Mit Rücksicht und Toleranz - AVINEWS AUGUST 2021 - Schweizerische Vogelwarte ...

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Mit Rücksicht und Toleranz - AVINEWS AUGUST 2021 - Schweizerische Vogelwarte ...
Sumpfohreule (Foto: Marcel Burkhardt)

AV I N E W S                            AUGUST 2021

Mit Rücksicht und Toleranz
Beim Aufenthalt und beim Be- So hat sie in den vergangenen           der Vögel erstellt. Und wer am       zu vermeiden. Wichtig ist dabei
obachten in der Natur ist Rück- Jahren gemeinsam mit Partnern        alljährlichen Fotowettbewerb der     der zeitliche Aspekt: Dauert die
sicht gegenüber den Vögeln an- einfach verständliche Regeln er-      Vogelwarte teilnehmen will, muss     Störung nur kurze Zeit, dann ist
gesagt, aber auch gegenüber den stellt, wo und wie Stehpaddeln       sich an einen speziellen Kodex für   das oft kein Problem. Doch wenn
Mitmenschen.                      und Drohnenfliegen mit gerin-      das verantwortungsvolle Foto-        diese Phasen mit Störungen zu
                                  ger Störwirkung ausgeübt wer-      grafieren halten. Fotos, die er-     lange dauern, kann eine Brut in
Die Suche nach Erholung treibt    den können.                        kennbar unter Missachtung die-       Gefahr geraten. Sichernde, war-
die Menschen in die Natur. Auch      Auch die Zahl der Vogel-        ses Kodex entstanden sind, wer-      nende oder fütternde Vögel soll-
weit abgelegene Gebiete wer- begeisterten nahm über die letz-        den ausgeschlossen.                  ten daher nur aus ausreichender
den zunehmend besucht, und die    ten Jahrzehnte stetig zu. Das           Besondere Rücksicht auf Vögel   Distanz beobachtet werden, und
Aktivitäten werden in die Däm- spiegelt sich nicht zuletzt in der    ist in den bekannten «Birding Hot-   an solchen Ort sollte man nur kurz
merungs- und Nachtstunden         enormen Steigerung der Be-         spots» geboten, wo sich regel-       verweilen.
ausgedehnt. Dadurch steigt das    obachtungsaktivität in den letz-   mässig viele Vogelbegeisterte ein-       An solchen «Birding Hotspots»
Störungspotenzial für Vögel und   ten dreissig Jahren wider. Die     finden. Mit zunehmender Präsenz      ist aber auch Rücksicht und Tole-
andere Wildtiere. Die Vogelwarte  zunehmende Begeisterung für        von Menschen steigt auch die         ranz gegenüber anderen Vogel-
erforscht, welchen Einfluss Frei- Vögel ist erfreulich und ganz im   Gefahr, dass Vögel gestört wer-      begeisterten gefragt. Auch sie
zeitaktivitäten auf unsere Vogel- Sinne der Vogelwarte. Doch Vögel   den, auch wenn sich sämtliche        haben ein Anrecht darauf, an
welt ausüben und erarbeitet       nehmen Ornithologinnen und         Beteiligten an alle Regeln hal-      schönen Orten spannende Vögel
damit Grundlagen für Regelun- Ornithologen nicht als weniger         ten. Das kann dazu führen, dass      zu beobachten. Statt uns an ihrer
gen zu deren Schutz. Gleich- störend wahr als andere Personen.       Vögel vom Brüten oder Füttern        Anwesenheit zu stören, sollten
zeitig engagiert sie sich dafür, Deshalb haben die Vogelwarte        abgehalten werden. Im Extrem-        wir uns darüber freuen, dass sie
dass Störungen durch Menschen     und BirdLife Schweiz gemeinsam     fall siedeln sich sensible Arten     unsere Leidenschaft teilen.
vermindert werden und dadurch     einen Verhaltenskodex für das      gar nicht erst an. Für uns Vogel-
ein Nebeneinander möglich wird. verantwortungsvolle Beobachten       begeisterte gilt es, solche Fälle                     Michael Schaad
Mit Rücksicht und Toleranz - AVINEWS AUGUST 2021 - Schweizerische Vogelwarte ...
AVINEWS AUGUST 2021: IM FOKUS

Neue Rote Liste zeigt alte Probleme
Nach 2010 hat die Vogelwarte die           wird es aufwändig, sie so zu               Liste aktualisiert. Sie ersetzt die     Zistensänger und Weissbartgras-
Rote Liste der gefährdeten Brut-           fördern, dass sie daraus wieder            im Jahr 2010 publizierte Liste.         mücke. Sie werden heute nicht
vogelarten der Schweiz im Auftrag          entlassen werden kann. Daher                  Für die neue Liste wurden            mehr als ausnahmsweise brü-
des Bundesamts für Umwelt BAFU             gibt es mit den «potenziell ge-            die Daten bis 2019 verwendet,           tend (mit höchstens drei Brut-
revidiert. 40 % der 205 beurteilten        fährdeten» Arten eine Vorwarn-             wobei die Grundlagen für die            nachweisen) taxiert. Von den
Vogelarten wurden auf die Rote             liste: Diesen Arten kann mit               Aktualisierung deutlich besser          205 Vogelarten wurden 60 %
Liste gesetzt.                             Schutz- und Fördermassnahmen               waren als noch vor zehn Jahren.         nicht der Roten Liste der ge-
                                           bereits früher, meist mit gerin-           Das liegt vor allem an den Daten        fährdeten Brutvogelarten zu-
Rote Listen sind ein bewährtes             gerem Aufwand und besseren                 aus dem «Schweizer Brutvogel-           geordnet. Davon sind 41 Arten
Mittel im Naturschutz und                  Chancen geholfen werden, so                atlas 2013–2016». Aber auch             (20 %) der Kategorie potenziell
dienen als eine Art «Warn-                 dass sie nicht höher klassiert             die Überwachungsprojekte und            gefährdet und 80 Arten der Kate-
instrument». Je höher eine Art             werden müssen.                             Auswertemethoden für einzelne           gorie nicht gefährdet zugewiesen.
klassiert ist, desto näher steht               Die Roten Listen der ge-               Arten wurden weiter verbessert.         83 Arten (40 %) wurden auf die
diese Art dem Aussterben und               fährdeten Brutvogelarten der                                                       Rote Liste der gefährdeten Brut-
desto grössere Probleme hat                Schweiz werden seit 2000 nach              Immer noch 40 % der Arten               vogelarten gesetzt – gleich viele
sie normalerweise. Das kann                den Kriterien und Richtlinien der          gefährdet                               wie 2010. Davon war ein Drittel
ein deutlicher Bestandsrück-               Weltnaturschutzunion (Inter-               Seit 2010 sind sechs Brutvogel-         in der Schweiz aber immer selten.
gang oder eine tiefe Bestands-             national Union for Conserva-               arten neu evaluiert worden:             Betrachtet man den Anteil der
grösse sein. Wenn eine Art ein-            tion of Nature IUCN) erarbeitet.           Moorente, Silberreiher, Mor-            Vogelarten der Roten Liste nach
mal auf der Roten Liste steht,             Die Vogelwarte hat nun die Rote            nellregenpfeifer, Schlangenadler,       Lebensräumen, ist der Anteil der
                                                                                                                              gefährdeten Arten im Kulturland
                                                                                                                              und in den Feuchtgebieten deut-
                                                                                                                              lich höher als im Wald oder in al-
                                                                                                                              pinen Lebensräumen. Das weist
                                                                                                                              auf akute Probleme für die Be-
                                                                                                                              wohner der Landwirtschafts- und
                                                                                                                              der Feuchtgebiete hin und auch
                                                                                                                              darauf, dass der Wald dank dem
                                                                                                                              naturnahen Waldbau, dem ge-
                                                                                                                              stiegenen Totholzanteil und dem
                                                                                                                              Flächenschutz eine relativ gute
                                                                                                                              ökologische Qualität hat.

