Monatsbericht des BMF Dezember 2018 - Bundesfinanzministerium

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Dezember 2018
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Editorial
           Editorial                                                                      Monatsbericht des BMF
                                                                                                Dezember 2018

                                                            bilden die Grundlage dafür, dass in den kommenden
                                                            Monaten mit den konkreten Arbeiten zur Reform
                                                            des Europäischen Stabilitätsmechanismus begon-
                                                            nen werden kann. Die Einigung, mit der auch die im
                                                            Juni in Meseberg von Deutschland und Frankreich
                                                            vorgeschlagenen Schritte umgesetzt werden, wäre
                                                            ohne die enge Zusammenarbeit zwischen beiden
                                                            Ländern nicht zustande gekommen. Olaf Scholz hat
                                                            mit seinem französischen Kollegen Bruno LeMaire
                                                            intensiv an den gemeinsamen Vorschlägen gearbei-
                                                            tet. Wichtige Fortschritte gibt es auch bei der Besteu-
                                                            erung der Digitalwirtschaft: Olaf Scholz und Bruno
                                                            LeMaire haben einen gemeinsamen Plan vorgelegt,
                                                            der die unterschiedlichen Positionen der EU-Staa-
Liebe Leserinnen, liebe Leser,                              ten zusammenführt. Sie haben darüber hinaus eine
                                                            deutsch-französische Initiative zur Einführung ei-
das Bundesverfassungsgericht hat im April ent-              ner Finanztransaktionsteuer auf europäischer
schieden, dass die Grundsteuer geändert werden              Ebene eingebracht.
muss. Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat nun
seine Überlegungen für diese Reform vorgestellt,            In der Dezember-Ausgabe des Monatsberichts darf
die Millionen Bürgerinnen und Bürger betrifft. Er           ein Hinweis natürlich nicht fehlen: Auch in die-
stellt zwei Varianten zur Diskussion, mit denen die         sem Jahr setzt das Bundesministerium der Finanzen
Grundsteuer für die Gemeinden als wichtige Ein-             durch die Herausgabe einer Weihnachtsbriefmarke
nahmequelle auf dem heutigen Niveau gesichert               ein starkes Zeichen für das Ehrenamt in unserem
werden kann und zusätzliche Kosten für Eigentü-             Land. Es folgt damit einer fast fünf Jahrzehnte alten
merinnen und Eigentümer möglichst vermieden                 Tradition. Mit Ihrer Spende beim Briefmarkenkauf
werden sollen. Beide Lösungen sollen weniger büro-          unterstützen Sie den gesellschaftlichen Zusammen-
kratisch als die bisherige Regelung ausgestaltet wer-       halt. Die Weihnachts-Sondermarke 2018 mit dem
den und den Verwaltungsaufwand begrenzen. Die               „Pluszeichen“ kostet einen Euro, davon kommen
Vorschläge werden jetzt mit den Ländern diskutiert,         30 Cent gemeinnützigen Projekten zugute.
um eine Neuregelung rechtzeitig bis Ende 2019 ge-
setzlich umzusetzen.                                        Ich wünsche Ihnen frohe Festtage und einen guten
                                                            Start in das neue Jahr.
Gute Nachrichten auch aus Europa. Nach monate-
langen Diskussionen haben sich die Finanzministe-
rinnen und Finanzminister der Europäischen Union
auf wesentliche Elemente zur Weiterentwicklung
der Wirtschafts- und Währungsunion geeinigt. Die
Beschlüsse sind ein wichtiger Schritt, um die Wäh-          Wolfgang Schmidt
rungsunion stabiler und krisenfester zu machen. Sie         Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen

                                                        3
Monatsbericht des BMF Dezember 2018 - Bundesfinanzministerium
Monatsbericht des BMF Dezember 2018 - Bundesfinanzministerium
Inhaltsverzeichnis

      Inhaltsverzeichnis
      Analysen und Berichte____________________________________________7
      Die Reform der Regulierung von zentralen Clearingstellen in der EU (EMIR 2)_____________________________ 8
      Der Effekt der kalten Progression bei der Einkommensteuer_____________________________________________ 11
      Stiftungskonferenz der Stiftung „Geld und Währung“____________________________________________________ 17
      Fachkonferenz „Zukunft der Datenökonomie“___________________________________________________________ 21
      Neue Dienstkleidung für den deutschen Zoll_____________________________________________________________ 24
      Zehn Jahre Partnerschaft Deutschland – vom Start-up zum Inhouse-Berater_____________________________ 27

      Aktuelle Wirtschafts- und Finanzlage____________________________33
      Überblick zur aktuellen Lage_____________________________________________________________________________ 34
      Konjunkturentwicklung aus finanzpolitischer Sicht______________________________________________________ 35
      Steuereinnahmen im November 2018____________________________________________________________________ 42
      Entwicklung des Bundeshaushalts bis einschließlich November 2018____________________________________ 46
      Entwicklung der Länderhaushalte bis einschließlich Oktober 2018_______________________________________ 51
      Finanzmärkte und Kreditaufnahme des Bundes__________________________________________________________ 54
      Europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik_____________________________________________________________ 61

      Aktuelles aus dem BMF__________________________________________67
      Termine_________________________________________________________________________________________________ 68
      Publikationen___________________________________________________________________________________________ 69
      Hinweise auf Ausschreibungen__________________________________________________________________________ 70

      Statistiken und Dokumentationen_______________________________73
      Übersichten zur finanzwirtschaftlichen Entwicklung____________________________________________________ 74
      Übersichten zur Entwicklung der Länderhaushalte_______________________________________________________ 75
      Gesamtwirtschaftliches Produktionspotenzial und Konjunktur­komponenten des Bundes________________ 75
      Kennzahlen zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung____________________________________________________ 76

      Verzeichnis der Berichte_________________________________________77
      Verzeichnis der Berichte im Monatsbericht des BMF 2018________________________________________________ 78
Monatsbericht des BMF Dezember 2018 - Bundesfinanzministerium
Analysen
und Berichte
Analysen und Berichte

Die Reform der Regulierung von zentralen Clearingstellen in der EU (EMIR 2)    8

Der Effekt der kalten Progression bei der Einkommensteuer                     11

Stiftungskonferenz der Stiftung „Geld und Währung“                            17

Fachkonferenz „Zukunft der Datenökonomie“                                     21

Neue Dienstkleidung für den deutschen Zoll                                    24

Zehn Jahre Partnerschaft Deutschland – vom Start-up zum Inhouse-Berater       27
Analysen und Berichte                                                       Monatsbericht des BMF
                                                                                            Dezember 2018

Die Reform der Regulierung von zentralen
Clearingstellen in der EU (EMIR 2)

    ●● Auf den globalen Zins- und Kreditderivatemärkten ist die Verrechnung (sogenanntes Clearing)
       von außerbörslichen Derivatekontrakten über zentrale Clearingstellen (sogenannte Central
       Counterparties – CCPs) infolge internationaler Regulierung deutlich angestiegen.

    ●● Diese Derivate sind für die Funktionsfähigkeit und Stabilität der Finanzmärkte der Europä­
       ischen Union (EU) besonders relevant. Das Clearing von außerbörslichen Zins- und Kreditderi-
       vaten erfolgt überwiegend im Vereinigten Königreich. Mit dem Brexit fällt diese Tätigkeit nicht
       mehr unter EU-Aufsichtsrecht und wird der Kontrolle durch die EU-Behörden entzogen.

    ●● Die Europäische Kommission hat vor diesem Hintergrund einen Vorschlag für eine Verordnung
       vorgelegt, mit dem die Aufsicht über CCPs verbessert werden soll (EMIR 2). Der Vorschlag wird
       derzeit auf EU-Ebene verhandelt.

