Monatsbericht des BMF März 2018 - Bundesfinanzministerium
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Editorial Editorial Monatsbericht des BMF März 2018 zugesagt. Die privaten Telekommunikationsunter- nehmen haben in den Jahren 2015 und 2016 jeweils rund 8 Mrd. € und 2017 rund 8,2 Mrd. € in den Netzausbau investiert. Um den Netzinfrastruktur- wechsel zur Glasfaser zu schaffen, werden in den nächsten Jahren weitere ganz erhebliche Ausgaben der Unternehmen erforderlich sein. Dabei kommt es darauf an, rasch einen ausgewogenen Mix aus geeigneten Rahmenbedingungen für den privat- wirtschaftlichen Ausbau und zielgerichtet einge- setzten Fördermitteln innerhalb der Bundesregie- rung abzustimmen. Liebe Leserinnen, liebe Leser, Viele Erfolge und sportliche Höchstleistungen des Teams Deutschland konnten wir bei den Olym- Das Bundesministerium der Finanzen hat eine neue pischen und Paralympischen Winterspielen in Leitung. Am 14. März 2018 hat Olaf Scholz das Amt Pyeongchang erleben. Die 24 Sportlerinnen und als Bundesfinanzminister angetreten. Mit ihm ha- Sportler des Zoll Ski Teams trugen dort mit ins- ben auch die Parlamentarischen Staatssekretärin- gesamt elf Medaillen in den Disziplinen Biathlon, nen, Bettina Hagedorn und Christine Lambrecht, Skisprung und Nordische Kombination erheb- ihre Arbeit aufgenommen. Sie stehen dem Minister lich zum deutschen Medaillenregen bei – allen vo- in seinen Amtsgeschäften zur Seite, vor allem ver- ran die Doppel-Olympiasieger Laura Dahlmeier treten sie ihn in den Ausschüssen des Deutschen und Johannes Rydzek. Bei den Paralympischen Bundestags. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Spielen gewannen die Alpin-Sportlerinnen Anna werden die neue Leitung mit Kompetenz, Engage- Schaffelhuber, Anna-Lena Forster und Andrea ment und Loyalität dabei unterstützen, die Finanz- Rothfuss zehn Medaillen und präsentierten sich in politik erfolgreich weiter zu gestalten. einer herausragenden Form. Eine glänzende Bilanz! Ich gratuliere allen Sportlerinnen und Sportlern Die Koalitionsvereinbarung sieht eine Fülle von zur erfolgreichen Teilnahme an den Winterspielen. wichtigen Maßnahmen vor, die wir konstruktiv begleiten werden. Den Weg in die Gigabit-Gesell- schaft zu gestalten, wird ebenfalls als eine priori- täre Aufgabe anzugehen sein. Bereits in der zurück- liegenden Legislaturperiode wurden vom Bund circa 4,4 Mrd. € fest für Projekte zur Breitbander- Dr. Thomas Steffen schließung in ländlichen Gebieten und Randlagen Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen 3
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Analysen und Berichte____________________________________________7 Ergebnisse des Länderfinanzausgleichs 2017______________________________________________________________ 8 Das Reichsfinanzministerium zwischen 1919 und 1945 – Eine Organisation in Kampfstellung____________ 13 Herausforderungen beim Ausbau der digitalen Infrastruktur_____________________________________________ 16 Die Nichtannahmebeschlüsse des Bundesverfassungsgerichts____________________________________________ 24 Der gehobene Dienst: als Sachbearbeiterin oder Sachbearbeiter im BMF__________________________________ 31 Sammlermünzen: Das aktuelle Ausgabeprogramm des Bundes für das Jahr 2018_________________________ 38 Aktuelle Wirtschafts- und Finanzlage____________________________43 Überblick zur aktuellen Lage_____________________________________________________________________________ 44 Konjunkturentwicklung aus finanzpolitischer Sicht______________________________________________________ 45 Steuereinnahmen im Februar 2018______________________________________________________________________ 52 Entwicklung des Bundeshaushalts bis einschließlich Februar 2018_______________________________________ 56 Finanzmärkte und Kreditaufnahme des Bundes__________________________________________________________ 61 Europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik_____________________________________________________________ 68 Aktuelles aus dem BMF__________________________________________71 Termine_________________________________________________________________________________________________ 72 Publikationen___________________________________________________________________________________________ 73 Statistiken und Dokumentationen_______________________________75 Übersichten zur finanzwirtschaftlichen Entwicklung____________________________________________________ 76 Übersichten zur Entwicklung der Länderhaushalte_______________________________________________________ 77 Gesamtwirtschaftliches Produktionspotenzial und Konjunkturkomponenten des Bundes________________ 77 Kennzahlen zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung____________________________________________________ 78
Analysen und Berichte Ergebnisse des Länderfinanzausgleichs 2017 8 Das Reichsfinanzministerium zwischen 1919 und 1945 – Eine Organisation in Kampfstellung 13 Herausforderungen beim Ausbau der digitalen Infrastruktur 16 Die Nichtannahmebeschlüsse des Bundesverfassungsgerichts 24 Der gehobene Dienst: als Sachbearbeiterin oder Sachbearbeiter im BMF 31 Sammlermünzen: Das aktuelle Ausgabeprogramm des Bundes für das Jahr 2018 38
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF März 2018 Ergebnisse des Länderfinanzausgleichs 2017 ●● Der bundesstaatliche Finanzausgleich leistet einen wesentlichen Beitrag dazu, alle Länder finan- ziell in die Lage zu versetzen, ihre verfassungsmäßigen Aufgaben zu erfüllen. ●● Das Umverteilungsvolumen des horizontalen Umsatzsteuervorwegausgleichs, der ersten Stufe des bundesstaatlichen Finanzausgleichs, stieg von 8,3 Mrd. € im Jahr 2016 auf 8,4 Mrd. € im Jahr 2017 an. Bemessungsgrundlage für den Umsatzsteuervorwegausgleich sind die Einnahmen der Länder aus den Gemeinschaftsteuern – ohne Umsatzsteuer – und den Ländersteuern. ●● Das Umverteilungsvolumen des Länderfinanzausgleichs, der zweiten Umverteilungsstufe des Ausgleichssystems, stieg 2017 gegenüber 2016 um 0,56 Mrd. € auf 11,2 Mrd. € an. ●● Die allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen legten im abgelaufenen Jahr um 0,2 Mrd. € auf nunmehr 4,5 Mrd. € zu. Bundesstaatlicher Für die Festlegung der Aufteilung der Einnahmen Finanzausgleich aus der Umsatzsteuer enthält Art. 106 Abs. 3 GG die Vorgabe, dass die Deckungsbedürfnisse des Bundes Der bundesstaatliche Finanzausgleich regelt die und der Länder so aufeinander abzustimmen sind, Verteilung der gesamtstaatlichen Einnahmen auf dass ein angemessener Ausgleich erzielt, eine Über- den Bund und