                                                                                                                              Mehrere Arten mit höherer
                                                                                                                              Gefährdung seit 2010
                                                                                                                              Bei 42 der 205 Arten (20 %) än-
                                                                                                                              derte sich die Einstufung gegen-
                                                                                                                              über 2010. 25 Arten wurden
                                                                                                                              in eine höhere Kategorie ein-
Der Bestand des Grauspechts ist weiter deutlich zurückgegangen, ebenso gibt es Arealverluste seit 1993–1996. Aufgrund         gestuft (d.h. ihr Status hat sich
des kleinen Bestands und des starken Rückgangs gilt der Grauspecht neu als stark gefährdet (2010: verletzlich) (Foto: Ralph   verschlechtert). Bei 20 der 25
Martin).
                                                                                                                              Arten basiert die neue Kategorie
                                                                                                                              auf einem Bestandsrückgang. Be-
                                                                                                                              sonders auffällig ist dies bei der
                                                                                                                              Wachtel, die 2010 noch als nicht
                                                                                                                              gefährdet eingestuft war. Auch
                                                                                                                              bei der Turteltaube ist der Rück-
                                                                                                                              gang so stark, dass sie im Ver-
                                                                                                                              gleich zu 2010 gleich um zwei
                                                                                                                              Kategorien höher eingestuft wer-
                                                                                                                              den musste. Grauspecht, Neun-
                                                                                                                              töter, Feldlerche, Gelbspötter,
                                                                                                                              Rauchschwalbe, Gartengras-
                                                                                                                              mücke, Grauschnäpper und
                                                                                                                              Grauammer zeigten bereits
                                                                                                                              2010 Rückgänge. Besonders die
                                                                                                                              ungebremst negative Bestands-
                                                                                                                              entwicklung der früher allgegen-
                                                                                                                              wärtigen Feldlerche ist besorg-
                                                                                                                              niserregend. Die meisten dieser
                                                                                                                              Arten bewohnen strukturreiches
Der Baumpieperbestand ist seit 2000 kaum mehr rückläufig. Weil die Art neu als europaweit gefährdet gilt und die Dichte       Kulturland und leiden unter an-
in der Schweiz seit 1993–1996 vielerorts deutlich abgenommen hat, wird sie neu als potenziell gefährdet eingestuft (2010:     derem an der immer intensive-
nicht gefährdet) (Foto: Marcel Burkhardt).
                                                                                                                              ren landwirtschaftlichen Nutzung.

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Mit Rücksicht und Toleranz - AVINEWS AUGUST 2021 - Schweizerische Vogelwarte ...
AVINEWS AUGUST 2021: IM FOKUS

Und die Intensivierung der land-           die tiefere Einstufung auf die ver-                    RE – in der Schweiz ausgestorben            CR – vom Aussterben bedroht
wirtschaftlichen Nutzung erfasst           minderte Gefährdung in Europa
mehr und mehr auch die mittle-             zurückzuführen (z. B. Weissstorch,
                                                                                                                                                      EN – stark gefährdet
ren und höheren Lagen. So wer-             Steinadler).                                   LC – nicht gefährdet
den nährstoffarme Wiesen selte-                Externe Einflüsse können
ner und der erste Grasschnitt er-          rasch dazu führen, dass die Ge-
folgt immer früher.                        fährdung von Arten zunimmt,
    Auch einige Waldvögel haben            wie das Beispiel des Wander-
Probleme, wie fünf Arten mit               falken zeigt. Er war 2010 noch
einer höheren Einstufung seit              als potenziell gefährdet ein-
2010 illustrieren: Raufusskauz,            gestuft worden, gilt nun aber                                                                                   VU – verletzlich
Habicht, Grauspecht, Garten-               als verletzlich. Dieser Art setzen
grasmücke und Zitronenzeisig.              vor allem illegale Verfolgung und
Bei diesen Arten spielen unter             zunehmende Störungen an den
anderem das Fällen von Höhlen-             Brutplätzen zu.
bäumen und Altholzbeständen,                   Wie die differenzierte Analyse                                                                     NT – potenziell gefährdet
immer mehr Forstarbeiten zur               der Listen von 2010 und 2021
Brutzeit, die Abnahme lichter              zeigt, hat sich die Gefährdungs-               Anteil der Brutvogelarten pro Gefährdungskategorie in der neuen Roten Liste
oder beweideter Wälder sowie               situation der Brutvögel insgesamt              der Brutvögel. Die Rote Liste (Kategorien RE – in der Schweiz ausgestorben,
                                                                                          CR – vom Aussterben bedroht, EN – stark gefährdet und VU – verletzlich) enthält
die Eutrophierung der Wald-                weiter verschlechtert. Betroffen
                                                                                          83 Arten (40 % der evaluierten Arten).
böden eine wichtige Rolle. Bei             sind insbesondere Arten der
den Feuchtgebietsbewohnern                 Landwirtschafts- und Feucht-
macht besonders der Rückgang               gebiete. Auch der Vergleich der
des Haubentauchers Sorge. Bei              Roten Liste mit den Nachbar-
                                                                                           Rote Liste
den alpinen Lebensräumen ist               ländern weist auf die vergleichs-
vor allem der Bestandsrückgang             weise starke Gefährdungs-                       Die Rote Liste 2021 kann ab Herbst in drei Sprachen von der BAFU-
des Schneesperlings bedenklich,            situation der Schweizer Brutvögel               Homepage heruntergeladen werden: www.bafu.admin.ch/rot-
denn die Schweiz beherbergt                in diesen Gebieten hin.                         elisten; es gibt keine gedruckte Fassung. Die Vogelwarte wird zu-
rund 15 % des europäischen Be-                                                             dem einen Hintergrundbericht (auf Deutsch) mit der artweisen Be-
stands!                                    Immer mehr potenziell                           gründung der Einstufung zusammenstellen: www.vogelwarte.ch/
    Die 17 Arten, die tiefer ein-          gefährdete Arten seit 2001                      de/projekte/lagebeurteilung/lagebeurteilung-vogel-schweiz.
gestuft werden konnten, lassen             Der Anteil der Arten auf der
sich in drei Gruppen einteilen:            Roten Liste hat sich von 2001                   Knaus, P., S. Antoniazza, V. Keller, T. Sattler, H. Schmid & N. Strebel (im
Fünf Arten zeigen eine klare Be-           über 2010 und bis 2021 mit 40 %                 Druck): Rote Liste Brutvögel. Gefährdete Arten der Schweiz, Stand 2021.
standszunahme (Gänsesäger,                 insgesamt nicht verändert. Deut-                Bundesamt für Umwelt, Bern, und Schweizerische Vogelwarte, Sempach.
Waldohreule, Uhu, Bienenfresser,           lich gestiegen zwischen 2001 und
Dohle). Bei sieben Arten hat sich          2021 ist der Anteil der poten-
der Rückgang verlangsamt oder              ziell gefährdeten Arten, nämlich
ist der Trend leicht positiv, der Be-      von 12 % auf 20 %, was auf den              Brutvogelatlas 2013–2016 im                   kauz wieder an. Die Vogelwarte
stand aber nach wie vor klein. Da-         Rückgang ihrer Bestände zurück-             so genannten 11-Punkte-Plan                   und ihre Partnerorganisationen
runter sind Arten wie der Kiebitz,         zuführen ist. Die Gefährdung der            («Der Brutvogelatlas als Auftrag              beweisen tagtäglich, dass diese
für den intensive Fördermass-              Schweizer Brutvögel hat somit               – Handlungsbedarf in 11 Punk-                 Naturschutzarbeit nötig und
nahmen laufen, oder Zwerg-                 leicht zugenommen. Der Hand-                ten») zusammengestellt. Dank                  wirksam ist.
taucher und Rohrammer, die aber            lungsbedarf bleibt also gross. Die          gezielter Förderung steigen die
stark auf Pflegemassnahmen an-             wichtigsten Punkte hat die Vogel-           Bestände bedrohter Arten wie                                        Peter Knaus
gewiesen sind. Bei fünf Arten ist          warte nach der Publikation des              Kiebitz, Wiedehopf und Stein-

Die Feldlerche ist im Sinkflug, zudem sind die Vorkommen zunehmend fragmentiert.       Der Gänsesäger hat sich ausbreiten und zahlenmässig zulegen können, auch wenn
Unterhalb von 1500 m (wo der Grossteil der Population lebt) beträgt die Abnahme        sein Bestand an den grossen Seen in der Westschweiz rückläufig ist. Er wird neu als
30 %. Die Art wird daher neu als verletzlich betrachtet (2010: potenziell gefährdet)   potenziell gefährdet klassiert (2010: verletzlich) (Foto: Marcel Burkhardt).
(Foto: Mathias Schäf).

                                                                                                                                                                      3
Mit Rücksicht und Toleranz - AVINEWS AUGUST 2021 - Schweizerische Vogelwarte ...
AVINEWS AUGUST 2021: IM FOKUS

Mehr Biodiversität und weniger Pestizide im Rebbau
                                                                                                                            Betrieb zusätzlich zu den Grund-
                                                                                                                            anforderungen eine Mindest-
                                                                                                                            anzahl von 16 Punkten erreichen
                                                                                                                            muss. Als Umsetzungshilfen wer-
                                                                                                                            den den Produzenten ein um-
                                                                                                                            fangreicher Leitfaden, ein Onli-
                                                                                                                            netool zur Eingabe der Daten und
                                                                                                                            eine unterstützende Beratung an-
                                                                                                                            geboten. Zusätzlich sind diverse
                                                                                                                            Kurzvideos geplant. Die Vogel-
                                                                                                                            warte beabsichtigt, die Auswir­
                                                                                                                            kungen der Massnahmen des IP-
                                                                                                                            Suisse-Rebbaus auf die Vogelwelt
                                                                                                                            ab 2022 zu evaluieren.

