Stimmen für die Zukunft - Entscheidendes Jahr und neue Weichenstellungen für den Fachbereich - Verdi
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
report Bildung, Wissenschaft und Forschung Stimmen für die Zukunft Entscheidendes Jahr und neue Weichenstellungen für den Fachbereich 0 1 / 2 019
Editorial b i w i f o r e p o r t 1 / 2 0 19 Bildung sichert Zukunft Inhalt Schwerpunkt: Kongressmarathon ... klingt einfach, ist es aber nicht. Und neu für ver.dis Zukunft ist die Erkenntnis auch nicht. Bereits vor über 150 Jahren hieß es bei Max und Moritz: Bildung als zentrales politisches Thema 3 Exzellenz – nicht bei den Also lautet ein Beschluß, Arbeitsbedingungen 3 Daß der Mensch was lernen muß. – Ein Jahr voller Entscheidungen 4–5 Nicht allein das Abc Der neue Bundesfachbereichsvorstand 6 Bringt den Menschen in die Höh‘; Drei Fragen an Wiebke Koerlin 6 Nicht allein in Schreiben, Lesen Erwartungen der Jugend an ver.di 7 Übt sich ein vernünftig Wesen; Ciao Klaus! 7 Nicht allein in Rechnungssachen Soll der Mensch sich Mühe machen, Die Fusion mit Fachbereich 3 8 Sondern auch der Weisheit Lehren Willkommen Sylvia! 8 Muß man mit Vergnügen hören. – Interview mit der neuen Frauen- report Ute Kittel beauftragten Hannah Koppetz 9 Damals gab es schon reichlich Erfahrung Mitglied des ver.di- Bundesvorstandes mit der preußischen Schulordnung und der Jubel in den Bibliotheken 10 und Leiterin Industrialisierung. Beide waren aufeinander Fortschritte beim Mindestlohn in der des Fachbereichs abgestimmt. Es ging dabei nicht um die Weiterbildung 10 Bildung, Vorbereitung auf ein selbstständiges Leben – Die Nationale Weiterbildungsstrategie 11 Wissenschaft und im Gegenteil. Schreiben, Lesen, Rechnungs- Forschung Drei Pakte für Hochschulen 12 sachen waren die Eintrittsberechtigung für Blackbox Brexit 12 Erwerbstätigkeit bis zum Tod. Bildung sollte Das gute Beispiel: Kumpelverein 13 darauf vorbereiten, was einem in der Studierende vernetzen sich 14 Arbeitswelt blühte. WiMis wollen streikfähig werden 15 Das ist heute immer noch so? Nein, eben Poträt Christian Keils 15 nicht! Wir tun immer noch so, als würde eine Zu guter Letzt 16 Erstausbildung oder ein Erststudium reichen, um am Arbeitsmarkt bestehen zu können. Weder für die neuen Anforderungen noch für die damit verbundenen Belastungen sind wir gewappnet. Immer schneller, höher, weiter? Genug gelernt gibt es nicht. Abschlüsse sind Impressum nicht mehr der Zielpunkt des Wissenserwerbs. Der ver.di Report biwifo Nr. 01/2019 · August 2019 Lernen um zu lernen ist keine Phrase, sondern Herausgeber: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) eine Erfolgsformel. Die Voraussetzung dafür Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung Paula-Thiede-Ufer 10 · 10179 Berlin Fotos v.o.n.u.: Kay Herschelmann (2), Werner Bachmeier (2) aber ist, dass man sich nicht alleine über Kurse, V.i.S.d.P.: Ute Kittel Zeugnisse und formale Ausbildungen definiert, Redaktion: Carsten Bauer, Klaus Böhme, Katharina Common, sondern weiß, wer man ist. Natürlich bleibt es Harald Giesecke, Birthe Haak, Frank Hennig, Michael Niedworok, Mirjam Sorge wichtig, Lesen, Schreiben, Rechnen zu beherr- Verantwortliche Redakteurin: Annette Jensen schen – das sind Werkzeuge. Aber wenn man Internet: www.verdi.de Layout: einsatz, Wolfgang Wohlers nicht lernt wozu – also der Weisheit Lehren mit Druck: Mohn Media Mohndruck GmbH, Gütersloh Vergnügen zu hören – ist das Verschwendung. Titelbild: Kay Herschelmann W-1728-62-0819 Hast du noch Abitur oder weißt du schon Die Artikel stellen die Meinungsvielfalt unseres Bescheid? b Fachbereiches dar und spiegeln nicht in jedem Fall die Meinung des Bundesfachbereichsvorstandes wider. 2 Service Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung Internet: www.biwifo.verdi.de Ansprechpartnerin biwifo-Report: Annette.Jensen@t-online.de
Schwerpunkt: Nach dem Kongress ist vor dem Kongress K O M M E N T A R W Gute Bildung braucht Bildung macht gute Arbeitsbedingungen Politiker*innen aller Farben sind sich einig: Exzellente Bildung und Forschung sind wichtig für beweglich eine humane, demokratische Gesellschaft ebenso wie für die wirtschaftliche Entwicklung. Die Arbeitsbedingungen vieler Be- schäftigter in diesen Bereichen Noch nie ist eine Bundesregierung so viele Systeme und Prozesse besser und gründlicher er- sind dagegen wenig exzellent. Bildungsthemen parallel angegangen wie ledigen als durch Menschen. Die notwendige Oft werden zusätzliche Ansprüche heute: Enquetekommission „Berufliche Transformation zur Wissensgesellschaft ist mit an die Einrichtungen und das Bildung in der digitalen Arbeitswelt“, Ängsten vor Arbeitsplatzverlusten verbunden. Zu- Personal gestellt, ohne dass das Nationale Weiterbildungsstrategie, Novelle gleich ist klar, dass künftig immer mehr Menschen mit Zeit und Geld kompensiert biwifo des Berufsbildungsgesetzes, BAföG-Reform gebraucht werden, die in einer von Maschinen wird. u.a. Hat es „klick“ gemacht, und Bildung nicht zu beherrschenden Weise agieren können. erhält endlich die ihr gebührende Aufmerk- Bisher aber schult unser Bildungssystem viel zu Bibliotheken sollen auch samkeit? Auch. Vor allem aber stehen zwei wenig die Fähigkeit, mit Zukunft, mit Unbekann- sonntags öffnen, Erzieher*innen große Themen auf der Agenda. Einerseits tem und Vielfältigem umzugehen. frühkindliche Bildung mit der muss die Industrie- in eine Wissensgesell- „Zähmung“ einer Rasselbande schaft umgebaut werden, und deren Die häufige Fokussierung auf die Digitalisie- von bis zu 25 Kindern pro Währung heißt Bildung. Zweitens führen rung darf nicht den Blick darauf verstellen, wie Gruppe verbinden. An Hoch- Meinungsmache und Hetze im Zeitalter grundlegend Bildung für den Zugang zu gesell- schulen und Forschungseinrich- von Social Media zu einem gefährlichen schaftlicher Teilhabe ist. Deutschland hat nach tungen erbringen prekär Be- Wahlverhalten, das die Demokratie gefähr- wie vor ein extrem undurchlässiges und damit un- schäftigte einen Großteil der den kann. Das über Jahrzehnte zu geringe gerechtes Bildungssystem. Während von 100 Kin- Lehre und Forschung. Wissen- Investment in echte Bildung rächt sich – dern aus Akademikerhaushalten 79 ein Studium schaftliche Mitarbeiter*innen und nun heißt es: Bildung hilft. Und das aufnehmen, sind es bei Nichtakademikerfamilien erfahren oft sehr kurzfristig, ob bitte sofort! lediglich 27. Das liegt in hohem Maße am Zugang ihr Arbeitsvertrag verlängert zu Unterstützungs- und Fördermöglichkeiten und wird, viele Lehrbeauftragte sind VON UTE KITTEL verfestigt die soziale Schere immer mehr. Selbst schlecht oder sogar gar nicht wenn es einzelne schaffen, dürfen wir nicht ver- bezahlt. Nur in Berlin haben E rklärtes Ziel der Politik