Talententwicklung neu denken - Ein Handlungsleitfaden für Chefetagen - Initiative Chefsache

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Talententwicklung neu denken - Ein Handlungsleitfaden für Chefetagen - Initiative Chefsache
nte n t w i c k l u n g
Tale
n eu d e n k e n
              l u n g s l e i t f a d en
Ei n H a n  d
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f ü r Ch e f e t a g e
Inhalt
Kurz und knapp                                                                      5

Vorwort                                                                             7

Einleitung: Warum Talententwicklung so wichtig ist                                  8

Organisation, Führungskraft, Talent

Organisation: Wie Organisationen zu chancengerechter Talententwicklung beitragen    13

   –– Recruiting und Onboarding                                                     13

   –– Feedbackkultur                                                                17

   –– Leistungsbeurteilungen: Daten und Standards für mehr Objektivität             19

   –– Interne Karriereberatung und Coaching                                         25

   –– Talentprogramme                                                               28

   –– Sonderprojekte und Jobrotationen                                              32

   –– Besetzung von Schlüsselfunktionen                                             34

Führungskraft: Wie Führungskräfte zu chancengerechter Talententwicklung beitragen   41

   –– Informelles Talentmanagement auf Eigeninitiative von Führungskräften ­­
      ist ­besonders wirksam                                                        41

   –– Vier Faktoren bewegen Führungskräfte zu chancengerechter Talententwicklung    45

Talent: Wie Talente ihre Karriere vorantreiben – Chefsache-Talente berichten		      61

Maßnahmen für eine chancengerechte Talententwicklung                                70

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u n d k n a p p
     Kur z
     •• Mit diesem Report plädiert die Initiative Chefsache für eine faire und leistungsgerechte Talent­
        entwicklung. Der Report zeigt, wo sich unbewusste Fallstricke bei der Förderung von Männern
        und Frauen befinden. Und er bietet leicht umzusetzende Beispiele aus den Chefsache-Mitglieds­
        organisationen, wie sich solche Fallstricke vermeiden lassen.

     •• Wie notwendig es ist, auf Chancengerechtigkeit besonders zu achten, zeigt der nach wie vor
        geringe Anteil von Frauen in Top-Positionen: Noch immer sind nur 8% der Vorstandsmitglieder
        in Deutschland weiblich und auch auf den Ebenen darunter geben Männer unverhältnismäßig
        häufig den Ton an.

     •• Eine Umfrage der Initiative Chefsache unter mehr als 400 Führungskräften in Deutschland
        zeigt, wie weit Wahrnehmung und Wirklichkeit noch auseinanderliegen: Rund zwei Drittel der
        Befragten waren der Überzeugung, die Talententwicklung in Deutschland biete Frauen und
        Männern gleiche Chancen. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass es in der Praxis
        anders aussieht: Beispielsweise gab nicht einmal die Hälfte der Befragten an, dass in ihrem
        Unternehmen Talententwicklung systematisch betrieben werde. Auch mit der Existenz unbe­
        wusster Vorurteile (Unconscious Biases) hat sich über die Hälfte noch nicht oder nicht umfassend
        auseinandergesetzt.

     Dieser Report zeigt, wie Organisationen, Führungskräfte und die Talente selbst dazu beitragen kön­
     nen, dass Talente erkannt und gefördert werden und die besten Chancen bekommen. Organisationen
     können mit klaren Standards eine objektive und faire Talententwicklung sicherstellen und damit die
     Grundlage für Chancengerechtigkeit legen. Entscheidend für den Erfolg dieser Idee ist das Engage­
     ment der oberen und obersten Führungskräfte: Nur wenn sie Talente coachen und unterstützen, als
     Vorbilder fungieren und andere Führungskräfte mit Trainings und Anreizen mit auf den Weg nehmen,
     bietet die Organisation allen Talenten faire Chancen.

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Vor wor t
                                                   Liebe Leserinnen und Leser,

                                                   Chancengerechtigkeit für Frauen und Männer auf dem Weg in Top-Positionen ist Chefsache! Daher
                                                   heißt unsere Initiative Chefsache – und darum setzen sich die Führungskräfte unserer Mitglieder für
                                                   ein ausgewogenes Verhältnis der Geschlechter in Führungspositionen ein.

                                                   Chefsache ist ein Netzwerk von aktuell 25 Mitgliedern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Medien, öffentli­
                                                   chem und sozialem Sektor. Unser Ziel: mit neuen Konzepten und Ansätzen den Kulturwandel in den
                                                   Führungsebenen und der Gesellschaft voranzutreiben. 2017 haben wir einen Handlungsleitfaden zum
                                                   Thema „Flexibles Arbeiten in Führungspositionen“ veröffentlicht. Der Jahresreport 2018 widmet sich
                                                   der chancengerechten Talententwicklung.

                                                   In diesem Report richten wir den Blick auf die Fallstricke in der Talententwicklung und wie diese zu
                                                   meistern sind – oft einfacher als vermutet. Darüber hinaus geht es um inspirierende Fallbeispiele unse­
                                                   rer Mitglieder, wie sie in ihren Organisationen den Wandel zu mehr Chancengerechtigkeit schaffen.

                                                   Wir hoffen, Ihnen nützliche Anregungen zu liefern, wie Sie in Ihrer Organisation einen echten
                                                   Unterschied für mehr Chancengerechtigkeit in der Talententwicklung bewirken können.

                                                   In diesem Sinne: viel Spaß beim Lesen!

                                                   Ihre Initiative Chefsache
                        © Bundesregierung/Kugler

     Schirmherrin der Initiative Chefsache ist
     Bundeskanzlerin Angela Merkel.

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Einleitunickg
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     Warum Talent