                                                                                                                            Mehrleistungen mit
                                                                                                                            Marktprämie fair abgelten
                                                                                                                            Für die Produzenten sind die zu-
                                                                                                                            sätzlichen Anforderungen mit
                                                                                                                            einem Mehraufwand verbunden.
Die Labelkriterien der IP-Suisse für den Rebbau fordern, dass in Rebbergen wertvolle Lebensräume wie Buntbrachen angelegt   Das Programm nutzt Syner­
werden (Foto: Markus Jenny).                                                                                                gien mit den Direktzahlungs-
                                                                                                                            programmen des Bundes. Direkt-
                                                                                                                            zahlungen sind für spezialisierte
Die IP-Suisse hat in Zusammen- ziden massiv verschlechtert. Vor                      ambitionierten und aussage-            Rebbaubetriebe einkommens-
arbeit mit der Vogelwarte öko- allem wegen des Pestizidein-                          kräftigen Punktesystems beauf-         mässig aber wenig bedeutsam,
logische Richtlinien zur Förde- satzes wird die Weinbranche seit                     tragt, mit dem die Massnahmen          im Gegensatz zu den viel rele-
rung der Biodiversität und zur Re- Jahren kritisiert. Der Druck des                  zur Förderung der Biodiversität im     vanteren produktbezogenen Prä-
duktion des Pestizideinsatzes in Marktes und der Politik zwingt                      Rebbau beurteilt werden können.        mien. IP-Suisse hat mit den Kel-
der Weinproduktion entwickelt. die Branche zu einem deutlich                         In enger Zusammenarbeit mit            lereien als Abgeltung der öko-
Damit soll ein wegweisender öko- ökologischeren Weinbau.                             sechs Kellereien aus den Kanto-        logischen Mehrleistungen eine
logischer Standard in der Schweizer                                                  nen Wallis, Waadt und Schaff-          Prämie von 30 Rappen pro kg
Weinproduktion etabliert werden. Im Rebberg für die                                  hausen wurden Massnahmen               Trauben vereinbart.
                                          Biodiversität punkten                      zur Verbesserung der Lebens-
Rebberge haben dank ihrer kli-            IP-Suisse und der Detailhändler            bedingungen im Rebberg für ty-         Erste Ernte 2021 – erste Weine
matisch bevorzugten Lage ein              Denner haben sich zum Ziel ge-             pische Tier- und Pflanzenarten         ab 2022
sehr hohes Potenzial für die              setzt, schweizweit ein innovati-           und zur Reduktion des Pestizid-        In Jahr 2021 werden auf ca.
Biodiversität. Doch die Quali-            ves Programm zur Förderung der             einsatzes definiert und auf 14 Be-     100 ha Trauben für die ersten IP-
tät des Lebensraums von Heide-            Biodiversität und zur Schonung             trieben getestet.                      Suisse-Weine angebaut. Daraus
lerche, Zaunammer & Co. hat sich          der natürlichen Ressourcen um-                 So beinhalten 12 Grundan­for­      werden ca. 1 Mio. Liter Wein ge-
wegen der Beseitigung von wert-           zusetzen. Daher wurde die Vogel-           der­ungen u. a. eine Begrünung         keltert, ab 2022 sollen die ers-
vollen Strukturelementen und des          warte von der IP-Suisse mit der            der gesamten Rebbergfläche, zu-        ten Weine mit dem IP-Suisse-
sehr hohen Einsatzes von Pesti-           Entwicklung eines umfassenden,             dem muss ein Mindestanteil von         Käferlogo bei Denner erhält-
                                                                                     3,5 % der Rebfläche mit Biodiver-      lich sein. Das Programm stiess
                                                                                     sitätsförderflächen aufgewertet        in der Weinbranche auf grosses
                                                                                     werden und Kleinstrukturen müs-        Interesse. So will ein 2021 ein-
                                                                                     sen vorhanden sein. Auch im Be-        gereichtes Ressourcenprojekt im
                                                                                     reich des Pflanzenschutzes gelten      Kanton Tessin, das ähnliche Ziele
                                                                                     strenge Auflagen.                      verfolgt, das Punktesystem zur
                                                                                         Neben den Grundan­for­der­         Wirkungskontrolle einsetzen.
                                                                                     ungen beinhaltet das Punkte-               Alle am Projekt beteiligten Ak-
                                                                                     system ein Set von Massnahmen          teure sind überzeugt, dass das
                                                                                     zur spezifischen Förderung der         Programm viel Potenzial hat und
                                                                                     Biodiversität und zur Reduktion        Chancen bietet, die Biodiversität
                                                                                     des Pestizideinsatzes. Je höher        grossflächig zu fördern und die
                                                                                     die Leistung, desto mehr Punkte        natürlichen Ressourcen zu schüt-
                                                                                     können erzielt werden, beispiels-      zen. Oder wie es der Patron der
                                                                                     weise für das Anlegen wertvoller       Kellerei Rimuss & Strada, Andrea
                                                                                     Lebensräume wie Brachen und            Davaz, sagt: «Diese Entwicklung
                                                                                     Hecken oder den Verzicht auf           ist alternativlos».
                                                                                     Pestizide mit besonderem Risiko-
                                                                                     potenzial.                                              Markus Jenny &
Von den Massnahmen zur Förderung der Biodiversität in Rebbergen profitiert               Insgesamt verlangen die                             Jérôme Duplain
auch der Wiedehopf (Foto: Markus Jenny).                                             Labelanforderungen, dass jeder

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Mit Rücksicht und Toleranz - AVINEWS AUGUST 2021 - Schweizerische Vogelwarte ...
AVINEWS AUGUST 2021: IM FOKUS

Förderung der Vogelwelt in den Walliser Rebbergen
Als die Schweizerische Vogelwarte Begrünte und strukturierte                       Anteil an begrünten Rebbergen          nelle Winzer daher nicht interes-
vor rund 20 Jahren im Wallis eine Rebberge schaffen                                wächst stetig.                         sant. Durch die Aufgabe der Be-
Aussenstelle gründete, gewann Mehrere Forschungsprojekte                               Genauso wichtig wie die            wirtschaftung drohen diese Reb-
auch die Förderung der Vogel- der Walliser Aussenstelle in Zu-                     Bodenbegrünung sind zusätz-            parzellen zu verbuschen, bieten
welt in den dortigen Rebbergen sammenarbeit mit der Universität                    liche Landschaftselemente, damit       aber gleichzeitig auch die Chance,
an Bedeutung. Seither konnten Bern zeigten jedoch auf, dass                        möglichst viele Vogelarten in          neue Lebensräume zu schaffen.
die Lebensraumbedingungen für bedrohte Vogelarten in diesem                        Reblandschaften brüten können.         Durch die Umnutzung solcher
Vögel vielerorts verbessert und Agrarsystem gezielt gefördert                      Natürliche Strukturen wie Nieder-      Parzellen, sei es in Richtung klei-
wichtige Veränderungen im Reb- werden können. Ein Schlüssel-                       und Baumhecken, Einzelbäume,           ner Hochstammobstgärten oder
bau angestossen werden.              faktor dafür stellt die Boden-                Trockensteinmauern und Felsen-         extensiv bewirtschafteter und
                                     begrünung der Rebberge dar.                   steppe bieten sowohl Brut- und         strukturreicher Wiesen und Wei-
War die Kulturlandschaft des         Die Heidelerche, die Charakter-               Versteckmöglichkeiten als auch         den, wird eine mosaikartige Land-
Walliser Haupttals früher noch       art der Walliser Rebberge, brütet             alternative Nahrungsquellen. Die       schaft geschaffen. Dies fördert
ein Mosaik unterschiedlicher und sucht bevorzugt dort nach                         Vogelwarte Sempach erhält und          nicht nur die Biodiversität, son-
Habitate, so dominieren heute        Nahrung, wo es genügend be-                   schafft gezielt solche Struktu-        dern trägt auch zu einem intak-
an sonnigen Lagen Rebberge           grünte Rebparzellen gibt. Auch                ren in den Rebbergen, indem sie        ten Landschaftsbild bei, welches
das Landschaftsbild und bilden       wurden in solchen Flächen                     beispielsweise Niederhecken und        die lokale Bevölkerung wie auch
eine flächendeckende Mono- mehr Vogelarten beobachtet,                             Hochstammobstbäume pflanzt             der Tourismus gleichermassen
kultur. Ehemalige Landschafts- welche Trockenhabitate bevor-                       oder die Erhaltung von Trocken-        schätzen. Die Vogelwarte Sem-
elemente wie Wiesen und Wei- zugen, wie etwa Bluthänfling,                         steinmauern unterstützt. Damit         pach hat deshalb zusammen mit
den oder Kleinstrukturen fehlen Zaun- und Zippammer. Aus die-                      werden Monokulturen zu einer           Pro Natura das Gemeinschafts-
fast vollständig. Zudem werden       sem Grund engagiert sich die                  mosaikartigen Reblandschaft auf-       projekt «Ökologische Trittsteine
die Rebbergparzellen intensiv be- Vogelwarte Sempach seit Jah-                     gewertet, die reich an Arten und       in den Walliser Weinbergen» ins
wirtschaftet. Im niederschlags- ren für die Förderung der Boden-                   Lebensräumen ist.                      Leben gerufen. Im Rahmen die-
armen Wallis ist es noch heute       begrünung in Rebbergen. Im                                                           ses Projekts versuchen wir in Zu-
vielerorts die Regel, den Boden      Rahmen dieses Engagements                     Kleine Rebparzellen als                sammenarbeit mit lokalen Part-
in den Rebbergen mit Herbizid        hat sich durch die intensive Zu-              Trittsteine nutzen                     nern, ein Netz an neuen Lebens-
von Vegetation zu «befreien», sammenarbeit mit lokalen Win-                        Seit einiger Zeit werden infolge       räumen zu schaffen, welches die
um für die Reben die Konkur- zern und Winzervereinigungen                          marktwirtschaftlicher und ge-          Walliser Rebberge als Ganzes für
renz mit anderen Pflanzen um         eine erfreuliche Dynamik ent-                 sellschaftlicher Veränderungen         Vögel noch attraktiver machen
Wasser und Nährstoffe zu mini- wickelt. Immer mehr Winzer,                         immer mehr kleine Rebpar-              soll.
mieren. Es erstaunt deshalb nicht, aber auch der Kanton Wal-                       zellen nicht mehr bewirtschaftet.
dass die Artenvielfalt in derart be- lis erkennen, dass die flächen-               Diese befinden sich oft an Rand-             Franz Steffen & Alain Jacot
wirtschafteten Parzellen und Reb- deckende Herbizidbehandlung                      lagen, sind maschinell nicht zu
landschaften gering ist.             nicht mehr zeitgemäss ist: Der                bearbeiten und für professio-