ist, „breiten Bevölke- rungsteilen einen beruflichen Aufstieg zu erleichtern, die Fachkräftebasis zu stärken und die gessen: Wer aufsteigt, schafft das Tal nicht ab! Bildung ist auch der Schlüssel zur Integration Tutor*innen und studentische Hilfskräfte eine tarifvertragliche Absicherung. Beschäftigungsfähigkeit in einer sich wandelnden von Menschen mit anderen Wurzeln – seien sie Arbeitswelt nachhaltig zu fördern sowie eine hier geboren oder hierher geflüchtet. Zwar sinkt Auch in der Weiterbildung Weiterbildungskultur zu etablieren“. Inzwischen die Zahl der Neuankömmlinge aufgrund der wird das unternehmerische haben wir weitgehend Vollbeschäftigung. Woran stärkeren Grenzkontrollen, und ein Teil der An- Risiko durch Honorarverträge es mangelt sind Fachkräfte sowie eine solide All- gekommenen verlässt das Land auch schon wie- auf die Beschäftigten verlagert. gemeinbildung zum Thema Digitalisierung, damit der. Trotzdem werden viele Menschen mittel- bis Gegen die Dumpingspirale künftig alle die Arbeitswelt mitgestalten und die langfristig bleiben. Sie brauchen eine Perspektive konnte ver.di immerhin eine neuen Techniken klug einsetzen können. Wir dür- einschließlich eines Arbeitsplatzes – und zugleich Grenze nach unten durch einen fen es uns nicht mehr leisten, dass Menschen benötigt der deutsche Arbeitsmarkt Zuwande- Branchen-Mindestlohn einzie- nicht ausreichend Kompetenzen haben, weil wir rung. Bildung kann und muss hier Brücken schla- hen. Doch monatlich 2.746,20 € vergessen haben, rechtzeitig in ihre Bildung zu gen in Bezug auf Sprachkompetenz und beruf- für höher Qualifizierte sind nicht investieren. Es gilt, keine und keinen mehr zu ver- liche Bildung. gerade üppig. lieren. Unser Kampf geht weiter – Der preußische Bildungspolitiker Wilhelm von in den Betrieben und auf tarif- In den vergangenen Jahren gab es schon Humboldt betonte immer, Bildung sei etwas vertraglicher Ebene, aber auch im Fortschritte etwa im Bereich der frühkindlichen Schöpferisches, bedeute Entwicklung der persön- politischen Raum. Aktuelles Bei- Bildung und auch bei der Anerkennung von lichen Talente und Fähigkeiten „zu etwas Gan- spiel: Die Kampagne „Frist ist Sozial- und Erziehungsdiensten. Doch viel bleibt zem“. Bildung sei keine Pflicht, sondern eine Frust“ fordert mehr Dauerbe- 3 zu tun. Wir brauchen ein durchlässiges, inklusives Möglichkeit. „Der Staat und seine Organisationen schäftigte in der Hochschullehre. und gebührenfreies Bildungssystem, das weg- haben das wichtigste Gut der Aufklärung unter- b kommt von seiner Prägung im Industriezeitalter. schlagen, die Menschen ihrer Möglichkeit zur Alles was reproduzierbar ist, lässt sich über kurz Entwicklung beraubt. Es wird Zeit, sie sich wieder Birthe Haak oder lang durch Maschinen und Algorithmen, zurückzuholen.“ Genau! Und zwar: ab sofort! b
Schwerpunkt: Nach dem Kongress ist vor dem Kongress Auf zu neuen Ufern! Der Marathon nähert sich dem Ende: Im Herbst finden beim ver.di-Bundes- kongress die alle vier Jahre stattfindenden Organisationswahlen ihren Abschluss. Seit Anfang 2018 hatten Kolleg*innen auf allen Ebenen und in allen Fachbereichen ihre Vertreter*innen gewählt und Beschlüsse gefasst. Unter dem Motto „ZUKUNFTS- GERECHT“ werden sich nun vom 22. bis 28. September 1009 Delegierte in Leipzig ver- sammeln und über zahlreiche Anträge abstimmen. Auch grundlegende personelle und strukturelle Neuerungen stehen an. VON BIRTHE HAAK UND KLAUS BÖHME D as Spektrum der Themen ist breit. Schwer- Foto: Ursula Lerche punkte wie Digitalisierung, Verteilungs- gerechtigkeit und die Stärkung der Tarifbindung werden die Delegierten ebenso beschäftigen wie der Umgang mit Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus. Ein wichtiger Punkt ist auch, wie eine stärkere Organisierung der Jugend gelin- gen kann. Für die inhaltliche Arbeit der kommen- den Jahre wurden schon im Vorfeld zahlreiche Daniel Völk, Anträge diskutiert und verabschiedet – 1152 haben es nun bis zum Bundeskongress geschafft. allen voran die Stärkung der Tarifbindung „von Hannover Diese Anzahl ist beachtlich, auch wenn es beim unten und von oben“. Damit meinen sie, dass es „Die Bundesfachbereichs- vergangenen Bundeskongress sogar noch etwa gleichermaßen Tarifkämpfe als auch gesetzliche konferenz hat deutlich 15 Prozent mehr gewesen waren. Regelungen wie die Erleichterung der Allgemein- gemacht, was die Themen verbindlichkeit geben muss. der Zukunft für den Aufgrund der geplanten Fachbereichsfusionen Fachbereich sind. Der Kampf soll der Bundesvorstand auf neun Kolleg*innen Grundlegende Änderungen stehen auch in gegen Befristungen, vor deutlich verkleinert werden. Mit großer Spannung unserem Fachbereich Bildung, Wissenschaft, allem auch auf tariflicher erwartet wird der anstehende personelle Wechsel Forschung an. Zwölf Jahre haben wir auf Bun- Ebene, wird ein wichtiger an der Spitze der Organisation. Der erste und desebene gut kooperiert mit den „Besonderen Fokus sein. ver.di wird den langjährige ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske kandi- Dienstleistungen“ – nun trennen sich unsere Wissenschaftsbereich so in diert nicht mehr – damit geht eine Ära zu Ende. Wege. Geplant ist die Fusion mit dem Fach- Zukunft endlich besser Als Nachfolger vorgeschlagen ist der bisherige bereich 3 „Gesundheit, Soziale Dienste, Wohl- erschließen können.“ Vize Frank Werneke. Der leitet gegenwärtig den fahrt und Kirchen“. Schon auf unserer am 11. Fachbereich Medien, Kunst und Industrie, darü- und 12. März in Berlin tagenden Bundesfach- ber hinaus ist er für die Bereiche Selbstständige, bereichskonferenz wurde Sylvia Bühler als neue Mitgliederentwicklung und Finanzen zuständig. Bundesfachbereichsleiterin nominiert. Ute Kittel Bei der Bundesfachbereichskonferenz Bildung, war nicht mehr angetreten, weil es aufgrund der Wissenschaft, Forschung im März bot sich den anstehenden Fusion als sinnvoll erschien, sich Delegierten und ihren Gästen die seltene Ge- bereits im Vorfeld auf eine gemeinsame Leitung legenheit, beide Franks in einer Veranstaltung zu zu einigen und Ute Kittel es dem größeren Fach- hören. Neben dem gleichen Vornamen fanden bereich zugestand, deren Leitung in die Partner- 4 sich bei beiden auch viele inhaltliche Gemein- schaft einzubringen. samkeiten. So teilten sie die Sichtweise, ver.di sei pluralistischer, weiblicher und politischer als ande- Lisa Merla, ehrenamtliche Vorsitzende von re Gewerkschaften und auch weniger hierar- Fachbereich 3, betonte, dass sie richtig Lust da- chisch. Einig waren sich die beiden auch in Bezug rauf hat, gemeinsam mit uns etwas Neues zu ent- auf Schwerpunktthemen für die Organisation, wickeln. Damit wies sie mögliche Bedenken
