NATURWISSENSCHAFTEN DIGITAL - Jenny Meßinger-Koppelt und Jörg Maxton-Küchenmeister (Hrsg.) - Toolbox fuer den Unterricht

 
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NATURWISSENSCHAFTEN DIGITAL - Jenny Meßinger-Koppelt und Jörg Maxton-Küchenmeister (Hrsg.) - Toolbox fuer den Unterricht
NATURWISSENSCHAFTEN

15 Beiträge zum praktischen Einsatz von digitalen Werkzeugen im
Chemie-, Physik- und Biologieunterricht mit klaren Anleitungen,
Angaben zu Zeitaufwänden, benötigten Geräten und Materialien
                                                                                                                                   NATURWISSENSCHAFTEN
sowie direkt einsetzbaren Unterrichtsmaterialien sind in diesem Band
versammelt. Die meisten Ansätze sind auf andere Fächer übertragbar,
sodass eine umfangreiche Toolbox für Lehrkräfte entstanden ist.
                                                                                                                                   DIGITAL
                                                                                                                                   Jenny Meßinger-Koppelt und Jörg Maxton-Küchenmeister (Hrsg.)
Die Artikel zeigen anschaulich auf, wo und wie digitale Werkzeuge den
naturwissenschaftlichen Unterricht bereichern können. Sie gehen
dabei nicht nur auf praktische Apps und Web-Ressourcen ein, sondern
geben Tipps für die Umsetzung im eigenen Unterricht und stellen
weiterführende Materialien zur Verfügung.

Themen sind hierbei das Nutzen oder Erstellen von:

•   E-Books
•   Videos
•   Feedbacksystemen
•   Modellierungen
•   Augmented Reality
•   Internetforen

Sämtliche Materialien liegen sowohl in gedruckter als auch in
digitaler Form vor.

                                                                        Naturwissenschaften digital – Toolbox für den Unterricht

                    kostenfrei
                    ISBN 978-3-9456410-6-4
                    www.joachim-herz-stiftung-verlag.de
NATURWISSENSCHAFTEN DIGITAL - Jenny Meßinger-Koppelt und Jörg Maxton-Küchenmeister (Hrsg.) - Toolbox fuer den Unterricht
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Informationen sind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 978-3-9456410-6-4

© Joachim Herz Stiftung Verlag, Hamburg 2018
Layout und Gestaltung: sabine abels | www.e-book-erstellung.de
Fotos und Bilder wurden von den Autoren zur Verfügung gestellt.
Druck und Bindung: Lokay, Reinheim | lokay24.de
Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in Germany
Alle Rechte vorbehalten
www.joachim-herz-stiftung-verlag.de
NATURWISSENSCHAFTEN DIGITAL - Jenny Meßinger-Koppelt und Jörg Maxton-Küchenmeister (Hrsg.) - Toolbox fuer den Unterricht
Inhalt

INHALT

Einleitung .................................................................................................................................................................................................................... 4

Zur Arbeit mit dem Material ................................................................................................................................................................................... 5

Didaktische Aspekte zum Einsatz digitaler Medien – Leitlinien zum Lehren mit Multimedia, veranschaulicht an Beispielen ....... 6
   Raimund Girwidz und Christoph Hoyer

Quiz-Werkzeuge: Lernende aktivieren und Feedback erhalten ...................................................................................................................... 24
   Stefan Richtberg

Medien mit Augmented Reality erweitern: virtuelles Add-On zur didaktischen und methodischen Aufbereitung von Medien ........... 28
  Carsten Hoffmann und Christoph Thyssen

Das E-Book als digitale Mappe .............................................................................................................................................................................. 32
   Nina Ulrich

E-Books erstellen, überarbeiten und bewerten am Beispiel „Warum färbt sich der Wald im Herbst bunt?“ ...................................... 36
   Barbara Stegbauer

Kooperatives Lernen mit selbst erstellten Internetforen gestalten ............................................................................................................... 40
   Johanna Dittmar, Moritz Krause und Ingo Eilks

Modellieren lernen mit digitalen Werkzeugen ................................................................................................................................................... 44
  Agnes Szabone Varnai und Christoph Vogelsang

„Wo befindet sich der Beschleunigungssensor im Smartphone?“ – Digitales Messen im Physikunterricht ....................................... 48
   Franz Boczianowski

Es schwingt und klingt – interaktive Web-Anwendung zur Akustik .............................................................................................................. 52
    Daniel Laumann und Philipp Wichtrup

Die App ID-logics als digitale Bestimmungshilfe ............................................................................................................................................... 56
   Jorge Groß

Biodiversität vor der Haustür: Einsatz von Simpleshows im Biologieunterricht ........................................................................................ 60
   Alexander Finger und Judith Wiegelmann

EXPlainistry: Chemische Experimente mit selbst erstellten Videos dokumentieren, erklären und visualisieren ............................... 64
   Johannes Huwer

Dynamische Prozesse auf der Teilchenebene mithilfe von StopMotion-Videos lernen ........................................................................... 68
   Moritz Krause

Selbst erstellte Lernvideos für den Chemieunterricht – der Zusammenhang von Stoff- und Teilchenebene ...................................... 72
    Timo Fleischer und Claudia Nerdel

Experimentierkompetenz mit kurzen Erklärvideos fördern ............................................................................................................................ 76
   Agnes Szabone Varnai

© Joachim Herz Stiftung Verlag                                                                                                                                                                                                  3
NATURWISSENSCHAFTEN DIGITAL - Jenny Meßinger-Koppelt und Jörg Maxton-Küchenmeister (Hrsg.) - Toolbox fuer den Unterricht
Einleitung

