Nachhaltige Sicherung von Wasserres-sourcen - das NFP 61 im Spiegel globaler und nationaler Herausforderungen

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Nachhaltige Sicherung von Wasserres-sourcen - das NFP 61 im Spiegel globaler und nationaler Herausforderungen
Nachhaltige Sicherung von Wasserres-
sourcen – das NFP 61 im Spiegel globaler
und nationaler Herausforderungen
„        Christian Leibundgut

1.       Einleitung                             2.       Wasserressourcen
Wasser als elementare Lebensgrundlage                    und Nachhaltigkeit
kommt zunehmend unter Druck. Bekannte           Nachhaltigkeit als allgemeines Bestreben
Einflussgrössen sind der Klimawandel, der       kann definiert werden als ein Wirtschaften,
Nutzungsdruck und die Belastungen durch         das alle einbezogenen Elemente im Gleich-
Schadstoffe. Die aktuellen ökonomischen         gewicht belässt oder ins Gleichgewicht
Entwicklungen bergen die Gefahr, dass selbst    bringt. Konkret heisst das, dass ökologische,
Grundressourcen wie das Wasser zunehmend        ökonomische und soziale Überlegungen
in den Strudel des globalisierten Marktes und   gleichermassen berücksichtigt und damit
der offenbar nicht mehr kontrollierbaren Fi-    Voraussetzungen für eine längerfristig trag-
nanzmärkte geraten, der aktuell wie ein Sturm   fähige Entwicklung von Gesellschaft und
über die Erde hinwegfegt. Im Gefolge des        Umwelt geschaffen werden. Die Ursprünge
Wirtschafts- und Bevölkerungswachstums          dieser Überlegungen gehen auf den Club of
hat sich unter anderem ein anthropogen indu-    Rome zurück, mit dessen Veröffentlichungen
zierter Klimawandel eingestellt, der die Was-   zur Umweltentwicklung und zur Zukunft der
serressourcen zusätzlich belastet und in sei-   Weltwirtschaft vor rund fünfzig Jahren das        Bild 1. Schematische Darstellung der
nen finalen Auswirkungen noch unübersehbar      moderne Umweltdenken und die Umweltfor-           Nachhaltigkeit in den überlappenden
ist. Anstrengungen zum langfristigen Schutz     schung eingeleitet wurden (Meadows 1972,          Bereichen der drei Sektoren Ökologie,
der Wasserressourcen im globalen und re-        Meadows et al. 1974). Gleichgewicht wird hier     Ökonomie und Soziales System.
gionalen Rahmen sind deshalb unerlässlich       nicht verstanden als statischer Zustand, son-
und weltweit bereits zahlreich in Ausführung.   dern als Fähigkeit des Systems sich in einer               Das Integrierte Wasser Ressourcen
Dabei gilt das «Integrierte Wasser Ressourcen   gewissen Bandbreite in ein neues Gleichge-        Management (IWRM) basiert auf den vier
Management» als anerkannter und potenziell      wicht einzupendeln (Homöostase, Resilienz),       1992-Dublin-Prinzipien:
wirkungsvoller Ansatz, um die Probleme der      wie dies seitens der Ökologie definiert wird      1. Wasser ist eine endliche und verletz-
nachhaltigen Sicherung der Ressource Was-       (Folke et al. 2002). Die schematische Darstel-        liche Ressource, unentbehrlich für
ser und deren Nutzung durch den Menschen        lung der Nachhaltigkeit impliziert für die drei       Leben, Entwicklung und Umwelt.
zu analysieren und Problemlösungen einver-      Bereiche Ökologie, Ökonomie und Soziales          2. Wassererschliessung und dessen Ma-
nehmlich zu erarbeiten.                         System wechselseitiges Ineinandergreifen              nagement basieren auf einem partizi-
         Wasser ist anerkanntermassen           (Bild 1). Der blaue Ring um die drei Sektoren         pativen Ansatz, der Nutzer, Planer und
ebenso ein Schlüssel für eine prosperierende    symbolisiert die Einheit des Gesamtsystems.           politische Entscheidungsträger aller
Volkswirtschaft als auch für eine stabile und   Um Nachhaltigkeit zu verfolgen und schliess-          Ebenen einbezieht.
innovative Gesellschaftsentwicklung. Wegen      lich zu erreichen, müssen die «selbständigen»     3. Frauen spielen eine zentrale Rolle bei
des relativen Wasserreichtums wurde dies        Einzelbereiche in den Schnittflächen «einver-         der Versorgung mit Wasser, seinem
hierzulande lange kaum wahrgenommen.            nehmliche» Lösungen finden. Am stärksten              Management und Schutz.
Mit dem Nationalen Forschungsprogramm           ist Nachhaltigkeit im zentralen Segment aus-      4. Wasser hat einen wirtschaftlichen Wert
NFP 61 «Nachhaltige Wassernutzung» will         gebildet.                                             in all seinen konkurrierenden Nut-
die Schweiz einen grossen Schritt zur Siche-             In der modernen Wasserwirtschaft             zungsmöglichkeiten und sollte als wirt-
rung der Wasserressourcen des Landes un-        wird Nachhaltigkeit unter anderem durch das           schaftliches Gut angesehen werden.
ternehmen. Eine nachhaltige Wassernutzung       Integrierte Wasser Ressourcen Management          Der Artikel 4 ist in seinem zweiten Teil als kri-
setzt zwingend die langfristige Sicherung der   (IWRM) angestrebt. Darunter wird nach Global      tisch einzustufen, birgt doch die Behandlung
Wasserressourcen voraus, da jede Nutzung        Water Partnership (2000) ein Prozess verstan-     des Wassers als rein wirtschaftliches Gut
von Wasser auf diese Ressource zurückgrei-      den, welcher eine koordinierte Entwicklung        durchaus Gefahren, wie die Vergangenheit
fen muss. Das Nationale Forschungspro-          und ein koordiniertes Management der Was-         zeigt. Im Sinne der Nachhaltigkeit müsste es
gramm «Nachhaltige Wassernutzung» (NFP          ser-, der Land- und der weiteren Ressourcen       heissen, «…Wasser… sollte nicht nur als wirt-
61) (www.nfp61.ch/D/) will wissenschaftlich     beinhaltet. Ziel ist sowohl die Sicherung der     schaftliches, sondern auch als kulturelles und
fundierte Grundlagen, Methoden und Strate-      Wohlstandsfunktionen des Wassers als auch         soziales Gut angesehen werden».
gien sowie Lösungsansätze für die künftigen     der sozialen Gerechtigkeit bei der Wassernut-              Der entscheidende Begriff des Inte-
Herausforderungen in der Wasserwirtschaft       zung ohne dabei die Nachhaltigkeit der vitalen    grierten Wasser Ressourcen Managements
erarbeiten.                                     Ökosysteme zu gefährden.                          (IWRM) ist «Integriert». Darunter wird primär

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Nachhaltige Sicherung von Wasserres-sourcen - das NFP 61 im Spiegel globaler und nationaler Herausforderungen
oder ganz kollabiert (Mays ed. 2007).