die Länder. Seine Grundzüge sind belastung der Steuerpflichtigen vermieden und die im Grundgesetz (GG) in Art. 106 und 107 festge- Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundes- legt. Die nähere Ausgestaltung erfolgt durch die gebiet gewahrt wird. Der Bund und alle Länder müs- grundgesetzliche Zuordnung einzelner Steuer- sen nach Finanzausgleich in der Lage sein, die ihnen arten auf Bund und Länder (Art. 106 GG) und die von der Verfassung zugewiesenen Aufgaben im ge- Aufteilung der Gemeinschaftsteuern. Die horizon- samtstaatlichen Interesse zu erfüllen. Die zu diesem tale Verteilung des Länderanteils an den Gemein- Zweck im Ausgleichsjahr 2017 vorgenommene Auf- schaftsteuern unter den Ländern wird durch das teilung der Umsatzsteuer zwischen Bund und Län- Zerlegungsgesetz zunächst näher konkretisiert. Die dern sowie die Verteilung der Steuereinnahmen Umverteilung zwischen den Ländern und weitere zwischen den Ländern und zusätzlich vom Bund an Zuweisungen des Bundes erfolgen nach den Vorga- die Länder geleistete Zuweisungen werden im Fol- ben des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) unter Be- genden auf der Grundlage der aktuell gültigen Rege- rücksichtigung der finanzverfassungsrechtlichen lungen des FAG dargestellt und erläutert. Regelungen und des abstrakt gehaltenen Maßstä- begesetzes. Beide Gesetze wurden zuletzt durch das Leitbild des bundesstaatlichen Finanzausgleichs „Gesetz zur Neuregelung des bundesstaatlichen Fi- auf der Ebene der Länder ist es, alle Länder auf nanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur ein annähernd gleichmäßiges Einnahmeniveau Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften“ vom zu führen. Hierzu schließen sich an den Umsatz- 14. August 2017 für die Zeit nach dem 31. Dezem- steuervorwegausgleich der Länderfinanzausgleich ber 2019 geändert. im engeren Sinne (i. e. S.) und die allgemeinen 8
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Ergebnisse des Länderfinanzausgleichs 2017 März 2018 Bundesergänzungszuweisungen an. Die drei Stu- Landes die bundesweit durchschnittlichen Steu- fen zusammengenommen machen den Länderfi- ereinnahmen je Einwohner unterschreiten. Der nanzausgleich im weiteren Sinne (i. w. S.) aus. Die nach dem so geleisteten Vorwegausgleich verblei- Analysen und Berichte Wirkung der einzelnen Stufen ist nicht notwen- bende Länderanteil an der Umsatzsteuer – min- digerweise gleichgerichtet für einzelne Länder. So destens 75 %, tatsächlich jedoch regelmäßig mehr werden in jedem Jahr einige Länder, die im Um- als 80 % – wird anschließend nach der Einwoh- satzsteuervorwegausgleich Zahlungen zu leisten nerzahl gleichmäßig auf alle Länder verteilt. Die hatten, im weiteren Verlauf Zahlungsempfänger Zeile „Umsatzsteuerausgleich“ der nachfolgenden des Länderfinanzausgleichs (i. e. S.) und erhalten Tabelle 1 stellt den Differenzbetrag zwischen den darüber hinaus Bundesergänzungszuweisungen. Steuereinnahmen der Länder und einer fiktiven Im Interesse einer anhand des FAG nachvollzieh- Verteilung der Umsatzsteuer ausschließlich nach baren, gleichzeitig aber verständlichen Darstellung der Einwohnerzahl dar. der Ausgleichsergebnisse im Ausgleichsjahr 2017 beschränken sich die folgenden Textabschnitte auf eine Darstellung der drei beschriebenen Aus- Länderfinanzausgleich gleichsstufen. Klarstellend sei angemerkt, dass nicht jede der Berechnungsstufen zu Zahlungsvor- Der Länderfinanzausgleich (i. e. S.) bildet die zweite gängen führt; die Durchführung von Finanzaus- Stufe des Ausgleichssystems. Ausgleichsrelevant gleichszahlungen erfolgt monatlich und viertel- sind dabei insbesondere die Einnahmen der Län- jährlich vielmehr jeweils in einem alle drei Stufen der einschließlich der bergrechtlichen Förderab- zusammenfassenden Abrechnungsschritt. gabe sowie der in der ersten Umverteilungsstufe berechneten Umsatzsteueranteile und Anteile der Steuereinnahmen der jeweils im Land befindli- Umsatzsteuervorwegausgleich chen Gemeinden (anteilig zu 64 %), ausgedrückt in unter den Ländern1 der Finanzkraftmesszahl. Die Finanzkraftmesszahl spiegelt die Einnahmesituation eines Landes vor In der ersten Stufe des Ausgleichssystems wird dem Länderfinanzausgleich (i. e. S.) wider. der Länderanteil am Umsatzsteueraufkommen (46,62 % im Jahr 2017, den Rest erhielten Bund und Zur Berechnung der im Länderfinanzausgleich zu Gemeinden) den einzelnen Ländern zugewiesen. leistenden Zahlungen wird der Finanzkraftmess Dabei werden jenen Ländern, deren Aufkommen zahl eines Landes seine sogenannte Ausgleichs- aus der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer messzahl gegenübergestellt. Zum Zweck der Be- und den Landessteuern je Einwohner unterhalb rechnung der Ausgleichsmesszahl wird zunächst des bundesweiten Durchschnitts liegt, vorab bis sowohl für die Landes- als auch für die Gemein- zu 25 % des Länderanteils an der Umsatzsteuer als deebene vom Grundsatz eines gleichen Finanzbe- sogenannte Ergänzungsanteile zugerechnet. Die- darfs je Einwohner ausgegangen. Abweichend hier- ser Maximalwert für das Volumen der Ergänzungs- von wird für die drei Stadtstaaten Berlin, Hamburg anteile wird jedoch regelmäßig deutlich unter- und Bremen ein höherer Finanzbedarf je Einwoh- schritten. Er betrug im Jahr 2017 lediglich 14,57 % ner als in den Flächenländern angesetzt. Die Abbil- (2016: 14,55 %). dung dieses höheren Finanzbedarfs erfolgt durch die rechnerische Erhöhung der Einwohnerzahl der Die Höhe der Ergänzungsanteile wird über einen Stadtstaaten im Länderfinanzausgleich auf 135 % progressiven Tarif festgelegt und hängt davon ab, des tatsächlichen Wertes (Einwohnergewichtung). wie stark die Steuereinnahmen je Einwohner eines Ein leicht höherer Finanzbedarf je Einwohner wird außerdem in den drei besonders dünn besiedelten 1 Alle in diesem Artikel genannten Zahlen- und Prozentangaben Flächenländern Sachsen-Anhalt, Brandenburg und sind gerundet. Mecklenburg-Vorpommern unterstellt. Deshalb 9