    EINLEITUNG

    Mit diesem Band liegt die dritte Publikation der Joachim         und durchzuführen. Im Kolleg Didaktik:digital widmet
    Herz Stiftung zum Themenkomplex digitale Medien im               sie sich gemeinsam mit Fachdidaktikern aus Biologie,
    naturwissenschaftlichen Unterricht vor. Die Digitalisierung      Chemie, Physik und dem Sachunterricht intensiv der
    entwickelt mit einer faszinierenden Dynamik nicht nur            Lehramtsausbildung. Darüber hinaus engagiert sich die
    den Alltag, sondern auch Lehre und Bildung weiter.               Joachim Herz Stiftung in der Lehrerfortbildung: Sie bietet
    Die jüngst erschiene JIM-Studie zum Medienverhalten              selbst und in Kooperation mit Partnern Tagungen und
    Jugendlicher (2017) illustriert das eindrücklich: Besaßen        Workshops zum Thema „MINT digital“ an. Zudem fördert die
    im Jahr 2014 „nur“ 88 Prozent aller Jugendlichen ein             Stiftung thematisch passende Lehrerfortbildungen Dritter.
    Smartphone, sind es Ende 2017 97 Prozent – also quasi alle.
    Mittlerweile gehen vier von fünf Jugendlichen bevorzugt          Im Zuge dieser Zusammenarbeit ist ein großer
    über ihr Smartphone ins Internet. Knapp zwei Drittel der         Schatz an grundlegenden Konzepten und konkreten
    Jugendlichen hören damit regelmäßig Musik. Und immerhin          Unterrichtsmodulen entstanden. Eine repräsentative
    gut die Hälfte nutzt ihr Gerät zumindest mehrmals pro            Auswahl davon wird in diesem Band veröffentlicht.
    Woche auch noch zum Telefonieren. Smartphones und
    Computer sind dabei keinesfalls Geräte ausschließlich            Gerne wird denjenigen, die digitale Medien im Unterricht
    zum Freizeitgebrauch: Täglich sitzen Schülerinnen und            einsetzen, eine reine Technikgläubigkeit vorgeworfen
    Schüler (von zwölf bis 19 Jahren) im Schnitt 45 Minuten          oder gar die Grundeinstellung, alleine der Technikeinsatz
    für schulische Zwecke an ihren digitalen Geräten.                verbessere den Unterricht. Dies trifft auf diesen Band
                                                                     und seine Autoren sicher nicht zu. Das Primat des
    Die Strategie der Kultusministerkonferenz (KMK) „Bildung         Pädagogischen und die sinnvolle didaktische Einbettung
    in der digitalen Welt“ bietet seit ihrem Erscheinen Ende         stehen selbstverständlich im Vordergrund. So steht am
    2016 einen umfassenden Rahmen zur „Bildung in der                Anfang dieses Bandes ein einleitender fachdidaktischer
    digitalen Welt“. Als zentrale Forderung benennt die Strategie:   Übersichtsartikel von Prof. Dr. Raimund Girwidz und
    „Entscheidend für ein erfolgreiches Lernen in der digitalen      Christoph Hoyer von der Physikdidaktik der Ludwig-
    Welt ist, dass die Lehrenden über entsprechende eigene           Maximilians-Universität München. Die anschließenden
    Kompetenzen sowie didaktische Konzepte verfügen. Daher           konkreten Unterrichtsvorschläge zeigen exemplarisch das
    muss die Lehreraus-, -fort- und -weiterbildung in den            sinnvolle Verknüpfen eben dieser pädagogisch-didaktischen
    kommenden Jahren einen entsprechenden Schwerpunkt                Konzepte mit den technischen Möglichkeiten der digitalen
    setzen.“ Genau diesen Themen widmet sich die Joachim Herz        Medien und der Alltagswelt von Schülerinnen und Schülern.
    Stiftung seit mehreren Jahren mit einer Reihe von Projekten.
                                                                     Ein herzliches Dankeschön an die Autorinnen und
    Die Stiftung entwickelt in Zusammenarbeit mit Experten           Autoren – nicht nur für die Mitarbeit an diesem Band,
    aus der naturwissenschaftlichen Fachdidaktik und der             sondern auch für ihr langjähriges Engagement für
    unterrichtlichen Praxis Konzepte für den sinnvollen              dieses zentrale Thema zur Weiterentwicklung unserer
    Einsatz digitaler Medien in den naturwissenschaftlichen          Schulen in der digitalen Welt. Gedankt sei auch den
    Fächern. Und sie fördert deren Implementation in den             beteiligten Lehrkräften für ihr Engagement bei der
    Unterricht – sei es durch Angebote für die Aus- und              Praxiserprobung der Materialien und den Schülerinnen
    Fortbildung von Lehrkräften oder durch Publikationen.            und Schülern für ihr Feedback. Am Ende geht es um sie.

    Mit den Portalen www.leifiphysik.de und
    www.mint-digital.de, mit Sammelbänden und praktischen
    Unterrichtsmaterialien unterstützt die Stiftung
    Lehrerinnen und Lehrer, ihren Unterricht vorzubereiten

4                                                                                                 © Joachim Herz Stiftung Verlag
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Zur Arbeit mit dem Material

ZUR ARBEIT MIT DEM MATERIAL

Die Beiträge in diesem Sammelband sollen Ihnen Anregungen       Um einen schnellen Überblick zu ermöglichen, sind
zum praktischen Einsatz von digitalen Werkzeugen im             alle Beiträge gleich aufgebaut: Sie bestehen aus zwei
Chemie-, Physik- und Biologieunterricht geben. Viele der        Doppelseiten mit mehreren Blöcken, die eine direkte
Ansätze sind zudem auf andere Fächer übertragbar. Die           Einordnung erlauben, ob der jeweilige Beitrag für Ihren
Materialien liegen sowohl in gedruckter als auch in digitaler   Unterricht relevant ist. Zudem finden Sie Beschreibungen
Form vor. Die gedruckte Broschüre kann kostenfrei bei           inklusive Tipps für die Umsetzung im Unterricht
der Joachim Herz Stiftung angefordert oder online unter         und weiterführende Materialien (z. B. Arbeitsblätter,
www.mint-digital.de/unterrichtsidee abgerufen werden.           Beispielvideos). Am Ende eines jeden Beitrages sind die
                                                                Kompetenzen nach dem Beschluss der KMK „Kompetenzen in
                                                                der digitalen Welt“ (2016) angegeben, die jeweils vermittelt
                                                                werden sollen. Der Aufbau der Beiträge ist wie folgt:

  i     Hier erfahren Sie, in welchem Maße Sie als Lehrkraft
        technische Vorkenntnisse zum Durchführen
                                                                        Diese kurze Aufstellung zeigt Ihnen, welche Geräte
                                                                        mit welchen Betriebssystemen und Materialien
        der vorgestellten Unterrichtsidee mitbringen                    Sie für die Umsetzung im Unterricht brauchen.
        sollten („Schwierigkeitsgrad“) und wie hoch der                 Außerdem bekommen Sie einen Überblick über
        Vorbereitungsaufwand für Sie ist. Außerdem wird                 benötigte Programme und Web-Ressourcen.
        gezeigt, für welches Fach bzw. welche Fächer
        der Ansatz geeignet ist und welche Zeit für das
        Durchführen im Unterricht eingeplant werden sollte.             Hier erhalten Sie eine Anleitung mit praktischen Tipps,
                                                                        wie der Einsatz im eigenen Unterricht gelingen kann.

        An dieser Stelle bekommen Sie einen schnellen
        Überblick über die Klassenstufen, für die                       Der Beitrag hat Sie überzeugt und Sie planen Ihre
        das Unterrichtskonzept geeignet ist. Zudem                      eigene Unterrichtseinheit dazu? Dann finden
        wird vorgestellt, welches Themengebiet                          Sie an dieser Stelle weiterführende Materialien,
        mit der jeweiligen Methode behandelt und                        wie Arbeitsblätter, Anleitungen, Beispielvideos und
        welches Ziel damit erreicht werden kann.                        vieles mehr. Zudem sind Internetadressen angegeben,
                                                                        unter denen Sie diese und weitere Materialien finden.

