Wege der Frauen Kommentare - US-Nahost-Politik Normalisierungsabkommen - Deutsch-Palästinensische Gesellschaft
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Ausgabe 17 · April 2021 Zeitung der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft Wege der Frauen Kommentare US-Nahost-Politik Normalisierungsabkommen Schwerpunkt Frauenbefreiung nicht auf später verschieben Fidaa Zaanin, Khouloud Daibes, Hanan Ashrawi, Khalida Jarrar, Amal Abu Srour
Palästina Journal Inhalt Impressum ISSN 1436-252X Herausgeberin Palästina Journal · Ausgabe 17 · April 2021 Deutsch-Palästinensische Gesellschaft e.V. (DPG) PF 1148, 49171 Hilter a.T.W. dpg@dpg-netz.de, www.dpg-netz.de 18 Redaktion Wiebke Diehl (Berlin) 05 Hermann Dierkes (Duisburg) Jan-Günther Frenzel (Berlin) 09 Detlef Griesche (Bremen) Ursula Mindermann (Telgte) Nazih Musharbash (Bad Iburg) Gisela Siebourg (Berlin) Wiltrud Rösch-Metzler (Stuttgart) verantwortliche Redakteurin 03 Nachrichten aus Palästina // Ermittlungen wegen möglicher Kriegsverbrechen / Wahljahr 2021 in Paläs- tina / Impfkampagne in Gaza hat begonnen / Wieder Sicherheitskooperation mit Israel / HeidelbergCement Redaktionsanschrift bei völkerrechtswidrigem Rohstoffabbau / Rekord bei Hauszerstörungen / Palästinas Kulturgüter redaktion@dpg-netz.de 06 Kommentare // US-Nahost-Politik: nichts Neues / Normalisierungs-Abkommen: erneuter Verrat Korrektur 07 Deutschland, EU und Nahost // Frankreich ignoriert Menschenrechtsgerichtshof / EU-Außenbeauftragter Lea Mindermann Josep Borrell kritisiert Siedlungsbau in Givat Hamatos / Kein Schutz für EU-Entwicklungshilfe / Top-Diplomaten in Süd-Hebron / EU wird Wahlprozess in Palästina begleiten / Aufwertung der IHRA durch Deutschland / Außen- Satz, Layout & Druck ministertreffen in Kairo zum Nahost-Friedensprozess Druckhaus Köhler GmbH Siemensstraße 1–3, 31177 Harsum 09 Schwerpunkt: Wege der Frauen // Palästinensischer Widerstand von Frauen: Ahed al-Tamimi und die Frauen www.druckhaus-koehler.de von Jubbet al-Thi’b 10 Schwerpunkt: Wege der Frauen // Frauenbefreiung nicht auf später verschieben Erscheinungsweise Das Palästina Journal erscheint 11 Aktivitäten // Auf ein Wort! / DPG-Beitrittserklärung / Kundgebung zum Internationalen Tag der Solidarität mit im Jahr 2021 zweimal. Palästina / Kein Impfstoff für Palästina? / Keine Ahndung von Kriegsverbrechen? / DPG in Europäischer Paläs- tinakoordination / DPG-Regionalgruppen / Virtuelle Veranstaltungsreihe / Seminarbericht „Freies Land – freie Preis Frauen“ / 38 Rezepte aus Palästina / Palästinenser*innen in der Diaspora Der Bezugspreis für das Palästina Journal ist im DPG-Mitgliedsbeitrag enthalten. 15 Schwerpunkt: Wege der Frauen // Die palästinensische Position in Deutschland vermitteln 16 Schwerpunkt: Wege der Frauen // „Normalisierung mit Israel bedeutet Normalisierung der Besatzung, Abo Normalisierung von Rechtlosigkeit“ Bitte wenden Sie sich an die DPG. 18 Schwerpunkt: Wege der Frauen // Khalida Jarrar schreibt aus der Haft Spenden 19 Schwerpunkt: Wege der Frauen // Palästina weiterhin ohne echte Rechtsreform für Frauen Um dieses unabhängige Journal veröffentlichen zu können, ist die DPG auf Spenden angewiesen. 21 Medienempfehlungen // Filme / Ausstellungen / Bücher 23 Weltweite Solidarität // Veranstaltungsverbote in der Kritik / Berliner Kunstprojekt verhindert / Kulturinstituti- Bitte spenden Sie an: onen werden aktiv / Bt3P klagen gegen BDS-Bundestagsbeschluss / Protest gegen Zerstörung von Khirbet Hamsa Deutsch-Palästinensische Gesellschaft e.V. (DPG) Al Foqa / Was ist BDS? / CAF liefert Straßenbahn für Siedlung / Gymnasiast*innen verweigern Kriegsdienst Sparda West e.G. BIC: GENODED1SPK 26 Der Konflikt auf einen Blick IBAN: DE37 3706 0590 0100 3392 10 27 Poesie // Dareen Tatour: „Die Frauen-Hymne“ 28 Kunst // Sliman Mansour: „Die Auswandererin“ Liebe Leser*innen, Titelbild der Schwerpunkt dieser Ausgabe befasst sich mit dem Thema „Rolle der palästinensischen Frau“. Junge Frau im besetzten Palästina Obwohl die aktuelle politische Situation sich mittlerweile in und um Palästina dramatisch ver- Foto // URSULA MINDERMANN schlechterte, hat sich das Redaktionsteam entschieden, am Schwerpunkt festzuhalten und die Auswirkungen mancher Entscheidungen, Abkommen und Beschlüsse durch Nachrichten und Kom- mentare zu berücksichtigen. Wir wünschen eine gute Lektüre. Ihre Redaktion redaktion@dpg-netz.de 02 · Ausgabe 17 · April 2021
Nachrichten aus Palästina Nachrichten aus Palästina Ermittlungen wegen möglicher Kriegsverbrechen Foto // privat D er Internationale Strafgerichtshof (IStGH) will möglichen Kriegsverbrechen in den von Israel be- setzten palästinensischen Gebieten nachgehen. Damit ist der Weg frei für Ermittlungsverfahren zu möglicherweise dort begangenen Kriegsverbrechen der israelischen Armee und palästinensischer Milizen. Hamas und Fatah begrüßten die Ankündigung des Internationalen Strafgerichtshofs, die israelische Regierung verurteilte sie als „Antisemitismus“. Wahljahr 2021 in Palästina P räsident Mahmoud Abbas hat am 15. Januar den Wahlprozess im besetzten Palästina per Dekret gestartet. Am 22. Mai 2021 wird das Parlament (Legislativrat), am 31. Juli 2021 der Präsident und Im Gazastreifen wird Müll von Familien am 31. August 2021 der Palästinensische Nationalrat gewählt. Ministerpräsident Shtayyeh betonte: in Covid-Quarantäne separat entsorgt. „Die palästinensische Demokratie soll nicht länger eine Geisel der (israelischen) Besat- zung sein. Die unterzeichneten Abkommen sehen vor, dass alle Palästinenser*innen im Impfkampagne in Gaza Gaza-Streifen und in der Westbank einschließlich Jerusalem an den Wahlen teilnehmen.“ hat begonnen Er forderte die Internationale Gemeinschaft, besonders die EU, auf, ihren Druck auf die israelische I m Gazastreifen hat Ende Februar die Impf- Besatzungsregierung zu erhöhen, damit auch die palästinensische Bevölkerung in Ost-Jerusalem an kampagne gegen das Coronavirus begonnen. den Wahlen teilnehmen kann. Das teilte das Gesundheitsministerium mit. In den ersten drei Wochen sollen 11.000 Menschen den russischen Impfstoff Sputnik- HeidelbergCement bei völkerrechtswidrigem Rohstoffabbau V erhalten. Vorrang haben medizinisches Personal, Ältere und Risikopatient*innen. Im Foto // ONECLIMATE, ZAZIM, MA‘AN u.a. von der Hamas regierten Gazastreifen leben etwas mehr als zwei Millionen Menschen auf engem Raum bei schlechter medizinischer Versorgung. Seit Beginn der Pandemie wur- den dort mehr als 54.000 Infektionen und über 540 Todesfälle registriert. Im Westjordanland, wo die Palästinensische Autonomiebehörde regiert, begannen die Imp- fungen Anfang Februar. Kollektivstrafe I srael verhängt Sanktionen und Strafen gegen Banken, die Zahlungen von der Palästi- nensischen Autonomiebehörde (PA) an die Fa- A ktivist*innen forderten, den Steinbruch Nahal Rabba in der Samaria Gate Industrial Zone sofort milien von Palästinenser*innen abwickeln, die zu schließen und das Gebiet ökologisch wiederherzustellen. Der deutsche Konzern HeidelbergCe- in israelischen Gefängnissen sitzen oder inhaf- ment, über sein Tochterunternehmen Hansen Besitzer des Steinbruchs, verstößt