                                                                                                              Weitere ähnliche Grossprojekte sind
                                                                                                     in Planung oder wurden kürzlich vollendet,
                                                                                                     wie das «Drei Schluchten-Projekt» in China.
                                                                                                     In Brasilien wird derzeit um die Bewilligung
                                                                                                     für einen neuen, konfliktreichen Riesenstau-
                                                                                                     damm «Belo Monte» (http://www.amazon-
                                                                                                     watch.org/amazon/BR/bmd/) gerungen. Eine
                                                                                                     ganzheitliche Projektplanung im Sinne des
                                                                                                     IWRM ist nicht zu erkennen. Solche Grosspro-
                                                                                                     jekte haben auch überregional Auswirkungen
                                                                                                     und sind deshalb nicht nur nationale Angele-
                                                                                                     genheiten. Hochproblematisch bezüglich der
                                                                                                     Wasserressourcen sind weiterhin die grossen
                                                                                                     Rodungen der tropischen Urwälder in Süda-
                                                                                                     merika, Asien und Afrika. Sie können, abgese-
                                                                                                     hen von den regionalen Störungen, im Zusam-
                                                                                                     menhang mit dem ohnehin laufenden Klima-
Bild 2. Schema des «Integrierten Wasser Ressourcen Managements» (IWRM) auf                           wandel deutliche Änderungen in der globalen
Einzugsgebietsbasis. Die klassischen drei Bereiche Ökologie, Ökonomie und Soziales                   Zirkulation hervorrufen. Ein weiteres Negativ-
System sind durch die Kultur als wesentliche Grundlage für Zukunftsentscheide (v.a.                  Beispiel Nicht- Nachhaltiger-Entwicklungen
Dritte Welt) ergänzt (aus Leibundgut 2007).                                                          ist der weltweite Trend zu Megacities, wie z. B.
                                                                                                     Mexiko City, mit ihren kaum mehr bewältig-
das Zusammenwirken der drei Sektoren mit         keit auch gut verstanden werden, wenn man           baren Problemen der Wasserversorgung
dem Ziel, tragfähige, dynamische Gleichge-       Beispiele von Nicht-Nachhaltigkeit analysiert       und Entsorgung. Sie stören die Stadt-Um-
wichte zu finden, verstanden. Dieses Integral    oder auch nur betrachtet, wie dies im näch-         land-Beziehung und die Wasserressour-
ist mehrdimensional zu verstehen (Grambow        sten Kapitel erfolgt.                               cen einer weiten Umgebung in schwerster
2009). Die Dimensionen sind:                                                                         Weise. Zusammengefasst muss festgestellt
a) die Daseinsfürsorge (transsektoral),          3.       Wasserressourcen                           werden, dass solcherart devastierte Natur-
     Wasserversorgung in allen Bereichen                  sind global unter Druck                    Produktions- und Siedlungsräume keine Vo-
     und Wasser zur Erhaltung der Ökosys-        Theoretische und grundsätzliche Überle-             raussetzungen mehr bieten, eine nachhaltige
     teme                                        gungen, wie mit einem IWRM langfristig eine         Nutzung der Wasserressourcen und der Le-
b) die Oberlieger-Unterlieger-Problematik        Sicherung der Wasserressourcen erreicht wer-        bensgrundlagen überhaupt zu ermöglichen.
     (translokal)                                den kann, werden in der weltweiten Wasser-          Die beiden anderen Bereiche der Nachhaltig-
c) die Generationenverantwortung (Zeit-          community intensiv erörtert und in Ansätzen         keit, das ökonomische und das soziale Sy-
     dimension)                                  verfolgt. Die Wirklichkeit steht jedoch überall     stem (vgl. Bild 1), sind derzeit in einem ver-
d) die «Good Governance» (Partizipa-             vor dem fundamentalen Problem der Umsetz-           gleichbar problematischen Zustand und die
     tion)                                       barkeit. Nach ISEP 2009 spricht man von vier        Aussichten sind schlecht. Die Palette reicht
Weiterhin beinhaltet IWRM auch die Abstim-       Erdkrisen, in denen wir uns im Gefolge des          von unverantwortlicher Staatsführung und
mung mit weiteren wasserrelevanten Be-           seit Jahrzehnten ungebremsten Wachstums             Staatsverschuldungen über unkontrolliertes
reichen und Ressourcen wie Landmanage-           befinden (Bild 3). Wasser ist dabei in allen vier   Wirtschaftswachstum bis zu profitgieriger
ment, Landwirtschaft, Raumplanung, Stadt-        Bereichen eine entscheidende Grösse.                Spekulation mit Ressourcen und Finanzen.
Land-Beziehungen und den Einbezug der                     Obwohl es international gute Beispiele     In vielen Ländern sind die sozialen Systeme
Industrie vor allem mit den wesentlichen As-     regionaler Wassermanagemente gibt, wie              (Renten, Gesundheitswesen, Bildung) ma-
pekten Abwasser, Wassersparen und Recy-          zum Beispiel in den Niederlanden, sind es vor       rode oder bereits akut in Gefahr. Damit steigt
cling. Hier gilt es die end-of-pipe-Ansätze zu   allem die gigantischen Fehlleistung auf die-        das Risiko von sozialen Spannungen, deren
minimieren. Allen Handlungen im IWRM muss        sem Gebiet, die ins Auge stechen. Da sind, um       Entladung die Gleichgewichte, die nötig sind
Gerechtigkeit (Ressourcengerechtigkeit) zu-      Beispiele zu nennen, die Wasser-Grosspro-           um Nachhaltigkeit im Wirtschaften und Zu-
grunde liegen. Nur bei gerechter Verteilung      jekte im Westen der USA, in Israel und am au-       sammenleben zu erzielen, weiter labilisieren.
