NACHRICHTEN TUTZINGER - STANDORT TUTZING - Tutzinger Nachrichten
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35. Jahrgang www.tutzinger-nachrichten.de Ausgabe 11 / November 2017 TUTZINGER NACHRICHTEN Das Magazin für Tutzing und seine Bürger hre R Ja GE TEN 35 ZIN CH STANDORT TUTZING Der Zug des Fortschritts U T RI T CH Heft 11 /17 NA
FINDEN & LESEN EINBLICK Liebe Leserin, lieber Leser, 3 Edwin Kunz TUTZING REPORT Modernes Tutzing zwischen Veränderung und Zusammenhalt Interview mit den Geschäftsinhabern Thomas und Doris Thallmair über Wettbewerbsdruck und Kundenorientierung 4 6 Himmel Bei „Kohlen-Müller“ gibt’s fast alles – seit über 60 Jahren 8 Spedition Hiebl – die Digitalisierung als Nervenbahn der Transportlogistik9 Das Brotbacken – wo Technik das Handwerk prägt / Erde Seenland Die Rolle der Familienunternehmen in der Wirtschaft 10 35 Jahre – die Tutzinger Nachrichten auf Zeitreise 12 „Schneller, anspruchsvoller, vielfältiger“: Die TN-Druckerei über den digitalen Wandel in der Druckbranche 13 Philipp Luidl Gedichte UNSERE GEMEINDE Wann, wie und warum gibt es Bürgermeisterwahlen / mit einem Vorwort von Das alte Lehrerwohnhaus – ein gesperrtes Tutzinger Denkmal 14 SCHLAGLICHT Straßenbaukosten und Anliegerbeteiligung 15 Michael Krüger WIE ICH ES SEHE Der Journalist Lorenz Goslich über die Wertschätzung für Ehrenamtliche 16 TUTZINGER ALBUM Der goldene Oktober 17 HANDEL, HANDWERK & SERVICE Georg Kaspar. Wirt und Schnitzer 18 Präsente, Geschenke und Geschmack / Flughafen für Tutzing 19 Über die Schulter geschaut: Zehn Fragen an Anke Benn-Ortlieb Von der Isar über den Starnberger See bis zum Ammersee aus der Gemeindebücherei 20 Notdienste im Oktober 21 WIE ES FRÜHER WAR Nach Seeflimmern der zweite Bildband von Edwin Kunz mit au- Beim Bodemann – auf Anhieb passte es nie / Meldungen von damals 22 ßergewöhnlichen Bildern von der Isar über den Starnberger See MENSCHEN IN TUTZING bis zum Ammersee begleitet von Gedichten Philipp Luidls. Jetzt im Margit Schubert: Von Kindern Lachen lernen 24 Handel und beim Autor (signiert) erhältlich Johannes Wollenberg – der Hundertjährige 25 Edwin Kunz 0172 762 7680 TUTZINGER SZENE Hobbykünstler zeigen Vielfalt / Lebendiger Adventskalender 2017 www. edwin-kunz.de ek@edwin-kunz.de Internationale Deutsche Meisterschaft im DTYC 27 Ökomenisches Forum 28 90 Jahre plus und Wiesnfreude 29 Zehn Jahre Aukio-Ateliergemeinschaft 30 Duett-Duell im Schloss Höhenried / Wintersport Second Hand des T.S.V. 31 „Klingendes St Martin“ in Bernried / Daxenverkauf der Tutzinger Gilde 32 Heimatbühne Tutzing mit neuem Stück / Gloria-Messe mit dem Kirchenchor der Christuskirche 33 JUNGES TUTZING Zehn Jahre evangelischer Gemeindeverein Tutzing 34 BRK-Wasserwacht-Aktion: Schwimm Dich stark 35 Kampberger Zwerge feiern Erntedank / Waldhort Bernried gestartet 36 TN-Inserentenverzeichnis Novemberheft 2017 37 KALENDER & KONTAKTE Veranstaltungen / Vereine im November 38 KIRCHENMITTEILUNGEN 40 NACHLESE Leserbriefe42 Der Tratzinger / Impressum 43 Redaktionsanschrift: Titelbild: ICE mit Bahnhofshalt Tutzing 35. Jahrgang www.tutzinger-nachrichten.de Ausgabe 11 / November 2017 TUTZINGER E-Mail: redaktion@tutzinger-nachrichten.de Foto: HKM NACHRICHTEN Das Magazin für Tutzing und seine Bürger Verteilung: Hermann Buncsak, Tel. 08158/2050 Anzeigen: Roland Fritsche, anzeigen@tutzinger-nachrichten.de, Tel. 08807/8387 Post: Tutzinger Nachrichten Zugspitzstraße 30, 82327 Tutzing Redaktionsschluss für das Dezemberheft ist der 04. November 2017. STANDORT TUTZING Der Zug des 35 ZIN H e hr R Ja GE TEN T RIC Fortschritts TU C H Zulieferungen danach können leider nicht mehr berücksichtigt werden. Wir bitten um Verständnis. Heft 11 /17 NA Ihre Beiträge und Fotos sind uns sehr willkommen, bitte als E-Mail oder auf CD und mit Angabe der Quelle/Foto. Erscheinungstermin: 29. November 2017. Bitte besuchen Sie die neue Internet-Seite der Tutzinger Nachrichten mit zahlreichen aktuellen Leserinformationen - www.tutzinger-nachrichten.de - facebook/tutzinger-nachrichten 2
EINBLICK Liebe Leserinnen, liebe Leser, unsere Zeit ist eine sehr schnelllebige, sagt man. Aber es gibt Dinge, die bleiben. Dazu gehören z.B. die Tutzinger Nachrichten. Seit 35 Jahren gibt es uns, seit 35 Jahren versorgen wir die Tutzinger Bürger Monat für Monat mit Informationen, Nachrich- ten, Neuigkeiten, Diskussionsstoff, Interessantem und Details aus dem Dorfleben, schönen Fotos und nicht zuletzt mit Wer- bung. Die Anzeigen unserer Inserenten machen die Tutzinger Nachrichten erst möglich. Ohne Anzeigen keine kostenlosen TN! Und so ist unser Monatsthema diesmal zweigleisig: Jubi- läum 35 Jahre TN und Bleibendes aber auch Veränderungen bei unseren Inserenten. Hier fragen wir „Wie arbeiten Hand- werker im Vergleich zu früher“, zum Beispiel die Hofpfisterei. Ist die Digitalisierung immer ein Gewinn? Was macht tradi- tionelle Läden so charmant und was bringt Modernisierung eigentlich? Früher hatten die wenigen Läden in Tutzing jeder ein umfang- reiches Angebot. So gab es in alten Zeiten beim Bodemann alles- vom Guddi bis zum BH. Ein Geschäft mit vielfältigstem Sortiment haben wir noch – was alle sehr zu schätzen wissen. Ein weiterea Themen, dass die Bürger bewegt, ist die Neu- wahl des Bürgermeisters. Warum und wie– das erfahren Sie bei uns. Auch die Straßenbaukosten erregen die Gemüter- dazu mehr Informationen im Heft. „Wie ich es sehe“ macht deutlich: Ohne Ehrenamtliche geht nichts. Ein außerordentlich sozialer Mensch in Tutzing mit vie- len Ehrenämtern liebt es, von Kindern das Lachen zu lernen- was nicht von Ungefähr kommt. Man meint zwar, Weihnachten sei noch weit weg, aber es ist ja immer schneller da als man denkt. Deshalb könnte man schon mal nach Traubing zu Georg Kaspar, dem Wirt und Schnitzer fahren oder in der Bahnhofsgegend in Tutzing Präsente und Geschenke mit Geschmack anschauen. Im Roncallihaus zeigen Hobbykünstler ihre Vielfalt, die Gilde startet ihren Daxenver- kauf, der T.S.V. Tutzing (Skiabteilung) organisiert einen Se- cond Hand Markt. Neu in der Adventszeit wird ein lebendiger Adventskalender in Tutzing und seinen Ortsteilen sein, an dem Sie sich gerne als Gastgeber oder Gast beteiligen können. Der November ist wieder gefüllt mit kulturellen Terminen: Lesungen im Buchhandel und in der Akademie, 10jähriges Bestehen der AUKIO-Ateliergemeinschaft, Konzerte in Hö- henried und Bernried und in der Kirche. Was nebenan im Pfarrhaus los ist, führt uns die Heimatbühne vor. Ein paar Rückblicke bieten wir Ihnen auch noch: 1994 wurde ein Asylantenheim aufgelöst, im Oktober war die Internatio- nale Deutsche Meisterschaft der Skiff-Bootsklassen im DTYC. Und auf der Wiesn waren alle über 90 willkommen! Doch auch für die Jugend wurde etwas geboten: Der Evan- gelische Gemeindeverein macht sich seit 10 Jahren stark für Kinder und Jugendliche, das BRK hatte das Motto „Schwimm Dich staRK“. In Kamperg haben die Zwerge Erntedank gefeiert und in Bernried startet ein Waldhort. Wir hoffen, dass Sie beim Lesen unserer Tutzinger Nachrich- ten den grauen November vergessen und die Lektüre gemüt- lich im Warmen genießen können. Herzlichst Ihre Heft 11 /17 3