mit dem Betrieb tiert waren. Das meldete die palästinensische eines Siedler-Steinbruchs in besetztem Gebiet gegen das Völkerrecht. Nachrichtenagentur Maan. Die Sanktionen traten ab dem 30. Dezember in Kraft. Tel Aviv nimmt sich auch das Recht heraus, notfalls Menschenrechtsaktivist Issa Amro verurteilt das Geld zu konfiszieren. Bereits im Mai hatte D er Menschenrechtsaktivist Issa Amro aus Al Khalil/Hebron ist am 6. Januar von einem israeli- die jordanische Cairo Amman Bank den Famili- schen Militärgericht zu sechs Monaten Haft verurteilt worden. Amnesty International, die EU und en der Gefangenen mitgeteilt, sie sollten sich viele andere setzen sich für ihn und den Schutz aller Menschenrechtsverteidiger*innen in Israel und eine andere Bank suchen, wie die Nachrich- Palästina ein. tenagentur AP berichtete. Einige ihrer Filialen wurden daraufhin mit Molotowcocktails ange- griffen. Die Palästinenser*innen fürchten, die Fokolar-Bewegung wählt Palästinenserin anderen 13 Bankhäuser, die auf der Westbank D ie neue Präsidentin der weltweiten katholischen Fokolar-Bewegung ist die 58-jährige Margaret aktiv sind, könnten dem Beispiel der Cairo Karram. Die israelische Palästinenserin wurde für sechs Jahre gewählt, teilte die Bewegung mit. Amman Bank folgen. 03
Palästina Journal · Nachrichten aus Palästina Wieder Sicherheitskooperation mit Israel Razzien bei Familien D ie Palästinensische Autonomiebehörde (PA) hat die Sicherheitskooperation mit Israel wieder 6 .402 Mal ist das israelische Militär in den Jahren aufgenommen, wie Mitte November bekannt wurde. Im Mai 2020 hatte die palästinensische Füh- 2017/18 nach Angaben des UN-Büros für die Koordi- rung die Zusammenarbeit mit den israelischen Sicherheitskräften im Blick auf die beabsichtigte nierung humanitärer Angelegenheiten in palästinen- Annexion von Teilen des Westjordanlandes aufgekündigt. In der Hoffnung auf eine Weiterführung sische Häuser in den besetzten Gebieten eingedrun- der Oslo-Verhandlungen unter US-Präsident Joe Biden wurde sie wieder aufgenommen. gen. Ein Haftbefehl oder auch nur ein Grund für einen Verdacht ist nicht erforderlich. Die Soldat*innen drin- gen in die Häuser ein, um den Palästinenser*innen PLO-Generalsekretär Saeb Erekat verstorben „das Gefühl zu geben, verfolgt zu werden“, um „ihre Anwesenheit zu demonstrieren“, um Foto // © World Economic Forum / Faruk Pinjo die Häuser und ihre Bewohner*innen zu „kartogra- fieren“. Die Implikationen sind schrecklich: Eltern, die für den Bericht befragt wurden, sprachen davon, dass ihre Kinder Langzeitsymptome wie Angst, Über- empfindlichkeit und Schlafstörungen sowie aggres- sives Verhalten entwickeln. Die Eltern selbst entwi- ckelten ähnliche Symptome. Der Bericht analysiert Zeugenaussagen von Ex- Soldat*innen und Palästinenser*innen, und be- schreibt den Einsatz von Invasionen – die fast immer nachts stattfinden. Diese Einsätze fänden ständig statt – durchschnittlich neun Mal pro Nacht. Viele Soldat*innen berichteten sogar, dass sie manchmal zum Zweck der Ausbildung oder der Erprobung neu- er Ausrüstung durchgeführt wurden („Sie mussten P LO-Generalsekretär Saeb Erekat ist im November 2020 im Alter von 65 Jahren in Jerusalem mit das Aufbrechen der Türen üben“). Covid-19 verstorben. Der prominente Politiker war langjähriger Chefunterhändler in den palästi- nensisch-israelischen Verhandlungen. Erekat studierte in San Francisco und Bradford und lehrte als Politikwissenschaftler an der Universität Nablus. Der weltgewandte Diplomat war überzeugt, dass Rekordzahl bei der Nahostkonflikt nur auf dem Verhandlungsweg gelöst werden kann. Hauszerstörungen I n einem vor kurzem veröffentlichten UN-Bericht über Hauszerstörungen und Vertreibungen in der Siedlergewalt Westbank ist eine Rekordzahl von Abrissen und I sraelische Armeen, private Sicherheitsdienste und Siedler*innen verüben im Schnitt monatlich Beschlagnahmungen verzeichnet. Im November zehn Angriffe auf Kindergartenkinder, Schüler*innen, Lehrer*innen und Einrichtungen. Dies ergab 2020 haben die israelischen Behörden 178 palästi- eine Untersuchung des Norwegian Refugee Councils für den Zeitraum Januar 2018 bis Juni 2020. nensische Gebäude im Westjordanland abgerissen, Dreiviertel der insgesamt 296 Übergriffe führte das israelische Militär aus, darunter Überfälle auf beschlagnahmt oder deren Bewohner*innen zum Schulen, Festnahmen von Kindern in Schulen und an Checkpoints und Schüsse auf Kinder. Abriss gezwungen. „Das ist die höchste Zahl in einem einzigen Monat, seit OCHA im Jahr 2009 begann, diese Praxis systematisch zu do- Fares und seine Schafherde kumentieren“. 158 Menschen wurden vertrieben. A m 7. Oktober 2020 kam Fares mit seiner Herde zum Weiden aus seinem Dorf A-Tha’ala (South Über 1000 weitere Personen wurden beeinträchtigt. Hebron Hills). Drei Siedler aus Havat Ma’on griffen ihn und seine Herde an. Sie hetzten ihren Hund Alle Gebäude, bis auf eines, das als Kollektivstrafe auf ihn und seine Schafe. Das Ergebnis: zwei Schafe starben, sechs wurden verletzt und 15 Schafe abgerissen wurde, befanden sich in der C-Zone oder hatten eine Fehlgeburt. Als der Hund Fares angriff, war er gezwungen, das Tier mit einem Stein zu Ost-Jerusalem und wurden aufgrund fehlender Bau- bedrohen, um es fernzuhalten. Die Siedler fotografierten dies und reichten eine Beschwerde gegen genehmigungen, die für Palästinenser*innen fast Fares ein, er habe Steine auf sie geworfen. Soldat*innen verhafteten ihn. Am nächsten Tag reichte unmöglich zu erhalten sind, gezielt zerstört. Fares Familie bei der Polizei Beschwerde ein. Nach 23 Tagen wurde Fares gegen Kaution freigelas- https://www.icahd.de/ocha-bericht-westbank- sen und bis zu seinem Prozess vor Gericht unter Hausarrest gestellt. Keiner der Angreifer wurde zerstoerungen-und-vertreibung-november-2020/ verhaftet. https://www.icahd.de/sagt-nicht-ihr-haettet-es-nicht-gewusst-nr-722/ UN schützen Frauen Kollaborateure erhalten keine Staatsbürgerschaft U N Women bezuschusst zusammen mit der ka- 4 .284 Palästinenser*innen, denen Kollaboration mit Israel vorgeworfen wird und deren Leben in nadischen Regierung den Ausbau der bestehenden Palästina gefährdet ist, haben zwischen 2016 und 2019 versucht, in Israel eine Aufenthaltsberechti- Frauen-Schutzräume in der Westbank und in Gaza: gung zu bekommen. Nur elf Personen, d.h. 0,2 Prozent haben eine solche erhalten. Diese Zahlen hat- Mehwar Centre for the Protection and Empower- te die medizinische Organisation Physicians for Human Rights (PHR) bei der israelischen Regierung ment of Women and Families in Bethlehem, angefragt. PHR setzt sich dafür ein, dass diese Personen in Israel dann auch Krankenversicherung Al Bayt Al Aman in Nablus, Bait Al Tawarea in und Arbeitserlaubnis erhalten. Jericho und das Hayat Centre in Gaza. 04 · Ausgabe 17 · April 2021
