Monat - Inklusiver Arbeitsmarkt Öffentlicher Raum - Die Zeitschrift - Österreichischer Behindertenrat

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Monat - Inklusiver Arbeitsmarkt Öffentlicher Raum - Die Zeitschrift - Österreichischer Behindertenrat
Die Zeitschrift
monat
  Ausgabe 2/2019

Inklusiver Arbeitsmarkt
Öffentlicher Raum

    behindertenrat • www.behindertenrat.at • Aboservice Tel.: (01) 513 1 533 • Abo: 24,00 Euro/Ausland + Porto
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Monat - Inklusiver Arbeitsmarkt Öffentlicher Raum - Die Zeitschrift - Österreichischer Behindertenrat
Foto: Privat
editorial
            V
                  iel Überraschendes hat sich seit der letzten Ausgabe unserer
                  Zeitschrift „monat“ getan. Neuwahlen des Nationalrats stehen an,
                  am 29.09.2019 ist es soweit. Aus diesem Grund haben wir eine
            Sonder- und Zusatzausgabe des „monat“ für Anfang September geplant
            und werden wieder alle Parteien zum Interview bitten. Die 3. reguläre
            Ausgabe des „monat“ 2019 wird daher später erscheinen (voraussicht-
            lich Oktober).

            Seit unzähligen Jahren fordern Menschen mit Behinderungen und ihre
            Interessenvertretungen den barrierefreien Zugang zum Arbeitsmarkt
            für Menschen mit Behinderungen. Es ist jedoch immer noch so, dass
            Maßnahmen und Strategien, die auch Menschen mit Behinderungen
            einbeziehen, „innovativ“ sind (S. 10-11) und wir vehementer denn je
            einen inklusiven Arbeitsmarkt fordern müssen (S. 8-9). Ich wünschte,
            es wäre schon anders. Denn vor der Tür stehen die nächsten Heraus-
            forderungen, die Digitalisierung und Künstliche Intelligenz mit sich
            bringen (S. 12-13).

            Zum Abschluss noch zur Sozialhilfe: Bei unzähligen Gesprächen mit der
            Bundespolitik wurde uns zugesichert, dass die Bundesländer die dringend
            notwendigen Verbesserungen für Menschen mit Behinderungen in ihre
            Landesgesetze aufnehmen werden. Niederösterreich preschte im Juni
            als erstes Bundesland vor und verabschiedete ein Sozialhilfe-
            Ausführungsgesetz in der denkbar schlechtesten Version für Menschen
            mit Behinderungen. Wir setzen uns dafür ein, dass es die anderen
            Bundesländer nicht gleichtun und zeigten auch gegenüber
            Niederösterreich Widerstand, leider ungehört. 

                                      Herzliche Grüße und einen schönen Sommer!
                                                              Euer Herbert Pichler

                                                                   www.behindertenrat.at   3
Monat - Inklusiver Arbeitsmarkt Öffentlicher Raum - Die Zeitschrift - Österreichischer Behindertenrat
Nachrichten                                                                                                Ausgabe 2/2019

                   DAS FEHLT             Neu: NAP 2021-2030
                  Von                    Partizipativer Entstehungsprozess gestartet
                  Gabriele Sprengseis
                                                                                            Von Christina Meierschitz

Z      eit spielt für viele Menschen
       mit Behinderungen eine
    besonders wichtige Rolle. Für
    Menschen mit chronischen Er-
    krankungen nimmt beispielsweise
    das Krankheitsmanagement rund
    um Arzttermine viel Zeit ein.
    Zeitintensiv ist auch die Organi-
    sation von persönlicher Assistenz
    oder das Ansuchen für Unter-                                                                        Foto: Pixabay / Geralt
    stützungsleistungen. Manche
    Menschen mit Behinderungen
    brauchen für Tätigkeiten ihres
    Alltags mehr Zeit oder leben mit
                                         N   ationale Aktionspläne, kurz
                                             NAP genannt, gibt es zu vielen
                                         unterschiedlichen Themenbereichen
                                                                                 Die Textvorschläge für den neuen
                                                                                 Nationalen Aktionsplan sind bis zum
                                                                                 31. März 2020 zu erarbeiten.
    Erschöpfungszuständen, wofür sie     und über längere Zeiträume hinweg.
    Ruhezeiten einplanen müssen.         Mit Ende 2019 läuft der aktuelle        Der Österreichische Behindertenrat
                                         Nationale Aktionsplan Behinderung       arbeitet intensiv in den einzelnen
    Auch in der behindertenpoliti-       2012–2020 aus. 270 Maßnahmen            Teams mit. Zu diesem Zweck wurden
    schen Arbeit brauchen wir mehr       zur Umsetzung der UN-Konvention         Arbeitsgruppen zu den jeweiligen
    Zeit, um uns abzustimmen. Das        über die Rechte von Menschen mit        Themen eingerichtet, die umfassende
    sollten das Parlament und die        Behinderungen (UN-BRK) in Öster-        Ziele, Maßnahmen und Indikatoren
    Landtage unbedingt berück-           reich sollten mit Ende seiner Funkti-   zur Überprüfung der Zielerreichung
    sichtigen. Es fehlen da wie dort     onsdauer umgesetzt sein. Der Öster-     erarbeiten. Die Ergebnisse aus den
    angemessene Zeiträume für die        reichische Behindertenrat setzte sich   Arbeitsgruppen dienen den Teams der
    Begutachtung von Gesetzes-           erfolgreich für eine Fortführung des    Bundesministerien als Grundlage.
    entwürfen und Initiativen. Somit     NAP Behinderung ein. Wir sind in
    fehlt Partizipation bei der Ent-     Österreich noch weit von der Umset-     An der Erarbeitung des neuen NAP
    stehung von Gesetzen.                zung der UN-BRK entfernt.               wollen sich auch - anders als bei
    Vielleicht ist das auch gar nicht                                            seinem Vorgänger - die Bundeslän-
    erwünscht. Der NÖ Landtag            Sowohl zum gesamten Prozess als         der beteiligen. Dazu wurden Teams
    hat jüngst Partizipation von         auch zu seiner Wirksamkeit wurde        in jedem Bundesland gegründet.
    vornherein ausgeschlossen.           vom Sozialministerium eine Studie
    Mittels Initiativantrag wurde das    in Auftrag gegeben, deren Ergeb-        Der neue Nationale Aktionsplan soll
    Niederösterreichische Sozial-        nisse mit Ende 2019 erwartet und in     ambitioniert sein, es geht um die
    hilfe-Ausführungsgesetz ohne         den nachfolgenden NAP 2021–2030         nächsten 10 Jahre. Der Österreichi-
    Begutachtung beschlossen.            einfließen werden. Die Pläne des        sche Behindertenrat wünscht sich,
    Die Möglichkeiten, die das           Ministeriums dazu lassen auf ein        dass dieser Prozess weiterhin auf
    Sozialhilfe-Grundsatzgesetz für      gutes Ergebnis hoffen. Menschen mit     gleicher Augenhöhe und transparent
    Menschen mit Behinderungen           Behinderungen und deren Organisa-       fortgeführt wird. Das Ergebnis muss
    vorsieht, wurden nicht genutzt       tionen werden diesmal partizipativ      ein Umsetzungsplan sein, der so
    und folglich die Anliegen von        einbezogen. In jedem Ressort soll       mutig und visionär ist, dass
    Menschen mit Behinderungen           jeweils für den eigenen Zuständig-      Menschen mit Behinderungen in
    nicht berücksichtigt.               keitsbereich zumindest ein Team         Österreich im Jahr 2030 selbst-
    *   g.sprengseis@behindertenrat.at   mit internen und externen Ex-           bestimmt an der Gesellschaft teil-
                                         pert*innen eingerichtet werden.         haben können. 

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Monat - Inklusiver Arbeitsmarkt Öffentlicher Raum - Die Zeitschrift - Österreichischer Behindertenrat
Aus dem Inhalt                                                                                                                   Ausgabe 2/2019

Editorial Herbert Pichler            3

Aktivitäten des Behindertenrates     6

Für einen inklusiven Arbeitsmarkt 8

Ability Management der Caritas       10

Ethik und Künstliche Intelligenz 12

Mit den ÖBB barrierefrei
nach Italien                         16

Öffentlicher Raum - barrierefrei?! 18

Kinder mit Behinderungen             24

Das ganze Jahr im Einsatz            26

25 Jahre "Club behinderter
Menschen und Freunde"                28
                                            Foto: Weiland/Böhringer Ingelheim/Gesellschaftsbilder.de                             Foto: Lukas Ilgner

                                          B                                                            W
 Liebe Leserin, lieber Leser!                   ernhard Bruckner beschreibt,                                   elche Barrieren gibt es im
 Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim              wie das Strategiepapier für                                    öffentlichen Raum in Wien
 Lesen des neuen Heftes und freuen              einen inklusiven Arbeitsmarkt in                               für Menschen mit Behin-
 uns über Ihre Rückmeldung an:            einem partizipativen Prozess ent-                            derungen? Emil Benesch hat dazu
 presse@behindertenrat.at                 stand und zu welchen Ergebnissen die                         einen ‚Walkshop‘ konzipiert und

 monat
                                          Beteiligten kamen.                                           eine Gruppe durch Wien geführt.