Schwerpunkt: Nach dem Kongress ist vor dem Kongress Schließlich kann der Fachbereich Bildung, Foto: Kay Herschelmann Wissenschaft, Forschung auf eine gute Bilanz ver- weisen. „Der Fünfer“ wächst, hat den höchsten Foto: Ursula Lerche Jugendanteil und ist inzwischen auch nicht mehr der kleinste ver.di-Fachbereich. Der Geschäfts- bericht weist aus, dass innerhalb von vier Jahren 4000 Neue dazugekommen sind. Vor allem in der Weiterbildung und bei den Studierenden wachsen die Mitgliedszahlen. „Das ist gelungen, weil wir berufsfachlich gut sind, aber auch, weil wir eine coole Truppe sind!“ kommentierte die amtierende Fachbereichsleiterin Ute Kittel. Einziger Wermuts- Andrea Seibt, tropfen: Bei den Auszubildenden gibt es noch sehr Dresden viel Luft nach oben. Deshalb soll der Bereich in diesem Jahr einen der Schwerpunkte bilden. „Diese Konferenz stand eindeutig im Zeichen der Die Delegierten auf der Bundesfachbereichs- Staffelstab-Übergabe. Sie ist, konferenz verabschiedeten 47 Anträge, von wie ich finde, gut gelungen denen ein Teil an den ver.di-Bundeskongress zur und ebnete den Weg in die Abstimmung weiter geleitet wurde. Weil die bil- nächsten vier Jahre. dungspolitischen Positionen des letzten Bundes- Hoffentlich genauso leben- kongresses unverändert aktuell sind, entschied dig, diskussionsfreudig, der Fachbereich, auf einen grundsätzlichen bil- erfolgreich – vielen Dank dungspolitischen Leitantrag zu verzichten. Statt- nochmal an Klaus Böhme dessen geht es konkreter um „Bildung als und Ute Kittel! Und ebenso Schlüssel zur Integration“ für Geflüchtete, aber den vielen dienstbaren zurück, da könne ein Großer einen Kleineren auch für andere Migrant*innen. Gefordert wird Geistern im Hintergrund.“ „schlucken“ wollen. Die Perspektive der 59 Dele- außerdem die Absicherung qualitätsvoller Ange- gierten auf die Fusion war differenziert: Viele bote für alle Altersstufen vom Kleinkind bis zu gaben der Hoffnung Ausdruck, gemeinsam etwas älteren Menschen im berufstätigen Alter. Für die Gutes neu gestalten zu können – aber auch Kritik Umsetzung zentral sind gute Beschäftigungs- wurde laut. Auf jeden Fall müsse die Fachlichkeit bedingungen für diejenigen, die die Lernenden auch nach der Umstrukturierung erhalten blei- unterrichten und begleiten: Die Lohn- und Ar- ben, da waren sich alle Delegierten einig. beitsbedingungen in der Weiterbildung bleiben auf der politischen Agenda. Foto: Ursula Lerche Prekäre Arbeit und Befristungen waren domi- nierende Themen der Konferenz. Besonders dra- matisch ist die Lage im Bereich Hochschulen, wo 93 Prozent der wissenschaftlich Beschäftigten Zeitverträge haben. Aber auch beim wissen- schaftsunterstützenden Personal liegt die Befris- tungquote mit 23 Prozent doppelt so hoch wie Iris Karp, sonst im öffentlichen Dienst. Entsprechend gab es Hagen zu diesem Themenfeld zahlreiche Anträge an den Bundeskongress. Sie fordern beispielsweise, Be- „Super! Wir aus den fristungen mit tarifvertraglichen Regelungen ein- Bibliotheken sind endlich die zudämmen. Auch zu Diskriminierungsfreiheit, Ar- alte Eingruppierung los. beitszeitverkürzung und spezifischen Eingruppie- 5 An der Art zu feiern können rungsproblemen liegen tarifpolitische Anträge vor. wir noch arbeiten – mehr Wenn der Marathon am 28. September endet, Tanz, weniger Diskussion wird klar sein, mit welchen Positionen und Lei- am Abend!“ tungspersonen die Gesamtorganisation in den kommenden Jahren Politik machen will. b
Schwerpunkt: Nach dem Kongress ist vor dem Kongress Neuer Vorstand gewählt A uf der Bundesfachbereichskonferenz wählten die Delegierten einen neuen ehrenamtlichen Vorstand. Er besteht aus 26 stimmberechtigten Mitgliedern: Jeder Landesbezirk ist mit mindes- ne Tarifarbeit, verantwortet das Budget und tagt zwei- bis dreimal jährlich. Dazwischen führt das Präsidium die Geschäfte. Dem gehören die Vorsitzende, ihre zwei Stellvertreter sowie die Bun- tens zwei Personen, die sechs Bundesarbeitsgruppen entsprechend desfachbereichsleiterin an. Die inhaltliche Arbeit findet in den ihres Anteils vertreten. Dazu waren zwei Jugendmandate, ein Frau- Bundesarbeitsgruppen und situativ in Projektgruppen statt. Die AG- en- und ein Senior*innen-Mandat zu besetzen und ein stimmbe- Sprecher*innen haben ständiges Gastrecht im Bundesfachbereichs- rechtigtes Mitglied ist die Bundesfachbereichsleiterin. Der Vorstand vorstand. Auch die Landesfachbereichsleiter*innen sollen möglichst ist für vier Jahre gewählt bzw. bis zum Wirksamwerden einer Fusion an den Sitzungen teilnehmen. b mit dem Fachbereich 3. Er koordiniert u.a. die fachbereichsbezoge- Wiebke Koerlin Foto: Stefanie Herbst Der neue Bundesfachbereichsvorstand Drei Fragen an die neugewählte wahrgenommen wird. Ich möchte, dass die Foto: Annette Jensen Beschäftigten in Bildung, Ausbildung, Weiter- Vorsitzende des Bundesfachbereichs- bildung und Forschung ein Sprachrohr haben vorstands Wiebke Koerlin und wir die Interessen der Menschen gut ver- treten, egal ob sie in Laboren oder der Ver- Seit fast 20 Jahren arbeitet sie im Personalbereich der waltung, in der Weiterbildung oder in den Universität Mainz und ist für die betriebliche Studierendenwerken arbeiten. Weiterbildung zuständig. Das soll sich auch in den künftigen Struk- Was hat Dich bewogen zu kandidieren? turen widerspiegeln. Wir wollen die Fusion so vorbereiten, dass Bei der Gründung von ver.di gehörte ich zur Projektgruppe, die den wir inhaltlich gemeinsame Themen auch gemeinsam bearbeiten Fachbereich aufgebaut hat. Ich bin von Anfang an im Bundes- wie z. B. an den Unikliniken, wo sich Wissenschaft und Kranken- fachbereichsvorstand und seit vier Jahren im Präsidium und war pflege verbinden oder in der Weiterbildung, wo es zunehmend dort stellvertretende Vorsitzende. Ich finde die Arbeit wichtig, sie Träger gibt, die Sozialarbeit und Weiterbildung machen. Was jetzt macht mir Spaß und liegt mir. Ich übernehme gerne Verantwortung ansteht ist, den Fusionsvertrag vorzubereiten. Es gibt bereits viele dafür, dass der Bundesfachbereichsvorstand seine Aufgaben er- positive Erfahrungen, aber es liegen auch noch Steine auf dem füllen kann: Dem Thema Bildung und den Interessen der Be- Weg, die wir wegräumen müssen. schäftigten die angemessene Geltung zu verschaffen und das vor- wärts zu treiben. Und wir planen die Fusion mit Fachbereich 3. Wir Welches Thema liegt dir besonders am Herzen? 6 wollen zusammen ein neues Haus bauen, und dann werden wir Bildung ist für mich sowohl Garant, aber auch Voraussetzung für schauen, wie wir das zusammen ausstatten und die Zimmer bezie- eine friedliche und sozial gerechte Welt. Bildung, Weiterbildung hen. Diesen Prozess möchte ich gerne begleiten. und Forschung sind aber einem großen Druck ausgesetzt. Überall gibt es prekäre Beschäftigungsverhältnisse und vielfach ist die Was willst du in den kommenden Jahren unbedingt erreichen? Bezahlung schlecht. Das ist überhaupt nicht auszuhalten, denn es Wir haben uns immer bemüht, dass ver.di als Bildungsgewerkschaft geht um ein zentrales Zukunftsthema. b
