MR-Spektroskopie: Eine non-invasive Methode zur Untersuchung der neurochemischen Veränderungen im epileptischen Gehirn

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MR-Spektroskopie: Eine non-invasive Methode zur Untersuchung
der neurochemischen Veränderungen im epileptischen Gehirn

                                                                            Susanne G. Müller, Abteilung für Epileptologie
                                                                            und Enzephalographie, Universitätsspital Zürich
Zusammenfassung

    Magnet-Resonanz-Spektroskopie (MRS) ist eine rela-                      drug or drug combination for treatment of any parti-
tiv neue Technik, welche die non-invasive Messung ver-                      cular patient.
schiedener wichtiger Hirnmetabolite erlaubt. Der epi-
leptische Fokus weist sowohl iktal als auch interiktal                                              Epileptologie 2004; 21: 37 – 43
typische MR-spektroskopische neurochemische Verän-
derungen auf, die zur Fokuslokalisation verwendet wer-
den können. Iktal ist N-Acetylaspartat (NAA) durch ei-                      Einleitung
nen initialen Anstieg und in der Spätphase einen Abfall
gekennzeichnet. Zusätzlich ist ein Anstieg von Laktat                            Dank der Entwicklung grösserer und stärkerer
mit entsprechendem Abfall des pH und Zeichen eines                          Magnete und Computer in den letzten zwanzig Jahren
kompensierten, erhöhten Energiebedarfes, d.h. ein                           war es möglich, die Technik der Magnet-Resonanz-Spekt-
stabiles Creatin/Phosphocreatin (Cr), bei gleichzeitigem                    roskopie (MRS), die ursprünglich zur molekularen Struk-
Abfall von Phosphocreatin (PCr) und Anstieg des anor-                       turbestimmung in der physikalischen Chemie ent-
ganischen Phosphats (Pi), jedoch noch normalem                              wickelt worden war, zunehmend auch für die non-inva-
Adenosintriphosphat (ATP) typisch für den Fokus.                            sive Messung einer immer länger werdenden Liste bio-
Interiktal ist der Fokus ebenfalls in der Regel durch eine                  logisch wichtiger Stoffwechselprodukte im lebenden
NAA-Reduktion und eine Erhöhung von Pi charakteri-                          Organismus anzuwenden. Heutzutage sind die meisten
siert. Mittels spezieller MRS-Sequenzen sind seit ein                       klinischen Magnet-Resonanz-Imaging (MRI)-Systeme
paar Jahren nun auch non-invasive Messungen der                             bereits vom Hersteller mit den wichtigsten MRS-Mess-
wichtigsten exzitatorischen und inhibitorischen Neu-                        sequenzen und einfachen Analyseprogrammen ausge-
rotransmittoren und Neuromodulatoren möglich, die es                        stattet, so dass einfachere spektroskopische Messun-
vielleicht eines Tages erlauben, für jeden Patienten die                    gen ohne grösseren Aufwand im klinischen Betrieb
antiepileptische Therapie bereits vor Beginn im Hinblick                    möglich sind. Komplexere Messungen, z.B. die Messung
auf optimale Wirksamkeit abzustimmen.                                       von gamma-Aminobuttersäure (GABA), benötigen
                                                                            jedoch aufwändigere Sequenzen und Analysemetho-
                                                                            den und sind deshalb immer noch MRS-Spezialisten
MR Spectroscopy: a Non-Invasive Method for In-                              vorbehalten. Grundsätzlich können MRS-Untersuchun-
vestigating Neurochemical Alterations in the Epi-                           gen an den verschiedensten Organen, z.B. Herz, Muskel,
leptic Brain                                                                Leber etc., durchgeführt werden. Das Hirn ist jedoch be-
                                                                            sonders für diese Art Untersuchung geeignet, da die
    MR-spectroscopy is a relatively new technique that                      Messungen kaum durch Bewegungsartefakte gestört
allows for the non-invasive measurement of different                        werden und die Position des Kopfes relativ zum restli-
brain metabolites. In the ictal state as well as in the in-                 chen Körper die Anwendung von speziellen Spulen be-
terictal state, the epileptogenic focus is characterized                    sonders einfach macht. Infolgedessen wurde diese
by several typical neurochemical abnormalities that                         Technik in den letzten Jahren zur Untersuchung einer
can be used for focus identification. In the ictal state                    ganzen Anzahl von neurologischen Erkrankungen ver-
N-acetylaspartate (NAA) is increased in the early phase                     wendet, unter anderem Morbus Alzheimer, amyotrophe
but decreases in the late phase. These changes are                          Lateralsklerose, Hirninfarkt, Multiple Sklerose, Hirntu-
accompanied by an increase of lactate (Lac), a decrease                     moren und natürlich auch Epilepsie.