   Die Antwort der G20 auf die                               Zentrale Clearingstellen
   Krise des außerbörslichen                                 oder auch Gegenparteien (Central Counter-
   Derivatehandels                                           parties – CCPs) sind Unternehmen, die zwi-
                                                             schen Verkäufer und Käufer von Finanz-
Die G20 hat als Antwort auf die globale Finanz-              produkten treten. Auf diese Weise wird das
marktkrise im Jahr 2009 eine Reform des außer-               Kontrahentenrisiko, also das Risiko des Aus-
börslichen Derivatehandels beschlossen. Denn der             falls eines Käufers oder des Verkäufers, für
außerbörsliche Derivatehandel hat erheblich zur              die Vertragsparteien eliminiert und auf die
Verbreitung und Vertiefung der Krise am globa-               CCP übertragen. Seit 2012 sind europäische
len Finanzmarkt beigetragen. Wesentliche Ursa-               Marktteilnehmer aufgrund der Europäischen
che hierfür war der unzureichende Umgang mit                 Marktinfrastrukturverordnung (European
Ausfallrisiken durch die Marktteilnehmer. Zen­               Market Infrastructure Regulation – EMIR)
traler Bestandteil der Reform war deshalb die For-           verpflichtet, außerbörsliche (Over the Coun-
derung, dass standardisierte Derivatekontrakte               ter – OTC) Derivatekontrakte, die einer De-
künftig über zentrale Clearingstellen, kurz CCPs             rivatekategorie im Sinne der EMIR zuge-
verrechnet werden müssen. CCPs übernehmen im                 ordnet werden können, über eine Zentrale
Rahmen der Verrechnung, des Clearings der Deri-              Gegenpartei zu clearen. CCPs zählen ne-
vatekontrakte das Ausfallrisiko der Vertragspart-            ben Transaktionsregistern, Zentralverwah-
ner. Auf diese Weise werden Ausfallrisiken bei CCPs          rern, Wertpapierabwicklungssystemen und
konzentriert und durch Aufrechnung gegenläufi-               Zahlungssystemen zu den Finanzmarktinfra-
ger Positionen sowie durch strenge Anforderungen             strukturen. Deren Aufgabe ist es, eine effizi-
an das Risikomanagement reduziert.                           ente und sichere Abwicklung von Zahlungs-
                                                             strömen zu gewährleisten.

                                                       8
Analysen und Berichte                                                                            Monatsbericht des BMF
          Die Reform der Regulierung von zentralen Clearingstellen in der EU (EMIR 2)                            Dezember 2018

   Die Umsetzung der G20-                                                     ●● Im Bereich der OTC-Kreditderivate erfolgte
   Beschlüsse in der EU (EMIR-                                                   im Zeitraum von 2010 bis 2016 ein Anstieg des
   Verordnung)                                                                   CCP-Clearings von unter 10 % auf rund 40 %.

                                                                                                                                      Analysen und Berichte
Die EU hat die G20-Beschlüsse im Wesentlichen                                 Das Clearing von außerbörslichen Zins- und Kre-
durch die im Jahr 2012 in Kraft getretene EU-Deri-                            ditderivaten, das für die Funktionsfähigkeit und die
vateverordnung (European Markets Infrastructure                               Stabilität der EU-Finanzmärkte von großer Bedeu-
Regulation, EMIR) umgesetzt. EMIR sieht vor, dass                             tung ist, erfolgt überwiegend im Vereinigten Kö-
bestimmte außerbörsliche Zins- und Kreditderivate                             nigreich. Durch das voraussichtliche Ausscheiden
durch CCPs verrechnet werden, die in der EU zuge-                             des Vereinigten Königreichs aus der EU im Zuge des
lassen oder – wenn sie ihren Sitz außerhalb der EU                            Brexits findet diese Tätigkeit künftig vornehmlich
haben – anerkannt sind. In der EU zugelassene CCPs                            außerhalb der EU-27 statt.
unterliegen strengen Anforderungen an das Risiko-
management und werden von den zuständigen Be-
hörden der Mitgliedstaaten beaufsichtigt. CCPs mit                                 Die Reform der Regulierung
Sitz außerhalb der EU können von der Europäischen                                  von Drittstaaten-CCPs
Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA)
anerkannt werden, nachdem die Europäische Kom-                                Die Europäische Kommission hat vor diesem Hin-
mission festgestellt hat, dass der Rechts- und Auf-                           tergrund einen Vorschlag für eine Verordnung zur
sichtsrahmen in dem Drittstaat, in dem die CCP ih-                            Verbesserung der Aufsicht über CCPs (kurz EMIR 2)
ren Sitz hat, mit EMIR gleichwertig ist (sogenanntes                          vorgelegt. Der Vorschlag sieht in Bezug auf CCPs mit
Äquivalenzregime). Die ESMA hat seit dem Jahr 2012                            Sitz außerhalb der EU-27 eine Differenzierung zwi-
über 30 CCPs aus über einem Dutzend Drittstaaten                              schen nicht systemrelevanten (sogenannten Tier-1)
anerkannt. Die Aufsicht über diese CCPs wird jeweils                          und systemrelevanten (sogenannten Tier-2) CCPs
von der Aufsichtsbehörde desjenigen Drittstaats                               vor. Das bestehende Äquivalenzregime soll nur für
ausgeübt, in dem die jeweilige CCP ihren Sitz hat.                            nicht systemrelevante Tier-1-CCPs fortgelten. Für
                                                                              systemrelevante Tier-2-CCPs ist dagegen vorgese-
                                                                              hen, dass die wesentlichen EU-Aufsichtsanforderun-
   Der Brexit als Herausforderung                                             gen gemäß EMIR unmittelbar gelten. Zudem sollen
   für die CCP-Regulierung in                                                 sie direkt durch die ESMA und diejenigen emittie-
                                                                              renden Zentralbanken in der EU beaufsichtigt wer-
   der EU                                                                     den, in deren Währung das Clearing erfolgt (für den
                                                                              Euro ist dies die Europäische Zentralbank, EZB). Eine
Das Clearing über CCPs ist nach Angaben der Bank                              Drittstaaten-CCP kann auf Antrag von der Einhal-
für Internationalen Zahlungsausgleich in wichti-                              tung der Aufsichtsanforderungen gemäß EMIR be-
gen Marktsegmenten wie den außerbörslichen (so-                               freit werden, wenn die ESMA feststellt, dass die CCP
genanntes Over-the-Counter, OTC) Zins- und Kre-                               vergleichbaren Anforderungen im Drittstaat unter-
ditderivatemärkten in den vergangenen Jahren                                  liegt (sogenannte Comparable Compliance). Die je-
erheblich gestiegen (siehe www.bundesfinanzmi-                                weils betroffenen emittierenden Zentralbanken
nisterium.de/mb/20181211, S. 22):                                             sollen über EMIR hinausgehende geldpolitisch be-
                                                                              gründete zusätzliche Anforderungen an die Dritt-
●● Im Bereich der OTC-Zinsderivate ist der An-                                staaten-CCP stellen können, deren Einhaltung Vo-
   teil des CCP-Clearings im Zeitraum von 2009                                raussetzung für die Anerkennung der CCPs sind.
   bis 2016 von rund 40 % auf rund 80 % ge-                                   Darüber hinaus ist die Möglichkeit vorgesehen, die
   stiegen.                                                                   Verlagerung von Clearing in die EU zu verlangen,

                                                                            9
Analysen und Berichte                                                                            Monatsbericht des BMF
          Die Reform der Regulierung von zentralen Clearingstellen in der EU (EMIR 2)                            Dezember 2018

wenn dies zum Schutz der Finanzstabilität in der EU                           auf Vorschlag der Europäischen Kommission vom
erforderlich ist. Die Entscheidung über die Verlage-                          Rat und vom Europäischen Parlament ernannt wer-
rung soll die Europäische Kommission auf gemein-                              den soll. Sofern eine Aufsichtsentscheidung in Be-
same Empfehlung der ESMA und den betroffenen                                  zug auf eine einzelne CCP getroffen werden soll, soll
emittierenden Zentralbanken treffen können.                                   dem Gremium auch ein Vertreter der zuständigen
                                                                              Aufsichtsbehörde der betroffenen CCP als stimmbe-
                                                                              rechtigtes Mitglied angehören. Dem Gremium sol-
   Die Reform der Regulierung                                                 len ferner ein Vertreter der EZB, die Vertreter der
   von EU-CCPs                                                                sonstigen betroffenen emittierenden Zentralbanken
                                                                              sowie ein Vertreter der Europäischen Kommission
Der EMIR 2-Vorschlag sieht neben der Überarbei-                               als nicht stimmberechtigte Mitglieder angehören.
tung des Drittstaatenregimes auch eine Reform des
bestehenden Regulierungsrahmens für EU-CCPs
vor. In Bezug auf EU-CCPs sollen die ESMA und die                                  Ausblick
jeweils betroffenen emittierenden Zentralbanken
umfangreiche Mitentscheidungsrechte bei Auf-                                  Der Vorschlag der Europäischen Kommission
sichtsentscheidungen durch die zuständigen Auf-                               wurde vom Europäischen Parlament und im Rat
sichtsbehörden der Mitgliedstaaten erhalten.                                  von einer Arbeitsgruppe beraten, der Vertreter der
                                                                              Finanzministerien der Mitgliedstaaten angehören.
                                                                              Das Europäische Parlament hat am 16. Mai 2018 ei-
   Einrichtung eines neuen Auf-                                               nen Bericht zum Vorschlag der Kommission vor-
   sichtsgremiums bei der ESMA                                                gelegt. Der Rat hat am 3. Dezember 2018 eine All-
                                                                              gemeine Ausrichtung verabschiedet. Dabei hat der
Zur Erfüllung der neuen Aufsichtsaufgaben der                                 Rat den Vorschlag der Europäischen Kommission
ESMA sowohl im Bereich der Drittstaaten-CCPs als                              zur Neugestaltung der ESMA-Aufsicht angepasst
auch im Bereich der EU-CCPs sieht der Entwurf der                             und die Befugnisse der EZB stärker konkretisiert als
Europäischen Kommission die Einrichtung eines                                 ursprünglich vorgeschlagen. Auf dieser Grundlage
neuen Aufsichtsgremiums bei der ESMA vor (CCP-                                wird nunmehr das Trilogverfahren zwischen Euro-
Exe­kutivausschuss). Das Gremium soll von einem                               päischer Kommission, Rat und Europäischem Par-
unabhängigen Vorsitzenden geleitet werden, der                                lament durchgeführt.