        Um die Vorschläge im Unterricht umsetzen zu
        können, sollten Ihre Schülerinnen und Schüler                   Sie wollen mehr dazu erfahren? Einige Beiträge
        sowohl einige fachliche als auch technische                     bieten weiterführende Literatur, die eine vertiefte
        Vorkenntnisse mitbringen. Diese finden Sie                      Einarbeitung in die jeweilige Thematik erlaubt.
        hier. In manchen Fällen sind jedoch auch
        wenige bzw. gar keine Vorkenntnisse nötig.

© Joachim Herz Stiftung Verlag                                                                                                5
NATURWISSENSCHAFTEN DIGITAL - Jenny Meßinger-Koppelt und Jörg Maxton-Küchenmeister (Hrsg.) - Toolbox fuer den Unterricht
Didaktische Aspekte zum Einsatz digitaler Medien

    DIDAKTISCHE ASPEKTE ZUM EINSATZ
    DIGITALER MEDIEN – LEITLINIEN ZUM LEHREN
    MIT MULTIMEDIA, VERANSCHAULICHT AN BEISPIELEN
    RAIMUND GIRWIDZ UND CHRISTOPH HOYER
    Ludwig-Maximilians-Universität München, Didaktik der Physik

    1    DIGITALE MEDIEN IN DER LEHRE –
         EIN KOMPLEXES THEMA

    Der Einsatz digitaler Medien im Unterricht lässt sich, je      Die Realität zeigt, dass nur so die theoretischen Konzepte
    nach Zielsetzung, aus verschiedenen Blickrichtungen            von Studierenden und Lehrkräften angenommen werden
    analysieren. So können Fragen zu Kommunikationswegen,          und Eingang in die Unterrichtspraxis finden (u.a. Jen, Yeh,
    Handhabung oder Verfügbarkeit digitaler Medien die             Hsu, Wu & Chen, 2016). Das zweite Ziel des Beitrags ist,
    technischen Aspekte in den Vordergrund rücken. Hierbei         anhand von einfachen Beispielen deutlich zu machen,
    sind gerätespezifische Informationen elementar, denn nicht     wie Multimediatheorie umgesetzt werden kann.
    jedes Gerät ist gleich gut für jedes Vorhaben geeignet.        Zum Einstieg werden die besonderen Merkmale
    Die rasanten Entwicklungen im technischen Bereich              multimedialer Lernmittel herausgestellt. Dazu gehören
    stellen durchaus hohe Anforderungen an Lehrkräfte, die         Multimodalität, Multicodierung und Interaktivität.
    in diesem Bereich ihr Wissen aktuell halten wollen.            Im Anschluss wird anhand von Beispielanwendungen
                                                                   verdeutlicht, wie ausgewählte lernpsychologische
    Andere Überlegungen befassen sich mit der Frage,               Erkenntnisse umgesetzt werden können.
    welche physikalisch-technischen Grundlagen von
    digitalen Medien interessante Lerninhalte sein                 Die Ziele hierbei lauten:
    können und damit den Unterricht bereichern. Solche
    Betrachtungen machen Medien selbst zum Lerninhalt.              •   Verankerung von Wissen und situiertes Lernen
    Darüber hinaus sind sicher auch pädagogische                    •   Förderung kognitiver Flexibilität
    Betrachtungen wichtig, die den verantwortungsbewussten          •   Einfluss multimedialer Anwendungen auf mentale Modelle
    Einsatz digitaler Medien in den Blick nehmen.                   •   Wissensstrukturierung und Vernetzung
                                                                    •   Supplantationsprinzip und Kohärenzbildung
    Eine weitere Sichtweise umfasst verstärkt lernpsychologische
    und didaktisch-methodische Erkenntnisse und weniger
    die technischen oder pädagogischen Gesichtspunkte. In
    den Vordergrund rücken dabei Theorien und empirisch            Allerdings ist es auch wichtig, Lehrkräfte für Problemfelder
    fundierte Richtlinien, wie mit Medien Lernprozesse sinnvoll    beim Einsatz von Multimedia zu sensibilisieren.
    zu unterstützen sind. Dies ist der Schwerpunkt dieses          Deshalb werden exemplarisch noch die folgenden
    Kapitels, in dem fachdidaktische Aspekte zum Einsatz von       Themen angesprochen:
    Multimedia im naturwissenschaftlichen Unterricht vorgestellt
    werden. Im Fokus stehen übergeordnete Merkmale, die             • Kognitive Belastung (cognitive load)
    generelle Konzepte für ein Unterrichten ermöglichen.            • Verarbeitungstiefe
    In der nachfolgenden Darstellung werden zunächst                • Multiple Repräsentationen
    grundlegende Ansätze skizziert und auf die einschlägige
    Literatur verwiesen. Obwohl eine Vielzahl von Theorien
    und Erkenntnissen verfügbar ist, mangelt es bisher
    an Konkretisierungen speziell zur Physik, Chemie
    oder Biologie. Hier fehlt oft die konkrete Anbindung
    an naturwissenschaftliche Unterrichtsthemen. Die
    Brücke schlagen im Folgenden verschiedene Beispiele
    in Form von kleinen Programmen und Applets. Sie
    helfen, wichtige Erkenntnisse und Ansätze aus der
    Lehr-Lern-Psychologie praxisnah vorzustellen.

6                                                                                                  © Joachim Herz Stiftung Verlag
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Didaktische Aspekte zum Einsatz digitaler Medien

2       MULTIMODALITÄT,
        MULTICODIERUNG, INTERAKTIVITÄT

Eine gute Einstiegshilfe, um die Vorteile von Multimedia zu                  mehrere Informationen simultan an. Formeln nutzen
verstehen, sind die Artikel von Weidenmann (1995, 1997).                     symbolisch abstrakte Repräsentationen.
Er spezifiziert, was Multimediasysteme besonders                             Digitale Medien können verschiedene Darstellungsformen
auszeichnet. Multimedia-Anwendungen nutzen                                   in einer großen Bandbreite, sehr flexibel und dynamisch
verschiedene Symbolsysteme (Multicodierung) und                              zusammenführen und damit eine Multicodierung von
mehrere Sinneskanäle (Multimodalität). Zusätzlich                            Wissen unterstützen. Abb. 1 zeigt ein Programmbeispiel,
aktivieren Interaktionsangebote die Schülerinnen und                         in dem speziell der Zusammenhang zwischen
Schüler. Die Begriffe werden nachfolgend erläutert und                       verschiedenen Diagrammen und ihre Verknüpfung mit
anhand von Anwendungen exemplarisch verdeutlicht.                            einem realen Bewegungsablauf verdeutlicht wird.