     Gefördert aus den Mitteln des                                          Seiten 8 bis 9                                 Seiten 18 bis 19
     Sozialministeriums

IMPRESSUM: Medieninhaber: Österreichischer Behindertenrat · Herausgeber: Herbert Pichler · Redaktion:
Gabriele Sprengseis (gs) - Heidemarie Egger (he) · Adresse: 1100 Wien, Favoritenstraße 111/11, Tel.: 01 513
1533, Mail: presse@behindertenrat.at · Website: www.behindertenrat.at · Offenlegung nach dem Mediengesetz:
www.behindertenrat.at/impressum · Gestaltung, Anzeigenverkauf, Layout und Druck: Die Medienmacher GmbH ·
8151 Hitzendorf · Filiale: 4800 Attnang-Puchhheim, 07674 62 900, www.diemedienmacher.co.at · Cover: Lukas Ilgner ·
Nachdruck nur nach ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung der Redaktion gestattet. · Nicht alle Artikel entsprechen
unbedingt der Meinung der Redaktion. Wir haben das Ziel, eine möglichst breite Diskussionsbasis für behindertenpolitische
Themen und Standpunkte zu schaffen und die Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderungen zu erhöhen. · Bankverbindung:
easybank, IBAN: AT85 1420 0200 1093 0600, BIC: EASYATW1 DVR 08 67594 · ZVR-Zahl: 413797266 · Erscheinungsort Wien.

                                                                                                              www.behindertenrat.at             5
Monat - Inklusiver Arbeitsmarkt Öffentlicher Raum - Die Zeitschrift - Österreichischer Behindertenrat
Behindertenrat                                                                                  Ausgabe 2/2019

Dokumentation ‚Kinder der Utopie‘
I  n Kooperation mit dem Österrei-
   chischen Behindertenrat und mit
freundlicher Unterstützung durch
                                        Schon einmal hat Regisseur Hubertus
                                        Siegert die Mädchen und Jungen
                                        porträtiert: sein Film Klassenleben
das Top Kino brachte Down Syndrom       (2005) erzählt von einer Berliner
Österreich die deutsche Dokumenta-      Grundschulklasse, in der Kinder mit
tion 'Kinder der Utopie' nach Wien.     und ohne Behinderungen und mit
Down Syndrom Österreich lud am          sehr unterschiedlichen Begabungen
15. Mai 2019 zu einem spannenden        gemeinsam lernten – damals noch
Kinoabend mit anschließendem            außergewöhnlicher als heute. Nun
(kurzen) Publikumsgespräch.             begegnen sie sich wieder und blicken
                                        auf ihr eigenes Leben und auf das
Der Dokumentarfilm handelt von          der anderen. Sie sind entschlossen,
sechs jungen Erwachsenen, drei mit      ihre Zukunft anzupacken und sind
und drei ohne Behinderung, die sich     dabei voller Träume und Zweifel und
zwölf Jahre nach ihrer Grundschul-      voller Respekt miteinander. (he)
zeit wiedertreffen.                     www.diekinderderutopie.de 

Christina Wurzinger
U   nsere Kollegin Christina Wurz-
    inger ist aus der Karenz zurück
und wird sich wieder voller Elan für
                                        der UN-Behindertenrechtskonvention
                                        steht im Mittelpunkt ihrer Arbeit.
                                        „Ich freue mich sehr, wieder dabei
Selbstbestimmung und Teilhabe von       zu sein“, meint die Kollegin. „Ins-
Frauen und Männern mit Behinde-         besondere in Hinblick auf die kom-
rungen einsetzen.                       mende Staatenprüfung Österreichs
Als Juristin und Menschenrechtsex-      zur Umsetzung der Behinderten-
pertin widmet sie sich vor allem der    rechtskonvention, aber auch gesamt-
Arbeit im europäischen und inter-       politisch gesehen, stehen uns span-
nationalen Kontext. Die Umsetzung       nende Zeiten bevor.“ (he)                                     Foto: Egger

Kommunikator*innen Konferenz
B  ereits zum dritten Mal lud Heidemarie Egger die Ver-
   antwortlichen für die Kommunikation aller Mitglieds-
organisationen des Behindertenrates zur Konferenz ein.
Dieser Austausch findet halbjährlich statt, dabei werden
meist drei spezifische Themen aufbereitet und auch
genügend Zeit zur Vernetzung eingeplant. Am 8. Mai
2019 wurde über geschlechtergerechte Sprache, Multi
-Channel Kampagnen und mit Franz-Joseph Huainigg
über die aktuellen Projekte des ORF gesprochen. (he)       Mehr als 20 Kommunikator*innen		   Foto: Emil Benesch

6        www.behindertenrat.at
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Pressekonferenzen                                                                                             Ausgabe 2/2019

Pflegegeld wird ab 2020 valorisiert!
Pressegespräch am 24. Juni 2019

D
      ie Betreuung pflegebedürftiger
      Menschen ist und wird in kom-
      menden Jahrzehnten aufgrund
der demografischen Entwicklung zu
einer zunehmenden Herausforde-
rung werden. Derzeit beziehen in
Österreich etwa 450.000 Menschen
Pflegegeld. Der Großteil der Pflege
wird von den Angehörigen der pflege-    Svoboda, Meinhard-Schiebel, Hofer und Pichler 		          Foto: Behindertenanwaltschaft

bedürftigen Menschen erbracht.
                                        unmittelbar verbunden sind auch         anpassung. Diese langjährige
Die Interessengemeinschaft pflegen-     Maßnahmen zur Verbesserung der          Forderung wurde nun im freien Spiel
der Angehöriger, der Österreichische    Situation pflegender Angehöriger.       der Kräfte umgesetzt.
Behindertenrat, der KoBV und der                                                Der Österreichische Behindertenrat
Behindertenanwalt erheben Forde-        Am Tag nach dem gemeinsamen             ist erfreut darüber, aber gibt auch
rungen, die der Bereitstellung quali-   Pressegespräch einigten sich die        zu bedenken, dass der über die 26
tätsvoller, an den Interessen der       fünf Parlamentsparteien auf die         Jahre angefallene Wertverlust von
pflegebedürftigen Menschen orien-       jährliche Valorisierung des Pflege-     ca. 30 Prozent damit nicht ausge-
tierter Betreuung dienen. Damit         geldes ab 2020 analog zur Pensions-     glichen wurde. (he)

Pressekonferenz in Kärnten
Vize-Präsidentin Eva Leutner am Podium
                                          Auszug aus der Presseaussendung

R  und 700 chronisch psychisch
   kranke Personen leben in Kärnten
in sogenannten „Zentren für psycho-
                                        Verständnis von Unterstützung für
                                        ein gelingendes Leben mit Behin-
                                        derungen. Schon der Name 'ZPSR
soziale Rehabilitation“ (ZPSR). In      – Zentren für psychosoziale Rehabi-
einer gemeinsamen Pressekonferenz       litation' ist ein Etikettenschwindel.
von Volksanwalt Kräuter, Betroffe-      Den betreibenden Organisationen
nenvertreter Mahler und Kärntner        werden nicht die nötigen Ressourcen
Anwältin für Menschen mit Behin-        zur Verfügung gestellt, um die Auf-
derung Scheiflinger setzte sich         gabe der Rehabilitation zu erfüllen“,
Eva Leutner, Vize-Präsidentin des       so Eva Leutner.
Österreichischen Behindertenrates
und Geschäftsführerin von Pro Mente     Sie ergänzt: „Wir fordern schon         Vizepräsidentin Eva Leutner       Foto: PRIVAT
Kärnten, für einen strukturierten       lange die gleichen Rahmenbeding-
Prozess zur Auflösung der Ungleich-     ungen, wie sie für alle anderen         werden. Es ist an der Zeit, dass das
behandlung ein.                         Organisationen der Behindertenhilfe     Land Kärnten die nötigen Gelder da-
                                        gelten. Die Leistungen der ZPSR müs-    für budgetiert und einen strukturier-
„Die Situation in Kärnten entspricht    sen dafür in das Kärntner Chancen-      ten Prozess startet, um die Ungleich-
nicht mehr einem modernen               gleichheitsgesetz aufgenommen           behandlung aufzulösen.“ 