                                                                          10
Analysen und Berichte                                                      Monatsbericht des BMF
                                                                                           Dezember 2018

Der Effekt der kalten Progression bei der
Einkommensteuer

                                                                                                             Analysen und Berichte
    ●● Die Bundesregierung legt alle zwei Jahre einen Bericht über die Wirkung der kalten Progression
       im Verlauf des Einkommensteuertarifs vor. Entscheidungen über Änderungen im Tarifverlauf
       obliegen dem Deutschen Bundestag.

    ●● Der Dritte Steuerprogressionsbericht für die Jahre 2018/2019 rechnet mit einem Effekt der
       kalten Progression im Umfang von rund 3,3 Mrd. € im Jahr 2018 und 3,8 Mrd. € im Jahr 2019.
       Ein vollständiger Ausgleich des Effekts der kalten Progression auf tariflicher Ebene kann nur
       durch eine Verschiebung der Eckwerte des Einkommensteuertarifs im Umfang der Inflationsra-
       te erreicht werden.

    ●● Im Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Entlastung von Familien sowie zur Anpassung wei-
       terer steuerlicher Regelungen (Familienentlastungsgesetz, Bundestagsdrucksache 19/4723) hat
       die Bundesregierung entsprechende Regelungen vorgeschlagen, die inzwischen vom Bundestag
       und Bundesrat beschlossen worden sind. Diese beruhten allerdings noch auf den etwas höheren
       Vorgaben der Frühjahrsprojektion der Bundesregierung.

    ●● Dadurch fällt die Verschiebung der Eckwerte des Tarifs etwas stärker aus, als zum vollständigen
       Ausgleich der kalten Progression auf tariflicher Ebene notwendig wäre. Die Bürger werden so
       zusätzlich um rund 105 Mio. € im Jahr 2019 und 15 Mio. € im Jahr 2020 entlastet.

   Anlass des Berichts                                       Als kalte Progression
                                                             wird der Anstieg des durchschnittlichen
Der Deutsche Bundestag hat in seiner 172. Sitzung            Steuersatzes der Einkommensteuer bezeich-
am 29. März 2012 zu dem von ihm verabschiede-                net, der auf Lohn- und Gehaltserhöhungen
ten Gesetz zum Abbau der kalten Progression (Bun-            zurückzuführen ist, die lediglich den Preis-
destagsdrucksachen 17/8683, 17/9201) die folgende            anstieg (Inflation) ausgleichen.
Entschließung angenommen:

„Die Bundesregierung wird beauftragt, beginnend         Der Erste Steuerprogressionsbericht über die Wir-
mit der 18. Legislaturperiode des Deutschen Bun-        kung der kalten Progression für die Jahre 2013
destages, alle zwei Jahre jeweils zusammen mit dem      bis 2016 wurde im Januar 2015 vorgelegt (verglei-
Existenzminimumbericht einen Bericht über die           che Erster Steuerprogressionsbericht, Bundestags-
Wirkung der kalten Progression im Verlauf des Ein-      drucksache 18/3894). Zum Ausgleich der kalten
kommensteuertarifs (Steuerprogressionsbericht)          Progression der Jahre 2014/2015 wurden daraufhin
vorzulegen. Die Entscheidung über Änderungen            die Tarifeckwerte des Einkommensteuertarifs 2016
im Tarifverlauf obliegt dem Deutschen Bundestag.“       zusätzlich zum entsprechend den Ergebnissen des
                                                        Existenzminimumberichts angehobenen Grund-
                                                        freibetrag um die kumulierte Inflationsrate nach

                                                      11
Analysen und Berichte                                                                    Monatsbericht des BMF
          Der Effekt der kalten Progression bei der Einkommensteuer                                      Dezember 2018

rechts verschoben (vergleiche Gesetz zur Anhe-                          verteilen, da der Umfang der kalten Progression im
bung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags,                       Einzelfall von der Höhe des zu versteuernden Ein-
des Kindergelds und des Kinderzuschlags vom                             kommens und dem damit verbundenen tariflichen
16. Juli 2015, BGBl. I S. 1202). Im Ergebnis wirken                     Einkommensteuersatz bestimmt wird. Die Berech-
die tariflich vorgegebenen Grenzsteuersätze jeweils                     nungen müssen daher auf der Ebene individueller
erst bei entsprechend höheren zu versteuernden                          Steuerpflichtiger ausgeführt werden. Für Berech-
Einkommen.                                                              nungen dieser Art haben sich sogenannte Mikro-
                                                                        simulationsmodelle der Einkommensbesteuerung
Der Zweite Steuerprogressionsbericht über                               bewährt.
die Wirkung der kalten Progression für die
Jahre 2016/2017 wurde im November 2016 vorge-                           Das zur Quantifizierung der kalten Progression
legt (vergleiche Zweiter Steuerprogressionsbericht,                     verwendete Einkommensteuer-Mikrosimulations-
Bundestagsdrucksache 18/10221). Zum Ausgleich                           modell wurde durch das Fraunhofer-Institut für
der kalten Progression der Jahre 2016/2017 wur-                         angewandte Informationstechnik (FIT) im Rahmen
den die Tarifeckwerte der Einkommensteuerta-                            einer Forschungskooperation mit dem BMF ent-
rife 2017/2018 zusätzlich zu den entsprechend den                       wickelt und wird seit vielen Jahren für die Quan-
Ergebnissen des Existenzminimumberichts ange-                           tifizierung der fiskalischen Auswirkungen von
hobenen Grundfreibeträgen jeweils um die Inflati-                       Steuerrechtsänderungen im Bereich der Einkom-
onsrate des Vorjahres nach rechts verschoben (ver-                      mensteuer verwendet.
gleiche Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der
EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnah-                         Grundlage des Modells ist aktuell eine Unter-
men gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen                            stichprobe der anonymisierten 10-Prozent-Stich-
vom 20. Dezember 2016, BGBl. I S. 3000).                                probe der Lohn- und Einkommensteuerstatis-
                                                                        tik des Jahres 2013. Sie umfasst zurzeit mehr als
Entsprechend dem Bundestagsbeschluss hat die                            940.000 Einzelfälle. Damit ist die Stichprobe re-
Bundesregierung inzwischen den Dritten Bericht                          präsentativ für die Gesamtheit der Lohn- und
zur Schätzung der kalten Progression bei der Ein-                       Einkommensteuerpflichtigen.
kommensteuer in den Jahren 2018/2019 vorgelegt
(Bundestagsdrucksache 19/5450).                                         Der originäre Datensatz besteht aus etwa
                                                                        1.000 Merkmalen und wird für eine adäquate pro-
                                                                        grammtechnische Umsetzung in einem komple-
   Methodisches Vorgehen bei                                            xen Aufbereitungsprogramm auf rund 245 Merk-
   der Ermittlung der kalten                                            male reduziert.

   Progression                                                          Aufgrund der zeitlichen Verzögerung im Rahmen
                                                                        des Veranlagungsverfahrens und der aufwändigen
   Verwendung eines                                                     Aufbereitung der Einzeldaten durch das Statisti-
   Mikrosimulationsmodells der                                          sche Bundesamt hat die dem Modell zugrunde lie-
   Einkommensbesteuerung                                                gende Datenbasis in der Regel ein Alter von fünf
                                                                        bis sechs Jahren. Dies macht eine Anpassung an die
Das Gesamtvolumen der kalten Progression hängt                          seitherige wirtschaftliche und demografische Ent-
maßgeblich davon ab, wie sich die Steuerpflichtigen                     wicklung notwendig. FIT überarbeitet laufend die
mit ihrem zu versteuernden Einkommen auf die                            verwendete Datenbasis und ihre Fortschreibung
einzelnen Abschnitte des Einkommensteuertarifs                          auf spätere Jahre.

