NEUANFÄNGE - KINO KULTUR HAUS 09-10/2021 - Filmarchiv Austria

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NEUANFÄNGE - KINO KULTUR HAUS 09-10/2021 - Filmarchiv Austria
09–10/2021

                                              S
                                     ULTUR HAU
                               KINO K

 NEUANFÄNGE
 SPIELFILMDEBÜTS ÖSTERREICHISCHER REGISSEURINNEN

HOUCHANG ALLAHYARI | GÖTZ SPIELMANN
NEUANFÄNGE - KINO KULTUR HAUS 09-10/2021 - Filmarchiv Austria
INHALT

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         68 08
NEUANFÄNGE - KINO KULTUR HAUS 09-10/2021 - Filmarchiv Austria
INHALT

AUSSTELLUNG
KINO WELT WIEN | BIS 9.1.2022                            04
RETROSPEKTIVEN
NEUANFÄNGE | 10.9.–19.10.                                08
HOUCHANG ALLAHYARI | 16.9.–13.10.                        30
GÖTZ SPIELMANN | 7.10.–20.10.                            44
KINOSTARTS
GOLI JAN | 9.9.–22.9.                                    59
1 VERABREDUNG IM HERBST | 5.10.–17.10.                   61
REIHEN
JÜDISCHER FILMCLUB WIEN | 8.9.–6.10.                     62
LIVING COLLECTION | 13.9.                                66
SECOND LIFE | 14.9.–12.10.                               68
WILD FRIDAY NIGHT | 17.9.                                70
KINDER KINO KLASSIKER | 2.10.–17.10.                     72
EIN ABEND MIT ELSA KREMSER UND LEVIN PETER | 20.10.      74
SPECIALS
LANGE NACHT DER MUSEEN | 2.10.                           76
BUCHPRÄSENTATION: DER FÄDENZIEHER | 4.10.                78
IN MEMORIAM INGRID HAMMER | 4.10.                        80
FESTIVALS
SLASH | 23.9.–3.10.                                      82
JÜDISCHES FILMFESTIVAL WIEN | 8.10.–12.10.               84
SATYR FILMWELT                                           88
CLUB                                                     90
SPIELPLAN                                                92
NEUANFÄNGE - KINO KULTUR HAUS 09-10/2021 - Filmarchiv Austria
PROGRAMM 5.9.–20.10.2021

              Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher,
              laufend aktualisierte Informationen zu den geltenden
              Covid-19-Schutzmaßnahmen finden Sie auf www.filmarchiv.at.
NEUANFÄNGE - KINO KULTUR HAUS 09-10/2021 - Filmarchiv Austria
EDITORIAL

     N   eu anfangen. Für viele heute keine Option, sondern ein
         Muss. Nicht ob, sondern wie sich eine Gesellschaft ver­
     ändert und sich den großen Herausforderungen stellt, ist die
     Frage. Neuanfänge, die erste Retrospektive nach dem Kino­
     sommer, zeigt die Entwicklung, die für weibliche Filmschaffende
     in Österreich zum hart erkämpften Aufbruch führte. Eine Rück­
     schau auf das Werk von inzwischen etablierten Regisseurinnen
     und eine Vorschau auf jenes der Next Generation. Wenn je­
     mand für einen integrativen, sogar therapeutischen Ansatz
     im sozialen Miteinander steht, dann der Austro-Iraner und
     gelernte Psychiater Houchang Allahyari, dessen im Februar
     geplante Schau anlässlich seines 80ers nun endlich im METRO
     stattfinden kann. Sein Kinostart GOLI JAN feiert ebenfalls im
     September Premiere. Das Potenzial, das in Scheitern, Schmerz
     und Brüchen liegt, ist für Götz Spielmann, der sich spätestens
     mit seiner Auslandsoscarnominierung 2009 auch internatio­
     nal auf die Landkarte setzte, ein kreatives Leitthema. Zu sehen
     sind erstmals zwei dokumentarische Arbeiten aus der Zeit
     an der Filmakademie, im Rahmen der Eröffnung wird zudem
     der neue, ihm gewidmete Band der Edition »Film Geschichte
     Österreich« präsentiert. Mit dem zweiten Kinostart schafft
     Sebastian Brauneis jahreszeitliche Fakten: 1 VERABREDUNG
     IM HERBST widmet sich der Liebe und lädt zum Filmfrühstück.
     Einen fast intimen Blick in die Vorführkabine des METRO
     Kinokulturhaus gestattet die Lange Nacht der Museen.
     Der Film ist eingelegt, wir machen weiter.