2.1         MULTICODIERUNG

Text, Formel und Bild sind grundverschiedene
Repräsentationsformen. Text informiert sequentiell,
Satzaussage für Satzaussage. Bilder hingegen bieten

      Abb. 1: Verschiedene Repräsentationen zu einem Bewegungsablauf – aus einem html5-Applet
      (www.didaktik.physik.uni-muenchen.de/multimedia/lernen_mit_multimedia/multimod_multicod_interak/
      multicodierung/index.html)

© Joachim Herz Stiftung Verlag                                                                                                             7
NATURWISSENSCHAFTEN DIGITAL - Jenny Meßinger-Koppelt und Jörg Maxton-Küchenmeister (Hrsg.) - Toolbox fuer den Unterricht
Didaktische Aspekte zum Einsatz digitaler Medien

2.2     MULTIMODALITÄT

Multimodalität beschreibt das Adressieren unterschiedlicher                        Weitere Beispiele sind Experimente mit dem Ultraschall-
Informationskanäle durch digitale Medien. Damit wird die                           Entfernungsmesser oder der Computermaus, bei denen
Aufnahmekapazität der Lernenden besser nutzbar, und es                             das eigene Bewegungsempfinden mit Aufzeichnungen
lassen sich auch spezifische, sachgerechte Darstellungen                           in einem s(t)-, v(t)-Diagramm verknüpft wird.
realisieren.
                                                                                   So lässt sich die physiologische Wahrnehmung mit den
Es können beispielsweise abstrakte Darstellungen wie                               abstrakten, grafischen Darstellungen kombinieren. Weitere
Noten auf einer Partitur, ein Diagramm mit dem Verlauf des                         Informationen und Erkenntnisse zur Multimodalität geben
Schallwechseldrucks und das entsprechende akustische                               Oberfoell & Correia (2016) für Schülerinnen und Schüler
Erlebnis zusammengestellt und gleichzeitig, oder in                                mit unterschiedlichen Erfahrungen und Kompetenzen
kurzer Abfolge, angeboten werden (siehe Abb. 2).                                   sowie Low und Sweller (2014), wobei diese speziell
                                                                                   von begrenzten kognitiven Ressourcen ausgehen.
Auch ein Video, das die Luftdruckschwankungen
eines akustischen Phänomens visualisiert, kann zur
Hypothesenbildung über das zugrundeliegende Ereignis
anregen. Ein zweites Video mit Bild und Ton ermöglicht
anschließend die Hypothesenprüfung (siehe Abb. 3).

                                                                                                            Multimedia im Physikunterricht

                                                                                           Multimodalität

                                                                                     © R. Girwidz                                                 10

      Abb. 2: Multimodalität: Die Wirkung eines Bandpassfilters lässt sich in Grafiken anzeigen und auch als Tondokument wiedergeben

      Abb. 3: Video ohne Ton zum zeitlichen Verlauf von Luftdruckschwankungen (links)
      und Video mit Ton zum selben Phänomen (rechts)
      (www.didaktik.physik.uni-muenchen.de/multimedia/lernen_mit_multimedia/
      multimod_multicod_interak/multimod/index.html)

8                                                                                                                          © Joachim Herz Stiftung Verlag
NATURWISSENSCHAFTEN DIGITAL - Jenny Meßinger-Koppelt und Jörg Maxton-Küchenmeister (Hrsg.) - Toolbox fuer den Unterricht
Didaktische Aspekte zum Einsatz digitaler Medien

2.3     INTERAKTIVITÄT

Interaktivität muss sich nicht nur auf ein Feedback bei                      Die Vielfalt von Einstellungsmöglichkeiten und die einfache
Auswahlaufgaben beschränken. Auch ein Sammeln von                            Verfügbarkeit für alle Schülerinnen und Schüler ergänzen
Erfahrungen in virtuellen Welten ist möglich. Das Beispiel                   und erweitern die Möglichkeiten von Realexperimenten.
hierzu ist ein Simulationsprogramm zu Wellen: die „Interaktive
Wellenmaschine“ (siehe Abb. 4). Der Nutzer kann mit einem                    Empirisch belegte Effekte verschiedener Feedback-Arten zeigt
Klick die Punkte der Kette bewegen und anschließend                          eine Metaanalyse von Van der Kleij, Feskens & Eggen (2015).
das Systemverhalten beobachten. Bei vorgegebenen
Aufgabenstellungen (z. B. zum Erzeugen einer stehenden
Welle) ist dadurch ein sachimmanentes Feedback möglich.

      Abb. 4: Bildschirmausschnitt aus dem Simulationsprogramm „Interaktive Wellenmaschine“
      (www.didaktik.physik.uni-muenchen.de/multimedia/programme_applets/wellen/wellenmaschine_1d/)

3       LEITLINIEN ZUM UNTERRICHTEN MIT MULTIMEDIA
        (THEORIE UND KONKRETE BEISPIELE)

Die genannten Möglichkeiten werden von guten Multimedia-                     3.1    SITUIERTES LERNEN UND
Anwendungen genutzt, um grundlegende, lernrelevante                                 VERANKERUNG VON WISSEN
Prinzipien umzusetzen. Allerdings beschreiben
Multicodierung, Multimodalität und Interaktivität zunächst                   Authentische Kontexte für Lernprozesse und der Einsatz
einmal „Oberflächenmerkmale“ der Schnittstelle zwischen                      von Wissen unter realistischen Anwendungsbedingungen
Mensch und Medium. Sie garantieren noch nicht, dass eine                     ist ein grundlegendes Prinzip aus dem Ansatz des „situated
Anwendung beim Lernen wirklich effektiv hilft. Einerseits                    learning“ (Lave, 1988; Brown, Collins & Duguid, 1989; Lave &
können multiple Darstellungen hilfreich sein, wenn es gilt,                  Wenger, 1991). Realisierungsmöglichkeiten mit neuen Medien
verschiedene Repräsentationen zu vernetzen. Andererseits                     zeigen die Arbeiten zur „anchored instruction“ (Cognition &
kann eine Vielfalt im Informationsangebot sowohl den                         Technology Group at Vanderbilt, 1993; Bransford et al. 1990;
Lehrkörper als auch die Schülerinnen und Schüler schnell                     Dawley & Dede, 2014). Insbesondere soll kein „träges Wissen“
überfordern und zu einer kognitiven Überlastung führen                       (inert knowledge) entstehen, das zwar gelernt wurde, aber
(cognitive overload). Deshalb werden nachfolgend grundlegende                nicht in realen Problemsituationen verfügbar ist. Wissen
theoretische Ansätze zum Lernen betrachtet, aus denen sich                   wird nicht als Selbstzweck betrachtet, sondern als Werkzeug
weiterführende Perspektiven und Richtlinien für den Einsatz                  zum Behandeln von subjektiv relevanten Fragestellungen.
von digitalen Medien, und speziell von Multimedia, ableiten                  Die Verankerung von Wissen an realitätsnahen
lassen. Verknüpft ist dies mit konkreten Beispielen, die mögliche            Rahmenbedingungen soll die Entwicklung spezifischer,
Umsetzungen verdeutlichen und Wege von der Theorie zur                       aber auch übertragbarer, Problemlösefertigkeiten effektiver
Praxis aufzeigen sollen.                                                     gestalten (Goldmann et al., 1996; Mandl, Gruber & Renkl, 1994;
                                                                             Gerstenmaier & Mandl, 1995). Sogenannte „Anker“ stellen
                                                                             einen Bezug zu relevanten Anwendungssituationen her.