Schwerpunkt: Nach dem Kongress ist vor dem Kongress Jugend will eine politische und gut organisierte ver.di D Foto: Ursula Lerche ie Jugend machte den Anfang: Auf ihrer Interne Verbesserungswünsche betreffen Bundesfachbereichskonferenz Ende Februar vielfach die Organisation vom Ehrenamt. So wurde viel diskutiert – im World Café-Format gehören die Information über Ansprechperso- kamen alle Delegierten und Gäste zu Wort. nen, Datenpflege, moderne Kommunikation Warum bist Du in der Gewerkschaft? An welche und die Überarbeitung des Intranets zu den Themen muss ver.di ran? Was muss sich in ver.di Hauptanliegen. Gewollt wird auch eine gezielte ändern? Kommunikation, bei der Ansprechpartner*in- nen klar benannt sind. Orientierungshilfen für Politische und gesellschaftliche Fragen ste- Lebensphasenwechsel werden ebenfalls ge- Lea Herzig, hen bei jungen Gewerkschafter*innen hoch im wünscht. Berlin Kurs. Sie wollen, dass ver.di Themen wie Digi- talisierung aufgreift, vorantreibt und in Bünd- Die Antworten spiegeln die hohe Identifi- „Wir brauchen ein nisse und Politik einbringt. kation der Gewerkschafter*innen mit den ver.di- Umdenken, Studierende als Dabei geht es nicht nur um Nutzer*innen- Idealen. Gemeinsame Werte, Rückhalt, Mit- Zielgruppe der gesamten rechte im Netz, sondern auch um internationale machen, Vertrauen und Familie sind nur ein paar Organisation zu sehen und Standards und Bedingungen für Arbeitneh- der Schlagworte. Die Forderung nach Solidarität nicht nur des Fachbereichs. mer*innen. Mit Diversity muss sich ver.di stärker und Wertschätzung auf der Jugendkonferenz So erreichen wir dann beschäftigen, so die Forderung. Die Vielfalt solle war klar und eindrucksvoll. b gemeinsam als ver.di, auch innerhalb der Organisation verstanden und als Fachbereich und als gelebt werden. Aufklärung und die Verbesse- Hannah Koppetz-Mitra Jugend das Ziel: rung von Arbeitsbedingungen sind ebenfalls TV Stud für alle!“ wichtige Themen für den Nachwuchs. Foto: Ursula Lerche Ciao Klaus! seine Verlässlichkeit. „Klaus, was ich an dir schätze: Ohne drumherum, offenes Visier – gleichzeitig ein guter Stratege und kämpferisch.“ Klaus wollte keine pathetischen Abschiedsworte und Dankesreden – F ragt man Herrn Google, dann erscheinen sehr viele Einträge unter „Klaus Böhme“. Man findet ein Weingut, Ärzte, Historiker und noch viel mehr – und sowas könne leicht kippen, hatte er gewarnt. Als Verhandlungspartner war Klaus sehr geschätzt, unseren Klaus. 1976 in die Fernuni Hagen eingetreten weil er immer konsequent, ehrlich und zuverlässig war. war er schon zwei Jahre später Personalratsvorsitzender. Später Mir fallen ausschließlich angenehme Begegnungen mit Klaus ein. im NRW-Ministerium Wissenschaft und Forschung wurde er erst Sein Einsatz für die Kolleginnen und Kollegen und für die gewerk- Mitglied und dann Vorsitzender des Hauptpersonalrats. Kein schaftlichen Ideale haben keinen Makel. Ich hatte das Vergnügen Wunder, dass unser Fachbereich ihn 2007 zum ehrenamtlichen mit Klaus u. a. an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen Vorsitzenden des Bundesfachbereichsvorstandes wählte. Und eine Inhouse-Seminar zum Thema Entgeltordnung zu teamen. parallel war er dann ab 2009 auch noch Geschäftsführer der Seine Fachkenntnisse in diesem nicht einfachen Wissenssach- Personalrätekonferenz. Bedauerlich für Klaus, dass ein Tag nur 24 gebiet sind unschätzbar wertvoll. Stunden hat. Sportlich schlägt sein Herz seit Anfang 1964 für den 1. FC Nun geht unser Klaus in den Ruhestand. Eigentlich unvorstell- Köln, dessen Mitglied er ist. Für diese Leidenschaft und seine bar. Gewerkschaftsarbeit, Fachbereichsleitung ohne Klaus. Geht weitgefächerten Interessen darf er sich jetzt Zeit nehmen. Das hat doch eigentlich gar nicht. Er sagt selber, dass er loslassen muss. er sich sowas von verdient. Für sein Engagement für uns, für die Den nächsten ver.di Bundeskongress bereitet er noch mit vor. Kolleginnen und Kollegen, für den Fachbereich 5 in verdi und, 7 „Viele freuen sich auf dich, allein wegen der Sprüche, die du und, und spreche ich dem Klaus meinen und unseren Dank aus. manchmal fast nebenher raushaust“, sagte Bundesfachbereichs- Lass es Dir und Deiner Familie gut gehen! b leiterin Ute Kittel bei der Abschiedsfeier. „Wortfuchs“ nannte sie ihn, betonte sein Engagement, seine Loyalität, seinen Humor und Reinhard Dudzik
Schwerpunkt: Nach dem Kongress ist vor dem Kongress Foto: Ursula Lerche Eins und eins ist mehr als zwei D er Prozess zur Fusion der ver.di-Fachbereiche 3 und 5 macht Fortschritte – entscheidende Etappen auf dem Weg zu neuer Stärke sind Nun ist der Weg frei für weitere Gespräche, in denen es um die Modalitäten und rechtlichen Grundlagen der angestrebten Fusion geht. Holger Sterzenbach, geschafft. In parallelen Sitzungen verabschiede- Weitere Beschlüsse sind vorzubereiten. Darüber ten beide Bundesfachbereichsvorstände am hinaus soll es von Anfang an gemeinsame Pro- Hamburg 26./27. Februar mit jeweils breiter Mehrheit die jekte geben. So ist beispielsweise im Landesbezirk „Ich unterstütze die Fusion Gründungsvereinbarung. „Menschen, die andere Niedersachsen/Bremen ein Campus-Projekt ge- mit dem Fachbereich 3 voll versorgen und pflegen, die Mitmenschen jeden plant. Ziel ist es, Studierende der Sozialen Arbeit und ganz. Die Bundes- Alters Bildung und Wissen vermitteln oder die zu (Care Arbeit) gemeinsam anzusprechen und für fachbereichskonferenz war Grundlagen und Zukunft der Menschheit for- ver.di zu gewinnen. geprägt vom festen gemein- schen, haben eine besondere Aufgabe und Ver- samen Willen und dem antwortung in unserer Gesellschaft. In den Fach- Da die Gründungsvereinbarung auch vorsieht, Optimismus, die Fusion zu bereichen Gesundheit, soziale Dienste, Wohl- dass sich die beiden Fachbereiche bereits für den einem starken und erfolg- fahrt, Kirchen sowie Bildung, Wissenschaft und Bundeskongress 2019 auf eine/n gemeinsame/n reichen neuen Bereich zu Forschung vertritt ver.di eben diese Politikfelder Bundesfachbereichsleiter*in einigen, haben beide führen.“ und Branchen, die grundlegende Voraussetzung Bundesfachbereichskonferenzen auf Vorschlag für ein funktionierendes Gemeinwesen sind und der Vorstände Sylvia Bühler „als Leiterin des je- deren Bedeutung, auch als Ausbildungs- und Be- weiligen Fachbereiches sowie als Leiterin des schäftigungsfaktor weiterhin zunimmt. Die durch- neuen Bereiches als Mitglied des Bundesvor- aus unterschiedlichen Berufsfelder eint dabei die standes durch Wahl nominiert“ (so schön ist Arbeit mit, an und für Menschen.