                                                                      12
Analysen und Berichte                                                                      Monatsbericht des BMF
           Der Effekt der kalten Progression bei der Einkommensteuer                                        Dezember 2018

Neben der jeweils aktuellen verfügbaren Einkom-                          Einkommenssteigerung in Höhe der Inflationsrate
mensteuerstichprobe dienen dazu insbesondere                             erhalten. Das in den Jahren t und t + 1 zugrunde ge-
die Ergebnisse der Steuerschätzungen im Mai und                          legte Steuerrecht entspricht dem geltenden Steu-

                                                                                                                                  Analysen und Berichte
im November sowie eine von FIT durchgeführte                             errecht des jeweiligen Jahres. Simuliert wird somit
Vorausschätzung der Kindergeldkinder. Für die                            die Steuerbelastung der Steuerpflichtigen des Jah-
strukturelle Bevölkerungsentwicklung wird auf die                        res t im Jahre t + 1.
jeweils aktuelle Bevölkerungsvorausberechnung
des Statistischen Bundesamts zurückgegriffen. Da-                        Sofern allerdings zum Ausgleich der kalten Pro-
rüber hinaus finden weitere Datenquellen bei der                         gression des Vorjahres im Jahr t + 1 steuerliche
Aktualisierung und Fortschreibung der Datenbasis                         Maßnahmen vorgenommen wurden, bleiben diese
Berücksichtigung, etwa die Entwicklung der Zahl                          unberücksichtigt. Anderenfalls würde der progres-
der Riester-Verträge oder die Rentenstatistik.                           sionsausgleichende Effekt dieser Maßnahmen dop-
                                                                         pelt Berücksichtigung finden.
Das bestehende Einkommensteuergesetz wird in
einem Programmcode abgebildet. Unterschiedli-                            In der Realität werden die Steuerpflichtigen des
che historische Stände des jeweils geltenden Rechts                      Jahres t nicht mit denjenigen des Jahres t + 1 iden-
und der zu evaluierenden Gesetzesänderungen                              tisch sein. Einige Steuerpflichtige werden ausschei-
werden insbesondere durch unterschiedliche Para-                         den (z. B. durch Arbeitslosigkeit, Ruhestand, Tod),
meter wiedergegeben. Derzeit sind auf diese Weise                        andere werden hinzukommen (z. B. Berufsanfän-
über 140 Merkmale des Steuerrechts parametri-                            ger). Diesem Sachverhalt können die Modellsimu-
siert. Gesetzesänderungen im Einkommensteuer-                            lationen nicht Rechnung tragen.
bereich werden in die Berechnungsalgorithmen
eingearbeitet.                                                           Um zu verhindern, dass diese Abweichungen bei
                                                                         Berechnungen über mehrere Jahre kumulieren,
Auf Grundlage der Datenbasis und des abgebil-                            wird die kalte Progression nicht im Vergleich zu
deten Rechtsstands kann im Modell die Einkom-                            einem festen Basisjahr, sondern von Jahr zu Jahr
mensteuerschuld jedes einzelnen Steuerpflichti-                          quantifiziert. Das bedeutet: Die kalte Progression
gen berechnet und die aggregierte Gesamtwirkung                          des Jahres t + 1 wird für die Steuerpflichtigen des
möglicher Reformszenarien simuliert werden.                              Jahres t ermittelt, diejenige des Jahres t + 2 für die
                                                                         Steuerpflichtigen des Jahres t + 1 usw.
Aktuell besteht die Möglichkeit, Simulations-
rechnungen für die Jahre von 2013 bis 2024                               Auf diese Weise wird auch berücksichtigt, dass das
vorzunehmen.                                                             Einkommen tatsächlich häufig nicht nur um die In-
                                                                         flationsrate steigt, sondern stärker. Indem für jedes
                                                                         Berechnungsjahr die tatsächlichen Einkommen
   Quantifizierung der Auswirkungen                                      der jeweiligen Steuerpflichtigen als Ausgangsba-
   der kalten Progression                                                sis genommen werden, wird einer Unterschätzung
                                                                         der Auswirkungen der kalten Progression vorge-
Ausgangspunkt für die Quantifizierung der Aus-                           beugt. Reale Einkommenszuwächse führen zwar
wirkung der kalten Progression ist die Gesamt-                           definitionsgemäß nicht zu kalter Progression, sie
heit der Steuerpflichtigen eines bestimmten Jah-                         haben aber im Zeitablauf Auswirkungen auf die
res (t). Für die Modellrechnung wird angenommen,                         Höhe der in den einzelnen Jahren errechneten kal-
dass alle Steuerpflichtigen im Folgejahr (t + 1 ) eine                   ten Progression.

                                                                       13
Analysen und Berichte                                                                        Monatsbericht des BMF
         Der Effekt der kalten Progression bei der Einkommensteuer                                          Dezember 2018

    Konkret erfolgt die Berechnung der kalten Progression im Mikrosimulationsmodell wie folgt:

    Im ersten Schritt werden für jeden Steuerpflichtigen sämtliche Einkünfte (Einnahmen abzüg-
    lich Betriebsausgaben beziehungsweise Werbungskosten) entsprechend der Preisentwicklung
    der Konsumausgaben der privaten Haushalte erhöht. Eine Besonderheit bildet die Einkunfts-
    art „nichtselbständige Arbeit“, bei der nicht die Einkünfte, sondern die Einnahmen fortgeschrie-
    ben werden. Dadurch wird der Tatsache Rechnung getragen, dass bei Arbeitnehmern die Frage im
    Vordergrund steht, in welchem Umfang kalte Progression bei einer Erhöhung der Bruttolöhne
    beziehungsweise -gehälter in Höhe der Inflationsrate entsteht.

    Für die übrigen Einkunftsarten liegen in der amtlichen Einkommensteuerstatistik, die die Daten-
    basis des Mikrosimulationsmodells bildet, grundsätzlich keine Angaben zu den Einnahmen vor.
    Implizit muss daher für alle anderen Einkunftsarten die Annahme getroffen werden, dass sich Ein-
    nahmen und Betriebsausgaben beziehungsweise Werbungskosten mit gleicher Rate verändern.

    Die Preisentwicklung wird hier mit dem Index der Konsumausgaben der privaten Haushalte aus
    der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung gemessen, weil dieser Index jeweils die geänderten
    Verbrauchsgewohnheiten automatisch berücksichtigt.

    Die Preisentwicklung der Konsumausgaben der privaten Haushalte weist nach der aktuellen
    Herbstprojektion der Bundesregierung für das Jahr 2018 eine Steigerung von 1,74 % aus. Für das
    Jahr 2019 wird von einem Zuwachs von 1,94 % ausgegangen.

    Für die dementsprechend inflationierten Einkünfte beziehungsweise Einnahmen wird die sich er-
    gebende Steuerlast ermittelt. Dabei wird das geltende Recht des Folgejahres – mit Ausnahme der
    zum Ausgleich der kalten Progression der Vorjahre vorgenommenen steuerlichen Maßnahmen –
    zugrunde gelegt. Dies hat zur Folge, dass die Einflüsse auf die kalte Progression, die sonstige be-
    reits beschlossene Rechtsänderungen mit sich bringen, Berücksichtigung finden.

    In einem zweiten Schritt wird die Steuer ermittelt, die bei einer Fortschreibung der Einkünfte be-
    ziehungsweise Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit mit dem verwendeten Preisindex zu ei-
    ner konstanten Durchschnittssteuerbelastung führt. Hierzu ist die Steuer im Ausgangsjahr eben-
    falls um diese Inflationsrate anzuheben.

    In einem dritten Schritt wird die Differenz zwischen den beiden ermittelten Steuerbeträgen und
    somit der Effekt der kalten Progression errechnet.