of pH and phosphocreatine (PCr), and an increase of in-                          Für die MR-Spektroskopie im lebenden Gewebe sind
organic phosphate (Pi) while adenosintriphosphate                           v.a. die Kerne, die in organischen Verbindungen häufig
(ATP) is stable. In the interictal state, the epileptic                     vorkommen, interessant, d.h. Wasserstoff (1H), Phos-
focus is characterized by a reduced NAA and an increased                    phor 31 (31P), Kohlenstoff 13 (13C), Stickstoff (15N) und
Pi. Special MR-spectroscopy sequences now also allow                        Fluor (19F). Da 13C-, 15N- und 19F- Messungen aber immer
of the measurement of some of the most important                            noch nur einigen wenigen spezialisierten Zentren vor-
excitatory and inhibitatory neurotransmitters and                           behalten sind, wird sich dieser Beitrag auf 1H- und
neuromodulators. Further developments of these                              31
                                                                               P-Spektroskopie beschränken.
techniques will allow someday determining individu-
ally and beforehand the most effective antiepileptic

MR-Spektroskopie: Eine non-invasive Methode zur Untersuchung... | Susanne G. Müller                                  Epileptologie 2004   37
Grundlagen                                                     lulärem und intrazellulärem oder gar vesikulärem und
                                                                    zytoplasmatischem Glutamat zu unterscheiden.
         Magnet-Resonanz macht sich die Tatsache zunutze,
     dass gewisse Atome aufgrund der Zusammensetzung
     ihres Kernes ein magnetisches Moment µ haben. Wird             1
                                                                        H-Spektroskopie des Gehirns
     eine Probe, die solche Kerne enthält, in ein äusseres
     Magnetfeld (B0) gebracht, so richten sich die zuvor völ-             1
                                                                             H zeichnet sich durch ein hohes natürliches Vor-
     lig zufällig angeordneten „Kernmagnete“ entweder               kommen und eine hohe MR-Sensitivität (d.h. hohe gyro-
     parallel oder antiparallel zu diesem Magnetfeld aus und        magnetische Ratio γ) aus. Damit wäre es eigentlich ide-
     beginnen, um die Achse von B0 mit einer bestimmten             al für MRS, leider hat 1H aber auch zwei entscheidende
     Frequenz, der so genannten Larmorfrequenz, zu rotie-           Nachteile: 1. Das 1H-Spektrum hat eine relativ kleine
     ren. Da die Kerne, die sich parallel zum äusseren              „chemical-shift“ Dispersion, was dazu führt, dass sich
     Magnetfeld ausrichten, in einer geringen Überzahl sind,        die Resonanzen vieler Metabolite überlappen und z.T.
     kommt es zu einer sehr schwachen Gesamtmagnetisa-              nur mit speziellen Anregungssequenzen, so genannten
     tion (M0) der Probe. Die Stärke von M0 ist direkt propor-      Editing-Sequenzen „sichtbar“ gemacht werden können.
     tional zur Grösse des äusseren Magnetfeldes. M0 kann           2. Die 1H-reichsten Verbindungen in vivo sind H2O und
     nun mittels eines zweiten, zeitlich limitierten und in         Fette. Diese intensiven Fett- und H2O-Resonanzen müs-
     der für den betreffenden Kern typischen Frequenz oszil-        sen daher mittels spezieller Suppressionstechniken un-
     lierenden Magnetfeld (B1) ausgelenkt, resp. „angeregt“,        terdrückt werden, da sonst die Signale anderer, interes-
     werden. Nach Abschalten von B1 wird M0 wieder nur              santerer Moleküle durch sie verdeckt werden.