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Ergebnisse des Länderfinanzausgleichs 2017 März 2018 Daten zur horizontalen Umsatzsteuerverteilung, zum Länderfinanzausgleich Tabelle 1 und zu den allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen (BEZ) im Jahr 2017 NW BY BW NI HE SN RP ST SH Steuern der Länder vor 95,7 128,9 116,6 86,1 125,1 59,8 93,5 56,3 90,0 Umsatzsteuerausgleich (je Einwohner in Prozent des Durchschnitts) Umsatzsteuerausgleich -1.999 -2.412 -2.042 611 -1.158 2.420 -282 1.476 -1 (Differenz zwischen Verteilung nach geltendem Recht und vollständiger Verteilung nach Einwohnern) in Mio. € Finanzkraft in Prozent des Länderdurch- 96,6 117,6 110,5 95,8 115,7 88,6 95,5 90,3 96,0 schnitts¹ (vor Finanzausgleich) Ausgleichsbeiträge und -zuweisungen 1.243 -5.887 -2.779 696 -2.480 1.184 392 539 239 im Länderfinanzausgleich in Mio. € Finanzkraft in Prozent des Länderdurch- 98,3 106,5 104,3 98,0 105,9 95,7 97,8 96,2 98,1 schnitts1 (nach Finanzausgleich) Allgemeine BEZ in Mio. € 670 - - 378 - 489 212 234 130 Finanzkraft in Prozent des Länderdurch- 99,2 106,5 104,3 99,2 105,9 98,6 99,1 98,8 99,2 schnitts¹ (nach Finanzausgleich und allgemeinen BEZ) TH BB MV SL BE HH HB Insgesamt Steuern der Länder vor 54,8 68,8 56,9 74,8 92,1 154,2 89,1 100,0 Umsatzsteuerausgleich (je Einwohner in Prozent des Durchschnitts) Umsatzsteuerausgleich 1.489 1.039 1.044 296 -153 -338 11 ± 8.386 (Differenz zwischen Verteilung nach geltendem Recht und vollständiger Verteilung nach Einwohnern) in Mio. € Finanzkraft in Prozent des Länderdurch- 88,3 90,2 87,5 91,7 69,3 100,9 73,2 100,0 schnitts¹ (vor Finanzausgleich) Ausgleichsbeiträge und -zuweisungen 641 607 523 198 4.233 -40 692 ± 11.186 im Länderfinanzausgleich in Mio. € Finanzkraft in Prozent des Länderdurch- 95,6 96,2 95,4 96,6 90,7 100,5 91,7 100,0 schnitts1 (nach Finanzausgleich) Allgemeine BEZ in Mio. € 263 263 210 91 1.340 - 225 4.506 Finanzkraft in Prozent des Länderdurch- 98,6 98,8 98,6 98,8 97,5 100,5 97,7 - schnitts¹ (nach Finanzausgleich und allgemeinen BEZ) 1 Genauer: in Prozent der Ausgleichsmesszahl. Grundlage: Vorläufige Jahresrechnung 2017. Quelle: Bundesministerium der Finanzen wird ihre Einwohnerzahl bei der Berechnung ausgedrückt in Prozent der Ausgleichsmesszahl) der Ausgleichsmesszahl auf der Gemeindeebene noch einmal zum Teil deutlich abgesenkt werden. mit 102 %, 103 % beziehungsweise 105 % gewich- tet. Durch Anwendung der Einwohnergewichtun- Ausgleichsberechtigt sind im Länderfinanzaus- gen erhöhen sich die Ausgleichsmesszahlen der gleich diejenigen Länder, deren Finanzkraftmess betroffenen Länder, sodass ihre jeweiligen relati- zahlen im Ausgleichsjahr unterhalb ihrer Aus- ven Finanzkraftmesszahlen (in der Zeile „Finanz- gleichsmesszahlen liegen; sie haben Anspruch kraft der Länder in Prozent vor Finanzausgleich“ auf Ausgleichszuweisungen. Demgegenüber sind 10
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Ergebnisse des Länderfinanzausgleichs 2017 März 2018 diejenigen Länder ausgleichspflichtig, deren Fi- im FAG festgeschrieben und werden nicht in Ta- nanzkraftmesszahlen im Ausgleichsjahr über ih- belle 1 aufgeführt. ren Ausgleichsmesszahlen liegen. Die genaue Höhe Analysen und Berichte der Ausgleichszuweisungen – für ausgleichsbe- rechtigte Länder – und der Ausgleichsbeiträge – für Ergebnisse 2017 ausgleichspflichtige Länder – hängt davon ab, wie weit sich ihre jeweilige Finanzkraftmesszahl von Die folgende Darstellung der Ergebnisse des bun- ihrer jeweiligen Ausgleichsmesszahl unterschei- desstaatlichen Finanzausgleichs im Jahr 2017 be- det. Durch die Ausgleichszuweisungen wird die ruht auf der im BMF erstellten vorläufigen Jah- bestehende Differenz auf der Basis eines progres- resrechnung 2017. Aus ihr geht hervor, dass die siven Ausgleichstarifs anteilig geschlossen. Die Re- Einnahmen der Länder aus den Gemeinschaftsteu- gelungen sind im gültigen Finanzausgleichssystem ern – ohne Umsatzsteuer – und den Landessteu- so ausgestaltet, dass die Finanzkraftreihenfolge der ern, die zusammen die Bemessungsgrundlage für Länder durch den Länderfinanzausgleich nicht ge- die horizontale Umsatzsteuerumverteilung bilden, ändert wird. im Jahr 2017 im Vergleich zum Vorjahr mit durch- schnittlich 5,8 % deutlich gestiegen sind. Bundesergänzungszuweisungen Die Zuwächse in den einzelnen Ländern bewegten sich 2017 zwischen 3,2 % und 10,2 % (2016: 2,1 % Die dritte Stufe des Ausgleichssystems bilden die bis 13,6 %). Überdurchschnittliche Einnahmezu- allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen. Als wächse verzeichneten die Länder Brandenburg, Zuweisungen des Bundes, die dieser einnahme- Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nieder- mindernd verbucht, dienen sie der ergänzenden sachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs der Emp- Sachsen und Sachsen-Anhalt (Reihenfolge alpha- fängerländer. Durch allgemeine Bundesergänzungs- betisch). Aus den Einnahmen der Länder und der zuweisungen wird bei ausgleichsberechtigten Län- Zahl ihrer Einwohner wird die erste Angabe der Ta- dern eine nach dem Länderfinanzausgleich (i. e. S.) belle in Prozent des bundesweiten Durchschnitts gegebenenfalls verbleibende Differenz zur Aus- je Einwohner ermittelt. Berechnungsgrundlage für gleichsmesszahl weiter verringert: Allgemeine Bun- den Länderfinanzausgleich sind die Einnahmen der desergänzungszuweisungen erhalten Länder, deren Länder – diese lagen im Jahr 2017 zwischen 54,8 % Finanzkraftmesszahlen nach den ersten beiden Ver- bis 154,2 % des Durchschnitts – und Gemeinden teilungsstufen des Länderfinanzausgleichs (i. w. S.) (anteilig) vor dem Ausgleich. weiterhin unter 99,5 % ihrer Ausgleichsmesszahl lie- gen. Diese Lücke wird zu 77,5 % aufgefüllt. Während sich die Einnahmen der westdeutschen Länder zwischen 74,8 % und 154,2 % des bundes- Neben den allgemeinen Bundesergänzungszuwei- weiten Durchschnitts bewegten, lagen die Ein- sungen sieht das FAG auch Sonderbedarfs-Bun- nahmen der ostdeutschen Länder zwischen 54,8 % desergänzungszuweisungen vor. Sie zielen auf den und 68,8 %. Auch das einnahmestärkste ostdeut- Ausgleich besonderer, nur vorübergehend beste- sche Land (Brandenburg) konnte 2017 noch nicht hender Finanzbedarfe bestimmter Länder. Dazu das Niveau des einnahmeschwächsten westdeut- gehören die Zuweisungen zur Schließung der Infra schen Landes (Saarland) erreichen. strukturlücke sowie wegen struktureller Arbeitslo- sigkeit und „überdurchschnittlich hoher Kosten Das im Umsatzsteuervorwegausgleich erzielte politischer Führung“. Die Sonderbedarfs-Bundeser- Umverteilungsvolumen belief sich 2017 auf gänzungszuweisungen sind unabhängig von den 8,4 Mrd. € (2016: 8,3 Mrd. €). Im Jahr 2017 er- aktuellen Finanzkraftverhältnissen der Höhe nach hielten die Länder Bayern, Baden-Württemberg, 11