      Talente sind für Organisationen eine wichtige – ­                               Unternehmen (Devillard et al., 2016). Dies deutet    Wie chancengerecht geht es in deutschen                                           Beförderungen oder Teamzusammenstellungen
      viele sagen sogar: die wichtigste – Ressource.                                  auf einen „Diversitätsbonus“ hin, der auch mit       Organisationen zu?                                                                wichtig, dass die Personen ähnlich arbeiten und
      Untersuchungen wie z.B. die der Beratungsfirma                                  chancengerechter Talentent­wick­lung zu errei­                                                                                         denken wie sie selbst. 53% der Befragten kannten
      CEO.works zeigen: Weniger als 5% der Rollen in                                  chen ist. Jenseits aller ökonomischen Argumente      Um eine Faktenbasis zu schaffen, wie es um die                                    das Konzept von Unconscious Bias (unbewusste
      einem Unternehmen machen 95% des Erfolgs                                        ist es schlicht ein Gebot der Fairness, Frauen wie   Chancengerechtigkeit der Talententwicklung                                        Vorurteile) nicht oder hatten sich nicht eingehend
      aus. Doch welche Rollen sind das? Es sind nicht                                 Männern gerechte Chancen auf Führung und             in Deutschland tatsächlich bestellt ist, hat das                                  damit beschäftigt. Dies öffnet unbewussten
      unbedingt die Positionen, die im Organigramm                                    Karriere zu bieten.                                  Meinungsforschungsinstitut Innofact im Auftrag                                    Vorurteilen bei Personalentscheidungen die Tür.
      ganz oben stehen. Die wahren Schlüsselrollen zu                                                                                      der Initiative Chefsache im April 2018 mehr als                                   Auch ausgleichende Maßnahmen zur Förderung
      erkennen und sie mit den richtigen Talenten zu                                  Wie wichtig Talententwicklung ist, haben viele       400 hochrangige Führungskräfte online befragt.2                                   von Frauen sind wenig verbreitet.
      besetzen, ist eine Top-Priorität für CEOs.                                      Organisationen bereits erkannt: In einer aktu­       Dabei zeigt sich: Zwischen Wahrnehmung und
                                                                                      ellen Umfrage gaben 75% der Unternehmen              Wirklichkeit klafft immer noch eine große Lücke.                                  Wie aber kann eine Organisation verhindern,
      Die Chefsache-Mitglieder möchten geeignete                                      an, die Talententwicklung sei Teil der aktuellen     Zwar geben 68% der Entscheider an, dass sie die                                   dass ihre Personalentscheidungen durch
      Rahmenbedingungen für die bestmögliche                                          Agenda der Geschäftsleitung (Kienbaum, 2018).        Karrierechancen von Männern und Frauen in                                         unbewus­ste Vorurteile beeinflusst w  ­ erden?
      Ent­wicklung von Talenten schaffen – und zwar                                   Das ist eine gute Nachricht, denn m­ angelndes       ihrem Unternehmen für gerecht halten (darun­                                      Mit der vorliegenden Publikation m  ­ öchte die
      für Männer und Frauen. Mit chancengerechter                                     Interesse des Top-Managements ist die g  ­ rößte     ter 74% der Männer und 62% der Frauen). Aber                                      Initiative Chefsache Möglichkeiten z­ eigen,
      Talententwicklung fördert eine Organisation alle                                Barriere für den Erfolg von Entwicklungspro­         trotz dieser insgesamt positiven Einschätzung                                     wie sich Arbeit­geber dieser Herausforderung
      Talente. Dazu gehören nicht nur Mitarbeiterinnen                                gram­men für Führungskräfte (Desvaux et al.,         bröckelt die Fassade bei genauerem Hinsehen.                                      stellen können. Die Empfeh­lungen stützen
      und Mitarbeiter, die bereits erfolgreich Führungs­                              2010; Korn Ferry, 2016).                             So erklärten nur 44% der Befragten, es gebe in                                    sich auf v­ ielfältige Forschungsergebnisse
      verantwortung übernommen haben. Dazu gehö­                                                                                           ihrem Unternehmen ein systematisches Talent­                                      und vor allem auf praktische Erfah­rungen aus
      ren auch junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter                                 Allerdings: Seit zwölf Jahren ist der Anteil von     management, in kleineren Unternehmen bis                                          dem Chefsache-Netzwerk. Zusätz­lich wurden
      mit Potenzial. Doch wie e­ rkennen Unternehmen                                  Frauen an der Spitze der Privatunternehmen           500 Beschäftigte sogar nur knapp 32% und                                          Personalmanager von Chefsache-Mitgliedern
      diese Talente? Werden sie systematisch g ­ efördert                             in Deutschland mit 26% unverändert niedrig           auch in mittelgroßen Unternehmen zwischen                                         interviewt – sowohl aus DAX-Konzernen als
      und in die passenden Positionen befördert?                                      (Kohaut & Möller, 2017). Der Frauenanteil in         500 und 1.000 Beschäf­tigte nur 34%. Nur 29%                                      auch von Mittelständlern, der öffentlichen
      Warum schaffen es bisher so wenige Frauen in                                    den Vorständen und Aufsichtsräten der 200            der Befragten berichten von standardisierten                                      Verwaltung, gemeinnützigen Organisationen
      Schlüsselpositionen von Organisationen?                                         größten Unternehmen in Deutschland beträgt           Kriterien zur Identifikation von Talenten. Auch                                   und der Wissenschaft.
                                                                                      sogar nur 8% (Holst & Wrohlich, 2018).1 Der ver­     digital-unterstütztes Feedback, z.B. Feedback
      Wenn Talententwicklung wirklich chancenge­                                      fügbare Talentpool wird also bei Weitem nicht­       Apps, nutzen nur 15% der Befragten.
      recht und nach rein objektiven Kriterien erfolgt,                               ausgeschöpft.
      steigt sofort die Diversität im Management. Und                                                                                      Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht,
      das zahlt sich aus: Die Women-Matter-Studie                                                                                          dass nur 27% der Befragten Gender Diversity
      zeigt, dass divers aufgestellte Unternehmen                                                                                          für eines der zehn wichtigsten Themen ihrer
      wirt­schaftlich erfolgreicher sind. Für CEOs von                                                                                     Geschäftsführung halten. Von den Vorteilen
      besonders erfolgreichen Unternehmen ist Diver­                                                                                       von Vielfalt ist nur die Minderheit der Befragten
      sität 1,6-mal häufiger eine Top-Fünf-Priorität                                                                                       überzeugt: 67% gaben an, es sei ihnen bei
      ihrer Agenda als für CEOs weniger erfolgreicher
                                                                                                                                           2 Die Befragten arbeiten in Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitern; 97% der Befragten sind leitende Angestellte oder Beamte im höheren oder gehobenen
      1 Ohne Finanzsektor; nur Unternehmen, die Angaben zur Zusammensetzung der jeweiligen Spitzengremien machen; jeweils am Jahresende      Dienst, 3% sind Geschäftsführer.
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Unconscious Bias

       Persönlicher Hintergrund, Erfahrungen, gesellschaftliche Stereotypen und der kulturelle
       Kontext beeinflussen die Entscheidungen von Menschen, ohne dass sich diese d ­ essen
       bewusst sind. Unconscious Biases sind unbewusste Vorurteile, die Menschen über be­
       stimmte Gruppen von Menschen haben (Bohnet, 2017). Sie vereinfachen den Alltag und
       verringern die Komplexität, denn sie erlauben, das Gegenüber oder eine Situation schnell
       einzuordnen. Sie beeinflussen jedoch auch das Urteilsvermögen und können zu Fehl­
       einschätzungen führen. Im Kontext beruflicher Entwicklungen hindern sie Männer wie
       Frauen daran, in Bewertungsverfahren objektive Entscheidungen zu treffen.

        Es gibt ein breites Spektrum von Biases, die sich nachteilig auf die Bewertung des
        Führungs­potenzials von Frauen auswirken. Die folgenden drei Biases sind besonders
       ­gravierend:

       I. Der „Attribution Bias“ wurde erstmalig in den 1950er und 1960er Jahren von Psycho­
       logen wie Fritz Heider diskutiert (Heider, 1958) und beschreibt systematische Fehler, die
       Men­schen bei der Erklärung ihres eigenen Verhaltens sowie des Verhaltens von anderen
       machen. So werden z.B. Erfolge von Männern und Frauen häufig auf unterschiedliche
       Ursachen zurückgeführt: Der Erfolg von Männern wird eher der Person zugeschrieben,
       während er bei Frauen durch äußere Umstände begründet wird, z.B. durch ein gutes Team
       (Silverman, 2015). Attribution Biases können sich daher zu Ungunsten von Frauen bei der
       Bewertung ihrer Leistungen auswirken.

       II. Als „Double-Bind Bias“ wird das Phänomen bezeichnet, dass Frauen sich oft entschei­
       den müssen, ob sie gemocht oder als kompetent angesehen werden möchten: Sind sie
       sehr feminin, werden sie zwar gemocht, gelten jedoch nicht als kompetent. Verhalten sie
       sich eher männlich, werden sie zwar als kompetent empfunden, erfahren jedoch soziale
       Zurückweisung (z.B. Heilman et al., 2004). Dass eine bestimmte Eigenschaft Frauen anders
       ausgelegt werden kann als Männern, konnten auch Maxfield, Grenny und McMillan (2015)
       belegen: Sie fanden heraus, dass ein durchsetzungsstarker, kontroverser Auftritt bei
       Frauen oft als weitaus negativer empfunden wird als bei Männern. Die Autoren bezifferten
       den empfundenen Kompetenzverlust von Frauen bei energischem Verhalten auf 35%,
       während er für Männer deutlich niedriger war.

       III. Als „Mini-me Bias“ wird das Phänomen beschrieben, dass Führungskräfte bevorzugt
       Talente fördern, die ihnen ähneln – angefangen mit dem Geschlecht über Herkunft, Alter,
       Ausbildung, Freizeitinteressen, Wertvorstellungen oder andere Persönlichkeitsmerkmale.
       Diesen Effekt beschrieb die US-amerikanische Soziologin und Professorin Rosabeth Moss
       Kanter von der Harvard Business School bereits 19773, nachdem sie die Karriereverläufe
       von Männern und Frauen untersucht hatte (Kanter, 1977). Besonders in höheren Hierar­
       chie­ebenen scheint dieser Effekt verstärkt aufzutreten. Da noch immer die Mehrzahl der
       Führungskräfte Männer sind, haben weibliche Talente eher das Nachsehen.