der Ressourcen kann langfristig soziale Sta-     genfälligsten im Einzugsgebiet des Aralsees                  In diesem ganzen Kontext sind die
bilität und damit das Potenzial und der Wille    (Perara, 1993). In allen Projekten wurde der        Wasserressourcen nur eine der vielen Res-
zur Nachhaltigkeit erwirkt werden. Generell      notwendige integrale Ansatz nicht verfolgt.         sourcen, die genutzt, vielfach auch ausge-
müssen ethische Überlegungen verstärkt ins       Vielmehr steht die ökonomische Maximierung          beutet werden. Eine nachhaltige Sicherung
IWRM eingehen. Die Armutsbekämpfung und          als Leitlinie im Vordergrund. Über Bewässe-         der Wasserressourcen kann deshalb nur im
der Anspruch auf sauberes Wasser sind Bei-       rung wurden die landwirtschaftlichen Erträge        Verband der Gesamtwirtschaft erreicht wer-
spiele dafür. In diesem Zusammenhang wird        in Monokulturen (cash crops) hochgetrieben,         den. Das heisst jedoch, dass das rezente Wirt-
oft ein Menschenrecht auf Wasser gefordert.      mit den bekannten Folgen wie Desertifika-           schaftssystem, basierend auf der Maxime des
Die Implikationen eines solchen Menschen-        tion, Grundwasserabsenkung, Versalzung              quantitativen Wachstums, überdacht und
rechtes werden international seit Jahren         und Verseuchung durch Chemikalien und               mittelfristig geändert werden muss. Die Wirt-
äusserst kontrovers diskutiert (Winkler 2008,    Schwermetalle. Die Wasser- und Bodensys-            schaft, aber auch die Gesellschaft, muss von
Barandat 2008).                                  teme im Westen der USA (Kalifornien) und im         «Growth» auf «Degrowth» umgestellt werden
         Im Umkehrschluss kann Nachhaltig-       Einzugsgebiet Aralsee sind bereits teilweise        (Latouche 2009). Wachstum ist nicht primär

«Wasser Energie Luft» – 102. Jahrgang, 2010, Heft 3, CH-5401 Baden                                                                              223
Nachhaltige Sicherung von Wasserres-sourcen - das NFP 61 im Spiegel globaler und nationaler Herausforderungen
nur als quantitative Grösse, sondern als «Ent-
wicklung» zu begreifen, die Werthaftigkeit
impliziert. Es gilt vom Überkonsum zu einem
quantitativ mässigen Konsum mit dem Ziel
der Produktequalität und der Lebensqualität
zu kommen. Um weniger die philosophische
Seite des Degrowth zu streifen und eine prak-
tische Massnahme zu nennen, könnte als
Beispiel die Biologische Landwirtschaft auf-
geführt werden. Hier ist das Produktionsziel
primär die Qualität, es wird ohne (oder mit
wenig) chemischen und hormonellen Stoffen
und Kunstdünger gearbeitet und das Recy-         Bild 3. Die vier Erdkrisen, nach ISEP 2009 (stark verändert und erweitert).
cling des organischen Materials steht im Vor-
dergrund.                                        Situation durchaus als weniger dramatisch         für einen Erfolg ist aber stets der Wille von Po-
         Damit könnte noch eine Chance be-       angesehen werden, auch wenn die externen          litik, Gesellschaft und auch der Wissenschaft
stehen mit einem dunkelblauen Auge davon-        globalen Treiber wie die Finanzmärkte und der     selber, Erkenntnisse der Forschung auch um-
zukommen. Auch der Weg zurück ist ein Weg        Klimawandel nicht negiert werden dürfen. So       zusetzen und umsetzbar zu gestalten.
– besagt eine alte Weisheit.                     besteht durchaus die Gefahr, dass auch die                  Von Global Water Partnership 2000
         Der von der Brundtland Kommission       Schweizer Volkswirtschaft in absehbarer           wird das «Integrated Water Resources Ma-
eingeführte Begriff des «Sustainable De-         Zeit die nötigen Mittel nicht mehr aufbringen     nagement (IWRM)» als ein Prozess definiert:
velopment» interferiert mit dem Begriff des      kann, um die nötigen Reinvestitionen im Was-      «IWRM is a process which promotes the co-
Degrowth. Beide wollen Nachhaltigkeit errei-     sersektor zur Wahrung der heutigen Qualität       ordinated development and management of
chen. Sustainable Development ist aber so        zu tätigen. Zudem besteht global (und in der      water, land and related resources, in order to
breit angelegt, dass es zu allem und jedem       Schweiz) weiterhin die Gefahr, dass Bestre-       maximize the resultant economic and social
verwendet werden kann. Die bisherigen Er-        bungen nach Privatisierung und Gewinnma-          welfare in an equitable manner without com-
fahrungen haben denn auch gezeigt, dass          ximierung auch in diesem Ressourcenbereich        promising the sustainability of vital ecosy-
Nachhaltigkeit über diesen Weg nicht funkti-     verstärkt Einzug halten und zu grossen Ein-       stems». Das ist vielleicht eine nicht vollstän-
oniert. Wir brauchen mehr und dieses Mehr ist    brüchen führen könnten.                           dige Definition, aber sie geht in die richtige
in Degrowth enthalten. Ein in den Umweltdis-                                                       Richtung. Sie bedarf jedoch der Ergänzung
kussionen immer wieder übersehener Faktor        4.       Lösungsansatz: Integrales                der räumlichen Basis, sei es das Einzugsge-
ist das fortschreitende Bevölkerungswachs-                Wasser Ressourcen Manage-                biet (vgl. Bild 2) oder ein «funktionaler Raum»
tum mit bereits teilweiser Überbevölkerung                ment (IWRM)                              (Schaffner et al. 2010). Die Definition beinhal-
auf der Erde. Es wird zwar Nachhaltigkeit ge-    IWRM wird postuliert, um den interdepen-          tet implizit die Partizipation und den Willen zur
fordert, das Bevölkerungs- und Wirtschafts-      denten Zusammenhängen der Wasserwirt-             Adaption aller Beteiligten.
wachstum jedoch wird nicht einbezogen!           schaft mit der Gesamtwirtschaft, der Gesell-                Diese allgemeine Definition bedarf –
Damit muss hier die einfache These aufge-        schaft und den ökologischen Grundlagen            wie oben ausgeführt – der Konkretisierung
stellt werden, dass allein das Bevölkerungs-     Rechnung tragen zu können. Damit verfügt          und Aktualisierung. Im realen Einsatz muss
wachstum in den nächsten Jahrzehnten alle        man aber noch lange nicht über die heilbrin-      das Grundanliegen IWRM vom normativen
Bemühungen, zu Nachhaltigkeit zu kommen,         gende Wunderlösung im Wassersektor. Ei-           Konzept zum umsetzbaren Modell umgebaut
zunichte machen wird.                            nerseits stösst IWRM an methodische Gren-         werden. Als Vorausetzung müssen in den po-
         Für die Wassercommunity ist die Si-     zen, weil ökologische, ökonomische und so-        litischen Strukturen folgende Elemente vor-
tuation irgendwie tragisch, wäre sie doch in     ziale Prozesse involviert sind, die schon für     handen sein (Grambow et al. 2009):
der Lage, mit ihrem hohen Know-how und           sich sehr komplex sind und die nur schwierig      1. Ein Wassermanagement der strate-
mit Ansätzen wie dem IWRM die Probleme           in einem umfassend integrierten Manage-                 gischen Entwicklungen überregionaler
der Zukunft auf dem Wassersektor weitge-         mentansatz erfasst werden können. Ander-                Grossstrukturen
hend befriedigend zu lösen. Allerdings bleibt    seits stösst IWRM – angesichts der oben be-       2. Ein Wasserrechtsvollzug (Plan- und Anla-
IWRM meist ein theoretisches Gebilde, wenn       schriebenen, auf die Wasserressourcen ein-              gengenehmigung, Benutzungs- rechte)
es im realen Kontext, in dem es definitions-     wirkenden Kräfte – in manchen Situationen         3. Ein Monitoring, Anlagenüberwachung,
gemäss verfolgt werden muss, zur Anwen-          an Grenzen der grundsätzlichen Machbarkeit              Gewässerschutz
dung kommt. Im Kontext der Vernetzung der        (Bundi und Truffer, 2001). Das alles soll nicht   4. Wasserversorgung und Abwasserent-
Wasserressourcen innerhalb der gesamten          gegen Bemühungen um IWRM sprechen.                      sorgung sind kommunale Aufgaben
Ressourcenwirtschaft führt dies dann zur         Sorgfältige Analysen sollen die Problem-          5. Hochwasserschutz der grossen Ge-
oben beschriebenen pessimistischen Pro-          stellungen, Optionen und Grenzen eines                  wässer sind Staatsaufgaben, da ein-
gnose. Die Bemühungen um eine Sicherung          nachhaltigen Wassermanagements aufzei-                  zugsgebietsübergreifend
der Wasserressourcen muss – wenn die ab-         gen. Sodann müssen pragmatische, wissen-          Für die Schweiz mit ihrer speziellen Aufgaben-
sehbaren negativen Entwicklungen des Um-         schaftlich fundierte Management-Ansätze           teilung zwischen Bund, Kantonen und Ge-
feldes tatsächlich anhalten – mindestens im      für konkrete Problemsituationen entwickelt        meinden, müssen diese Postulate überprüft
globalen Rahmen scheitern. Die externen Ein-     werden, um damit den Postulaten der Nach-         und angepasst werden.