   Ergebnisse der                                                         Jahren 2018/2019 ist der nachstehenden Über-
   Simulationsrechnungen zur                                              sicht zu entnehmen. Dabei ist zu berücksichtigen,
                                                                          dass die dargestellte Berechnungsmethodik jeweils
   Höhe der kalten Progression                                            den Effekt der kalten Progression ausweist, der auf-
                                                                          grund der Inflation eines Jahres neu entsteht.
Das auf die oben beschriebene Art und Weise er-
mittelte Volumen der kalten Progression in den

                                                                     14
Analysen und Berichte                                                                            Monatsbericht des BMF
              Der Effekt der kalten Progression bei der Einkommensteuer                                              Dezember 2018

  Volumen der im Jahr 2018 entstehenden kalten Progression¹                                                                 Tabelle 1
  in Mrd. €

                                                                                                                                           Analysen und Berichte
                                                                                     Volumen
                                                                                                  davon
       Inflationsrate                  Insgesamt                          Bund                   Länder                Gemeinden
                      1,74 %                           3,33                         1,59                   1,29                     0,45

 1 Betroffen sind rund 32,1 Millionen Steuerpflichtige mit durchschnittlich 104 € pro Jahr.
 Quelle: Bundesministerium der Finanzen

  Volumen der im Jahr 2019 zusätzlich entstehenden kalten Progression¹                                                     Tabelle 2
  in Mrd. €

                                                                                     Volumen
                                                                                                  davon
       Inflationsrate                   Insgesamt                         Bund                    Länder               Gemeinden
                      1,94 %                           3,81                         1,83                    1,46                    0,52
 1 Betroffen sind rund 32,8 Millionen Steuerpflichtige mit durchschnittlich 116 € pro Jahr.
 Quelle: Bundesministerium der Finanzen

   Maßnahmen zum Ausgleich                                                       zumindest im Umfang der maßgeblichen Inflati-
   der kalten Progression                                                        onsraten erreicht werden.

Im Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Ent-
lastung der Familien sowie zur Anpassung weiterer                                     Tarifeckwerte
steuerlicher Regelungen (Familienentlastungsge-                                       sind die Punkte im Tarifverlauf, an denen
setz, Bundestagsdrucksache 19/4723) sind Maß-                                         die einzelnen Tarifzonen des Einkommen-
nahmen zur Anhebung des Grundfreibetrags zum                                          steuertarifs (Grundfreibetrag; erste Progres-
1. Januar 2019 um 168 € und zum 1. Januar 2020                                        sionszone; zweite Progressionszone; erste
um weitere 240 € vorgesehen. Dadurch werden die                                       obere Proportionalzone; zweite oberer Pro-
Steuerpflichtigen zum 1. Januar 2019 insgesamt um                                     portionalzone) aneinander anschließen. Der
rund 1,4 Mrd. € und zum 1. Januar 2020 um wei-                                        Tarifverlauf der Einkommensteuer wird über
tere 2,0 Mrd. € entlastet und der Effekt der kalten                                   diese Tarifeckwerte bestimmt.
Progression der Jahre 2018 und 2019 bereits deut-
lich gemildert.
                                                                                 Die Bundesregierung hatte deshalb im obenge-
Allerdings wäre auch bei einem vollständigen glo-                                nannten Gesetzentwurf eines Familienentlastungs-
balen Ausgleich des Effekts der kalten Progres-                                  gesetzes bereits entsprechende Regelungen vorge-
sion, z. B. durch eine weitergehende Anhebung des                                schlagen. Diese beruhten allerdings noch auf den
Grundfreibetrags, nicht sichergestellt, dass die in-                             Vorgaben der Frühjahrsprojektion, die die Preisent-
dividuelle tarifliche Mehrbelastung in jedem Ein-                                wicklung der Konsumausgaben der privaten Haus-
zelfall tatsächlich ausgeglichen wird. Dies kann nur                             halte für das Jahr 2018 mit 1,84 % (statt jetzt 1,74 %)
durch eine Rechtsverschiebung der Tarifeckwerte                                  und für 2019 mit 1,95 % (statt jetzt 1,94 %) auswies.

                                                                            15
Analysen und Berichte                                                                      Monatsbericht des BMF
          Der Effekt der kalten Progression bei der Einkommensteuer                                        Dezember 2018

Das Gesetz ist inzwischen von Bundestag und Bun-                        stärker aus, als es für den Ausgleich der kalten Pro-
desrat ohne Änderungen beim Ausgleich der kalten                        gression notwendig wäre. Die Bürger werden da-
Progression beschlossen worden. Im Ergebnis fällt                       durch zusätzlich im Jahr 2019 um 105 Mio. € und
die Verschiebung der Tarifeckwerte somit etwas                          im Jahr 2020 um 15 Mio. € entlastet.

                                                                      16
Analysen und Berichte                                                           Monatsbericht des BMF
                                                                                                Dezember 2018

Stiftungskonferenz der Stiftung
„Geld und Währung“

                                                                                                                      Analysen und Berichte
    ●● Am 15. November 2018 fand im BMF in Berlin die zweite Stiftungskonferenz der Stiftung „Geld
       und Währung“ statt.

    ●● Unter dem übergeordneten Thema „Herausforderungen der anhaltenden Niedrigzinsphase“ tra-
       fen sich mehr als 80 Teilnehmende, darunter Vertreterinnen und Vertreter der Wissenschaft, der
       Verbände, von interessierten Unternehmen und des BMF.

    ●● Eingebettet in die Konferenz war die erstmalige Verleihung des Stiftungspreises.

   Einleitung                                               realwirtschaftliche Funktion zu jeder Zeit – und da-
                                                            mit auch in Stressphasen – erfüllen kann. Wie auch
Die zweite Stiftungskonferenz der Stiftung „Geld            in der Politik bedeutet Stabilität hier Verlässlichkeit
und Währung“ widmete sich der andauernden                   für alle Akteure des Finanzmarkts und damit insbe-
Niedrigzinsphase und den daraus resultierenden              sondere auch für Bürger und Unternehmen.
Herausforderungen für den Finanzmarkt. Banken
fällt es zunehmend schwer, ihre Zinskosten zu ver-          Dank zahlreicher Maßnahmen wurde – so zeigte
dienen. Lebensversicherer stehen vor der Heraus-            sie in der Rückschau – in den vergangenen Jahren
forderung, die versprochenen Zinsgarantien zu               viel erreicht, um die Stabilität des Finanzsektors
erwirtschaften. Dies macht eine Anpassung der Ge-           auch unter den Rahmenbedingungen niedriger
schäftsmodelle an die Bedingungen niedriger Zin-            Zinsen zu sichern. Mit Blick auf die Aufsicht über
sen erforderlich.                                           einzelne Akteure sind die Schaffung europäischer
                                                            Aufsichtsbehörden und insbesondere die Etablie-
                                                            rung der einheitlichen europäischen Bankenauf-
   Der politische                                           sicht hervorzuheben.
   Ordnungsrahmen im Umfeld
                                                            Die gemeinsame Aufsicht ist ein Grundpfeiler der
   niedriger Zinsen                                         europäischen Bankenunion, die durch den europä-
                                                            ischen Abwicklungsmechanismus und die Harmo-
In ihrer Eröffnungsrede unterstrich die Parlamen-           nisierung nationaler Einlagensicherungssysteme
tarische Staatssekretärin Christine Lambrecht die           ergänzt wird. Der Abwicklungsmechanismus soll
Bedeutung der Stabilität des Geldwesens in der              sicherstellen, dass die Schieflage einzelner Banken
anhaltenden Niedrigzinsphase. Einen besonderen              nicht zur Gefahr für das ganze System werden kann.
Fokus legte sie auf die Rolle einer effizienten Fi-         Mit dem „Bail-in“ als zentralem Instrument der Ab-
nanzaufsicht im Umfeld niedriger Zinsen. Denn               wicklung wurde die ökonomische Beziehung zwi-
in Zeiten niedriger Zinsen ist ein breiteres Ver-           schen Risiko und Haftung wiederhergestellt.
ständnis von „stabilem Geld“ nötig als die reine
Frage nach Inflationsraten. Ein stabiles Geldwesen          Die globale Finanzkrise hat vor Augen geführt,
braucht stabile und damit handlungsfähige Institu-          dass die Stabilität einzelner Unternehmen nicht
tionen und einen stabilen Finanzmarkt, der seine            zwangsläufig auch die Stabilität des Systems