     von B0 beeinflusst und richtet sich daher langsam wie-                 In Hochfeld-MRS-Messungen von Hirnextrakten
     der parallel zu diesem aus. Dabei induziert M0 in einer        können im 1H-Spektrum die Resonanzen von bis zu
     die Probe umgebenden Spule eine elektromotorische              18 verschiedenen, biologisch wichtigen Molekülen
     Kraft, die dann in das MR-Signal umgewandelt werden            unterschieden werden, z.B. Alanin, Aspartat, Laktat
     kann. MR-Spektroskopie macht sich nun die Tatsache             (Lac), N-Acetylaspartat (NAA), N-Acetylaspartaylgluta-
     zunutze, dass die Larmorfrequenz nicht nur von der             mat (NAAG), GABA, Glu, Glutamin (Gln), Glutathion
     Stärke des äusseren Magnetfeldes und der Art des Ker-          (GSH), total Creatin (Cr), d.h. Creatin und Phosphocrea-
     nes, sondern auch von der chemischen Umgebung des              tin, cholinhaltige Verbindungen (Cho), d.h. Phos-
     Kernes abhängt. Dies bedeutet, dass z.B. die Larmorfre-        phorylcholin und Glycerophosphorylcholin, Taurin (Tau),
     quenz eines 1H in einem Wassermolekül nicht ganz die-          Myoinositol (MI), Scylloinositol, Glucose und Glycin. In
     selbe ist wie die eines 1H in einem Glucosemolekül (sog.       vivo ist die Anzahl wegen der geringeren Auflösung klei-
     „chemical shift“). Das MR-Signal enthält daher das             ner. Mit den heutzutage für klinische Geräte üblichen
     ganze Frequenzspektrum aller in der Probe vorhande-            Feldstärken von 1.5 – 4T ist es aber immerhin möglich,
     nen 1H-haltigen Metabolite. Mittels Fourier-Transforma-        die Resonanzen von NAA, Cr, Cho, Glnx , (d.h. gemeinsa-
     tion kann dann dieses komplexe Signal in die einzelnen         me Resonanzen von Glu und Gln), MI und Laktat zuver-
     Frequenzkomponenten, d.h. Metabolitensignale, zer-             lässig zu identifizieren und zu quantifizieren (Abbil-
     legt werden, wobei die Fläche unter dem entsprechen-           dung 1). Mittels spezieller Editing-Sequenzen können
     den Peak proportional der Konzentration des Metaboli-          zusätzlich Glutathion, Taurin, GABA und Glu gemessen
     ten in der Probe ist.                                          werden [1, 2].
         Leider sind die Anwendungsmöglichkeiten der MRS-                   Der prominenteste Peak im normalen 1H -Spektrum
     Technik aber durch gewisse methodische Grenzen ein-            des Gehirns gehört zu NAA. NAA, dessen genaue Funk-
     geschränkt. Eine davon ist die relativ geringe räumliche       tion im menschlichen Gehirn immer noch unklar ist, gilt
     Auflösung, die z.B. für 1H-MRS in Tierstudien bei Feld-        als neuronaler Marker, da es im ausgereiften Gehirn na-
     stärken von 7.0 - 9.4T ca. 1-4 mm3 und im menschlichen         hezu ausschliesslich und in hoher Konzentration in den
     Gehirn bei Feldstärken von 1.5 – 4.0T ca. 7-40 mm3 be-         Mitochondrien von Neuronen in einem Adenosintri-
     trägt. Da das MRS-Signal überdies direkt proportional          phosphat (ATP)-abhängigen und eng mit dem Gluco-
     zu der relativ schwachen M0 ist, hat die MRS ausserdem         semetabolismus gekoppelten Prozess synthetisiert wird
     auch eine relative geringe Sensitivität. Konkret bedeu-        [3-6]
                                                                          . Bis auf einen geringen Teil, der in den Neuronen zur
     tet dies, dass in der Regel nur Metabolite, die in der Pro-    Synthese von NAAG dient, wird das neuronale NAA in
     be in einer Konzentration von mindestens 1 mM enthal-          einem kontrollierten Prozess in den extrazellulären
     ten sind, detektiert werden können. Es ist daher zum           Raum abgegeben und von dort mittels eines effizienten
     Beispiel nicht möglich, Dopamin, Serotonin oder                Transportprozesses in Oligodendrozyten aufgenom-