                                                                                       www.behindertenrat.at                7
Monat - Inklusiver Arbeitsmarkt Öffentlicher Raum - Die Zeitschrift - Österreichischer Behindertenrat
Arbeit

Frauen mit Behinderungen sind besonders von Arbeitslosigkeit betroffen            Foto: Andi Weiland|Boehringer Ingelheim, Gesellschaftsbilder.de

Für einen inklusiven Arbeitsmarkt
Gemeinsames Strategiepapier entwickelt			                                                                   Von Bernhard Bruckner

M
       enschen mit Behinderungen          Arbeitslosigkeit sinkt, steigt sie           Aktuelle Herausforderung:
       sind in einem hohen Ausmaß         unter Menschen mit Behinderungen             Arbeitsmarktchancen-Modell
       vom Arbeitsmarkt und damit         seit Beginn des Jahres 2019 wieder.          Seit 2019 werden die Arbeitsmarkt-
einem zentralen Aspekt der gesell-        Darüber hinaus sind nur 55,90 %              chancen der Kund*innen des AMS
schaftlichen Teilhabe ausgenommen.        der Menschen mit Behinderungen im            von einem Computerprogramm er-
Im Zeitraum von 2007 bis 2017 ist         erwerbsfähigen Alter erwerbstätig            rechnet. Je nach Wahrscheinlichkeit
die Arbeitslosenquote von Menschen        beziehungsweise arbeitssuchend.              der Arbeitsmarktintegration werden
mit Behinderungen um 139,22 %             Bei Menschen ohne Behinderungen              die Kund*innen in die Segmente
gestiegen und befindet sich damit         sind es hingegen 77,10 %.                    „Hoch“, „Mittel“ und „Niedrig“
gegenwärtig am höchsten Stand seit                                                     eingeteilt. Wieviele Geldmittel für
deren statistischer Erfassung.            Besonders drastisch ist die Situation        die Arbeitsmarktintegration der
                                          für jene 23.500 Menschen, denen              Kund*innen vom AMS bereitgestellt
Wie die aktuellen Arbeitsmarktzahlen      Arbeitsunfähigkeit attestiert wurde.         werden, hängt davon ab, in welchem
zeigen, profitieren Menschen mit          Sie sind damit ihr ganzes Leben vom          Segment die Person eingestuft ist.
Behinderungen auch nicht vom              allgemeinen Arbeitsmarkt und somit           Nur im mittleren Segment stehen
derzeitigen Wirtschaftsaufschwung.        von jeglicher beruflicher Teilhabe           den Kund*innen alle Maßnahmen
Während die allgemeine                    ausgeschlossen.                              offen, bei Kund*innen im niedrigen

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Monat - Inklusiver Arbeitsmarkt Öffentlicher Raum - Die Zeitschrift - Österreichischer Behindertenrat
Ausgabe 2/2019

und hohen Segment dagegen ist           Aufbau des Papiers                          Arbeitsmöglichkeiten für Männer
die Palette der Fördermöglichkeiten     Zuerst werden die Ausgangslage und          und Frauen mit Behinderungen
stark eingeschränkt. Dies führt dazu,   die Verpflichtungen aus der UN-Kon-         bereitstellen.
dass Menschen mit gesundheitlichen      vention über die Rechte von Men-        •   Vereinheitlichung des Behinde-
Einschränkungen, die zu 74 % dem        schen mit Behinderungen (UN-BRK)            rungsbegriffs in allen einschlä-
Segment „Niedrig“ angehören,            erläutert. Danach werden einzelne           gigen Gesetzen im Sinne der
oftmals nicht die erforderliche Un-     Leitprinzipien der UN-BRK (Inklusion,       UN-BRK (menschenrechtsbasier-
terstützungsleistung vom AMS            Selbstbestimmt Leben, De-Institu-           ter Ansatz) und Einrichtung von
erhalten und ihnen damit die Auf-       tionalisierung und gemeindenahe             ganzheitlichen, evidenzbasierten
nahme einer Beschäftigung zusätz-       Unterstützung, usw.) analysiert.            und multidisziplinären Begut-
lich erschwert wird.                    Daran anschließend wird festgehal-          achtungsprozessen.
                                        ten, welcher konkrete Handlungs-        •   Starten eines Prozesses, der zum
Entwicklungsprozess der                 bedarf sich daraus für Bund, Länder         Ziel hat, dass die Personen, die
strategischen Vorschläge                und Gemeinden ergibt.                       in Werkstätten beschäftigt sind,
Der Österreichische Behindertenrat,     Zuletzt werden die vom Staat zu             kollektivvertraglich entlohnt und
der Dachverband Selbstbestimmt          schaffenden notwendigen Rahmen-             in der Sozialversicherung voll
Leben Österreich – SLIÖ, der Dach-      bedingungen nach Lebensphasen               versichert werden.
verband berufliche Integration          gegliedert (von der Geburt bis zur      •   Ergreifung von bewusstseins-
Austria – dabei-austria, die Behin-     Pension) und genau dargelegt.               bildenden Maßnahmen um in
dertenanwaltschaft und andere                                                       der Gesellschaft den Fokus auf
Behindertenorganisationen schlossen     Wesentliche Maßnahmen                       die Fähigkeiten und Potenziale
sich im Sommer 2018 zusammen.           •   Ausrichtung der politischen             von Menschen mit Behinderungen
In einem gemeinsamen partizipati-           Strategien und Maßnahmen auf            zu legen.
ven Prozess wurden über mehrere             die Teilhabe aller Menschen mit
Monate hinweg Vorschläge für einen          Behinderungen an einem inklu-       NAP 2021-2030
inklusiven Arbeitsmarkt erarbeitet.         siven Arbeitsmarkt.                 Vor Kurzem ist der Startschuss für die
Ziel war es, die Kernpunkte einer       •   Einräumen eines Rechtsanspruchs     Erstellung des Nationalen Aktions-
inklusiven österreichischen Arbeits-        auf die notwendigen Unterstüt-      plans Behinderung (NAP) 2021 bis
marktpolitik zu definieren und diese        zungsleistungen, welche die         2030 gefallen. Die Vorschläge aus
abgestimmt zu lobbyieren. Diese             Ausübung einer existenz-            dem Papier sollten dabei von poli-
erarbeiteten Vorschläge sollen allen        sichernden Arbeit am allgemeinen    tischen Entscheidungsträger*innen
Menschen mit Behinderungen die              Arbeitsmarkt ermöglichen.           als Orientierung für die Erstellung
Möglichkeit geben, zu arbeiten und      •   Beseitigung der Möglichkeit         des NAP, dessen Ziel die Umsetzung
damit Erwerbseinkommen zu erzielen          Menschen mit Behinderungen          der UN-BRK ist, verwendet werden. 
bzw. Pensionsansprüche zu erwerben.         am Übergang von Schule und
Neu daran war, dass es zu einer             Beruf „Arbeitsunfähigkeit“
verbandsübergreifenden Einigung             zu attestieren.
zwischen Interessenvertretungen         •   Ausbau von positiven (unter          Download Strategiepapier
von Menschen mit Behinderungen,             anderem auch finanziellen)           www.behindertenrat.at/
Selbstvertreter*innen und Dienst-           Anreizen für Betriebe, die quali-    arbeitsmarkt
leistungsorganisationen kam.                tätsvolle, inklusive
                                                                                                                           Anzeige

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Arbeit

Ability Management der Caritas
Menschen mit Behinderungen im Pflegeberuf			                                                             Von Victoria Doppler