                                                       17
Analysen und Berichte                                                              Monatsbericht des BMF
           Stiftungskonferenz der Stiftung „Geld und Währung“                                       Dezember 2018

gewährleistet. Vielmehr kann kollektives Verhalten                in einem breit gestreuten und gemischten Portfolio
bei ähnlichen Risiken zu einer systemischen Ge-                   kontinuierlich erhöht wurde, da Stiftungen Buch-
fahr werden. Daher wurde die klassische, auf den                  verluste bei schwachen Märkten langfristig „aussit-
einzelnen Marktakteur ausgerichtete Aufsicht um                   zen“ können. Darüber hinaus wurde das Stiftungs-
eine systemweite Perspektive ergänzt. Die Aufgabe                 vermögen kontinuierlich von 51 Mio. € mit Beginn
dieser makroprudenziellen Aufsicht ist die Früher-                der Stiftungsarbeit im Jahr 2002 auf 78 Mio. € im
kennung von Risiken für die Finanzstabilität in al-               Jahr 2017 ausgebaut. So sieht die Stiftung ihre Auf-
len Sektoren.                                                     gabenerfüllung auch unter einer anhaltenden
                                                                  Niedrigzinsphase gewährleistet und will zukünftig
Eine stabilitätsorientierte Finanzaufsicht benö-                  verstärkt neue Projekte fördern.
tigt neben einer funktionsfähigen Risikoüberwa-
chung auch geeignete Instrumente, um Risiken zu
begrenzen. Dieser Instrumentenkasten muss mit                         Die Stiftung „Geld und Währung“
Blick auf neue Risiken im Umfeld niedriger Zinsen                     fördert die wirtschafts- und rechtswissen-
ausreichend flexibel sein.                                            schaftliche Forschung auf dem Gebiet des
                                                                      Geld- und Währungswesens. Sie leistet da-
Diese bereits umgesetzten Maßnahmen tragen zu                         mit einen Beitrag zur wissenschaftlichen
einem stabilen Geldwesen bei. Das einmalige Aus-                      Fundierung der Notenbankpolitik und der
maß an geldpolitischer Lockerung hat jedoch bis-                      Finanzstabilität sowie der entsprechenden
herige Grundannahmen und Lehrsätze der Öko-                           Regierungsvorhaben auf dem Gebiet der Fi-
nomie in Frage gestellt. Umso wichtiger ist die                       nanzmarktaufsicht und -regulierung. Die
Förderung der Forschung in diesem Bereich, die                        Stiftungsarbeit hat folgende Schwerpunkte:
sich die Stiftung „Geld und Währung“ zum Ziel ge-
setzt hat und die zum Erhalt eines stabilen Geldwe-                   ●● Förderung des interdisziplinären Kompe-
sens auch in Zukunft beitragen kann.                                     tenzzentrums „Institute for Monetary and
                                                                         Financial Stability“ der Goethe-Universi-
                                                                         tät Frankfurt am Main mit Professoren der
   Förderungsmöglichkeiten in                                            Wirtschafts- und Rechtswissenschaften,
   Zeiten niedriger Zinsen                                            ●● Förderung von Graduiertenkollegs, zur
                                                                         Zeit des interdisziplinären Graduiertenkol-
Die anhaltende Niedrigzinsphase stellt nicht nur                         legs „Geld und Währung“ an der Universi-
für Anleger, Versicherungen und Banken, sondern                          tät Mannheim mit seinem Leiter Prof. Klaus
auch für die etwa 22.000 Stiftungen in Deutsch-                          Adam,
land eine zunehmende Herausforderung dar. Denn                        ●● Förderung von hervorragenden Promo-
diese finanzieren ihre Aufgaben mit Erträgen aus                         tionen mit der Auszeichnung durch den
dem Stiftungsvermögen. Diese Erträge sind jedoch                         Stiftungspreis.
seit Jahren rückläufig.

Prof. Dr. Thomas M. J. Möllers, der Vorsitzende des
Stiftungsrates, erläuterte, wie die Stiftung „Geld
                                                                     Wissenschaftliche Vorträge
und Währung“ dieser Herausforderung über eine
passive Anlagestrategie nach dem Benchmark-                       Das Mandat der Geldpolitik ist die Wahrung der
konzept begegnet. Dabei ist es Ziel der Kapitalan-                Preisstabilität, während die makroprudenzielle Po-
lage, pro Jahr mindestens 1 Mio. € auszuschütten                  litik auf die Stabilität des Finanzsystems als Gan-
und zugleich das durch die Bundesbank verwaltete                  zes zielt. Beide üben Einfluss aufeinander aus.
Stiftungskapital langfristig zu erhalten. Diese Ziele             Beispielsweise können makroprudenzielle Instru-
konnten erreicht werden, indem der Aktienanteil                   mente wie höhere Kapitalanforderungen die durch

                                                                18
Analysen und Berichte                                                              Monatsbericht des BMF
            Stiftungskonferenz der Stiftung „Geld und Währung“                                       Dezember 2018

niedrige Zinsen steigenden Risiken für die Finanz-                 Referenzregeln für die makroprudenzielle Politik
stabilität begrenzen, während sie gleichzeitig dem                 abzuleiten. Darüber hinaus wurde untersucht, wie
verstärkten Druck auf die Immobilienpreise gegen-                  sich die Wirkung der Politik zusammen mit den

                                                                                                                          Analysen und Berichte
wirken können.                                                     rechtlichen Rahmenbedingungen im Finanzsys-
                                                                   tem analysieren lässt.
Prof. Volker Wieland, Ph.D., Mátyás Farkas, Philipp
Lieberknecht und Prof. Dr. Tobias Tröger vom Ins-                  Prof. Klaus Adam, Ph.D. von der Universität Mann-
titute for Monetary and Financial Stability (IMFS)                 heim und Leiter des Graduiertenkollegs „Geld und
präsentierten ihre Forschungsergebnisse zu Ver-                    Währung“ referierte über den Zusammenhang
gleichsmaßstäben, Referenzregeln, Wechselwir-                      von Preisblasen bei Wohnimmobilien, Niedrigzin-
kungen und juristischen Rahmenbedingungen                          sen und Exportsalden und präsentierte seine Er-
geldpolitischer und makroprudenzieller Instru-                     gebnisse zu empirischen Indikatoren zur Beurtei-
mente. Diese fördern das Verständnis für den Zu-                   lung der Preisentwicklung von Wohnimmobilien
sammenhang von Realwirtschaft, Finanzsektor,                       in Deutschland. Fabian Greimel vom Graduierten-
Vermögenspreisen und Inflation und unterstützen                    kolleg erweiterte die Diskussion um den Aspekt der
den zielgerichteten Einsatz der Politikinstrumente                 sozialen Ungleichheit als Treiber von privater Ver-
in komplexen Entscheidungsprozessen.                               schuldung und eines Hypothekenbooms: Danach
                                                                   könne eine kreditfinanzierte Preisblase im Wohn­
Um die Wirkung verschiedener Instrumente besser                    immobilienmarkt auch durch soziale Vergleiche
zu erfassen und Modelle zu vergleichen, haben die                  bei wachsender gesellschaftlicher Ungleichheit ge-
Forscher am IMFS eine Online-Modelldatenbank,                      trieben werden.
die Macroeconomic Model Data Base (MMB), mit
mehr als 110 Modellen aufgebaut. Die frei zugäng-                  Tim Engel vom Graduiertenkolleg beschäftigte sich
liche Software1 ermöglicht die vergleichende Ana-                  mit der Frage, wie den Aufsichtsbehörden im Rah-
lyse von Geld-, Fiskal- und makroprudenzieller Po-                 men der präventiven Adressierung systemischer
litik sowie die Ableitung robuster Referenzregeln                  Risiken die proaktive Anwendung des makropru-
für die Geld- und die makroprudenzielle Politik.                   denziellen Instrumentariums erleichtert und An-
                                                                   reize zu frühzeitigen Vorsorgemaßnahmen ge-
Referenzregeln, aus denen sich Handlungsemp-                       schaffen werden könnten. Dabei ist weiterhin der
fehlungen für Entscheidungsträger ableiten lassen,                 Grundsatz zu berücksichtigen, dass die Anwen-
sind in der Geldpolitik bereits etabliert. Für die ma-             dung makroprudenzieller Instrumente die Identi-
kroprudenzielle Politik existieren bisher weit we-                 fizierung potenzieller Risiken für die Finanzstabi-
niger Erkenntnisse über Referenzregeln. In For-                    lität voraussetzt.
schungsarbeiten am IMFS wurde daher untersucht,
wie eine optimale Referenzregel bei der Festlegung
des antizyklischen Kapitalpuffers aussehen könnte,                    Stiftungspreis
den Banken vorhalten müssen, wenn die Kredit­
entwicklung nicht mehr im Einklang mit der re-                     Im Rahmen der Konferenz wurde Dr. Patrick Hauser
alwirtschaftlichen Entwicklung ist. Je nach Modell                 mit dem Stiftungspreis für seine breite, fundierte
können diese optimalen Referenzregeln sehr un-                     und interdisziplinäre Forschung zur Privilegierung
terschiedlich ausfallen. Die Forschungsarbeiten am                 staatlicher Schuldner ausgezeichnet. Mit seiner Ar-
IMFS zeigen jedoch, dass sich das sogenannte Mo-                   beit trägt er zu einem aktiven Austausch zwischen
del-Averaging als Methode eignet, um aus mehre-                    Wissenschaft und Politik bei. Diese beschäftigt sich
ren unterschiedlich gewichteten Modellen robuste                   im Kern mit möglichen Interessenkonflikten von
                                                                   Staaten in der Doppelrolle als Finanzmarktregu-
                                                                   lierer und Markteilnehmer, die sich in bestimmten
1   www.macromodelbase.com                                         Formen der Privilegierung staatlicher Schuldner