flüsse und die Verflechtung mit der Gesamt-      haltigkeit bestmöglich Rechnung tragen zu                   Alle diese fünf Bereiche sind hoheit-
wirtschaft sind zu übermächtig. Die Lage in      können. Die Schweiz ist ein solches Beispiel,     liche Aufgaben und dürfen nicht dem freien
der Schweiz darf gegenüber der globalen          wie dies funktionieren könnte. Voraussetzung      Markt überlassen werden. Die schlechten

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Erfahrungen mit der Privatisierung von Was-       düster sind unter den gegenwärtigen Randbe-      von gesamtschweizerischer Bedeutung sind
serversorgungen im Ausland zeigen, dass           dingungen (Umwelt, Wirtschaft, Politik). Der     und die weder ausschliesslich der Grundla-
es sorgfältiger Überlegungen bedarf, wie mit      zwingend notwendige Degrowth wird aber           genforschung, der Forschung, der Verwaltung
dem Gemeingut Wasser umgegangen wer-              kaum in kurzer Zeit realisierbar sein. Das von   noch der industrienahen Forschung zugeord-
den kann. Privatisierungen eines Gemein-          den Technokraten oft angeführte Argument,        net werden können. Diese Forschung soll in-
gutes per se können nicht im gesellschaft-        dass die Lösung über neue Erkenntnisse der       nerhalb von fünf Jahren Ergebnisse zeitigen,
lichen Grundinteresse liegen. Hingegen kön-       Forschung greifen werde, ist vage und viel zu    die für die Praxis relevant und verwertbar sind
nen durchaus Einzelleistungen durch Dritte,       riskant, um sich darauf zu verlassen.            (Programmporträt 2010). Die Forschenden
normalerweise durch die Privatwirtschaft,                  Im Wassersektor in der Schweiz          werden zusätzlich auch dadurch gefordert,
ausgeführt werden, wie dies auch allgemein        hingegen sind gute Ansätze und mannig-           dass sie neben den hohen Ansprüchen des
so gehandhabt wird. Um erfolgreich zu sein,       fache Anstrengungen der Wasserwirtschaft,        NFP (transdisziplinäre Forschung und Um-
muss dabei eine kompetente Kommunikation          NGOs und der Behörden (Bsp. Schaffner et         setzung) auch dem «Publikationsdruck» der
zwischen behördlichen Auftraggebern oder          al. 2010) vorhanden. In den Bereichen Was-       wissenschaftlichen Institutionen genügen
Aufsichtsbehörde und der Privatwirtschaft         sernutzung, Gewässerschutz und Schutz            müssen.
sichergestellt werden. Es ist eine unbedingte     vor Hochwassergefahren wurden in den ver-                 Im Nationalen Forschungsprogramm
Voraussetzung, dass der Sachverstand auf          gangenen über 100 Jahren grosse Erfolge          «Nachhaltige Wassernutzung» (NFP 61) sol-
allen Ebenen vorgehalten wird. Nötigenfalls       erzielt. Die Entwicklung des Rheins in den       len nun – vor dem Hintergrund teilweise un-
sind hier neue Strukturen zu schaffen.            letzten fünfzig Jahren ist ein Beispiel dafür.   kontrollierbarer Einflussfaktoren – die vor-
         Abschliessend gilt es, sich bewusst zu   Zusammen mit den mannigfachen Akteuren           handenen wissenschaftlichen Bausteine über
sein, dass – konsequent zu Ende gedacht –         der Wasserwirtschaft der Schweiz will nun        die Forschung weiterentwickelt, strategisch
eine nachhaltige Wassernutzung auch grund-        das am 1. Januar 2010 gestartete Nationale       vernetzt und auf ein gemeinsames Ziel hin
legender Änderungen der gesellschaftlichen        Forschungsprogramm NFP 61 «Nachhaltige           fokussiert werden. Die daraus resultierende
Entwicklung bedarf. Die Forderung nach            Wassernutzung» von der Forschungsseite           Gesamtschau soll erlauben, umsetzbare Lö-
Nachhaltigkeit und einem IWRM kann nur er-        her einen Beitrag zur Weiterentwicklung der      sungen für eine nachhaltige Wassernutzung
folgreich sein, wenn die Gesellschaft tatsäch-    Schweizerischen Wasserwirtschaft in Rich-        und eine nachhaltige Sicherung der Was-
lich vom rein quantitativen Wirtschaftswachs-     tung einer langfristigen Sicherung der Was-      serressourcen zu entwickeln. Lösungen also,
tum (Growth) zu einer neuen Entwicklung, die      serressourcen und damit einer nachhaltigen       welche die verschiedenartigen Wassernut-
Qualität im Allgemeinen und Lebensqualität        Wassernutzung erbringen.                         zungen und den Schutz vor Hochwasser dau-
im besonderen zum Ziel setzt (Degrowth),                   Obwohl ein wasserreiches Land, sind     erhaft gewährleisten und zugleich die dafür
kommt. Die Forderung nach Degrowth gilt           auch in der Schweiz mit dem Klimawandel,         unabdingbare ökologische Funktionsfähig-
selbstverständlich für alle drei Nachhaltig-      der Energieverknappung und der Wirtschafts-      keit der Gewässer sichern. Schliesslich sollen
keitsbereiche, der ökonomische Sektor ist         entwicklung (Stichwort Globalisierung) Ein-      effektive und effiziente Managementsysteme
aber offensichtlich der entscheidende Be-         flussfaktoren neu ins Spiel gekommen, die        für die nachhaltige Wassernutzung entwickelt
reich. Im ökologischen Bereich heisst das,        eine schwer prognostizierbare Dynamik auf-       werden. Dazu müssen wir jedoch einen Para-
Erhaltung der Lebensgrundlagen durch eine         weisen und die kaum kontrollierbar erschei-      digmenwechsel vornehmen und von der par-
wirksame Umweltschutzpolitik zu sichern. Im       nen. Durch den Aspekt der noch verblei-          tiellen Betrachtung von Wasserproblemen zur
sozialen System muss ein geistiges Umden-         benden Zeit nimmt die Dramatik zu. In deren      ganzheitlichen Betrachtung der Systeme und
ken mit Begrenzung, Mässigung und Stär-           Gefolge werden Konflikte um Wassernut-           Einzugsgebiete (Funktionsräume) übergehen.
