Monatsbericht des BMF Dezember 2018 - Bundesfinanzministerium
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Editorial Editorial Monatsbericht des BMF Dezember 2018 bilden die Grundlage dafür, dass in den kommenden Monaten mit den konkreten Arbeiten zur Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus begon- nen werden kann. Die Einigung, mit der auch die im Juni in Meseberg von Deutschland und Frankreich vorgeschlagenen Schritte umgesetzt werden, wäre ohne die enge Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern nicht zustande gekommen. Olaf Scholz hat mit seinem französischen Kollegen Bruno LeMaire intensiv an den gemeinsamen Vorschlägen gearbei- tet. Wichtige Fortschritte gibt es auch bei der Besteu- erung der Digitalwirtschaft: Olaf Scholz und Bruno LeMaire haben einen gemeinsamen Plan vorgelegt, der die unterschiedlichen Positionen der EU-Staa- Liebe Leserinnen, liebe Leser, ten zusammenführt. Sie haben darüber hinaus eine deutsch-französische Initiative zur Einführung ei- das Bundesverfassungsgericht hat im April ent- ner Finanztransaktionsteuer auf europäischer schieden, dass die Grundsteuer geändert werden Ebene eingebracht. muss. Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat nun seine Überlegungen für diese Reform vorgestellt, In der Dezember-Ausgabe des Monatsberichts darf die Millionen Bürgerinnen und Bürger betrifft. Er ein Hinweis natürlich nicht fehlen: Auch in die- stellt zwei Varianten zur Diskussion, mit denen die sem Jahr setzt das Bundesministerium der Finanzen Grundsteuer für die Gemeinden als wichtige Ein- durch die Herausgabe einer Weihnachtsbriefmarke nahmequelle auf dem heutigen Niveau gesichert ein starkes Zeichen für das Ehrenamt in unserem werden kann und zusätzliche Kosten für Eigentü- Land. Es folgt damit einer fast fünf Jahrzehnte alten merinnen und Eigentümer möglichst vermieden Tradition. Mit Ihrer Spende beim Briefmarkenkauf werden sollen. Beide Lösungen sollen weniger büro- unterstützen Sie den gesellschaftlichen Zusammen- kratisch als die bisherige Regelung ausgestaltet wer- halt. Die Weihnachts-Sondermarke 2018 mit dem den und den Verwaltungsaufwand begrenzen. Die „Pluszeichen“ kostet einen Euro, davon kommen Vorschläge werden jetzt mit den Ländern diskutiert, 30 Cent gemeinnützigen Projekten zugute. um eine Neuregelung rechtzeitig bis Ende 2019 ge- setzlich umzusetzen. Ich wünsche Ihnen frohe Festtage und einen guten Start in das neue Jahr. Gute Nachrichten auch aus Europa. Nach monate- langen Diskussionen haben sich die Finanzministe- rinnen und Finanzminister der Europäischen Union auf wesentliche Elemente zur Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion geeinigt. Die Beschlüsse sind ein wichtiger Schritt, um die Wäh- Wolfgang Schmidt rungsunion stabiler und krisenfester zu machen. Sie Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen 3
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Analysen und Berichte____________________________________________7 Die Reform der Regulierung von zentralen Clearingstellen in der EU (EMIR 2)_____________________________ 8 Der Effekt der kalten Progression bei der Einkommensteuer_____________________________________________ 11 Stiftungskonferenz der Stiftung „Geld und Währung“____________________________________________________ 17 Fachkonferenz „Zukunft der Datenökonomie“___________________________________________________________ 21 Neue Dienstkleidung für den deutschen Zoll_____________________________________________________________ 24 Zehn Jahre Partnerschaft Deutschland – vom Start-up zum Inhouse-Berater_____________________________ 27 Aktuelle Wirtschafts- und Finanzlage____________________________33 Überblick zur aktuellen Lage_____________________________________________________________________________ 34 Konjunkturentwicklung aus finanzpolitischer Sicht______________________________________________________ 35 Steuereinnahmen im November 2018____________________________________________________________________ 42 Entwicklung des Bundeshaushalts bis einschließlich November 2018____________________________________ 46 Entwicklung der Länderhaushalte bis einschließlich Oktober 2018_______________________________________ 51 Finanzmärkte und Kreditaufnahme des Bundes__________________________________________________________ 54 Europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik_____________________________________________________________ 61 Aktuelles aus dem BMF__________________________________________67 Termine_________________________________________________________________________________________________ 68 Publikationen___________________________________________________________________________________________ 69 Hinweise auf Ausschreibungen__________________________________________________________________________ 70 Statistiken und Dokumentationen_______________________________73 Übersichten zur finanzwirtschaftlichen Entwicklung____________________________________________________ 74 Übersichten zur Entwicklung der Länderhaushalte_______________________________________________________ 75 Gesamtwirtschaftliches Produktionspotenzial und Konjunkturkomponenten des Bundes________________ 75 Kennzahlen zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung____________________________________________________ 76 Verzeichnis der Berichte_________________________________________77 Verzeichnis der Berichte im Monatsbericht des BMF 2018________________________________________________ 78
Analysen und Berichte Analysen und Berichte Die Reform der Regulierung von zentralen Clearingstellen in der EU (EMIR 2) 8 Der Effekt der kalten Progression bei der Einkommensteuer 11 Stiftungskonferenz der Stiftung „Geld und Währung“ 17 Fachkonferenz „Zukunft der Datenökonomie“ 21 Neue Dienstkleidung für den deutschen Zoll 24 Zehn Jahre Partnerschaft Deutschland – vom Start-up zum Inhouse-Berater 27