Einseitig und intensiv bewirtschaftete Rebberge stellen Monokulturen dar, welche   Hecken und andere Gehölze sowie strukturreiche Wiesen ergänzen die Rebberge
der Vogelwelt kaum Nahrung und Lebensräume bieten (Foto: Flurin Leugger).          zu einer mosaikartigen Reblandschaft mit einer Vielzahl an verschiedenen
                                                                                   Lebensräumen (Foto: Flurin Leugger).

                                                                                                                                                         5
Mit Rücksicht und Toleranz - AVINEWS AUGUST 2021 - Schweizerische Vogelwarte ...
AVINEWS AUGUST 2021: ARTENFÖRDERUNG

Für die Dohle unterwegs: Radtour eines
rastlosen Rentners
Die Dohle ist ein spärlich brü-            Napoleonsbrücke bei Brig VS da-            Junge Dohlen überleben eher,                tragen. Und genau hier setzt das
tender Jahresvogel und wird in             gegen gelang 2017 mit der Mon-             wenn sie in erster Linie mit tie-           jüngste Förderprojekt an. Das Ziel
der bald erscheinenden neuen               tage von 12 Nistkästen auf An-             rischen Proteinen gefüttert wer-            ist die Vergrösserung von Klein-
Roten Liste als «potenziell ge-            hieb: Die Kolonie umfasst jetzt 13         den.                                        kolonien in Waldrandnähe und
fährdet» gelistet. Seit 2020 wird          Paare. Im gleichen Jahr klappte                Bei Fragen an die Vogel-                damit in der Nähe von potenziel-
diese Prioritätsart im Programm            das auch an den hohen Felsen der           warte zur Förderung der Dohle               len Nahrungsflächen. Mit dieser
«Artenförderung Vögel Schweiz»             Deponie Unterkobel in Oberriet             öffnen wir zunächst eine Land-              Idee beschäftigt sich der Artver-
verstärkt gefördert, neuerdings            SG. Aktuell brüten dort in Fels-           karte oder das Satellitenbild der           antwortliche Dohle mit grosser
auch im Wald.                              spalten und Nistkästen 31 Paare.           Region. Wenn ein angedachtes                Begeisterung auch über die re-
                                                                                      Projekt mitten in einer Siedlung            guläre Pensionierung hinaus.
Bei den Arbeiten am Brutvogel-             Förderung nur an geeigneten                und damit weit von optimalen
atlas 2013–2016 wurde bei der              Orten                                      Nahrungsflächen entfernt liegt,             Mit Detektivarbeit zu den
Dohle gegenüber den 1990er-                Der gesellige Rabenvogel brütet            sind die Erfolgsaussichten gering,          Dohlen im Wald
Jahren eine Tendenz zu grösse-             in Kolonien und sucht die Nah-             weshalb sich die Vogelwarte nicht           Mehrere Hinweise auf im Wald
ren Kolonien festgestellt. Der Zu-         rung für die Nestlinge in der Nähe         an solchen Projekten beteiligt.             brütende Dohlen im Oberaargau
wachs ging teilweise auf Kosten            der Nistplätze auf ungedüngten             Wir helfen aber gerne mit, wenn             und im angrenzenden Luzerner
von Kleinkolonien und Einzel-              kurzrasigen Wiesen und Weiden              alles zusammenpasst: Geeignete              Hinterland lassen vermuten, dass
brütern in Wäldern. Für die ganze          mit grossem Insektenangebot.               Strukturen, ein initiativer Verein,         zwischen den Flüsschen Langeten,
Schweiz resultierte aber ein Be-           Der sich ausbreitende Siedlungs-           aufgeschlossene Liegenschafts-              Rot und Pfaffnern Waldbrüter in
standsanstieg um rund 40 %.                gürtel führt dazu, dass nahe lie-          besitzer sowie nahe liegende                einer auffälligen Dichte leben. Ein
Dies ist die Folge von Artenschutz-        gende günstige Nahrungsflächen             Flächen, wo Dauergrünland und               Treffen mit Kennern dieser Region
projekten, Fördermassnahmen                verschwinden. Die Folgen sind              Weiden überwiegen. Moderne                  bestätigte diese Vermutung. Zu
an Gebäuden und rücksichts-                gravierend: «Stadtdohlen» müs-             Dohlenförderung heisst das dann.            dritt beugten wir uns über die
vollen Sanierungen. An vielen              sen Nestlingsnahrung aus immer                 Und die Baumbrüter? Wäh-                Kartenblätter «Murgen­t hal»
dieser Projekte war der Dohlen-            grösserer Distanz heranschleppen,          rend wir über Kolonien in Sied-             und «Langenthal». Willy Jost und
flüsterer der Vogelwarte mass-             oder sie weichen auf weg-                  lungen, an historischen Bau-                Manfred Steffen vom «Verein
geblich beteiligt: Anlässlich der          geworfene Essensreste aus. So              werken und an Felswänden gut                Lebendiges Rottal» nannten 25
längst fälligen Sanierung konn-            sinkt entweder die Menge oder              Bescheid wissen, tappen wir bei             Waldpartien mit konkreten Hin-
ten 2016 am Viaduc de Boudry               die Qualität der verfütterten Nah-         Baumbrütern in Wirtschafts-                 weisen auf Dohlenkolonien oder
NE 16 Nistkästen montiert wer-             rung, was den Bruterfolg schmä-            wäldern weitgehend im Dun-                  zumindest Brutverdacht.
den. Die Wiederbesiedlung dieses           lert. Eine Studie der Vogelwarte           keln. Die Erfassung von Wald-                   Für die Feldsaison 2021 wur-
attraktiven Bauwerks durch Doh-            (siehe Quelle am Ende des Arti-            brütern ist anspruchsvoll. Die              den 12 bekannte oder vermutete
len wird sehnlichst erwartet. Die          kels) bestätigt Untersuchungen             Kolonien sind kleiner, die Dohlen           Kolonien in den Gemeinden Ma-
Erweiterung einer Kleinkolonie in          an der Kolonie am Schloss Mur-             weniger ruffreudig, ihre Flucht-            diswil und Melchnau ausgesucht.
Brückenpfeilern der historischen           ten zu Beginn der 1990er-Jahre:            distanz kann 100 m und mehr be-             Diese Landschaft ist ein Mosaik

Waldbrüter sind zur Brutzeit wenig auffällig und oft sehr scheu, deshalb werden sie   Ein luftiger Arbeitsplatz! Hier war sogar die Feuerwehrleiter zu kurz: in der Deponie
oft übersehen. Erhebungen sind nur aussagekräftig, wenn sie mit Geduld und            Unterkobel Oberriet kamen Höhenarbeiter zu einem nicht ganz alltäglichen Einsatz.
Rücksicht erfolgen (Foto: Willy Jost-Badertscher).                                    Jetzt brüten dort Dohlen als Nachbarn zu Wanderfalke und Uhu (Foto: Roland Thür
                                                                                      & Dominik Suntinger).