kung der ethischen und moralischen Werte          zungen und damit zwischen verschiedenen          In inter- und transdisziplinärer Forschung
der Bevölkerung einsetzen. Schliesslich           Interessengruppen zunehmend wahrschein-          müssen wir die Rückkoppelungen zwischen
muss im ökonomischen Sektor kurzfristig die       licher. Auch bisher konnten Zielkonflikte nur    den Systemen und Prozessen verstehen ler-
Begrenzung vor allem der Auswüchse und            bedingt austariert werden. Deshalb sind wir      nen und ausgewogene Lösungen suchen, die
mittelfristig der Degrowth des Wirtschafts-       heute mit vielen Problemen der Übernutzung       von den Akteuren aus Wirtschaft, Politik und
wachstums und damit des Ressourcenver-            der Gewässer und der Wasserressourcen            Zivilgesellschaft mitgestaltet und mitgetragen
brauchs eingeleitet werden. Es mag erschei-       allgemein konfrontiert (Verbauungen, Was-        werden. Auf diese Weise könnte eine Umset-
nen, als solle die Wirtschaft als Sündenbock      serkraft, Landwirtschaft, Grundwasserab-         zung in die Praxis mit langfristiger Wirkung
dargestellt werden. Der wahre Stolperstein im     senkungen). Es sind dies Probleme, die nun       sichergestellt werden.
Verwirklichen des Degrowth wird jedoch das        mühsam gelöst werden müssen. Von Seiten                   Die ganzheitliche Behandlung des
Umdenken im Gesellschaftssystem sein. Und         der Forschung muss nun eine Gesamtschau          Themas hat weiterhin davon auszugehen,
ein Umdenken ist ungleich schwieriger als der     entwickelt werden, die als Grundlage für um-     dass die Wasserressourcen nur im Verband
momentane Tanz um das goldene Kalb des            setzbare Problemlösungen tauglich ist.           mit den übrigen Ressourcen, wie die der En-
Konsums und des Geldes.                                    Der NFP 61 ist angewandt und lö-        ergieproduktion und der land- und forstwirt-
                                                  sungsorientiert angelegt. Im Rahmen eines        schaftlichen Produktion unter Berücksichti-
5.      Der NFP 61 unterstützt die                Nationalen Forschungsprogramms (NFP)             gung der starken gegenseitigen Rückkoppe-
        Sicherung von nationalen                  werden Forschungsprojekte durchgeführt,          lungen behandelt werden dürfen.
        Wasserressourcen                          die einen Beitrag zur Lösung wichtiger Ge-                Im Zuge der knapper werdenden Res-
Die grundlegende Definition der Nachhaltig-       genwarts- und Zukunftsprobleme leisten,          sourcen, extremer Trockenjahre wie 2003
keit kann auch als ein Zielhorizont für das NFP   deren Wurzeln oft in der Vergangenheit be-       und Hochwasserkatastrophen im Alpenraum
gelten. Die globale und allgemeine Betrach-       gründet liegen. Es sollen in verschiedenen       rückt das Wasser im Wasserschloss Euro-
tung der Problematik der langfristigen und        Disziplinen und Institutionen koordinierte und   pas zunehmend auch in die Betrachtung der
damit nachhaltigen Sicherung der Wasserres-       auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtete For-      Nachbarstaaten. Das Wasserschloss Alpen
sourcen zeigt, dass die Zukunftsperspektiven      schungsprojekte durchgeführt werden, die         versorgt die Vorländer in- und ausserhalb

«Wasser Energie Luft» – 102. Jahrgang, 2010, Heft 3, CH-5401 Baden                                                                           225
der Schweiz mit der Ressource Wasser. Vor-
länder und Gebirgsraum sind hydrologisch
über die Lebensadern Flüsse miteinander
verbunden. Das Schweizerische Mittelland,
aber auch angrenzende Räume in Deutsch-
land (Oberrhein), in Italien (Poebene) und in
Frankreich (Raum Bugey-Lyon), bieten als
bedeutsame Wirtschaftsräume ein hohes
Potenzial an Arbeitsplätzen und erholungs-
suchenden Touristen. Umgekehrt hängen
diese Räume bezüglich wasserbürtiger En-
ergie, verfügbarem Wasser für Bewässerung
und der Trink- und Brauchwasserversorgung
(Industrie) von den Wassern aus den Alpen
ab. Beide Räume, der eigentliche Alpenraum
und die Vorländer, stehen deshalb in enger
Wechselwirkung und hängen voneinander ab.
Es ist abzusehen, dass besonders in Trocken-     Bild 4. Das holistische theoretische Konzept des Nationalen Forschungsprogramms
perioden die Ansprüche an Wasser aus dem         NFP 61 in der Schweiz, basierend auf dem Integrierten Wasser Ressourcen Manage-
Wasserschloss aus den Nachbarstaaten stei-       ment (aus Ausführungsplan NFP 61).
gen werden. Neueste Grundlagen und Fakten
zu dieser Thematik werden in Wiegandt ed.        ten, sondern auch Methoden und Ansätze zu          bettet das NFP 61 in den gesamtschwei-
(2009) und Bundi ed. (2010) präsentiert.         fördern, welche die Praxisakteure von Anfang       zerischen politischen und wirtschaftlichen
         Der Druck auf die Wasserressourcen      an in den Forschungsprozess miteinbezie-           Kontext der Schweizer Wasserwirtschaft ein.
ist bereits hoch und wird mit der wachsenden     hen. Mit der Schaffung eines Mandates für die      Der Programmbeirat begleitet auch die Um-
Wirtschaft und dem Einfluss des Klimawan-        Umsetzung soll deren Bedeutung für das NFP         setzungs- und Öffentlichkeitsarbeit und soll
dels weiter steigen. Bundi ed. 2010 identifi-    61 unterstrichen werden. Die Umsetzungs-           bei der Synthese der wissenschaftlichen Er-
zieren folgende Einflussgrössen: Wasser-         beauftragte richtet den Blick auf die Umset-       kenntnisse einbezogen werden.