     Acetylcholin im Gehirn zu messen, da deren Konzentra-          men, wo es dann mittels Amidohydrolase II wieder zu
     tion normalerweise unter dieser Detektionsgrenze               Acetat und Aspartat abgebaut wird [7]. Aufgrund dieser
     liegt. Schlussendlich ist auch anzumerken, dass die ge-        Eigenheiten des NAA-Metabolismus wird mittlerweile
     messenen Konzentrationen den jeweiligen Gesamtkon-             angenommen, dass der dabei entstehende ausgeprägte
     zentrationen in der Probe entsprechen, d.h. es ist zum         neuronale/extrazelluläre NAA-Gradient dazu dient, mit-
     Beispiel in der Regel nicht möglich. zwischen extrazel-        tels einer speziellen molekularen Wasserpumpe das

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während der aeroben Glycolyse in grosser Menge anfal-                       phosphorylcholin, zwei wichtigen Komponenten des
lende metabolische H2O aus den Neuronen in den Ex-                          Phospholipidstoffwechsels, stammen, bilden den drit-
trazellulärraum zu transportieren [7]. Cr, dessen Peak                      ten grossen Peak im 1H-Spektrum. Eine weitere Reso-
nach NAA der prominenteste ist, besteht aus den Reso-                       nanz, Lac, ist nur in Situationen mit erhöhtem Energie-
nanzen von Creatin und Phosphocreatin. Da diese bei-                        bedarf, z.B. im visuellen Cortex bei intensiver visueller
den sich chemisch sehr ähnlich sind, haben sie nahezu                       Stimulation oder bei Störungen des Energiestoffwech-
identische Larmorfrequenzen und verschmelzen im in                          sels, z.B. in einem Infarktareal, in einer messbaren Kon-
vivo-Spektrum zu einem einzigen Peak. Creatin/Phos-                         zentration vorhanden. Bei kürzeren Echozeiten können
phocreatin spielen eine wichtige Rolle im Energiestoff-                     zusätzlich die Resonanzen von Glu, Gln und MI beob-
wechsel, da durch die Umwandlung von Phosphocrea-                           achtet werden. Glu und Gln haben beide je vier, wegen
tin und ADP (Adenosindiphosphat) in Creatin und ATP                         des so genannten „spin-spin-couplings“ sehr komplexe
mittels Creatin-Kinase-Reaktion die ATP-Konzentration                       Resonanzen, die ausserdem aufgrund der chemischen
auch in Situationen mit erhöhtem Energiebedarf stabil                       Ähnlichkeit der beiden Moleküle sehr nahe beieinander
gehalten werden kann. Die Gesamtkonzentration dieser                        liegen und daher bei den für klinische Untersuchungen
beiden Stoffe und damit die Intensität des Cr-Peaks im                      gebräuchlichen Feldstärken nicht sicher voneinander
Spektrum ist daher auch unter pathologischen Bedin-                         unterschieden werden können. Sie werden daher of als
gungen häufig konstant, weshalb Cr auch gerne als in-                       eine einzige Resonanz, den so genannten „Glnx“-Peak,
terne Referenz zur Quantifizierung der anderen Peaks                        gemessen. MI, von dessen vier Resonanzen die bei 3.54
gebraucht wird. Die Resonanzen der cholinhaltigen Ver-                      ppm am besten quantifizierbar ist, ist ein „second mes-
bindungen, die v.a. von Phosphorylcholin und Glycero-                       senger“ und Osmolyt und gilt, da es in Gliazellen in be-

Abbildung 1: 1H Spektrum eines normalen Gehirns („single voxel mit PRESS-Lokalisation, nominale Voxelgrösse 8 ccm, Messung
parieto-occipital) bei kurzer Echozeit (TE/TR = 30/ 2000 ms) bei 3T. Klar erkennbar sind die Hauptresonanzen von N-Acetylas-
partat (NAA), Creatin/Phosphosocreatin (Cr), cholinhaltige Verbindungen (Cho), Myoinositol (MI), Glutamat und Glutamin (Glnx )
(grosse Beschriftung) und zusätzliche Resonanzen von Taurin (Tau), Aspartat (Asp), NAA und Glnx (kleine Beschriftung).

