Mit einem im April 1913 beginnenden schmückt ihr Mitgebsel fast flächende- zeugt: Er lässt sich in den Hintergrund Kalendarium soll der Minerva-Almanach ckend mit dem Konterfei einer kindlichen drängen und blickt mit Bewunderung auf der Firma Pinchin, Johnson & Co. aus Ka- Minerva. Ein goldener, kreisrunder Hin- seinen potentiellen motorisierten Nach- nada die Kunden und Kundinnen bis in tergrund umrahmt den Kopf der blond- folger. Man wirbt zwar gerne mit den den März 1914 begleiten und während gelockten, blauäugigen Göttin. Als Be- Elementen klassischer Bildung, aber um eines ganzen Jahres immer wieder auf die kleidungsproduzent spielen Forster & Abb. 2: Ganzseitige Zeitschriftenwerbung der Autofirma The White Company, Cleveland sicherzustellen, dass die Leser und Leser- Vorzüge der Produkte namens „Minerva“ Streeter auch auf eine der ursprünglichen (USA) aus „Country Life in America“, März 1914, 35,2 x 24,4 cm, Inv.-Nr. M326. innen der Zeitschrift die Verbindung zur hinweisen (Abb. 3). Die Firma stellt Far- Kernkompetenzen der Göttin an, die als Die dargestellte Szene ist betextet (u. li.): „Minerva advises Bellerophon to abandon the Vergangenheit herstellen und die dar- ben, Reinigungs- und Schutzsubstanzen Übermittlerin des Webstuhls gilt und die winged Pegasus for a White Six“ (Minerva rät Bellerophon den geflügelten Pegasus für gestellte Szene erkennen, verlässt sich für die unterschiedlichsten Baumateriali- Menschen in der Kunst des Webens un- ein White Six Auto aufzugeben). der Grafiker nicht darauf, dass die anti- en her, die allesamt dazu dienen sollen, terwies. Ein Zweig des von Athena (als ken Figuren anhand ihrer Charakteristika die Substanz und den Wert des Besitzes griechische Vorläuferin der Minerva) der erkannt werden, sondern fügt unten links zu erhalten oder, wie der Herausgeber im Menschheit geschenkten Olivenbaums Namen zu Werbezwecken instrumentali- Kunden zu einer „weisen“ Entscheidung eine beschreibende Erläuterung hinzu. Vorwort erläutert, „das Geheimnis des als Hinweis auf die griechische Herkunft siert, indem sie die Marke (brand) nach für ihr Produkt führen soll. Die ursprüng- Die Szene spielt sich in einer mit Bäumen Erfolgs zu konservieren, das Geheimnis der Göttin erscheint gemeinsam mit der Göttin benennt. Das eigentliche Pro- lich aus Indien stammenden Zitrusfrüchte und Sträuchern bewachsenen Landschaft des Verfalls und des Verlustes dagegen einer Schriftrolle unterhalb des Kopfes. dukt, das unter dem (Schutz-)Mantel der gelangten über China und schließlich den vor einem griechischen Tempel ab. Der vergessen zu machen“. Der Almanach Bescheinigt die Göttin so mit Brief und Göttin hervorquillt, rückt im Verhältnis zu Mittelmeerraum in die USA. Minerva und Schauplatz der Handlung verortet ebenso wird, als Werbegeschenk verteilt und ver- Siegel die Qualität der beworbenen Klei- Patronage und Branding fast in den Hinter- Produkt stehen also beide für eine lange wie die Kleidung die beiden Hauptfiguren sandt, von wirklichem, praktischem, dau- dung, ist gar ein ob der Qualität nahe- grund. Die Darstellung der Zitrusfrüchte Tradition und einen Weg von Exotik zur in der Vergangenheit, das beworbene Pro- erhaftem Nutzen für alle Bereiche des liegender Bestellzettel gemeint oder er- samt