TUTZING REPORT Modernes Tutzing zwischen Veränderung und Zusammenhalt Fortschritt – was war das einmal ein allseits gefälliges Wort Wie auch in Tutzing. Die Präsenz der digitalen Kommunika- und Zukunftsversprechen. Gewiss gab es immer auch Be- tion kann jeder an der Allgegenwärtigkeit des Smartphones denken und Bedenkenträger, ob manches, was unter dem auf den Straßen, in der S-Bahn, vor den Schulen, in den Bier- Rubrum Fortschritt so läuft, wirklich ein solcher ist, eine gärten registrieren. Zusammen mit den Computerinstallati- Entwicklung nämlich, die unser aller Leben leichter, kom- onen daheim und in den Büros verdichtet sich ein Netz an fortabler und humaner macht – auch wirtschaftlich und so- stets verfügbaren Informationen, an Angebot und Nachfrage, zial bereichert. Generelle Fortschrittsverweigerung freilich das es in der Tat in den Zivilisationen bisher zuvor nie gab. hat in einer hochentwickelten Industriegesellschaft keinen Dass der „festhäusigen“ Geschäftswelt hier die virtuelle Kon- Standort Tutzing: Horizonte des Fortschritts frühzeitig ausmachen Foto: HKM Platz, auch wenn damit ein Wandel oder gar Bruch ge- kurrenz neue moderne Wege der Kundenbeziehung abver- wohnter Strukturen und Lebensverhältnissen verbunden ist. langt, liegt auf der Hand. Banken und Sparkassen etwa zollen Auch in Tutzings Nahtstellen des wirtschaftlichen und sozia- ihren Tribut, schließen Filialen und bauen gleichzeitig den len Lebens geht es längst nicht mehr zu wie zu Graf Viereggs Online-Komfort für ihre Kunden aus. Welche Reise- und Mak- Zeiten oder auch nur wie zum Jahrtausendbeginn – weder lerbüros, welche Anwalts- und Steuerkanzleien, welche Arzt- in der Gemeindeverwaltung, im Krankenhaus, nicht in den praxen, welche Apotheken bei uns könnten noch funktionie- Schulen und Akademien, weder in den Handwerks – und ren ohne IT? Wer von uns Verbrauchern möchte auf die neue Dienstleistungsbetrieben noch in den Geschäften für den Reagibilität verzichten? Wer zuletzt den Wechsel von Tengel- täglichen Bedarf. Und übrigens auch nicht bei der Erstellung mann zu Edeka in Tutzing beobachtete, konnte registrieren, der Tutzinger Nachrichten wie in Gründerzeiten vor 35 Jah- welche stille digitale Wucht hinter solcher Umwälzung und ren. Das digitale Netz ist es, das den Produktionsprozess von täglichen Anpassung steht. Wie also sich als mittelständisches Manuskripteingang, Bildbearbeitung, Anzeigen, Layout, lokales Gewerbe behaupten gegen die großen Geschäftsket- Satz und Druck bei dem verstreuten ehrenamtlichen Team ten, die mit ausgefuchster Logistik Waren in die Regale beför- zusammenhält. Bei gemütlichem Stillstand wäre es wohl nir- dern, die den Konsumenten schmecken oder passen. gendwo mehr weit her mit der Lebensqualität am Ort und anderswo. Wie „modern“ ist also Tutzing in Handel, Handwerk und Ge- werbe, wie die TN-Hauptrubrik überschrieben ist? Gewiss ein Zugleich: DIGITALISIERUNG als der viel beschworene Fort- Ort mit Mischstruktur, „in dem sich gut und gerne leben“ lässt schrittsbegriff ist begleitet von dem drohenden Unterton – deutlich ein Faktor des Zuzugsdrucks. Neben den großen eines eruptiven, ja disruptiven Umbruchs sämtlicher Lebens- Ladenketten gibt es nach wie vor Einzelgeschäfte mit persön- verhältnisse, der das Wirtschafts- und Beschäftigungssy- licher Kundenanbindung, wenn auch zunehmend mit zusätz- stem bedrohe, Besitzstände verändere, Ängste erzeuge. Im lichem Kooperationsanschluss an die Großen. zurückliegenden Bundestagswahlkampf wurde die „digitale Doch hinter der gewerblichen Klage, dass zu viel Tutzinger Herausforderung“ zum Tenor und geflügelten Wort im öf- Kaufkraft in die Region Richtung München und Weilheim fentlichen Diskurs. Freilich blieb oft ungesagt, was der di- fließe und jetzt auch noch an die Internetanbieter, steht eine gitale Himmel, der sich über alles und jedermann spannt, ernst zu nehmenden Sorge. Ladenschließungen im Ortszen- konkret bedeutet. Und konkret wird es ja immer, wenn die trum belegen das. Auf der anderen Seite: Man sehe sich die Entwicklungen und Auswirkungen solcher Horizonte auf die Anzeigenliste in den aktuellen TN-Ausgaben an: Welche Viel- Wirklichkeit vor Ort treffen. falt an Produkten, technischen und sozialen Dienstleistungen 4
dokumentieren sich hier, und zwar mit weiterführenden Links der neuen Kundenwelt Leitplanken der Standortentwicklung an die betreffenden Anbieter, die Kunden weitere Informati- brauchen, die über die Gemeindegrenzen hinausgehen. Hier onen ermöglichen. kümmert sich darum unter Landkreisregie eine schon seit An der Spitze des technischen Fortschritts rangiert das ört- 2000 bestehende „Gesellschaft zur Förderung für Wirtschafts- liche und regionale Handwerk, muss es rangieren – von den entwicklung“, die Anfang des Jahres unter erweitertem Kür- Klassikbranchen Bau- und Automobilwesen bis zur Elektronik, zel (GWT) auch die Tourismusförderung an sich gezogen hat. die inzwischen alle Produkte durchdringt, am Laufen hält und Wer als ratsuchender Unternehmer, Geschäftsmann und nur ihrerseits von Profis installiert und gewartet werden muss. Je- als moderner Kommunikationsmensch das Internet für nähe- der, der einen Handwerker im Haus hat, kann sich von dem re Informationen aufruft, muss sich allerdings mit einem nur kontinuierlichen Modernisierungsschub überzeugen. Besser vorläufigen zukunftsweisenden Hinweis zufrieden geben. noch: Dank verbesserter Kommunikationswege ist die schnel- „Wir bitten um Verständnis, dass die Gestaltung der gemein- le Verfügbarkeit von Handwerkerleistungen auf Zuruf in den samen Webpräsenz noch einige Zeit in Anspruch nehmen vergangenen Jahren fühlbar gestiegen – ebenso die Transpa- wird“, heißt es. renz von Angeboten und Rechnung. Das persönliche Kunden- Wie sagte der altrömische Philosoph Seneca: „Es ist schon verhältnis geht dabei keineswegs verloren. Das gewerbliche ein großer Fortschritt, den Willen zum Fortschritt zu haben.“ Tutzing, so scheint es, steht so schlecht nicht da, auch wenn es Das sieht auch Optik- und Akustikunternehmer Peter Gsinn an manchen Stellen wie zum Beispiel beim Ausbau des Breit- so, für den seit Jahrzehnten das gewerbliche Florieren in Tut- bandinternets und an sonstiger örtlicher Infrastruktur stockt. zing eine Gemeinschaftssache ist: „Man muss selber vorange- Allen Marktexperten ist dabei klar, dass kleinere Firmen für hen und zugleich zusammenhalten, wo man es alleine nicht den schnellen Wandel der Anforderungen und Ansprüche in schafft.