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Ergebnisse des Länderfinanzausgleichs 2017 März 2018 Nordrhein-Westfalen, Hessen, Hamburg, Rhein- mit 2,8 Mrd. € 24,8 % (2016: 23,9 %), Hessen mit land-Pfalz, Berlin und Schleswig-Holstein ge- 2,5 Mrd. € 22,2 % (2016: 21,3 %) und Hamburg mit messen an ihren jeweiligen Einwohnerantei- 40 Mio. € 0,4 % (2016: Zahlungsempfänger) des Aus- len nur unterproportional hohe Einnahmen aus gleichsbedarfs. Größtes Empfängerland war Berlin der Umsatzsteuer. Überproportional hohe Um- mit Ausgleichszuweisungen in Höhe von 4,2 Mrd. € satzsteuereinnahmen erhielten dagegen Sachsen, (2016: 3,9 Mrd. €) und einem Anteil von 37,8 % Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg, Meck- (2016: 36,9 %). Mit zusammen 3,5 Mrd. € (2016: lenburg-Vorpommern, Niedersachsen, das Saar- 3,4 Mrd. €) erhielten die ostdeutschen Flächenlän- land und Bremen. der im abgelaufenen Jahr ebenfalls erhebliche Aus- gleichszuweisungen im Rahmen des Länderfinanz- Das Volumen des Länderfinanzausgleichs (i. e. S.) ausgleichs, sodass von den insgesamt 11,2 Mrd. € an betrug im vergangenen Jahr 11,2 Mrd. €, das sind Ausgleichsleistungen 7,7 Mrd. € (2016: 7,3 Mrd. €) 0,56 Mrd. € mehr als im Jahr 2016 und entspricht den ostdeutschen Ländern einschließlich Berlins einem Zuwachs von 5,3 %. Bei der Berechnung zugutekamen. Dies entsprach, ebenso wie im Vor- von Ausgleichszuweisungen und Ausgleichsbeiträ- jahr, einem Anteil von 69 %. gen wurden überproportionale Zuwächse bei den Steuereinnahmen von Nordrhein-Westfalen, Nie- Das Volumen der vom Bund an die Länder gezahl- dersachsen, Sachsen, Rheinland-Pfalz, Thüringen, ten allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und stieg von 4,3 Mrd. € im Jahr 2016 auf 4,5 Mrd. € Hamburg zugunsten dieser Länder nur in verrin- an. Größtes Empfängerland war auch hier Berlin gerter Höhe in den Länderfinanzausgleich einbe- mit 1,3 Mrd. €. Auf die ostdeutschen Flächenländer zogen („Prämienregelung“ des § 7 Abs. 3 FAG). entfielen zusammen 1,5 Mrd. €. Einschließlich der Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen in Insgesamt war Bayern erneut größtes Zahlerland Höhe von zusammen 4,6 Mrd. € beliefen sich die mit 5,89 Mrd. € (2016: 5,82 Mrd. €) und einem ge- Bundesergänzungszuweisungen im Jahr 2017 auf sunkenen Anteil von 52,6 % (2016: 54,8 %) am Um- insgesamt 9,1 Mrd. €. verteilungsvolumen. Baden-Württemberg deckte 12
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF März 2018 Das Reichsfinanzministerium zwischen 1919 und 1945 – Eine Organisation in Kampfstellung Analysen und Berichte ●●Ein laufendes Forschungsprojekt zur Organisationsgeschichte des Reichsfinanzministeriums zeigt, dass dieses Ressort vor und nach 1933 kein unpolitischer Apparat war. ●●Die Erfahrungen der Krisenjahre in der Weimarer Republik trugen zur (Selbst-)Mobilisierung der Beamtenschaft für den Nationalsozialismus bei. Hitlers brutales Ermächtigungsregime konnte diese Haltung unmittelbar nutzen. ●●Staatsvorstellungen, Selbstverständnis und Handlungsweisen der Ministerialbürokratie be- förderten die Transformation der Demokratie in die Diktatur. Traditionsstiftung und staatlichen und ökonomischen Sinne geben wollte. Neuanfänge Trotz solcher Neuanfänge war das Ministerium um Traditionsstiftung bemüht. Im Jahr 1929 be- Per Erlass von Reichspräsident Friedrich Ebert ging man daher zwei Jubiläen: Das fünfzigjährige wurde das bis dahin bestehende Reichsschatzamt Jubiläum erinnerte an die Verbindung zum 1879 am 21. März 1919 in das Reichsministerium der gegründeten Reichsschatzamt, das zehnjährige Finanzen umgewandelt. Das Reichsfinanzminis- Jubiläum an die Neugründung der Reichsfinanz- terium war also die Nachfolgeorganisation eines verwaltung unter demokratischen Bedingungen kaiserlichen Amtes und doch eine ganz neue Insti- nach dem Ersten Weltkrieg. Doch war die Feier- tution, die erstmals mit der reichsweiten Steuerer- stimmung gedämpft. Reichsfinanzminister Rudolf hebung beauftragt und parlamentarisch unmittel- Hilferding und sein Staatssekretär Johannes Popitz bar verantwortlich war. Auch an der Beamtenschaft betonten, dass man in dieser Hinsicht lieber Zu- ließ sich das ablesen: „Als ich im Jahre 1920 eintrat“, rückhaltung üben wolle, bis der Kampf „gegen wid- erinnerte sich 1931 Ministerialrat Wilhelm Markull riges Geschick“ gewonnen sei. an diese Anfangszeit, „sah’s am Wilhelmplatz wie in der Arche Noah aus.“ An den Bürotüren fanden sich Schilder aller Art: „Da gab es Junge und Alte, Asses- Mobilisierung und Kriegszu- soren, Richter und Räte, Räte von allen Sorten: Re- stand – schon vor 1933 gierungsräte, Oberregierungsräte, Geheime Regie- rungsräte, Landräte und Landgerichtsräte; da gab Generell sah sich die Reichsfinanzverwaltung in es Leute aus der Staats- und aus der Selbstverwal- diesen Jahren immer wieder in einer Kampfsi- tung, Postmenschen, Eisenbahner, Kolonialbeamte tuation gegen Arbeitsüberlastung und eine un- und – toi, toi, toi! – sogar Intendanturfritzen.“ Um zureichende Steuermoral, gegen die Repara- die neuen Aufgaben bewältigen zu können, hatte tionslasten und die ausländischen Zweifel am man für das Ministerium Beamte aus allen Teilen Zustand des Reichshaushalts, gegen Bürokratiekri- des Reiches und aus anderen Reichsverwaltungen tik und Beamtenhetze. Ein Ministerium auf dem rekrutiert – „ein buntscheckiger Haufe“, so Markull, „Kriegspfad“, wie die Fachzeitung Steuer-Warte der doch zugleich „den Grossen Generalstab“ im um 1930 immer wieder titelte? Ein ganzes Land Kampf um „Deutschlands Selbstbehauptung“ im im „wirtschaftlichen Kriegszustand“, wie ihn der 13
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Das Reichsfinanzministerium zwischen 1919 und 1945 – Eine Organisation in Kampfstellung März 2018 Reichsfinanzminister Hermann Dietrich auf dem Nur wenige Monate später war dies ohnehin hin- Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise 1931 in einer fällig geworden. Mit dem Amtsantritt der Regie- Rundfunkrede beschwor? Die Erfahrung der Mobi- rung Hitlers verstärkte sich die bereits vorhandene lisierung gegen innere und äußere Anfeindungen Politisierung der Beamtenschaft, nun aber unter prägte das Selbstverständnis der Ministerialbeam- der eindeutigen Vorherrschaft der nationalsozia- tenschaft offensichtlich schon vor dem Machtan- listischen „Volksgemeinschaft“. Dies bedeutete zu- tritt Hitlers. Hier handelte es sich also nicht um ei- nächst vor allem die Ausgrenzung und Verfolgung nen unpolitischen Regierungsapparat, sondern um der Anderen: Rassisch und politisch unerwünschte eine Bürokratie im Zustand dauernder Kampfbe- Beamte wurden nach den Vorgaben des sogenann- reitschaft unter rasch wechselnden Regierungen. ten Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbe- Angesichts der Belastungen und Herausforderun- amtentums vom April 1933 entlassen. An diesem gen der jungen Weimarer Republik gelang diese Gesetz hatte das Reichsfinanzministerium entschei- Mobilisierung aber immer