Blättern, Knospen und Blüten nimmt Aneignung. dukt verbindet beide mit der Gegenwart. Haushalts sein und in einer handlichen scheinen dort göttlich-werbende Grüße? nur circa ein Drittel der Bildfläche in An- Im März 1914 schaltet The White Die Beständigkeit, die Dauerhaftigkeit und gefälligen Form Informationen für Abb. 4: Werbekarte des Kleidungs- und Die eigene Kleidung der kindlichen Göttin spruch. Die Plantagenfirma aus Kalifornien Company, ein Hersteller hochwertiger, der Geschichte dient als Garantiezusage den Alltag bereitstellen – und insofern, Wäschegeschäfts Foster & Streeter, ist überraschenderweise kaum sichtbar, setzt mit Minerva als Werbebotschafterin stets weißer Automobile in der Zeitschrift für das moderne Produkt. Nachhaltigkeit davon ist der Hersteller überzeugt, genau Springfield, Massachusetts (USA), lässt durch den angedeuteten Schimmer auf die Weisheit der Göttin, die auch den „Country Life In America“ eine Anzeige, wird als Ausdruck wahrer Weisheit inter- die Vorzüge der Minerva-Farben enthüllen. 12,8 x 7,6 cm, Inv.-Nr. M288. aber auf Hochwertigkeit schließen. 14 MinervaPreis Jülich | 2020 MinervaPreis Jülich | 2020 15
Aus der MinervaGalerie des Museums Jülich Aus der MinervaGalerie des Museums Jülich Gläser, Schüsseln und Schalen sowie auf die Patronage der Göttin für die auf die Werbewirksamkeit des Erkennens Messer und Gabeln, die mit dem Bildnis Kunst, Kunstfertigkeit und Technik, die im dieses Bildes baut. Genauso wenig dürfte der antiken Göttin verziert werden, ver- Kunstprodukt Film zusammenkommen. den meisten Büchereibenutzern oder sprechen dem Nutzer ohne viele Worte Aber ob diese Konnotation dem Besucher Käufern in Buchhandlungen bewusst sein, göttliche Genüsse, ein Stück Himmel auf des Kinos bewusst ist? dass die Büchereule einen Hinweis auf Erden, ohne dass Minerva explizit als Doch unabhängig davon, wieviele Be- die antike Göttin darstellt. Für viele ist in- Göttin der Weisheit oder Kunstfertigkeit obachter das verwendete Symbol oder zwischen die Eule, die ursprünglich „nur“ in Erscheinung treten muss. Zeichen noch bewusst dechiffrieren, ist das Begleittier der Göttin der Weisheit In die Kategorie „versprochener göttli- die Verwendung an vielen Stellen prä- war, selbst zum Symbol der Weisheit cher Genuss“ lassen sich ebenso zeit- sent. Bei Rasierklingen oder ebenso bei geworden. Zunehmend taucht die Eule al- genössische Schokoladenverpackungen, bestimmten Leuchtmitteln, die sich eben- leine auf, wenn Werbung für künstlerisch Sardinenmarken oder die Namenswahl falls mit dem Bildnis oder dem Namen oder intellektuell bedeutsame Produkte griechischer oder italienischer Restau- der antiken Göttin schmücken, ist es gemacht werden soll. rants als Athena oder Minerva einordnen. beim durchschnittlichen zeitgenössischen Das Wissen um antike Mythologie ist Auch Hotels, die sich Minerva nennen, Kunden sehr unwahrscheinlich, dass er in unserer pluralen, säkularen Gesellschaft bedienen die Sehnsucht der Gäste nach einen Zusammenhang zu Minerva als Ga- zwar nicht vorherrschend präsent, viele himmlischer Ruhe, nach einem göttlichen rantin hoher technischer Anforderungen Anspielungen und Assoziationen haben Urlaub, ohne dass es vieler Erläuterungen sieht. Und die abstrahierte Silhouette