                                                                 19
Analysen und Berichte                                                              Monatsbericht des BMF
          Stiftungskonferenz der Stiftung „Geld und Währung“                                       Dezember 2018

zeigen. Im Ergebnis sollten, nach Ansicht Hausers,               Erkenntnisse wichtige Impulse für Regulierung
aus rechtlicher Sicht für die staatliche und private             und Aufsicht geben können. Die Stiftung „Geld und
Kreditaufnahme gleichgerichtete Regeln gelten.                   Währung“ wird weiterhin eine wichtige Plattform
                                                                 für exzellente wirtschaftswissenschaftliche und ju-
Über einen kontroversen und anregenden Aus-                      ristische Forschung auf dem Gebiet des Geld- und
tausch im Zusammenhang mit den Vorträgen                         Währungsrechts bilden.
wurde erneut deutlich, dass wissenschaftliche

                                                               20
Analysen und Berichte                                                          Monatsbericht des BMF
                                                                                               Dezember 2018

Fachkonferenz „Zukunft der Datenökonomie“

                                                                                                                  Analysen und Berichte
    ●● Am 19. November 2018 fand im BMF eine Fachkonferenz zur „Zukunft der Datenökonomie“ statt.

    ●● Eingeladen waren ausgewählte Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft, Zivil-
       gesellschaft, Verwaltung, Publizistik und Verbänden.

    ●● Ziel war eine ganzheitliche Diskussion der Handlungsbedarfe und Handlungsoptionen in Bezug
       auf Besteuerung, Wettbewerb und Geschäftsmodelle, Datenzugang und Datennutzung sowie
       Governance.

   Einleitung                                           ●● Datenzugang und Datennutzung: Wie sind
                                                           Wert, Eigentum und Nutzung von Daten zu
Daten spielen eine immer größere Rolle für Ge-             konzipieren?
schäftsmodelle und Marktgeschehen. Datenrei-
che Märkte, Plattformunternehmen und algo-              ●● Governance: Welchen Ordnungsrahmen
rithmische Systeme verändern Wirtschaft und                braucht die Datenökonomie?
Gesellschaft grundlegend und stellen den beste-
henden staatlichen Ordnungsrahmen vor zahlrei-          Ziel der Veranstaltung war es, in einem offenen
che Herausforderungen. In der öffentlichen De-          Gedanken- und Meinungsaustausch gemeinsam
batte geraten datenbasierte Geschäftsmodelle,           Handlungsbedarfe herauszuarbeiten und unter-
Fragen ihrer Besteuerung, die Gestaltung von Wett-      schiedliche Handlungsoptionen zu diskutieren.
bewerb, Eigentum und Nutzungsrechten häufiger
durcheinander.
                                                            Besteuerung
Vor diesem Hintergrund hat das BMF am 19. No-
vember 2018 ausgewählte Vertreterinnen und Ver-         Nach der Eröffnung durch Staatssekretär Dr. Rolf
treter aus Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesell-       Bösinger referierte Prof. Dr. Johannes Becker von
schaft, Verwaltung, Publizistik und Verbänden           der Universität Münster zu „Unternehmensbesteu-
eingeladen, um die „Zukunft der Datenökonomie“          erung im GAFAM1-Zeitalter“. Prof. Becker stellte
zu diskutieren. Folgende Fragen sollten dabei in        dar, welche Reformbedarfe in Bezug auf die inter-
den Blick genommen werden:                              nationale Unternehmensbesteuerung sich poten-
                                                        ziell aus einer zunehmenden Digitalisierung der
●● Steuern: Welche nationalen und internatio-           Wirtschaft ergeben könnten. Er betonte, dass zent-
   nalen Herausforderungen ergeben sich hin-            rale Herausforderungen wie Gewinnunterbesteue-
   sichtlich der Besteuerung datenbasierter Ge-         rung, nicht funktionierender Wettbewerb oder der
   schäftsmodelle?                                      Schutz der Privatsphäre jeweils adäquate Lösungs-
                                                        ansätze verlangten. Neben der Steueroptimierung
●● Wettbewerb und Geschäftsmodelle: Wie si-
   chern wir in der Datenökonomie fairen Wett-
                                                        1   GAFAM steht für Google, Apple, Facebook, Amazon und
   bewerb und eine vielfältige Wirtschaft?                  Microsoft.

                                                      21
Analysen und Berichte                                                       Monatsbericht des BMF
           Fachkonferenz „Zukunft der Datenökonomie“                                         Dezember 2018

großer Digitalunternehmen sei auch das Besteue-           Geschäftsmodelle in der digitalisierten Wirtschaft
rungsverhalten von Staaten stärker in den Blick zu        zu beobachten sind, wo bewährte genossenschaft-
nehmen. Vor diesem Hintergrund sei eine effektive         liche Modelle durch die digitalisierte Wirtschaft
Mindeststeuer einer Sondersteuer für Digitalunter-        herausgefordert werden und wo genossenschaftli-
nehmen vorzuziehen. Abschließend präsentierte er          che Modelle sich aber selbst an digitalen Innovati-
das Konzept einer „Sustained User Relationship“ als       onen beteiligen. Er betonte, dass eine gemeinsame
möglichen Lösungsansatz für die Unternehmens-             Interessen- und Motivlage sowie die gleichberech-
besteuerung in einer digitalisierten Wirtschaft, in       tigte Kooperation zentrale Erfolgsfaktoren für ge-
der ohne physische Präsenz Aktivität möglich ist.         nossenschaftliche Modelle seien, auch in einer digi-
In der sich anschließenden Diskussion wurden u. a.        talisierten Wirtschaft. In der folgenden Diskussion
die Fragen aufgeworfen, wie wichtig lokale Nutzer-        wurden u. a. die Fragen aufgeworfen, ob die be-
daten für die Gewinne der großen Digitalkonzerne          schriebenen Feedback-Effekte wirklich neu seien,
sind, ob Rohdaten schon als Teil der Wertschöp-           wie der Vorschlag des Datenteilens kartellrechtlich
fung betrachtet werden sollten, ob individuelle Da-       zu beurteilen sei, wie eine praktische institutionelle
tenproduktion als wertschöpfende Arbeit verstan-          Umsetzung des Datenteilens aussehen und wie die
den werden kann, ob Tauschhandel (Daten gegen             Entstehung kooperativer datenbasierter Geschäfts-
Dienstleistung) bei der Besteuerung berücksichtigt        modelle befördert werden könne.
werden sollte und wie die Besteuerung hochdigita-
lisierter Unternehmen mit der Förderung von In-
novation und Forschung in Einklang gebracht wer-             Datenzugang und
den kann.                                                    Datennutzung
                                                          Dr. Nicola Jentzsch von der Stiftung Neue Verant-
   Wettbewerb und                                         wortung referierte zunächst zu „Modellen der Da-
   Geschäftsmodelle                                       tenmonetarisierung“. Dr. Jentzsch beschrieb, wie
                                                          die Kommodifizierung von Daten ökonomisch
Zunächst referierte Prof. Dr. Jens Prüfer von der         konzeptualisiert werden könne und von Marktteil-
Universität Tilburg (Niederlande) zum Thema „He-          nehmern konkret praktiziert werde. Hinsichtlich
rausforderungen und Lösungsvorschläge für das             der Datenintermediation stellte sie den etablier-
Wettbewerbsrecht auf datengetriebenen Märk-               ten anbieterzentrierten Plattformen Ansätze nut-
ten“. Prof. Prüfer stellte die Datifizierung als zen-     zerzentrierter Plattformen gegenüber, die das Da-
tralen Veränderungstreiber für Wettbewerb und             tensubjekt zum „aktiven Spieler“ machen wollten.
Geschäftsmodelle heraus. In Geschäftsfeldern,             Letztere erschienen zwar auf den ersten Blick sou-
in denen Nutzerinformationen zentral für Pro-             veränitätssteigernd, seien aber theoretisch und em-
duktinnovation und die Steigerung der Produkt-            pirisch mit einer Reihe von Problemen verbunden,
qualität seien, komme es zu ökonomischen Feed-            welche die souveränitätssteigernde Wirkung unter-
back-Effekten, welche Innovationsanreize und              minierten. Im Anschluss stellte Dr. Dirk Woywod
Wettbewerb systematisch reduzierten. Es könne             von der Verimi GmbH die konkrete technologische
daher wohlfahrtssteigernd sein, in Märkten, in de-        und betriebswirtschaftliche Funktionsweise einer
nen diese Effekte zu beobachten seien, eine Form          Identitäts- und Datenplattform vor. Dr. Woywod
des obligatorischen Datenteilens zu implemen-             unterstrich, dass eine übergreifende Nutzung digi-
tieren. Dr. Andreas Wieg vom Deutschen Ge-                taler Identitäten für Bürger in allen Sektoren wie
nossenschafts- und Raiffeisenverband referierte           eGovernment, Banking, Versicherung, Telekom-
im Anschluss zum Thema „Genossenschaftli-                 munikation, Gesundheit und Bildung die Harmo-
che Geschäftsmodelle – eine Antwort auf die He-           nisierung regulatorischer Rahmenbedingungen
rausforderungen der Datenökonomie?“. Dr. Wieg             sowie die Förderung von Interoperabilität erfor-
stellte zunächst dar, welche genossenschaftlichen         dere. In der folgenden Diskussion wurden u. a. die