W
         enn Pflege und Behinderung gemeinsam in                    welchen Rahmenbedingungen schaff- und machbar ist.
         einem Satz genannt werden, denkt man unmit-                Kurz darauf hatte die Pflege Wien ihren ersten Sozialbe-
         telbar an Pflegemaßnahmen. Neue Betten, neue               gleiter, der einen Rollstuhl nutzt. Das hat etwas verän-
technologische Errungenschaften, Pflegeroboter und                  dert bei den Kolleginnen und Kollegen, aber auch mit
Digitalisierung kommen in den Sinn. An Arbeiten mit                 den Bewohnerinnen und Bewohnern des Pflegewohn-
Behinderungen in der Pflege denkt man zuletzt, weswegen             hauses. In der Zwischenzeit ist der Kollege drei Jahre
der folgende Artikel neue und innovative Beschäfti-                 bei der Caritas und wird dafür wertgeschätzt, dass er ein
gungsmöglichkeiten vorstellt.                                       großes Verständnis für die Situation der Bewohnerinnen
                                                                    und Bewohner hat und sich auch nicht stressen lässt. Es
Als die Caritas Pflege die Stelle des Ability Managements           geht nicht immer alles so schnell. Muss es auch nicht.
im Jahr 2016 schuf, dachten viele, die Beschäftigung
von Menschen mit Behinderungen sei in diesem Bereich                Heute, drei Jahre später, können sich die Menschen in der
überhaupt nicht möglich. Wenn dann nur sehr einge-                  Caritas Pflege schon viel mehr vorstellen. Die Bedenken
schränkt. Als selbst behinderte Ability Managerin wollte            gegenüber Menschen mit Behinderungen in Pflegeberufen
ich das so nicht glauben. Ich führte Gespräche und                  sind – wenn auch nicht ganz – so doch weitgehend
erkundigte mich bei Mitarbeiter*innen und Führungs-                 verschwunden. Das liegt vor allem daran, dass wir neue
kräften danach, was sie sich vorstellen können und was              Sachen einfach ausprobieren und nicht mehr von vorn-
sie glaubten, das nicht gehe. „Ein Rollstuhlfahrer in der           herein sagen, dass der Job mit einer Behinderung nicht
Pflege, das geht sicher nicht!“, war etwas, das ich immer           machbar sei.
wieder hörte. Schon damals war ich der Meinung, dass es
für jede*n in jeder Branche Möglichkeiten gibt. Die rich-           Im Caritas Ausbildungszentrum Seegasse wurden im
tige Person für den richtigen Job und den richtigen Job             September 2018 gehörlose Menschen in die Ausbildung
für die richtige Person auszuwählen, das ist der sprin-             zur Diplomierten Sozialbetreuung Familienarbeit aufge-
gende Punkt. Und vor allem fragen, was für sie unter                nommen. In dieser Ausbildung ist auch ein Pflege-
                                                                    assistenz-Abschluss inkludiert. Die Bereitschaft inner-
                                                                    halb der Pflegewohnhäuser Praktikumsplätze anzubie-
                                                                    ten, war immens und jeder freute sich darauf, mit den
                                                                    Praktikant*innen zusammen zu arbeiten. Die Rückmel-
                                                                    dungen waren äußerst positiv. Damit auch alle Kollegin-
                                                                    nen und Kollegen gut vorbereitet waren, wurden Work-
                                                                    shops durchgeführt, die grundlegende Informationen
                                                                    vermittelten. Parallel zum Start der Praktika wurde auch
                                                                    ein Gebärdensprachkurs angeboten, an dem seit Beginn
                                                                    15 Kolleginnen und Kollegen teilnehmen.

                                                                    Auch an diesem Beispiel lässt sich gut zeigen, was und
                                                                    wie sich Dinge verändern. Selbst wenn es bei Kollegin-
                                                                    nen und Kollegen anfängliche Unsicherheiten gibt. „Wie
                                                                    unterhalte ich mich denn mit den Praktikant*innen?“,
                                                                    „Was passiert, wenn jemand stürzt?“, sind Fragen, die
                                                                    sich gestellt haben. Nach den Praktika ist jetzt klar, dass
                                                                    es funktioniert, selbst wenn man keine Gebärdensprache
                                                                    kann. Manche Gebärden schnappt man schnell zwischen-
                                                                    durch auf, ansonsten unterhält man sich mit Händen
Victoria Doppler und die Praktikant*innen     Alle Fotos: Caritas   und Füßen. Am besten finde ich die Rückmeldungen, die

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Ausgabe 2/2019

Lehrlinge der Caritas auf der PowerParade 2018               Perspektivenworkshop

ich während und nach den Praktika erhalten habe:             Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit Behinderungen
Wie spannend es sei, dass auch ganz schwierige               wissen, dass sie unterstützt werden. Aber nicht auf
Bewohner*innen auf einmal ganz anders reagieren. Wie         mitleidvolle Art und Weise, sondern unter Berücksich-
auffallend es sei, dass die gehörlosen Praktikant*innen      tigung dessen, was nicht mehr möglich ist und einer
genau wissen, wie und wo sie zugreifen können und            finanziellen Aufrechnung dieser Einschränkung durch
sollen. Und auch, dass sie auf Dinge reagieren, die hinter   finanzielle Unterstützung. Die Führungskräfte kommen
ihrem Rücken am anderen Ende des Raumes passieren.           hier ihrer erhöhten Fürsorgepflicht nach. Die Teamkol-
Sogar, dass die Pausen und Teamsitzungen ruhiger ab-         leginnen und –kollegen kommen nicht in die Situation,
laufen, die Menschen mehr auf sich und ihre Kolleginnen      etwas ein- oder nacharbeiten zu müssen. Es stehen
und Kollegen achten.                                         ausreichend Ressourcen zur Verfügung, um diese Arbeit
                                                             jemand anderem zu übergeben.
Auch für diejenigen, die tatsächlich nicht mehr so
können, wie sie gerne wollen, gibt es Möglichkeiten in       Diese Best Practices zeigen, dass Vieles machbar ist.
der Pflege. Hauptsächlich ältere, aber auch jüngere          Hauptsächlich dann, wenn sich jemand findet, der bereit
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit chronischen Er-         ist, etwas Neues auszuprobieren und seine eigenen
krankungen, oder jene, die Behinderungen erst während        Annahmen über Bord werfen kann. Die Art und Weise
ihrer Arbeit erworben haben, werden in der Zwischenzeit      Menschen nach ihren Fähigkeiten zu beurteilen, aber
besser unterstützt. Sie haben auch keine Bedenken, sich      auch an Dinge zu glauben, die sich außerhalb der eigenen
mit ihren Einschränkungen an ihre Führungskräfte oder        Erfahrung bewegen, sind die notwendigen Schritte, die
das Ability Management zu wenden. Mithilfe von Entgelt-      es für inklusive Arbeitswelten braucht! 
und Arbeitsplatzsicherungsbeihilfen können Arbeitsplätze
an die individuellen Behinderungen angepasst oder gege-
benenfalls neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
Nicht mehr die Einschränkungen stehen im Vordergrund,         Kontakt
sondern die weiterhin bestehenden Möglichkeiten. In           Mag.a Victoria Doppler, MSc
diesen Fällen werden Ability-Vereinbarungen getroffen,        Ability Management, Caritas Pflege
in denen die jeweils individuell erarbeiteten Rahmen-         Caritas der Erzdiözese Wien
bedingungen festgehalten werden. Diese bieten sowohl          victoria.doppler@caritas-wien.at
Mitarbeiter*innen als auch Führungskräften Sicherheit.

                                                                                        www.behindertenrat.at       11
Arbeit

Was bringt die Zukunft?
Ethik, Künstliche Intelligenz (KI) und Arbeiten 4.0                                            Von Gabriele Sprengseis

W
        as wir arbeiten, wie wir arbeiten und wo wir        Intelligenz sind auf die Entwicklungen beim maschinel-
        arbeiten wird schon in wenigen Jahren völlig an-    len Lernen, der Sammlung von sehr großen Datenmengen
        ders sein als heute. Digitalisierung und Entwick-   und die enorme Zunahme der Rechenkapazitäten zurück
lung neuer Technologien sowie von KI-Systemen führen        zu führen. Maschinen leiten aus gesammelten, histori-
zu einem massiven Wandel in der Gesellschaft insgesamt      schen Daten mittlerweile mühelos Prognosen ab. Dabei
und in der Arbeitswelt im Besonderen. Künstliche In-        werden Modellierungstechniken, die „neuronale
telligenz wird menschliche Arbeitsleistungen ersetzen       Netze“ des menschlichen Gehirns zum Vor-
und verändern, aber auch neue Arbeitswelten eröffnen.       bild haben, herangezogen.
Arbeiten wird großteils losgelöst von Raum und Zeit sein
und die Übergänge von Arbeitszeit und Freizeit werden       KI als Chance
(noch) fließender sein, als es heute schon der Fall ist.    Mit Hilfe von Künstlicher Intel-
                                                            ligenz sollen bessere Voraus-
Von Arbeit 1.0 bis zu Arbeit 4.0                            sagen gemacht, Empfehlun-
Seit Anfang dieses Jahrhunderts wird über Arbeit 4.0        gen abgegeben oder auch
gesprochen, die an die Industrie 4.0 angelehnt ist.         Entscheidungen getroffen
Industrie 4.0 meint eine hochautomatisierte und ver-        werden. KI wird dadurch zu
netzte industrielle Produktion. Bei Arbeit 4.0 geht es um   einem wesentlichen Faktor,
den Prozess der Arbeit aus der Perspektive der Men-         um Produktivität zu stei-
schen. Unter Arbeit 1.0 ist die beginnende Industrie-       gern und Lebensqualität
gesellschaft Ende des 18. Jahrhunderts gemeint, wo die      zu erhöhen. Die Chancen
Produktionsweisen mechanisiert wurden und die Arbei-        steigen, Lösungen für kom-
terschaft begann sich zu organisieren. Massenproduktion     plexe Probleme zu finden.
und die Anfänge des Wohlfahrtsstaates am Ende des 19.       Insofern gibt es ein sehr
Jahrhunderts sind die Kennzeichen von Arbeit 2.0, der       großes Interesse der Wirt-
Ausbau des Sozialstaates und der Arbeitnehmer*innen-        schaft und Industrie, diese
rechte in der sozialen Marktwirtschaft sind die Merkmale    Entwicklungen weiter voran zu
von Arbeit 3.0.                                             treiben.