ei- sich aber gehalten, weil sie schon sehr bedarf. Wenn ein Kino den gleichen nes Minervakopfes im Profil als Marken- lange im kollektiven Gedächtnis verankert Namen wie die Göttin trägt, spielt es viel- zeichen auf Blei- und Buntstiften geht sind. Und weil sie für manche Zielgruppen leicht auf die Hellsichtigkeit der Göttin natürlich auf die göttliche Förderin der oder selbstvergewissernde Eigendarstel- an, die Licht ins Dunkel bringen kann und Künste zurück, ohne dass deren Vertrieb lungen nach wie vor Bedeutung haben. Abb. 5: Sammelbildchen der Firma Liebig, Fray-Bentos (Uruguay) und Colon (Argentinien), 1915, mit Darstellung des Ateliers von Phidias mit Modell der Athena Parthenos, 7,2 x 10,8 cm, Inv.-Nr. M176. Durch das Format des Werbege- gerade einen Auftraggeber oder Besucher aussetzt – womit Minerva ins Spiel ge- schenks lässt sich die griechisch-römi- durch das Atelier und erläutert seine bracht werden könnte. Diese Zusammen- sche Göttin problemlos in den Alltag inte- derzeitigen Arbeiten. Ausdrücklich weist hänge erschließen sich aber dem grieren, eben in der Tasche mitnehmen. er auf ein Modell seiner Athenastatue unbedarften Käufer wahrscheinlich eher Auch das beworbene Produkt selbst ist hin, die er mit seiner Werkstatt überle- weniger. Die „Liebigbilder“ genannten ein Gegenstand des täglichen Lebens. bensgroß mit einer monumentalen Höhe Sammelkärtchen waren unabhängig von Der Alltag wird ein Stück göttlicher, die von 11,50 Metern für den Parthenontem- den dargestellten Themen ein Marketing- Göttin ein Stück alltäglicher. pel auf der Akropolis ausführte. Das instrument, um die Bekanntheit und Be- Einen Schritt weiter geht die in Uruguay Sammelbildchen hat keinen direkten liebtheit des in Südamerika hergestellten und Argentinien ansässige Firma Liebig in Bezug zu dem beworbenen Produkt oder Fleischextrakts zu fördern, so wie man es der Werbung für ihren Fleischbrühenex- dem beauftragenden Unternehmen. Die später von ähnlichen Beilagen in Zigaret- trakt. Im Jahr 1915 gibt sie eine Serie Abbildung des Produkts und der werbende ten- oder Schokoladenpackungen kennt. von Sammelbildchen als Produktbeilage Text stehen unvermittelt, fast störend Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert wird heraus, die in ein vorbereitetes Album unten links vor der farbigen Atelierszene. Athena-Minerva mehr und mehr als Sym- eingeordnet werden können. In der Reihe Zwar lässt sich mit viel Hintergrund- bol der Antike, der Vergangenheit, des über das Jahrhundert des Perikles, in wissen eine indirekte Beziehung zwi- Göttlichen allgemein zu Werbezwecken dem, so der erklärende Text auf der schen der Göttin technischer Erfindungen eingesetzt und weniger mit dem Bezug Rückseite der Sammelkarte, „die schö- und dem Produkt konstruieren. Bei dem als Göttin der Weisheit und der Kunst. nen Künste ihren Höhepunkt erreichten“, Fleischextrakt handelt es sich um ein Wenn ihr Bild oder ihr Name eine Ouzofla- zeigt eine der Karten den griechischen industriell gefertigtes Produkt, dessen sche oder eine Schachtel für Ziegenkäse Bildhauer Phidias (ca. 490 bis 430 v. Chr.) Herstellung ein hohes Maß an innovativer zieren, steht sie als regionales Icon für in seiner Werkstatt (Abb. 5). Er führt Technik, an Fortschritt, an Wissen vor- ihre Heimat Griechenland. Teller, Tassen, Abb. 6: Die MinervaGalerie im Schlosskeller. 16 MinervaPreis Jülich | 2020 MinervaPreis Jülich | 2020 17