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Dezember 2018 Die Reform der Regulierung von zentralen Clearingstellen in der EU (EMIR 2) ●● Auf den globalen Zins- und Kreditderivatemärkten ist die Verrechnung (sogenanntes Clearing) von außerbörslichen Derivatekontrakten über zentrale Clearingstellen (sogenannte Central Counterparties – CCPs) infolge internationaler Regulierung deutlich angestiegen. ●● Diese Derivate sind für die Funktionsfähigkeit und Stabilität der Finanzmärkte der Europä ischen Union (EU) besonders relevant. Das Clearing von außerbörslichen Zins- und Kreditderi- vaten erfolgt überwiegend im Vereinigten Königreich. Mit dem Brexit fällt diese Tätigkeit nicht mehr unter EU-Aufsichtsrecht und wird der Kontrolle durch die EU-Behörden entzogen. ●● Die Europäische Kommission hat vor diesem Hintergrund einen Vorschlag für eine Verordnung vorgelegt, mit dem die Aufsicht über CCPs verbessert werden soll (EMIR 2). Der Vorschlag wird derzeit auf EU-Ebene verhandelt. Die Antwort der G20 auf die Zentrale Clearingstellen Krise des außerbörslichen oder auch Gegenparteien (Central Counter- Derivatehandels parties – CCPs) sind Unternehmen, die zwi- schen Verkäufer und Käufer von Finanz- Die G20 hat als Antwort auf die globale Finanz- produkten treten. Auf diese Weise wird das marktkrise im Jahr 2009 eine Reform des außer- Kontrahentenrisiko, also das Risiko des Aus- börslichen Derivatehandels beschlossen. Denn der falls eines Käufers oder des Verkäufers, für außerbörsliche Derivatehandel hat erheblich zur die Vertragsparteien eliminiert und auf die Verbreitung und Vertiefung der Krise am globa- CCP übertragen. Seit 2012 sind europäische len Finanzmarkt beigetragen. Wesentliche Ursa- Marktteilnehmer aufgrund der Europäischen che hierfür war der unzureichende Umgang mit Marktinfrastrukturverordnung (European Ausfallrisiken durch die Marktteilnehmer. Zen Market Infrastructure Regulation – EMIR) traler Bestandteil der Reform war deshalb die For- verpflichtet, außerbörsliche (Over the Coun- derung, dass standardisierte Derivatekontrakte ter – OTC) Derivatekontrakte, die einer De- künftig über zentrale Clearingstellen, kurz CCPs rivatekategorie im Sinne der EMIR zuge- verrechnet werden müssen. CCPs übernehmen im ordnet werden können, über eine Zentrale Rahmen der Verrechnung, des Clearings der Deri- Gegenpartei zu clearen. CCPs zählen ne- vatekontrakte das Ausfallrisiko der Vertragspart- ben Transaktionsregistern, Zentralverwah- ner. Auf diese Weise werden Ausfallrisiken bei CCPs rern, Wertpapierabwicklungssystemen und konzentriert und durch Aufrechnung gegenläufi- Zahlungssystemen zu den Finanzmarktinfra- ger Positionen sowie durch strenge Anforderungen strukturen. Deren Aufgabe ist es, eine effizi- an das Risikomanagement reduziert. ente und sichere Abwicklung von Zahlungs- strömen zu gewährleisten. 8
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Die Reform der Regulierung von zentralen Clearingstellen in der EU (EMIR 2) Dezember 2018 Die Umsetzung der G20- ●● Im Bereich der OTC-Kreditderivate erfolgte Beschlüsse in der EU (EMIR- im Zeitraum von 2010 bis 2016 ein Anstieg des Verordnung) CCP-Clearings von unter 10 % auf rund 40 %. Analysen und Berichte Die EU hat die G20-Beschlüsse im Wesentlichen Das Clearing von außerbörslichen Zins- und Kre- durch die im Jahr 2012 in Kraft getretene EU-Deri- ditderivaten, das für die Funktionsfähigkeit und die vateverordnung (European Markets Infrastructure Stabilität der EU-Finanzmärkte von großer Bedeu- Regulation, EMIR) umgesetzt. EMIR sieht vor, dass tung ist, erfolgt überwiegend im Vereinigten Kö- bestimmte außerbörsliche Zins- und Kreditderivate nigreich. Durch das voraussichtliche Ausscheiden durch CCPs verrechnet werden, die in der EU zuge- des Vereinigten Königreichs aus der EU im Zuge des lassen oder – wenn sie ihren Sitz außerhalb der EU Brexits findet diese Tätigkeit künftig vornehmlich haben – anerkannt sind. In der EU zugelassene CCPs außerhalb der EU-27 statt. unterliegen strengen Anforderungen an das Risiko- management und werden von den zuständigen Be- hörden der Mitgliedstaaten beaufsichtigt. CCPs mit Die Reform der Regulierung Sitz außerhalb der EU können von der Europäischen von Drittstaaten-CCPs Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) anerkannt werden, nachdem die Europäische Kom- Die Europäische Kommission hat vor diesem Hin- mission festgestellt hat, dass der Rechts- und Auf- tergrund einen Vorschlag für eine Verordnung zur sichtsrahmen in dem Drittstaat, in dem die CCP ih- Verbesserung der Aufsicht über CCPs (kurz EMIR 2) ren Sitz hat, mit EMIR gleichwertig ist (sogenanntes vorgelegt. Der Vorschlag sieht in Bezug auf CCPs mit Äquivalenzregime). Die ESMA hat seit dem Jahr 2012 Sitz außerhalb der EU-27 eine Differenzierung zwi- über 30 CCPs aus über einem Dutzend Drittstaaten schen nicht systemrelevanten (sogenannten Tier-1) anerkannt. Die Aufsicht über diese CCPs wird jeweils und systemrelevanten (sogenannten Tier-2) CCPs von der Aufsichtsbehörde desjenigen Drittstaats vor. Das bestehende Äquivalenzregime soll nur für ausgeübt, in dem die jeweilige CCP ihren Sitz hat. nicht systemrelevante Tier-1-CCPs fortgelten. Für systemrelevante Tier-2-CCPs ist dagegen vorgese- hen, dass die wesentlichen EU-Aufsichtsanforderun- Der Brexit als Herausforderung gen gemäß EMIR unmittelbar gelten. Zudem sollen für die CCP-Regulierung in sie direkt durch die ESMA und diejenigen emittie- renden Zentralbanken in der EU beaufsichtigt wer- der EU den, in deren Währung das Clearing erfolgt (für den Euro ist dies die Europäische Zentralbank, EZB). Eine Das Clearing über CCPs ist nach Angaben der Bank Drittstaaten-CCP kann auf Antrag von der Einhal- für Internationalen Zahlungsausgleich in wichti- tung der Aufsichtsanforderungen gemäß EMIR be- gen Marktsegmenten wie den außerbörslichen (so- freit werden, wenn die ESMA feststellt, dass die CCP genanntes Over-the-Counter, OTC) Zins- und Kre- vergleichbaren Anforderungen im Drittstaat unter- ditderivatemärkten in den vergangenen Jahren liegt (sogenannte Comparable Compliance). Die je- erheblich gestiegen (siehe www.bundesfinanzmi- weils betroffenen emittierenden Zentralbanken nisterium.de/mb/20181211, S. 22): sollen über EMIR hinausgehende geldpolitisch be- gründete zusätzliche Anforderungen an die Dritt- ●● Im Bereich der OTC-Zinsderivate ist der An- staaten-CCP stellen können, deren Einhaltung Vo- teil des CCP-Clearings im Zeitraum von 2009 raussetzung für die Anerkennung der CCPs sind. bis 2016 von rund 40 % auf rund 80 % ge- Darüber hinaus ist die Möglichkeit vorgesehen, die stiegen. Verlagerung von Clearing in die EU zu verlangen, 9
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Die Reform der Regulierung von zentralen Clearingstellen in der EU (EMIR 2) Dezember 2018 wenn dies zum Schutz der Finanzstabilität in der EU auf Vorschlag der Europäischen Kommission vom erforderlich ist. Die Entscheidung über die Verlage- Rat und vom Europäischen Parlament ernannt wer- rung soll die Europäische Kommission auf gemein- den soll. Sofern eine Aufsichtsentscheidung in Be- same Empfehlung der ESMA und den betroffenen zug auf eine einzelne CCP getroffen werden soll, soll emittierenden Zentralbanken treffen können. dem Gremium auch ein Vertreter der zuständigen Aufsichtsbehörde der betroffenen CCP als stimmbe- rechtigtes Mitglied angehören. Dem Gremium sol- Die Reform der Regulierung len ferner ein Vertreter der EZB, die Vertreter der von EU-CCPs sonstigen betroffenen emittierenden Zentralbanken sowie ein Vertreter der Europäischen Kommission Der EMIR 2-Vorschlag sieht neben der Überarbei- als nicht stimmberechtigte Mitglieder angehören. tung des Drittstaatenregimes auch eine Reform des bestehenden