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Didaktische Aspekte zum Einsatz digitaler Medien

Multimedia erschließt ein breites Spektrum an Maßnahmen,                          Der Einsatz von Augmented Reality in Form von
mit denen sich Wissensinhalte in interessante Szenen                              ergänzenden Einblendungen in visuelle Darstellungen,
und Aufgabenstellungen einbinden lassen. Möglichkeiten                            z. B. bei Aufnahmen mit einer Infrarot-Kamera, zeigt
sind das Einkleiden in Spielsituationen (z. B. bei dem                            weitere vielversprechende Verfahren auf (siehe Abb. 6).
Programm „Physikus“, www.physikus.de), ein Aufzeigen                              Multimediaprogramme können zudem quantitative
authentischer Anwendungen (z. B. über Videoclips)                                 Berechnungen in einen Anwendungskontext stellen und
oder Simulationen und Modellierungen von Systemen.                                direkt Folgerungen aus berechneten Werten verdeutlichen.
Eine weitere Umsetzung sind visuelle Verknüpfungen von                            Das Beispiel aus Abb. 7 zeigt, wie Rechnungen zu Haft-
Naturerscheinungen mit abstrakten Erklärungen, beispielsweise                     und Gleitreibungskräften für eine modellhafte Diskussion
über eine Darstellung in Bildsequenzen (siehe Abb. 5).                            von Lawinenabgängen eingesetzt werden können.

     Abb. 5: Schrittweises Einblenden konzeptioneller Grundlagen, die ein Verständnis für Erscheinungen bei einer Inversionswetterlage unterstützen

10                                                                                                                       © Joachim Herz Stiftung Verlag
Didaktische Aspekte zum Einsatz digitaler Medien

   Abb. 6: Überlagerung eines Fotos mit einer thermographischen Aufnahme

   Abb. 7: Bild aus einer html5-Applikation zum Reibungsblockmodell für Schneelawinen
   (www.didaktik.physik.uni-muenchen.de/sims/lawine/)

© Joachim Herz Stiftung Verlag                                                                                                        11
Didaktische Aspekte zum Einsatz digitaler Medien

3.2     KOGNITIVE FLEXIBILITÄT FÖRDERN

Die Fähigkeit, in einer Anwendungssituation oder bei                           dem Wissen über wichtige Zusammenhänge, eine Vernetzung
der Problemlösung geeignete Repräsentationsformen                              zwischen den unterschiedlichen Darstellungen auf.
zu nutzen, die den jeweiligen Anforderungen am                                 Das im Folgenden beschriebene Beispiel bezieht sich auf
besten entsprechen, bezeichnet man als „Kognitive                              die elektromagnetische Dipolstrahlung. Die theoretischen,
Flexibilität“ (Spiro et al., 1988). Dies ist besonders in                      anspruchsvollen und komplexen Zusammenhänge
komplexen und unübersichtlichen Themengebieten                                 werden durch verschiedene Visualisierungen aufgezeigt.
(illstructured domains) eine Herausforderung.                                  Die Animationen veranschaulichen speziell die
                                                                               räumliche und zeitliche Feldverteilung sowohl des
In den Naturwissenschaften geht es oft darum, aus                              elektrischen als auch des magnetischen Wechselfeldes.
geeigneten Darstellungen die richtigen Informationen zu                        Dazu kommen Energieströme und quantitative
entnehmen (vgl. Abb. 8). Multimediaprogramme fördern                           Vergleiche der Feldstärken in Liniendiagrammen.
insbesondere den Kompetenzerwerb in den folgenden
zwei Bereichen: Sie verbessern die flexible Verfügbarkeit
verschiedenartiger Repräsentationen. Und sie bauen, mit

      Abb. 8: Ausschnitte aus Animationen des html5-Applets „Dipolstrahlung“
      (www.didaktik.physik.uni-muenchen.de/multimedia/programme_applets/e_lehre/dipolstrahlung/index.html)

12                                                                                                           © Joachim Herz Stiftung Verlag
Didaktische Aspekte zum Einsatz digitaler Medien

Auch für das Arbeiten mit Symbolsystemen kann Flexibilität                     Ziel ist es, dass Schülerinnen und Schüler weniger
gefordert sein. So ist Anfängern selten sofort klar, dass                      abhängig von den inhaltlich unwesentlichen
die Schaltungen in Abb. 9 physikalisch äquivalent sind.                        Oberflächenmerkmalen einer Darstellung werden.
Eine Computeranimation kann dies deutlich machen und                           Ähnliche Vorschläge stammen bereits von Härtel (1992).
schrittweise entsprechende Umformungen zeigen.

      Abb. 9: Verschiedene Schaltskizzen, die physikalisch gleichwertige Schaltungen zeigen
      (www.didaktik.physik.uni-muenchen.de/multimedia/programme_applets/e_lehre/schaltungen/index.html)

3.3     MENTALE MODELLE UNTERSTÜTZEN

In der Lehr-Lern-Forschung wird der Begriff „mentale Modelle“                  die Möglichkeit, auch abstrakte Modelle mit realistischen
mit einem sehr breiten Bedeutungsspektrum verwendet                            Situationen zu verknüpfen. In der virtuellen Welt lassen
(Ballstaedt, 1997; und für einen Überblick Held, Vosgerau,                     sich Abläufe in realitätsnahen Darstellungen oder in
Knauff, 2006). In diesem Artikel soll der Begriff entsprechend                 abstrakteren Modelldarstellungen durchspielen. Ein weiterer
den frühen Ansätzen (siehe insbesondere Johnson-Laird,                         Vorteil: Multimedia unterstützt einen Wechsel zwischen
1980; Forbus & Gentner, 1986; Seel, 1986; Steiner, 1988) bzw.                  realitätsnahen, fotografischen Darstellungen und abstrakten
gemäß den Definitionen von beispielsweise Weidenmann                           Modellvorstellungen. Auch dies soll die Entwicklung
(1991) und Ballstaedt et al. (1989) verstanden werden. Mentale                 anwendbaren und nicht „trägen“ Wissens unterstützen.
Modelle sind analoge, kognitive Repräsentationsformen
von komplexen Zusammenhängen, beispielsweise zum Bau                           Veranschaulichen lassen sich Umsetzungsmöglichkeiten an
und zur Funktionsweise eines Oszilloskops. Ein klassisches                     einem Beispiel zur Funktionsweise eines Transformators.
Beispiel von de Kleer und Brown (1983) ist die elektrische                     Die Bewegung der Ladungsträger und der Wechsel
Klingel. Mentale Modelle ermöglichen es, Phänomene                             des magnetischen Flusses werden in Animationen mit
und Prozesse vor „dem geistigen Auge“ zu analysieren,                          sprachlicher Begleitung aufgezeigt (siehe Abb. 10).
zu verstehen, Aktionen zu planen und vor allem auch
ein Systemverhalten in Gedanken durchzuspielen.                               Ein weiteres Beispiel sind Visualisierungen zu
                                                                              Modellvorstellungen wie bei einer „Phet-Simulation“
Die Konzepte zu mentalen Modellen können einen                                der University of Colorado Boulder zum
theoriegeleiteten Einsatz bildhaft-analoger Darstellungen                     Thema Reibung (siehe Abb. 11).
bei digitalen Medien unterstützen. So bietet Multimedia