MR-Spektroskopie: Eine non-invasive Methode zur Untersuchung... | Susanne G. Müller                                  Epileptologie 2004   39
sonders hohen Konzentrationen vorhanden ist, als glia-            Glycerophosphoethanolamin, d.h. den Abbauprodukten
     ler Marker.                                                       des Phospholipdstoffwechsels, von Phosphocreatin,
                                                                       und schliesslich von gamma-, alpha- und beta-Adeno-
                                                                       sintriphosphat (ATP) (1) unterscheiden (Abbildung 2).
      P-Spektroskopie des Gehirns
     31

         31P hat zwar eine bedeutend kleinere gyromagneti-             MR-Spektroskopie und Epilepsie
     sche Ratio als 1H, aber wie dieses ein sehr hohes natür-
     liches Vorkommen (100%) und ausserdem eine relativ                    Auf dem Gebiet der Epileptologie hat die MRS zwei
     grosse „chemical shift“-Dispersion, was eine relativ              grosse Anwendungsbereiche: 1. Identifikation des epi-
     gute Unterscheidung der verschiedenen Resonanzen er-              leptischen Fokus und sekundär in die Anfallsausbrei-
     laubt. In einem typischen, auf einem klinischen Gerät             tung einbezogener Hirnregionen im Rahmen prächirur-
     gemessenen in vivo 31P-Spektrum lassen sich in der Re-            gischer Abklärungen. 2. Identifikation eines „Respon-
     gel die Peaks der Phosphomonoestergruppe (PME), die               derprofiles“ für den gezielten Einsatz antiepileptischer
     sich v.a. aus den Resonanzen von alpha-Glycerol-Phos-             Medikamente. Zahlreiche Untersuchungen belegen
     phat, Phosphorycholin, Phosphoethanolamin und Inosi-              mittlerweile den Nutzen von MR-spektroskopischen
     tol-1-Phosphat, d.h. Substraten für die Phospholipid-             Messungen zur Fokusidentifikation. Der zweite Anwen-
     synthese, zusammensetzen, von anorganischem Phos-                 dungsbereich steckt zwar zur Zeit immer noch in den
     phat (Pi), der Phosphodiesterngruppe (PDE), bestehend             Kinderschuhen, dennoch ist abzusehen, dass die zuneh-
     aus den Resonanzen von Glycerophosphorylcholin und                mende Verbreitung von klinischen Magneten mit höhe-

     Abbildung 2. 31P-Spektrum des Gehirns (3D 31 P MRSI mit 1H-Decoupling, TR/TE = 400/3,2 msec, 31P MRSI mit FOV 270 ccm, 8
     averages, nominale Voxelgrösse: 11,4 ccm, rechts temporal) bei 1,5 T. Erkennbar sind die Peaks von Phosphomonoester (PME),
     anorganischem Phosphat (Pi), Phosphodiester (PDE), Phosphocreatin (PCr) und Adenosintriphosphat (ATP) (3 Peaks für die g-, a-
     und b- Phosphatgruppe). Im Vergleich zum 1H-Spektrum (Abbildung 1) ist die “chemical shift”-Dispersion viel grösser, d.h. ca. 25
     ppm im Vergleich zu ca. 10 ppm bei 1H.

40    Epileptologie 2004                                     MR-Spektroskopie: Eine non-invasive Methode zur Untersuchung... | Susanne G. Müller
rer Feldstärke, d.h. 3-4 T, in den nächsten Jahren auch in                  letzten Zeit häufen sich jedoch Hinweise, dass sie zu
diesem Bereich zu weiteren Fortschritten führen wird.                       einem nicht unbeträchtlichen Teil auch auf eine neuro-
                                                                            nale/gliale Dysfunktion zurückzuführen ist, die wahr-
                                                                            scheinlich. die Folge einer durch den epileptogenen
MR-spektroskopische Abnormalitäten im epilepti-                             Prozess bedingten mitochondrialen Funktionsstörung
schen Fokus                                                                 ist [17-19]. Dies wird auch durch die interiktalen Befunde
                                                                            der 31P-Spektroskopie im Fokus bestätigt, wo Pi
    Die spektroskopisch erfassbaren biochemischen Ver-                      typischerweise erhöht und PCr/Pi und ATP/Pi entspre-
änderungen im Fokus sind komplex und werden im We-                          chend erniedrigt sind (20,21), während Veränderungen
sentlichen durch drei Faktoren bestimmt: 1. die Histolo-                    der anderen 31P-haltigen Metabolite, z.B. PME und pH,
gie, d.h. das Verhältnis Gliazellen zu Neuronen, und                        nur inkonstant beschrieben werden. Was die Verände-
dem Differenzierungsgrad dieser Zellen. 2. der Funktio-                     rungen der Konzentrationen anderer Metabolite im
nalität von Neuronen und Gliazellen, d.h. ob die ver-                       Fokus angeht, so sind die Befunde ebenfalls inkonstant.