Regulierungsrahmens für EU-CCPs vor. In Bezug auf EU-CCPs sollen die ESMA und die Ausblick jeweils betroffenen emittierenden Zentralbanken umfangreiche Mitentscheidungsrechte bei Auf- Der Vorschlag der Europäischen Kommission sichtsentscheidungen durch die zuständigen Auf- wurde vom Europäischen Parlament und im Rat sichtsbehörden der Mitgliedstaaten erhalten. von einer Arbeitsgruppe beraten, der Vertreter der Finanzministerien der Mitgliedstaaten angehören. Das Europäische Parlament hat am 16. Mai 2018 ei- Einrichtung eines neuen Auf- nen Bericht zum Vorschlag der Kommission vor- sichtsgremiums bei der ESMA gelegt. Der Rat hat am 3. Dezember 2018 eine All- gemeine Ausrichtung verabschiedet. Dabei hat der Zur Erfüllung der neuen Aufsichtsaufgaben der Rat den Vorschlag der Europäischen Kommission ESMA sowohl im Bereich der Drittstaaten-CCPs als zur Neugestaltung der ESMA-Aufsicht angepasst auch im Bereich der EU-CCPs sieht der Entwurf der und die Befugnisse der EZB stärker konkretisiert als Europäischen Kommission die Einrichtung eines ursprünglich vorgeschlagen. Auf dieser Grundlage neuen Aufsichtsgremiums bei der ESMA vor (CCP- wird nunmehr das Trilogverfahren zwischen Euro- Exekutivausschuss). Das Gremium soll von einem päischer Kommission, Rat und Europäischem Par- unabhängigen Vorsitzenden geleitet werden, der lament durchgeführt. 10
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Dezember 2018 Der Effekt der kalten Progression bei der Einkommensteuer Analysen und Berichte ●● Die Bundesregierung legt alle zwei Jahre einen Bericht über die Wirkung der kalten Progression im Verlauf des Einkommensteuertarifs vor. Entscheidungen über Änderungen im Tarifverlauf obliegen dem Deutschen Bundestag. ●● Der Dritte Steuerprogressionsbericht für die Jahre 2018/2019 rechnet mit einem Effekt der kalten Progression im Umfang von rund 3,3 Mrd. € im Jahr 2018 und 3,8 Mrd. € im Jahr 2019. Ein vollständiger Ausgleich des Effekts der kalten Progression auf tariflicher Ebene kann nur durch eine Verschiebung der Eckwerte des Einkommensteuertarifs im Umfang der Inflationsra- te erreicht werden. ●● Im Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Entlastung von Familien sowie zur Anpassung wei- terer steuerlicher Regelungen (Familienentlastungsgesetz, Bundestagsdrucksache 19/4723) hat die Bundesregierung entsprechende Regelungen vorgeschlagen, die inzwischen vom Bundestag und Bundesrat beschlossen worden sind. Diese beruhten allerdings noch auf den etwas höheren Vorgaben der Frühjahrsprojektion der Bundesregierung. ●● Dadurch fällt die Verschiebung der Eckwerte des Tarifs etwas stärker aus, als zum vollständigen Ausgleich der kalten Progression auf tariflicher Ebene notwendig wäre. Die Bürger werden so zusätzlich um rund 105 Mio. € im Jahr 2019 und 15 Mio. € im Jahr 2020 entlastet. Anlass des Berichts Als kalte Progression wird der Anstieg des durchschnittlichen Der Deutsche Bundestag hat in seiner 172. Sitzung Steuersatzes der Einkommensteuer bezeich- am 29. März 2012 zu dem von ihm verabschiede- net, der auf Lohn- und Gehaltserhöhungen ten Gesetz zum Abbau der kalten Progression (Bun- zurückzuführen ist, die lediglich den Preis- destagsdrucksachen 17/8683, 17/9201) die folgende anstieg (Inflation) ausgleichen. Entschließung angenommen: „Die Bundesregierung wird beauftragt, beginnend Der Erste Steuerprogressionsbericht über die Wir- mit der 18. Legislaturperiode des Deutschen Bun- kung der kalten Progression für die Jahre 2013 destages, alle zwei Jahre jeweils zusammen mit dem bis 2016 wurde im Januar 2015 vorgelegt (verglei- Existenzminimumbericht einen Bericht über die che Erster Steuerprogressionsbericht, Bundestags- Wirkung der kalten Progression im Verlauf des Ein- drucksache 18/3894). Zum Ausgleich der kalten kommensteuertarifs (Steuerprogressionsbericht) Progression der Jahre 2014/2015 wurden daraufhin vorzulegen. Die Entscheidung über Änderungen die Tarifeckwerte des Einkommensteuertarifs 2016 im Tarifverlauf obliegt dem Deutschen Bundestag.“ zusätzlich zum entsprechend den Ergebnissen des Existenzminimumberichts angehobenen Grund- freibetrag um die kumulierte Inflationsrate nach 11
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Der Effekt der kalten Progression bei der Einkommensteuer Dezember 2018 rechts verschoben (vergleiche Gesetz zur Anhe- verteilen, da der Umfang der kalten Progression im bung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, Einzelfall von der Höhe des zu versteuernden Ein- des Kindergelds und des Kinderzuschlags vom kommens und dem damit verbundenen tariflichen 16. Juli 2015, BGBl. I S. 1202). Im Ergebnis wirken Einkommensteuersatz bestimmt wird. Die Berech- die tariflich vorgegebenen Grenzsteuersätze jeweils nungen müssen daher auf der Ebene individueller erst bei entsprechend höheren zu versteuernden Steuerpflichtiger ausgeführt werden. Für Berech- Einkommen. nungen dieser Art haben sich sogenannte Mikro- simulationsmodelle der Einkommensbesteuerung Der Zweite Steuerprogressionsbericht über bewährt. die Wirkung der kalten Progression für die Jahre 2016/2017 wurde im November 2016 vorge- Das zur Quantifizierung der kalten Progression legt (vergleiche Zweiter Steuerprogressionsbericht, verwendete Einkommensteuer-Mikrosimulations- Bundestagsdrucksache 18/10221). Zum Ausgleich modell wurde durch das Fraunhofer-Institut für der kalten Progression der Jahre 2016/2017 wur- angewandte Informationstechnik (FIT) im Rahmen den die Tarifeckwerte der Einkommensteuerta- einer Forschungskooperation mit dem BMF ent- rife 2017/2018 zusätzlich zu den entsprechend den wickelt und wird seit vielen Jahren für die Quan- Ergebnissen des Existenzminimumberichts ange- tifizierung der fiskalischen Auswirkungen von hobenen Grundfreibeträgen jeweils um die Inflati- Steuerrechtsänderungen im Bereich der Einkom- onsrate des Vorjahres nach rechts verschoben (ver- mensteuer verwendet. gleiche Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnah- Grundlage des Modells ist aktuell eine Unter- men gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen stichprobe der anonymisierten 10-Prozent-Stich- vom 20. Dezember 2016, BGBl. I S. 3000). probe der Lohn- und Einkommensteuerstatis- tik des Jahres 2013. Sie umfasst zurzeit mehr als Entsprechend dem Bundestagsbeschluss hat die 940.000 Einzelfälle. Damit ist die Stichprobe re- Bundesregierung inzwischen den Dritten Bericht präsentativ für die Gesamtheit der Lohn- und zur Schätzung der kalten Progression bei der Ein- Einkommensteuerpflichtigen. kommensteuer in den Jahren 2018/2019 vorgelegt (Bundestagsdrucksache 19/5450). Der originäre Datensatz besteht aus etwa 1.000 Merkmalen und wird für eine adäquate pro- grammtechnische Umsetzung in einem komple- Methodisches Vorgehen bei xen Aufbereitungsprogramm auf rund 245 Merk- der Ermittlung der kalten male reduziert. Progression Aufgrund der zeitlichen Verzögerung im Rahmen des Veranlagungsverfahrens und der aufwändigen Verwendung eines Aufbereitung der Einzeldaten durch das Statisti- Mikrosimulationsmodells der sche Bundesamt hat die dem Modell zugrunde lie- Einkommensbesteuerung gende Datenbasis in der Regel ein Alter von fünf bis sechs Jahren. Dies macht eine Anpassung an die Das Gesamtvolumen der kalten Progression hängt seitherige wirtschaftliche und demografische Ent- maßgeblich davon ab, wie sich die Steuerpflichtigen wicklung notwendig. FIT überarbeitet laufend die mit ihrem zu versteuernden Einkommen auf die verwendete Datenbasis und ihre Fortschreibung einzelnen Abschnitte des Einkommensteuertarifs auf spätere Jahre. 12