kraftnutzung, Flusskorrektionen und -reha-       zungspotenziale aller Projekte, berät die For-             Damit die Koordination und der Aus-
bilitationen, landwirtschaftliche Produktion,    schenden und nimmt an Veranstaltungen teil,        tausch unter den Projekten gewährleistet und
Siedlungsentwicklung, Tourismus und Er-          die aus ihrer Sicht für die Umsetzung der Er-      gefördert werden kann, werden zwei Cluster-
holung, Chemikalieneinsatz in Haushalt, In-      gebnisse relevant sind. Mit der Umsetzung ist      gruppen gebildet: Eine Gruppe zum Kontext
dustrie und Landwirtschaft, internationale       der Wissens- und Technologietransfer (WTT)         «Hydrologie» und eine Gruppe zum Kontext
Verpflichtungen. Der Klimawandel verschärft      angesprochen, unter dem hier ein gegensei-         «Wassermanagement». Beide Gruppen ar-
einzelne dieser Aspekte.                         tiger Austausch zwischen den relevanten Ak-        beiten eng mit der Leitungsgruppe zusam-
         Das für das NFP 61 vorgegebene          teurgruppen verstanden wird. Dieser ist mit        men. Die Begleitgruppen auf Projektebene
Konzept beruht auf den Grundgedanken der         Hilfe einer geeigneten Prozessgestaltung so        bilden den Kern der Umsetzung. In diesen
Nachhaltigkeit und des Integrierten Was-         zu fördern, dass daraus Handlungen für eine        Gruppen können die für das jeweilige Thema
serressourcen Managements. Das Konzept           nachhaltige Wassernutzung resultieren. Als         wichtigen Akteure direkt in den Forschungs-
ist auf die speziellen Bedürfnisse der Schweiz   neues Instrument wird im NFP 61 die Vide-          prozess einbezogen werden und so die For-
fokussiert und adaptiert. (Bild 4).              otechnik angewendet. Videos machen die             schung mit Praxisanliegen und Umsetzungs-
                                                 Kontexte, die Handlungsoptionen, die Argu-         fragen vernetzen. Mit diesen Begleitgruppen
6.      Transdisziplinäre Forschungs-            mente und Lernprozesse usw. der verschie-          werden sowohl der Austausch innerhalb der
        ansätze und Umsetzung                    denen Akteure sicht- und erlebbar. Damit sol-      Projekte als auch die Umsetzung der Projek-
        werden gross geschrieben                 len bereits während des Programms Lernpro-         tresultate gefördert.
Um zukunftsweisende Strategien für einen         zesse auf allen Ebenen und bei allen Akteuren              Eingeschlossen ist in der Umsetzung
nachhaltigen Umgang mit den Wasserres-           ausgelöst werden.                                  auch die spezifische Öffentlichkeitsarbeit,
sourcen zu erarbeiten, müssen Akteure aus                 Um eine transdisziplinäre Forschung       also Aktivitäten, die zum Ziel haben, Anwen-
Forschung, Verwaltung und Praxis eng zu-         und praxisrelevante Umsetzung zu unter-            der oder betroffene Kreise für das Thema zu
sammenarbeiten. Das NFP 61 legt deshalb          stützen, werden auf verschiedenen Ebenen           sensibilisieren, ein spezifisches wissenschaft-
grossen Wert auf transdisziplinäre Ansätze       Begleitgruppen eingerichtet: Ein Programm-         liches Thema unter Interessenten zu «positi-
und Forschungsprojekte, welche die gesell-       beirat auf nationaler Ebene, je eine Koordinati-   onieren» oder eine Zusammenarbeit für die
schaftlich relevanten Probleme einer nach-       onsgruppe auf der Ebene der Projektgruppen         konkrete Anwendung einer neuen Techno-
haltigen Wassernutzung identifizieren, analy-    (Cluster) sowie thematisch ausgerichtete Be-       logie und des neuen Wissens zu fördern. Als
sieren und praktische, am Gemeinwohl orien-      gleitgruppen auf Projektebene.                     Produkte sind beispielsweise auch Flyer und
tierte Lösungen erarbeiten. Diese Lösungen                Der Programmbeirat – gebildet aus         der im Web verfügbare Newsletter sowie das
sind dann umgesetzt, wenn in der Praxis          wichtigen nationalen Wasserakteuren – berät        Programmportrait zu nennen.
Handlungen ausgelöst werden. Deshalb ist         die Leitungsgruppe und bringt dabei die An-
es wichtig, neben dem System- und Zielwis-       liegen der Politik, Behörden, Wirtschaft und       7.       Programmstruktur
sen auch das Handlungswissen zu erforschen       der Zivilgesellschaft ein. Damit bildet der Pro-   Das Programm enthält zwei Forschungsach-
und zu fördern. Zu diesem Zweck sind nicht       grammbeirat einen nationalen Resonanzbo-           sen, einerseits das Natursystem und ande-
nur wissenschaftliche Grundlagen zu erarbei-     den für Probleme zum Thema Wasser und              rerseits das Gesellschaftssystem (vgl. Bild 4).

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Die Forschungsachse «Natursystem» widmet          10.      Auswahl der Projekte                       beläuft (Tabelle 1). Die Forschungsprojekte
sich den Veränderungen des Wasserhaus-            Nach der Ausschreibung des NFP 61 am 20.            sind zunächst auf die Dauer von höchstens
haltes, des Wasserregimes, der Wasserqua-         Oktober 2008 wurden 70 Projektskizzen über          36 Monaten beschränkt. Die Leitungsgruppe
lität und der Gewässerökosysteme, welche          einen Betrag von CHF 35.8 Mio. eingereicht.         wird im Laufe des Programms entscheiden,
sich infolge von Klimawandel, Landnutzungs-       Die Projektskizzen wurden durch fachlich            ob einzelne Projekte um weitere 12 Monate
änderungen und anderer anthropogener Ak-          ausgewiesene, ausländische Expertinnen              verlängert werden sollen. Die Forschungs-
tivitäten ergeben. Daraus leiten sich die An-     und Experten und die Mitglieder der Leitungs-       phase dauert vier Jahre, von Anfang 2010 bis
forderungen an einen nachhaltigen Umgang          gruppe hinsichtlich der wissenschaftlichen          Ende Dezember 2013. Insgesamt verfügt das
mit den Wasserressourcen ab. Die Projekte         Qualität und verschiedener Relevanzkriterien        Programm über 12 Millionen CHF.