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Mit Rücksicht und Toleranz - AVINEWS AUGUST 2021 - Schweizerische Vogelwarte ...
vorsichtig sind und schnell auf             Und nun? Im Keller des rast-
                                                                                  Störungen reagieren. Als Brut-           losen Rentners lagern 50 von
                                                                                  nachweise gelten Bettelrufe von          einem Schreinermeister im
                                                                                  Nestlingen, Futter eintragende           aargauischen Wiggertal ge-
                                                                                  Altvögel, aber auch der feine,           baute Nistkästen. Für die Mon-
                                                                                  weiche Lockruf des Altvogels.            tage wird eine baumschonende
                                                                                  Dieses «dschock» entspricht              Technik entwickelt, welche ohne
                                                                                  dem bekannten, hellen Kontakt-           Schrauben, Nägel und Säge aus-
                                                                                  ruf «kjack», tönt aber wegen             kommt. Zunächst müssen aber
                                                                                  des gefüllten Kehlsackes etwas           die Waldeigentümer angefragt
                                                                                  gedämpfter – Sprechen mit vol-           werden, ob die Montage von
                                                                                  lem Schnabel, quasi. Der Ansitz          Nistkästen erwünscht ist. Dann
                                                                                  erfolgte in gebotener Distanz und        werden Förster, Baumwärter oder
                                                                                  aus der Deckung.                         Höhenarbeiter engagiert, welche
                                                                                     Festgehalten wurden neben             Erfahrung mit Arbeiten am obe-
                                                                                  den Beobachtungen auch die               ren Ende einer Leiter haben. Und
                                                                                  Kulturen in Kolonienähe, die             im besten Fall darf sich der Art-
                                                                                  Distanz zum nächsten Ver-                verantwortliche Dohle bereits im
                                                                                  kehrsweg wegen Materialtrans-            Frühjahr 2022 wieder auf sein
                                                                                  porten, das Störungspotenzial,           Mountainbike schwingen und
                                                                                  mögliche Kontakte sowie zu er-           überprüfen, ob die Massnahmen
                                                                                  greifende Massnahmen. Die Re-            richtig geplant und realisiert wur-
                                                                                  sultate sind sehr erfreulich: in die-    den.
                                                                                  ser eher kleinen Geländekammer
                                                                                  im Oberaargau lebten 2021 min-                      Meyrier, E., L. Jenni, Y.
                                                                                  destens 59 Dohlen in 11 Kolo-                Bötsch, S. Strebel, B. Erne &
                                                                                  nien. Alle angeflogenen Höhlen               Z. Tablado (2017): Happy to
                                                                                  sind Schwarzspechthöhlen in Rot-            breed in the city? Urban food
                                                                                  buchen. Im Sunnewald bei Madis-               resources limit reproductive
                                                                                  wil tummelten sich Ende März in              output in Western Jackdaws.
                                                                                  der Nähe von vier Höhlen gleich-                 Ecol. Evol. 7: 1363–1374.
                                                                                  zeitig drei Schwarzspechte, sechs                 https://doi.org/10.1002/
Dohlen haben es gern hoch und luftig. Bei Massnahmen zugunsten von                Dohlen, zwei Hohltauben und ein                                  ece3.2733
Waldbrütern muss hier ein Baumpfleger oder ein Förster mit Kletterausbildung      Bienenvolk. Die Tiere gaben ein
und persönlicher Sicherheits-Ausrüstung an die Arbeit (Foto: Markus Blum-Graf).
                                                                                  Lehrstück zur Abhängigkeit von                  Christoph Vogel-Baumann
                                                                                  Höhlenbewohnern von Aktivi-
                                                                                  täten des Schwarzspechts!
aus Kulturland, zerstreuten Wei-          zu bestätigen sowie die Kolonieg-
lern sowie Waldflächen mit gros-          rösse zu schätzen. An drei Tagen
ser Hangneigung. Die steilsten            zwischen Mitte März und Mitte
Waldpartien sind wenig durch-             April wurden die Hinweise über-
forstet und beeindrucken mit              prüft. In dieser Phase der Brut-
prächtigen Rotbuchen. In offe-            zeit sind die Dohlen bei der Nist-
nen Flächen mit geringer Hang-            platzwahl und beim Nestbau be-
neigung wird Getreide angebaut,           sonders laut und daher auffällig,
in den steileren Parzellen über-          und die Laubbäume noch wenig
wiegen Wiesen und Weiden.                 belaubt. Von den 12 kontrollier-
    Der Entscheid, die Arbeit mit         ten Stellen waren ganze neun be-
dem Fahrrad und zu Fuss zu be-            setzt, zwei weitere Kleinkolonien
wältigen, hatte neben sportlichen         wurden entdeckt. Auf eine sys-
und ökologischen aber auch                tematische Suche nach Höhlen-
handfeste faunistische Gründe.            bäumen wurde verzichtet, um
Die lautlose und eher gemäch-             Störungen auf ein Minimum zu
liche Fortbewegungsart garan-             reduzieren.
tierte, dass keine Bruthinweise
übersehen bzw. überhört wur-               Zuerst finden, dann fördern
den. In Anlehnung an die be-              Ab Mitte Mai wurde versucht,
währte Methode der Bestands-              indirekte Brutnachweise zu er-             Am Dorfrand von Oensingen besetzten Dohlen fast alle Nisthilfen für Turmfalke
erfassung gliederte sich die Feld-        bringen, was sich dann etwas               und Schleiereule. Der lokale Naturschutzverein montierte im Frühjahr 2020 mit
                                                                                     Bewilligung der SBB Nistkästen an Strommasten; die ersten Paare brüten jetzt
arbeit in zwei Phasen. Zunächst           schwieriger gestaltete, da Doh-
                                                                                     mitten im Kulturland (Foto: Peter Bieli).
galt es, die Existenz einer Kolonie       len in der Nestlingsphase sehr

                                                                                                                                                             7
Mit Rücksicht und Toleranz - AVINEWS AUGUST 2021 - Schweizerische Vogelwarte ...
AVINEWS AUGUST 2021: NEUES AUS DER FORSCHUNG

Im Energiespar- oder Zeitsparmodus nach Asien
Mit Geolokatoren ausgerüstete          Flugrouten, die in ihrer Gesamt-        Silke Bauer und Martins Brie-        optimierten Zugwegen an, wäh-
Karmingimpel bringen Licht in die      heit Zugwege bilden. Die meisten     dis sind Mitautoren einer neuen         rend sie im Herbst den nahrungs-
Zugstrategien von Vögeln im euro-      in Europa ansässigen Langstre-       Studie zum besseren Verständnis         basierten Modellrouten ähnelten.
päisch-indischen Zugsystem.            ckenzieher ziehen nach Afrika.       der Zugstrategien von in Indien         Auf dem Herbstzug verfolgen die
                                       Nur wenige schlagen südöstliche      und Pakistan überwinternden             Karmingimpel also eine Energie-
Auf dem Weg von ihren Brut-            Richtungen ein und wählen den        Vögeln, bei der theoretische            spar-Strategie, während es ihnen
plätzen in die Winterquartiere         noch wenig erforschten Zugweg        Optimierungsmodelle mit realen          im Frühling wichtig ist, besonders
wählen Zugvögel individuelle           nach Indien.                         Flugdaten kombiniert wurden.            schnell zu ziehen, um frühzeitig
                                                                               Zuerst haben die Forschenden         in die Brutgebiete zu gelangen.
                                                                            die optimalen Flugwege inner-
                                                                            halb des indo-europäischen Zug-                  Lisovski, S., R. Neumann,
                                                                            systems modelliert, einerseits auf-        T. Albrecht, P. Munclinger, M.
                                                                            grund der mittleren Windverhält-             P. Ahola, S. Bauer, J. Cepak,
                                                                            nisse, andererseits anhand der                  T. Fransson, S. Jakobsson,
                                                                            Nahrungsverfügbarkeit. Dann                    T. Jaakkonen, P. Klvana, C.
                                                                            wurden die Flugrouten von ins-                  Kullberg, T. Laaksonen, B.
                                                                            gesamt 220 mit Geolokatoren             Metzger, M. Piha, P. Shurulinkov,
                                                                            ausgerüsteten Karmingimpeln er-          R. Stach, K. Ström, W. Velmala
                                                                            mittelt, um zu klären, inwieweit          & M. Briedis (2021): The Indo-
                                                                            die tatsächlichen Zugwege mit           European flyway: Opportunities
                                                                            den theoretischen Optimalrouten             and constraints reflected by
                                                                            übereinstimmten.                        Common Rosefinches breeding
                                                                               Bei der Analyse zeigten sich           across Europe. J Biogeogr 32:
                                                                            saisonale Unterschiede bei den              19. https://doi.org/10.1111/
                                                                            Zugstrategien: Im Frühling nä-                                    jbi.14085
Seit den Siebzigerjahren brütet der Karmingimpel auch in der Schweiz; die   herten sich die tatsächlichen
Brutbestände sind allerdings bescheiden (Foto: Marcel Burkhardt).           Flugrouten deutlich den wind-