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Der Effekt der kalten Progression bei der Einkommensteuer Dezember 2018 Neben der jeweils aktuellen verfügbaren Einkom- Einkommenssteigerung in Höhe der Inflationsrate mensteuerstichprobe dienen dazu insbesondere erhalten. Das in den Jahren t und t + 1 zugrunde ge- die Ergebnisse der Steuerschätzungen im Mai und legte Steuerrecht entspricht dem geltenden Steu- Analysen und Berichte im November sowie eine von FIT durchgeführte errecht des jeweiligen Jahres. Simuliert wird somit Vorausschätzung der Kindergeldkinder. Für die die Steuerbelastung der Steuerpflichtigen des Jah- strukturelle Bevölkerungsentwicklung wird auf die res t im Jahre t + 1. jeweils aktuelle Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamts zurückgegriffen. Da- Sofern allerdings zum Ausgleich der kalten Pro- rüber hinaus finden weitere Datenquellen bei der gression des Vorjahres im Jahr t + 1 steuerliche Aktualisierung und Fortschreibung der Datenbasis Maßnahmen vorgenommen wurden, bleiben diese Berücksichtigung, etwa die Entwicklung der Zahl unberücksichtigt. Anderenfalls würde der progres- der Riester-Verträge oder die Rentenstatistik. sionsausgleichende Effekt dieser Maßnahmen dop- pelt Berücksichtigung finden. Das bestehende Einkommensteuergesetz wird in einem Programmcode abgebildet. Unterschiedli- In der Realität werden die Steuerpflichtigen des che historische Stände des jeweils geltenden Rechts Jahres t nicht mit denjenigen des Jahres t + 1 iden- und der zu evaluierenden Gesetzesänderungen tisch sein. Einige Steuerpflichtige werden ausschei- werden insbesondere durch unterschiedliche Para- den (z. B. durch Arbeitslosigkeit, Ruhestand, Tod), meter wiedergegeben. Derzeit sind auf diese Weise andere werden hinzukommen (z. B. Berufsanfän- über 140 Merkmale des Steuerrechts parametri- ger). Diesem Sachverhalt können die Modellsimu- siert. Gesetzesänderungen im Einkommensteuer- lationen nicht Rechnung tragen. bereich werden in die Berechnungsalgorithmen eingearbeitet. Um zu verhindern, dass diese Abweichungen bei Berechnungen über mehrere Jahre kumulieren, Auf Grundlage der Datenbasis und des abgebil- wird die kalte Progression nicht im Vergleich zu deten Rechtsstands kann im Modell die Einkom- einem festen Basisjahr, sondern von Jahr zu Jahr mensteuerschuld jedes einzelnen Steuerpflichti- quantifiziert. Das bedeutet: Die kalte Progression gen berechnet und die aggregierte Gesamtwirkung des Jahres t + 1 wird für die Steuerpflichtigen des möglicher Reformszenarien simuliert werden. Jahres t ermittelt, diejenige des Jahres t + 2 für die Steuerpflichtigen des Jahres t + 1 usw. Aktuell besteht die Möglichkeit, Simulations- rechnungen für die Jahre von 2013 bis 2024 Auf diese Weise wird auch berücksichtigt, dass das vorzunehmen. Einkommen tatsächlich häufig nicht nur um die In- flationsrate steigt, sondern stärker. Indem für jedes Berechnungsjahr die tatsächlichen Einkommen Quantifizierung der Auswirkungen der jeweiligen Steuerpflichtigen als Ausgangsba- der kalten Progression sis genommen werden, wird einer Unterschätzung der Auswirkungen der kalten Progression vorge- Ausgangspunkt für die Quantifizierung der Aus- beugt. Reale Einkommenszuwächse führen zwar wirkung der kalten Progression ist die Gesamt- definitionsgemäß nicht zu kalter Progression, sie heit der Steuerpflichtigen eines bestimmten Jah- haben aber im Zeitablauf Auswirkungen auf die res (t). Für die Modellrechnung wird angenommen, Höhe der in den einzelnen Jahren errechneten kal- dass alle Steuerpflichtigen im Folgejahr (t + 1 ) eine ten Progression. 13
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Der Effekt der kalten Progression bei der Einkommensteuer Dezember 2018 Konkret erfolgt die Berechnung der kalten Progression im Mikrosimulationsmodell wie folgt: Im ersten Schritt werden für jeden Steuerpflichtigen sämtliche Einkünfte (Einnahmen abzüg- lich Betriebsausgaben beziehungsweise Werbungskosten) entsprechend der Preisentwicklung der Konsumausgaben der privaten Haushalte erhöht. Eine Besonderheit bildet die Einkunfts- art „nichtselbständige Arbeit“, bei der nicht die Einkünfte, sondern die Einnahmen fortgeschrie- ben werden. Dadurch wird der Tatsache Rechnung getragen, dass bei Arbeitnehmern die Frage im Vordergrund steht, in welchem Umfang kalte Progression bei einer Erhöhung der Bruttolöhne beziehungsweise -gehälter in Höhe der Inflationsrate entsteht. Für die übrigen Einkunftsarten liegen in der amtlichen Einkommensteuerstatistik, die die Daten- basis des Mikrosimulationsmodells bildet, grundsätzlich keine Angaben zu den Einnahmen vor. Implizit muss daher für alle anderen Einkunftsarten die Annahme getroffen werden, dass sich Ein- nahmen und Betriebsausgaben beziehungsweise Werbungskosten mit gleicher Rate verändern. Die Preisentwicklung wird hier mit dem Index der Konsumausgaben der privaten Haushalte aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung gemessen, weil dieser Index jeweils die geänderten Verbrauchsgewohnheiten automatisch berücksichtigt. Die Preisentwicklung der Konsumausgaben der privaten Haushalte weist nach der aktuellen Herbstprojektion der Bundesregierung für das Jahr 2018 eine Steigerung von 1,74 % aus. Für das Jahr 2019 wird von einem Zuwachs von 1,94 % ausgegangen. Für die dementsprechend inflationierten Einkünfte beziehungsweise Einnahmen wird die sich er- gebende Steuerlast ermittelt. Dabei wird das geltende Recht des Folgejahres – mit Ausnahme der zum Ausgleich der kalten Progression der Vorjahre vorgenommenen steuerlichen Maßnahmen – zugrunde gelegt. Dies hat zur Folge, dass die Einflüsse auf die kalte Progression, die sonstige be- reits beschlossene Rechtsänderungen mit sich bringen, Berücksichtigung finden. In einem zweiten Schritt wird die Steuer ermittelt, die bei einer Fortschreibung der Einkünfte be- ziehungsweise Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit mit dem verwendeten Preisindex zu ei- ner konstanten Durchschnittssteuerbelastung führt. Hierzu ist die Steuer im Ausgangsjahr eben- falls um diese Inflationsrate anzuheben. In einem dritten Schritt wird die Differenz zwischen den beiden ermittelten Steuerbeträgen und somit der Effekt der kalten Progression errechnet. Ergebnisse der Jahren 2018/2019 ist der nachstehenden Über- Simulationsrechnungen zur sicht zu entnehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die dargestellte Berechnungsmethodik jeweils Höhe der kalten Progression den Effekt der kalten Progression ausweist, der auf- grund der Inflation eines Jahres neu entsteht. Das auf die oben beschriebene Art und Weise er- mittelte Volumen der kalten Progression in den 14