dieser Forschungsachse sind im Cluster «Hy-       beurteilt. Gestützt auf die beinahe 200 schrift-
drolgie» zusammengefasst. Die Forschungs-         lichen Gutachten hat die Leitungsgruppe die         11.      Programmablauf
achse «Gesellschaftssystem» befasst sich mit      Projekte eingehend behandelt und 19 Pro-            Die Gesamtverantwortung für die Nationalen
dem sozioökonomischen Wandel und den              jektleitende eingeladen, ein detailliertes For-     Forschungsprogramme trägt innerhalb des
sektorübergreifenden Strategien für die nach-     schungsgesuch einzureichen.                         Schweizerischen Nationalfonds die Abtei-
haltige Wassernutzung sowohl hinsichtlich                  Auf diese Einladung hin gingen 18          lung IV (Orientierte Forschung). Für jedes NFP
der Bewirtschaftung als auch des Schutzes         Anträge ein, die wiederum durch internatio-         konstituiert der Nationale Forschungsrat eine
des Wassers. Dabei werden die Entwicklung         nale Expertinnen und Experten und durch die         Leitungsgruppe, deren Mitglieder für die je-
und die Umsetzung neuer angemessener              Leitungsgruppenmitglieder evaluiert wurden.         weiligen Programme hauptsächlich aufgrund
Managementsysteme angestrebt. Die Pro-            Auf Empfehlung der Leitungsgruppe hat der           ihrer wissenschaftlichen Kompetenz und ihrer
jekte dieser Forschungsachse sind im Cluster      Forschungsrat 16 Projekte bewilligt, deren          Erfahrung mit anwendungsorientierter For-
«Wassermanagement» zusammengefasst.               Finanzumfang sich auf CHF 8.1 Millionen             schung ernannt werden. Die Leitungsgruppe
Die beiden Forschungscluster «Hydrologie»
und «Wassermanagement» kommunizieren                                Cluster Hydrologie – Gletscher, Grundwasser, Extremereignisse:
miteinander hauptsächlich über das Wasser-         ·   Gletscherrückgang     –   noch    genügend     Wasser    für   die   Wasserkraftproduktion?
Nutzungssystem.                                        Prof. Dr. Martin Funk, Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie
                                                       (VAW), ETH Zürich
8.       Cluster Hydrologie –                      ·   Seen als Folge schmelzender Gletscher: Chancen und Risiken
         Gletscher, Grundwasser                        Prof. Dr. Wilfried Haeberli, Geographisches Institut, Universität Zürich-Irchel
         und Extremereignisse                      ·   Grundwasserknappheit durch Klimawandel?
Hier soll untersucht werden, welche Aus-               Prof. Dr. Daniel Hunkeler, Centre d’Hydrogéologie, Université de Neuchâtel
wirkungen der Klimawandel, anthropogene            ·   Karstwasser, eine Wasserressource für die Zukunft?
Eingriffe und steigender Nutzungsdruck auf             Dr. Pierre-Yves Jeannin, Institut Suisse de Spéléologie et de Karstologie
die Wasserressourcen haben. Hauptfragen            ·   Einfluss des Klimawandels auf das Grundwasser
sind: Wie verläuft der Gletscherrückgang und           Dr. David M. Livingstone, Wasserressourcen und Trinkwasser, Eawag
wie wirkt er sich aus? Inwiefern werden das        ·   Wie verändert sich die Hochwassergefahr in den Alpen?
Grundwasser und damit die Wasserversor-                Dr. Felix Naef, Institut für Umweltingenieurwissenschaften, ETH Zürich
gung beeinflusst und allenfalls beeinträchtigt?    ·   Sind wir auf Trockenperioden vorbereitet?
Mit welchen Extremereignissen wie Hoch-                Prof. Dr. Sonia Seneviratne, Institut für Atmosphäre und Klima, ETH Zürich
wasser und Dürren ist in Zukunft zu rechnen?       ·   Von Flüssen gespiesenes Trinkwasser: Noch sauber genug?
Welche Anforderungen ergeben sich aus den              Prof. Dr. Urs von Gunten, Wasserressourcen und Trinkwasser, Eawag
diversen Auswirkungen für die künftige Was-
                                                                                     Cluster Wassermanagement:
serbewirtschaftung?
                                                   ·   Wasser wird auch für die Schweizer Landwirtschaft knapp
                                                       Prof. Dr. Jürg Fuhrer, Forschungsanstalt Agroscope, Reckenholz-Tänikon ART
9.       Cluster Wassermanagement
                                                   ·   Nachhaltige Sicherung von Wasserressourcen
Hier sind folgende Hauptfragen gestellt: Mit
                                                       Prof. Dr. Adrienne Grêt-Regamey, Institut für Raum- und Landschaftsentwicklung,
welchen Auswirkungen des Klima- und so-
                                                       ETH Zürich
zioökonomischen Wandels auf die hydrolo-
                                                   ·   Auf dem Weg zu einer integrativen Wasserpolitik
gischen Dienstleistungen (Wasserversorgung
                                                       Dr. Andreas Klinke, Cirus, Sozialwissenschaftliche Abteilung, Eawag
usw.) ist zu rechnen? Wie wirkt sich der glo-
                                                   ·   Langfristige Planung nachhaltiger Wasserinfrastrukturen
bale Wandel auf die Ökosysteme der Fliess-
                                                       Dr. Judit Lienert, Systemanalyse und Modellierung, Eawag
gewässer aus und welcher Handlungsbedarf
                                                   ·   Mehr Hochwasser – mehr Sedimenttransport – weniger Fische?
ergibt sich daraus? Wie lassen sich die Was-
                                                       Dr. Dieter Rickenmann, Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Land-
sernutzung, der Schutz des Wassers und der
                                                       schaft WSL
Schutz vor dem Wasser ganzheitlich planen?
                                                   ·   Bewässerungskanäle für die Artenvielfalt und den Tourismus
Wie können Interessenskonflikte vermieden
                                                       Dr. Raimund Rodewald, Stiftung Landschaftsschutz Schweiz
werden und wie ist mit unvermeidbaren Inte-
                                                   ·   Integriertes Management der Wasserqualität von Fliessgewässern
ressenskonflikten umzugehen? Wie kann die
                                                       Dr. Christian Stamm, Umweltchemie, Eawag
langfristige Planung zur Erneuerung und Si-
                                                   ·   Wasserbewirtschaftung in Zeiten von Knappheit und globalem Wandel
cherung der Wasserinfrastrukturen gestaltet
                                                       Prof. Dr. Rolf Weingartner, Geographisches Institut, Universität Bern
werden? Wie kann sich die Landwirtschaft an
neue Rahmenbedingungen anpassen?
                                                  Tabelle 1. Forschungsprojekte des NFP61.

«Wasser Energie Luft» – 102. Jahrgang, 2010, Heft 3, CH-5401 Baden                                                                             227
Meadows D. L., (1972): The Limits of Growth, Re-
                         Mitglieder der Leitungsgruppe des NFP 61:
                                                                                                           port Club of Rome.
  ·   Prof. em. Christian Leibundgut (Präsident), Institut für Hydrologie IHF, Univer-
                                                                                                           Meadows D.H., D. L. Meadows, J. Randers and
      sität Freiburg i.Br.
                                                                                                           W.W. Behrens, III Limits to Growth, Report for the
  ·   Prof. Günter Blöschl, Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie, Tech-
                                                                                                           Club of Rome’s Project on the Predictament of Man-
      nische Universität Wien
                                                                                                           kind, 2nd ed. Universe Books, New York, 1974.