Förderprojekte des Vereins Förderprojekte des Vereins Schirmers Vermächtnis – Ankauf und Restaurierung Das Land Nordrhein-Westfalen unter- stützt den Sammlungsschwerpunkt zu von Werken aus dem künstlerischen Nachlass Schirmer und der Landschaftsmalerei der Düsseldorfer Schule in Jülich seit dem 200. Geburtstag des Künstlers im Jahr Marcell Perse 2007 engagiert. Ein Höhepunkt war 2010 Museum Zitadelle Jülich das im Rahmen der Regionalen Kultur- politik geförderte Rheinische Verbund- projekt „Johann Wilhelm Schirmer. Vom Rheinland in die Welt“. Seither hat der Förderverein Museum Jülich sechs Anträge für Restaurierungsarbeiten an Der in Jülich geborene Johann Wilhelm Kunsthalle Karlsruhe die größte Schirmer- und in direktem Bezug zu seiner Wirkung der Jülicher Schirmersammlung gestellt, Schirmer (1807–1863) wurde mit seinem kollektion. Während diese Sammlungen auf die umfangreiche Schülergeneration abgewickelt und die Finanzierung des Talent, naturalistische Augenblicke in Na- jedoch den Schwerpunkt bei den Natur- erfahren werden. Schirmer gilt mit über Eigenanteils organisiert (Abb. 1). Dank turstudien einzufangen und später im studien des Meisters aufweisen, die als 300 Schülern als erfolgreichster und fol- einer Förderung von 80 % durch das Atelier zu überzeitlichen Ideallandschaf- Vorarbeiten galten und beim Unterricht genreichster Kunsterzieher des 19. Jahr- Landesprogramm NRW konnten Arbeiten ten zu verbinden, 1839 erster Professor an den Akademien in Düsseldorf und hunderts. Frauen waren erst ab 1919 im Gesamtvolumen von 260.000 € verge- für Landschaftsmalerei an der Kunstaka- Karlsruhe als Lehrmaterial zum Einsatz offiziell zum Studium zugelassen, aber ben werden, um Bestände ausstellungs- demie Düsseldorf und 1854 Gründungs- kamen und so später in die dortigen einige Künstlerinnen zählen als Privat- fähig zu machen und dadurch wieder in direktor der Karlsruher Kunstakademie. Museen gelangten, kann in Jülich vor schülerinnen zu diesem Kreis. Wert zu setzen. Dazu kamen in den Das Museum Jülich hat neben dem Kunst- allem das eigentliche Werk an Land- Nach langjährigen Kontakten zu Nach- letzten fünf Jahren Anträge auf Ankaufs- palast Düsseldorf und der Staatlichen schaftskompositionen in größerer Breite fahren der Familie Schirmer ist es dem förderung des Landes, die jeweils die Jülicher Museum 2018 – 2020 gelungen, Hälfte der Ankaufssummen von sieben Teile des Künstlernachlasses von Johann hochkarätigen Neuerwerbungen im Ge- Wilhelm Schirmer aus zwei Familienzwei- samtwert von 166.200 € finanzierten, gen zu übernehmen. Das erste Konvolut darunter so zentrale Werke wie die „Grot- konnte der Förderverein Museum Jülich te der Egeria“ 2019. Die Förderung der e. V. mit maßgeblicher Unterstützung der Finanzierung des zweiten Konvoluts des Hans Lamers-Stiftung und der Sparkasse Schirmernachlasses 2020 mit einem Lan- Düren erwerben. Für die notwendigen deszuschuss von fast 50.000 € ermög- Restaurierungsarbeiten bekam der Verein lichte die Ergänzung der Sammlung um den Zuschlag aus dem Förderprogramm herausragende Einzelstücke, die den des Landes Nordrhein-Westfalen, das