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Der Effekt der kalten Progression bei der Einkommensteuer Dezember 2018 Volumen der im Jahr 2018 entstehenden kalten Progression¹ Tabelle 1 in Mrd. € Analysen und Berichte Volumen davon Inflationsrate Insgesamt Bund Länder Gemeinden 1,74 % 3,33 1,59 1,29 0,45 1 Betroffen sind rund 32,1 Millionen Steuerpflichtige mit durchschnittlich 104 € pro Jahr. Quelle: Bundesministerium der Finanzen Volumen der im Jahr 2019 zusätzlich entstehenden kalten Progression¹ Tabelle 2 in Mrd. € Volumen davon Inflationsrate Insgesamt Bund Länder Gemeinden 1,94 % 3,81 1,83 1,46 0,52 1 Betroffen sind rund 32,8 Millionen Steuerpflichtige mit durchschnittlich 116 € pro Jahr. Quelle: Bundesministerium der Finanzen Maßnahmen zum Ausgleich zumindest im Umfang der maßgeblichen Inflati- der kalten Progression onsraten erreicht werden. Im Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Ent- lastung der Familien sowie zur Anpassung weiterer Tarifeckwerte steuerlicher Regelungen (Familienentlastungsge- sind die Punkte im Tarifverlauf, an denen setz, Bundestagsdrucksache 19/4723) sind Maß- die einzelnen Tarifzonen des Einkommen- nahmen zur Anhebung des Grundfreibetrags zum steuertarifs (Grundfreibetrag; erste Progres- 1. Januar 2019 um 168 € und zum 1. Januar 2020 sionszone; zweite Progressionszone; erste um weitere 240 € vorgesehen. Dadurch werden die obere Proportionalzone; zweite oberer Pro- Steuerpflichtigen zum 1. Januar 2019 insgesamt um portionalzone) aneinander anschließen. Der rund 1,4 Mrd. € und zum 1. Januar 2020 um wei- Tarifverlauf der Einkommensteuer wird über tere 2,0 Mrd. € entlastet und der Effekt der kalten diese Tarifeckwerte bestimmt. Progression der Jahre 2018 und 2019 bereits deut- lich gemildert. Die Bundesregierung hatte deshalb im obenge- Allerdings wäre auch bei einem vollständigen glo- nannten Gesetzentwurf eines Familienentlastungs- balen Ausgleich des Effekts der kalten Progres- gesetzes bereits entsprechende Regelungen vorge- sion, z. B. durch eine weitergehende Anhebung des schlagen. Diese beruhten allerdings noch auf den Grundfreibetrags, nicht sichergestellt, dass die in- Vorgaben der Frühjahrsprojektion, die die Preisent- dividuelle tarifliche Mehrbelastung in jedem Ein- wicklung der Konsumausgaben der privaten Haus- zelfall tatsächlich ausgeglichen wird. Dies kann nur halte für das Jahr 2018 mit 1,84 % (statt jetzt 1,74 %) durch eine Rechtsverschiebung der Tarifeckwerte und für 2019 mit 1,95 % (statt jetzt 1,94 %) auswies. 15
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Der Effekt der kalten Progression bei der Einkommensteuer Dezember 2018 Das Gesetz ist inzwischen von Bundestag und Bun- stärker aus, als es für den Ausgleich der kalten Pro- desrat ohne Änderungen beim Ausgleich der kalten gression notwendig wäre. Die Bürger werden da- Progression beschlossen worden. Im Ergebnis fällt durch zusätzlich im Jahr 2019 um 105 Mio. € und die Verschiebung der Tarifeckwerte somit etwas im Jahr 2020 um 15 Mio. € entlastet. 16
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Dezember 2018 Stiftungskonferenz der Stiftung „Geld und Währung“ Analysen und Berichte ●● Am 15. November 2018 fand im BMF in Berlin die zweite Stiftungskonferenz der Stiftung „Geld und Währung“ statt. ●● Unter dem übergeordneten Thema „Herausforderungen der anhaltenden Niedrigzinsphase“ tra- fen sich mehr als 80 Teilnehmende, darunter Vertreterinnen und Vertreter der Wissenschaft, der Verbände, von interessierten Unternehmen und des BMF. ●● Eingebettet in die Konferenz war die erstmalige Verleihung des Stiftungspreises. Einleitung realwirtschaftliche Funktion zu jeder Zeit – und da- mit auch in Stressphasen – erfüllen kann. Wie auch Die zweite Stiftungskonferenz der Stiftung „Geld in der Politik bedeutet Stabilität hier Verlässlichkeit und Währung“ widmete sich der andauernden für alle Akteure des Finanzmarkts und damit insbe- Niedrigzinsphase und den daraus resultierenden sondere auch für Bürger und Unternehmen. Herausforderungen für den Finanzmarkt. Banken fällt es zunehmend schwer, ihre Zinskosten zu ver- Dank zahlreicher Maßnahmen wurde – so zeigte dienen. Lebensversicherer stehen vor der Heraus- sie in der Rückschau – in den vergangenen Jahren forderung, die versprochenen Zinsgarantien zu viel erreicht, um die Stabilität des Finanzsektors erwirtschaften. Dies macht eine Anpassung der Ge- auch unter den Rahmenbedingungen niedriger schäftsmodelle an die Bedingungen niedriger Zin- Zinsen zu sichern. Mit Blick auf die Aufsicht über sen erforderlich. einzelne Akteure sind die Schaffung europäischer Aufsichtsbehörden und insbesondere die Etablie- rung der einheitlichen europäischen Bankenauf- Der politische sicht hervorzuheben. Ordnungsrahmen im Umfeld Die gemeinsame Aufsicht ist ein Grundpfeiler der niedriger Zinsen europäischen Bankenunion, die durch den europä- ischen Abwicklungsmechanismus und die Harmo- In ihrer Eröffnungsrede unterstrich die Parlamen- nisierung nationaler Einlagensicherungssysteme tarische Staatssekretärin Christine Lambrecht die ergänzt wird. Der Abwicklungsmechanismus soll Bedeutung der Stabilität des Geldwesens in der sicherstellen, dass die Schieflage einzelner Banken anhaltenden Niedrigzinsphase. Einen besonderen nicht zur Gefahr für das ganze System werden kann. Fokus legte sie auf die Rolle einer effizienten Fi- Mit dem „Bail-in“ als zentralem Instrument der Ab- nanzaufsicht im Umfeld niedriger Zinsen. Denn wicklung wurde die ökonomische Beziehung zwi- in Zeiten niedriger Zinsen ist ein breiteres Ver- schen Risiko und Haftung wiederhergestellt. ständnis von „stabilem Geld“ nötig als die reine Frage nach Inflationsraten. Ein stabiles Geldwesen Die globale Finanzkrise hat vor Augen geführt, braucht stabile und damit handlungsfähige Institu- dass die Stabilität einzelner Unternehmen nicht tionen und einen stabilen Finanzmarkt, der seine zwangsläufig auch die Stabilität des Systems 17