      Abb. 10: Illustrationen aus einem Programmpaket zum Transformator
      (www.didaktik.physik.uni-muenchen.de/multimedia/programme_applets/e_lehre/visualisierung_transformator/index.html)

© Joachim Herz Stiftung Verlag                                                                                                               13
Didaktische Aspekte zum Einsatz digitaler Medien

      Abb. 11: Simulation zu einem einfachen Reibungsmodell
      (PhET Interactive Simulations, colorado.edu/sims/html/friction/latest/friction_en.html)

3.4     WISSENSSTRUKTURIERUNG UND VERNETZUNG

Detailwissen muss vernetzt sein, um Zusammenhänge zu                                  Programmmodule zuordnen. Die horizontalen Verknüpfungen
erschließen. Strukturiertes und organisiertes Wissen ist speziell                     und Tiefenstrukturen werden durch die Vernetzung von
auch für Problemlöseprozesse wichtig (Reif, 1981; 1983).                              Dokumenten (sog. „links“) realisiert. Insbesondere lassen
Eine hierarchische Gliederung verbessert die Abrufbarkeit.                            sich mittels Hypertext und Hypermedia semantische
Leitbegriffe können den Zugriff auf relevante Details erleichtern.                    Strukturen nachbilden. Die Knoten repräsentieren dabei
                                                                                      Begriffe und die Verknüpfungen symbolisieren logische
In modernen Theorien zu mentalen Repräsentationen werden                              Zusammenhänge. Abb. 12 zeigt einen Ausschnitt aus einem
oft Netzwerkdarstellungen verwendet. Solche Repräsentationen                          Begriffsnetz zur Wärmelehre und ein Strukturdiagramm
passen auch gut zu heutigen Programmiertechniken.                                     zum Erstellen von Internetseiten. Die Zusammenhänge
Den einzelnen Knoten (Wissenselementen) lassen sich                                   werden in analogen grafischen Darstellungen verdeutlicht.

      Abb. 12: Ausschnitt aus einem Strukturdiagramm zur Wärmelehre (zur Darstellung begrifflicher Zusammenhänge und zur Verknüpfung der entsprechenden
      Internetseiten aus einem Computerprogramm zum Webdesign)

14                                                                                                                    © Joachim Herz Stiftung Verlag
Didaktische Aspekte zum Einsatz digitaler Medien

Für die grafische Beschreibung von Wissensdomänen gibt es                     einzuordnen und mit bildhaften Vorstellungen zu verknüpfen.
heute verschiedene Mindmapping- oder Konzeptmapping-                          Eine illustrierte Mindmap zum Thema Wärmeübertragung
Programme. Über einfache Bedienungselemente ermöglichen                       zeigt die Abb. 13. Bilder und Begriffszweige führen
sie auch das Einbinden von Bildern und externen                               beim Anwählen auf weitere Verzweigungen bzw.
Verknüpfungen mit dem Internet. Charts und Maps können                        Internetseiten mit detaillierten Erläuterungen.
von Anfang an helfen, Detailwissen zu strukturieren, es

      Abb. 13: Mindmap mit Internetverknüpfungen zum Thema Wärmetransfer
      (www.didaktik.physik.uni-muenchen.de/multimedia/lernen_mit_multimedia/psycho_prak/struk_und_vernetz/index.html)

3.5     SUPPLANTATIONSPRINZIP UND KOHÄRENZBILDUNG

Multimediale Inhalte können nicht nur, wie oben erwähnt, für                  belegt (u. a. Miller, Cromley & Newcombe, 2016).
die Beschreibung physikalischer Phänomene genutzt werden.                     Um das Konzept der Supplantation exemplarisch zu
Auch das Vorgehen bei kognitiven Prozessen kann durch                         veranschaulichen, folgen hier zwei Animationen aus der
sie visualisiert werden. Multimedia-Anwendungen können                        Physik. Das erste Beispiel in Abb. 14 zeigt eine schiefe Ebene
gedankliche Schritte veranschaulichen und Vorgehensweisen                     (großes Dreieck) und einen darauf ruhenden Block. Außerdem
aufzeigen, wie Aufgaben gezielt gelöst werden. Durch visuelle                 sind die auf den Block wirkenden Kräfte eingezeichnet. Für
Verknüpfungen in Videoclips und Animationen lassen sich auch                  eine quantitative Berechnung der Kräfte ist die Kenntnis
Zusammenhänge deutlich machen. Das zugrundeliegende Prinzip                   der Winkel des grau gefärbten Dreiecks notwendig. Die
nennt Salomon (1979) Supplantation. Durch das Beobachten                      Animation veranschaulicht die Ähnlichkeitsabbildungen,
und Nachvollziehen von externen Repräsentationen können                       die notwendig sind, um die Ähnlichkeit und damit die
interne, kognitive Prozesse erlernt bzw. ausgebaut werden.                    Winkelgleichheit der beiden Dreiecke zu überprüfen.
                                                                              Durch diese Visualisierung wird das Verständnis
Die Notwendigkeit, das Arbeiten mit verschiedenen                             innerhalb der dargestellten Repräsentation gefördert.
Repräsentationen zu unterstützen, ist an vielen Stellen

      Abb. 14: Supplantation zu den Kräften an einer schiefen Ebene
      (www.didaktik.physik.uni-muenchen.de/sims/schiefe_ebene/)

© Joachim Herz Stiftung Verlag                                                                                                             15
Didaktische Aspekte zum Einsatz digitaler Medien

Abb. 15 zeigt als zweites Beispiel ein Bild aus einer                      und globalen Kohärenzbildungshilfen. Dabei verstehen sie
Webanimation. Rechts ist ein Federschwinger zu sehen,                      unter lokaler Kohärenz das Erkennen relevanter Merkmale
links der zugehörige Graph. Der blaue Pfeil zeigt von                      und das Identifizieren von Beziehungen innerhalb einer
der aktuellen Position der schwingenden Masse auf                          Repräsentation. Ist anschließend durch wechselseitiges
den korrespondierenden Punkt des Graphen.                                  Aufeinander-Abbilden von Strukturen in unterschiedlichen
                                                                           Repräsentationen ein repräsentationsübergreifendes
In dieser Animation wird somit der Übersetzungsprozess                     Verständnis entstanden, dann wird dies als globale
zwischen der Darstellung der Realbewegung und einer                        Kohärenz bezeichnet. Für ganzheitliches Verstehen
mathematisierten Repräsentation des Vorgangs in Form                       eines Themengebietes sind daher sowohl lokale als
eines Graphen extern durch das Medium visualisiert.                        auch globale Kohärenz erforderlich (Seufert, 2003).