       3 Damals noch unter dem Begriff “homosoziale Reproduktion“

10 |                                                                                               | 11
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         Talente durchlaufen in Organisationen einen lan­      Recruiting und Onboarding
         gen Weg. Nach dem erfolgreichen Bewerbungs­
         prozess folgt das Onboarding, also der Einstieg       Gendergerechte Sprache bei Stellenausschrei­
         am neuen Arbeitsplatz. Im weiteren Verlauf ihrer      bun­gen und eine datenbasierte Kandidaten­
         Karriere erhalten sie in der Regel in formalen        auswahl fördern chancengerechte Einstel­lungs­
         Beurteilungen Rückmeldung über ihr Verhalten          entscheidungen. Darüber hinaus erleichert eine
         und ihre Leistung. Diesen Bewertungsprozess           Unterstützung in der Anfangszeit den Antritt
         übernehmen häufig die direkten Führungskräfte         einer neuen Position.
         oder dedizierte Gremien. In Organisationen mit
         entsprechender Feedbackkultur e­ rhalten Talente      Debiasing des Recruiting-Prozesses
         zusätzlich regelmäßig informelle Rückmeldun­gen
         über ihr Verhalten und ihre Leistung. Vieler­orts     Stellenausschreibung
         bestimmen diese die anschließenden Entwick­           Der erste Schritt eines Talents in eine ­Organisa­tion
         lungsoptionen und Fördermaßnahmen. Basierend          ist in der Regel die schriftliche Bewerbung. Hier
         auf den vorhandenen bzw. entwickelten Fähig­          beginnt bereits das Dilemma vieler Organisatio­
         keiten der Talente kann eine Organisation über        nen, die gerne verstärkt Frauen rekrutieren wür­
         Stellenbesetzungen entscheiden.                       den: Es bewerben sich oft mehr Männer, insbeson­
                                                               dere für höhere Positionen.
         In diesem Kapitel stellen die Chefsache-­Mitglieder
         eine Vielzahl von Maßnahmen vor, mit denen            Einiges deutet darauf hin , dass Frauen vor detail­
         die einzelnen Stufen des Talentzyklus von Biases      liert formulierten Anforderungen und Eigenschaf­
         befreit werden können. Sie setzen an den ­häufig      ten, die mit Männern assoziiert werden, in einer
         existierenden strukturellen Biases bei der Talent­    Stellen­ausschreibung zurückschrecken, so z.B. eine
         auswahl und -förderung an, die sich oft nachteilig    Studie der TU München (Hentschel et al., 2014).
         auf Frauen a­ uswirken. Weil Frauen auf Grund
         dieser Nachteile in Füh­rungspositionen unterre­      Frauen achten eher darauf, sämtliche Kriterien zu
         präsentiert sind, sehen viele Chefsache-Mitglieder    erfüllen, während Männer sich auch bewerben,
         eine kurzfristige Überinvestition in die Förde­rung   wenn dies nur bei einem Teil der Anforderungen
         von Frauen als gerechtfertigt an.                     der Fall ist. Dies erklärten Frauen b
                                                                                                   ­ eispielsweise
12 |                                                                                                                    | 13
in einem „Ask the Women“-Workshop bei                   gerechten Stellenausschreibungen finden Sie           früherer Bewerberinnen und Bewerber sowie die         Biases, wie etwa den oben beschriebenen Mini-
       innogy, der die Gründe für die Zurückhaltung            auf der Website der Initiative Chefsache.             Informationen, wer von ihnen ein Angebot              me Bias, neutralisieren kann. Darüber hinaus
       von Frauen bei der Bewerbung auf Führungs­                                                                    erhal­­ten und es auch angenommen hat. Unter          kann dies natürlich auch das Wohlbefinden
       positionen beleuchtete. Dieser Effekt verstärkt         Auswahlverfahren                                      Berück­sichtigung der Einstellungsziele des Unter­    der Bewerbenden positiv beeinflussen, die
       sich insbesondere nach Rückschlägen: Eine                                                                     nehmens identifizierte das Programm die Top           sich z.B. einem Gesprächs­partner des gleichen
       Studie des Harvard Business Review ergab, dass          Die Sichtung und Bewertung der schriftlichen          5% aller Profile mit der höchsten Einstel­lungs­      Geschlechts näher verbunden fühlen.
       Frauen sich nach einer Absage mit 1,5-mal gerin­        Unter­lagen ist ein weiterer wichtiger Schritt beim   wahrscheinlichkeit und lud sie automatisch zum
       gerer Wahrscheinlichkeit als Männer erneut              Aufbau einer divers z­ usammengesetzten Beleg­        Auswahlprozess ein. Gleichzeitig wurden diejeni­
       um eine Führungsposition bewerben (Brands &             schaft. Hier sind klare Kriterien und idealer­weise   gen mit der geringsten Erfolgs­wahrscheinlichkeit
       Fernandez-Mateo, 2017).                                 datenbasierte Auswahlinstrumente gefragt, um –        automatisch abgelehnt. 55% aller ­eingehenden         „Digitale Veränderungen b­ ieten
       Dieser Zurückhaltung kann eine Organisation
                                                               selbst bei besten Absichten der Personal­verant­
                                                               wortlichen – vorhandene Biases zu reduzieren, z.B.
                                                                                                                     Bewerbungen wurden mit Hilfe des A   ­ lgorith­mus
                                                                                                                     automatisch beantwortet, so dass sich die Recrui­
                                                                                                                                                                           die Möglichkeit, eine Kultur der
       entgegenwirken, indem sie ihre Stellenaus­              gegenüber Frauen (Bohnet, 2017).                      ting-Fachleute auf die verbleibenden 45% der          Chancengerechtigkeit in den
       schrei­bungen anders formuliert. In einem Pilot­
       versuch ließ Scania, eine Marke der Volkswagen           Das Beispiel eines internationalen Dienstleis­
                                                                                                                     Lebensläufe konzentrieren konnten. Mit der Auto­
                                                                                                                     matisierung stieg auch die Zahl der automatisch
                                                                                                                                                                           Unternehmen zu etablieren. I­ ch
       AG, eine technische Stellenausschreibung von             tungs­­anbieters zeigt, wie mit Hilfe eines auto­­   eingeladenen Frauen um 15% gegenüber der              treibe deshalb den Einsatz von
       Mitar­bei­terinnen umformulieren; neben den
       Anforde­rungen wurden zudem die Vorteile des
                                                                ma­ti­sierten Pro­zesses die Kosten für CV-Scree­
                                                                nings gesenkt sowie die Effektivität und die
                                                                                                                     Anzahl Frauen, die früher manuell ausgewählt
                                                                                                                     wurden (de Romrée et al., 2016). Natürlich ist auch
                                                                                                                                                                           AI in HR-Prozessen voran: B ­ ei
       Jobs betont. Bei den Rückläufen auf die über­            Wahrscheinlichkeit, qualifizierte Frauen ein­        in solch einem automatisierten Prozess darauf         IBM findet im Bewerbungs­
       arbeitete Stellenanzeige stieg die Quote der
       Bewerbungen von Frauen auf knapp 40% – fast
                                                                zustellen, erhöht werden können. In der kon­
                                                                kreten Situation erreichten das Unternehmen
                                                                                                                     zu achten, dass dieser ohne systematische Biases
                                                                                                                     programmiert wird.
                                                                                                                                                                           prozess beispielsweise die
       doppelt so viel wie Scania im Durchschnitt bei           ca. 250.000 Bewerbungen jährlich. Gleichzeitig                                                             ­Kandidatenauswahl automa-
       vergleichbaren Bewerbungen verzeichnet. Die
       absolute Zahl von männlichen Bewerbern blieb
                                                                hatte es sich zum Ziel gesetzt, mehr Frauen
                                                               ­einzustellen.
                                                                                                                     Von den Chefsache-Mitgliedern nutzt z.B. IBM
                                                                                                                     künstliche Intelligenz (AI) für gerechtere Chancen.
                                                                                                                                                                            tisch und ohne Beeinflussung von
       dabei konstant. Das Beispiel belegt: Bereits die                                                                                                                     Managern statt und Karriere-
       Gestaltung von Stellenausschreibungen kann
       dazu beitragen, Geschlechterdiversität zu för­
                                                               Das Unternehmen entwickelte einen Algorith­mus,
                                                               der auf historischen Daten der Personal­auswahl
                                                                                                                     Bewerbungsgespräch
                                                                                                                     Auch im nächsten Schritt, klassischerweise dem
                                                                                                                                                                            gespräche und -­entwicklungen
       dern. Einen Leitfaden zur Erstellung von gender­        basierte. Darin enthalten waren die Lebensläufe       Bewerbungsgespräch, gilt es, Biases so weit wie        werden geschlechtsunabhängig
                                                                                                                     möglich zu reduzieren. Bei der Allianz wurden
                                                                                                                     dazu verschiedene Personalprozesse wie die Per­
                                                                                                                                                                            professionalisiert.“
       GRAFIK 01                                                                                                     so­nalauswahl auf Schwachpunkte in Bezug auf
                                                                                                                     Biases untersucht. Anhand der Ergebnisse hat                                    NORBERT JANZEN
       Der Talentzyklus
                                                                                                                     das Unternehmen neue Standards definiert, um                                    Arbeitsdirektor IBM und
                                                                                                                     die Gefahr der „Stereotypen­falle“ zu minimie­ren.                              CHRO IBM D/A/CH
                                 Recruiting und Onboarding
                                                                                                                     Einstellende Führungskräfte nutzen nun einen
                                                                         Feedback-
                                                                           kultur                                    Leitfaden zum Führen von Bewerbungsgesprä­
                                                                                                                     chen. Sie sollen sich bei der Entschei­dung nicht
                                                                                                                     von persönlichen Sympa­thien leiten lassen.
                                          Besetzung
                                        von Schlüssel-                                 Leistungs-
                                         positionen                                  beurteilungen                   Einige Chefsache-Mitglieder bemühen sich
                                                                                                                     außer­­dem, Gespräche eines mehrstufigen
                                                                                                                     Bewer­bungsprozesses sowohl von männ­lichen
                                               Sonder-                          Interne                              als auch weiblichen Interviewern führen zu las­
                                            projekte und                       Karriere-
                                            Jobrotationen                     beratung &                             sen. Zum einen eröffnet dies die Möglichkeit, die
                                                                               Coaching                              Bewer­berinnen und Bewerber in der Interaktion
                                                               Talent-
                                                             programme                                               mit Männern und mit Frauen zu beobachten.
                                                                                                                     Zum anderen setzt sich so automatisch das
                                                                                                                     Bewer­tungs­gremium divers zusammen, was
14 |                                                                                                                                                                                                                           | 15
„Unser Unconscious-Bias-Leitfa-                          Kollegin zur Seite. Das Programm wird zurzeit in    Feedbackkultur                                        r­ egelmäßig informelles Feed­back einzufordern,

                         den unterstützt Kolleginnen und                          Deutschland pilotiert.
                                                                                                                                      Regelmäßiges Feedback hilft Talenten, Stär­
                                                                                                                                                                                             um offizielle Bewertungen besser einordnen
                                                                                                                                                                                             zu können. Bei mangelndem Feedback kön­
                         Kollegen dabei, in Bewerbungs-                           Ein ähnliches Konzept verfolgt auch McKinsey.       ken auszubauen und Entwicklungsbedarf zu               nen außerdem Stärken sowie Blind Spots nicht

                         gesprächen den Anforderungs-                             Um die Weichen für eine erfolgreiche Karriere
                                                                                  frühzeitig zu stellen, steht jeder neuen Kollegin
                                                                                                                                      erkennen                                               erkannt und keine zielgerichteten Trainings und
                                                                                                                                                                                             Weiterentwicklungsmöglichkeiten wahrgenom­
                         katalog der Stelle im Auge zu                            von Anfang an eine „Big Sister“, also eine          Eine „offizielle“ Rückmeldung über die persön­         men werden.