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Stiftungskonferenz der Stiftung „Geld und Währung“ Dezember 2018 gewährleistet. Vielmehr kann kollektives Verhalten in einem breit gestreuten und gemischten Portfolio bei ähnlichen Risiken zu einer systemischen Ge- kontinuierlich erhöht wurde, da Stiftungen Buch- fahr werden. Daher wurde die klassische, auf den verluste bei schwachen Märkten langfristig „aussit- einzelnen Marktakteur ausgerichtete Aufsicht um zen“ können. Darüber hinaus wurde das Stiftungs- eine systemweite Perspektive ergänzt. Die Aufgabe vermögen kontinuierlich von 51 Mio. € mit Beginn dieser makroprudenziellen Aufsicht ist die Früher- der Stiftungsarbeit im Jahr 2002 auf 78 Mio. € im kennung von Risiken für die Finanzstabilität in al- Jahr 2017 ausgebaut. So sieht die Stiftung ihre Auf- len Sektoren. gabenerfüllung auch unter einer anhaltenden Niedrigzinsphase gewährleistet und will zukünftig Eine stabilitätsorientierte Finanzaufsicht benö- verstärkt neue Projekte fördern. tigt neben einer funktionsfähigen Risikoüberwa- chung auch geeignete Instrumente, um Risiken zu begrenzen. Dieser Instrumentenkasten muss mit Die Stiftung „Geld und Währung“ Blick auf neue Risiken im Umfeld niedriger Zinsen fördert die wirtschafts- und rechtswissen- ausreichend flexibel sein. schaftliche Forschung auf dem Gebiet des Geld- und Währungswesens. Sie leistet da- Diese bereits umgesetzten Maßnahmen tragen zu mit einen Beitrag zur wissenschaftlichen einem stabilen Geldwesen bei. Das einmalige Aus- Fundierung der Notenbankpolitik und der maß an geldpolitischer Lockerung hat jedoch bis- Finanzstabilität sowie der entsprechenden herige Grundannahmen und Lehrsätze der Öko- Regierungsvorhaben auf dem Gebiet der Fi- nomie in Frage gestellt. Umso wichtiger ist die nanzmarktaufsicht und -regulierung. Die Förderung der Forschung in diesem Bereich, die Stiftungsarbeit hat folgende Schwerpunkte: sich die Stiftung „Geld und Währung“ zum Ziel ge- setzt hat und die zum Erhalt eines stabilen Geldwe- ●● Förderung des interdisziplinären Kompe- sens auch in Zukunft beitragen kann. tenzzentrums „Institute for Monetary and Financial Stability“ der Goethe-Universi- tät Frankfurt am Main mit Professoren der Förderungsmöglichkeiten in Wirtschafts- und Rechtswissenschaften, Zeiten niedriger Zinsen ●● Förderung von Graduiertenkollegs, zur Zeit des interdisziplinären Graduiertenkol- Die anhaltende Niedrigzinsphase stellt nicht nur legs „Geld und Währung“ an der Universi- für Anleger, Versicherungen und Banken, sondern tät Mannheim mit seinem Leiter Prof. Klaus auch für die etwa 22.000 Stiftungen in Deutsch- Adam, land eine zunehmende Herausforderung dar. Denn ●● Förderung von hervorragenden Promo- diese finanzieren ihre Aufgaben mit Erträgen aus tionen mit der Auszeichnung durch den dem Stiftungsvermögen. Diese Erträge sind jedoch Stiftungspreis. seit Jahren rückläufig. Prof. Dr. Thomas M. J. Möllers, der Vorsitzende des Stiftungsrates, erläuterte, wie die Stiftung „Geld Wissenschaftliche Vorträge und Währung“ dieser Herausforderung über eine passive Anlagestrategie nach dem Benchmark- Das Mandat der Geldpolitik ist die Wahrung der konzept begegnet. Dabei ist es Ziel der Kapitalan- Preisstabilität, während die makroprudenzielle Po- lage, pro Jahr mindestens 1 Mio. € auszuschütten litik auf die Stabilität des Finanzsystems als Gan- und zugleich das durch die Bundesbank verwaltete zes zielt. Beide üben Einfluss aufeinander aus. Stiftungskapital langfristig zu erhalten. Diese Ziele Beispielsweise können makroprudenzielle Instru- konnten erreicht werden, indem der Aktienanteil mente wie höhere Kapitalanforderungen die durch 18
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Stiftungskonferenz der Stiftung „Geld und Währung“ Dezember 2018 niedrige Zinsen steigenden Risiken für die Finanz- Referenzregeln für die makroprudenzielle Politik stabilität begrenzen, während sie gleichzeitig dem abzuleiten. Darüber hinaus wurde untersucht, wie verstärkten Druck auf die Immobilienpreise gegen- sich die Wirkung der Politik zusammen mit den Analysen und Berichte wirken können. rechtlichen Rahmenbedingungen im Finanzsys- tem analysieren lässt. Prof. Volker Wieland, Ph.D., Mátyás Farkas, Philipp Lieberknecht und Prof. Dr. Tobias Tröger vom Ins- Prof. Klaus Adam, Ph.D. von der Universität Mann- titute for Monetary and Financial Stability (IMFS) heim und Leiter des Graduiertenkollegs „Geld und präsentierten ihre Forschungsergebnisse zu Ver- Währung“ referierte über den Zusammenhang gleichsmaßstäben, Referenzregeln, Wechselwir- von Preisblasen bei Wohnimmobilien, Niedrigzin- kungen und juristischen Rahmenbedingungen sen und Exportsalden und präsentierte seine Er- geldpolitischer und makroprudenzieller Instru- gebnisse zu empirischen Indikatoren zur Beurtei- mente. Diese fördern das Verständnis für den Zu- lung der Preisentwicklung von Wohnimmobilien sammenhang von Realwirtschaft, Finanzsektor, in Deutschland. Fabian Greimel vom Graduierten- Vermögenspreisen und Inflation und unterstützen kolleg erweiterte die Diskussion um den Aspekt der den zielgerichteten Einsatz der Politikinstrumente sozialen Ungleichheit als Treiber von privater Ver- in komplexen Entscheidungsprozessen. schuldung und eines Hypothekenbooms: Danach könne eine kreditfinanzierte Preisblase im Wohn Um die Wirkung verschiedener Instrumente besser immobilienmarkt auch durch soziale Vergleiche zu erfassen und Modelle zu vergleichen, haben die bei wachsender gesellschaftlicher Ungleichheit ge- Forscher am IMFS eine Online-Modelldatenbank, trieben werden. die Macroeconomic Model Data Base (MMB), mit mehr als 110 Modellen aufgebaut. Die frei zugäng- Tim Engel vom Graduiertenkolleg beschäftigte sich liche Software1 ermöglicht die vergleichende Ana- mit der Frage, wie den Aufsichtsbehörden im Rah- lyse von Geld-, Fiskal- und makroprudenzieller Po- men der präventiven Adressierung systemischer litik sowie die Ableitung robuster Referenzregeln Risiken die proaktive Anwendung des makropru- für die Geld- und die makroprudenzielle Politik. denziellen Instrumentariums erleichtert und An- reize zu frühzeitigen Vorsorgemaßnahmen ge- Referenzregeln, aus denen sich Handlungsemp- schaffen werden könnten. Dabei ist weiterhin der fehlungen für Entscheidungsträger ableiten lassen, Grundsatz zu berücksichtigen, dass die Anwen- sind in der Geldpolitik bereits etabliert. Für die ma- dung makroprudenzieller Instrumente die Identi- kroprudenzielle Politik existieren bisher weit we- fizierung potenzieller Risiken für die Finanzstabi- niger Erkenntnisse über Referenzregeln. In For- lität voraussetzt. schungsarbeiten am IMFS wurde daher untersucht, wie eine optimale Referenzregel bei der Festlegung des antizyklischen Kapitalpuffers aussehen könnte, Stiftungspreis den Banken vorhalten müssen, wenn die Kredit entwicklung nicht mehr im Einklang mit der re- Im Rahmen der Konferenz wurde Dr. Patrick Hauser alwirtschaftlichen Entwicklung ist. Je nach Modell mit dem Stiftungspreis für seine breite, fundierte können diese optimalen Referenzregeln sehr un- und interdisziplinäre Forschung zur Privilegierung terschiedlich ausfallen. Die Forschungsarbeiten am staatlicher Schuldner ausgezeichnet. Mit seiner Ar- IMFS zeigen jedoch, dass sich das sogenannte Mo- beit trägt er zu einem aktiven Austausch zwischen del-Averaging als Methode eignet, um aus mehre- Wissenschaft und Politik bei. Diese beschäftigt sich ren unterschiedlich gewichteten Modellen robuste im Kern mit möglichen Interessenkonflikten von Staaten in der Doppelrolle als Finanzmarktregu- lierer und Markteilnehmer, die sich in bestimmten 1 www.macromodelbase.com Formen der Privilegierung staatlicher Schuldner 19