“ HKM Stärker im Verbund schluss der bereits seit 2009 bestehenden gfw Starnberg mbH In der regionalen Wirtschaftsförderung hat sich die Erkenntnis durch gesetzt, mit ihren Bereichen Wirtschaftsförderung, Regional- und Kon- dass gerade kleine und mittlere Unternehmen die Herausforderungen, die sich versionsmanagement sowie dem Tourismusverband Starnber- aus dem technischen, insbesondere digitalen und wirtschaftlichen Wandel ger Fünf-Seen-Land. Unter dem gemeinsamen Dach und durch ergeben, im Verbund angehen müssen. Der im Sinne eines Regionalmanage- gemeinsame Herangehensweisen sollen nun Potenziale noch ments über örtliche Einzelprojekte hinausweist. So auch im Landkreis Starn- besser entwickelt und der Charakter der Region in berg, der als ausnehmend zukunftsfähig und wirtschaftlichen vital inmitten der den verschiedenen Branchen klarer herausgearbeitet Metropolenregion München-Oberbayern gilt. Mit diesem Ziel wurde zu Beginn werden. Hierzu können in der weiteren Entwicklung dieses Jahres die Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung im Firmen der Region die Beratungsleistungen der sich noch entwickelnden Ge- Landkreis Starnberg mbH neu geschaffen. Sie entstand aus dem Zusammen- sellschaft in Anspruch nehmen, um die betriebliche Wertschöpfung zu steigern. • Moderne Heiztechnik • Schöne Bäder • Solaranlagen, Schwimmbadtechnik • Sanierung und Neubau • Kundendienst und Reparaturen Starnberger Str. 7 · Traubing · Tel. 0 8157/83 08 · max.spagert@t-online.de Heft 11 /17 5
TUTZING REPORT „Unsere eigenen Partner sind unsere größten Konkurrenten“ Doris und Thomas Thallmair, Inhaber von Intersport Thallmair über Wettbewerbsdruck und Kundenorientierung Der Handel im Wandel: Mit welchen Veränderungen und Herausforderungen sind die Einzelhändler allgemein und speziell in Tutzing konfrontiert und wie begegnen sie diesen? Wir haben bei zwei alt eingesessenen Tutzinger Familienbetrieben nachgefragt. Beide in der Hauptstraße beheimatet und in unmittelbarer Nachbarschaft seit Jahrzehnten präsent: Das Sportgeschäft Intersport Thallmair und die Anton Müller KG („Kohlen Müller“). Siehe Seite 8 Tutzinger Nachrichten: Wie ist die Lage momentan im Sporthandel? Thomas Thallmair: Der Sporthandel macht im Moment die größte Veränderung der letzten dreißig Jahre durch. Das hängt natürlich mit dem Online-Handel zusammen. Mittlerweile ist der Online-Handel nicht mehr unsere größ- te Konkurrenz, sondern es sind unsere eigenen Partner, wie die Hersteller Adidas und Nike, mit denen wir seit 30 bzw. Doris und Thomas Thallmair in ihrer Werkstatt 40 Jahren zusammenarbeiten. Das sind mittlerweile unsere vor der 35 000 Euro teuren Skischleifmaschine Foto: AP größten Gegner, weil die großen Markenhersteller sagen, sie wollen den Einzelhandel gar nicht mehr. Sie wollen ihre DT: Es war eine Investition in die Zukunft. Das Kaufverhalten Modelle/Produkte selber vermarkten. Die wollen nicht, dass der Menschen hat sich auch verändert. Die Leute möch- der Einzelhandel verdient, sondern diese Margen lieber sel- ten in trendige, ansprechende Läden gehen die ein gutes ber einstreichen. Der hat aber die letzten 40 bis 50 Jahre die Merchandising haben. Inzwischen können wir die Produkte Marken erst groß gemacht. Jetzt sind sie weltweit so riesig anders platzieren und besser präsentieren. Wir haben gesagt: und sagen wir brauchen Euch nicht mehr. wir müssen raus und was eigenes bauen oder wir bleiben hier, aber dann muss es größer werden. Die Privatwohnung Können Sie dazu ein Beispiel nennen? auch. Das war dann eine Koppelung von beidem. TT: Die Adilette, der Badeschuh von Adidas. Die kauften bisher Rentner. Mittlerweile ist diese Adilette wieder ein Modeprodukt geworden. Das heißt die ganzen Promis tra- Gab es eine Änderung in der Angebotspalette? gen die Adilette. Inzwischen ist es so, dass die Adilette nur DT: Es ist breiter geworden. Wir haben nun mehrere noch von Adidas direkt vertrieben wird. Die wollen sie ganz Modelle einer Jacke, haben günstige Sachen, aber auch exklusiv haben, wir bekommen diese Ware nicht mehr. Wenn Markenprodukte. Wir sind starke Ski-Alpin Händler. Damit nun ein Rentner kommt und eine Adilette möchte, muss ich meinen wir nicht nur den Alpin-Ski sondern alles drum dem sagen, Du bekommst sie nicht, da es ein Modeprodukt herum. Das leben wir auch und sind sehr erfolgreich. Im ist, das musst Du online bestellen. Das verstehen die Leute Sommer ist es das Badesegment, was wahnsinnig stark ist. nicht. Doris Thallmair: Wir sind nicht mehr frei im Einkauf. Es wird Wer kauft bei Ihnen ein? viel gebündelt. Es werden von den Herstellern vorab schon TT: Wir haben ganz viele treue gute Kunden, nicht nur hier Pakete geschnürt. Da gibt es ein Multisport Fitness Damen im Ort sondern auch aus Feldafing, Pöcking, Starnberg. Paket, das besteht aus vorgegebenen Teilen mit bestimmten Unsere Kundendatei besteht aus 4.500 Kunden. Abnahmemengen. Da kann man keine Auswahl treffen oder DT: Juli, August sind wir extrem stark mit Touristen frequen- einen Austausch vornehmen. Man muss es so nehmen oder tiert. Unsere Beratung auf Englisch hat stark zugenommen. man hat halt keine Margen mehr. Das macht es irgendwann TT: Selbst Araber sind mittlerweile da, die kommen über das uninteressant. Wir leben natürlich von den Margen und wenn Krankenhaus. Auch haben wir sehr viel Reha Patienten aus das schmäler wird, dann können wir davon nicht mehr leben. Höhenried als Kunden und Skiprofis aus Garmisch. Aber auch der Absatzmarkt hat seine Herausforderungen. Dadurch, dass man online alles zu jeder Zeit kaufen kann wird Welche Änderungen gab es zuletzt? es auch schwieriger. Der Kunde kann beim direkten Einkauf DT: Wir haben die letzten drei Jahre in die Skiwerkstatt in- die Ware auch wieder zurückgeben, was wir nicht können. vestiert. Der komplette Ski-Maschinenpark wurde erneuert Jeder Kunde kann umtauschen, aber wir als Händler können und dabei rund 100 000 Euro investiert. dies nicht, falls es dem Kunden nicht passen sollte. TT: Du musst es machen, wenn du da mitspielen willst. DT: Viele haben einen ausgelagerten Service, hier kann man Sie haben 2008 einen großen Umbau gemacht, was war der aber nicht flexibel handeln. Wir machen Endschliffe, hoch- Grund wie beurteilen Sie es rückwirkend diese Entscheidung? professionelle Schliffe, sehr individuelle Skimontagen. Das DT: Wir haben das Geschäft übernommen und wollten was ist unsere Leidenschaft. Wir haben uns einen Namen ge- verändern. Wir mussten uns auch wohnungstechnisch verän- macht in den vielen Jahren, in denen wir im Rennsportzirkus dern aufgrund der Größe. sind. Wir machen viele Vereinsabwicklungen, das ist ein wei- TT: Wenn wir nicht umgebaut hätten, würde es uns heute teres Standbein von uns. Da verdient man nicht viel dran, ist nicht mehr geben. aber gut fürs Image. 6