Nachrichten aus Palästina Foto // SAMIDOUN UN fordern Freilassung von Maher Al-Akhras beendet nach 103 Tagen ehemaligem Gaza-Direktor von seinen Hungerstreik World Vision N ach 103 Tagen hat Maher Al-Akhras seinen Hungerstreik beendet, nachdem die D ie Anklage Israels gegen Mohammed el-Ha- Besatzungsbehörden versprachen, seine Administrativhaft nicht zu erneuern. Am labi, dem ehemaligen Direktor von World Vision 27. Juli 2020 wurde er in seinem Haus in der Nähe der Stadt Jenin verhaftet und in Gaza, wog schwer. Er habe Geld an die Hamas ohne Anklage oder Gerichtsverfahren inhaftiert, mit der Behauptung, dass er eine umgeleitet. Über vier Jahre später, nachdem Bedrohung für die israelische Sicherheit darstelle. Nach 91 Tagen Streik hatte sich Maher al-Akhras darf Be el-Halabi immer noch im israelischen Gefäng- der Gesundheitszustand des Gefangenen stark verschlechtert, und er befand sich such von seiner Tochter im nis sitzt, er Folter und über 140 nicht-öffentliche in Lebensgefahr. Er hatte Schwierigkeiten zu sprechen und fiel mehrmals ins Koma. Krankenhaus empfangen Verhandlungstage hinter sich hat, fordern vier UN-Sonderberichterstatter*innen seine sofortige Freilassung oder ein sofortiges faires Gerichtsver- Verbesserte Arbeitserlaubnis für Israel fahren. World Vision und die australische Regie- Z ukünftig sollen palästinensische Arbeiter*innen aus dem besetzten Palästina in Israel selber über rung, die das Geld gab, haben den Vorwurf über- eine Arbeitserlaubnis verfügen und dadurch unabhängiger von ihren Chef*innen werden. Bislang ist prüft und keine Bestätigung gefunden. die Arbeitserlaubnis im Besitz des israelischen Arbeitgebers bzw. der israelischen Arbeitgeberin. Besetzung ist Apartheid Palästinas Kulturgüter und die israelische Besatzung I m Westjordanland begeht Israel systematisch V on Jericho, der ältesten noch bewohnten Stadt bis hin zum ersten religiösen Pilgerort Jerusalem ver- Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Form fügt Palästina über reiche archäologische Stätten. Das historische und kulturelle Erbe Palästinas ist eine eines Apartheidregimes, dessen Opfer die paläs- Quelle des Nationalstolzes, der die nationale, kulturelle, soziale und wirtschaftliche Identität des Landes tinensische Bevölkerung ist», hat die israelische nachhaltig geprägt hat. Auf Palästinas Territorium befinden sich nach Angaben der palästinensischen Juristen-NGO Yesh Din in einem Rechtsgutachten Mission in Deutschland rund 7.000 archäologische Stätten. Mehr als die Hälfte davon sind in Gebieten, festgestellt. Es handele sich um ein Verbrechen die unter vollständiger israelischer Kontrolle sind. 200 Stätten liegen inzwischen in israelischen Siedlun- der Apartheid, weil die israelischen Behörden gen. Weitere 1.000 Stätten sind durch den Bau der Annexionsmauer beschädigt oder zerstört worden. im Kontext der Beherrschung und Unterdrückung einer nationalen Gruppe durch eine andere natio- nale Gruppe unmenschliche Handlungen, Politiken Palästinensischer AuSSenminister besucht Berlin und Praktiken umsetzen, die dem im Völkerrecht D er palästinensische Außenminister Dr. Riyad Al-Malki hat im November in Berlin Bundesaußen- definierten Tatbestand unmenschlicher Handlun- minister Heiko Maas getroffen. Im Verlauf der Pandemie habe Deutschland so viel „medizinische gen entsprechen. Zum Beispiel: Verweigerung von Ausrüstung (für Palästina) zur Verfügung gestellt, wie niemand sonst.“ Jetzt seien noch ein- Rechten einer nationalen Gruppe; Verweigerung mal 50 Beatmungsgeräte dazugekommen. Maas informierte, dass Deutschland eine aktivere Rolle von Ressourcen einer Gruppe und deren Übertra- mit Blick auf die Rückkehr zum palästinensisch-israelischen Dialog spielen wolle. gung auf eine andere Gruppe; physische und recht- liche Trennung zwischen den beiden Gruppen; die Anwendung unterschiedlicher Rechtssysteme, um Gewalt gegen Kinder nur einige zu nennen. Wie das Gutachten weiter I m vergangenen Jahr haben israelische Besatzungstruppen Gewalt und schwere Verstöße ge- festhält, verfolge die israelische Regierung im gen palästinensische Kinder verübt. 2020 dokumentierte die NGO Defense for Children Internati- Westjordanland einen Prozess der «schrittweisen onal Palestine (DICP) 79 Fälle, in denen palästinensische Kinder aus der Westbank in israelischen Annexion». Gefängnissen inhaftiert und misshandelt wurden. Fast 85% der Kinder gaben an, im Verlauf ihrer Inhaftierung körperlich misshandelt worden zu sein, 68% berichteten von Fesselungen ihrer Beine, 91% wurden die Augen verbunden, so das DCIP. Die israelischen Besatzungstruppen hatten die Präsident Abbas fordert Frie- meisten der Kinder nachts aus ihren Häusern geholt und verhaftet (57%). Zudem erfuhren 76% nicht denskonferenz die Gründe ihrer Verhaftung. P räsident Mahmud Abbas hat bei der UN-Gene- ralversammlung im September 2020 eindringlich an UN-Generalsekretär António Guterres appel- Jüdischer Nationalfonds engagiert sich für Siedlungen liert, eine Nahost-Friedenskonferenz zu organisie- D er Jüdische Nationalfonds (JNF) ist künftig offiziell in der Westbank am Ausbau der völkerrechts- ren. Die Konferenz soll „dem palästinensischen widrigen Siedlungen beteiligt. Der JNF arbeitet seit seiner Gründung im Jahr 1901 als zentrales Volk seine Unabhängigkeit und Freiheit in Instrument für die Kolonisierung Palästinas. Bis heute ist festgeschrieben, dass Land in JNF-Besitz einem eigenen Staat zu garantieren,“ sagte ausschließlich für Jüdinnen und Juden reserviert ist. Abbas in seiner Rede, die in der UN-Generalde- batte als Videobotschaft ausgestrahlt wurde. Ziel müsse die Beendigung der israelischen Besatzung Druck auf Hamas-Kandidat*innen sein und das palästinensische Volk in den Grenzen D er israelische Inlandsgeheimdienst hat bereits damit begonnen, Kandidat*innen der Hamas für von 1967 seine Freiheit und Unabhängigkeit mit die Wahlen unter Druck zu setzen, damit diese ihre Kandidatur aufgeben, wie die Haaretz-Redak- Ost-Jerusalem als Hauptstadt erhalten. Für die teurin Amira Hass berichtet. Die Drohungen reichen von Telefonanrufen bis zu Administrativhaft (da Flüchtlinge müsse eine Lösung auf Basis der UN- braucht es keinen Grund für die Festnahmen). Aus diesen Gründen könne man unter Besatzung nicht Resolution 194 getroffen werden. von freien Wahlen reden, so Amira Hass. 05
Palästina Journal · Kommentare US-Nahost-Politik: Normalisierungs-Abkom- nichts Neues men: erneuter Verrat D D ie neue US-Administration unter Biden propa- ie vom ehemaligen US-Präsident Donald Kommentare giert „Gerechtigkeit, Respekt und Diversität“. Trump auf Wunsch des israelischen Minister- Mal sehen, was in der Praxis aus den schö- präsidenten Benjamin Netanjahu initiierten nen Worten wird. Klar ist aber jetzt schon: Die Annäherungen einiger arabischen Staaten zu Palästinenser*innen sind damit wieder mal nicht gemeint. Israel dienen nicht dem Frieden in Nahost oder zwischen Das ist das Ergebnis der mehrstündigen Senatsanhörung Israel und Palästina, wie von den beiden suggeriert wird. des designierten Außenministers Blinken. Man wolle zu Im Vordergrund stehen eigene politisch-strategische und dem Atom-Vertrag mit dem Iran zurückkehren, der von wirtschaftliche Interessen. So werden die Golfstaaten Trump einseitig gekündigt worden war, „wenn sich der mit einer so genannten Normalisierung und Anerkennung Iran zur Erfüllung verpflichtet“. Gleichzeitig versicher- Israels angelockt, um sich für