Nun geht es bei Arbeiten 4.0 um Flexibilisierung und        Umgeben von KI
Gewinnmaximierung. Die Möglichkeiten der Überwachung        KI-Systeme sind bereits fixer Bestand-
nehmen stark zu und Beschäftigungsmodelle ändern sich       teil unseres Lebens. Es gibt selbstfahren-
massiv. Crowdworking aber auch die Plattformökonomie        de Busse und Autos, KI-Systeme entscheiden
stellen das Arbeitsrecht vor neue Herausforderungen.        über Kreditanträge oder wirken bei Personalent-
                                                            scheidungen mit, sie übersetzen Texte oder erkennen
Wie können ALLE teilhaben?                                  Gesichter in sozialen Netzwerken. Sie wissen besser als
Menschen mit Behinderungen sind davon bedroht, an           wir, warum wir was kaufen und was wir uns wünschen. In
Arbeit 4.0 nicht teilhaben zu können. Vielen fehlen die     vielen Produkten und Dienstleistungen sind KI-Systeme
finanziellen Mittel, digitale Kompetenzen wurden ihnen      bereits integriert.
nie vermittelt oder die Produkte und Dienstleistungen
sind nicht barrierefrei. Dabei könnten moderne Techno-      Eine Frage der Ethik
logien die Teilnahme am Arbeitsleben für Menschen mit       Angesichts dieser Entwicklungen müssen neue Ethik-
Behinderungen selbstverständlich machen.                    und Gerechtigkeitsfragen gestellt werden. Menschen-
                                                            rechte und demokratische Werte müssen auch für KI
Prognosen aus voreingenommener Daten                        Gültigkeit haben. Es besteht ein hohes Risiko, dass
Die rasanten Fortschritte im Bereich der Künstlichen        verzerrte Wahrnehmungen aus der analogen Welt in die

12       www.behindertenrat.at
Ausgabe 2/2019

digitale Welt übertragen werden. Die hohe Komplexität       Gefahr der Algorithmen
der Systeme ist ebenso eine Herausforderung. Deshalb        Entscheidungen, die auf KI-Systemen beruhen, dürfen
muss die Nutzung von KI transparent sein und die Ergeb-     nicht zu Diskriminierung führen. Derzeit ist die Gefahr
nisse überprüfbar und kontrollierbar sein. Die großen       groß, dass Algorithmen Diskriminierungen übernehmen.
Datenmengen, die die KI benötigt, brauchen ein hohes        Beispielsweise bergen automatisierte Screenings bei der
Maß an Datenschutz. Auch die Privatsphäre muss beson-       Personalauswahl und -einstellung besondere Gefahren
ders geschützt werden. Die Kontrolle über die Daten soll    für Menschen mit Behinderungen in der Arbeitswelt.
bei den Bürger*innen bleiben. Sie dürfen nicht dafür        Algorithmen sind verzerrt, weil sie aus „voreingenom-
verwendet werden, zu schädigen oder zu diskriminieren.      menen“ Trainingsdaten lernen, sie reproduzieren diese
                                                            Diskriminierungen. Viele neue Technologien erfordern
         Keine Sonderlösungen                               einen Zugriff auf personenbezogene Daten, oftmals auch
             Das Europäische Behindertenforum (EDF)         auf sensible Informationen. Die Gewährleistung der
                hat Risiken und Chancen der neuen           Privatsphäre und Sicherheit der Benutzer*innen ist von
                   Technologien dargestellt. Dazu wurde     zentraler Bedeutung. Für Menschen mit Behinderungen
                      eine Onlinebefragung gemacht,         ist das digitale Umfeld besonders riskant, allzu leicht
                        sowie Expert*innen-Gespräche        sind sie auch Ziele für Cyber-Kriminalität. Auf sensible
                         geführt. Daraus wurde ge-          personenbezogene Daten muss besonders geachtet
                           schlossen, dass die Zugäng-      werden, Datenschutz und Datensicherheit müssen
                            lichkeit und die Benutzer-      gewährleistet sein.
                             freundlichkeit für Menschen
                              mit Behinderungen wesent-     Digitale Kompetenz
                               lich sind. Deshalb muss      Für Menschen mit Behinderungen müssen umfassende
                               einem universellen Design    strukturelle Rahmenbedingungen geschaffen werden,
                                Priorität eingeräumt        sodass auch sie in vollem Umfang Zugang zur Arbeitswelt
                                werden. Menschen mit        4.0 haben. Viele Menschen mit Behinderungen können
                               Behinderungen brauchen       den, mit der immer schnelleren Entwicklung von Techno-
                               keine speziellen Lösungen,   logien einhergehenden, (in großem Maße finanziellen)
                              die selbstverständliche       Aufwand nicht stemmen.
                             Zugänglichkeit muss mög-       Es braucht Fort- und Weiterbildung sowie digitale
                            lich sein. Die Interopera-      Kompetenzentwicklung, damit Menschen mit Behinde-
                           bilität und die Standardi-       rungen nicht zum Schlusslicht in der sich wandelnden
                         sierung sind ebenso zentral.       Gesellschaft werden, sondern Männer und Frauen mit
                       Nur wenn verschiedene Systeme        Behinderungen eine Selbstverständlichkeit in der
                     nahtlos zusammenarbeiten, sind         modernen Arbeitswelt sind. 
                  sie tatsächlich verwendbar und die
               Hilfstechnologien sind dann tatsächlich
            eine Unterstützung.

'Spielregeln' für KI                                         Downloads
Die Expert*innengruppe zu KI (High Level Expert Group        EDF 2019: PLUG AND PRAY? Eine Behindertenperspek-
AI) der Europäischen Kommission erarbeitete 7 Vorausset-     tive auf künstliche Intelligenz, automatisierte Ent-
zungen für eine vertrauenswürdige künstliche Intelligenz:    scheidungsfindung und neue Technologien
• Vorrang menschlichen Handelns und                          www.edf-feph.org/sites/default/files/
    menschlicher Aufsicht                                    edf-emerging-tech-report-accessible.pdf
• Robustheit und Sicherheit
• Privatsphäre und Datenqualitätsmanagement                  Europäische Kommission, High-Level Expert Group on
• Vielfalt, Nichtdiskriminierung und Fairness                AI 2019: Ethics Guidelines for Trustworthy AI
    (darin ist Barrierefreiheit enthalten)                   ec.europa.eu/commission/news/
• Gesellschaftliches und ökologisches Wohlergehen            artificial-intelligence-2019-apr-08_de
• Rechenschaftspflicht für die Systeme und Ergebnisse

                                                                                       www.behindertenrat.at       13
Arbeit                                                                                                               Ausgabe 2/2019

Für ein Recht auf bezahlte Arbeit
Lebenshilfe Aktionen fordern: "Gehalt statt Taschengeld"                                                Von Eudora Loitsch

Menschen mit Behinderungen protestieren gemeinsam					                                         Alle Fotos: Antina Zlatkova / Lebenshilfe

A
      m 5. Mai ist der europäische Protesttag für die
      Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen.
      Die Lebenshilfe gestaltet ihn als Tag der Inklusion.
Zu diesem Anlass und unter dem Motto „Gehalt statt
Taschengeld“ fanden im Zeitraum von 30. April bis 3. Mai
Aktionen in ganz Österreich statt. Menschen mit intel-
lektuellen Behinderungen forderten sowohl auf Lan-
desebene als auch bei der abschließenden Aktion auf
Bundesebene ihre Rechte ein.