                         behalten. Dadurch gelingt es viel                        erfahrene Kollegin, auf Augenhöhe zur Seite.
                                                                                  Gleiches gilt übrigens auch für die männlichen
                                                                                                                                      liche Leistung in formalen Feedbackzyklen ist
                                                                                                                                      wichtig, um Transparenz über die Leistungs­beur­      Eine Organisation kann viel dazu beitragen, eine
                         einfacher, f­ aktenbasierte Beset-                       Neueinsteiger.                                      teilung zu schaffen und Perspektiven zu geben.        positive Feedbackkultur als Teil der übergreifen­

                         zungsentscheidungen zu treffen.“                                                                             Frauen erhalten jedoch laut Yee et al. (2016) 20%
                                                                                                                                      weniger häufig Feedback als Männer. Allerdings
                                                                                                                                                                                            den Unternehmenskultur zu etablieren: Vorbilder
                                                                                                                                                                                            und oberste Führungskräfte sollten den Nutzen
                                                                                  „Aus Little-Sister-Perspektive                      können formale Evaluie­rungsgespräche nur sehr        von Feedback deutlich machen, selbst Feedback
                                                 DR. SANDRA PLATO
                                                 Leiterin People Attraction ­
                                                                                  ist es vor allem am Anfang das                      langsam Verhal­tens­änderungen anstoßen, da
                                                                                                                                      z.B. die Beobach­tungszeiträume sehr lang sind
                                                                                                                                                                                            geben und es für sich selbst einfordern. Außer­
                                                                                                                                                                                            dem sollten Vergütung und entwicklungsbe­
                                                 und Talent Management bei        Gefühl, nicht allein zu sein und                    sowie von zeitnahen Ereignissen dominiert und         zogenes Feedback getrennt, das Geben von
                                                 der Allianz
                                                                                  jemanden zu haben, dem man                          oft als „Pflichtübung“ wahrgenommen werden.
                                                                                                                                      Daher lösen sie kaum Veränderungen bei den
                                                                                                                                                                                            Feedback durch Trainings und Tools vereinfacht
                                                                                                                                                                                            sowie die Qualität des Feedbacks erhöht werden.
                                                                                  ohne Hemmungen wirklich alle                        Bewerteten aus.
                         Unterstützung beim Antritt einer neuen
                         (Führungs-)Position: Onboarding
                                                                                  noch so kleinen und banalen Fra-                    Diese Funktion kann informelles, entwicklungs­
                                                                                                                                                                                            CEO als Vorbild

                                                                                  gen stellen kann. Und daraus                        bezogenes Feedback übernehmen, denn ­zeit­nah         Obersten Führungskräften kommt bei der
                         Um Frauen den Einstieg in eine neue Position
                         zu erleichtern, bilden einige Chefsache-Organi­
                                                                                  ergibt sich dann oft auch eine                      geteilte Beobachtungen bewirken rasche Ände­
                                                                                                                                      rungen der Handlungsweise. Dies hilft, Erwartun­
                                                                                                                                                                                            Eta­blie­rung einer Feed­back­kultur durch ihre
                                                                                                                                                                                            Strahl­kraft in die Organi­sation eine besondere
                         sationen im Zuge des Onboardings Tandems                 langfristige Mentorenbeziehung                      gen und Prioritäten zu steuern sowie Stärken und      Rolle zu. Sie können die Feed­back­kultur in ihrer
                         aus zwei Frauen: Eine erfahrene Kraft unter­
                         stützt die Einsteigerin, indem sie beispielsweise
                                                                                  oder sogar eine Freundschaft, wie                   Verbesserungspotenziale zu erken­nen. Feedback
                                                                                                                                      nimmt die Angst vor Unaus­gesprochenem und
                                                                                                                                                                                            Organi­sation stärken, indem sie beispielsweise
                                                                                                                                                                                            selbst regel­mäßig umfassend Feedback ein­
                         Kontakte herstellt und Fragen beantwortet.               bei meiner Big Sister und mir.“                     vermittelt ein klares Bild davon, welches Verhalten   holen, z.B. über einen Fragebogen, der sowohl
                         Bei Siemens geht man davon aus, dass ein                                                                     sich eine Organisation wünscht.                       Vorstandsmitglieder als auch Direct Reports ein­
                         Tandem sehr hilft, in der neuen Position Fuß                                      CHARLOT TE MOSEL                                                                 bezieht. Entscheidend ist die Reflex­ion dieses
                         zu fassen. Daher steht seit diesem Jahr jeder                                     Beraterin bei McKinsey     Mangelndes Feedback kommt eine O     ­ rganisa­tion   Feedbacks, z.B. im Führungs­kreis.
                         neuen weiblichen Führungskraft eine erfahrene                                                                teuer zu stehen. Oft entwickeln ­Vorge­setzte
                                                                                                                                      zur Beurteilung ihres Teams eigene Leistungs­         Trennung von entwicklungsbezogenem
                                                                                                                                      kriterien, die nicht zwangsläufig mit der Strategie   Feedback und Leistungsbeurteilungen
                                                                                                                                      der Organi­sation in Einklang stehen. Mögliche