weniger im Dienste dend mitgearbeitet und sich dadurch eigene Hand- der Demokratie. Stattdessen fand die nationalso- lungsspielräume erschlossen. Es diente daher auch zialistische Bewegung schon früh Rückhalt in der nicht nur der „Säuberung“ der Verwaltung im Sinne Reichsfinanzbeamtenschaft. der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpar- tei (NSDAP) – man nutzte es im Finanzressort dar- über hinaus, um alle jene Mitarbeiter zu versetzen Nationalsozialistische oder loszuwerden, die man aus unterschiedlichs- Bewegung und ten Gründen für eine schlagkräftige Verwaltung als nicht mehr „wertvoll“ ansah. Hier trafen sich die In- Ministerialbeamtenschaft teressen des seit 1932 amtierenden Reichsfinanz- ministers Lutz Graf Schwerin von Krosigk mit je- Schon Ende der 1920er Jahre erreichten das Reichs- nen des 1933 neu angetretenen Staatssekretärs Fritz finanzministerium wiederholt Anzeigen wegen po- Reinhardt, eines „alten Kämpfers“ der Partei. Quan- litischer Betätigung einzelner Beamter im rechten titativ betrafen diese Maßnahmen nur eine relativ Spektrum. Am Volksbegehren gegen den Young- begrenzte Personenzahl, doch die damit verbun- Plan (der die Reparationszahlungen des Deut- dene Botschaft wurde verstanden: Eine interne Er- schen Reichs regelte), orchestriert als antirepubli- hebung im August 1939 ergab, dass 75,6 % der Beam- kanische Kampagne von deutschnationalen und ten, 69,5 % der Angestellten und 30,8 % der Arbeiter nationalsozialistischen Kräften, beteiligten sich der Reichsfinanzverwaltung aktiv in der NSDAP, ih- aus dem Zuständigkeitsbereich des Ministeriums ren Gliederungen und Verbänden tätig waren. mehr Beamte als aus jedem anderen Reichsressort. Von den insgesamt 43 Beamten der Reichsverwal- tung, die in diesem Zusammenhang politisch auf- Die Entstehung der Diktatur – fällig geworden waren, kamen allein 25 aus dem kein unaufhaltsamer Prozess Finanzministerium. Im Frühjahr 1932 schließlich meldete Reichsfinanzminister Dietrich dem Ka- Der Weg in die nationalsozialistische Diktatur binett mit Sorge, dass einzelne Zweige seiner Ver- wurde vom Reichsfinanzministerium als Organisa- waltung bis zu 90 % nationalsozialistisch geprägt tion nicht passiv erduldet oder bloß mitgegangen. seien – ihm aber eine entschlossene Handhabe ge- An unterschiedlichen Stellen, durch unterschiedli- gen diese Beamten wegen unzureichender Richt- che Akteure und zu unterschiedlichen Zeitpunkten linien der Regierung fehlte. Mit disziplinarischen trug die Ministerialbürokratie innerhalb wie au- Maßnahmen versuchte man vereinzelt und eher zö- ßerhalb des Dienstes aktiv zur Destabilisierung der gerlich, solchen Entwicklungen entgegenzuwirken. Demokratie und zur politischen Radikalisierung 14
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Das Reichsfinanzministerium zwischen 1919 und 1945 – Eine Organisation in Kampfstellung März 2018 bei. Dieser Wandel geschah nicht nur durch die in- Ausblick dividuelle Annäherung einzelner Beamter an die nationalsozialistische Weltanschauung oder den Das hier vorgestellte Teilprojekt der Forschungs- Analysen und Berichte Parteibeitritt, sondern ebenso durch die Beteili- gruppe zur Geschichte des Reichsfinanzministe- gung des Ministeriums an autoritären Reformen riums im Nationalsozialismus widmet sich diesen der parlamentarischen Geschäftsordnung, durch Übergangserfahrungen und der daraus entstehen- die interne Reorganisation der Geschäftsverteilung den Organisationsgeschichte des Ressorts. Der aus- oder durch die Ausdehnung von Rechtsnormen bei führliche Blick auf die Vorgeschichte der Diktatur konkreten Entscheidungen. Dabei handelte es sich dient dazu, die spezifische Verantwortung der Mi- jedoch um keinen unaufhaltsamen, sondern um ei- nisterialbürokratie für den Aufstieg, die Durchset- nen – auch innerhalb des Ministeriums – umstrit- zung und die Ausformung nationalsozialistischer tenen Prozess. Die weltanschauliche Formierung Gewaltherrschaft historisch präziser erfassen zu der Beamtenschaft nach 1933 und die „Gleichschal- können. Die aus diesem Projekt hervorgehende tung“ des Ministeriums als ideologischer Raum im Studie ergänzt und erweitert damit die bereits vor- Sinne des nationalsozialistischen Regimes griffen liegenden Forschungen zur Beteiligung der Reichs- diese konfliktreichen Erfahrungen auf. Sie zähl- finanzbeamten an der fiskalischen Ausbeutung ten auf eine Ministerialbeamtenschaft, die seit dem seit 1933 und an den Verbrechen der Besatzungs- Ersten Weltkrieg den Zustand des Kampfes immer herrschaft im Zweiten Weltkrieg. Die Studie soll im wieder als Normalität angesehen hatte. Laufe dieses Jahres abgeschlossen sein. Bereits vorliegende Publikationen zu diesem Teilprojekt: Stefanie Middendorf, Finanzpolitische Fundamente der Demokratie? Haushaltsordnung, Minis- terialbürokratie und Staatsdenken in der Weimarer Republik, in: Tim B. Müller/Adam Tooze (Hg.), Normalität und Fragilität. Demokratie nach dem Ersten Weltkrieg, Hamburg 2015, S. 315-343. Dies., Staatsfinanzen und Regierungstaktiken. Das Reichsministerium der Finanzen (1919–1945) in der Geschichte von Staatlichkeit im 20. Jahrhundert, in: Geschichte und Gesellschaft 41 (2015), H. 1, S. 140-168. Dieser Bericht zum Forschungsprojekt der unabhängigen Historikerkommission gibt Erkenntnisse aus den Forschungsarbeiten der Autorin Dr. Stefanie Middendorf wieder. 15
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF März 2018 Herausforderungen beim Ausbau der digitalen Infrastruktur ●●Im Prozess der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft sind leistungsfähige Telekom- munikationsnetze eine wesentliche Voraussetzung, um die vielfältigen Potenziale auszu- schöpfen. Deshalb sollen Gigabit-Netze bis 2025 in alle Regionen gebracht werden. ●●Der Ausbau von zukunftsfähigen Gigabit-Netzen ist Aufgabe der am Markt tätigen privaten Unternehmen, die dazu erhebliche Investitionen zu tätigen haben. Geeignete und zukunfts- fähige Rahmenbedingungen müssen zusätzliche Investitionsanreize setzen, um den privaten Ausbau zu unterstützen und voranzutreiben. ●●Für ländliche Gebiete und Randlagen, in denen ein privatwirtschaftlicher Ausbau in absehba- rer Zeit nicht erfolgen wird, wird die finanzielle Unterstützung des Ausbaus durch ein weiter- entwickeltes Bundesförderprogramm fortgeführt. Forderung nach schnellem technologischen Fortschritts ist zu erwarten, dass Breitbandausbau der Bedarf an Internetzugängen mit konstant ho- hen Bandbreiten weiter dynamisch steigt. Die ver- Heute gibt es kaum einen Bereich, in welchem die fügbare Breitbandinfrastruktur