eine Allianz gegen den ver- te Blinken, weiterhin fest an der Seite Israels zu stehen. meintlichen gemeinsamen Feind Iran zur Verfügung zu Offenbar will sich das Biden-Team weder mit der Israel- stellen. Zurzeit ist Saudi-Arabien diesem Pakt noch nicht Lobby, der Rüstungs- und „Sicherheits“-industrie, noch mit beigetreten, obwohl der mächtige Kronprinz Mohammad Netanjahu anlegen. Dieser hatte sich ja als intimer Trump- bin Salman darauf drängt. Es wird vermutet, dass der alte Kompagnon sehr schwer getan, Bidens Wahlsieg anzuer- König sich zurückhaltend verhält, so dass möglicherweise kennen. Sein schließlicher Kurswechsel bewies erneut nach seinem Ableben diese Allianz Israel/USA/Golfstaa- seine Skrupellosigkeit. Da hätte es der Fürsprache von Bun- ten komplettiert wird. desaußenminister Maas bei Biden gar nicht mehr bedurft. Während die Golfstaaten eine palästinafeindliche Blinken hat weder von Israels ausuferndem Siedlungs- Strategie verfolgen, ist die Motivation vom Sudan und bau, von den Rechten der Palästinenser*innen und ihrer Marokko noch fragwürdiger. Für die Normalisierung zu Is- kolonialen Unterdrückung, noch von den kriegerischen rael wird das Königreich Marokko dadurch geködert, dass Aktivitäten Israels in der Region gesprochen. Dafür aber, die Besetzung der Westsahara anerkannt wird, sowohl dass die Sicherheit des „jüdischen und demokrati- von den USA als auch von seinem neuen Freund Israel schen Staates sakrosankt“ sei. So ermahnte er beide als Besatzer Palästinas. Auch der arme, bis dahin von den Seiten heuchlerisch, „keine einseitigen Schritte zu USA mit Sanktionen belegte Sudan wird für seine Aner- unternehmen“. Nichts Neues! Die Trump-Politik, u.a. kennung Israels „gekauft“, und im Nu ist er aus der Liste die demonstrative Verlegung der Botschaft von Tel Aviv terroristischer Staaten gestrichen. nach Jerusalem sowie der Einkauf arabischer Diktaturen, Ägypten (1979) und Jordanien (1994) haben Frie- um ihre Anerkennung Israels zu erreichen, wurde aus- densverträge mit Israel abgeschlossen, in die sie die drücklich befürwortet. Die vom Westen immer wieder im Palästinenser*innen nicht eingeschlossen haben. Seitdem Munde geführte „Zwei-Staaten-Lösung“ wurde zwar als bestehen diplomatische Beziehungen zu Israel – ohne Randnotiz wiederholt, aber, so Blinken sinngemäß, diese Normalisierung. Beide Staaten setzten sich auf diplomati- sei derzeit nicht aktuell. Die BDS-Kampagne zur Durch- schem Weg für eine Unabhängigkeit Palästinas ein. setzung des Völkerrechts wurde – unter Berufung auf Die Vereinigten Arabischen Emirate nehmen offiziell Biden selbst – auf entsprechende Fragen aus dem rech- diplomatische Beziehungen zu Israel auf und hoffen, um ten Republikaner-Lager wie Cruz und Graham abgelehnt, der Kritik der Palästinenser*innen zu entgehen, angeblich weil sie Israel einseitig anprangere. Israel sei auch kein auf die Aussetzung von weiteren Annexionen durch Isra- rassistischer Staat. Beide Positionen trafen auf lebhafte el. Israel hätte wahrlich eine noch bessere Option als die Zustimmung im Senat. Der letzte Punkt sollte auch als diplomatische Anerkennung durch die Vereinigten Arabi- klare Absage auf ein Interview mit der palästinesisch- schen Emirate (VAE), Marokko oder Sudan gehabt: Die stämmigen Abgeordneten der Demokratischen Partei, Staatschefs von 56 arabischen und islamischen Staaten Rashida Tlaib, gewertet werden. Diese hatte Israel kurz waren bereit, normale Beziehungen zu Israel aufzuneh- vor der Senatsanhörung ausdrücklich als rassistisch cha- men, wenn es den von Saudi-Arabien ausgearbeiteten rakterisiert, nicht zuletzt aufgrund der Impf-Strategie der Friedensplan von 2002 akzeptiert hätte. Der Plan sieht israelischen Regierung, die die Palästinenser*innen aus- immer noch vor, dass die arabische und islamische Welt grenzt und eindeutig Apartheid-Charakter trägt. (einschließlich Iran) ihre Beziehungen zu Israel normali- Blinken wurde vom republikanischen Senator Graham siert, wenn sich Israel auf seine Grenzen vor dem Sechs- als „bemerkenswerte Wahl“ gelobt. Nun ist er neuer US- Tage-Krieg von 1967 zurückzieht und die Besatzung be- Außenminister – neu ist allerdings, wie es sich abzeichnet endet. Außerdem umfasst der Plan die Gründung eines – nur die Person. Die deutsche Bundesregierung und die palästinensischen Staates wie er in den internationalen EU können sich beruhigt zurücklehnen und ihren völker- Abkommen vorgesehen war. Israel hat nie auf dieses rechtswidrigen Kurs in Sachen Israel/Palästina fortsetzen. Angebot reagiert und damit eine historische Chance ver- Es sei denn, es finden endlich mehr Menschen den Mut, passt. Dass die neue Beziehung zwischen Israel und den die Mainstream-Politik zu einem Kurswechsel zu zwingen. VAE die vorgesehene Annexion stoppt, ist eine Mär. Die so genannten Normalisierungsabkommen sind Hermann Dierkes nichts anderes als eine Belohnung für Verstöße gegen das Völkerrecht, Waffendeals und ein erneuter Verrat am Recht der Palästinenser*innen. 06 · Ausgabe 17 · April 2021 Nazih Musharbash
Deutschland, EU und Nahost Deutschland, EU und Nahost Frankreich ignoriert Eine EU-Delegation hatte am 17. November aus Ein-Staat-Realität mit ungleichen Rechten Menschenrechtsgerichtshof Protest gegen die neue Siedlung mit knapp 1.300 und ewigem Konflikt. Dies ist die Zukunft [ ] Frankreich widersetzt sich dem Urteil des Euro- Wohneinheiten den Ostjerusalemer Stadtteil der Region, die sowohl inakzeptabel als auch päischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), Givat Hamatos besucht. Das proisraelische Isra- strategisch nicht machbar ist.“ „In diesem so das palästinensische Webportal electronic inti- elnetz berichtete, jüdische Aktivist*innen hätten Bemühen sollten die EU und die europäi- fada. Das einstimmige Urteil des Gerichtshofs im die Diplomat*innen als „Antisemiten“ und „Ter- schen Länder ihre Führungsrolle demonst- Juni 2020 hatte die strafrechtlichen Verurteilungen rorunterstützer“ beschimpft; sie sollten „nach rieren, indem sie ihre Möglichkeiten an ver- von elf französischen Aktivist*innen für die palästi- Europa zurückgehen“. fügbaren politischen Instrumenten nutzen“, nensischen Rechte aufgehoben. Das Gericht stellte schrieben sie. fest, dass die Verurteilungen der Aktivist*innen wegen des Aufrufs, israelische Waren zu boykot- Bundesregierung kritisiert tieren, gegen die in der Europäischen Menschen- Israel wegen Givat Hamatos KOSOVO UND TSCHECHIEN rechtskonvention garantierte Meinungsfreiheit [ ] Die Bundesregierung nehme die Veröffentli- ERÖFFNEN BOTSCHAFT verstießen. Es ordnete an, dass die französische chung der Ausschreibungen zum Bau der Siedlung IN JERUSALEM Regierung rund 7.000 Euro Schadenersatz an Givat Hamatos in Ost-Jerusalem mit großer Sorge [ ] Kosovo und Tschechien haben entschieden, jede/n der Aktivist*innen zahlen muss und sprach zur Kenntnis, erklärte das Auswärtige Amt. „Die- Botschaften in Jerusalem zu eröffnen. Ein solcher ihnen ihre Prozesskosten zu. Dennoch gab das fran- ser Schritt sendet das falsche Signal zur fal- Schritt steht im Widerspruch zum Völkerrecht und zösische Justizministerium ein Memorandum an schen Zeit.