Fehlende Zuwanderung führt zum Aussterben
Lokale Populationen können zeigten, dass auch wenn in jedem                 wichtig es ist, einen genügend                    Schaub, M. & B. Ullrich
scheinbar ohne Grund in sehr Jahr alle ausgewachsenen Indivi-               grossen Raum für den Schutz                (2020): A drop in immigration
kurzer Zeit aussterben. Dank duen gestorben wären oder keine                und die Förderung einer Art zu                 results in the extinction of
populationsdynamischen Model- Jungvögel ausgeflogen wären,                  berücksichtigen, so dass ein Sys-                a local woodchat shrike
len können die Gründe eruiert die Population mehr oder weni-                tem mehrerer lokaler und mit-                 population. Anim. Conserv.
werden.                             ger stabil geblieben wäre. Wurde        einander verbundener Popula-                 62. https://doi.org/10.1111/
                                    aber die Zuwanderung unter-             tionen entsteht, das unabhängig                                 acv.12639.
Von 1964 bis 1992 wurde in Süd- bunden, ging der Bestand im Mo-             von Zuwanderung aus anderen
deutschland die dort ansässige      dell rasch zurück, genauso wie im       Populationen überleben kann.
Population des Rotkopfwürgers       Freiland beobachtet. Die Popula-
vom Lokalornithologen Bruno         tion war also ohne Zuwanderung
Ullrich untersucht. Dabei wurden    nicht überlebensfähig und starb
jährlich die Anzahl Reviere und     aus.
die unverpaarten Männchen ge-           Über die Gründe, weshalb
zählt und der Bruterfolg ermittelt, es keine Zuwanderung aus an-
zudem wurden zahlreiche Indivi- deren Populationen mehr gab,
duen beringt. So konnte unter- kann nur gemutmasst werden.
sucht werden, weshalb diese Vermutlich führte grossräumige
Population des Rotkopfwürgers       Lebensraumzerstörung dazu,
nach 1992 plötzlich stark zurück- dass die süddeutsche Popula-
ging und die Art 1998 schliess- tion zunehmend isoliert war
lich ausstarb.                      und daher für andere Rotkopf-
    Um herauszufinden, welche       würger immer weniger attrak-
Faktoren für das Aussterben des     tiv wurde. Auch wenn also die
Rotkopfwürgers verantwortlich       kleinräumige Lebensraumquali-
waren, hat Michael Schaub von       tät nicht merklich schlechter wird,
der Schweizerischen Vogelwarte      können Populationen wegen aus-             Der Rotkopfwürger bewohnt Streuobstgärten mit einer extensiven Grün­
in einem Modell unterschiedliche    bleibender Zuwanderung aus-                landnutzung. Dieses Habitat ist durch die Intensivierung der Landwirtschaft
                                                                               verschwunden – und mit ihm der Rotkopfwürger (Foto: Ruedi Aeschlimann).
Szenarien getestet. Die Szenarien   sterben. Die Studie zeigt, wie

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Mit Rücksicht und Toleranz - AVINEWS AUGUST 2021 - Schweizerische Vogelwarte ...
AVINEWS AUGUST 2021: IM FOKUS

Einsichten ins Leben des Wespenbussards
Der Wespenbussard ist auf das          in die Nahrung gewonnen wer-
Erbeuten der Nester von Echten         den: Von den zwölf Wespenarten
Wespen spezialisiert, er frisst aber   in der Schweiz, die als Nahrung
auch Wirbeltiere wie Jungvögel         für den Wespenbussard in Frage
und Frösche. In welchem Umfang         kommen, macht mit 65,4 % die
dies geschieht, wurde bis jetzt nie    Gemeine Wespe Vespula vulga-
gründlich untersucht.                  ris den grössten Anteil an der
                                       Nahrung aus. Bemerkenswert
Als einer der heimlichsten Greif-      ist der eher geringe Anteil (ma-
vögel der Schweiz wird der             ximal 13,9 %) der ebenfalls sehr
Wespenbussard in Monitoring-           häufigen Deutschen Wespe Ves­
programmen leicht übersehen.           pula germanica. Diese beiden
Dies führt auch dazu, dass es          Arten weisen einen langen Fort-
noch viele offene Fragen zu sei-       pflanzungszyklus auf, der bis
ner Biologie gibt: Wie hoch sind       Ende August dauert. Sie stehen
die lokalen Dichten? Was steht         daher dem Wespenbussard noch
zur Brutzeit auf dem Speisezettel?     lange als Nahrung zur Verfügung.
   2019 wurden daher Unter-            Die anderen Wespenarten ver-
suchungen im Sensebezirk FR            mehren sich schneller und haben
und im angrenzenden Gebiet             in der Regel Ende Juli ihren Zyklus          Dank der einzigartigen Gefiederfärbung und den Streifenmustern können viele
des Kantons Bern gestartet,            beendet, wenn junge Wespen-                  Wespenbussarde individuell erkannt werden, so auch dieses Männchen (Foto:
                                                                                    Valentijn van Bergen).
um mehr über die Dichte des            bussarde noch einen Monat lang
Wespenbussards und seine Nah-          gefüttert werden.
rung herauszufinden. Von hohen             Es gibt Hinweise darauf, dass
Aussichtspunkten aus wurde der         Wespen in Europa ihren Fort-              sche und Jungvögel) zu Beginn             aus mehr Jahren zur Verfügung
Himmel abgesucht und jeder flie-       pflanzungszyklus aufgrund der             der Nestlingsphase eine wichtige          stehen. Um zu beobachten, wel-
gende Wespenbussard in eine            Klimaerwärmung vorverlegt                 Rolle. Sie können vor der Eiablage        chen Einfluss die Höhenlage auf
Karte eingezeichnet. Die meis-         haben und daher früher mit ihrer          und während der Bebrütung der             die Ernährung hat, soll das Mo-
ten Individuen können an der           Fortpflanzung fertig sind. Dies           Eier bis zu 100 % der Nahrung             nitoring auf die höheren Lagen
einzigartigen Gefiederfärbung          könnte dazu führen, dass der              der Wespenbussarde ausmachen.             im südlichen Teil des Sensebezirks
und den Streifenmustern indivi-        Wespenbussard bei der Jungen-                 Die aktuellen Untersuchungen          ausgeweitet werden.
duell erkannt werden. Bestimmte        aufzucht die kurzzyklischen               liefern erste Erkenntnisse zur Bio-
Verhaltensweisen, wie etwa das         Wespenarten gar nicht nutzen              logie des Wespenbussards im                             Valentijn van Bergen
Tragen von Beute, Paarflug über        kann.                                     Sensebezirk. Es wird sich zeigen,
dem Wald und der einzigartige              Neben Wespen spielen                  ob und wie sich diese vorläufigen
Balzflug, der auch als Schmetter-      Wirbeltiere (hauptsächlich Frö-           Resultate verändern, wenn Daten
lingsflug bekannt ist, deuten auf
ein Revier hin.
   2019 wurde ein Gebiet von
ca. 100 km2 überwacht, 2020
waren es 160 km2. Dabei wur-
den Dichten von 7,2 bzw. 8 Re-
vieren pro 100 km2 festgestellt. In
beiden Jahren konnte in 16 Revie-
ren eindeutig festgestellt werden,
ob ein Nest vorhanden war und
wie viele Junge pro Nest flügge
wurden: Sieben Paare zogen
erfolgreich Nachwuchs auf, eines
im Jahr 2019 und sechs im Jahr
2020. Daraus ergab sich ein Brut-
erfolg von 0,81 flüggen Jungen
pro Revier, was ein ziemlich tie-
fer Wert ist. Es sind weitere Jahre
der Überwachung erforderlich,
um festzustellen, ob dieser Brut-
erfolg für die Erhaltung des Be-
stands ausreicht, oder ob der Be-
stand in den kommenden Jahr-
zehnten abnehmen wird.
    Diese Werte wurden mithilfe
von Kamerafallen an den Nes-              Ein Wespenbussardweibchen füttert seine elf und zwölf Tage alten Jungen mit Puppen der Gemeinen Wespe Vespula vulgaris.
tern erhoben. Mit den Kamera-             Rechts der Jungen befindet sich eine leere graue Wabe, vermutlich von einer Langkopfwespe Dolichovespula sp. Die Aufnahme
                                          wurde mit einer Nestkamera gemacht, so dass die Vögel bei der Brut nicht gestört werden (Foto: Valentijn van Bergen).
fallen konnten auch Einblicke