schiedenen Stoffwechselprozesse in den Zellen normal                        So wurden zum Teil erhöhte Konzentrationen von Cho,
ablaufen können, und 3. ihrem Funktionszustand, d.h.                        PME, Glnx und des pH gefunden [21-24], die aber in
im Falle des epileptischen Fokus, ob die Untersuchung                       anderen Arbeiten nicht bestätigt werden konnten [20,25,26].
iktal oder interiktal stattfindet.                                          Auch für MI wurden sowohl eine Erhöhung [27] als auch
    Da Untersuchungen im Anfall in der Regel schwierig                      eine Erniedrigung [28] im Fokus beschrieben. Während
und für den Patienten belastend sind, wurden die                            diese Inkonsistenzen zum Teil sicher durch unterschied-
meisten iktalen MRS-Untersuchungen an betäubten                             liche Mess- und Postprocessingmethoden bedingt sind,
und beatmeten Tieren durchgeführt, bei denen künst-                         reflektieren sie zum anderen aber auch Unterschiede in
lich, z.B. mittels Kainat-Injektion, ein prolongierter                      den untersuchten Patientenkollektiven, z.B. neokortika-
Anfall oder gar ein Status epilepticus provoziert worden                    le Epilepsien vs. Temporallappenepilepsien, unter-
war. In der Frühphase, d.h. innert der ersten sechzig                       schiedliche Ausmasse von Neuronenverlust resp. reakti-
Minuten eines derartigen Anfalls, kommt es bei Ratten                       ver Gliose im Fokus, unterschiedliche intrinsische epi-
im 1H-Spektrum zu einem Anstieg von NAA/Cr und                              leptogene Aktivität oder unterschiedliche antiepilepti-
Lac/Cr [8,9]. Dies wird als Zeichen eines erhöhten, jedoch                  sche Behandlungen. Dies bedeutet, dass, während sich
noch kompensierten Energieumsatzes interpretiert,                           einerseits die MRS immer mehr als zuverlässige non-
was auch durch 31P-spektroskopische Untersuchungen                          invasive Methode zur Fokuslokalisation in der Klinik be-
unterstützt wird, die in dieser Phase einen Abfall des pH                   währt, andererseits aber auch weitere Forschungsarbeit
und PCr bei gleichzeitigem Anstieg von Pi, aber unver-                      notwendig ist, um die gesamte in einem Spektrum ent-
änderter ATP-Konzentration zeigen [10, 11]. In der Spätpha-                 haltene metabolische Information besser zu verstehen
se (>24 h) kommt es dann zu einem Abfall von NAA und                        und somit auch zu nutzen. Wie dies etwa aussehen
Cr [12] mit persistierendem Lac-Anstieg [9], was als Anzei-                 könnte, beschreibt der nächste Abschnitt.