“ Diese Passage Satzungsdeutsch). b macht deutlich, warum die Spitzen beider Fach- Foto: Ursula Lerche bereiche überzeugt sind, dass sie den Heraus- Klaus Böhme (Fahrplan zur Fusion Seite 14) forderungen ihrer Branchen mit über sechs Millionen Beschäftigten gemeinsam noch besser Foto: ver.di als bisher begegnen können. Kathrin Karnath, Sylvia Bühler – Ulm die neue Spitzenfrau „Die jetzige Möglichkeit Die Bundesfachbereichskonferenz hat Sylvia vor Ort ist ihr aber auch weiterhin wichtig. der Fusion mit dem Bühler als neue Bundesfachbereichsleiterin Konkrete Themen und Probleme, die sie dort Fachbereich 3 bringt uns als nominiert. Gewählt werden soll sie auf dem erfährt, nutzt sie auch für die politische Arbeit. Studierendenwerke viele Bundeskongress im September. Sylvia stammt Viele Belange aus unserem Fachbereich sind Vorteile, weil wir als aus Mannheim und hat dort Soziale Arbeit stu- Sylvia schon vertraut beispielsweise durch „Dienstleister“ für die diert. Nach einigen Jahren im Beruf und ehren- Unternehmen, die Weiterbildung und soziale Universitäten auch soziale amtlicher Gewerkschaftsarbeit wurde sie 1993 Arbeit verbinden wie der Internationale Bund. Dienste haben wie Kitas und Gewerkschaftssekretärin bei der ÖTV und Außerdem ist Sylvia Hochschulratsmitglied in psychologische durchlief verschiedene Stationen auf Bezirks- der Hochschule für Gesundheit in Bochum. Sie Beratungsstellen. Sylvia hat und Landesebene und in der ÖTV-Zentrale. Mit ist neugierig auf Themen unseres Fachbereichs, uns in ihrer Rede nicht ver- ver.di-Gründung wurde sie Landesfachbereichs- mit denen sie bisher noch nicht intensiv befasst gessen und das finde ich leiterin Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt war und freut sich auf Betriebsbesuche, Fach- 8 großartig! Ich freue mich auf und Kirchen in NRW. veranstaltungen und Gespräche mit ver.di-Akti- eine tolle und zielführende vist*innen. Die Einladung zum direkten Aus- Zusammenarbeit.“ Seit 2013 ist Sylvia Bundesfachbereichs- tausch „bei einer guten Flasche Mineralwasser“ leiterin von Fachbereich 3 und Mitglied im nehmen wir gerne an. b Bundesvorstand. Der Kontakt zu Kolleg*innen Birthe Haak
Schwerpunkt: Nach dem Kongress ist vor dem Kongress Foto: Hannah Koppetz Ich will mit der Hannah Koppetz-Mitra wurde einstimmig Frauenbrille auf die zur neuen Frauen- beauftragten des Tagesordnung schauen Fachbereichs gewählt. biwifo: Die Mitglieder im Fachbereich sind zu 55 Prozent Die Verhandlungen über die Fusion mit Fachbereich 3 sind weiblich. Wozu braucht man da überhaupt Frauenarbeit? weit fortgeschritten, dort liegt der Frauenanteil bei 75 Prozent. Erwartest Du dadurch Rückenwind? Hannah Koppetz-Mitra: Frauenthemen werden in Vor- ständen nach wie vor nicht aktiv mitgedacht. Vielen sind sie gar Im Fachbereich 3 gibt es eine sehr gute Frauenpolitik, mit nicht bewusst. Ich mache da niemandem einen Vorwurf, es einer eigenen Arbeitsgruppe, die ich auch schon mal besucht bedeutet aber, dass wir spezielle Frauenarbeit brauchen. Ich habe. Die machen sehr gute Arbeit und haben einen offenen arbeite an der Uni in der Forschung in einem sehr männlich E-Mail-Verteiler. Wenn interessierte Mitglieder anhand der dominierten Umfeld. Für mich waren Frauenthemen schon immer Tagesordnung sehen, dass sie etwas zu einem Punkt beitragen sehr präsent. Im Bundesfachbereichsvorstand sehe ich meine können, melden sie sich und werden eingeladen. Ich glaube, Aufgabe darin, auf bestimmte Themen der Tagesordnung mit von dieser Arbeitsweise könnte der Fachbereich 5 sehr der Frauenbrille zu schauen. profitieren. Gibt es ein Anliegen, dass du besonders stark machen Welche Unterstützungsstrukturen hast Du? möchtest? Das ist wirklich ein Problem. Auf unserer Bundesfach- Tarifpolitik ist natürlich besonders wichtig: Wir müssen bei bereichskonferenz waren die Frauen unzufrieden mit dem, was Verträgen darauf achten, dass sie diskriminierungsfrei sind. Frauen- in den vergangenen Jahren frauenpolitisch gelaufen ist. Wir berufe werden schlechter bewertet. Nicht nur die Arbeitgeber hatten uns ja auf offene Frauenstrukturen geeinigt und darauf, haben das ignoriert, sondern auch wir Gewerkschaften haben das dass eine Frau in den Bundesfachbereichsvorstand geht. Es gab lange nicht richtig mitbekommen. Und die Frauen gehen nicht auf nur ein Treffen zusammen mit Fachbereich 13, zu dem alle die Straße. Wenn sich mehr Frauen für das Thema stark machen Frauenvertreterinnen eingeladen waren, die in verschiedenen würden, käme das auch in den Tarifkommissionen an. Gremien auf Landes- oder Bundesebene mitarbeiten. Daran gab es Kritik, und in der Konsequenz habe ich nun nicht einmal eine Bitte gib ein Beispiel aus unserem Fachbereich. Stellvertreterin im Bundesfrauenrat. Das Arbeitsfeld von Hochschulsekretärinnen hat sich total Warum nicht? gewandelt. Früher hatten sie vor allem die Aufgabe, vom Band abzutippen. Heute müssen sie vieles selbständig organisieren, Weil niemand kandidieren wollte, hat sich meine Vorgän- zum Teil mehrsprachig Reisekostenabrechnungen machen und gerin zur Wahl gestellt. Das Ergebnis war aus ihrer Sicht zu SAP beherrschen. Trotzdem sind sie nur in Entgeltgruppe 7. Ein schwach, und deshalb hat sie die Wahl nicht angenommen. Ich Feinmechaniker, der ebenfalls ein Programm beherrschen muss – finde es sehr ungerecht, die Verantwortung für das, was läuft nämlich CAD – bekommt aufgrund dieser Qualifikation E 9. Ein oder nicht läuft, allein bei der gewählten Frauenbeauftragten Großteil der Qualifikationen von Hochschulsekretärinnen geht abzuladen. Die Konferenz hat erneut beschlossen, dass es keine nicht in die Lohnstruktur ein: Es wurde komplett verpasst, die festen Strukturen wie beispielsweise einen Frauenvorstand neuen Aufgabenbereiche zu bewerten. geben soll. Viele sind voll in einem Gremium engagiert und haben nicht die Kapazitäten für ein weiteres Gremium. Ich habe aber trotzdem darauf bestanden, dass wir mehr gemeinschaft- Worauf willst Du noch den Fokus lenken? lich machen müssen. Neben Equal Pay ist die Frage zentral, was Digitalisierung mit Ich wünsche mir, dass sich Frauen bei mir melden, um auf Frauenberufen macht. Neu hinzugekommen ist Gender Diversity. frauenrelevante Themen hinzuweisen, die ich dann im Fach- 9 Wie ver.di damit umgeht ist noch unklar. Auch um das Thema bereich aufgreifen und mit Hilfe interessierter Frauen umsetzen werde ich mich kümmern. Außerdem ist Hochschulpolitik nach kann. b wie vor ein sehr männlich dominiertes Feld, wo strukturelle Veränderungen dringend nötig sind. Interview: Annette Jensen