Welche Herausforderungen gilt es zu bewältigen? TT: Es kommen viele Vereine, Kindergärten und Schulen. Die Firmengeschichte - Langlauf mit Spurtstrecken möchten von uns Geschenke für die Weihnachtsfeier, dass wir Werbung machen oder Tombolapreise stellen. Das ma- Vor etwa 100 Jahren gründeten Albert und Elisa Thallmair chen wir gerne. Aber mittlerweile geht die Rechnung nicht eine Glaserei, die in der Folgegeneration unter Josef mehr ganz auf. und Rosa Thallmair zu einem Haushaltswarengeschäft umfunktioniert wurde. In den 1960er Jahren kamen Die Vereine, Kindergärten und Schulen kaufen ihre Sachen Spielwaren dazu. 1971 Sportartikel. Seit 2000 führen im Internet. Irgendwann müssen wir sagen, fragt doch mal Thomas und Doris Thallmair ausschließlich Sportartikel. im Internet nach, ob die euch sponsern. Das heißt nicht im Umkehrschluss: ihr dürft nichts mehr im Internet kaufen, wir 2001 übernahm Thomas die Geschäfte von seinem Vater machen es ja auch. Aber das Ziel und Maß sollte überlegt und bietet den Kunden ein breites Sortiment: Outdoor, werden. Die Vereine sollten sich schon überlegen, was kau- Fitness, Rad- und Rollsport, Freizeitmode sowie Lauf, fen wir jetzt im Internet und was bei dem Händler. Winter- und Wassersport, Tennis und Teamsport wie Fußball. Bei Lauf- und Bergschuhen wird die Beratung vor Was für Pläne gibt es für die Zukunft? Ort durch eine computergestützte Fußanalyse vertieft. DT: Wir werden schon noch investieren. Also die Zukunft ge- In der Werkstatt können Ski- und Schlittschuh-Fahrer nerell im Einzelhandel, mit der Geschäftsgröße so wie wir sie sowie Tennisspieler ihre Ausrüstung jederzeit auf den haben, denke ich, ist über kurz oder lang schwierig. neuesten Stand bringen lassen. 2008 verdoppelte das TT: Für uns langt es noch, die nächsten 10 bis 15 Jahre. Ich Sportgeschäft seine Fläche auf 320 Quadratmeter durch glaube, ich würde es meinen Kindern heute nicht mehr emp- einen modernen Anbau. Fünf Jahre später erfolgte die fehlen. Sanierung der Altbaufläche. Was ist Ihnen noch wichtig? DT: Uns macht der Hauptstraßenumbau Sorgen. Es wird für alle eine Herausforderung werden. Es ist zwar notwendig, davon sind wir überzeugt, aber wir haben ja auch keine Wahl. Die Parkplatzthematik ist für uns schon ein Problem. Die Leute parken einfach gerne vor der Haustüre, um dann einzukaufen. Bei uns könnten sie, unsere Parkplätze sind oft verweist. Uns wäre es recht, wenn möglichst wenig Parkplätze wegkom- men. Es muss diese Parkgarage kommen, sonst habe ich mas- sive Angst. Auch das Thema mit den Straßenausbaubeiträge bereitet uns Sorgen. Die Aussage „das wird schon erträg- lich sein“, finde ich nicht in Ordnung. Wer kann schon sa- gen, was für den einzelnen erträglich wäre. Da fehlt mir die Transparenz seitens der Gemeinde. Interview: Anita Piesch Heft 11 /17 7
TUTZING REPORT Bei Kohlen-Müller gibt’s fast alles - Der große Vorteil ihres Ladens sei, so sind sich die drei ei- nig: die fachmännische Beratung, die Möglichkeit kleine seit über 60 Jahren Mengen abzunehmen und der Lieferservice. Zusätzlich Seit 1954 befindet sich der Laden Anton Müller KG in der zum Personal gehören noch eine Vollzeit-Kraft und zwei Tutzinger Hauptstraße 39. Alteingesessenen Kunden nen- Teilzeitmitarbeiter. Das Internet ist natürlich auch ein Thema. nen ihn immer noch „der Kohlen-Müller“. Anfangs stand Thomas Lorenz sieht es auch als Vorteil für den Einkauf. der Brennstoffhandel im Mittelpunkt. Nach einiger Zeit wurde das Geschäft erweitert um eine Eisenwarenhandlung. „Wir haben die Möglichkeit viele Preise zu vergleichen“, und Bettina Müller stieg 1986 in das von ihren Eltern Anton und fügt hinzu: „natürlich verlieren wir auch Kunden, die direkt im Internet kaufen, allerdings hält sich das bei unserem Sortiment in Grenzen.“ Veränderungen gab es die letzten 20 Jahre einige. So gibt es viele Großhändler nicht mehr, erzählt Andreas Lorenz. „Wir haben nur zwei Großhändler als Lieferanten. Allerdings haben wir viel mehr Händler, von de- nen wir direkt bestellen. Dies hat zur Folge, dass der Einkauf wesentlich aufwändiger geworden ist.“ Auf die Frage wie das Geschäft läuft, erklärt Bettina Müller, dass sie sehr vom Wetter abhängig sind und erklärt: „Wenn es nicht schneit, braucht keiner einen Schneeschieber, im Sommer bei viel Regen, ist die Nachfrage nach Rasenbewässerung gering.“ Neben der umfangreichen und gut sortierten Verkaufsfläche, unter anderem mit einem alten Apothekerschrank (von der Apotheke Feldafing), Das Müller-Unternehmenstrio: Andreas Lorenz mit Ehefrau Bettina Müller in der Schrauben und Kleinteile aufbewahrt wer- und Schwager Thomas Lorenz (v.l.) Foto: AP den, gibt es noch ein Büro mit zwei Arbeitsplätzen, einen kleinen Aufenthaltsraum und im Hinterhof Herlinde Müller geführte Geschäft ein. Seit 1996 führen es den Lagerplatz für die Erde sowie Lagerfläche im Keller. Bettina Müller mit ihrem Mann Andreas Lorenz und dessen „Dass es im Hinterhof fünf Kunden-Parkplätze gibt, wissen Bruder Thomas Lorenz gemeinschaftlich. Als bei Thallmairs nicht mehr viele“, so Bettina Müller. Bei einem Rundgang im Jahr 2000 die Haushaltswaren aus dem Sortiment ge- durch den Laden informiert Müller auch darüber, dass nommen wurden, übernahm das Trio diese Warengruppe. alle drei Geschäftsführer einen Sachkundenachweis für Ebenso wurde der Laden mit Malerbedarfsartikel ergänzt, Pflanzenschutzmittel haben, welcher für den Verkauf nötig als der Maler Helmuth Listl sein Geschäft aufgab. Heute gibt sei. Darüber hinaus wird noch Flaschengas verkauft und seit es darüber hinaus beim Kohlen-Müller alles für den Garten, einiger Zeit auch Briefmarken. einschließlich Erde, die auf Wunsch auch geliefert wird, Schrauben, Eisenwaren und Werkzeuge. Die Möglichkeit Pakete und Päckchen (DHL) abzugeben be- steht ebenfalls. Die bevorstehende Hauptstraßensanierung Wer sich in dem Familienbetrieb umschaut, fragt sich sei auch ein Ereignis, das sie beschäftigt, sie sind aber zuver- bald was es eigentlich nicht gibt. Zum Sortiment gehören sichtlich. AP Messer, Töpfe, Pfannen, Kochutensilien, Blumenzwiebel, Düngemittel, Lacke, Lasuren, Pinsel, Schrauben in jeglicher Form sowie Dübel und Schließzylinder und noch vieles mehr. Der Kern der Wirtschaft Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Tag der deutschen Familienunternehmen „Familienunternehmen sind das Rückgrat der Volkswirt- schaften, sie schaffen Arbeitsplätze, stabilisieren Wirt- schaft und Gesellschaft, engagieren sich für ihre Region und stellen ihre Innovationskraft tagtäglich unter Beweis. Ihrer Flexibilität bei gleichzeitiger Standhaftigkeit ist es zu verdanken, wenn zentrale europäische Volkswirt- schaften, allen voran Deutschland, besser durch die Krise kommen als andere Länder. Familienunternehmen zeich- nen sich aus durch Kundennähe, Service und in Vielfalt von Angebot und Dienstleistung.“ 8