               ar tner zum Onboarding                                                                                                 Folgen: fehlgeleitetes Engagement und subopti­        Viele Organisationen sind dazu übergegan­
       Tandem-P                                                                                                                       male Leistung der Organisation. Außerdem kann         gen, entwicklungsbezogenes Feedback von
                                                                                                                                      es zu einer Atmosphäre des Unausgesprochenen          der Ver­­gü­tung zu trennen. Dies begünstigt die
                                                                                                                                      und der Angst beitragen, wenn auch konstruk­          Ent­ste­hung einer offenen Feedbackkultur, da
       Frauen, die bei Siemens ihre erste Führungs­position ein­          Beteiligten automatisch zu vergrößern. Das Matching der     tive Kritik als nicht erwünscht wahrgenommen          der Feedbackgeber nicht befürchten muss,
       nehmen, wird zu Beginn für sechs Monate eine Tandem-               Tandem-Partnerinnen hat eine der großen Fraueninitiativen   wird. So kann sich die Qualität der Arbeit in der     mit seiner Bewertung die Entlohnung des/der
       Partnerin zur Seite gestellt. Diese soll helfen, Anschluss zu      von Siemens übernommen. Die Ausgestaltung der persön­       Organisation verschlechtern.                          Empfan­gen­den zu beeinflussen. Außerdem
       anderen weiblichen Führungskräften zu finden, Kontakte             lichen Beziehung obliegt dann den Teilnehmerinnen.                                                                kann sich der/die Empfangende offen und ohne
       zu den prominenten Frauennetzwerken mit Siemens zu                                                                             Regelmäßiges Feedback von Vorgesetzten                Befürchtungen auf das Feedback einlassen.
       knüpfen und bei Bedarf geschlechterspezi­fische Fragen in                                                                      sowie Kolleginnen und Kollegen hilft, die             Diesem Anspruch wird WAREMA nicht nur durch
       einem vertraulichen Rahmen zu besprechen. Die Tandem-                                                                          eigene Leistung einzuschätzen und Stärken             regelmäßiges informelles Feedback gerecht,
       Partnerin arbeitet immer in einem anderen Bereich, um                                                                          und Entwicklungspotenziale zu erkennen.               sondern auch durch so genannte kontinuierli­
       die Vertraulichkeit zu gewährleisten und das Netzwerk der                                                                      Insbesondere für Frauen kann es wertvoll sein,        che Entwicklungsgespräche. Sie finden einmal
16 |                                                                                                                                                                                                                                             | 17
s
       Feedback-App
       Feedback kann wertvolle Impulse für die Talententwicklung           etwas kritischere Kommentare in einer spielerischen           jährlich statt, basieren stets auf dem WAREMA-      Organisationen sollten daher s­ icherstellen,
       liefern. In der Praxis besteht jedoch häufig eine gewisse           Oberfläche. Das System gewichtet die Antworten ent­           Kompetenzmodell für Führungskräfte und sind         Beur­tei­lun­gen mehrerer Personen für Bewer­
       Hürde, einander spontanes, regelmäßiges und offenes                 sprechend der Intensität der Zusammenarbeit zwischen          losgelöst von formalen Leistungsbeurteilungen.      tungen einzuholen, diese möglichst von Biases
       Feed­back zu geben. Hier setzen innovative Feedback-Apps            Feedbackgebenden und -empfangenden.                           Ziel ist, das gesamte Management gleicherma­        zu b
                                                                                                                                                                                                ­ efreien, sie anschließend zwischen den
       an. Sie bieten die Möglichkeit, sich breit angelegtes Feed­                                                                       ßen weiterzuentwickeln.                             Mitarbei­ten­den zu kalibrieren, um ihnen dann
       back von Vorgesetzten und Kollegen zu verschiedenen                 Diese Form der Datensammlung bietet mehrere Vorteile.                                                             eine faire Rückmeldung zu geben.
       Themen einzuholen und dieses im Zeitverlauf zu betrach­             Zum einen erhöht sie die Datenqualität: In Echtzeit gesam­    Trainings und Tools
       ten. Jene geben dazu unkompliziert Feedback zu verschie­            melte, mehrdimensionale Daten sind genauer als jährliche                                                          Beurteilungen durch mehr als eine Person
       denen Themen via der App ab.                                        Evaluierungen, in denen Vorgesetzte und Beschäf­tigte         Feedback ist nur dann hilfreich, wenn es auch
                                                                           Mühe haben, sich an die Details über die zu bewerten­den      kon­struktiv ist und auf erlebten Situationen       Um die Bewertung von Mitarbeitenden auf eine
                                                                           Personen zu erinnern. Zum anderen sparen diese Tools          basiert. Klassische Trainings zum Geben von Feed­   möglichst breite Basis zu stellen, sollten Orga­
                                                                           Zeit, die sonst ineffizient für die Suche nach Beo­bach­      back können das unterstützen. Eine innovative       ni­sa­tionen nicht nur die Beurteilung von Vor­
                                                                           tungs­punkten hätte aufgewendet wer­den müssen. Durch         Möglichkeit, um zeitnahes und situationsbasiertes   ge­setzten berücksichtigen, sondern auch die
                                          12:00                   100%
                                                                           die entsprechende Auswahl von Bewer­tungsdimensionen          Feedback in definierten Dimensionen zu verein­      von Kolleginnen und Kollegen verschiedener
                                                      Lisa                 kann außerdem gezielt Feed­back zu persönlichen Ent­          fachen, bietet beispielsweise eine Feedback-App     Hierarchiestufen sowie von Teammitgliedern
                                                                           wick­lungszielen gesammelt werden.                            (siehe S. 18).                                      und „internen Kundinnen und Kunden“. Im Zuge
                             Lisa                                                                                                                                                            des Wandels zu einer digitalen, agilen Arbeits­
                                                                           Feedback-Apps sind einfach und günstig zu ­entwickeln         Diese sammelt zeitnah und situationsbasiert         welt mit flexiblen Arbeitszeit- und -ortmodellen
             Was hältst du von meiner Präsentation?                        und helfen, eine Feedbackkultur in einer Organisation         Feed­back von Team­mitgliedern, Vorgesetzten        wird dies immer wichtiger, denn Führungs­kräfte
                                                                           zu etablieren, indem sie Hemmschwellen für Feedback­          sowie weite­ren Kolleginnen und Kollegen, mit       verbringen heute physisch weniger Zeit mit
             VIELE                                            RUND UM      gebende abbauen. Mit ihrer Hilfe lassen sich kontinuierlich   denen eine Person zusammengearbeitet hat. So        ihren Teammitgliedern. Dies erschwert eine faire
             SCHWACHSTELLEN                                   GELUNGEN
                                                                           Feed­back und Stimmungen von vielen Nutzerinnen und           ergibt sich eine 360°-Perspektive und eine Mehr­    Leistungsbewertung. Tech­nische Lösungen
             Verleihe Lisa eine Medaille für …                             Nutzern einsammeln. Außerdem erleichtern die aggregier­       dimen­sionalität, die insbesondere weniger sicht­   können jedoch dabei helfen, ein breites Bild vom
                                                                           ten Daten die Identifikation von Leistungsträgern. Einige     baren Personen in einer Organisation zugute­        Verhalten einer Person zu erhalten.
                                                                           Herausforderungen gilt es dennoch im Blick zu behalten:       kommt. Durch die Aggregation umfassender
                                                                           Die Nutzerinnen und Nutzer könnten versuchen, das             Daten können auf diesem Weg herausragende           Vom Bauchgefühl zur objektiven Bewertung
             Schnelligkeit   Cleverness           Zuhören    Team player
                                                                           System so auszuspielen, dass sie selbst unter den besten      Talente zuverlässig identifiziert werden.
             Feedback                                                      10% landen – indem sie beispielsweise Konkurrentinnen                                                             Frauen schneiden in Bewertungen häufig
               Tolle Nutzung von Infografiken während                      und Konkurrenten schaden. Auch das ungute Gefühl,             Leistungsbeurteilungen:                             schlech­­ter ab als Männer, insbesondere bei der
               der Präsentation, Lisa.                                     unter ständiger Beobachtung zu stehen, muss von der           Daten und Standards für mehr                        Ein­schätzung, ob sie für Führungspositionen
                                                                 MAX       Organisation ernst genommen und gelindert werden              Objektivität                                        geeignet sind: Die Wahrscheinlichkeit, dass
                                                                           (Ewenstein et al., 2016).                                                                                         Frauen negatives subjektives Feedback zu ihrer
                                                                                                                                         Organisationen haben die Aufgabe, Mitarbei­         bisher erbrachten Leistung erhalten, ist um
                                                                                                                                         tende darüber zu informieren, wie ihre Leistung     das 1,4-fache höher als bei Männern (Cecchi-
                                                                                                                                         beur­teilt wird und wo ihre Stärken, Schwächen      Dimeglio, 2017). So erhalten Frauen im Vergleich