E r f o l g e b e i Ta r i f v e r h a n d l u n g e n G E S C H A F F T W Tarifverträge für die Beschäftigten des bfw Seit dem 1. Juli 2019 ist das bfw – Unternehmen für Bildung Neue Entgeltordnung für wieder ein tarifgebundenes Unternehmen. Nach 17 Verhand- lungsrunden in 30 Monaten war Bibliotheksbeschäftigte das Gesamtpaket fertig, dem die ver.di-Tarifkommissionen im Juni zugestimmt haben. Das ist eine gute Nachricht für die 1.500 N ach fast 25 Jahren gewerkschaftlichen Kampfes ist es endlich so weit: Die speziellen Eingruppierungsmerkmale an Bibliotheken sind nutzten geschickt ihre gewerkschaftlichen Handlungsmöglichkeiten und so gelang es, die Tarifgemeinschaft deutsche Länder (TdL) nach Beschäftigten von bfw Berlin Geschichte. Ab 2020 ist das Personal der Länder diversen Störmanövern wieder an den Verhand- und bfw Düsseldorf, denn die nach dem allgemeinen Teil der Entgeltordnung lungstisch zu zwingen. Arbeits- und Einkommens- (EGO) eingruppiert. Für viele bedeutet das im bedingungen der Beschäftigten Endeffekt mehr Geld. Bereits 2017 hatte ver.di die Streichung der bleiben nun Verhandlungssache speziellen Bibliotheksmerkmale im kommunalen der Tarifparteien. Als 2012 der Tarifvertrag für den Öffentlichen Bereich durchgesetzt. Den Effekt können die Der Arbeitgeber hatte mit Dienst der Länder (TV-L) abgeschlossen wurde, Betroffenen jeden Monat deutlich auf ihrer Lohn- Wirkung zum 30. Juni 2013 die gab es für Bibliotheken erneut einen speziellen abrechnung ablesen. Für die Kolleg*innen in Tarifverträge gekündigt, weil er Teil: Veraltete Begrifflichkeiten und antiquierte Bibliotheken und ähnlichen Einrichtungen auf seine Wettbewerbsfähigkeit Bilder beschrieben den Arbeitsalltag. Dies führte Länderebene änderte sich dagegen nichts. Zuerst gefährdet sah wegen des großen zu erheblichen finanziellen Nachteilen gegenüber sicherte die TdL noch zu, die EGO-Länder nach Abstands der tariflichen Jahres- den „allgemeinen“ Merkmalen im Verwaltungs- zwei Jahren zu evaluieren, doch allen Ermah- einkommen zur Konkurrenz. Die dienst. Trotz gleicher Tätigkeiten landeten die nungen und Forderungen zum Trotz geschah 450 schon damals Beschäftigten Beschäftigten in niedrigeren Entgeltgruppen – nichts. Sie leugnete sogar das immer offensicht- fielen unter die Nachwirkung, manchmal mehrere Stufen unter den Kolleg*in- lichere Problem, Personal zu gewinnen. bis eine ablösende Vereinbarung nen aus anderen Bereichen. Zwar verfügen getroffen war. Für alle seit dem Bibliotheksbeschäftigte über eine hohe intrinsi- In der Tarifauseinandersetzung 2019 ging 1. Juli 2013 Eingestellten wurden sche Motivation, aber eine solche krasse Be- dann die „fast unendliche Geschichte“ doch die Arbeits- und Einkommens- nachteiligung brachte sie in Rage. Ihre Berufs- noch zu Ende: Ab 1. Januar 2020 gilt die neue bedingungen dagegen arbeits- wirklichkeit hat sich nicht nur durch digitalisierte EGO-Länder. Wie der Übergang gestaltet wird, vertraglich frei vereinbart. Arbeitsmethoden und die Steigerung der Service- muss noch festgelegt werden. Es gilt neue Zeitweise sah es so aus, dass leistungen stark gewandelt. Unter dem Spardiktat Tätigkeitsbeschreibungen zu verfassen, Anträge das gesamte Tarifprojekt schei- ihrer Träger ufern auch die Öffnungszeiten immer zur Höhergruppierung zu stellen und die langfris- tern würde, weil die sogenann- weiter aus. Darüber hinaus wird das Klientel tigen finanziellen Folgen zu berechnen. Dabei ten „Alt“- Beschäftigten nicht immer vielfältiger und damit herausfordernder. bauen die engagierten ver.dianer*innen erneut am Verhandlungsergebnis parti- auf die Unterstützung ihrer Organisation. b zipieren und auch künftig von Sicherlich hätte ihr Protest noch lauter sein einer zu erwartenden Tarifent- können. Doch einige aktive ver.di-Mitglieder Kerstin Thorwirth wicklung abgekoppelt bleiben sollten. Erst in einem Spitzen- gespräch zwischen Bundesfach- bereichsleiterin Ute Kittel und Turbulenzen vor dem dem neuen Geschäftsführer Klaus Knappstein am 12. Februar 2019 wurde trotz der schwieri- Mindestlohnabschluss gen wirtschaftlichen Situation der Weg frei gemacht für eine Einigung. S eit dem 1. April gilt ein neuer Mindestlohn für die rund 30.000 pädagogisch Beschäf- tigten in der Weiterbildung. Im Prinzip hatten bewerbsnachteile befürchteten. Nachdem sich die Tarifvertragsparteien auf einen neuen Ver- tragstext geeinigt hatten, beantragten sie sich ver.di/GEW und die Zweckgemeinschaft erneut die AVE. Die Tarifverträge verankern des Berufsbildungsverbands schon im Juli 2018 Am 27. März 2019 billigte das Bundes- Rechtsansprüche der Beschäftig- auf einen Tarifvertrag geeinigt und die All- kabinett endlich die Allgemeinverbindlicherklä- ten oberhalb der gesetzlichen gemeinverbindlicherklärung (AVE) beantragt. rung und erließ darüber hinaus auch die Ver- 10 Mindeststandards und schaffen Doch die Orientierung am Deutschen Qualifika- ordnung zum Vergabemindestlohn. Damit gilt tätigkeits- und qualifikations- tionsrahmen (DQR) diente den Kritiker*innen der Mindestlohn auch in Unternehmen, die bezogene Entgeltgruppen. b als Argument, um das Verfahren zu verzögern. nicht überwiegend Arbeitsmarktdienstleistun- Im Dezember kündigten die Arbeitgeber den gen nach SGB II/III erbringen. b Uwe Meyeringh Tarifvertrag zu Ende Januar, weil sie Wett- Anne Voss
Nationale Weiterbildungsstrategie M E L D U N G E N W Wissenschaftsrat Push für Weiterbildung fordert Ausbau hoch- schulischer Weiterbildung Der Wissenschaftsrat ver- langt den Ausbau weiterbilden- Bund und Länder verpflichten sich im der Studienangebote für Fach- Foto: Werner Bachmeier Rahmen der Nationalen Weiterbildungs- kräfte: Der demographische strategie (NWS), die Bedingungen für die Wandel sowie technologische Beschäftigten in der Weiterbildung in den und gesellschaftliche Verände- Fokus zu nehmen. Das Strategiepapier rungen erforderten mehr grund- wurde am 12. Juni veröffentlicht. Es ist ständige Studienangebote in das Ergebnis eines intensiv und zum Teil Teilzeit, berufsbegleitend oder kontrovers geführten achtmonatigen als Fernstudiengänge. Obwohl Diskussionsprozesses zwischen Bund, Weiterbildung eine gesetzliche Ländern, Wirtschafts- und Sozialpartnern Aufgabe der staatlichen Hoch- sowie der Bundesagentur für Arbeit. schulen ist, liegt Deutschland Die NWS-Partner haben sich auf zehn hier im internationalen Vergleich Handlungsziele geeinigt und jeweils zu deutlich zurück. konkreten Aktivitäten verpflichtet. In den meisten Bundes- VON ROMAN JAICH ländern müssen die Hochschulen für ihre Weiterbildungsstudien- W eiterbildungsangebote und Fördermöglich- keiten sollen für alle transparenter und leichter zugänglich gemacht, Förderlücken ge- gänge kostendeckende Ge- bühren verlangen und aufwändi- ge Trennungsrechnungen vor- Alle Beschäftigten sollen die schlossen werden. Die Beteiligten wollen die Chance