“ Der Siedlungsbau in den besetzten der EU-Politik und verstößt gegen die UN-Resolu- die Staatsanwält*innen heraus, in dem diese auf- Gebieten sei nicht mit dem Völkerrecht vereinbar tion 478 aus dem Jahr 1980, die die Einrichtung gefordert werden, weiter gegen Aktivist*innen zu und gefährde die Möglichkeit einer verhandelten diplomatischer Missionen in Jerusalem verbietet. ermitteln, die zum Boykott Israels aufrufen. Nach Zwei-Staaten-Lösung. „Das Ausschreibungs- Ansicht der Rechtsexpert*innen Richterin Ghislain verfahren für Givat Hamatos sollte gestoppt Poissonnier und Rechtsprofessor Nicolas Boeglin, werden. Wir hoffen und erwarten, dass die KRITIK AN GYSI ziele das neue Memorandum „offensichtlich da- israelische Regierung ihr Bekenntnis zur [ ] Gregor Gysi, der das Abkommen Israels mit den rauf ab, die Bestrafung von Boykottaufrufen Zwei-Staaten-Lösung erneuert und durch Vereinigten Arabischen Emiraten kritiklos begrüß- nach französischem Vorbild beizubehalten“. praktische Schritte untermauert.“ te, ist innerparteilich dafür getadelt worden. „So sehr die Normalisierung der Beziehungen zwischen den arabischen Staaten und Israel EU-AuSSenbeauftragter Parlamentarier*innen drängen zu wünschen ist, so sehr setzt sie ein Ende Josep Borrell kritisierte Sied- EU-AuSSenminister*innen der fortgesetzten Unterdrückung und Ent- lungsbau in Givat Hamatos [ ] Rund 450 europäische Parlamentarier*innen rechtung der Palästinenser*innen und eine [ ] Der EU-Außenbeauftragter Josep Borrell hat haben einen Brief an die Außenminister*innen Absage an jegliche Annexion voraus“, heißt das Ausschreibungsverfahren für den Bau von in Europa unterzeichnet. Darin werden sie auf- es beim Bundesarbeitskreis Nahost der Linken. Wohneinheiten für eine völlig neue Siedlung in gefordert, den Wechsel in der US-Regierung zu Givat Hamatos kritisiert. Er erklärte am 15. No- nutzen, um den Druck auf Israel zu erneuern, da- vember 2020 in Brüssel: „Dies ist ein Schlüs- mit es seine „De-facto-Annexion“ des Westjord- Kein Schutz für selstandort zwischen Jerusalem und Beth- anlandes stoppt. Unter den Unterzeichner*innen EU-Entwicklungshilfe lehem im besetzten Westjordanland. Jeder sind Abgeordnete aus 22 europäischen Ländern, [ ] Die Europäische Union habe bei mehreren Siedlungsbau wird den Aussichten auf einen sowie Mitglieder des EU-Parlaments. Die große Gelegenheiten „Israel auch aufgefordert, EU- lebensfähigen und zusammenhängenden pa- Mehrheit gehört Parteien der linken Mitte an, wie finanzierte Vermögenswerte, die abgerissen, lästinensischen Staat und, allgemeiner, der den Sozialdemokrat*innen und den Grünen. Knapp demontiert oder beschlagnahmt wurden, zu- Möglichkeit einer verhandelten Zweistaa- zehn Prozent kommen aus Deutschland, von Diet- rückzugeben oder zu entschädigen. Im Jahr tenlösung im Einklang mit den international mar Bartsch (Die Linke) über Franziska Brantner 2020 waren 114 mit EU-Mitteln finanzierte vereinbarten Parametern und mit Jerusalem (Grüne) bis Dietmar Nietan (SPD). Einrichtungen betroffen, und die EU setzt als künftiger Hauptstadt zweier Staaten Die Parlamentarier*innen stellen in ihrem Brief sich in der Öffentlichkeit dafür ein, dass der schweren Schaden zufügen.“ Er betonte, die fest, dass die Entwicklungen vor Ort „auf eine EU-Vertreter in den besetzten palästinensi- „EU hat Israel wiederholt dazu aufgefordert, schnell fortschreitende De-facto-Annexion“ schen Gebieten gemeinsam mit den Missi- alle Siedlungsaktivitäten zu beenden und die hindeuten, „insbesondere durch den beschleu- onschefs der EU-Mitgliedstaaten relevante seit März 2001 errichteten Außenposten ab- nigten Siedlungsausbau und den Abriss pa- Orte in der Zone C der besetzten palästi- zubauen. Es bleibt die feste Position der EU, lästinensischer Strukturen“. Diese Politik, so nensischen Gebiete besucht, wobei derzeit dass die Siedlungen nach internationalem stellten sie fest, „eliminiert die Möglichkeit ei- weitere Maßnahmen zum Schutz von EU- Recht illegal sind.“ ner Zwei-Staaten-Lösung und verfestigt eine Investitionen erwogen werden.“ Dies teilte die 07
Palästina Journal · Deutschland, EU und Nahost Europäische Kommission am 15. Januar 2021 auf missbrauchen, um legitime Kritik an Israel auf, ihre Zusammenarbeit und ihren Dialog auf eine Anfrage aus den Europa-Parlament mit. und seiner Politik, insbesondere gegenüber der Grundlage weiterer gegenseitiger Zusagen, Der US-Journalist Ramzy Baroud beobachtet, dass dem palästinensischen Volk und im Zusam- auch im Hinblick auf die COVID-19-Pandemie, zu trotz gelegentlicher Proteste, die EU-Mitglieder menhang mit der israelischen Besatzung der vertiefen. In diesem Zusammenhang begrüßten die israelische Botschaft verstanden haben. Die palästinensischen Gebiete, zu unterdrücken sie den Beschluss der Palästinensischen Behör- Gesamtzahl der 2019 im C-Gebiet der Westbank oder als antisemitisch zu stigmatisieren, die de, die Zusammenarbeit auf der Basis von Israels unterstützten Projekte sei auf zwölf gesunken, um Bemühungen zur Bekämpfung des Antisemi- Bekenntnis zu früheren bilateralen Übereinkünften einiges weniger als noch vor Jahren. tismus gefährden wird und daher zurückge- wiederaufzunehmen. wiesen werden sollte.“ Ein gerechter und dauerhafter Frieden soll auf der Der Bericht schließt mit einer stark eingeschränk- Grundlage des Völkerrechts, der einschlägigen Re- Top-Diplomat*innen in Hebron ten Befürwortung: „In Anbetracht der obi- solutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nati- [ ] Diplomatische Vertreter*innen aus 17 Län- gen Ausführungen begrüßt ECRI die nicht onen und der vereinbarten Parameter, wie in der dern, darunter auch EU-Mitglieder, haben im Ok- rechtsverbindliche IHRA-Arbeitsdefinition Arabischen Friedensinitiative, unterstützt werden. tober 2020 palästinensische Gemeinden auf den von Antisemitismus in dem Sinne, dass sie Eine verhandelte Zweistaatenlösung soll auf der Hügeln von Süd-Hebron, Masafer Yatta, besucht, ein besseres Verständnis von Antisemitis- Grundlage der Grenzen vom 4. Juni 1967 basieren deren Bewohner*innen Israel zu vertreiben ver- mus unterstützt und fördert. (...) Obwohl und der Resolution des UN-Sicherheitsrats, die sucht. Zuletzt wurde das Gebiet zu einer militäri- es sich weder um eine Definition handelt, die Entstehung eines unabhängigen und lebens- schen Schießzone (firing zone) erklärt. die in einem internationalen Vertrag enthal- fähigen palästinensischen Staates gewährleistet, Im Dorf Khirbet al-Majaz besuchten die Teil ten ist, noch um eine Definition, die in Ge- der neben einem sicheren und anerkannten Staat nehmer*innen die örtliche Schule, die mit EU- richtsverfahren verwendet werden soll, noch Israel besteht. Mitteln gebaut wurde und trafen auf Gemeinde um eine universell anerkannte akademische Mit den Vereinten Nationen soll ein umfassender, vorsteher*innen zusammen. Die Tour, bei der Definition, ist ECRI der Ansicht, dass sie ein gerechter und dauerhafter Frieden in der Region die neuesten Sicherheitsrichtlinien von Covid-19 positives Instrument sein kann und ermutigt auf der Grundlage der international anerkannten eingehalten wurden, wurde von den israelischen die Mitgliedsstaaten des Europarates, sie zu Parameter leichter herbeigeführt werden. NGOs Breaking the Silence und B‘Tselem organi- berücksichtigen, insbesondere in den Berei- Der Bau und die Erweiterung von Siedlungen siert. Seit 2006 und bis Ende September 2020 hat chen Datenerhebung, Bildung und Bewusst- sowie die Beschlagnahme palästinensischer Ge- B‘Tselem den Abriss von 66 Gebäuden dokumen- seinsbildung.