und die bisherigen Digitalisierung keine Rolle spielt. Es finden fun- Maßnahmen, insbesondere der Bundesregierung damentale Veränderungen in nahezu allen Wirt- zum weiteren Ausbau von Netzen mit hoher Kapa- schaftssektoren statt. Gleichzeitig müssen sich zität, wurden immer wieder als nicht ausreichend auch die Gesellschaft, die Verwaltung und die Po- kritisiert – auch aus Sorge, dass Deutschland den litik den anspruchsvollen digitalen Herausforde- Anschluss im internationalen Wettbewerb ver- rungen stellen. Es ist unbestritten, dass eine leis- passt. Bei der gegenwärtig geführten Diskussion, tungsfähige digitale Infrastruktur und deren in der beim Ausbau von hochleistungsfähigen Net- intelligente Vernetzung wesentliche Vorausset- zen immer häufiger nach dem Staat und staatlicher zungen sind, um die Potenziale der Digitalisie- Förderung gerufen wird, sind jedoch auch verfas- rung für Innovationen und Investitionen um- sungsrechtliche Vorgaben zu berücksichtigen. Die fänglich auszuschöpfen. Angesichts des schnellen neue Bundesregierung will nunmehr den Ausbau 16
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Herausforderungen beim Ausbau der digitalen Infrastruktur März 2018 von Gigabit-Netzen bis 2025 erreichen. Aber: Wo Investitionen und damit zu mehr Dynamik auf den stehen wir und wie geht es weiter? Telekommunikationsmärkten. Analysen und Berichte Mit der zeitlich parallel stattfindenden Privatisie- Ein Gigabit-Netz rung der „Deutsche Bundespost TELEKOM“ wurde muss in der Lage sein, die in einer Gigabit- der privatwirtschaftliche Ausbau der Telekommu- Gesellschaft erwarteten Anwendungsbe- nikationsinfrastrukturen im Wettbewerb ermög- reiche wie beispielsweise Industrie 4.0 und licht. Ziel war die Stärkung des Wachstums, der automatisiertes und vernetztes Fahren zu Leistungsfähigkeit und der Dynamik der Telekom- ermöglichen. Dafür muss vor allem ein zu- munikation (TK). Im Wettbewerb wurden vielfäl- verlässiger und sicherer Austausch großer tige Dienstleistungen sowohl für die Wirtschaft als Datenmengen (oft wird mindestens 1 GBit/s auch für jeden einzelnen Bürger erbracht. Neue Ge- im Down- und Upload gefordert) mit gerin- schäftsmodelle sind im Infrastruktur- und Diens- gen Zeiten für die Datenübertragung sicher- tewettbewerb für eine Vielzahl von Unternehmen, gestellt sein. Die steigenden Anforderun- darunter zahlreiche kleine und mittlere Unterneh- gen an Flexibilität und Mobilität erfordern men, entstanden. zudem eine zunehmende Konvergenz von Festnetz und Mobilfunk. In der Fachwelt wird davon ausgegangen, Verfassungsrechtliche dass die dynamisch steigenden Anforderun- Vorgaben gen einer Gigabit-Gesellschaft und eines Gi- gabit-Netzes auf Dauer nur durch die Glas- Art. 87f Grundgesetz (GG) schreibt die privatwirt- fasertechnologie erbracht werden können. schaftliche Erbringung von Dienstleistungen im Im aktuellen Koalitionsvertrag zwischen Bereich des Postwesens und der Telekommunika- CDU/CSU und SPD wird festgelegt, dass tion vor. Dem Bund obliegt die alleinige Zuständig- „ausschließlich Ausbauabschnitte förderfä- keit für die Gewährleistung einer angemessenen hig sind, die mit Glasfasertechnologie aus- flächendeckenden Grundversorgung mit solchen gebaut werden.“ Dienstleistungen. Dies wird durch rahmengebende staatliche Maßnahmen ausgefüllt, die durch das Telekommunikationsgesetz (TKG) näher bestimmt sind. In Deutschland haben sowohl der Infrastruk- Kurzer historischer Abriss turausbau der TK-Netze als auch die darauf ange- botene Diensterbringung im privatwirtschaftli- Die Liberalisierung der Telekommunikations- chen Wettbewerb durch private Unternehmen zu märkte in den 1990er Jahren führte letztendlich zur erfolgen. Eine verwaltungsmäßige Leistungser- Aufhebung des staatlichen Monopols für die Netz bringung durch Bund, Länder und Kommunen ist infrastruktur und zur Abschaffung des Monopols nicht zulässig, was z. B. auch bei Fragen der „kom- am damals bedeutendsten Telekommunikations- munalen Daseinsvorsorge“ zu berücksichtigen ist. dienst – der Sprachtelefonie. Die Regulierungsbe- hörde, heute Bundesnetzagentur (BNetzA), beglei- Weil die Grundversorgung (Sicherstellung eines tete mit einer sektorspezifischen Regulierung den Mindestangebots, das im Markt bereits etabliert ist) Übergang vom Monopol zum Wettbewerb. Der bisher im Wettbewerb erbracht wird, beschränkt Ansatz zur Regulierung von Vorleistungs- und zu sich die Gewährleistungsverantwortung des Bun- Beginn auch Endkundenprodukten war durch- des bis jetzt auf die Sicherstellung und Beförde- aus erfolgreich und führte zu sinkenden Preisen, rung dieses privatwirtschaftlichen Wettbewerbs. neuen Anbietern, vielfältigen Produkten, mehr Falls entgegen den bisherigen Feststellungen 17
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Herausforderungen beim Ausbau der digitalen Infrastruktur März 2018 der Bundesnetzagentur ein Mindeststandard an rund 8 Mrd. € und 2017 circa 8,2 Mrd. € in den gleichverteilter Dienstqualität nicht gewährleis- Netzausbau investiert (und planen weitere erhebli- tet werden könnte und zunächst zu prüfende, che Ausgaben in entsprechenden Größenordnun- weniger wettbewerbsschädigende Maßnah- gen für die nächsten Jahre). Mitte 2017 verfügten men nicht ausreichen, sehen §§ 78ff TKG als Ul- rund 77 % der Haushalte über Anschlüsse mit min- tima Ratio einen Universaldienst vor, um diese flä- destens 50 MBit/s. Dies ist laut „Tätigkeitsbericht chendeckende Grundversorgung sicherzustellen. Telekommunikation 2016/2017“ der BNetzA eine Daneben steht es Bund und Ländern offen, im Rah- Steigerung um knapp 13 Prozentpunkte gegenüber men der sektoralen oder regionalen Wirtschafts- Mitte 2014 (www.bundesnetzagentur.de). förderung den Infrastrukturausbau zu fördern. Technologieneutralität Status Quo des als Begriff entspringt der Erkenntnis, dass Breitbandausbaus ein wettbewerblich organisierter Markt mit seiner Suchfunktion und Innovationsfähig- Die Bundesregierung führte in der vergangenen Le- keit besser in der Lage ist, technologische gislaturperiode im Rahmen ihrer Digitalen Agenda Prozesse zu steuern als der Staat über ad- einen Dialog mit Wirtschaft, Wissenschaft und Zi- ministrative Vorgaben. Technologieneutra- vilgesellschaft, um die Chancen der Digitalisierung lität kann sich dabei sowohl auf die Ebene zu nutzen und Deutschland als innovative und leis- der Übertragungswege (Festnetz versus Mo- tungsfähige Volkwirtschaft zu stärken. Wachstum bilfunk) als auch auf die Ebene der Übertra- und Beschäftigung, Zugang und Teilhabe sowie Ver- gungstechnologien (z. B. Glasfaser, Vecto- trauen und Sicherheit waren dabei die strategischen ring, 3G, 4G u. ä.) beziehen. Der Grundsatz Kernziele, die als Richtschnur für die Umsetzung ei- diskriminierungsfreier Technologieneutrali- ner Vielzahl von Maßnahmen dienten. Der Legisla- tät findet sich sowohl in europarechtlichen turbericht „Digitale Agenda 2014–2017“1 gibt einen als auch nationalen Vorgaben und ist Basis umfassenden Überblick über die vielfältigen Aktivi- gerichtlicher Entscheidungen, z. B. in Beihil- täten und wesentliche Ergebnisse dieses Prozesses. fefragen. Die Breitbandförderung des Bun- des hat daher bisher keine bestimmte Über- Der Ausbau der Netzinfrastruktur war ein wesent- tragungstechnologie vorgegeben, sondern liches Handlungsfeld der Digitalen Agenda mit der das zu erreichende Ziel (50 Mbit/s im Down- politischen Zielstellung einer flächendeckenden load) definiert. Über welche Technologie Verfügbarkeit von mindestens 50 MBit/s im Fest- das Ziel erreicht wird (z. B. Glasfaser oder netz für die Haushalte. Der Breitbandausbau sollte Kupfer/Vectoring), bleibt dem Wettbewerb technologieneutral erfolgen. Dabei muss gesehen überlassen. werden, dass in Deutschland die TK-Netzstruk- tur – anders als in vielen anderen Ländern – ganz wesentlich aus kupferbasierten Netzen besteht, die Es liegt auf der Hand, dass Ausbauinvestitionen, über die Jahre fortlaufend ertüchtigt wurden und deren Kosten ganz überwiegend durch den Gra- vielen Haushalten bis heute als angemessene und bungsaufwand bestimmt werden, umso unwirt- vor allem preisgünstige Zugangstechnologie aus- schaftlicher werden, je länger die erforderlichen reicht. Die privaten Telekommunikationsunter- Anschlussleitungen zu den Haushalten sind und nehmen haben in den Jahren 2015 und 2016 jeweils je weniger Haushalte die Netze nutzen. Ländli- che Gebiete werden daher nicht oder nur zeitlich 1 www.digitale-agenda.de stark verzögert von den privaten Unternehmen 18
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Herausforderungen beim Ausbau der digitalen Infrastruktur März 2018 Verteilung der vermarkteten Bandbreiten bei vertraglich gebuchten Abbildung 1 Festnetz-Breitbandanschlüssen Analysen und Berichte in % bezogen auf die Gesamtheit der deutschen Haushalte (40,7 Mio.) 12,6 18,5 27,7 41,2 unter 10 Mbit/s 10 bis unter 30 Mbit/s 30 bis unter 100 Mbit/s 100 Mbit/s und mehr Quelle: Daten der Bundesnetzagentur (Q2/2017), eigene Darstellung Breitbandverfügbarkeit in Deutschland ≥ 50 Mbit/s (alle Technologien) Abbildung 2 in % der Haushalte 90 80 75,5 76,9 70,1 70 66,4 59,7 60 55,0 48,2 50 39,5 40 30 20 10 0 Ende 2010 Ende 2011 Ende 2012 Ende 2013 Ende 2014 Ende 2015 Ende 2016 Mitte 2017 Quelle: TÜV Rheinland, eigene Darstellung 19
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Herausforderungen beim Ausbau der digitalen Infrastruktur März 2018 erschlossen. Den privatwirtschaftlichen Ausbau Bundesförderprogramm hemmt aber auch, dass in Deutschland die Nach- frage selbst nach verfügbaren hochbitratigen An- Der Netzausbau in Deutschland steht vor der He- schlüssen im Durchschnitt eher verhalten ist (ak- rausforderung, dass sich die Versorgung mit einer tuell werden nur rund ein Drittel der verfügbaren modernen Telekommunikationsinfrastruktur in Glasfaseranschlüsse von den Haushalten auch tat- städtischen, halbstädtischen und ländlichen Gebie- sächlich gebucht). Dieser Befund steht in einem ge- ten erheblich unterscheidet. Um die Erschließung wissen Spannungsfeld zu dem in der öffentlichen in ländlichen Gebieten und Randlagen zu unter- Diskussion stets hervorgehobenen – und sicherlich stützen, wurde im Rahmen der Digitalen Agenda in den konkreten Fällen auch zutreffenden – Un- ein Bundesförderprogramm aufgelegt, das mit circa mut vieler Verbraucher und Unternehmen über 4,4 Mrd. € dotiert ist (zusätzlich zu rund 3,7 Mrd. €, unzureichende Breitbandverbindungen. die der Bund über den Haushalt zur Verfügung stellt, wurde den Ländern zweckgebunden rund Der privatwirtschaftliche Ausbau könnte wesent- 0,7 Mrd. € aus Versteigerungserlösen überwiesen). lich intensiver erfolgen, wenn Nachfrage und Zah- lungsbereitschaft für hochbitratige Anschlüsse Das Programm fördert Projektgebiete, in denen ein steigen würden. Dafür bedarf es attraktiver Diens- privatwirtschaftlicher Netzausbau innerhalb von teangebote, die ‑ soweit sie jetzt noch nicht verfüg- drei Jahren nicht erfolgen wird (vorgeschaltetes bar sind – in einem höchst dynamischen Wettbe- Markterkundungsverfahren) und die bisher noch werb über alle Bereiche unserer Gesellschaft und nicht über Anschlüsse von mindestens 30 Mbit/s unserer Wirtschaft mit beträchtlichem Forschungs- verfügen (Aufgreifschwelle des EU-Beihilferechts). und Entwicklungsaufwand vorangetrieben wer- Förderziel ist eine Verfügbarkeit von mindes- den. Hier muss auch der Staat mit Nachdruck seine tens 50 Mbit/s im Download für alle Anschlüsse Verwaltungsdienstleistungen umstellen und so- im Fördergebiet. Die Projekte werden über Aus- weit wie möglich über digitale Portale abwickeln. schreibungen vergeben und entweder direkt über Breitbandverfügbarkeit ≥ 50 Mbit/s nach Gemeindeprägung (alle Technologien) Abbildung 3 in % der Haushalte 100 90,3 90 80 67,7 70 60 50 40 36,2 30 20 10 0 städtisch halbstädtisch ländlich Stand: Mitte 2017 Quelle: TÜV Rheinland, eigene Darstellung 20
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Herausforderungen beim Ausbau der digitalen Infrastruktur März 2018 Aktuelle Breitbandverfügbarkeit in Tabelle 1 Planungskapazitäten sich auch begrenzend bezie- Deutschland (Stand: Mitte 2017) hungsweise preistreibend auf den nunmehr anste- henden Bau von Gigabit-Netzen auswirken wird, Analysen und Berichte Downloadgeschwindigkeit Verfügbarkeit (Haushalte) bleibt abzuwarten. ≥ 1 Mbit/s 99,9 % ≥ 2 Mbit/s 99,9 % ≥ 6 Mbit/s ≥ 16 Mbit/s 99,0 % 90,4 % Was ist nun in dieser ≥ 30 Mbit/s 84,4 % Legislaturperiode zu tun? ≥ 50 Mbit/s 76,9 % Die zentralen Herausforderungen der neuen Legis- Quelle: Erhebung des TÜV Rheinland im Auftrag des BMVI, laturperiode im Bereich der TK-Infrastruktur lie- eigene Darstellung gen im Festnetzbereich in der Fokussierung auf den Gigabit-Ausbau und im Mobilfunkbereich in der TK-Infrastrukturunternehmen (Wirtschaftlich- Etablierung der nächsten Mobilfunkgeneration 5G. keitslückenmodell) oder über Kommunen, die den Betrieb der Netze ausschreiben (Betreibermodell), Hinsichtlich der Mobilfunknetze hat schon die vor- abgewickelt. Der Bund übernimmt 50 % der Lü- herige Bundesregierung mit ihrer 5G-Strategie we- cke (in finanzschwachen Kommunen bis zu 70 %), sentliche