haben sich weiterzubilden nehmen. Der Wissenschaftsrat Nationale Weiterbildungsstrategie im kontinuierli- empfiehlt, dass Lernende, Arbeit- chen Austausch umsetzen. Ein halbjährlich tagen- geber und Staat die hochschuli- des Gremium koordiniert die Aktivitäten. Wenn es Weiterbildungsförderungsgesetz ein ganzes sche Weiterbildung gemeinsam Bedarf gibt, Handlungsziele vertieft abzustimmen Stück näher. finanzieren. Außerdem schlägt er und gemeinsam zu bearbeiten, sollen Veranstal- • Positiv ist auch, dass sich die Länder selbst eine Aufstockung des Hochschul- tungen dazu stattfinden. Im Jahr 2021 ist ein ge- verpflichtet haben, ihre jeweiligen Weiter- personals vor. meinsamer Bericht geplant, der den Stand der bildungsfreistellungsgesetze bekannter zu https://www.wissenschafts- Umsetzung darstellt. Die NWS-Ziele sollen dann machen. Wir haben uns massiv für deren rat.de/download/2019/7515- auch überprüft und gegebenenfalls weiterent- Verabschiedung eingesetzt. Gegenwärtig 19.pdf. wickelt werden. aber nehmen weniger als zehn Prozent der Beschäftigten dieses Recht in Anspruch. Das W Tarifgespräche mit Das Verhandlungsergebnis ist aufs Ganze könnte sich ändern, wenn alle ausreichend Uni-Assist e.V. gesehen zu begrüßen. Dass Bund und Länder über die Freistellungsmöglichkeiten informiert uni-assist e.V. ist ein Dienst- sich verpflichten, die Arbeitsbedingungen der sind. leister der deutschen Hochschu- Beschäftigten in der Weiterbildung zu untersu- • Im Mittelpunkt gewerkschaftlicher Aktivi- len mit rund 300 Beschäftigten, chen, ist ein sehr gutes Ergebnis. ver.di, IG Metall täten stehen die Betriebe. Es gilt, allen der zentral involviert ist in die und GEW fordern vor dem Hintergrund intrans- Arbeitnehmer*innen Weiterbildungsmög- Zulassungsverfahren internatio- parenter Strukturen und ungleicher Beteiligungs- lichkeiten zu eröffnen und das Ganze mit naler Bewerber*innen. Die chancen seit langem Bundesregelungen für die strategischer Personalplanung zu verbinden. Löhne, Arbeitszeiten und Arbeits- Weiterbildung. Zwar wird es erst einmal kein Dafür wollen die Gewerkschaften Betriebs- bedingungen für die 140 Fest- Bundesweiterbildungsgesetz geben, aber immer- räte und Vertrauensleute zu Mentor*innen angestellten und 160 saisonal hin wurden mehrere Forderungen der Gewerk- ausbilden. Sie sollen insbesondere gering- Beschäftigten sind schlechter als schaften aufgegriffen. qualifizierte und bildungsferne Kolleg*innen in den Mitgliedshochschulen, ermutigen sich weiterzuqualifizieren und obwohl in der Satzung des Ver- Für uns zentrale Ergebnisse sind: ihnen helfen, passende Angebote zu finden. eins vergleichbare Bedingungen • Geprüft wird die Einführung geförderter angestrebt werden. Seit dem Bildungszeiten und Bildungsteilzeiten. Sie Insgesamt bietet die Nationale Weiterbildungs- 2. Mai laufen Tarifgespräche mit sind ein zentrales Element, um individuelle strategie viele gute Ansatzpunkte. Ob es ge- ver.di: Die Gewerkschaft fordert 11 Weiterbildungsaktivitäten zu ermöglichen. lingt, die Transformationsprozesse am Arbeits- eine Anwendung des Tarif- In Verbindung mit der Ankündigung, mehr markt für alle Menschen gewinnbringend zu vertrages für den öffentlichen Fördermöglichkeiten im Rahmen der Novelle gestalten, wird der Erfolgsmaßstab sein. Dienst (TVöD). des Aufstiegsfortbildungsförderungsgeset- Wichtig ist, dass den Worten jetzt schnell Taten https://verdi-uni-assist.de/ zes (AFBG) zu schaffen, kommt das einem folgen. b
Forschung und Hochschulen S T U D I E R E N D E W Berliner Hochschulen eiern ’rum nach Arbeits- gerichtsurteil Der Richterspruch ist unzwei- Mehr Geld vom Bund – deutig: Studierende, die in nicht- wissenschaftlichen Bereichen jobben, sind wie andere Be- Befristungsunwesen bleibt schäftigte im öffentlichen Dienst zu behandeln. Ob in der Verwal- tung, Bibliothek oder IT-Abtei- lung einer Universität – überall I n der Nacht zum 3. Mai war es so weit: Nach fast zwei Jahren Verhandlungen haben Bund und Länder den Knoten durchschlagen und sich Kaum berücksichtigt bei alledem wurden die Interessen der Beschäftigten. Die Kampagne „Frist ist Frust“ – getragen von ver.di, dem gilt auch für sie der Tarifvertrag auf drei Pakte geeinigt. Vor allem der auf Dauer Mittelbau-Netzwerk NGAWiss und der GEW – der Länder (TV-L) und nicht der angelegte „Zukunftsvertrag Studium und Lehre hatte sich massiv dafür eingesetzt, dass die ZVS- TV-Stud. Die Sonderregelungen stärken“ (ZVS) ist von herausragender Be- Mittel verbindlich in dauerhafte Beschäftigung für Studierende zur Befristung deutung: Der Bund steigt damit in die kontinu- investiert werden. Übrig geblieben ist davon die im Berliner Hochschulgesetz/ ierliche Förderung der Hochschulen ein. Dieser Auflage an die Länder, sich bei der ZVS-Umset- Wissenschaftszeitvertragsgesetz Schritt war überfällig. Mit jährlich 3,76 Milliarden zung selbst Entfristungsziele zu setzen. An- sind für diese Personengruppe Euro ab 2021 und 4,1 Milliarden ab 2024 fließen gesichts der Erfahrung der letzten Jahrzehnte ist ebenfalls nicht anzuwenden. dringend benötigte Mittel zuverlässig an die das viel zu wenig: In keinem Bundesland ist es Ein Jahr ist seit dem Urteil Hochschulen. Verhandlungen über weitere Erhö- gelungen, den Anteil an Befristungen zu senken. des Berliner Landesarbeits- hungen sind für 2027 verabredet. Nun gilt es, genug Druck auf die Politik und die gerichts vergangen – Zeit für Hochschulen zu entwickeln, damit die Chance für eine erste Bilanz. Die Hoch- Für die außeruniversitäre Forschung gibt es eine Trendwende beim Befristungsunwesen nicht schulen tun sich schwer mit über den „Pakt für Forschung und Innovation“ endgültig vergeben wird. b der Rechtsprechung. Mehrfach bis 2030 jährlich drei Prozent mehr Geld. Projekte verlängerten sie bestehende zur Förderung der Lehrqualität sollen außerdem Matthias Neis Verträge nicht, verzichteten auf mit jährlich 150 Millionen unterstützt werden. Einstellungen oder beauftragten einen externen Dienstleister. Mehrere hundert studentische Beschäftigte verloren ihre Arbeit, mit der sie ihr Studium und ihren Die Ruhe Lebensunterhalt finanziert hat- ten. In den betroffenen Abtei- lungen kam es häufig zu Arbeits- vor dem Brexit verdichtungen und Service- einschränkungen. Anderswo gab es aber auch neue Stellen für D as offizielle Brexit-Datum ist nun auf den 31. Oktober terminiert. Wie die Trennung Großbritanniens von der EU ablaufen soll, ist haben bisher Großbritannien gewählt. Darüber hinaus ist das Land unangefochten Forschungs- leader sowohl in Bezug auf Veröffentlichungen Studierende, die nach TV-L ver- weiterhin unklar. Für Hochschulen und For- als auch bei der Leitung europäischer For- gütet werden. Einzelne Hoch- schungseinrichtungen