Was bedeutet „Gehalt statt Taschengeld“?
Es soll einen Werkstattlohn als Gehalt mit sozialversi-
cherungsrechtlichen Ansprüchen oder einen Lohn am            Wir wollen Gehalt statt Taschengeld!
Arbeitsmarkt geben. Es kann auch eine Grundabsiche-
rung für alle geben, die nicht in einer Werkstatt arbeiten   formuliert, das Politikerinnen und Politikern überreicht
können. Eine ausführliche Liste der Forderungen der          wurde. Das Papier gibt es auch in Leicht Lesen.
Selbstvertreterinnen und Selbstvertreter wurde online
veröffentlicht (siehe Infobox).                              Unterstütze auch du die Aktion!
                                                             Du kannst ganz leicht die Forderung „Gehalt statt
Wichtig ist, dass Menschen mit intellektuellen Behin-        Taschengeld“ unterstützen, indem du die online-Petition
derungen nicht wie Kinder behandelt werden. Sie sind         unterzeichnest und teilst: mein.aufstehn.at/petitions/
erwachsene Bürgerinnen und Bürger Österreichs!               gehalt-statt-taschengeld-1 
Sie wollen und können ihre Rechte und Pflichten
wahrnehmen.
                                                               Lebenshilfe Österreich
Die Lebenshilfe hat für diesen Anlass ein Dialogpapier         www.lebenshilfe.at/aktion-gehalt
mit politischen Forderungen zu inklusiver Arbeit

14       www.behindertenrat.at
Monitoringausschuss                                                                                                   Ausgabe 2/2019

Barrieren, die Teilhabe verhindern
Erste öffentliche Sitzung des Salzburger Monitoring-Ausschuss
                                                                                                            Von Hannah Wahl

R
      und 70 Personen mit und ohne
      Behinderungen kamen am
      25. April 2019 in den Unipark
Nonntal. Bei der Veranstaltung
stellte sich der 2017 gegründete
Salzburger-Monitoring-Ausschuss
erstmals persönlich vor. Sieben
Hauptmitglieder und sechs Ersatzmit-
glieder überwachen und überprüfen
in ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit
die Umsetzung der UN-Konvention
über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen auf Landesebene.
Die zuständige Geschäftsstelle – das      Publikum: 70 Menschen mit und ohne Behinderungen       Foto: Hanna Wahl / Monitoringausschuss
Referat für Frauen, Diversität und
Chancengleichheit des Landes –            mitleidigen Blicken konfrontiert und     Freizeitlocations wie Kinos. Eine
führt die laufenden Geschäfte des         als „Sozialfälle“ abgestempelt. Diese    wichtige Forderung ist für viele
Ausschusses.                              tief verwurzelten Vorurteile und         Teilnehmer*innen jene nach persön-
                                          Stereotype stellen soziale Barrieren     licher Assistenz. Betont wird dabei,
Unabhängige Lebensführung                 dar, die Menschen mit Behinderun-        dass die Assistenznehmer*innen
Eines der Prinzipien der Konvention       gen an den Rand der Gesellschaft         wirklich selbst bestimmen können
sei Barrierefreiheit, so Karin Ast-       drängen. Landeshauptmann-Stell-          müssen, wann, wo und wie sie in
egger, Vorsitzende des Salzburger         vertreter Heinrich Schellhorn sieht      ihren Lebensbereichen unterstützt
Monitoring-Ausschusses. „Sie ist die      als Landespolitiker eine besondere       werden wollen.
Voraussetzung für unabhängige             Aufgabe, auch Barrieren im Bereich
Lebensführung sowie gleichberech-         der Politik abzubauen, um die Teilhabe   Hauptziel erreicht
tigte Teilhabe in der Gesellschaft.       von Menschen mit Behinderungen zu        Der Salzburger Monitoringausschuss
Daher war es uns wichtig, in der          gewährleisten. „Barrierefreiheit ist     zeigt sich über die rege Beteiligung
ersten öffentlichen Sitzung mit den       eine Einstellung – keine Checkliste!“,   an der ersten öffentlichen Sitzung
konkreten Erfahrungen und Anliegen        betont Christine Steger, Vorsitzende     erfreut: „Unser Hauptziel für die
zu diesem breiten und grundlegenden       des Bundes-Monitoring-Ausschusses        Veranstaltung war der direkte
Themenbereich in Kontakt zu kom-          und erklärt weiter: „Erst wenn wir       Kontakt mit Problemstellungen und
men und in unsere künftige Arbeit         beginnen, barrierefrei zu denken,        Anliegen aus der Bevölkerung. Über
aufzunehmen.“ Es sind nicht nur phy-      können die Hindernisse in der Welt in    die Diskussionen im World-Café
sische Barrieren, wie zu enge, nicht      allen Dimensionen wirklich beseitigt     ist das sehr gut gelungen und wir
rollstuhlgerechte Toiletten oder Stufen   werden.“                                 haben wichtige Arbeitsaufträge
vor Geschäften und Lokalen, die                                                    für uns mitgenommen.“ erläutert
Menschen behindern. Auch schwere          Ergebnisse der World-Cafés               Astegger. Die, in der öffentlichen
Sprache kann eine Barriere darstel-       In World-Cafés diskutieren die Teil-     Sitzung unter der Partizipation von
len. Bürgermeister-Stellvertreterin       nehmer*innen angeregt. Im Kontext        Menschen mit und ohne Behinderun-
Anja Hagenauer weist auf die große        der Barrieren im Bildungsbereich         gen erarbeiteten Ergebnisse, werden
Herausforderung hin, die Barrieren in     wird das System der Sonderschulen        in den neuen Landesaktionsplan des
den Köpfen der Menschen abzubau-          kritisiert. Eine junge Teilnehmerin      Landes Salzburg zur Umsetzung der
en. Viele Menschen mit Behinderun-        verweist auch auf den Mangel an          Rechte von Menschen mit Behinde-
gen werden in ihrem Alltag mit            barrierefreien Toiletten in              rungen aufgenommen. 

                                                                                             www.behindertenrat.at                15
Öffentlicher Verkehr

Test der neuen Türsignaltöne bei einem Railjet							 Foto: ÖBB / Katharina Stögmüller

Mit den ÖBB barrierefrei nach Italien
Menschen mit Behinderungen entwickeln neue Züge mit                                             Von Emil Benesch

E
    nde 2022 wird eine neue Generation von Zügen           Bereitschaft zu grundlegenden Überarbeitungen erster
    nach Italien unterwegs sein. Die künftigen Tag- und    eigener Planungen gezeigt und damit Bereitschaft für
    Nachtzüge werden derzeit in Zusammenarbeit mit         die Schaffung größtmöglicher Barrierefreiheit bei der
den ÖBB, Siemens und dem Österreichischen Behinder-        Gestaltung der neuen Züge signalisiert. Dadurch konnte
tenrat entwickelt. Besonderes Augenmerk wird darauf        der PRM – Persons with Reduced Mobility – Bereich für
gelegt, dass die Züge barrierefrei werden.                 Personen mit Gehbehinderungen im Tagzug neu gestaltet
                                                           und im Nachtzug vergrößert werden.
Als größter Mobilitätsanbieter des Landes sind den ÖBB
Menschen mit Behinderungen sehr wichtig. Daher wurde       Arbeitsgruppe des Behindertenrates
bei den Railjets und Nightjets der neuen Generation viel   In zahlreichen weiteren Arbeitssitzungen wurde seither
Wert auf das Thema Barrierefreiheit gelegt. So wird etwa   mit Expert*innen mit Behinderungen, der Arbeitsgruppe
durch den erstmaligen Einsatz von Niederflurwagen im       des Österreichischen Behindertenrates, gemeinsam da-
Fernverkehr bei den ÖBB ein barrierefreier Einstieg für    ran gearbeitet, Barrieren möglichst gar nicht entstehen
alle möglich.                                              zu lassen. „Menschen sind nicht behindert, sie werden
                                                           behindert. Darum ist es wichtig, Menschen mit Behinde-
ÖBB und Hersteller Siemens haben darüber hinaus auf        rungen frühestmöglich, kontinuierlich und auf Augenhöhe
Ersuchen des Österreichischen Behindertenrates             in Planungsprozesse einzubeziehen. Dann werden die

16       www.behindertenrat.at
Ausgabe 2/2019

gemeinsam entwickelten Produkte und Dienstleistungen
für alle gut nutzbar sein,“ so Emil Benesch, Leiter der
Arbeitsgruppe des Österreichischen Behindertenrates.