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Analysen und Berichte                                                      Monatsbericht des BMF
           Fachkonferenz „Zukunft der Datenökonomie“                                        Dezember 2018

Fragen aufgeworfen, ob eine zentrale oder dezen-          Vor- und Nachteile heraus. Sie resümierte, dass Mi-
trale Speicherung von Nutzerdaten zielführender           schmodelle am ehesten zielführend seien. So sei
sei, ob wachsende Einwilligungsmöglichkeiten zu           z. B. der richtige Mittelweg zwischen Zentralisie-

                                                                                                                 Analysen und Berichte
einer systematischen Überforderung von Nutzern            rung und Dezentralisierung zu finden. Darüber hi-
führten, welche Folgen Identitäts- und Datenplatt-        naus seien der Verwendung personenbezogener
formen für die vertragsrechtliche Souveränität von        Daten klare Grenzen zu setzen und die Vertretung
Bürgern haben und wie die ungewollte Weiterver-           schwacher und moralischer Interessen zu gewähr-
wendung von Daten effektiv verhindert werden              leisten. In der sich anschließenden Diskussion wur-
könne.                                                    den u. a. die Fragen aufgeworfen, ob Datenschutz-
                                                          behörden und Verbraucherschutzrecht gestärkt
                                                          werden müssten, wo private und wo öffentliche In-
   Governance                                             stitutionen den besten Governance-Ansatz böten
                                                          und welches Potenzial die kostenlose Bereitstel-
Die letzte Diskussionsrunde eröffnete Staatssekre-        lung öffentlicher Daten habe.
tär Wolfgang Schmidt mit einem Impulsvortrag zu
„Herausforderungen einer sozial-digitalen Markt-
wirtschaft“. Im Anschluss referierte Prof. Dr. Ingrid        Fazit und Ausblick
Schneider von der Universität Hamburg zum
Thema „Politökonomische Modelle zur Govern-               Die Fachkonferenz war aus Sicht des BMF für die
ance der Datenökonomie“. Prof. Schneider betonte          internen und externen Teilnehmenden äußerst er-
zunächst, dass Modelle von Datenzugangs- und              tragreich. Insbesondere der integrierte disziplinen-
Datennutzungsrechten keine rein ökonomischen              übergreifende Blick auf die unterschiedlichen Her­
oder juristischen Modelle seien, sondern immer            ausforderungen der Datifizierung von Wirtschaft
auch mit Machtfragen verknüpft seien. Sie be-             und Gesellschaft hat sich als zielführend erwie-
schrieb vier prototypische Modelle, wie Datenzu-          sen. In einem nächsten Schritt werden ausgewählte
gang und Datennutzung in einer Gesellschaft orga-         Handlungsbedarfe und Handlungsoptionen in je-
nisiert werden könnten, und stellte die spezifischen      weils passenden Formaten vertieft werden.

                                                        23
Analysen und Berichte                                                        Monatsbericht des BMF
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Neue Dienstkleidung für den deutschen Zoll

     ●● Die bisherige Dienstkleidung des Zolls wird bundesweit durch eine neue, blaue Dienstkleidung
        ersetzt. Der Rollout startete im September 2018 bei den Flughäfen Frankfurt am Main, Düsseldorf,
        München und Köln/Bonn.

     ●● Auch die Dienstfahrzeuge sowie die Zollschiffe und Zollboote werden Schritt für Schritt von grün
        auf blau umgestellt.

     ●● Mit der Farbe Blau reiht sich der Zoll in die Farbgestaltung der deutschen und europäischen
        Sicherheitsbehörden ein.

   Neue Kleidung – neue Farbe                               Optik. Im Rahmen des Trageversuchs wurden auch
                                                            die Qualität und die Ausstattungsmenge inten-
Seit kurzem sind die Zöllnerinnen und Zöllner               siv getestet und anschließend optimiert. Dank die-
an den Flughäfen Frankfurt am Main, Düsseldorf,             ser umfassenden Praxisanalyse und der vielfachen
München und Köln/Bonn mit einer neuen, blauen               Einbindung der Versuchspersonen steht nun eine
Dienstkleidung im Einsatz. Mit der Farbe Blau reiht         qualitativ hochwertige und funktional verbesserte
sich der Zoll in die Farbgestaltung der deutschen           Dienstkleidung zur Verfügung, mit der sich die
und europä­ischen Sicherheitsbehörden ein. Gleich-          Zöllnerinnen und Zöllner identifizieren können.
zeitig stellen Schnitt und farbliche Gestaltung sicher,
dass der Zoll weiterhin als Zoll erkennbar bleibt.          Die Mehrheit der Beschäftigten entschied zudem,
                                                            dass die Dienstkleidung zukünftig mit Rangabzei-
Ein modernes, ansprechendes Erscheinungsbild                chen versehen wird. Der Landzoll trägt Sterne, der
und ein hoher Tragekomfort standen bei der Ent-             Wasserzoll Streifen. Weitere Neuerungen sind der
wicklung der neuen Dienstkleidung an oberster               stark reflektierende „Zoll“-Schriftzug sowie zu-
Stelle. Weitere wichtige Punkte waren die funktio-          sätzliche reflektierende Elemente – ein wichtiger
nale Optimierung der einzelnen Kleidungsstücke,             Beitrag, um die Erkennbarkeit und Sicherheit bei-
der bessere Zuschnitt auf die verschiedenen opera-          spielsweise bei Kontrollen zu erhöhen.
tiven beziehungsweise repräsentativen Einsatzfel-
der und nicht zuletzt eine klarere Identifikation des
Zolls als Teil der heutigen nationalen und europä­             Bundesweite Bereitstellung
ischen Sicherheitsarchitektur.
                                                            Nach den großen deutschen Flughäfen wird die
                                                            neue Dienstkleidung bundesweit sukzessive bereit-
   Geprüfte Praxistauglichkeit                              gestellt. Damit verbunden ist ebenso die kosten­
                                                            neutrale Umstellung der Farbgebung bei den Dienst-
Alle Kleidungsstücke der neuen Dienstkleidung               fahrzeugen sowie den Zollschiffen und Zollbooten.
wurden vor der eigentlichen Produktion einem                Die Dienstfahrzeuge werden bei Neubeschaffungen
umfassenden Trageversuch unterzogen. Bei diesem             in blau ausgeliefert und Zollschiffe anlässlich der
Test erhielten 220 ausgewählte Zöllnerinnen und             turnusmäßigen Wartungen umlackiert. Neben der
Zöllner Musterstücke der neu entwickelten Dienst-           Modernisierung der Dienstkleidung reformierte der
kleidung, um sie im Dauereinsatz zu prüfen. Dabei           Zoll zudem das Bestellsystem, das dafür erforderli-
ging es nicht allein um die Funktionalität und die          che Datenmanagement und die Lagerhaltung.

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