                                                                                                                                         und Entwicklungspotenziale liegen. Die Bewer­­      zu männlichen Kollegen auch bei ähnlichen
       So implementiert zurzeit ein führender europäischer                                                                               tung von Leistung und Verhalten bildet häufig       Eigenschaften eher schwächere Bewertungen.
       Online-Retailer eine Feedback-App. Die App lässt sowohl                                                                           die Grundlage für die Bestimmung des Zielerrei­     Dafür gibt es verschiedene Gründe: Zum einen
       strukturiertes als auch unstrukturiertes Feedback in                                                                              chungsgrads, die Definition des Entwick­lungs­      können sich Attribution und Double-Bind Bias
       Echtzeit zu und zwar für Meetings, Projekte, Launches                                                                             prozesses, die Identifikation von Talenten,         negativ auf die Wahrnehmung von Frauen
       und Kampagnen. Alle können dabei Feedback von                                                                                     Beförderungen etc.                                  auswirken (siehe S. 10). Zum anderen wirkt
       ihren Vorgesetzten, aber ebenso untereinander und                                                                                                                                     sich flexibles Arbeiten im Home Office oder in
       von „interner Kundschaft“ abfragen. Für jede Form                                                                                 Gewöhnlich übernimmt die unmittelbar vorge­         Teilzeit, was auf knapp die Hälfte der erwerbs­
       von Verhalten, für das Feedback angefragt wird, bie­                                                                              setzte Führungskraft die Bewertung. Obliegt die     tätigen Frauen zutrifft (Crößmann & Mischke,
       tet die App eine strukturierte und leicht anwendbare                                                                              Bewertung jedoch nur einer einzelnen Person,        2016), auf die Sichtbarkeit der Mitarbeiterinnen
       Liste von Fragen, die intuitiv mit Slidern auf einem                                                                              hängt das Resultat von einer Einzelmeinung ab,      und Mitarbeiter mitunter negativ aus. Viele
       Smartphone oder Tablet beantwortet werden können.                                                                                 die möglicherweise von Biases beeinflusst ist.      Führungskräfte setzen jedoch immer noch
       Die App erlaubt sowohl positives Feedback als auch                                                                                                                                    Engagement und Präsenz am Arbeitsplatz
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„Unconscious Bias“-Trainings bei Evonik – Vorurteile                                                                              bereits im Vorfeld eigene Beispiele für die zu           Füh­rungs­kräfte werden zusätzlich gezielt zu
       abbauen und bessere Entschei­dungen treffen                                                                                       bewertenden Kriterien sammeln.                           wahrnehmungspsychologischen Aspekten
                                                                                                                                                                                                  geschult.
       Evonik steuert seine konzernweiten Diversity-Aktivitäten       nes Wertebild gegenüber Kolleginnen und Kollegen                   Um Confirmation Biases vorzubeugen, ist es
       mit dem so genannten Diversity Council. Einer der fünf         besser steuern? Wie kann Vielfalt durch bewusstes                  darüber hinaus wichtig, dass Beurteilungen            3. Transparenz von Bewertungen
       Missions-Sätze des Council zielt auf die Sensibilisierung      Handeln besser ge­nutzt werden? Bisher nahmen mehr                 regelmäßig erfolgen. So kann die Leistung eines       Eine weitere Maßnahme, um Führungskräfte
       für unbewusste Vorurteile und lautet: „Wir sind uns unse­      als 200 Führungskräfte und Talente an einer weltweiten             Mitarbeitenden langfristig dokumentiert und die       für potenzielle Biases in ihren Evaluierungen
       rer Conscious und Unconscious Biases als Bremse für            Workshopreihe teil.                                                Leistungsbeurteilung auf eine breite Basis gestellt   zu sensibilisieren, ist, die durchschnittlichen
       Diversität bewusst und arbeiten daher konsequent an                                                                               werden.                                               Bewertungen von Männern und Frauen transpa­
       Methoden und Strategien zur Überwindung.“ Im Zuge die­         Die Förderung von Diversität und damit die Reduzierung                                                                   rent zu machen (siehe Kapitel „Führungskraft“).
       ser Arbeit hat der Council eine weltweite Workshopreihe        von Unconscious Biases wird bei Evonik als wichtiger               2. Trainings zu Debiasing                             Eine Auswertung darüber, wie viele Männer
       für Führungskräfte und Talente ins Leben gerufen, die das      Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg betrachtet: Als Spiegel        Schulungen und Trainings, die Führungskräften         und Frauen jeweils eine bestimmte Beurtei­
       Bewusstsein für die eigenen Vorurteile schärfen soll.          ­unterschiedlicher Ansprüche, Haltungen und Perspektiven           die Existenz und Mechanismen von unbewussten          lung erhalten haben, macht strukturelle
                                                                       in Märkten und Gesellschaft gilt sie als w
                                                                                                                ­ ichtiger Treiber für   Vorurteilen bei der Leistungsbeurteilung bewusst      Unterschiede in der Bewertung sichtbar und
       Ziel dieser Workshops ist, bei den teilnehmenden                Wettbewerbsfähigkeit und Innova­tionskraft.                       machen und ihnen Werkzeuge an die Hand                regt zur Diskussion an. Das BMVg untersucht
       Führungskräften ein Bewusstsein für Unconscious Biases                                                                            geben, wie sie zu objektiven Bewertun­gen gelan­      die Beurteilungsdurchgänge auf chancenge­
       zu schaffen und Strategien zum Umgang damit aufzu­                                                                                gen, habe sich als sehr effektiv erwiesen. Viele      rechtes Beurteilungsverhalten und eventu­
       zeigen. Thematisiert wurde beispielsweise: Wie kann                                                                               Chefsache-Mitglieder haben damit gute Erfolge         elle geschlechts- oder arbeitszeitbezogene
       ich in Stresssituationen aufkommende Vorurteile und                                                                               erzielt (siehe auch S. 20):                           Unterschiede und stellt eine Liste aller zu ver­
       Automatismen verhindern? Wie kann ich mein eige­                                                                                                                                        öffentlichenden Beurteilungsspiegel auf seiner
                                                                                                                                         •• Evonik und die Volkswagen AG bieten                Intranetseite zur Verfügung.
                                                                                                                                            Leadership-Trainings an, in denen die rele­
                                                                                                                                            vanten Kompetenzen, Bewertungsskalen,              4. Datenbasierte Leistungsbeurteilungen
                                                                                                                                            die Vorgehensweise zur Beobachtung und             Es wird aktuell debattiert, ob Beurteilungen objek­
                        implizit gleich und bewerten Teilzeitkräfte            Die Chefsache-Mitglieder haben e­ inige Maß­                 Bewertung von Potenzial und damit zusam­           tiver sind, wenn sie ausschließlich auf dem „Track
                        schlechter (Blessing et al., 2016).                    nahmen zusammengetragen, um Leistungs­                       menhängende Biases diskutiert werden. Bei          Record“, also der bisher erbrachten Leis­tung einer
                                                                               beurteilungen zu objektivieren und Frauen wie                Evonik nahmen bereits mehr als 200 Füh­            Person, beruhen, oder auf einer Ein­schät­zung ihres
                        Beide Effekte werden verstärkt, wenn Führungs­         Männer fair zu bewerten: Standardisierung und                rungskräfte und Talente an einer weltweiten        zukünftigen Potenzials. Poten­zial­bewertungen
                        kräfte ungeschult und unvorbereitet Feedback­          Regelmäßigkeit, Trainings zu Unconscious Biases,             Workshopreihe zu Unconscious Biases für            als unsicherer „Blick in die Zukunft“ sind in die­
                        gespräche führen und sie nur pro forma abhal­          Transparenz von Bewertungen und daten­basierte               einen bewussteren Umgang mit unbewuss­             ser Theorie deutlich anfälliger für Biases, die zu
                        ten. Ihre (spontane) Beurteilung basiert dann          Leistungsbeurteilungen.                                      ten Vorurteilen teil.                              Ungunsten von Frauen ausfallen können. So zeigt
                        häufig nicht auf konkret ­beobachteten Situatio­                                                                                                                       z.B. eine Studie, dass junge Unternehmerinnen
                        nen, sondern folgt eher einem Bauch­gefühl.            1. Standardisierung und Regelmäßigkeit                    •• innogy führt sowohl für Führungskräfte als         von Risikokapitalgebern eher als „jung und uner­
                        Dieses kann geprägt sein vom so genan­nten             Ein wichtiges Element zur Standardisierung von               auch für sämtliche Mitarbeitende Uncons­           fahren“ eingeschätzt werden, junge männliche
                        „Primacy and Recency“-Effekt: Wir erin­nern uns        Bewertungen ist die Evaluierung anhand klarer                cious-Bias-Workshops durch, um für die tägli­      Unternehmer mit dem gleichen Erfahrungsstand
                        oft besonders an die erste und die letzte Situa­       Kriterien. Die Mehrzahl der Chefsache-­Mitglieder            che Arbeit zu sensibilisieren.                     dagegen als „jung und vielversprechend“
                        tion, in der wir eine Person erlebt haben – und        hat daher ein i­ ndividuelles Kompe­tenz­modell mit                                                             (Malmstrom et al., 2017). Allerdings werden Frauen