Die beiden Beispiele zeigen, dass durch Supplantation
sowohl das Verständnis innerhalb einer Repräsentation
als auch ein repräsentationsübergreifendes Verständnis
gefördert werden kann. Brünken, Seufert und Zander
(2005) sprechen in diesem Zusammenhang von lokalen

     Abb. 15: Supplantation zum Federschwinger
     (www.didaktikonline.physik.uni-muenchen.de/programme/schwinger/DiagrammSchwinger.html)

16                                                                                                      © Joachim Herz Stiftung Verlag
Didaktische Aspekte zum Einsatz digitaler Medien

3.6     MULTIPLE REPRÄSENTATIONEN ERLEBEN LASSEN

Jede Repräsentation hat ihre spezifischen
Ausdrucksmöglichkeiten. In den Naturwissenschaften muss
man in der Lage sein, unterschiedliche Perspektiven zu
verfolgen, Beziehungen zwischen verschiedenen Darstellungen
zu erkennen und die Informationen zu vernetzen. Die Rolle
der jeweiligen Repräsentationsart beim Denken wird z. B.
bei Scheid, Müller, Hettmannsperger & Schnotz (2015) oder
bei Tytler, Prain, Hubber & Waldrip (2013) behandelt.
Die Möglichkeiten digitaler Medien erlauben auch neue
Perspektiven. So zeigt eine Animation von Fearofphysics,
wie man den Flug eines Basketballs in den Korb sehen
würde, wenn man mit dem Ball fliegt (Abb. 16).
                                                                                      Abb. 16: Parabelflug eines Basketballs
Abb. 17 zeigt das Bild eines Fadenpendels von
                                                                                      miterleben („Ritt“ auf einem Basketball)
unten. Die Aufnahmen sind mit einer rotierenden                                       (fearofphysics.com/Proj/betheball.html)
Kamera erstellt und zeigen die Bewegung aus einem
rotierenden Bezugssystem. Coriolisbeschleunigung und
-ablenkung werden „sichtbar“ (vgl. auch Abb. 18).

      Abb. 17: Betrachtung über eine rotierende Kamera (Coriolisbeschleunigung in einem rotierenden Bezugssystem)
      (www.didaktikonline.physik.uni-muenchen.de/physikonline/video1/m3_scheinkr/m3_pendel1.html)

© Joachim Herz Stiftung Verlag                                                                                                                 17
Didaktische Aspekte zum Einsatz digitaler Medien

     Abb. 18: Schematische Darstellung zu den Beobachtungen eines Pendels aus einem ruhenden und einem rotierenden Bezugssystem

Die nächste Anwendung zeigt eine Folge von verknüpften                        Zu berücksichtigen ist, dass positive Effekte beim
Arbeitsblättern für das Tabellenkalkulationsprogramm                          Einsatz von digitalen Medien aber kein Automatismus
Excel (siehe Abb. 19). Zum Einsatz kommen                                     sind. Empirische Untersuchungen konnten aufzeigen,
fotografische Abbildungen, Tabellen für Messdaten,                            dass einige Faktoren zu bedenken sind, damit sich
Diagramme sowie die zugehörigen Formeln, die aus                              keine neuen Lernhindernisse aufbauen (siehe z. B.
den physikalischen Gesetzmäßigkeiten abgeleitet sind.                         Ryoo & Linn, 2014). Nachfolgend wird exemplarisch auf
Modellierungsaufgaben machen die theoretischen                                einige der vorliegenden Erkenntnisse eingegangen.
Annahmen und rechnerischen Ansätze direkt überprüfbar.

     Abb. 19: Blätter aus einem Tabellenkalkulationsprogramm mit
     verschiedenen Darstellungen einer Fallbewegung mit Luftreibung
     (www.didaktik.physik.uni-muenchen.de/multimedia/lernen_mit_multimedia/
     multimod_multicod_interak/multicodierung/index.html)

18                                                                                                                © Joachim Herz Stiftung Verlag
Didaktische Aspekte zum Einsatz digitaler Medien

3.7     COGNITIVE LOAD

Ein zu hoher cognitive load (d. h. eine zu große Belastung des
kognitiven Systems) wird oft als Ursache gesehen, warum                             Extranous Cogntive Load          Intrinsic Cogntive Load
Lernen mit Multimedia nicht die gewünschten Effekte bringt                                     Kapazität des Arbeitsgedächnisses

(z. B. Ainsworth, Bibby & Wood, 1997). Gerade bei
Multimedia-Anwendungen kann die Informationsdichte                             Abb. 20: Überlastung des Arbeitsgedächtnisses
schnell überfordern und vom Wesentlichen ablenken.

Die Theorie unterscheidet zwischen „extraneous“, „intrinsic“
sowie „germane cognitive load“. Der „extraneous cognitive                   Der „extraneous cognitve load“ lässt sich mit einigen
load“, d. h. die Belastung durch Rahmenbedingungen, kann                    Maßnahmen niedrig halten. Dazu gehören zum Beispiel:
beispielsweise durch eine ungeeignete Lernumgebung hoch
ausfallen. Der „intrinsic cognitive“ load wird durch die                    • Die Verwendung intuitiver Bedienungselemente: Hilfreich
eigentliche Sachinformation verursacht. „Extraneous“                          ist eine Anknüpfung an gewohnte Verfahren, z. B. das Starten
und „intrinsic cogntive load“ gehen beide zu Lasten der                       einer Zeitmessung über die Steuerknöpfe einer Stoppuhr.
Verarbeitungskapazität der Schülerinnen und Schüler und
sind vom Lernmaterial und der Lernumgebung abhängig.                        • Das Kontiguitätsprinzip für Bild- und Textinformation:
                                                                              Texterklärungen werden in eine räumliche Nähe
Im Gegensatz dazu ist der „germane cognitive load“                            zu den entsprechenden Bildinformationen gestellt
abhängig von Eigenschaften des Lernenden. Er umfasst                          (siehe auch Mayer & Moreno, 2003).
kognitive Ressourcen, die der Lernende zur Verarbeitung
des „intrinsic cognitive load“ aufwenden kann.                              • Das „single concept principle“: Zunächst wird ein
                                                                              Sachverhalt isoliert und akzentuiert dargestellt. Zu
Erfolgreiches Lernen ist also nur dann möglich, wenn                          dynamischen Prozessen werden ggf. zunächst statische
der „extraneous cognitive load“ noch Kapazitäten für die                      Bilder gezeigt und erst im Anschluss Filme oder Animationen
Verarbeitung der Sachinformationen frei lässt (zur „cognitive                 vorgeführt. Erst wenn grundlegende Sachverhalte
load theory“ siehe insbesondere Chandler & Sweller, 1991;                     geklärt sind, werden Kontexte betrachtet. Das in Abb. 21
Sweller, 1994; Sweller 2010 und die Illustration in Abb. 20).                 vorgestellte Beispiel bietet verschiedene Animationen
                                                                              zur Wellenlehre an. Wellenphänomene werden in
                                                                              charakteristischen Abläufen akzentuiert dargestellt.