                                                                                                                                                              9
Mit Rücksicht und Toleranz - AVINEWS AUGUST 2021 - Schweizerische Vogelwarte ...
AVINEWS AUGUST 2021: VOGELSCHUTZTHEMEN ERKLÄRT

Bei der Glasproblematik den Durchblick behalten
Dank einer neuen Empfehlung Turnhallen, Verwaltungsgebäude                   gefahr für Vögel dar. Umso er-            kollisionen an Glasfronten: Die
und einem neuen Produkt können oder Bushaltestellen – die Glas-              freulicher, dass die Koordinations-       in der Ostschweiz entwickelten
Vogelkollisionen an Glas weiter re- fassaden vieler öffentlicher Bauten      konferenz der Bau- und Liegen-            «Seen Elements» sind Gläser mit
duziert werden.                     stellen eine potenzielle Kollisions-     schaftsorgane der öffentlichen            eingelagerten, 9 mm grossen Ele-
                                                                             Bauherren KBOB in Zusammen-               menten. Sie bestehen nach aussen
                                                                             arbeit mit der Vogelwarte Emp-            hin aus zwei unterschiedlich stark
                                                                             fehlungen für vogelfreundliches           reflektierenden Oberflächen aus
                                                                             Bauen mit Glas formuliert hat.            Aluminium. Seen Elements kön-
                                                                             Diese zeigen an konkreten Bei-            nen im Glaswerk zwischen Schei-
                                                                             spielen, welche Massnahmen zur            ben eingebaut werden. Ein-
                                                                             Vermeidung von Vogelkollisionen           gelagert in Vogelschutzfolien kön-
                                                                             beim Bau mit Glas möglich sind.           nen sie aber auch als Nachrüstung
                                                                             Zudem werden Produkte vor-                an bereits bestehenden Scheiben,
                                                                             gestellt, die bei bestehenden Ge-         angebracht werden. Bei mit Seen
                                                                             bäuden zur Nachrüstung ein-               Elements versehenem Glas muss
                                                                             gesetzt werden können. Das                nur etwa ein Prozent der Ober-
                                                                             Merkblatt dient Baufachleuten             fläche abgedeckt werden, deut-
                                                                             als Leitfaden für eine den Vogel-         lich weniger als bei herkömm-
                                                                             schutz miteinbeziehende Pla-              lichen Produkten. Bei Tests schnitt
                                                                             nung von Neubauten und Sanie-             das neue Produkt gut ab, wes-
                                                                             rungen. Es zeigt, dass die öffent-        halb nun mit Unterstützung der
                                                                             liche Hand hier mit gutem Beispiel        Vogelwarte an verschiedenen Ge-
                                                                             voran gehen kann und dass mit             bäuden Glas mit Seen Elements-
                                                                             vertretbarem Aufwand gute Lö-             Vogelschutzfolien bemustert wird.
                                                                             sungen für Vögel und Menschen             Dabei sollen Erkenntnisse zur An-
                                                                             gefunden werden können.                   wendung, Haltbarkeit und Wir-
                                                                                 Neben den neuen Empfehlun-            kung dieses neuen Produkts ge-
Mit «Seen Elements» versehene Glasscheiben. Mit seinen hochreflektierenden   gen gibt es auf dem Markt auch ein        wonnen werden.
Aluminiumelementen schnitt das Produkt bei Tests der biologischen Station    neues und vielversprechendes Pro-
Hohenau in Österreich gut ab (Foto: OBAD Stempel GmbH & Co.KG).              dukt zur Vermeidung von Vogel-                                    Roman Furrer

Sonnige Zeiten für die Vogelwelt?
Die Kraft der Sonne soll in der         lände, an südexponierten Fels-       räume sensibler Vogelarten zu             dern könnten. Durch eine natur-
Schweiz intensiv genutzt werden.        hängen und auf Gewässern. Durch      meiden. Standorte mit hoher               verträgliche Standortwahl und
Beim Ausbau der Photovoltaik ist        Flächenverluste, Beschattung und     Vogeldichte sind ungeeignet, da           Ausgestaltung der Anlagen kön-
es aber wichtig, auch den Vogel-        Überschirmung sowie das Zer-         es beispielsweise durch Verkoten          nen negative Auswirkungen von
schutz zu berücksichtigen.              schneiden von Lebensräumen           auch zu von Vögeln ausgelösten            Anfang an reduziert werden.
                                        können Brutplätze für Offenland-     Konflikten mit PV kommen kann,
Die Schweiz möchte bis 2050             vogelarten und Rasthabitate be-      die den erwarteten Ertrag min-                                  Stefan Werner
klimaneutral werden. Künftig soll       einträchtigt werden, zudem sind
gemäss der Energiestrategie 2050        Kollisionen möglich. Anderseits
des Bundes über 40 % des er-            bieten die Flächen zwischen den
neuerbaren Stroms mittels Photo-        Paneelen bei künftig extensiver
voltaik (PV) gewonnen werden,           Bewirtschaftung auch Chancen
also aus direkter Umwandlung            für die Biodiversität.
von Sonneneinstrahlung in elek-
trische Energie. Neben dem Aus-         Vogelschutz berücksichtigen
bau in privaten Haushalten ist          Ein umweltverträglicher Aus-
auch mit dem Aufkommen von              bau der Solarenergienutzung ist
PV-Freiflächenanlagen in indust-        zu begrüssen. Die Vogelwarte
riellem Massstab zu rechnen, die        empfiehlt, Flächen mit hoher
auf landwirtschaftlichen Flächen        Vorbelastung und geringer Be-
installiert werden. Dabei kann es       deutung für den Naturschutz wie
zu Konflikten zwischen Strom-           Flachdächer von Industriehallen
produktion und landwirtschaft-          und Einkaufszentren, Lärm-
licher Nutzung, aber auch mit           schutzwände, Stützmauern, Brü-
dem Natur- und Vogelschutz kom-         cken und weitere Infrastrukturen
men, insbesondere in extensiv ge-       zu bevorzugen. Dagegen sind             Photovoltaik-Freiflächenanlagen mit extensiver Wiese. Im Idealfall eröffnet sich
nutztem Offenland, alpinem Ge-          naturnahe Gebiete und Lebens-           eine Chance für die Biodiversität (Foto: Helmut Wartner).

  10
AVINEWS AUGUST 2021: NACHRUF

Lebenslanger Einsatz für die Natur
am Neuenburgersee
Seine Passion für die Vögel und die   sungen zu finden, prägten die            die Vogelberingung, die ihn spe-         Mit Michel Antoniazza ver-
Natur hat ihn ein Leben lang be-      Schaffung der Naturschutz-               ziell faszinierte. Über Jahrzehnte   lieren die Vogelwarte und der
gleitet. Im April ist Michel Anton-   gebiete der Grande Cariçaie              beringte er Vögel auf dem Col        Schweizer Naturschutz eine en-
iazza seiner schweren Krankheit       als Umsetzung der Bundesver-             de la Croix und war im Bering-       gagierte und immer neugierige
erlegen.                              ordnungen zum Moor- und                  ervorstand aktiv. Zusammen mit       Persönlichkeit. Mit seinem gros-
                                      Auenschutz sowie der Wasser-             seinen Kollegen beringte er auch     sen Wissen, seinem Erfahrungs-
Heute können wir uns kaum             vogelreservate. Damit wurde              die Möwen und Seeschwalben           schatz und seiner umgänglichen
mehr vorstellen, dass vor mehr        die Überwachung der Vogel-               auf Inseln und Plattformen am        Art konnte er Gross und Klein
als 40 Jahren eine Autobahn am        bestände noch wichtiger und              Neuenburgersee und lancierte         für die Natur am Neuenburger-
Südufer des Neuenburgersees           die Zusammenarbeit mit der               zusammen mit der Vogelwarte          see begeistern und sie von der
geplant war. Der Kampf gegen          Vogelwarte noch enger. Auch              ein Farbring-Programm, als die       Wichtigkeit für ihren Schutz über-
diese Pläne stand am Anfang des       über seine Pensionierung hinaus          Kormorane im Fanel zu brüten         zeugen. Die Grande Cariçaie wird
jahrzehntelangen Engagements          blieb Michel aktiv und half bei          begannen. Dies lieferte wichtige     immer mit seinem Namen ver-
von Michel Antoniazza für den         den Feldaufnahmen mit, hatte             Grundlagen für die Diskussionen      bunden bleiben.
Schutz der Grande Cariçaie. Auf-      aber auch wieder mehr Zeit für           mit der Fischerei.
gewachsen in Yvonand, streifte er
schon als Kind durch die Sümpfe
am Neuenburgersee und be-
geisterte sich immer mehr für die
Vogelwelt. Nach seinem Biologie-
studium in Neuenburg wurde er
zum ersten Angestellten der heu-
tigen «Association de la Grande
Cariçaie». In diesem kleinen Team
aus Wissenschaftlern und Prakti-
kern setzte er sich dafür ein, dass
die Pflege der Riedflächen diffe-
renziert und an die Bedürfnisse
der Fauna und Flora angepasst
wird. Seine Untersuchungen zum
Einfluss der Häufigkeit der Schilf-
mahd auf die Brutvögel trugen
wesentlich dazu bei.
    Daneben koordinierte er für
die Vogelwarte die Wasser-
vogelzählungen am Neuen-
burger- und Murtensee. Seine
enormen Kenntnisse und die
Bereitschaft, pragmatische Lö-          Michel Antoniazza in «seiner» Grande Cariçaie (Foto: Verena Keller).