Spedition Hiebl – die Digitalisierung als Nervenbahn der Transportlogistik Seit 1988 betreibt Martin Hiebl die gleichnamige internati- Junior-Chef Johannes, gelernter Kaufmann für Spedition- onale Möbelspedition. Das Unternehmen mit Firmensitz in und Logistikdienstleistung, gefällt die Vielfältigkeit seines Kampberg beschäftigt 20 Mitarbeiter. Im Büro arbeiten ne- Arbeitsfeldes. Der Kontakt mit vielen verschiedenen, auch ben Martin Hiebl auch sein Sohn Johannes und die Schwes- internationalen Kunden, die Wahrnehmung von Besichti- ter Sissi mit. Von Tutzing starten sechs LKWs zwischen 3,5 gungsterminen beim Kunden, das Be- und Entladen per Ga- und 18 Tonnen in die Welt – alle mit Schadstoffklasse Euro 5 belstapler u.v.m. schafft Abwechslung. bzw. 6. Pro Tag werden durchschnittlich drei Umzüge bewäl- Firmenchef Martin Hiebl verbringt den Arbeitstag nur noch im Büro. Er stellt fest, dass der Verwaltungsaufwand erheb- lich gestiegen ist, wöchentlich sind neue Verordnungen zu beachten und Erkundigungen zur aktuellen Gesetzeslage einzuholen. Früher ist er einfach nach Frankreich gefahren, heute muss u.a. die Lohnabrechnung der Mitarbeiter für die vergangenen drei Monate sowie der Arbeitsvertrag zum Nachweis des gezahlten Mindestlohns mitgeführt werden. Für die Fahrt in bestimmte Großstädte muss eine spezielle Einfahrtsgenehmigung vorab beantragt werden. Gerade beim länderübergreifenden Transport sind eine Vielzahl von Bestimmungen und Formalitäten zu beachten. Der hohe Verwaltungsaufwand führt dazu, dass inzwischen fast fünf Mitarbeiter im Büro beschäftigt sind. Dank der Digitalisierung können zwischenzeitlich die Aus- fuhranmeldungen beim Zoll digital eingegeben werden. Umzugsgut kann mittels Bildtelefonie über eine spezielle App erfasst werden. In den Online-Portalen bringen gute Bewertungen auch neue Kunden. Der Internetauftritt der Spedition ist „wordpressed“, d.h. tablet- und smartphone- kompatibel. Auch im Fahrerhaus der LKWs hat die Digitalisierung Ein- zug gehalten: Geräte für die Mauterfassung in den ver- schiedenen Ländern, ein spezielles LKW-Navigationssystem angepasst an Höhe/Breite/Ladegewicht des Fahrzeugs und Familienbetrieb: Johannes Hiebl mit Vater Martin – die automatische Gewichtsanzeige des Ladezustands füllen das Generationengespann Foto: UC die Kabine. Anstelle des früheren Schaublatts in Papierform tigt, hiervon 70 % innerhalb Deutschlands, 20 % im europä- zeichnet heute der digitale Tachograf alle Fahrtdaten, die ischen Ausland und 10 % außerhalb Europas. Die Spedition spätestens nach 28 Tagen ausgelesen und archiviert werden ist global tätig und arbeitet mit Partnerunternehmen bei der müssen, auf. Der Fahrer muss dieses Gerät mittels einer eige- Luft- und Seefracht und im LKW-Güterverkehr zusammen. nen Fahrerkarte, die TÜV bzw. Dekra ausgeben, aktivieren. Die Bandbreite der Aufträge ist vielfältig, z.B. erfolgte kürz- Das Speditionsunternehmen ist verpflichtet, für alle Fahrer lich ein Transport mit bayerischen Brotzeitkörben und Re- einen Tätigkeitsnachweis für die vergangenen 28 Tage zu genschirmen nach Hawaii und ein 40 Fuß Container wurde führen. Die Spedition Martin Hiebl ist zugelassener Ausbil- von Los Angeles nach München verbracht. dungsbetrieb zur Fachkraft für Möbel-, Küchen und Um- zugsservice und den Kaufmann für Spedition- und Logistik- Die Spedition führt auch Hightech- und Kunsttransporte, dienstleistung. Es gebe aber im Landkreis Starnberg aktuell die ein spezielles Know-How erfordern, durch; es ist Fach- keine Nachfrage nach diesen Ausbildungsberufen, so Hiebl. kenntnis von Nöten, wenn z.B. ein 800 kg schwerer Server ins Auch wenn die moderne Arbeitsweise aufwendig und gele- Obergeschoss an seinen Platz verbracht werden soll. Über- gentlich mühsam ist, muss man mit der Zeit gehen und die wiegend werden Privatumzüge durchgeführt, aber auch Fir- Vorteile der Digitalisierung sehen, so das Fazit von Martin men zählen zum festen Kundenstamm. Hiebl. UC Heft 11 /17 9
TUTZING REPORT Das Brotbacken – wo Technik das Handwerk prägt Die Münchnner Hofpfisterei wurde 1331 erstmals urkundlich unter Einsatz von Förderbändern transportiert. Den 50 m erwähnt. Sie war Mühle und Bäckerei der bayer. Hofhaltung langen Plattenbandofen durchlaufen die Teiglaibe dann 2 in München und erhielt in Zeiten der Monarchie um 1806 Stunden lang. Wie in alten Zeiten wird die „Pfister Sonne“ – den Titel eines königlich bayerischen Hoflieferanten. Als es Bestseller im Sortiment – jedoch immer noch in altdeutschen mit der Monarchie 1918 vorbei war, galt die Bäckerei auch Steinbacköfen gebacken. Die Münchener Bäckerei verfügt als „ehemaliger“ königl. bayer. Hoflieferant als Garant für über 30 solcher Backöfen, jeder 4 x 4 m groß, aus Schamot- gleichbleibende Qualität – für nunmehr bürgerliche Kunden te-Steinen gebaut, mit 30 - 50 cm hohen Kuppeldecken. Sie – bis heute. sind nach wie vor das Herzstück der Bäckerei. Nur werden heute die Steinbacköfen mit Gasbrennern statt mit Holz auf 240° Betriebstemperatur erhitzt. Die unterschiedlichen Tem- peraturzonen in den Öfen machen es auch heute noch erfor- derlich, dass die Brotlaibe nach einer Stunde „umgebacken“ werden. Dazu werden sie mit 4 m langen Eschenholzstangen, ge- nannt „Einschießern“, von Hand umgeschichtet von vorne nach hinten, von innen nach außen. „Zwei Jahre dauert es bis eine Arbeitskraft die Öfen genau kennt, von denen einer schneller backt und ein anderer langsamer. Mit diesen stei- nernen Dinosauriern umzugehen, ist wahrlich etwas ganz Besonderes“, so Friedbert Förster aus der Geschäftsleitung der Hofpfisterei. Es bedarf also trotz allen technischen Fort- schrittes noch viel handwerklichen Könnens. Computergesteuert erfolgt die Teig-Fertigstellung des ge- samten Sortiments. Damit sind die Backbestandteile der einzelnen Brotsorten immer exakt gleich, was früher selbst unter Einsatz von guten Waagen der menschlichen Unvoll- kommenheit wegen nicht immer der Fall war. Händisch er- folgt nach wie vor, besonders bei der Herstellung des Natur- sauerteigs, aber auch bei der Teigendfertigung die Prüfung durch die Bäcker, insbesondere da hier ohne Mehlverbesse- rungsmittel gearbeitet wird. Der technische Fortschritt war auch für die Münchner Bä- ckerei Herausforderung, ohne Qalitätsverlust und ohne von der Philosophie des gesunden Brotes abzuweichen, zu pro- duzieren. So sehr die Hofpfisterei Wert auf Tradition legt, so gut ist es ihr gelungen, die Modernisierung mit früheren Backabläu- Der Steinbackofen – wie in alten Zeiten Foto: Hofpfisterei fen (mit erheblich mehr Zeitbedarf) in Einklang zu bringen. Maschinelle Produktionsabläufe bei der Herstellung der ins- Digitalisierung und Vernetzung der zahlreichen Verkaufslä- gesamt 31 Brotsorten (angepasst an den Zeitgeschmack der den der Großbäckerei sind fester Bestandteil in dem Famili- Kunden) haben auch bei der Hofpfisterei längst Einzug ge- enbetrieb. Schon lange wird in den Verkaufsläden compu- halten. Bei einer Produktion von täglich 20.000 Stück Brot tergesteuert Warenbestand geführt, gewogen und kassiert. geht es natürlich nicht mehr ohne automatisierten Ablauf. Selbst die Fahrer des zur Auslieferung nötigen Fuhrparks Wenn früher jeder Laib Brot von Hand geformt wurde, so werden bei (ADAC) Training zu umweltbewusstem Fahren werden heute die Teigrohlinge maschinell geformt und geschult. EK Ballett Capoeira Hip-Hop Yoga FitdankBaby ModernDance Charaktertanz Kindertanz Luftartistik JazzDance Pilates Akrobatik Mutter-Kind Kurse TanzStudioTutzing Jetzt anmelden für das neue Schuljahr. Alle Kurse kostenlos ausprobieren! Bahnhofstrasse 9-15 www.tanzstudiotutzing.de 10