“ bäude und Grundstücke verstoßen gegen das Völ- tiert, in denen 358 Menschen, darunter 163 Min- https://rm.coe.int/opinion-ecri-on-ihra-wd- kerrecht und untergraben die Realisierbarkeit der derjährige lebten. Seit Anfang 2012 hat B‘Tselem on-antisemitism-2755-7610-7522-1/1680a091dd Zweistaatenlösung. Das humanitäre Völkerrecht auch den Abriss von 21 Nicht-Wohngebäuden in in den 1967 besetzten palästinensischen Gebieten diesen Gemeinden dokumentiert. einschließlich Ost-Jerusalems muss eingehalten Aufwertung der IHRA werden. durch Deutschland Zusammensetzung, Charakter und Status der 1967 EU wird Wahlprozess [ ] Außenminister Maas verstärkt das deut- besetzten palästinensischen Gebiete einschließ- in Palästina begleiten sche Engagement für die International Holocaust lich Ost-Jerusalems muss bewahrt werden. Der [ ] EU-Wahlbeobachter*innen werden die Wahlen Remembrance Alliance IHRA. Er möchte „dafür traditionelle und rechtliche Status quo der heiligen in Palästina unterstützen. Die Zentrale Wahlkom- sorgen, dass die IHRA auf Augenhöhe mit Stätten in Jerusalem ist aufrechtzuerhalten. mission (CEC) in Palästina hatte dazu eine Einla- anderen internationalen Organisationen Die Friedensverträge zwischen arabischen Staa- dung an die Europäische Union und das Europäische wahrgenommen wird. Die Anerkennung als ten und Israel, einschließlich der kürzlich unter- Parlament ausgesprochen. Der EU-Vertreter Sven internationale Institution nach dem Gast- zeichneten Übereinkünfte, sind ein Beitrag zur Bei- Kuhn von Burgsdorf betonte die Unterstützung der staatgesetz ermöglicht dies. Und wir setzen legung des israelisch-palästinensischen Konflikts EU zur Abhaltung freier und fairer Wahlen im Ein- damit auch ein Zeichen für die internationale auf der Grundlage der Zweistaatenlösung. klang mit internationalen Standards und ihre Rolle Zusammenarbeit, die wir – sowohl bei der Er- Alle Parteien einschließlich des internationalen als langjährige Schlüsselpartnerin (die EU). Die Be- innerung an die Schrecken der Vergangenheit Quartetts und seiner potenziellen internationalen teiligung der gesamten palästinensischen Bevölke- als auch für die Gestaltung unserer Zukunft Partner sollen kollektive Anstrengungen und prak- rung am Wahlprozess sei wichtig, so von Burgsdorf – unbedingt brauchen.“ Die Bundesregierung tische Schritte unternehmen, um glaubwürdige und müsse, einschließlich der Beteiligung der Be- hat im März 2021 eine Rechtsverordnung auf den Verhandlungen über alle Endstatusfragen im Nah- völkerung in Ost-Jerusalem sichergestellt werden. Weg gebracht, mit der der International Holocaust ostfriedensprozess zu fördern. Remembrance Alliance (IHRA) die Rechtspersön- Die Bemühungen um die palästinensische Aus- lichkeit einer internationalen Institution verliehen söhnung und die Bereitschaft zu Wahlen werden Kritische Stellungnahme wird. Damit genießt die IHRA dann die für diese begrüßt, die Bemühungen Ägyptens, die Spaltung zur IHRA Organisationsform vom Gaststaatgesetz vorgese- innerhalb der Palästinenser*innen zu überwinden, [ ] Die Europäische Kommission gegen Rassis- henen Immunitäten und Befreiungen. unterstützt. mus und Intoleranz (ECRI), ein offizielles Gremium Das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Paläs- von Menschenrechtsexpert*innen, die von den tinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) stellt Mitgliedsstaaten des Europarates ernannt wer- Treffen in Kairo zum Nahost- humanitäre Hilfe und grundlegende Dienste für die den, hat am 2. Dezember 2020 eine Stellungnah- friedensprozess palästinensischen Flüchtlinge bereit. Die internati- me zur IHRA-Definition verabschiedet, in der sie [ ] Nach einem gemeinsamen Treffen am 11. onale Gemeinschaft muss ihre Zusagen gegenüber Bedenken gegen die Definition äußert: „ECRI Januar 2021 in Kairo zum Nahostfriedensprozess dem UNRWA erfüllen. betont nachdrücklich, dass jeder Versuch, riefen die Außenminister von Deutschland, Frank- Zuletzt fand das mittlerweile fünfte Treffen der die Arbeitsdefinition und ihre Beispiele zu reich, Jordanien und Ägypten, Israel und Palästina vier Außenminister am 11. März in Paris statt. 08 · Ausgabe 17 · April 2021
Schwerpunkt // Wege der Frauen Palästinensischer Widerstand von Frauen Ahed al-Tamimi und die Frauen von Jubbet al-Thi’b A uf lokaler Ebene gibt es zahllose Die Frauen von Jubbet al-Thi’b: lernt, wie man Unterstützung bekommen kann. Sie Beispiele, wie in Palästina auf die Im Beduinen-Weiler Jubbet al-Thi’b, südöstlich wandten sich an lokale wie internationale Zeitun- unterschiedlichste Art und Weise von Jerusalem, kämpfen palästinensische Frauen gen, Radio und Fernsehen. Außerdem erhielten sie Widerstand geleistet wird, gegen sowohl gegen die Besat- Hilfe von zwei palästinensisch-israelischen NGOs, die Besatzung, gegen autoritäre Unterdrü- zung als auch gegen die Bimkom und Comet-Me. Und schließlich schaltete ckung und für ein Leben in Freiheit und Wür- autoritäre Politik der pa- sich die diplomatische Community ein, allen voran de. Hier nur zwei Beispiele: lästinensischen Lokalver- die niederländische Botschaft und die Regierung waltung. Sie sind außerge- sowie das Parlament in Den Haag. wöhnliche Frauen mit ihrer Die al-Tamimi Familie Bereitschaft, Initiative zu Der erste Erfolg war ein rudimentäres Stromnetz, mit Ahed al-Tamimi, die einen ergreifen, stur ihre berech- gespeist von Sonnenkollektoren und Diesel. Die- israelischen Besatzungs tigten Ziele zu verfolgen Fadia al-Wahsh ses wurde Ende 2016 durch Comet-Me gebaut. soldaten ohrfeigte und, wo immer möglich, Schon im Sommer 2017 konfiszierte die israeli- Unterstützung zu holen. Sie haben schnell gelernt, sche Armee (Jubbet al-Thi’b befindet sich im C- Foto // Fadi Quran wie wichtig die Rolle der Presse ist. Gebiet der West Bank, wo die israelische Armee die volle Kontrolle ausübt) die Sonnenkollektoren. Dabei hatten sie aber nicht mit den Frauen von Foto // Helga Baumgarten Jubbet al-Thi’b und mit der niederländischen Po- litik gerechnet. Die Sonnenkollektoren waren aus den Niederlanden finanziert worden, und von dort wurde derart massiver Druck auf die israelische Regierung ausgeübt, dass die Sonnenkollektoren zurückgegeben wurden: eine einzigartige Aktion. Inzwischen sind die Frauen im Dorf entscheidend weitergekommen. Sie haben eine Frauenorganisa- tion gegründet und offiziell registriert. Eine Grund- schule wurde im Dorf gebaut (und man hofft, dass die israelische Armee die Androhung des Abrisses Ahed al-Tamimi mit ihren Eltern nicht umsetzen wird). Eine Straße zum nächsten Dorf, in dem die größeren Kinder zur Schule ge- Die Bewohner*innen des Dorfes Nabi Saleh bei