                                                                                                     AVINEWS AUGUST 2021: PERSONELLES

Verstärkung des Vogelwarte-Teams
Die Entwicklung in den Projek-           Dr. Florian Orgeret und Dr.           fahrung im Programmieren                Jeannine Sollberger ist di-
ten sowie die Möglichkeit, neue       Ginny Chan werden den Fach-              an die Vogelwarte. Mit sei-          plomierte Toursimusfachfrau,
Projekte zu lancieren, bringt es      bereich «Ökologische For-                nem Wissen wird er die Aus-          bringt viel Erfahrung im Um-
mit sich, dass das Vogelwarte         schung» als zwei PostDoc-Mit-            wertungen der im Projekt             gang mit Gästen und Kunden
Team weiterwächst.                    arbeitende bereichern. Beide             «Akustisches Monitoring» ge-         mit und ist daher eine ideale Er-
   Das vor kurzem gestartete          bringen nicht nur umfassende             sammelten Daten voranbringen.        gänzung im Empfangsteam des
Projekt «Aufschwung für die           Statistikkenntnisse mit, sondern            Véronique Wavre ist eigent-       Besuchszentrums.
Vogelwelt» wird durch Dr. Ar-         haben in ihren Dissertationen            lich Politikwissenschaftlerin.          Wir heissen alle neuen Mit-
naud Barras verstärkt. Er ist seit    auch Erfahrungen in der Be-              Durch Weiterbildungen lernte         arbeitenden herzlich willkom-
jungen Jahren ein versierter          arbeitung von Fragen rund um             sie viel über Videos und Pod-        men und wünschen einen
Ornithologe und hat diesen            das Dispersal sammeln können.            casts und unterstützt neu die        guten Start.
Frühling seine Dissertation über         Als Softwareingenieur bringt          Kommunikation in diesen Me-
die Ringdrossel abgeschlossen.        Dr. Przemyslaw Zdroik viel Er-           dien.

                                                                                                                                                11
AVINEWS AUGUST 2021: HERAUSGEPICKT

Unterstützung vom bekannten                                                   EBCC-Tagung
Unbekannten                                                                   2022 in Luzern

Er bewegt. Er belebt. Er polari-            Vielen unbekannt ist dagegen      Die 22. Konferenz des European
siert. Und seit Ende der 1970er         Naegelis intensive Auseinander-       Bird Census Council (EBCC) mit
Jahre ist er allgegenwärtig in der      setzung mit der Natur als einem       dem Titel Bird Numbers 2022
Stadt Zürich und bis weit über die      der zentralen Themen in seinem        «Beyond the Atlas: challen-
Landesgrenzen hinaus ein Begriff:       zeichnerischen Werk und Aus-          ges and opportunities» findet
Harald Naegeli, der Sprayer von         druck seiner grossen Naturver-        vom 4. bis 8. April 2022 in Lu-
Zürich. Mit seinen unverkenn-           bundenheit. Diese zeigt sich auch     zern statt. Sie wird organisiert
baren Strichfiguren – darunter          darin, dass der Künstler das Preis-   von der Schweizerischen Vogel-
immer wieder auch Vogelmotive           geld des Zürcher Kunstpreises In-     warte Sempach in Zusammen-
– hat er so manche graue Wand…          stitutionen zukommen liess, die       arbeit mit verschiedenen Part-          Konferenz an EBBA2 anknüpfen,
ja, was denn? Poetisch ver-             sich für die Natur einsetzen –        nern. EBCC-Konferenzen finden           beispielsweise dessen Nutzung
zaubert? Respektlos verschmiert?        unter anderem der Vogelwarte,         alle drei Jahre statt und bringen       für Naturschutz, Forschung, na-
Wie weit die Wahrnehmungen              die er aus diesem Anlass mit          Menschen zusammen, die sich             tionale Atlanten und Monitoring-
auseinandergehen, zeigte sich           einem namhaften Beitrag unter-        mit Vogelmonitoring, Forschung          programme. Die Konferenz wird
im vergangenen Herbst, als dem          stützte. Weiter hat er vorgesehen,    und Naturschutz in ganz Europa          in englischer Sprache durch-
Sprayer von Zürich für sein Schaf-      den Erlös aus dem Verkauf seiner      und darüber hinaus beschäftigen.        geführt, eine Teilnahme ist auch
fen der mit 50 000 Franken do-          Werke ebenfalls auf diese Weise       Nach der für Ende 2021 ge-              tageweise möglich. Bis Ende 2021
tierte Kunstpreis der Stadt Zürich      der Natur zu Gute kommen zu           planten Online-Umsetzung der            gilt ein vergünstigter Anmelde-
und fast gleichzeitig eine Anklage      lassen. Dafür danken wir Harald       Verbreitungskarten des zwei-            tarif. Weitere Informationen gibt
des Kantons Zürich und des Zür-         Naegeli im Namen unserer Vögel        ten europäischen Brutvogelatlas         es auf der Konferenz-Website:
cher Kunsthauses wegen Sach-            ganz herzlich!                        (EBBA2) werden die Themen der           www.ebcc2022.ch
beschädigung ins Haus flatterten.           Das Werk des «bekannten Un-
Kunst im öffentlichen Raum oder         bekannten» ist zurzeit im Musée
Vandalismus? So lautete die weit        Visionnaire in Zürich zu sehen:          AGENDA
herum diskutierte Frage. Soviel         www.museevisionnaire.ch
zum bekannten Harald Naegeli.

                                                                                  5. September 2021: Réunion romande mit Nos Oiseaux
                                                                                  25./26. September 2021: Jungorni-Treffen auf dem Gurnigelpass BE
                                                                                  13. November 2021: Giornata degli uccelli della Svizzera italiana mit
                                                                                  Ficedula, BirdLife Schweiz
                                                                                  29./30. Januar 2022: Tagung der freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mit-
                                                                                  arbeiter der Schweizerischen Vogelwarte in Sursee
                                                                                  4.–8. April 2022: EBCC 2022-Tagung im Verkehrshaus Luzern

                                                                                 IMPRESSUM

                                                                                  Redaktion: Livio Rey
                                                                                  Übersetzung: Johann von Hirschheydt, Filoplume, Chiara Solari
                                                                                  Mitarbeit: Michael Schaad, Peter Knaus, Markus Jenny, Jérôme Duplain,
                                                                                  Franz Steffen, Alain Jacot, Christoph Vogel, Chloé Pang, Valentijn van
                                                                                  Bergen, Roman Furrer, Stefan Werner, Thomas Sattler, Verena Keller,
                                                                                  Barbara Trösch, Felix Tobler
                                                                                  Auflage: 4200 Ex.
                                                                                  Ausgaben: April, August und Dezember
                                                                                  ISSN: 1664-9451 (elektronische Ausgabe: 1664-946X)
                                                                                  Papier: Gedruckt auf 100 % Recyclingpapier

Harald Naegeli: Ausschnitt aus einem Skizzenbuch 2013.

               Schweizerische Vogelwarte                               Tel. 041 462 97 00
               Station ornithologique suisse                           Fax 041 462 97 10
               Stazione ornitologica svizzera                          info@vogelwarte.ch       Postkonto 60-2316-1
               Staziun ornitologica svizra         CH-6204 Sempach     www.vogelwarte.ch        IBAN CH47 0900 0000 6000 2316 1
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