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Stiftungskonferenz der Stiftung „Geld und Währung“ Dezember 2018 zeigen. Im Ergebnis sollten, nach Ansicht Hausers, Erkenntnisse wichtige Impulse für Regulierung aus rechtlicher Sicht für die staatliche und private und Aufsicht geben können. Die Stiftung „Geld und Kreditaufnahme gleichgerichtete Regeln gelten. Währung“ wird weiterhin eine wichtige Plattform für exzellente wirtschaftswissenschaftliche und ju- Über einen kontroversen und anregenden Aus- ristische Forschung auf dem Gebiet des Geld- und tausch im Zusammenhang mit den Vorträgen Währungsrechts bilden. wurde erneut deutlich, dass wissenschaftliche 20
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Dezember 2018 Fachkonferenz „Zukunft der Datenökonomie“ Analysen und Berichte ●● Am 19. November 2018 fand im BMF eine Fachkonferenz zur „Zukunft der Datenökonomie“ statt. ●● Eingeladen waren ausgewählte Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft, Zivil- gesellschaft, Verwaltung, Publizistik und Verbänden. ●● Ziel war eine ganzheitliche Diskussion der Handlungsbedarfe und Handlungsoptionen in Bezug auf Besteuerung, Wettbewerb und Geschäftsmodelle, Datenzugang und Datennutzung sowie Governance. Einleitung ●● Datenzugang und Datennutzung: Wie sind Wert, Eigentum und Nutzung von Daten zu Daten spielen eine immer größere Rolle für Ge- konzipieren? schäftsmodelle und Marktgeschehen. Datenrei- che Märkte, Plattformunternehmen und algo- ●● Governance: Welchen Ordnungsrahmen rithmische Systeme verändern Wirtschaft und braucht die Datenökonomie? Gesellschaft grundlegend und stellen den beste- henden staatlichen Ordnungsrahmen vor zahlrei- Ziel der Veranstaltung war es, in einem offenen che Herausforderungen. In der öffentlichen De- Gedanken- und Meinungsaustausch gemeinsam batte geraten datenbasierte Geschäftsmodelle, Handlungsbedarfe herauszuarbeiten und unter- Fragen ihrer Besteuerung, die Gestaltung von Wett- schiedliche Handlungsoptionen zu diskutieren. bewerb, Eigentum und Nutzungsrechten häufiger durcheinander. Besteuerung Vor diesem Hintergrund hat das BMF am 19. No- vember 2018 ausgewählte Vertreterinnen und Ver- Nach der Eröffnung durch Staatssekretär Dr. Rolf treter aus Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesell- Bösinger referierte Prof. Dr. Johannes Becker von schaft, Verwaltung, Publizistik und Verbänden der Universität Münster zu „Unternehmensbesteu- eingeladen, um die „Zukunft der Datenökonomie“ erung im GAFAM1-Zeitalter“. Prof. Becker stellte zu diskutieren. Folgende Fragen sollten dabei in dar, welche Reformbedarfe in Bezug auf die inter- den Blick genommen werden: nationale Unternehmensbesteuerung sich poten- ziell aus einer zunehmenden Digitalisierung der ●● Steuern: Welche nationalen und internatio- Wirtschaft ergeben könnten. Er betonte, dass zent- nalen Herausforderungen ergeben sich hin- rale Herausforderungen wie Gewinnunterbesteue- sichtlich der Besteuerung datenbasierter Ge- rung, nicht funktionierender Wettbewerb oder der schäftsmodelle? Schutz der Privatsphäre jeweils adäquate Lösungs- ansätze verlangten. Neben der Steueroptimierung ●● Wettbewerb und Geschäftsmodelle: Wie si- chern wir in der Datenökonomie fairen Wett- 1 GAFAM steht für Google, Apple, Facebook, Amazon und bewerb und eine vielfältige Wirtschaft? Microsoft. 21
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Fachkonferenz „Zukunft der Datenökonomie“ Dezember 2018 großer Digitalunternehmen sei auch das Besteue- Geschäftsmodelle in der digitalisierten Wirtschaft rungsverhalten von Staaten stärker in den Blick zu zu beobachten sind, wo bewährte genossenschaft- nehmen. Vor diesem Hintergrund sei eine effektive liche Modelle durch die digitalisierte Wirtschaft Mindeststeuer einer Sondersteuer für Digitalunter- herausgefordert werden und wo genossenschaftli- nehmen vorzuziehen. Abschließend präsentierte er che Modelle sich aber selbst an digitalen Innovati- das Konzept einer „Sustained User Relationship“ als onen beteiligen. Er betonte, dass eine gemeinsame möglichen Lösungsansatz für die Unternehmens- Interessen- und Motivlage sowie die gleichberech- besteuerung in einer digitalisierten Wirtschaft, in tigte Kooperation zentrale Erfolgsfaktoren für ge- der ohne physische Präsenz Aktivität möglich ist. nossenschaftliche Modelle seien, auch in einer digi- In der sich anschließenden Diskussion wurden u. a. talisierten Wirtschaft. In der folgenden Diskussion die Fragen aufgeworfen, wie wichtig lokale Nutzer- wurden u. a. die Fragen aufgeworfen, ob die be- daten für die Gewinne der großen Digitalkonzerne schriebenen Feedback-Effekte wirklich neu seien, sind, ob Rohdaten schon als Teil der Wertschöp- wie der Vorschlag des Datenteilens kartellrechtlich fung betrachtet werden sollten, ob individuelle Da- zu beurteilen sei, wie eine praktische institutionelle tenproduktion als wertschöpfende Arbeit verstan- Umsetzung des Datenteilens aussehen und wie die den werden kann, ob Tauschhandel (Daten gegen Entstehung kooperativer datenbasierter Geschäfts- Dienstleistung) bei der Besteuerung berücksichtigt modelle befördert werden könne. werden sollte und wie die Besteuerung hochdigita- lisierter Unternehmen mit der Förderung von In- novation und Forschung in Einklang gebracht wer- Datenzugang und den kann. Datennutzung Dr. Nicola Jentzsch von der Stiftung Neue Verant- Wettbewerb und wortung referierte zunächst zu „Modellen der Da- Geschäftsmodelle tenmonetarisierung“. Dr. Jentzsch beschrieb, wie die Kommodifizierung von Daten ökonomisch Zunächst referierte Prof. Dr. Jens Prüfer von der konzeptualisiert werden könne und von Marktteil- Universität Tilburg (Niederlande) zum Thema „He- nehmern konkret praktiziert werde. Hinsichtlich rausforderungen und Lösungsvorschläge für das der Datenintermediation stellte sie den etablier- Wettbewerbsrecht auf datengetriebenen Märk- ten anbieterzentrierten Plattformen Ansätze nut- ten“. Prof. Prüfer stellte die Datifizierung als zen- zerzentrierter Plattformen gegenüber, die das Da- tralen Veränderungstreiber für Wettbewerb und tensubjekt zum „aktiven Spieler“ machen wollten. Geschäftsmodelle heraus. In Geschäftsfeldern, Letztere erschienen zwar auf den ersten Blick sou- in denen Nutzerinformationen zentral für