hen, wurde gebaut. Es gibt inzwischen fließendes Ramallah leisten seit Jahren Widerstand gegen Wasser im Dorf. die Expansion israelischer Siedlungen in ihrer Nachbarschaft. Dieser Widerstand wird mit durch- Was noch fehlt, ist der Anschluss an das Elektrizi- weg friedlichen Demonstrationen durchgeführt, Solaranlage in Jubbet al-Thi’b tätsnetz, denn die Sonnenkollektoren reichen nicht an dem das gesamte Dorf, oft mit Unterstützung aus, um das ganze Dorf 24 Stunden am Tag mit durch Menschen aus der Umgebung, auch Studie- Alles begann 2014. Eine Gruppe von Frauen hatte Strom zu versorgen. Dabei gibt es bis dato noch renden aus der Universität Birzeit, teilnimmt. Die schlicht genug von den unerträglichen Lebensbe- Schwierigkeiten mit dem palästinensischen Elek- israelische Armee schlägt diese Demonstrationen dingungen: kein fließendes Wasser, kein Strom, trizitätswerk und der Militärverwaltung. Bimkom immer wieder mit brutaler Gewalt nieder. Ahed al- keine Straße vom Dorf zur nächsten Ortschaft, zur ist dabei, diese Probleme zu lösen. Tamimi nahm schon als Jugendliche an diesen De- Schule ihrer Kinder. Entscheidend war für sie die monstrationen teil. Weltberühmt wurde sie durch Gesundheit der Kinder. Einen weiteren Erfolg konnten die Frauen für sich die Schlüsselszene, die ihre Mutter filmte und auf verbuchen: Sie entgingen der Gefahr der Korrup- YouTube verbreitete: Aus Wut und Entsetzen über Die Frauen nahmen ihr Schicksal und das ihrer tion. Fadia al-Wahsh formuliert dies ganz klar: die Verletzung ihres Cousins ohrfeigte Ahed einen Kinder in ihre Hände und begannen beim Bürger- „Wir akzeptieren kein Geld. Wie bitten dar- israelischen Soldaten. Ahed wurde dafür gar als meister des Nachbardorfes eine Anbindung ihres um, dass uns durch Arbeit, durch Bauen und palästinensische Jeanne d’Arc gefeiert. Weilers an das Stromnetz zu fordern. Die zweite durch Installierung z.B. von Sonnenkollekto- Forderung war eine akzeptable Wasserversor- ren geholfen wird.“ Die Ohrfeige hatte bittere Folgen für sie. Sie wur- gung. Zuerst versuchte man, die Frauen abzuwim- de verhaftet und verurteilt. Inzwischen studiert meln. Aber Fadia al-Wahsh und ihre Mitstreiterin- sie Jura an der Universität Birzeit, um später als nen ließen sich nicht unterkriegen. Juristin für das Recht ihrer Mitbürger*innen zu kämpfen. Durch ihre Kontakte mit den palästinensischen Helga Baumgarten, Politologin und Historikerin, unterrichtet NGO Medical Relief Committees hatten sie ge- seit vielen Jahren an der Universität Birzeit/Palästina 09
Palästina Journal · Schwerpunkt // Wege der Frauen Frauenbefreiung nicht auf später verschieben „Wir fordern Solidarität“ – Interview mit Fidaa Zaanin I n Palästina stehen Frauen gegen patriarchale Foto // Privat Gewalt und Besatzung auf; tausende nahmen an den Demonstrationen im Jahr 2019 teil. Aufgrund von Corona waren in den letzten Mo- naten solche Proteste nicht mehr möglich. Haydar Kizilbas und Alia Ka haben sich mit Fidaa Zaanin, einer palästinensischen, sozialistischen Feminis- tin aus Gaza, die seit einigen Jahren in Deutsch- land lebt, getroffen, um über die Tal3at-Bewegung der palästinensischen Frauen zu sprechen. Am 26. September 2019 gab es in Berlin eine Kundgebung in Solidarität mit der und als Teil der Tal3at-Bewegung. Was waren die Anliegen der Protestierenden? Fidaa Zaanin: „Tal3at“ bedeutet „auf die Straße zu gehen“, um gegen Gewalt zu protes- tieren, egal, welches System hinter dieser Gewalt steckt. Der Aufruf kam nach der Ermordung von Is- raa Ghrayeb. Sie war ein junges palästinensisches Mädchen, das in Beit Sahour, im Westjordanland, Fidaa Zaanin, palästinensische, sozialistische Feministin aus Gaza von ihrer Familie umgebracht wurde. Deswegen hat Tal3at Frauen dazu aufgerufen, auf die Straße Ist diese Bewegung eine spontane oder stehen richtig. Ich würde niemals zu einer Demonstration zu gehen, um die Gewalt gegen Frauen anzupran- längere Organisierungsprozesse dahinter? Und gehen, auf der israelische Soldatinnen stehen, nur gern und um klarzumachen, dass es keine Befrei- was sind die Perspektiven für diese Bewegung? weil sie Frauen sind. Einfach eine Frau zu sein ist ung für das palästinensische Volk gibt, ohne die Zaanin: Es ist eine ganz spontane Bewegung. für mich keine Gemeinsamkeit, es ist eine politi- Befreiung der Frauen in Palästina. Man kann das Es gibt einen Anstieg der Morde an Frauen, der sche Frage. Ich könnte mit so einer Frau den gan- Thema der Frauenbefreiung nicht auf später ver- sogenannten Ehrenmorde, in Palästina besonders zen Tag demonstrieren und am nächsten Tag kann schieben, nachdem die Befreiung des palästinen- innerhalb der 1948er-Gebiete. Die Tal3at-Proteste sie an einem Checkpoint eine Waffe an meinen sischen Volkes erreicht wurde. haben ja auch in Haifa angefangen. Und wir haben Kopf halten. Das sind aber nicht die Worte, die auf deren Aufruf geantwortet, in Berlin, Gaza, Bei- diese Leute hören wollen. Es ist ja auch nicht das erste Mal, dass palästi- rut und in den Geflüchtetenlagern. nensische Frauen Teil der politischen Bewegung Was wären, deiner Meinung nach, die Pflichten sind … In Deutschland wird über die Proteste geschwie- von linken Bewegungen hier in Deutschland, um Zaanin: Ja, klar. Sogar schon unter dem britischen gen. Warum eigentlich? eure Kämpfe zu unterstützen? Mandat in den 1930er-Jahren haben Frauen ange- Zaanin: Zum Protest am 26. September 2019 vor Zaanin: Solidarität. Transnationale feministische fangen, ihre eigenen Gemeinschaften zu gründen, dem Rathaus Neukölln war keine deutsche Pres- Solidarität mit Palästina, im Kontext des Lebens hauptsächlich um anderen Frauen in sozialen Fra- se da. Ich denke, es hatte auch etwas mit den unter dem Siedlerkolonialismus. Die Leute soll- gen zu helfen. Sie haben politische Arbeit unter Slogans zu tun. Weil die Frauen gesagt haben: ten unsere Sache weitertragen. Informationen dem Kolonialismus gemacht. Aber danach, mit der „Althowra did al thakaria w’al isti3maar“, weiterzugeben kann ein revolutionärer Akt sein. zweiten Intifada und der Form, die der Widerstand also „Revolution gegen das Patriarchat und Damit Leute von den Protesten hören, durch pa- angenommen hat, wurde die Rolle, die Frauen den Kolonialismus“. So haben die deutschen lästinensische Stimmen. Das ist das Wichtigste, eingenommen haben, immer kleiner. Gerade nach Feminist*innen vielleicht verstanden, dass die dass sie palästinensische Frauen sprechen hören. dem Oslo-Abkommen, durch Mengen an Geld, das Proteste sich nicht nur gegen palästinensische Und es ist wichtig zu sagen, dass Palästina nicht nach Palästina floss und dadurch, wie der Wider- braune Männer richten, sondern auch gegen den befreit werden kann, solange Frauen nicht befreit stand NGO-isiert wurde, wurden auch ihre politi- Zionismus. Deswegen passt es vielleicht einfach sind. Auch in unseren Räumen hier in Deutsch- schen Kämpfe vereinnahmt. nicht in die Kriterien der Deutschen. Nach dem land, Großbritannien und überall. Es geht darum, Oft wurden Frauen in politischen Räumen ausge- Motto: „Wie könnt ihr es wagen Israel zu kri- den Diskurs von Tal3at und den Frauen, die auf schlossen und sogar von ihren eigenen Genossen tisieren und nicht nur eure palästinensischen der Straße protestieren, aufzugreifen. Wir fordern marginalisiert. Was die Frauen sagen, ist: „Nein, brauen Männer?“ Solidarität. ihr könnt uns nicht ausschließen, ihr könnt nicht Ich kann mich erinnern, wie sie über den Frau- so weitermachen, wie ihr es die letzten 70 Jahre enstreik in Tel Aviv berichtet haben: „Es ist so getan habt“. Wir sagen nein, wir werden es auf cool, es ist so bunt … Palästinensische Frau- unsere Art machen, und nicht auf die Art, wie ihr, en gehen zusammen mit israelischen Siedle- Die Redaktion dankt dem „The Lower Class Magazine“ in Ber- die Männer, es haben wollt. rinnen auf die Straße …“. Aber das ist nicht lin für das Interview. 10 · Ausgabe 17 · April 2021