                        damit nicht an die langfristig gezeigte Leis­tung.     konkreten Verhaltens­beispielen entwickelt, um            •• Siemens hat ein globales Online-Training zu        auch auf Grundlage ihrer bisherigen Leistung
                        Außerdem hält in u  ­ nstrukturier­ten Bewertungen     die wichtigsten Fähigkeiten ihres Personals zu               Unconscious Biases für die­gesamte Beleg­          oft kritischer bewertet als Männer (Snyder, 2014).
                        häufig der sogenannte „Confirma­tion Bias“ Ein­        definieren und zu evaluieren.                                schaft entwickelt. Nach drei Monaten hatten        Dieses Phänomen wird auch „Performance
                        zug: Menschen nehmen oft nur das wahr, was                                                                          bereits mehr als 160.000 Mitarbei­tende rund       Evaluation Bias“ genannt (Desvaux et al., 2017).
                        ihren Erwartungen entspricht, z.B. hinsichtlich        Bei der Volkswagen AG findet z.B. die jährli­                um den Globus das freiwillige, 30-minü­tige
                        Leistung und Verhalten einer Person. Sie geben         che Evaluierung durch die Führungskraft im                   Training absolviert.                               Ohne diese Frage abschließend klären zu kön­
                        dann überproportional häufig Feedback zu               Rahmen eines Mitarbeitergesprächs anhand                                                                        nen, gibt es datenbasierte Instrumente, die zu
                        diesem Aspekt. Eine regelmäßige Bewertung              standardisier­ter Kriterien und einer einheitli­          •• Im Geschäftsbereich des Bundesministe­             mehr Objektivität verhelfen: Wenn leistungs­
                        entlang eines strukturierten Pfades gibt weniger       chen Beur­teilungs­skala statt. Durch vollkom­               riums der Verteidigung (BMVg) sind Beur­           bezogene Daten in einer Organisation umfas­
                        Raum für derartige Biases und hilft daher diese        mene Transparenz der Kriterien können die zu                 tei­lungen grundsätzlich justiziabel, was ein      send erhoben und analysiert werden, können
                        einzugrenzen.                                          evaluierenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter               stark for­ma­lisiertes Verfahren zur Folge hat.    aus historischen Daten Erfolgsfaktoren für die
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slese bietet Chancen
       Bestena   u
       für alle Talente                                                                                                             zu bewertenden Personen und ermög­licht so             1. Klare Bewertungskriterien
                                                                                                                                    eine ­bereichsübergreifende Ver­gleichbarkeit          Wie auch in den Einzelbeurteilungen sollten
                                                                                                                                    mit objektivem Ranking. Es impliziert keines­          klare und einheitliche Kriterien, nämlich welche
       Für die Bundeswehr gilt das grundgesetzlich v­ erankerte       physische Vor­aussetzungen, Fremdsprachenkenntnisse,          wegs eine gezwungene (Normal-)Verteilung               Kompetenzen ein Talent in einer bestimmten
       Prinzip der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG: Die          Mobilität oder Einsatzerfahrung sein. Sie sind für alle       der Bewertungen – im Gegenteil, viele Organi­          Position benötigt, die Basis jeder Beurteilung
       Vorgesetzten müssen für die zu beurteilenden Soldatinnen       Beteiligten trans­parent und zugleich Information und         sationen sind dazu ü­ bergegangen, sich vor            sein. Idealerweise sind diese mit konkreten Ver­
       und Soldaten sowie für die Beamtinnen und Beamten              Hilfsmittel für die Talente, um wichtige Forderungen          allem auf die Identifikation von High und Low          haltensweisen hinterlegt. So evaluiert z.B. das
       turnusmäßig eine sehr umfangreiche und standardisierte         und Weichenstellungen für die Realisierung der eigenen        Performern zu fokussieren. Damit eignen sich           BMVg anhand ausführlich definierter Standards
       Beurteilung von Performance und Potenzial einschließlich       beruflichen Zielvorstellung zu erkennen und sich daran        Talentklausuren hervorragend, um die Top-              alle Soldatinnen und Soldaten pro Ebene bzw.
       Entwicklungsprognose abgeben.                                  auszurichten.                                                 Talente einer Organisation zu iden­ti­f i­zieren und   Funktion. Dabei helfen spezielle Richtlinien, die
                                                                                                                                    sie für Führungskräfte sicht­barer zu machen.          einheitliche Prozess- und Bewertungsstandards
       In den Talentklausuren der Bundeswehr ­werden dann alle        An den Talentklausuren der Bundeswehr nehmen HR, die          Die Ergebnisse dieser Kali­brierungs­meetings          für eine Talentklausur festlegen.
       Kandidatinnen und Kandidaten, die die Anforde­rungen           ausschreibenden (Fach-)Bereiche sowie u    ­ nabhängige,      werden außerdem genutzt, um Perso­nen für
       der ausschreibenden (Fach-)Bereiche grund­sätzlich erfül­      externe Stellen teil (z.B. Gleichstellungsbeauftragte, Ver­   die Aufnahme und den Ver­bleib in Talent­              2. Geschulte und divers besetzte
       len und an den jeweiligen Auswahlverfahren teilnehmen          treter Stabselement Chancengerechtigkeit, Vielfalt und        programmen zu identifizieren, Job­rotationen,          Talentklausuren
       möchten, systematisch vorgestellt und entsprechend der         Inklusion). Über die tatsächliche Personalentscheidung        Länderwechsel etc. anzure­gen und strategische         Um möglichst unvoreingenommen zu bewer­
       letzten drei Beurteilungsergebnisse sowie zusätzlicher         berät das gesamte Gremium.                                    Beförderungs- und Nachfolgeentscheidungen              ten, müssen Gremienmitglieder darin geschult
       standardisierter Anforderungsprofile gereiht. Dies können                                                                    zu treffen.                                            sein, Biases in ihrer Wahrnehmung sowie bei
       je nach Profil z.B. Vorverwendungen, Qualifikationen,                                                                                                                               der Potenzialeinschätzung auszublenden (siehe
                                                                                                                                    Wenn Talentklausuren für einen Großteil der            S. 21). Für Perspektivenvielfalt ist außer­dem ein
                                                                                                                                    Beleg­schaft durchgeführt werden, können nicht         divers besetztes Gremium ratsam. Einzelne
                                                                                                                                    nur sämtliche Einzelbeurteilungen fair kalibriert,     Orga­ni­sationen haben daher Beset­zungs­krite­
                                                                                                                                    sondern auch Talente auf allen Ebenen frühzei­         rien für Talentklausuren etabliert, z.B. einen
                        weitere Karriere abgeleitet werden. Durch einen        Ein weiteres interessantes Beispiel ist die          tig identifiziert werden. Wenn eine Besprechung        Min­dest­anteil von 50% für Frauen und Minder­
                        Abgleich mit den Erfolgsfaktoren innerhalb             Analyse, wer in einer Organisation befördert         der gesamten Belegschaft in einer Talentklausur,       heiten in Führungspositionen. Welche Rolle die
                        der Organisation kann nicht nur die erbrachte          wird – sind es tatsächlich die Personen mit          z.B. auf Grund der Größe der Organisation,             Besetzung von Beurteilungsgremien spielen
                        Leistung, sondern auch das zukünftige Potenzial        der besten Leistungsbewertung? Falls dabei           nicht machbar ist, eignen sich Talentklausuren         kann, belegt eine aktuelle Studie im Auftrag
                        eines Talents treffender eingeschätzt werden.          kein Zusammenhang zwischen Leistung und              dafür, aus der gesamten Belegschaft die Mitar­         des Justiz­ministeriums Nordrhein-Westfalen:
                        Dieses Vorgehen kann Biases abschwächen und            Beförderungswahrscheinlichkeit zu erkennen ist,      beiterinnen und Mitarbeiter mit Potenzial zu           Rechts­referendarinnen mit den gleichen schrift­
                        sogar unerwartete Zusammenhänge zwi­                   sollte das Performancemanagementsystem oder          identifizieren, deren Entwicklung zu begleiten         lichen Vornoten wie ihre männlichen Kollegen
                        schen bestim­mten Eigenschaften oder Ver­hal­          die Beförderungskultur der Organisation unter­       und den bestätigten Talenten e­ ntsprechende           hatten in der mündlichen Prüfung eine um
                        tensweisen und dem Erfolg eines Talents auf­           sucht werden.                                        Sichtbarkeit im Unternehmen zu geben. Bei­             2,3 Pro­zent­punkte geringere Chance, die nächst­
                        decken: Potenzialbewertungen werden deutlich                                                                spiels­weise nutzt Chefsache-Mitglied Evonik die       höhere Notenschwelle zu überspringen, wenn
                        präziser und objektiver.                               Von der Einzelbeurteilung zur Talentklausur          Talent­klausuren zu diesem Zweck. BASF wieder­         ihre Prüfungskommission nur mit Männern
                                                                                                                                    um setzt bei der Auswahl der zu diskutierenden         besetzt war. War jedoch zumindest eine Frau in
                        Der Vorteil datenbasierter Leistungsbeurteilung        Die Einführung von Talentklausuren, das heißt        Profile gezielt Schwerpunkte, um bestimmten            der Kommission, verschwand dieser Unter­schied
                        lässt sich am Beispiel des Sabbatical verdeutlichen:   der Besprechung von Talenten in einer grö­           Gruppen Sichtbarkeit zu verschaffen, z.B. allen        (Glöckner et al., 2018).
                        Führungskräfte bewerten längere Auszeiten              ßeren Gruppe von Führungskräften, anstelle           Mitarbeitenden in Elternzeit oder Frauen einer
                        von Mitarbeitenden oft unbewusst als Zeichen           von reinen Einzelbeurteilungen ist ein weiterer      bestimmten Ebene.                                      3. Moderation durch Dritte
                        geringerer Leistungsbereitschaft. So werden die        Hebel für mehr Objektivität und Chancen­                                                                    Unabhängige, speziell geschulte Kräfte können