chen einer definitiven neuronalen Schädigung und Be-
einträchtigung des Energiestoffwechsels mit gestörtem
Abtransport von Lac interpretiert wird. Diese Befunde,                      MR-Spektroskopie als Hilfsmittel für den geziel-
die im Tiermodell ziemlich konstant sind, unterscheiden                     ten Medikamenteneinsatz
sich etwas von denen, die in den wenigen Studien bei
Patienten mit prolongierten Anfällen oder nicht konvul-                         Die medikamentöse Therapie der Epilepsien basiert
siven Staten gefunden wurden. Dies dürfte jedoch v.a.                       auch heute noch immer auf dem Prinzip „trial and er-
darauf zurückzuführen sein, dass einerseits die Unter-                      ror“, d.h. die Therapie wird dadurch optimiert, dass die
suchungen bei Patienten in der Regel zu einem späteren                      verschiedenen heute erhältlichen Antiepileptika der
Zeitpunkt als in den Tierstudien (d.h. oft erst nach meh-                   Reihe nach allein oder in Kombination durchprobiert
reren Tagen) durchgeführt wurden und andererseits das                       werden, bis die Substanz oder Substanzkombination
Gewebe der Patienten bereits durch eine über längere                        gefunden ist, mit der die Anfälle am besten kontrolliert
Zeit bestehende Epilepsie vorgeschädigt war, oder die                       sind. Wünschenswert wäre allerdings eine massge-
Anfälle gar von einer strukturellen Läsion, z.B. einer kor-                 schneiderte Therapie, d.h. dass von Beginn an nur die
tikalen Malformation, ausgingen. Eine Erniedrigung von                      Substanzen eingesetzt werden könnten, die in der indi-
NAA im Fokus, die z.T. nach Beendigung der Anfälle eine                     viduellen Situation eines Patienten die grösste Aussicht
gewisse Erholungstendenz zeigte, war zusammen mit                           auf Erfolg haben. Dies setzt allerdings voraus, dass einer-
einem iktalen Anstieg von Lac die konstanteste Verän-                       seits sowohl die kurz- als auch die langfristigen Wirkun-
derung. Ausserdem wurden z.T. auch ein iktales Anstei-                      gen der Antiepileptika auf die verschiedenen Neurotrans-
gen von Glnx und Cho beobachtet [13-16].                                    mitter-/Ionenkanalsysteme bekannt sind, andererseits
    Die NAA-Reduktion ist auch im interiktalen Zustand                      aber auch ein genaues neurochemisches Profil des indivi-
das typischste Kennzeichen des epileptischen Fokus.                         duellen Patienten erstellt werden kann. Erste Ansätze für
Diese wurde lange ausschliesslich mit dem für epilepti-                     Letzteres wurden mit der Entwicklung von Editing-
schen Fokus typischen Neuronenverlust erklärt. In der                       Sequenzen zur Messung von GABA möglich. Diese erlaub-

MR-Spektroskopie: Eine non-invasive Methode zur Untersuchung... | Susanne G. Müller                                   Epileptologie 2004   41
Abbildung 3: 1H-Spektren (1H MRSI, TE/TR 144/1500 ms, FOV 210 ccm, nominale Voxelgrösse 1ccm) aus dem Hippokampus ei-
     nes Patienten mit einem links hippokampalen Anfallsherd (interiktale Messung). Jedes Quadrat entspricht einem Voxel, die ent-
     sprechenden Spektren sind mit einem Pfeil bezeichnet. Im Seitenvergleich fällt auf, dass der NAA-Peak in den ersten 3 Spektren
     auf der linken Seite deutlich kleiner ist als die entsprechenden Spektren auf der nicht epileptogenen rechten Seite, während
     sich die Peaks von Cr und Cho nicht unterscheiden.

     ten es, die Veränderungen der GABA-Konzentration durch           Referenzen
     ein GABA-erges Medikament, wie z.B. Vigabatrin zu verfol-
     gen und Charakteristika für ein gutes Ansprechen auf eine         1. De Graaf RA. In vivo NMR Spectroscopy. Principles and Techniques.
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     unter der Therapie in der Regel typisch für eine deutliche        3. Urenjak J, Williams SR, Gadian DG, Noble M. Specific expression of
     Reduktion der Anfälle durch Vigabatrin, während normale               N-acetylaspartate in neurons, oligodendrocyte-type-2 astrocyte
     GABA-Konzentrationen vor Therapiebeginn, die auch un-                 progenitors, and immature oligodendrocytes in vitro. J Neurochem 1992;
     ter Therapie kaum anstiegen, typisch für ein Versagen von             59: 55-61
     Vigabatrin waren [29]. Inwieweit sich diese Respondercha-         4. Bates TE, Strangward M, Keelan J et al. Inhibition of N-acetylaspartate
     rakteristika auch auf die anderen Antiepileptika übertra-             production: implications for 1H MRS studies in vivo. Neuroreport 1996;
     gen lassen, die zu einem spektroskopisch messbaren                    7: 1397-1400
     GABA-Anstieg führen, bleibt abzuklären [30-31].                   5. Bhakoo KK, Pearce D. In vitro expression of N-acetyl aspartate by
                                                                           oligodendrocytes: implications for proton magnetic resonance spectro-
                                                                           scopy signal in vivo. J Neurochem 2000; 74:254-262
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                                                                           infusion. J Neurochem 2001; 77: 347-350
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