  ·   Prof. Dietrich Borchardt, Departement Aquatische Ökosystemanalyse, Helmholtz
                                                                                                           Perara J., (1993): A Sea turns to Dust, New
      Zentrum für Umweltforschung UFZ, Leipzig
                                                                                                           Scientist, New Scientist Publications, London, Vol.
  ·   Ing. dipl. ETH Ulrich Bundi, ehemals EAWAG, Dübendorf
                                                                                                           140, No 1896, October 23, p. 24–27.
  ·   Prof. Bernd Hansjürgens, Fachbereich Sozialwissenschaftliche Umweltforschung,
                                                                                                           Schaffner M., M. Pfaundler, H. Aschwanden 2010:
      Departement Ökonomie, Helmholtz Zentrum für Umweltforschung UFZ, Leipzig
                                                                                                           Stand und Zukunft der Schweizer Wasserwirt-
  ·   Prof. Bruno Merz, Direktor Departement Geoengineering, GeoForschungs-
                                                                                                           schaft. «Wasser Energie Luft» – 102. Jahrgang,
      Zentrum, Potsdam
                                                                                                           2010, Heft 1.
  ·   Prof. Franz Nobilis, Ministerialrat a.D. im Bundesministerium für Land- und Forst-
                                                                                                           SNF     (Schweizerischer      Nationalfonds)    2010
      wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Abteilung Wasserhaushalt (Hydro-
                                                                                                           nachhaltige Wassernutzung. Portrait des Natio-
      grafisches Zentralbüro) Wien, und Institut für Meteorologie und Geophysik der
                                                                                                           nalen Forschungsprogramms NFP 61.
      Universität Wien
                                                                                                           Wiegandt E., Editor 2009: Mountains: Sources of
    Delegierte der Abteilung Orientierte Forschung des Forschungsrats des SNF:                             Water, Sources of Knowledge; Advances in Global
  · Prof. Nina Buchmann, Institut für Pflanzenwissenschaften, ETH Zürich                                   Change Research 31, 376, Springer.
                                                                                                           Winkler I. T., (2008): Das Menschenrecht auf Was-
                                Umsetzungsbeauftragte:
                                                                                                           ser – Priorität für die Erfüllung menschlicher Bedürf-
  · Prof. Dr. Patricia Fry, Wissensmanagement Umwelt GmbH, Zürich
                                                                                                           nisse. Wasser – Konfliktstoff des 21. Jahrhunderts,
                      Beobachter der Bundesverwaltung:                                                     Universitätsverlag Winter, Heidelberg.
  · PD Dr. Stephan Müller, Direktor der Abteilung Wasser, Bundesamt für Umwelt
    BAFU, Bern                                                                                             Anmerkung: Der Beitragsteil zum NFP 61 stützt sich
                             Programmkoordinatorin:                                                        im Wesentlichen auf das Programm-Porträt unter
  · Dr. Barbara Flückiger Schwarzenbach, Schweizerischer Nationalfonds SNF,                                www.nfp61.ch/D/Seiten/publikationen.aspx, dort
    Bern                                                                                                   findet sich auch weitere Information. Es kann beim
                                                                                                           SNF in gedruckter Form bestellt werden.
Tabelle 2. Leitungsgruppe des NFP 61.

ist verantwortlich für die Durchführung des          fliktstoff des 21. Jahrhunderts, Universitätsverlag   Anschrift des Verfassers
NFP (Tabelle 2). Sie ist über die ganze Pro-         Winter, Heidelberg                                    Christian Leibundgut
grammdauer hinweg vornehmlich strategisch            Bundi U., Editor 2010: Alpine Waters; the Handbook    Prof. em. am Institut für Hydrologie IHF – Universität
tätig. Sie verleiht dem Programm sein spezi-         of Environmental Chemistry, 278, Springer.            Freiburg i. Br.,
fisches Profil und bietet Gewähr für die nö-         Bundi U.& B. Truffer 2001: Integrated Water As-       Fahnenbergplatz, D-79098 Freiburg i. Br.
tige Kontinuität und Kohärenz. Die Mitglieder        sessment and Management. EAWAG News 51                Tel. +49 (0)761 203 3531,
der Leitungsgruppe des NFP 61 kommen                 Folke Carl, Steve Carpenter, Thomas Elmqvist,         chris.leibundgut@hydrology.uni-freiburg.de
aus verschiedenen Disziplinen und Nationen.          Lance Gunderson, C.S. Holling and Brian Walker        http://www.hydro.uni-freiburg.de
Sie decken unterschiedliche Teilgebiete der          (2002): «Resilience and Sustainable Development:      persönlich:        http://www.hydro.uni-freiburg.de/
Forschung zur nachhaltigen Wassernutzung             Building Adaptive Capacity in a World of Transfor-    mitarb/lg.html
ab. Die Hauptaufgaben der Leitungsgruppe             mations» AMBIO: A Journal of the Human Environ-
sind die Projektauswahl zur Weitergabe an            ment (31), S. 437–440.
den Forschungsrat, die Organisation der wis-         Grambow M., Meng W., Weiler R., Wilderer P.,
senschaftlichen Koordination, die Projekt-           (2009) «Verantwortung für globale Herausforde-
begleitung, die Überwachung der National-            rungen übernehmen – Ergebnisse und Interpreta-
fonds-Qualitätsstandards, die Sicherung der          tion des ‹Earth System Engineering› Kongresses
wissenschaftlichen Qualität und die Einhal-          September 2008 in Wildbad Kreuth», KW (Korre-
tung der Zielkonformität, die Bewertung der          spondenz Wasser).
Zwischen- und Schlussberichte der Projekte           Grambow M. 2009: Integriertes Wasser-Resour-
und die Erarbeitung der Syntheseberichte und         cenmanagment als Antwor t auf drängende Fragen
Programmschlussberichte für die Auftragge-           – die Nachhaltigkeit als Dreh- und Angelpunkt einer
ber (letztlich dem Bundesrat).                       globalen zukunftsfähigen Entwicklung. Umwelt-
                                                     wirtschaftsforum, 17:235–242.
                                                     Latouche S. 2009: Farewell to Growth. Polity
Literatur                                            Press, Cambridge.
Ausführungsplan NFP 61, 2009: Nationales For-        Leibundgut Ch., (2007): Ein Zentrum für Wasser-
schungsprogramm NFP 61. Schweizerischer Na-          forschung in Freiburg i. Br. (ZWF) – Konzept und
tionalfonds, Bern                                    Struktur. Hydrologie und Wasserbewirtschaftung,
Barandat J. (2008): Exkurs: «Einführung eines Men-   JG. 51, H. 1, 2007, S. 39–40.
schenrechts auf Wasser» kommt einer Einladung        Mays L. W., ed. 2007: Water Resources Sustaina-
zu Humanitären Intervention gleich! Wasser – Kon-    bility. McGraw-Hill, New York.

228                                                                              «Wasser Energie Luft» – 102. Jahrgang, 2010, Heft 3, CH-5401 Baden
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