                        entsprechenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter        gerechtigkeit im Talentmanagement. Dabei             Um auch in Talentklausuren objektive Ent­schei­­       als neutrale Instanz die Diskussion steuern,
                        für wichtige Positionen eher nicht berücksich­         geben Führungskräfte nach einem Evaluie­             dungen zu treffen und Biases vorzubeu­gen,             womöglich vorauseilende (unterbewusste) Ein­
                        tigt. Tatsächlich kann aber eine Auszeit einen         rungs­gespräch ihre Potenzial­einschätzung an        haben die Chefsache-Mitglieder folgende Maß­           schätzungen spiegeln und hinterfragen. Die
                        positiven Effekt auf die spätere Leistung haben,       ein „Bewertungs­komitee“ oder eine Talent­klau­      nahmen identifiziert: klare Bewer­tungs­kriterien,     Einbin­dung Dritter kann daher die Evaluation
                        da neue Energie geschöpft wird, die für eine           sur weiter. Dieses Gremium besteht aus Füh­          geschulte und divers besetzte Ent­schei­dungs­         von Talenten objektivieren.
                        Führungsposition nützlich ist (Davidson et al.,        rungskräften unterschiedlicher Bereiche und ist      gremien, Moderation durch Dritte, die enge Ein­
                        2010). Erst die längerfristige Analyse kann zeigen,    möglichst vielfältig besetzt. Es vergleicht und      bindung von HR und fairen Zugang von Talenten          So werden z.B. bei BASF, der Lufthansa und
                        ob sich hier dauerhafte Trends feststellen lassen.     kalibriert Bewertungen und Qualifika­tio­nen der     zu Talentklausuren.                                    der Volkswagen AG Talentklausuren von
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erCom pa ss – die interne
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                                                                                                                                                                                   ng der EnBW
                                                                                                                                                                    Karriereberatu
       HR-Consultants bzw. HR-Businesspartnern und/         Klare Kommunikation der Beurteilung                 Interne Karriereberatung und
       oder Expertinnen und Experten aus dem Bereich                                                            Coaching
       Diversity and Inclusion begleitet. Sie überneh­      Am Ende des Beurteilungsprozesses steht natur­
       men die Moderation, greifen in die Diskussion        gemäß die Mitteilung an die Beurteilten. Dies       Stärken erkennen und Ziele definieren               Das so genannte CareerCompass-Programm wurde im Jahr
       ein, sofern sie unterbewusste Annahmen oder          geschieht in der Regel in jährlichen formalen                                                           2016 aus der Taufe gehoben. Es wendet sich speziell an Frauen
       sonstige Muster in der Sitzung feststellen, und      Einzelbeurteilungen durch die Führungskraft.        Wer ein Ziel vor Augen hat, kann sich be­wusst in   mit dem Potenzial zur Übernahme von Führungsaufgaben,
       haben den expliziten Auftrag, Bewertungen und                                                            diese Richtung weiterbilden und sein Netz­werk      basierend auf bisherigen beruflichen Erfolgen.
       Personalentscheidungen zu hinterfragen.              In den Chefsache-Organisationen finden in aller     um gute Coaches sowie relevante Entschei­dungs­
                                                            Regel mindestens einmal pro Jahr Beurteilungs­      träger erweitern. Eine professio­nelle Karriere­    Das Programm beinhaltet drei i­ ndividuelle B
                                                                                                                                                                                                                ­ eratungstermine
       4. Enge Einbindung von HR                            gespräche mit Vorgesetzten statt, in denen          bera­tung kann Talenten bei der Karriere­planung    mit Analysen des CVs, des Führungsverständnisses und der
       Die Personalabteilung kann die Umsetzung der         die Ergebnisse anhand eindeutiger Kriterien         helfen. Karriereberater unterstützen dabei, Res­    persönlichen Stärken und Kompetenzen, der Identifikation
       in einer Talentklausur e­ mpfohlenen Entwick­        und nachvollziehbarer Bewertungsmaßstäbe            sourcen gezielt einzusetzen, die eigenen Stär­ken   von Motiven und Zielen sowie der Festlegung geeigneter
       lungs­maßnahmen für die Talente unterstützen.        erläutert werden. Ein gutes Gespräch sollte auch    zu reflektieren und darauf basierend Karrie­re­     nächster Karriereschritte. Die Teilnehmerinnen berichten von
       Bei BASF steht den HR-Businesspartnern sowohl        Coaching-Elemente haben: Basierend auf der          ziele sowie den Weg dorthin zu definieren. So       einem bestärkenden Effekt der Diskussion rund um die eige­
       eine Übersicht über Talentnominierungen als          Bewertung der gezeigten Leistungen kann die         erhöht sich die Chance, die gesteckten Ziele auch   nen Stärken und Kompetenzen mit einer außenstehenden
       auch über Seminar­anmeldungen zur Verfügung.         Führungskraft dem Talent Perspektiven aufzei­       zu erreichen. Chefsache-Mitglieder berichten,       Person. Sehr gutes Feedback der Teilnehmerinnen gab es auch
       Damit kann HR die Entwicklung eines Talents          gen, z.B. für Weiterbildung oder Beförderung.       dass Männer solche Beratungsangebote eher in        für die planenden Elemente in der Beratung. Doreen Piel, bei
       systematisch unterstützen.                                                                               Anspruch nehmen. Einige Organisationen fördern      der EnBW Perspektiven GmbH verantwortlich für Personal &
                                                            Um Führungskräfte zu solchen Diskussionen zu        daher mit gezielten Angeboten für Frauen aktiv      Beratung, sagt: „Alle Pilotteilnehmerinnen gaben an, dass sie
       5. Fairer Zugang zu Talentklausuren                  befähigen, stehen sie z.B. bei der Lufthansa im     deren Fortkommen in eine Führungsposition.          ihr Profil schärfen konnten und nun eine bessere Strategie
       In den meisten Organisationen wird nicht jedes       engen Austausch mit der Personalabteilung.                                                              auf ihrem Weg zur Führungsposition haben. Dies stärkt die
       Talent in einer Talentklausur besprochen. In die­    Diese informiert über Karrieremöglichkeiten für     Karriereberatung wird oft von externen Dienst­      Eigeninitiative und gleichzeitig werden Führungskräfte für die
       sen Fällen hängt die Nominierung als Talent in       Talente und Optionen für Karriere-Coaching.         leis­tungsunternehmen angeboten. Diese haben        Talentförderung sensibilisiert.“
       der Regel von den direkten Vorgesetzten, deren       Die Führungskräfte können diese Optionen            jedoch meistens keinen Einblick in die Organi­
       Bewertung und ihrer Motivation zur Nominie­          dann an ihre Talente weitergeben. Die Institu­      sation und ihre Führungskultur. Deshalb ist es      Die Teilnehmerin Andrea Scharenberg über ihre Erfahrungen:
       rung ab. Verschiedene Biases können dann ver­        tionalisierung solcher Gespräche erleichtert es     sinnvoll, Karriereberatung auch intern anzu­        „Die intensive Beschäftigung mit meiner bisherigen berufli­
       hin­dern, dass Frauen zu einem fairen Anteil bei     zurückhaltenden Charakteren, ihre persönlichen      bieten. Ein derartiges Beratungsangebot hängt       chen Laufbahn, meinen Vorstellungen über Führung, meinen
       der Nominierung für Talentprogramme berück­          Karrierewünsche deutlich zu machen, da sie          nicht von der übergeordneten Führungskraft ab,      Talenten und der Abgleich mit der Realität von Führung hat
       sichtigt werden. Durch Festlegen einer Ziel­         aktiv dazu aufgefordert werden.                     berücksichtigt aber die spezifischen Gegeben­       mich sehr gut vorbereitet und mir viel Unsicherheit genom­
       quote lässt sich der Frauenanteil bei Nomi­nie­                                                          heiten und Möglichkeiten der Organisation.          men. Die drei Coaching-Termine waren zwar anstrengend, aber
       rungen erhöhen. Evonik hat ein klares Ziel für       Wichtig ist, dass die Gespräche regelmäßig statt­                                                       sehr lehrreich. Ich wurde von den Beraterinnen stark gefordert,
       die Nomi­nie­rung von Frauen in die Grup­pen der     finden und abgesprochene Maßnahmen nach­            Solch eine interne Karriereberatung bietet z.B.     habe zwischen den Terminen anspruchsvolle Hausaufgaben
       Konzerntalente vorgegeben, um Uncons­cious           gehalten werden. Halbjährliche Gespräche eig­       die EnBW seit 2016 an. Für das „CareerCompass“-     erledigt und mich in vielen freien Minuten gedanklich intensiv
       Biases entgegenzuwirken. Um die Dring­lich­keit      nen sich sehr gut, um Zielvereinbarungen und        Programm für Frauen erhielt sie sehr gutes Feed­    mit den Ergebnissen der Beratung beschäftigt.“
       zu unterstreichen, hat das Unter­nehmen dabei        Entwicklungspläne zu diskutieren. Sie ersetzen      back von den Teilnehmerinnen. Diese gaben an,
       die Beweis­last für eine Nomi­nie­rung umgekehrt:    aber nicht das häufigere, informelle Feedback       ihr Profil durch die Beratung geschärft zu haben
       Führungskräfte müssen nun explizit begrün­           zwischendurch.                                      und über eine gute Strategie für den Weg zur
       den, wenn keine Frauen aus ihrem Bereich als                                                             Führungsposition zu verfügen.
       Talent nominiert wurden. Für diese „umge­kehrte
       Nominie­rung“ kommt die Personalabteilung                                                                Auch Coaching-Angebote können Entwicklungs-
       auf die jeweilige Führungs­kraft zu und geht                                                             und Karrierefragen klären. Die Chefsache-
       mit ihr sämtliche Kandidatinnen durch. Ist eine                                                          Mitglie­der bieten hier vielfältige Initiativen
       Füh­rungs­kraft zu einer Frau nicht auskunfts­                                                           an. Im Rahmen des weltweit implementierten
       fähig, ist sie angehalten, auf diese im nächsten                                                         „CareerGuru“-Programms unterstützen bei
       Jahr besonderes Augenmerk zu legen. Auf diese                                                            Google erfahrene Führungskräfte ihre Kollegin­
       Weise konnten bereits einige weibliche Talen­te in                                                       nen und Kollegen in 1-zu-1-Gesprächen. Die
       den Fokus ihrer Führungskräfte gerückt werden.                                                           Themen umfassen dabei ein breites Feld: von
                                                                                                                Work-Life-Balance, persönlicher und f­ achlicher
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