35 Jahre – die Tutzinger Nachrichten auf Zeitreise Das erste Heft der Tutzinger Nachrichten erschien im No- Das kommt nicht zuletzt sicher daher, dass die Tutzinger vember 1982. Es hatte 16 Seiten in schwarz weiß und 55 An- Nachrichten eben nicht einfach eine Zeitung sind, sondern zeigen. für alle Mitwirkenden eine Herzensangelegenheit. Stolz Der damalige Chefredakteur Sven Blomeyer schrieb: „Die können wir konstatieren, dass einige Redaktionsmitglieder TN ist kein Instrument politischer Gängelei; sie soll selbstbe- der ersten Stunde immer noch aktiv dabei sind und dass inte- wusst, frei und unterhaltend berichten und ist gut beraten, ressierte neue Mitarbeiter dazu gekommen sind. Unser Ma- auch ihrerseits mitzunehmen, was die Bürger ihr bieten.“ gazin ist allseits beliebt, zuverlässig erscheint es jeden Mo- Zehn Jahre später hatte das Heft bereits 28 Seiten, schwarz nat kostenlos für die Leser, wird im Dorf und darüber hinaus weiß und 78 Anzeigen. „Heute ist die Zeitung fester Be- akzeptiert und gern gelesen. standteil des Tutzinger kulturellen Lebens.“ sagte Renate Wie im richtigen Leben sind wir mit 35 aber auch noch auf Lindemann anlässlich dieses Jubiläums. dem Weg. Wir müssen und können uns verändern. Face book, Internetauftritt, homepage sind dazu die Stichworte. Wir lernen täglich dazu, messen und vergleichen uns mit an- deren und haben immer neue Ideen für Titelthemen, Inhalte und Gestaltung. 35 Jahre älter und noch immer dabei - das Gründungstrio der Tutzinger Nachrichten Alfons Mühleck, Ingrid Cavada, Peter Gsinn (von links) Foto: Armin Heil Die Tutzinger Nachrichten stehen auf zwei Beinen: Neben dem redaktionellen Teil sind die Anzeigen mindestens eben- so interessant und wichtig. Genauso wie sich Artikel, Layout und Inhalte verändern, verändern sich auch die Angebote, Geschäfte und Dienstleistungen und das Kaufverhalten der Leute in unserem Ort. Entsprechend sind die Anzeigen, mit denen unsere Anzeigenkunden die „Tutzinger Nachrichten“ ermöglichen, dem Wandel der Zeit unterworfen. Auch hier Die Nummer Eins der Tutzinger Nachrichten November 1982: gibt es ein paar Geschäfte der ersten Stunde, viele sind hin- Namen bewahrt, Identität entwickelt Foto: TN-Archiv zugekommen, viele verschwinden schnell wieder, viele sind Das Zwanzigjährige haben die TN irgendwie selbst verschla- uns seit vielen Jahre treu. Dafür an dieser Stelle ein großes fen. Dafür gab es zum 30 Jährigen einen langen Artikel über Danke schön- auch im Namen unserer Leser. das Entstehen der TN, sie hatten 44 Seiten, waren bunt und Noch immer sind die TN politisch unabhängig, berichten beinhalteten 87 Anzeigen! selbstbewusst und frei. Wir nehmen gerne mit, was die Bür- ger uns bieten, egal ob als Beiträge, Fotos, Leserbriefe, vor Und heuer werden die Tutzinger Nachrichten also 35 Jahre allem aber an Anzeigen. alt. Normalerweise ist ein 35. Geburtstag nicht weiter er- Und wir wollen auch weiterhin fester Bestandteil des Tutzin- wähnenswert, bei einer Zeitung aber schon! ger kulturellen Lebens bleiben. Für viele Zeitungen sind sinkende Verkaufszahlen und sin- Im Gegensatz zu den Redaktionsmitgliedern können und kende Werbeeinnahmen ein Grund, aufzugeben. Die Rezes- werden die Tutzinger Nachrichten hoffentlich immer jung, sion 2009 bekamen auch viele Zeitungsverlage zu spüren, leistungsstark und aktiv bleiben. Sie können von einer Gene- 2012 meldete die Frankfurter Rundschau Insolvenz an, 2014 ration zur nächsten weitergegeben werden, sie können sich die Abendzeitung. Zeitungssterben hier in Deutschland? auf einer sehr soliden Basis weiterentwickeln, wachsen und Nicht für die Tutzinger Nachrichten! Wir haben zwar auch gedeihen, können sich bewähren und auch verändern, wenn mit gelegentlichen Unbilden zu kämpfen, bisher haben wir – ja wenn wir für alle Aufgaben Nachwuchs finden würden. die Stürme der Zeit aber gut überstanden. esch Heft 11 /17 11
TUTZING REPORT Mein Lektor schweren Platten, heute in virtueller Prozessdynamik. Eines aber ist gleich geblieben: Am Anfang steht das Manuskript Ziemlich am Anfang unserer Freundschaft war es für mich – die Kopfgeburt des Autors ist der unabkömmliche Input, toll, dass Rochus von Zabuesnig meine Artikel korrigiert. der Anfang von allem. In den TN-Gründerjahren erste Hälfte Immer schrieb ich sogar in der Schule die Aufsätze auf den der 80er kamen diese noch in mannigfacher, besser gesagt letzten Drücker. So auch die TN Artikel. Wie gehabt, ging recht wilder Form an mit Schreibmaschine und Durchschlä- gen aufs Papier gebracht. Die elektrische IBM oder Olivetti beendete immerhin nach und nach die Korrekturmühe des Weißfärbemittels Tippex. Nach redaktioneller Überarbei- tung wanderte das teure Berichtsgut sodann in Rubriken- ordner mit zugehörigen (Papier-)Fotos, der sodann - meist in grauen Morgenstunden vor seinem sonstigen journa- listischen Dienstbeginn - vom Chefredakteur persönlich in eine kostengünstige Druckerei hinter Münchens Ostbahn- hof überbracht wurde. Parallel wurden die langsam zuneh- menden Anzeigen dorthin geliefert. Immerhin schon öfter per Fax nahmen nach einigen Tagen die Druckfahnen ihren Weg zum Klebeumbruch auf dem familiären Ausziehtisch in Tutzing. Die Uhu-Operationen, bei denen das Gesicht der neuen Nummer immerhin schon hervortrat, mündeten abermals im Transfer in den Münchener Osten samt Geleit- gespräch mit dem Druckereichef. Nach wiederum einigen Ta- Redaktionsmitglied Ingrid Cavada: gen war das neue Heft bereit zu seiner Verbreitung – dank Antenne des Ortslebens Foto: TN der Austräger-Logistik von Hermann Buncsack in die Brief- ich zum Rochus um den Bericht (am letzten Abend vor der kästen und die Geschäfte Tutzings. Letzteres ist noch heute Abgabe) durchlesen zu lassen. Er war Gott sei Dank schon zu so. Das Davor aber ist seither ein einziges Karussell des Fort- Hause, ich erschien und hielt ihm das Geschriebene unter die schritts – schneller, exakter, variantenreicher, vielleicht auch Nase. Wütend faucht er mich an, er hat jetzt keine Zeit und sogar stressiger – aber alles in allem doch auch komfortabler. ich soll mein Zeug früher schreiben. Ich ging wieder heim, (siehe dazu auch Interview auf der nächsten Seite) HKM beleidigt, er hatte ja Recht (auf seinem Schreibtisch türmt sich der Manuskriptberg vom Erich Mende Buch). Auf jeden Fall kam nach ein paar Tagen unsere Redakteurin in meinen Laden, lächelte mich an und meinte „Kindchen, du wirst immer besser!!!“ Seit dem brauche ich keinen Lek- tor mehr. IC Früher war alles besser …aber nur, wenn die Abendsonne der Nostalgie manche Mühsal vordigitaler Zeiten vergessen lässt So lange sind 35 Jahre auch wieder nicht her. In den Medien und beim Blattmachen allerdings ein Sprung fast wie seiner- zeit nach Gutenberg, dem Revolutionär der publizistischen Vervielfältigung. Damals via Druck auf handgefertigten blei- Traudl und Heinz Klaus Mertes vor den in den 80er Jahren betreuten Heftausgaben Foto: Ursula Düren 12