Verbesserungen wurden umgesetzt
In die Entwicklung der neuen Fernverkehrszüge flossen
bei zehn Arbeitstreffen die verschiedensten Sichtweisen
ein. Nutzer*innen von Rollstühlen setzten sich dafür
ein, dass sie nicht in abgesonderten Bereichen reisen,
sondern Plätze mit der gleichen Ausstattung wie alle
anderen Reisenden auch – etwa mit Tisch und Leselampe
– vorfinden. Menschen mit Sehbehinderungen erinnerten
an die Notwendigkeit der Annäherbarkeit an Monitore
und Schriftzüge, um Texte lesen zu können. Blinde Men-
schen ihrerseits benötigen taktile Informationen und
Auffindetöne im Türbereich zur Orientierung. Alles was         Test: Sitzplatzreservierungsanzeige    Foto: ÖBB / Katharina Stögmüller
akustisch gesagt wird, soll an einem Bildschirm zu lesen
sein, fordern gehörlose Personen. Personen mit psychi-
schen Beeinträchtigungen wiederum benötigen ruhige
Bereiche und Rückzugsmöglichkeiten, da Gedränge Stress
auslösen kann.

In der Zusammenarbeit wurden wichtige Erkenntnisse
gewonnen, die nun bei der Konzeption und Konstruktion
der neuen Züge berücksichtigt werden. Bei 17 von
18 Themenkomplexen werden ÖBB und Siemens nach
Anmerkungen der Arbeitsgruppe des Österreichischen
Behindertenrates Verbesserungen umsetzen.

Möglichst barrierefrei reisen
„Unser Ziel ist, Reisen mit der Bahn möglichst barriere-
frei zu gestalten, denn davon profitieren alle. Für 10 % ist
Barrierefreiheit essentiell, für 40 % notwendig, aber für      Im Austausch mit ÖBB Techniker*innen                  Foto: Emil Bensch
100 % komfortabel. Dank der konstruktiven und wert-
schätzenden Zusammenarbeit mit dem Österreichischen
Behindertenrat setzen wir mit diesen Zügen neue Maß-
stäbe“, so Kurt Bauer, Leiter Fernverkehr der ÖBB-Perso-
nenverkehr AG.

Erfolg für beide Seiten
„Die Zusammenarbeit des Österreichischen Behinderten-
rates mit den ÖBB zur Barrierefreiheit ihrer Angebote
intensiviert sich immer mehr und ist für beide Seiten ein
Erfolg“, freut sich Emil Benesch. Die Wertschätzung für
inklusive Planungsprozesse zur Sicherung weitestgehender
Barrierefreiheit lohnt sich.

Die Expertise von Menschen mit Behinderungen wird bei
den ÖBB immer häufiger von Anfang an einbezogen und
Teil der langfristigen und strategischen Planung.             Arbeitsgruppe begutachtet Pläne		                     Foto: Emil Bensch

                                                                                             www.behindertenrat.at               17
Barrierefreiheit

Öffentlicher Raum - barrierefrei?!
Ein 'Walkshop' führt durch Wien						                                                                        Von Emil Benesch

                                                                                          unmittelbarer Nähe des Leitsystems.
                                                                                          Wenn vorhandene Strukturen zur
                                                                                          taktilen Orientierung nicht zur Ver-
                                                                                          fügung stehen und als Ersatz taktile
                                                                                          Leitsysteme vorgesehen werden, ist
                                                                                          zu beachten: Sie müssen am richtigen
                                                                                          Ort, mit langlebigen Materialien
                                                                                          gebaut und in Folge kontinuierlich
                                                                                          gewartet werden. Es ist sicherzu-
                                                                                          stellen, dass taktile Leitsysteme
                                                                                          zusammenhängend geplant werden
                                                                                          und bleiben.

Start des 'Walkshops' in der Mariahilfer Straße		              Alle Fotos: Lukas Ilgner   Menschen mit Gehbehinderungen
                                                                                          profitieren vom Umbau der Maria-

D
     er Einladung zum Erfahrungs-       Planung des Umbaus der Mariahilfer                hilfer Straße zur Begegnungs- und
     austausch über Planungs- und       Straße: „Vorhandene Orientierungs-                Fußgängerzone durch die weitge-
     Umsetzungsprozesse folgten         möglichkeiten wie Hausmauern, Brüs-               hend niveaugleiche Bodenoberfläche,
am 17. Mai 2019 um die 25 Teilneh-      tungen, Geländer, Rasensteinkanten                den zusätzlichen Raum für Fuss-
mer*innen. Auf Initiative und Einla-    und ähnliches sowie ausreichend gut               gänger*innen und den Wegfall von
dung des Österreichischen Behinder-     ertastbare Randsteinkanten stehen                 Stufen im öffentlichen Raum.
tenrates und des Forums Öffentlicher    für uns blinde Menschen an erster                 Angelika Parfuss vom ÖZIV Bundes-
Raum der Stadt Wien wurde der           Stelle. Erst wenn vorhandene Struk-               verband präsentierte eine Studie zur
‚Walkshop‘ veranstaltet.                turen nicht zur Orientierung nutzbar              Barrierefreiheit von Geschäftslokalen
                                        oder vorhanden sind, sprechen wir                 für Menschen mit Gehbehinderungen.
Die Frage nach der Barrierefreiheit     uns für die Einrichtung eines takti-              In der Mariahilfer Straße gibt es
des öffentlichen Raumes wurde aus       len Leitsystems aus“. Andrea Wahl,                71,5 % stufenlose Eingänge. Im
der jeweils ganz spezifischen Sicht     Mobilitätstrainerin für Menschen mit              Schnitt ist in Wiener Einkaufsstraßen
unterschiedlicher Nutzer*innen – wie    Sehbehinderungen, ergänzte, dass                  nur knapp jedes zweite Geschäfts-
blinden Menschen, Mobilitätstrai-       Menschen mit Sehbehinderungen                     lokal ohne Stufe zu erreichen.
ner*innen, Mobilitätstrainer*innen      auch akustische und visuelle Leitlinien
in Ausbildung, Menschen mit Seh-        nutzen und dies schon bei Planungen               Warten und Hoffen
behinderungen und Nutzer*innen          zu berücksichtigen wäre.                          Von der Mariahilfer Straße führte der
von mechanischen und E-Rollstühlen                                                        Walkshop per U3 in die Herrengasse.
– diskutiert.                           Aufgrund von Ausräumungen von                     Diesmal hatte Martin Belja Glück. Er
                                        Pflanztrögen oder Sitzgelegenheiten               musste mit seinem E- Rollstuhl nicht
Erste Wahl: Hausmauern und              durch Geschäftsinhaber entlang der                45 Minuten warten bis eine U-Bahn,
Gehsteigkanten                          Gebäude wurde in der Mariahilfer                  die über eine ausfahrende Trittstufe
In der Begegnungs- und Fußgänger-       Straße ein taktiles Leitsystem pro-               verfügt und das Einsteigen mit Roll-
zone Mariahilfer Straße berichtete      fessionell geplant und verlegt. In der            stuhl ermöglicht, in die Station ein-
Wolfgang Kremser vom Verein Blick-      Praxis zeigen sich bei Errichtung und             fährt. Da vom Verkehrsunternehmen
kontakt über die damalige Einbin-       Nutzung eines taktilen Leitsystems                nicht vorab informiert wird, wann ein
dung als Leiter des Verkehrsgremiums    jedoch einige Hürden und Heraus-                  barrierefreier U-Bahnzug zu erwarten
der Sehbehinderten- und Blindenor-      forderungen, wie etwa abgestellte                 ist, müssen Nutzer*innen von
ganisationen der Ostregion bei der      Gegenstände oder Hindernisse in                   Rollstühlen warten und hoffen.

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Ausgabe 2/2019

Neue Haltestellen: nicht barrierefrei!   Ausräumungen verhindern Orientierung     Leitsysteme freihalten!