Fragen adressiert. Es wird erwartet, dass die Kommunen bis zu 10 % und die Länder die ver- 5G ein zentraler Bestandteil der Gigabit-Netze der bleibende Lücke. Im Zuge von Sonderprogrammen Zukunft werden wird. Der 5G-Standard unterschei- wird die Versorgung von Gewerbe- und Industrie- det sich technisch vom bisherigen Standard durch gebieten sowie Häfen mit Bandbreiten und die Ver- deutlich höhere Datenübertragungsraten, sehr ge- sorgung von Schulen in den Projektgebieten auf ringe Reaktionszeiten (Latenz) und eine wesentlich Gigabit-Basis gefördert. Außerdem können einma- höhere Gerätedichte und ermöglicht somit eine lig externe Planungs- und Beratungsleistungen ge- Vielzahl neuer digitaler Anwendungen im Mobil- fördert werden, die zur Vorbereitung und Durch- funk in Echtzeit. Zu diesem Zweck sind möglichst führung einer Maßnahme anfallen. frühzeitig verschiedene Frequenzbänder, auch Pi- onierbänder, bereitzustellen, deren entsprechende Mit inzwischen 648 bewilligten Förderanträgen Verwendung derzeit auch europäisch abgestimmt sind die oben genannten Mittel komplett gebun- und harmonisiert wird. Die Nutzung von 5G be- den. Durch diese Projekte werden rund 2,5 Milli- dingt enorme Anstrengungen im Infrastruktur- onen Haushalte und rund 200.000 Unternehmen ausbau, insbesondere hinsichtlich einer deutlich mit mindestens 50 Mbit/s versorgt. Unter dem In- höheren Antennendichte. Es bedarf zudem noch ternetauftritt des Bundesministerium für Verkehr weiterer Forschung und Standardisierung sowie und digitale Infrastruktur (BMVI) (www.bmvi.de) gezielter Kooperationen zwischen TK- und An- ist beim Thema Digitales/Breitbandausbau/Breit- wendungsindustrie zur Nutzung der neuen Mög- bandförderung neben der Richtlinie – Förderung lichkeiten. In Deutschland soll die 5G-Technolo- zur Unterstützung des Breitbandausbaus in der gie so früh wie möglich zur Anwendung kommen. Bundesrepublik Deutschland – auch eine Liste Die BNetzA strebt deshalb an, möglichst schon im der bewilligten Förderanträge zu finden. Da die Jahr 2018 die notwendigen Frequenzen zu verge- Planung, die Ausschreibung und die Vergabe der ben, sodass etwa ab 2021 Nutzungen in größerem Ausbauprojekte durch die Kommunen erhebli- Maßstab möglich werden. che Zeit in Anspruch nimmt, wird die Ausfinan- zierung der Projekte den Haushalt des BMVI in der Die Schaffung eines Gigabit-Netzes im Festnetzbe- neuen Legislaturperiode ganz erheblich belasten. reich stellt eine enorme Herausforderung dar. Auch Inwieweit die mit dem Bundesförderprogramm wenn die Hauptleitungen (sogenannte backbones) wachsende Inanspruchnahme der Bau- und des derzeitigen Netzes bereits sehr weitgehend auf 21
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Herausforderungen beim Ausbau der digitalen Infrastruktur März 2018 Glasfaser umgerüstet wurden, steht Deutschland überarbeiteten Richtlinie (Kodex) seinen regulato- mit etwa 7 % auf Glasfaser basierenden Hausan- rischen Niederschlag finden müssen. schlüssen (circa 2,7 Millionen Anschlüsse) im in- ternationalen Vergleich eher schlecht dar. Der In- c) Die zügige Umsetzung der bereits in Kraft ge- vestitionsbedarf für einen flächendeckenden tretenen gesetzlichen Regelungen zur Mitnutzung Glasfaserausbau wird vom Wissenschaftlichen Ins- bestehender und neu gebauter Infrastrukturen titut für Kommunikation (WIK) auf etwa 70 Mrd. € (DiGiNetzG) kann einen wesentlichen Beitrag zur bis 80 Mrd. € (ohne Berücksichtigung vorhande- Verbesserung der Wirtschaftlichkeit von Ausbau- ner Infrastruktur) geschätzt (www.wik.org, Diskus- maßnahmen leisten. Hier sollten alle Marktbetei- sionsbeitrag Nr. 359). Die Telekommunikations- ligten deutlich kooperativer als bisher vorgehen. unternehmen sind im Rahmen der Netzallianz2 von einem Investitionsbedarf von rund 100 Mrd. € d) Die Nachfrageseite hat auch erhebliches Stei- bis 2025 ausgegangen. gerungspotenzial. In Deutschland schöpfen die Kunden bei Weitem nicht das verfügbare Ange- Allen Beteiligten ist klar: Diese Aufgabe kann nur bot an Übertragungsmöglichkeiten aus. Es kann durch überwiegend privatwirtschaftlichen Glasfa- zwar nicht Aufgabe des Staates sein, die Nutzung serausbau bewältigt werden. Um den privatwirt- privatwirtschaftlicher digitaler Produkte zu för- schaftlichen Ausbau zu unterstützen und Anreize dern. Aber auch die Bereitstellung öffentlicher für Investitionen zu setzen, müssen daher – zu- Dienstleistungen muss deutlich besser werden. nächst und prioritär – die ökonomischen Rahmen- Die neuen verfassungsrechtlichen Möglichkeiten bedingungen für den Netzausbau zielorientiert zur Bündelung von Online-Dienstleistungen von weiterentwickelt werden: Bund, Ländern und Kommunen müssen konse- quent genutzt werden. Wenn Themen wie z. B. a) Der Regulierungsrahmen muss an die neuen E-Government und E-Education vorangebracht Herausforderungen angepasst und verlässlich werden, wird damit auch die Nachfrage nach leis- ausgestaltet werden. Unternehmen brauchen klare tungsfähigen Netzen und damit die Rentabilität und diskriminierungsfreie Netzzugangsregeln, von Netzausbauinvestitionen gestärkt. die ihnen eine Amortisation der Investitionen erlauben. Die BNetzA hat hierzu bereits erhebliche Je schneller diese Rahmenbedingungen planungs- Vorarbeiten geleistet. Gegebenenfalls wird auch sicher verankert werden, umso schneller ergibt das TKG angepasst werden müssen. Insbesondere sich auch die Möglichkeit, verlässliche Kosten- bei Investitionen in bisher unrentablen Gebieten und Einnahmeprognosen und Markterkundungs- sollte auch ein höheres Maß an Verbindlichkeit verfahren durchzuführen, um abzuschätzen, in von Markterkundungsverfahren geprüft werden. welchen Gebieten und für welche Projekte sich auf lange Sicht ein privatwirtschaftlicher Ausbau b) Die Erleichterung von Unternehmenskoope- nicht lohnen wird. Eine solche Abschätzung wird rationen, u. a. um institutionelle Investoren Voraussetzung für den Einsatz öffentlicher För- stärker einzubinden, wird auch auf europäischer dermittel sein. Ebene intensiv diskutiert und im Rahmen der Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD geht von einem öffentlichen Finanzierungsbedarf von 10 Mrd. € bis 12 Mrd. € für die 19. Legislaturperi- 2 In der Netzallianz arbeiten seit März 2014 investitions- ode aus. Dazu sollen die Erlöse aus der Vergabe der und innovationswillige Telekommunikations- und UMTS- und 5G-Lizenzen über einen Fonds zweck- Netzunternehmen und deren Verbände zusammen, um den Breitbandausbau voranzubringen. gebunden bereitgestellt werden. 22
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