bedeutet das eine Fort- schungsgruppen im Rahmen des EU-Pro- schulen bekennen sich klar zum setzung der Unsicherheit. gramms Horizont 2020. Von den 77 Milliarden Erhalt studentischer Arbeits- Euro gingen etwa 10 Milliarden nach Groß- plätze. Andere Entscheider*in- Als die Brit*innen im Sommer 2016 den EU- britannien. nen lassen es dagegen „einfach Austritt beschlossen, wirkte das wie ein Schock laufen“ und setzen auf eine für die europäische Hochschulbildung. Die Aus- Kommt es zu einem geregelten Brexit, läuft Änderung des Berliner Hoch- sicht, dass britische Universitäten aus den euro- erst einmal alles so weiter wie bisher. Groß- schulgesetzes. päischen Kooperationsmechanismen heraus- britannien und die EU waren sich bereits in Nötig sind lösungsorientierte fallen, kam unerwartet und wirkte alarmierend. einem frühen Stadium einig, dass das Vereinigte Gespräche mit den jeweiligen Das Vereinigte Königreich war und ist einer der Königreich Teil der derzeitigen EU-Programme Personalvertretungen und dort bevorzugten Partner für die europäische For- bleiben könnte, darunter Horizont 2020 und ein Verständnis im Sinne von schungszusammenarbeit und mit Abstand das Erasmus +. Bei einem „No-Deal“-Austritt ist die „Hochschule geht nur gemein- beliebteste Reiseziel für mobile Studierende in Lage unklar. Universitäten und Forschungs- sam.“ Schließlich tragen studen- Europa. einrichtungen stünden vor schwierigen Ver- 12 tische Beschäftigte zum Erfolg handlungen, denn offiziell könnten die briti- und Gelingen der Hochschulen Der Platz Großbritanniens in der europäi- schen Partner ihre Kosten dann nicht mehr mit bei! b schen Hochschullandschaft ist herausragend. der EU abrechnen. b Rund 200.000 Studierende und damit ein Antje Thomass Viertel derjenigen, die ins EU-Ausland gehen, Andreas Schlossarek
Das gute Beispiel F I N A N Z F R A G E N W Forschungshaushalt zu Mach’ meinen knapp bemessen Die Personal- und Betriebs- räte in den Einrichtungen der Kumpel nicht an! Leibniz-Gemeinschaft (PBL) schließen sich dem Appell „Investitionen in Bildung und Forschung sichern“ an, den die Die Integration von Migrant*innen und Präsidenten der vier außeruni- Geflüchteten ist in der Bundesrepublik versitären Forschungsorganisa- nichts Neues. Trotzdem entstehen dabei tionen Leibniz- und Helmholtz- nach wie vor Spannungen in der Gesell- Gemeinschaft sowie Fraunhofer- schaft und nicht selten auch am Arbeits- und Max-Planck-Gesellschaft platz. Mit der Aktion „Mach meinen Promis wie Udo Lindenberg, Nena, Günter verfasst haben. Darin protestie- Kumpel nicht an!“ haben die DGB- Wallraff, Ex-Bundeskanzler Willy Brandt und der ren sie beim Bundesministerium Gewerkschaften schon vor mehr als drei frühere DGB-Chef Ernst Breit unterstützten den für Bildung und Forschung Jahrzehnten eine immer noch aktuelle Verein. 1988 schaffte es die „Gelbe Hand“ sogar (BMBF) gegen Haushaltsein- Antwort gefunden. in den Schimanski-Tatort mit Götz George. schnitte. Die Mittelzuweisungen an die Leibniz-Gemeinschaft VON MICHAEL NIEDWOROK In den ersten Jahren organisierte der Verein bleibt seit Jahren hinter den viele Bildungsveranstaltungen und Aktionen. Er tariflichen Lohnsteigerungen I hren Anfang nahm die Kampagne 1985 als Reaktion auf zunehmende Fremdenfeindlich- keit. In Deutschland wurde sie vor allem durch das veröffentlichte Broschüren mit praktischen Rat- schlägen zum Umgang mit rechten Parolen, die bis heute Klassiker der antirassistischen Arbeit in zurück, sodass Stellen unbesetzt bleiben müssen bzw. sogar über Stellenabbau nachgedacht wird. Symbol der „Gelben Hand“ bekannt, das damals Betrieb und Gesellschaft sind. 2003 wurde der dem DGB-Jugendmagazin „ran“ als Aufkleber Kumpelverein beim DGB-Bildungswerk Bund an- W Kampagne für Berliner beilag. Bereits ein Jahr zuvor wurde dieses anti- gesiedelt und bekam nun erstmals bezahltes Per- Bildungsarbeiter*innen rassistische Symbol in Frankreich etabliert durch sonal, sodass die Arbeit auf die schulischen Bil- Die Kampagne der haus- „SOS Racisme“ mit Unterstützung der Sozialisti- dung ausgeweitet werden konnte. Seine dauer- haltsfinanzierten Bildungs- schen Partei. Dort waren es vor allem Angriffe auf hafte Basisfinanzierung wurde indes erst ab 2009 arbeiter*innen in Berlin fordert nordafrikanische Migrant*innen, die eine Reak- in die Wege geleitet, bis dahin war er weitgehend einen Branchen-Tarifvertrag für tion der Zivilgesellschaft erforderten. In Deutsch- von Projektmitteln und Spenden abhängig. Bildungs- und Beratungsarbeit, land hatten sich seit Anfang der 1980er vor allem die das Land (teil-)finanziert. Die die Nazi-Skins zu einer Bedrohung des friedlichen Der Anstieg der Wählerstimmen für rechtspo- Eingruppierung beispielsweise Zusammenlebens entwickelt. pulistische Parteien und rassistische Demonstra- in Brandenburg sei in vielen Be- tionen wie die im August 2018 in Chemnitz reichen höher, so die Initiative. Im November 1986 wurde der ,Verein gegen machen deutlich, wie unverzichtbar der „Kumpel- Auch Kettenbefristungen und Ausländerfeindlichkeit und Rassismus „Mach verein“ ist. Auch wenn es den Anschein haben weitere Prekarisierung will das meinen Kumpel nicht an!“ e.V.‘ gegründet – könnte, als hätte der Rechtspopulismus seinen Bündnis angehen. salopp „Kumpelverein“ genannt. Im Folgejahr Zenit in Deutschland bereits überschritten, kann http://gute-sache-welcher- intervenierte er gegen den Wahlkampf der Union, nur der aktive Einsatz für Menschenwürde und preis.de/category/allgemein/ die die Ankunft von 100.000 Asylbewerber*innen gegen Rassismus den Spuk dauerhaft beenden. für eine ausländerfeindliche Kampagne nutze. W Hochschulausgaben Unter dem heutigen Namen „Mach meinen um 4 Prozent gestiegen Foto: Werner Bachmeier Kumpel nicht an! – für Gleichbehandlung, gegen Das Statistische Bundesamt Fremdenfeindlichkeit und Rassismus e.V.“ veröf- hat ausgerechnet, dass die fentlicht er einen breiten Pool an Informations- öffentlichen, kirchlichen und pri- materialien, die für Gewerkschafter*innen und vaten Hochschulen in Aktive in der antirassistischen Arbeit sehr nützlich Deutschland 54,1 Milliarden sind. Die Website des Vereins liefert Anregungen, Euro für Lehre, Forschung und Seminartermine, Best-Practice-Beispiele in einer Krankenbehandlung im Jahr Datenbank und Kontakte für die alltägliche 2017 ausgegeben haben – das Arbeit. Bereits zum 13. Mal veranstaltete der Ver- sind vier Prozent mehr als im ein den Wettbewerb „Die Gelbe Hand – Setzt ein Vorjahr. 58 Prozent der Aus- 13 Zeichen gegen Rassismus und Rechtsextremis- gaben entfielen aufs Personal, mus!“ b der Rest waren Sachausgaben und Investitionen. Mehr Informationen: ... und meine Kumpelin auch nicht https://www.gelbehand.de
Sie können auch lesen