Ein Vertreter der Wiener Linien ver-     mit Mobilitätseinschränkungen hat        Außenlautsprecher zur Linie und zum
spricht, sich der Frage anzunehmen.      der Umbau die Nutzung erleichtert.       Fahrziel gibt es nur sehr selten. In
                                         Ganz anders ist die Erfahrung blinder    der Doppelhaltestelle als zweiter Zug
„Begegnungszone“                         Menschen. „Wir haben aufgrund der        haltende Garnituren fahren oftmals
Herrengasse                              Ausräumungen von Pflanztrögen            an der ersten Position durch, obwohl
Der Weg in die Herrengasse führt         und Schani-Gärten weder die Mög-         dort Menschen mit Behinderungen
uns über den Minoritenplatz. Wir         lichkeit zur Orientierung entlang der    warten. Menschen mit Sehbehin-
treffen auf großflächig verlegtes        Hausmauern, noch steht ein taktiles      derungen können die Anzeige am
Großsteinpflaster. Für Nutzer*innen      Leitsystem zur Verfügung. Ein taktiles   neuen Display nicht richtig lesen, sie
von Rollstühlen eine Tortur und Bar-     Leitsystem war geplant, wurde aber       spiegelt zu sehr.
riere. Martin Belja: „Da spürst jede     nicht gebaut,“ erinnert Wolfgang
Unebenheit in den Bandscheiben“.         Kremser. Der Übergang vom Gehweg         Angebot: Gemeinsam
Blinde Menschen wiederum haben           zur Fahrbahn ist für blinde Menschen     Barrieren vermeiden!
beim Gehen über den Platz keine          taktil nicht ertastbar. Kommunikation    Zum Abschluss macht Emil Benesch
Struktur, um sich orientieren zu kön-    über Blickkontakt mit anderen            den Vertreter*innen von Stadt Wien
nen. „Ein glatter, linearer Streifen,    Verkehrsteilnehmer*innen, wie in         und Wiener Linien ein Angebot zur
aus größeren Steinen, an Stelle der      einer Begegnungszone üblich und          verstärkten Zusammenarbeit: „Bei
groben Pflastersteine verlegt, wäre      erwartet, ist für blinde Menschen        frühzeitiger, kontinuierlicher Ein-
eine Steigerung der Barrierefreiheit     nicht möglich. Die Begegnungszone        bindung auf Augenhöhe können wir
für Nutzer*innen von Rollstühlen und     Herrengasse ist somit für sie keine      entscheidend dazu beitragen,
blinde Menschen gleichermaßen“,          Zone der Begegnung, sondern eine         Barrieren zu vermeiden und den
schlägt Peter Noflatscher vom ÖZIV       Zone des Kontrollverlusts, der           öffentlichen Raum barrierefrei für alle
als Lösung vor.                          Orientierungslosigkeit und Gefahr.       zu machen.“ 

Geplant, aber nicht gebaut               Station Burgtheater
In der Herrengasse angekommen,           Der Walkshop endete bei einer neu
präsentiert sich der Gruppe die          gestalteten Doppelhaltestelle für
neu geschaffene Begegnungszone.          Straßenbahnen. Blinde Menschen             Weitere Informationen
Weniger Verkehrstafeln und weniger       fragen sich: Welche Straßenbahn-           finden Sie hier:
parkende Autos als früher prägen         linie wird als Nächste einfahren? Sie      www.behindertenrat.at/
das Bild. Fahrbahn und Gehsteig          können die Anzeige nicht lesen und         2019/05/walkshop/
sind niveaugleich. Für Menschen          Durchsagen des Fahrpersonals über

                                                                                          www.behindertenrat.at       19
Projekte                                                                                                        Ausgabe 2/2019

Der Verkehrsgarten im Überblick									                                                                Alle Fotos: Jugend am Werk

Inklusiver Verkehrsgarten
Kooperation von JaW und Landespolizeidirektion Wien                                                Von Jürgen Bamberg

                                                               Schülerinnen und Schülern zur Verfügung, unterstützend
                                                               sind Menschen mit Lernschwierigkeiten und Behinderung
                                                               aus der Tagesstruktur im Verkehrsgarten tätig. Insge-
                                                               samt 5 Personen mit Lernschwierigkeiten werden im
                                                               Verkehrsgarten bei der Helm- und Radausgabe, bei der
                                                               Ampelanlage und bei der Stopptafel sowie gemeinsam
                                                               mit der Polizei auch begleitend am Fahrrad unterstützen.

                                                               Unter dem Projekttitel „Gemeinsam.Sicher“ können so
                                                               Menschen mit und ohne Behinderung zusammenkom-
                                                               men, voneinander lernen und Menschen mit Lern-
                                                               schwierigkeiten in der Rolle als Wissensvermittlerinnen
Feierliche Eröffnung mit u.a. Michael Takacs (Leiter Landes-   und –vermittler aktiv werden. Eine Rolle, die ihnen
verkehrsabteilung Wien) und Bezirksvorsteher Gerald Bischof    oftmals innerhalb der Gesellschaft abgesprochen wird.

B
      islang gibt es in Wien zum Thema Verkehrssicher-         Im Sommer werden im Rahmen des Wiener Ferienspiels
      heit entweder Kurse für Kinder sowie Schülerinnen        die ersten Kurse stattfinden. Bei Interesse können Sie
      und Schüler oder Kurse für Menschen mit Lern-            direkt die Tagesstruktur Elisenstraße unter 01 888 42 21
schwierigkeiten und Behinderung. Im Rahmen einer Ko-           kontaktieren. 
operation haben die Organisation Jugend am Werk und
die Verkehrsabteilung der Landespolizeidirektion Wien
nun einen neuen Verkehrserziehungsgarten in Wien-
Liesing umgesetzt.

In einem Verkehrsgarten der Polizei können Kinder auf
dem Übungsplatz das korrekte Verhalten im Straßen-
verkehr trainieren und auch für die freiwillige Radfahr-
prüfung üben. Die Verkehrserziehung ist zudem fixer
Bestandteil des Sachunterrichts in der Volksschule.

Der Übungsplatz am Gelände der Tagesstruktur von               Menschen mit Lernschwierigkeiten helfen den Schüler*innen
Jugend am Werk in der Elisenstraße steht ab sofort             bei den ersten Übungen

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Projekte                                                                                                       Ausgabe 2/2019

Huainiggs erfolgreiche ORF-Projekte
Lehrstellen und ein ziemlich bestes Team			                                                        Von Heidemarie Egger

                                                                                     Bei der zweiten ORF Aktion „Ziemlich
                                                                                     bestes Team“ werden im Rahmen der
                                                                                     Sendung „Konkret“ (ORF 2, freitags
                                                                                     18:30-19:00) sechs arbeitsuchende
                                                                                     Menschen mit Behinderungen auf
                                                                                     ihrem Weg ein halbes Jahr lang
                                                                                     begleitet. Dabei werden in regel-
                                                                                     mäßigen siebenminütigen Beiträgen
                                                                                     die Erlebnisse dokumentiert.

                                                                                     Der ORF möchte durch die Doku-
                                                                                     mentationsreihe Potentiale von
                                                                                     Menschen mit Behinderungen in den
                                                                                     Vordergrund rücken und dadurch
                                                                                     das vielfältige Leben mit Behin-
                                                                                     derungen in das Bewusstsein der
                                                                                     Österreicher*innen bringen.
Die Tirolerin Magdalena im Radiointerview				                    Foto: Hitradio Ö3
                                                                                     Als langjähriger Experte zum Thema

A
      uf zwei erfolgreich gestartete    hat viele erreicht: In nur 14 Tagen          Behinderung schafft es Franz-Joseph
      Projekte und mit weiteren         boten Österreichische Betriebe über          Huainigg, dass der ORF abseits der
      Ideen blickt der ehemalige        die Ö3-Homepage 145 neue Lehrstel-           vielfach strapazierten Helden- und
Nationalratsabgeordnete Franz-Jo-       len an. Vermittelt werden die Lehr-          Opferbilder kommuniziert. Der klare
seph Huainigg auf das erste halbe       stellen vom AMS in Kooperation mit           und respektvolle Blick auf das Leben
Jahr seiner Tätigkeit im Humanitarian   NEBA (Netzwerk Berufliche Assistenz)         mit Behinderungen steht im Vorder-
Broadcasting des ORF zurück.            des Sozialministeriumservice.                grund der Berichterstattung. 

Radio Ö3 berichtete in einer Presse-
aussendung vom Ö3-Aktionstag am
2. Mai. Zum Start der Aktion stellte
Ö3-Moderator Philipp Hansa einen
Tag lang Jugendliche mit Behin-
derungen vor, die eine Lehrstelle
suchen. Sie sprachen über Ziele und
Wünsche und was sie auf dem Weg
in ein selbstständiges Leben wirklich
behindert. Denn für Jugendliche
mit Behinderung ist es eine echte
Herausforderung, eine Lehrstelle zu
finden. Die 16-jährige Magdalena aus
Mils brachte es live auf Ö3 auf den
Punkt: „Mir geht’s auf die Nerven,
dass man mir einfach nichts zutraut.
Ich sitze im Rollstuhl, aber trotzdem
kann ich was leisten!“ Ihre Botschaft   Franz-Joseph Huainigg besucht das Ö3 Studio 			                        Foto: Hitradio Ö3

                                                                                            www.behindertenrat.at          21
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