Liebe Mitglieder und Interessierte, schlechtere Lage in und um Palästina schwindet. Der israelische Minister- Auf Ein Wort es freut uns sehr, dass das Palästina Journal so gut ange- präsident Netanjahu nutzt diese Situation schamlos und völkerrechtswidrig nommen und positiv bewertet wird. Die vielen Rückmel- aus und treibt die evidente schleichende Annexion von Land sowie den Bau dungen ermutigen uns, in der gewohnten Qualität und der von illegalen kolonialen Wohneinheiten auf beschlagnahmtem palästinen- bewährten Aufmachung weiter zu arbeiten. sischem Grund und Boden massiv voran. Joe Biden, als neuer US-Präsident, Die seit über 50 Jahren andauernde israelische Besatzung könnte einiges korrigieren, jedoch wesentliche, aus Israels Sicht wichtige beeinträchtigt den Alltag in Palästina. Erschwerend kommt Entscheidungen, kaum ändern. Und so bleibt Präsident Abbas nichts ande- Nazih Musharbash die Corona-Pandemie mit all ihren Auswirkungen hinzu. Poli- res übrig als die Beziehungen zu den USA wieder aufzunehmen. Präsident tische und militärische Gewalt sowie zunehmende Arbeitslo- Ab dem 22. Mai sollen endlich Parlaments- und Präsidentschaftswahlen Deutsch-Palästinensische Gesellschaft e.V. sigkeit, beengte Wohnverhältnisse, unzureichende Gesund- in ganz Palästina stattfinden. Fatah und Hamas treten als die zwei größten heitsversorgung und Armut entladen sich oft in häuslicher Parteien an und sie wollen gemeinsam die Zukunft Palästinas bestimmen. Gewalt, unter der viele palästinensische Frauen leiden. Vermehrt kämpfen Erstaunlich ist nur, dass ein Hamas-Funktionär verlangt, dass auch die in palästinensische Frauenrechtlerinnen für Reformen in der Gesetzgebung Israel lebende palästinensische Bevölkerung an der Wahl teilnehmen soll, auf der einen und für gravierende Veränderungen im gesellschaftlichen Le- wissend, dass die Hamas die Errichtung des angestrebten Staates Palästi- ben auf der anderen Seite – und sagen tradierten patriarchalen Sitten und na in den 1967er Gebieten am 1. Juli 2017 in Doha proklamierte. Handelt es Traditionen den Kampf an. Diese Balance zwischen Emanzipation und Tra- sich hier um eine Abkehr oder um eine Falle? Ein Sonderfall bleibt das von dition ist ein sensibler, wie ein notwendiger Akt. Die DPG unterstützt u.a. Israel völkerrechtswidrig annektierte Ost-Jerusalem, dessen palästinensi- Projekte vor Ort auf der Basis „Hilfe zur Selbsthilfe“ und versucht Frauen sche Bürger*innen voraussichtlich wieder einmal nicht abstimmen dürfen. und deren Familien ein besseres Einkommen zu ermöglichen. Insgesamt bleibt zu hoffen, dass das Ergebnis demokratischer Wahlen auch Die Corona-Pandemie, die globale Schäden verursacht hat, erfordert die von allen Beteiligten in Palästina, wie auch von den für einen Friedenspro- volle Aufmerksamkeit der Menschen in allen Ländern. Es scheint so zu sein, zess einflussreichen Staaten akzeptiert wird! dass dadurch die Aufmerksamkeit in der Weltpolitik auf die zunehmend Nazih Musharbash, DPG-Präsident Kundgebung zum interna Kein Impfstoff für Palästina? Keine Ahndung tionalen Tag der Solidarität [ ] Israel kommt seinen Verpflichtungen nicht von Kriegsverbrechen? mit Palästina in Bonn nach, die Bevölkerung in Palästina mit ausrei- [ ] Die Bundesregierung hat sich beim In- [ ] Zu einer corona-konformen Palästina- chend Impfstoff zu versorgen. Die DPG hat des- ternationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Kundgebung hatten Organisationen am 29. halb an Bundeskanzlerin Angela Merkel appelliert Haag dafür eingesetzt, dass dieser nicht für die November 2020 in Bonn aufgerufen. Im Aufruf ihren „Einfluss geltend zu machen, um dafür Aufklärung von Kriegsverbrechen in Palästina hieß es: „Am 19. November 2020 verab- zu sorgen, dass die palästinensische Bevöl- zuständig ist. Die DPG kritisiert diese Position schiedete die UN-Generalversammlung kerung in der von Israel besetzten Westbank von Bundesaußenminister Maas scharf: Er sei mit einer Mehrheit von 163 zu 5 Staaten und im faktisch ebenfalls besetzten und unter „der Rechtsauffassung, dass der IStGH zum wiederholten Mal eine Resolution, mit langjähriger Blockade leidenden Gazastreifen und seine Anklagebehörden aufgrund des der das Recht des palästinensischen Volkes möglichst sofort in den Stand gesetzt wird, Fehlens des völkerrechtlichen Elements auf Selbstbestimmung, einschließlich des sich in der gleichen Quantität und Qualität der Staatlichkeit von Palästina nicht zu- Rechts auf einen unabhängigen Staat Paläs- wie die israelische Bevölkerung selbst gegen ständig sei“ und nehme „billigend in Kauf, tina betont wird. Seit 1977 begeht die UNO Covid-19 impfen zu lassen.“ Israel lasse zwar dass Kriegsverbrechen auf beiden Seiten den 29. November alljährlich als Tag der seine Bevölkerung im Rekordtempo gegen das weder untersucht noch geahndet werden Internationalen Solidarität mit Palästina. Corona-Virus impfen, vernachlässige aber seine sollen.“ Doch dies reicht nicht aus!“ Deshalb forder- Pflichten gegenüber den Palästinenser*innen. ten die beteiligten Organisationen Deutsch-Pa- lästinensischer Frauenverein, Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost e.V., BDS-Gruppe Bonn, Bonner Jugendbewegung, Werden Sie Mitglied in der Institut für Palästinakunde Bonn e.V., Deutsch- Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft Palästinensische Gesellschaft NRW-Süd e.V., für ein Frauenwege Nahost, Antikriegs-AG Aufstehen Palästina Bonn: „Schluss mit den illegalen Siedlungen, der Besatzung der Westbank und der Be- lagerung Gazas! Abriss aller Mauern und ohne Besatzung Zäune in der Westbank und um Gaza! Voll- ständige Gleichberechtigung der arabisch- palästinensischen Bürger*innen Israels! Anerkennung des Rechts der palästinensi- schen Flüchtlinge auf Rückkehr!“ Foto // George Rashmawi Bitte die Beitrittserklärung ausfüllen, unterschreiben und in einem Briefumschlag Wenn Sie mit der DPG für ein friedli- senden an: ches Zusammenleben aller Menschen im Nahen Osten eintreten und Mit- Deutsch-Palästinensische Gesellschaft e.V. glied der DPG werden wollen, dann trennen Sie diesen Abschnitt ab und Dr. Ribhi Yousef senden Sie ihn ausgefüllt an die an- Bismarckstraße 111 gegebene Anschrift! 47057 Duisburg Palästina-Kundgebung am 29. November 2020 in Bonn
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