vorhandenen Bestand zudem augenfällig Arbeiten zum Substanzerhalt der Museen vernetzen. Die von einer Jury auf Landes- zu 80 % bezuschusst. Das zweite Kon- ebene vergebenen Fördermittel belegen volut von Werken wurde zur Hälfte eindrucksvoll, welcher überregionale durch das Ankaufsförderungsprogramm Stellenwert der Jülicher Sammlung ein- Abb. 2: Johannes Niessen, Porträt von Johann Wilhelm Schirmer, 1846, während der des Landes finanziert. In seinem Gutach- geräumt wird. Nachdem die Büros und Reinigung und Firnisabnahme. Öl auf Leinwand, 62 x 47 cm, Museum Zitadelle Jülich, ten zum Ankaufsprojekt bescheinigte Magazine des Museums seit Ende 2020 Inv.-Nr. 2018-0093. Dr. Rudolf Theilmann, ehemaliger Leiter jetzt dauerhaft mit dem Stadtarchiv im des Kupferstichkabinett der Staatlichen neuen „Zentrum für Stadtgeschichte“ im Kunsthalle Karlsruhe: „Dieser seit Jahren „Forum am Aachener Tor“ zusammen mit mit großem Engagement und beeindru- der VHS eine Heimat gefunden haben, auf ausgewählte Neuzugänge und Res- mit 56 Jahren früh verstorbenen Künst- ckender Umsicht gepflegte Sammlungs- besteht die Chance, die Ausstellungs- taurierungsergebnisse aus dem Familien- lers zunächst seine Witwe und fünf schwerpunkt des Jülicher Museums auf räume im Kulturhaus nach der provisori- besitz der Schirmer-Nachfahren. Die Kinder durch Verkäufe ernähren musste dem Gebiet der rheinischen Malerei des schen Zwischenphase als Büros und Möglichkeit des Erwerbs von Objekten und vier Erbgänge sowie Kriegszeiten den 19. Jahrhunderts würde mit diesem Magazine wieder zweckentsprechend zu aus dem Besitz der Nachkommen des Bestand weiter verstreuten und redu- Zuwachs die mittlerweile zentrale Rolle nutzen und der Kunstsammlung damit die Künstlers stellt eine einzigartige Chance zierten, haben sich in Familienbesitz des Hauses für die Bewahrung und fort- gebührende Wirkung zu verschaffen. Rund dar, da Werke mit besonderer persönli- einige Zeugnisse erhalten, die von beson- dauernde Erforschung der qualitativ wie 550 Ölgemälde umfasst der Bestand, dazu cher Färbung und Bindung ansonsten derer Aussagekraft sind. Da ist zum quantitativ immensen Lebensleistung kommen noch einmal die doppelte Menge nicht ohne weiteres auf dem Kunstmarkt einen das Porträt des Malers selbst von Abb. 1: Der scheidende Kassierer des Fördervereins, Udo Zimmermann, wurde auf der Schirmers, den Carl Friedrich Lessing an Zeichnungen, Aquarellen und Druck- erhältlich sind. Da es der Schirmer- der Hand seines Freundes Johannes Mitgliederversammlung am 26. August 2020 in der Schlosskapelle für sein Engagement bereits 1831 als „Häuptling der Land- grafiken in der Grafischen Sammlung. Sammlung bislang an solchen Beispielen Niessen (1821–1910), dem späteren bei der Abwicklung der Förderprogramme mit der Schirmerplakette von Majka Wichner schafter“ tituliert hatte, nachdrücklich Die aktuelle Ausstellung „Schirmer fehlt, sind die Neuzugänge eine wichtige Direktor des Wallraf-Richartz-Museums geehrt, im Hintergrund der langjährige Schriftführer Dr. Egon Vietzke. untermauern.“ freigelegt“ ermöglicht einen ersten Blick Bereicherung. Obwohl der Nachlass des Köln (Abb. 2). 18 MinervaPreis Jülich | 2020 MinervaPreis Jülich | 2020 19
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