      Abb. 21: Wellenphänomene in einer Übersicht
      (www.didaktik.physik.uni-muenchen.de/multimedia/programme_applets/wellen/wellenphaenomene/)

© Joachim Herz Stiftung Verlag                                                                                                                 19
Didaktische Aspekte zum Einsatz digitaler Medien

• Sequenzieren: Ein komplexer Sachverhalt wird Schritt für                       Zu sehen sind Bildausschnitte eines Videos zur
  Schritt erarbeitet. Ausgehend von der Darstellung einer                        Wirbelstrombremse, wobei in geeigneter Abfolge wichtige
  Ausgangssituation werden immer mehr Komponenten                                Elemente besonders gekennzeichnet werden.
  erläutert und mit einbezogen (siehe z. B. Abb. 22).

• Fokussieren: Zentrale Elemente, die besonders in den
  Blickpunkt rücken sollen, lassen sich visuell hervorheben.
  So zeigt die Abb. 23, wie die Akzentuierung zentraler
  Elemente den „extraneous cognitive load“ reduzieren kann.

     Abb. 22: Zum Strahlungshaushalt der Erde:
     Die Beiträge zur Ein- und Abstrahlung werden schrittweise von links nach rechts eingeblendet und verrechnet
     (www.didaktik.physik.uni-muenchen.de/multimedia/lernen_mit_multimedia/psycho_theo/cognitive_load/index.html)

     Abb. 23: Ausschnitte aus einem Videoclip, in dem ein Experiment zur Wirbelstrombremse erläutert wird

20                                                                                                                  © Joachim Herz Stiftung Verlag
Didaktische Aspekte zum Einsatz digitaler Medien

3.8     VERARBEITUNGSTIEFE SICHERN

Trotz der enormen Kapazität des visuellen Gedächtnisses,                        Die Abb. 24 zeigt mehrere Darstellungsarten, mit denen
die beispielsweise für das Erkennen von Personen                                physikalische Aspekte zur Wärmeleitung diskutiert und
wichtig ist, gibt es auch eindrucksvolle Beispiele für                          vertieft werden können. Fotografien, Tabellenwerte, Balken-
eine mangelhafte Verarbeitung visueller Informationen.                          diagramme, Infografiken sowie Anwendungen aus Natur
Warum können erstaunlich wenige Personen angeben,                               und Alltag können Ausgangspunkte bieten. Multimedia
was auf einem 10-Euro-Schein abgebildet ist, wenn sie                           verbessert die Verfügbarkeit und den Einsatzrahmen;
ihn nicht direkt vor Augen haben? Auch bei Multimedia-                          allerdings unter der Voraussetzung, dass mit den
Anwendungen besteht die Gefahr, dass durch Flüchtigkeit                         angebotenen Informationen intensiv gearbeitet wird.
und eine Vielzahl von Darstellungen wichtige Informationen                      Die vorgestellten Anwendungen sollen Lehrende für das
gar nicht die Bewusstseinsebene erreichen, die für                              Potenzial von Multimedia-Anwendungen sensibilisieren
ein naturwissenschaftliches Lernen notwendig ist.                               und Muster aufzeigen, wie Lernprozesse gezielt unterstützt
Andererseits bietet Multimedia über das Zusammenstellen                         werden können. Die Bedingungen und Einflussfaktoren
unterschiedlicher Repräsentationsformen gute Möglichkeiten,                     sind jedoch in der Praxis oft so vielschichtig, dass man
Sachverhalte aus verschiedenen Perspektiven zu                                  gegebenenfalls auch Schwierigkeiten berücksichtigen und
betrachten und darüber zu diskutieren. Damit lässt sich                         entsprechende Maßnahmen in Betracht ziehen muss. Nur
auch eine tiefer gehende Verarbeitung unterstützen.                             dann gelingt ein zielgerechter Einsatz von digitalen Medien.

      Abb. 24: Die Abbildungen verweisen auf Vertiefungsmöglichkeiten zur Wärmeleitung.

© Joachim Herz Stiftung Verlag                                                                                                                 21
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Quiz-Werkzeuge: Lernende aktivieren und Feedback erhalten

     QUIZ-WERKZEUGE:
     LERNENDE AKTIVIEREN UND FEEDBACK ERHALTEN

     STEFAN RICHTBERG
     Ludwig-Maximilians-Universität München, Didaktik der Physik

                                    Schwierigkeitsgrad:           leicht

                                Vorbereitungsaufwand:             gering

                                                  Fächer:         alle

                    Durchführungsdauer/Zeitaufwand:               unterrichtsbegleitend

      i                     Für wen?                              Ziele:

                            Klassenstufen 5-13                    • Schülerinnen und Schüler bearbeiten individuell und
                                                                    aktiv Frageserien zu einem Thema.
                            Themengebiet:
                            Klassenstufen 5-13                    • Schülerinnen und Schüler erhalten direkt ein Feedback
                                                                    über ihren Lern- und Wissensstand.
                            themenunabhängig                      • Lehrkräfte erhalten valide Rückmeldung über den
                                                                    Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler.

     Moderne Quiz-Systeme ermöglichen das einfache und            Auch das Sammeln von Gedanken, Hypothesen oder
     schnelle Erstellen von Fragen und Frageserien, die die       Erklärungsansätzen kann mithilfe solcher Tools erfolgen.
     Schülerinnen und Schüler individuell beantworten             Alle Ergebnisse können anonym und in Echtzeit per
     können. Quizze bieten die Möglichkeit, Schülerinnen          Beamer visualisiert werden. Die Erstellung von Fragen und
     und Schülern auf spielerische Weise Fragen zu stellen.       Frageserien ist unkompliziert über eine Web-Oberfläche
     Quiz-Formate sind aus diesem Grunde eine gute                möglich. Die Bearbeitung kann im Anschluss von jedem
     Möglichkeit der Schüleraktivierung. Zusätzlich erhalten      beliebigen Endgerät mit Internetzugriff erfolgen, ohne
     die Lernenden automatisiert Rückmeldung über ihren           dass zuvor gesonderte Software installiert werden muss.
     Lernfortschritt und die Lehrkräfte können Probleme
     ihrer Schülerinnen und Schüler schnell identifizieren
     sowie evidenzbasiert Rückschlüsse auf die Wirkung
     ihres Unterrichts ziehen.

                Weitere Informationen und Materialien finden Sie unter:     www.mint-digital.de/unterrichtsidee

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