Pro- veränitätssteigernd, seien aber theoretisch und em- duktinnovation und die Steigerung der Produkt- pirisch mit einer Reihe von Problemen verbunden, qualität seien, komme es zu ökonomischen Feed- welche die souveränitätssteigernde Wirkung unter- back-Effekten, welche Innovationsanreize und minierten. Im Anschluss stellte Dr. Dirk Woywod Wettbewerb systematisch reduzierten. Es könne von der Verimi GmbH die konkrete technologische daher wohlfahrtssteigernd sein, in Märkten, in de- und betriebswirtschaftliche Funktionsweise einer nen diese Effekte zu beobachten seien, eine Form Identitäts- und Datenplattform vor. Dr. Woywod des obligatorischen Datenteilens zu implemen- unterstrich, dass eine übergreifende Nutzung digi- tieren. Dr. Andreas Wieg vom Deutschen Ge- taler Identitäten für Bürger in allen Sektoren wie nossenschafts- und Raiffeisenverband referierte eGovernment, Banking, Versicherung, Telekom- im Anschluss zum Thema „Genossenschaftli- munikation, Gesundheit und Bildung die Harmo- che Geschäftsmodelle – eine Antwort auf die He- nisierung regulatorischer Rahmenbedingungen rausforderungen der Datenökonomie?“. Dr. Wieg sowie die Förderung von Interoperabilität erfor- stellte zunächst dar, welche genossenschaftlichen dere. In der folgenden Diskussion wurden u. a. die 22
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Fachkonferenz „Zukunft der Datenökonomie“ Dezember 2018 Fragen aufgeworfen, ob eine zentrale oder dezen- Vor- und Nachteile heraus. Sie resümierte, dass Mi- trale Speicherung von Nutzerdaten zielführender schmodelle am ehesten zielführend seien. So sei sei, ob wachsende Einwilligungsmöglichkeiten zu z. B. der richtige Mittelweg zwischen Zentralisie- Analysen und Berichte einer systematischen Überforderung von Nutzern rung und Dezentralisierung zu finden. Darüber hi- führten, welche Folgen Identitäts- und Datenplatt- naus seien der Verwendung personenbezogener formen für die vertragsrechtliche Souveränität von Daten klare Grenzen zu setzen und die Vertretung Bürgern haben und wie die ungewollte Weiterver- schwacher und moralischer Interessen zu gewähr- wendung von Daten effektiv verhindert werden leisten. In der sich anschließenden Diskussion wur- könne. den u. a. die Fragen aufgeworfen, ob Datenschutz- behörden und Verbraucherschutzrecht gestärkt werden müssten, wo private und wo öffentliche In- Governance stitutionen den besten Governance-Ansatz böten und welches Potenzial die kostenlose Bereitstel- Die letzte Diskussionsrunde eröffnete Staatssekre- lung öffentlicher Daten habe. tär Wolfgang Schmidt mit einem Impulsvortrag zu „Herausforderungen einer sozial-digitalen Markt- wirtschaft“. Im Anschluss referierte Prof. Dr. Ingrid Fazit und Ausblick Schneider von der Universität Hamburg zum Thema „Politökonomische Modelle zur Govern- Die Fachkonferenz war aus Sicht des BMF für die ance der Datenökonomie“. Prof. Schneider betonte internen und externen Teilnehmenden äußerst er- zunächst, dass Modelle von Datenzugangs- und tragreich. Insbesondere der integrierte disziplinen- Datennutzungsrechten keine rein ökonomischen übergreifende Blick auf die unterschiedlichen Her oder juristischen Modelle seien, sondern immer ausforderungen der Datifizierung von Wirtschaft auch mit Machtfragen verknüpft seien. Sie be- und Gesellschaft hat sich als zielführend erwie- schrieb vier prototypische Modelle, wie Datenzu- sen. In einem nächsten Schritt werden ausgewählte gang und Datennutzung in einer Gesellschaft orga- Handlungsbedarfe und Handlungsoptionen in je- nisiert werden könnten, und stellte die spezifischen weils passenden Formaten vertieft werden. 23
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Dezember 2018 Neue Dienstkleidung für den deutschen Zoll ●● Die bisherige Dienstkleidung des Zolls wird bundesweit durch eine neue, blaue Dienstkleidung ersetzt. Der Rollout startete im September 2018 bei den Flughäfen Frankfurt am Main, Düsseldorf, München und Köln/Bonn. ●● Auch die Dienstfahrzeuge sowie die Zollschiffe und Zollboote werden Schritt für Schritt von grün auf blau umgestellt. ●● Mit der Farbe Blau reiht sich der Zoll in die Farbgestaltung der deutschen und europäischen Sicherheitsbehörden ein. Neue Kleidung – neue Farbe Optik. Im Rahmen des Trageversuchs wurden auch die Qualität und die Ausstattungsmenge inten- Seit kurzem sind die Zöllnerinnen und Zöllner siv getestet und anschließend optimiert. Dank die- an den Flughäfen Frankfurt am Main, Düsseldorf, ser umfassenden Praxisanalyse und der vielfachen München und Köln/Bonn mit einer neuen, blauen Einbindung der Versuchspersonen steht nun eine Dienstkleidung im Einsatz. Mit der Farbe Blau reiht qualitativ hochwertige und funktional verbesserte sich der Zoll in die Farbgestaltung der deutschen Dienstkleidung zur Verfügung, mit der sich die und europäischen Sicherheitsbehörden ein. Gleich- Zöllnerinnen und Zöllner identifizieren können. zeitig stellen Schnitt und farbliche Gestaltung sicher, dass der Zoll weiterhin als Zoll erkennbar bleibt. Die Mehrheit der Beschäftigten entschied zudem, dass die Dienstkleidung zukünftig mit Rangabzei- Ein modernes, ansprechendes Erscheinungsbild chen versehen wird. Der Landzoll trägt Sterne, der und ein hoher Tragekomfort standen bei der Ent- Wasserzoll Streifen. Weitere Neuerungen sind der wicklung der neuen Dienstkleidung an oberster stark reflektierende „Zoll“-Schriftzug sowie zu- Stelle. Weitere wichtige Punkte waren die funktio- sätzliche reflektierende Elemente – ein wichtiger nale Optimierung der einzelnen Kleidungsstücke, Beitrag, um die Erkennbarkeit und Sicherheit bei- der bessere Zuschnitt auf die verschiedenen opera- spielsweise bei Kontrollen zu erhöhen. tiven beziehungsweise repräsentativen Einsatzfel- der und nicht zuletzt eine klarere Identifikation des Zolls als Teil der heutigen nationalen und europä Bundesweite Bereitstellung ischen Sicherheitsarchitektur. Nach den großen deutschen Flughäfen wird die neue Dienstkleidung bundesweit sukzessive bereit- Geprüfte Praxistauglichkeit gestellt. Damit verbunden ist ebenso die kosten neutrale Umstellung der Farbgebung bei den Dienst- Alle Kleidungsstücke der neuen Dienstkleidung fahrzeugen sowie den Zollschiffen und Zollbooten. wurden vor der eigentlichen Produktion einem Die Dienstfahrzeuge werden bei Neubeschaffungen umfassenden Trageversuch unterzogen. Bei diesem in blau ausgeliefert und Zollschiffe anlässlich der Test erhielten 220 ausgewählte Zöllnerinnen und turnusmäßigen Wartungen umlackiert. Neben der Zöllner Musterstücke der neu entwickelten Dienst- Modernisierung der Dienstkleidung reformierte der kleidung, um sie im Dauereinsatz zu prüfen. Dabei Zoll zudem das Bestellsystem, das dafür erforderli- ging es nicht allein um die Funktionalität und die che Datenmanagement und die Lagerhaltung. 24
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