„Schneller, anspruchsvoller, vielfältiger“ ters, der sich selbst steuert. Daher können wir nicht gegen diesen Preiskampf, welchen das Internet bietet, gewinnen. Wie die TN-Druckerei den digitalen Wandel gestaltet Wir ermöglichen hier in Andechs-Machtlfing unseren Mitar- Ulenspiegeldruck besorgt seit beitern eine stabile Lebensgrundlage und nur durch Dienst- der Neuausrichtung 2008 die leistung und den persönlichen Kontakt mit unseren Kunden, Postproduktion der Tutzinger können wir dies auch erhalten. Nachrichten. Was ist seither Fortschritt ist unabdingbar, wir arbeiten täglich an Compu- aus Ihrer Sicht der markanteste tern und selbst neuere Druckmaschinen werden mehr und Fortschritt in diesem Prozess – mehr automatisiert. So ist in vielen großen und modernen organisatorisch und technisch? Druckereien ein Mensch, eben ein ausgebildeter Drucker, Da wir unsere Produktion schon gar nicht mehr notwendig. Günstigere „Freelancer“ ohne seit je her auf ökologische und feste Arbeitsvertäge übernehmen in solchen Druckereien nachhaltige Produktion ausge- oftmals den Job. Dadurch kann immer noch schneller und richtet haben, ist das denke ich natürlich günstiger produziert werden. der größte Vorteil für unsere Barbara Classen - seit 2014 Kunden. Wir sind ein regionaler Was haben Ihre Kunden von diesen neuen Möglichkeiten? eine von drei Geschäftsfüh- Partner und daher können wir Neue Produktangebote, mehr Komfort, mehr Qualität? rern der Ulenspiegel Druck für die Tutzinger Nachrichten Wir bieten unseren Kunden an, alle Produkte so ökologisch GmbH & Co. KG direkt vor Ort das Programm und umweltfreundlich wie möglich zu produzieren. Das ist umsetzen und stehen ständig unser Leitbild, dem wir seit vielen Jahren treu sind und auch in persönlichen Kontakten mit bleiben. Dies ist ein Fortschritt und auch ein Automatismus, den Beteiligten. Dadurch können Berichte schneller und ak- der in der heutigen Druckindustrie nicht selbstverständlich tueller umgesetzt werden. Zusätzlich haben sich die Produk- ist. Unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit, des sozialen tionsabläufe zwischen der Redaktion der Tutzinger Nach- Engagements und des technischen Fortschritts können wir richten und uns als Druckerei ständig weiterentwickelt und unseren Kunden bessere Qualität, ein leichteres Handling optimiert. und eine schnellere Produktion anbieten. Digitalisierung, also die Nutzung des Netzes mit seinen Und für Sie persönlich: Mehr Stress durch den Fortschritt enormen Anwendungsmöglichkeiten, gilt weithin als Bedro- oder mehr Erleichterungen im täglichen Job? hung herkömmlicher Produktions- und Arbeitsorganisation? Sowohl als auch, würde ich sagen. Der technische Fortschritt Wie haben Sie sich in den zurückliegenden Tempojahren kann vieles im täglichen Job erleichtern, soweit Hard- und darauf eingestellt? Wo sehen Sie auch neue Chancen? Software finanzierbar ist. Arbeitsplätze sollten dadurch al- Och nee, dass Internet… so die Headline einer unserer Kun- lerdings nicht in Gefahr geraten. Auch wenn die Ansprüche denmagazine. Auch wir konkurrieren gegen günstige Onli- unserer Kunden an uns ständig steigen, der Zeitdruck immer neanbieter und kämpfen gegen den Automatismus, der die extremer wird, so bleibt der Konkurrenzkampf unverändert Digitalisierung der Arbeitsschritte ermöglicht hat, an. Eine hoch, aber das belebt ja bekanntlich das Geschäft. Arbeitskraft deckt nicht im Ansatz die Kosten eines Compu- Intrview: HKM Heft 11 /17 13
UNSERE GEMEINDE Wann, wie und warum Lehrerwohnhaus - ein gibt es Bürgermeisterwahlen? gesperrtes Tutzinger Denkmal Der Gemeinderat Tutzing hat sich mehrheitlich mit 12 zu 5 Bei einer Begehung des alten Lehrerwohnhauses und des alten Stimmen in seiner Sondersitzung am 19. September 2017 Volksschulgebäudes in der Greinwaldstraße mit dem Kreisbau- für die Neuwahl eines hauptamtlichen Bürgermeister aus- meister Dr. Ing. Christian Kühnel Mitte Oktober, wurden im al- gesprochen. Diese Klärung wurde wegen den Tods des 1. ten Lehrerwohnhaus erhebliche statische Mängel festgestellt. Bürgermeisters Rudolf Krug innerhalb der Amtsperiode Daraufhin wurde ein sofortiges Betretungsverbot für das Leh- notwendig. In Bayern obliegt es unter bestimmten Voraus- rerwohnhaus ausgesprochen. Die dort befindliche BRK-Mittags- setzungen dem Gemeinderat sich zwischen den Varianten betreuung kam sofort und bis auf Weiteres in der Rathaustenne eines ehren- und eines hauptamtlichen Bürgermeisters zu unter. Die Musikschule weicht auf Klassenzimmer der Schulen entscheiden. Ein ehrenamtlich tätiger Bürgermeister ist bei aus. Für die JM Tutzing und den Billardclub Tutzing gibt es noch Gemeinden bis zu 10 000 Einwohnern möglich. keine Ausweichquartiere. Eine Überlegung für die JM könnte das ehemalige Sportlerstüberl sein. Das Material der Tutzinger Gilde wird erst bei Bedarf umgelagert. Das alte Schulhaus kann weiter genutzt werden. Als Sofortmaßnahme wurde ein zwei- ter Fluchtweg erforderlich, der jetzt über eine provisorische Außentreppe eingerichtet ist. Wie umfangreich und langwierig der Sanierungsbedarf an den denkmalgeschützen Gebäuden ist, war noch nicht genau festzustellen. In den letzten Monaten wurde erst aufwändig die Heizungsanlage saniert. CP Gesucht - der neue Rathauschef. Bürgermeisterwahlen sind gesetzlich reglementiert Foto: HKM Ehrenamtlicher Bürgermeister Gemeinderat: Entscheidet, ob er einen ehrenamtlichen Bür- Schön anzuschauen, aber baufällig germeister möchte. Ein ehrenamtlich tätiger Bürgermeister ist bei Gemeinden bis zu 10 000 Einwohnern möglich. Es Zu Beginn des 1. Weltkrieges wurde auf dem freien Wiesen- gibt keine Begrenzung des Eintrittsalters. gelände, der so genannten Schulerbreiten, im Winkel zwi- Bezüge: Die monatliche Aufwandsentschädigung bei nicht schen Hauptstraße und Traubinger Straße, das für die da- kontingentierte Arbeitszeit wird vom Gemeinderat nach der malige Zeit imposante Schulgebäude mit Lehrerwohnhaus, Wahl festgelegt. Nachweislich geleistete Stunden werden damals wohl das schönste weit und breit, erbaut. Die Lehrer mit der Aufwandspauschale abgegolten. wohnten direkt bei der Schule, im Keller war ein sog. Volks- Amtszeit: Neuwahl eines ehrenamtlichen Bürgermeisters bad, das noch lange erhalten blieb. 1945 wurden Schule und würde in der Regel am 30. April 2020 mit dem Ende der be- z.T. auch Lehrerwohnungen Lazarett für Soldaten, dann Un- stehenden Amtszeit des derzeitigen Gemeinderats stattfin- terkunft für entlassene KZ-Häftlinge, dann für verwundete den. Damit würden die Wahlen zum Rathauschef und Ge- SS-Leute als Kriegsgefangene. meinderat wieder parallel zu den Kommunalwahlen statt- finden. Anfang Juni 1945 beschlagnahmen amerikanische Truppen Hauptamtlicher Bürgermeister die Lehrerwohnungen und die dort wohnenden Lehrer muss- Begrenzung des Eintrittsalters: 65 Jahre (Antrag auf Erhö- ten sich, wie viele andere Tutzinger auch, auf die Suche nach hung bis 67 Jahren liegt vor und könnte ab 2020 in Kraft Notunterkünften machen. Später war die erste Gemeindebü- treten). cherei (während des Krieges war in diesem Raum der OP) im Bezüge: Besoldungsgruppe A 16 als Grundgehalt plus Auf- alten Lehrerwohnhaus untergebracht. Musikschule, Mittags- wandsentschädigung. betreuung, Junge Mannschaft, Hausmeisterwohnung und Arbeitszeit Leistungsprofil: Wird durch das Beamtengesetz Billardclub haben hier bis heute Platz gefunden. Nachdem geregelt, keine Überstundenvergütung. die Gemeindekassen in Tutzing chronisch leer sind, wurde Amtszeit: Der hauptamtliche Bürgermeisters wird für sechs sowohl im alten Schulhaus als auch bei den früheren Lehrer- Jahre gewählt. Damit findet künftig alle drei Jahre eine Rat- wohnungen wenig saniert, vieles ist im Originalzustand er- hauswahl statt, zum einen der Gemeinderat in der allgemei- halten. So konnte inzwischen der gesamte Gebäudekomplex nen Kommunalwahl, zum anderen die Bürgermeisterwahl. aus Schulhaus und Lehrerwohnhaus unter Denkmalschutz HB gestellt werden. TN 14
durchaus existenzbedrohend sein können. Ältere Menschen S C H L A G L I C HT bekommen heute keinen Kredit mehr, so dass eine Finanzie- rung nicht selten nur über die Eintragung einer Grundschuld oder den Verkauf des Hauses möglich ist. Straßenbaukosten Das Thema Anliegerumlage ist auch in Tutzings Nachbarge- meinden strittig. und Anliegerbeteiligung So sollte nach Beschluss des Feldafinger Gemeinderates die Beim Ausbau einer Straße bitten die Gemeinden die Grund- alte Traubinger Straße im Zuge des Baues der fehlenden Tag- stückseigentümer an der Straße (Anlieger) zur Kasse.Grund- wasserkanäle in der Straße ausgebaut werden. Die entspre- stückseigentümer müssen bereits bei der Erschließung, also chenden Wasserleitungen verlaufen heute teilweise über bei dem Bau der Straße, zahlen. Nach der heutigen Regelung Privatgrundstücke. Die Anrainer, die den Großteil der Kosten müssen die Gemeinden die Abgaben in einer Satzung festle- tragen sollten, taten sich zusammen und legten massiven gen. Rechtsanwältin Hertlein schreibt, dass das Landratsamt Protest ein. Der Bürgermeister Sontheim schaffte es, dass die als Rechtsaufsichtsbehörde nach Recht und Gesetz an Art. Grundstückseigentümer der Eintragung einer Grunddienst- 5 Abs. 1 Satz 3 an das Kommunalabgabegesetz (KAG) ge- barkeit zustimmten. Damit konnte der geplante Ausbau, bunden ist. Hier ist festgelegt, dass die Gemeinden Grund- zumal die Straße in einen normalen Zustand ist, verzichtet stücksbesitzer an den Straßen an den Ausbaukosten beteili- werden. Das Problem konnte so zur Zufriedenheit aller Be- gen müssen. Wie hoch die umgelegten Kosten sind, wird in troffenen und Beteiligten gelöst werden. einer Satzung festgelegt. Dabei wird die Grundstücksfläche Die Bürgermeisterin der Stadt Starnberg hat im vergange- mit einem Nutzungsfaktor, der sich aus der Bebauung und nen Jahr eine entsprechende Satzung aufgehoben. Der dem Ertrag des Grundstücks ergibt, multipliziert Einspruch gegen diesen Bescheid wurde vom Landratsamt Auch bei größeren Reparaturen und Erneuerungen sind die abgelehnt. Bei der folgenden gerichtlichen Auseinanderset- Straßenanlieger wieder gefragt. zung hat Starnberg verloren. Mit Mehrheit des Stadtrates Für Rechtsanwalt Rudolf Stürzer, Vorsitzender des Aufsichts- wurde Bürgermeisterin Eva John beauftragt, gegen diesen rates von Haus & Grund Bayern, ist hier ein Umdenken not- Gerichtsbescheid zu klagen. wendig. Praktisch würde nur ein bestimmter Personenkreis Zwischenzeitlich gab es Anfang Oktober in Schongau eine durch wiederkehrende Beiträge belastet. größere Demonstration gegen die Stadt. Sie hat es versäumt Vor allem wird seitens dieses Verbandes kritisiert, dass gegen den Bescheid für die Einführung einer Satzung zur Baumaßnahmen nicht notwendig wären, wenn die Straßen Kostenbeteiligung der Anrainer Einspruch einzulegen. In regelmäßige instand gehalten würden. Daraus resultiert die vielen weiteren Gemeinden und Städten gibt es zunehmend Forderung von Haus & Grund, alle Bürger an den Kosten zu Widerstand gegen diese Art der einseitigen Belastung. beteiligen. Die Abgabe würde sich sodann für die Einzel- Wilhelm Hartmann vertritt in einem Leserbrief im Starnber- nen in tragbaren Grenzen halten. Dabei kann die Bayerische ger Merkur die Meinung, dass eine Grundsteuererhöhung Staatsregierung den Gemeinden als ein weiteres Finanzie- von ca. 10 Prozent eine gerechtere Lösung wäre. Hier wür- rungsinstrument eine Infrastrukturabgabe zur Verfügung den alle Grundstückseigentümer minimal belastet, nicht nur stellen. die an der Straße. Die Diskussion über das Kommunalabgabegesetz von 2015, Freilich: Da die Grundsteuer auf die Mieter umgelegt wer- das 2016 geändert wurde, ist bei den Parteien in vollem den kann, würde dies nicht nur die Grundstücks-Eigentümer Gange. Die Lektüre der Entwürfe, aber auch die Gespräche treffen. Möglich sollte sein, in einer entsprechenden Sat- erweckten bei Teilnehmern und Beobachtern den Eindruck, zung einmalig den Grundsteuerbescheid B zur Berechnung dass die bei der Expertenanhörung anwesenden Abgeord- zu benutzen. Diese Gelder dürften nicht als Steuer benannt neten die Überlegungen nicht verstanden oder nicht verste- werden, es müsste sichergestellt sein, dass diese nur zweck- hen wollen gebunden verwendet werden dürfen. PGs Das jetzige Gesetz geht von der unzeitgemäßen Annahme aus, dass der Grundstückseigentümer an der Straße durch seine Möglichkeit der Nutzung der Anlage besondere Vor- Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungs- teile hat, man belastet ihn daher mit der Beitragslast. Dieser gerichtshofs sind für einen Sondervorteil im Sinne von abstrakte Vorteilbegriff verfolgt die Verhältnisse seit 100 Art. 5 KAG zwei Merkmale entscheidend: Jahren, aber geht am Kern des Problems vorbei. - die spezifische Nähe des Grundstücks zur ausgebauten Allenfalls für Erschließungsbeiträge lässt sich so ein Vorteil Ortsstraße, wie es bei Anliegergrundstücken und ihren noch herleiten. Doch für die Erneuerung und Instandhal- aus dem Blickwinkel einer rechtlich gesicherten Inan- tungsmaßnahmen gibt es keinen Sondervorteil. Die Nut- spruchnahmemöglichkeit grundsätzlich gleich zu stel- zung der Straßen ist ja nicht auf deren Anlieger beschränkt. lenden Hinterliegergrundstücken gegeben ist, sowie Vielmehr ziehen alle, auch die Gemeinde, aus der Nutzung - eine Grundstücksnutzung, auf die sich die durch den erhebliche Vorteile, etwa als Besucher, Gäste, Mieter, Liefe- Ausbau verbesserte Möglichkeit, als Anlieger von der ranten, Gewerbetreibende. Daher ist es grundsätzlich falsch Ortsstraße Gebrauch zu machen, positiv auswirken kann. den Grundstückseigentümern an den Straßen einen allei- Den Eigentümern von Flächen, bei denen beide Voraus- nigen Vorteil zuzusprechen. setzungen vorliegen, kommt der Straßenausbau in einer Die als Konsequenz aus der derzeitigen, gesetzlichen Rege- Weise zugute, die sich aus dem Kreis der sonstigen Stra- lung zu zahlenden Beiträge befinden sich häufig im mittle- ßenbenutzer heraushebt und die Heranziehung zu einem ren fünfstelligen Bereich, die viele Anlieger finanziell über- solchen Beitrag rechtfertigt (so VGH München im Urteil fordern. Unsere Gemeinde hat Teilzahlungen in Aussicht vom 06.04.2017). gestellt, die aber das Problem nicht lösen und für Einzelne Heft 11 /17 15
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