     Ernst Kieninger und das Filmarchiv-Team

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NEUANFÄNGE - KINO KULTUR HAUS 09-10/2021 - Filmarchiv Austria
AUSSTELLUNG BIS 9. JÄNNER 2022

»W      ann immer es möglich war, ging ich ins Weltbildkino oder ins Poppenwimmer.
        Schrecklich war das Jugendverbot. In der nahen Kirche hab’ ich dann ein
Gebet ausgestoßen, dass ich in die Filme reinkomme.« So wie Erika Pluhar verbinden
viele WienerInnen ganz persönliche Geschichten und Erlebnisse mit »ihrem« Kino.
Die aktuelle Ausstellung im METRO Kinokulturhaus erzählt anhand von einzigartigen
Schaustücken, Laufbildern und Dokumenten die 125-jährige Geschichte eines magi­
schen Raumes und seiner zeitlosen Faszination. Von über 200 Lichtspielhäusern,
die einst das Stadtbild prägten, existieren heute noch knapp 30. Sie hinterließen
und hinterlassen weiter ihre Spuren auch in den Erinnerungen ihres Publikums.
Es sind Traumorte der Stadt.
Das Filmarchiv Austria freut sich auf Ihre Kinogeschichten: kinoerinnerungen@filmarchiv.at.
Kostenloses Digitorial zur Ausstellung auf www.filmarchiv.at.
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                         AVSEN
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                            HANGSUSTAV
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                                         ÖAWCEHNASTTY

GUSTAV MACHATÝ

EKSTASE                                 SSSS
BLU-RAY/DVD MIT BOOKLET UND BONUSMATERIAL

           Gustav Machatýs Meisterwerk EKSTASE erregte mit seinen Nackt­
           szenen Skandale. In einem internationalen Restaurierungsprojekt ist
           es dem Filmarchiv Austria nun gelungen, sämtliche noch existierende
           Originalquellen in einer Neurekonstruktion zu vereinen, digital zu
           restaurieren und die Ursprungsfassung wiederherzustellen.

           Erhältlich in der Satyr Filmwelt im METRO Kinokulturhaus
           und im Webshop unter www.filmarchiv.at.
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KINO WELT WIEN | AUSSTELLUNG

KULTURVERMITTLUNG
IN DER »KINO WELT WIEN«
Das Filmarchiv Austria bietet ein zielgruppenorientiertes Vermittlungsprogramm
für Schüler- und Studentengruppen sowie Individualpersonen an. Für Gruppen sind
Führungen auch außerhalb der Öffnungszeiten (vormittags) buchbar. Bitte richten
Sie Ihre Anfrage an kulturvermittlung@filmarchiv.at.

Für alle Führungen gilt eine beschränkte TeilnehmerInnenzahl. Informationen zu
den geltenden Covid-19-Schutzmaßnahmen finden Sie auf www.filmarchiv.at.

Anmeldung erbeten bis Montag vor dem jeweiligen Führungstermin unter
kulturvermittlung@filmarchiv.at.

Weitere Informationen auf www.filmarchiv.at/education.

MI 15.9., 18:00 | MI 29.9., 18:00 | MI 27.10., 18:00
THEMENFÜHRUNG
In unseren Themenführungen durchwandern Sie historische und aktuelle Kinogrätzel,
erkunden den Apparat Kino und die wechselvolle Wiener Kinogeschichte.

MI 13.10., 18:00
KURATORINNENFÜHRUNG
Kuratorin Martina Zerovnik gibt vertiefende Einblicke in die Geschichte und
Topografie der Kinostadt Wien.

Dauer: jeweils 90 min
Kosten: 8,50 | ermäßigt 7,– | FAA-Club 6,– | Uni-Club 5 ,–
Alle Angebote können mit dem Kombiticket auch mit einem Kinobesuch
verbunden werden.

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NEUANFÄNGE - KINO KULTUR HAUS 09-10/2021 - Filmarchiv Austria
NEUANFÄNGE
SPIELFILMDEBÜTS ÖSTERREICHISCHER
REGISSEURINNEN 1999–2021
RETROSPEKTIVE VOM 10. SEPTEMBER BIS 19. OKTOBER 2021

A   m Anfang steht ein Film wie ein Befreiungsschlag: NORDRAND von Barbara Albert
    feiert 1999 am Filmfestival von Venedig seine umjubelte Premiere. Und plötzlich
ist alles anders. Nicht nur ist dieser erste österreichische Spielfilm einer Regisseurin
im Wettbewerb auf einmal in aller Munde, er löst auch eine neue Welle im heimischen
Filmschaffen aus – vom »österreichischen Filmwunder« ist die Rede. Darüber hinaus,
und das ist wohl sein noch größerer Verdienst, bricht er einen Bann, der bis dahin
über den Filmemacherinnen gelegen ist, und sorgt für die breite öffentliche Wahr­
nehmung ihrer Arbeiten und Anliegen – auch weit über die Landesgrenzen hinaus.
Der von Isabella Reicher herausgegebene Band Eine eigene Geschichte. Frauen Film Österreich seit
1999 bildet einen essenziellen Ausgangspunkt für diese Retrospektive und wird im Rahmen der
Eröffnung präsentiert. Die Schau findet in Kooperation mit FC Gloria – Frauen Vernetzung Film statt.

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NEUANFÄNGE | RETROSPEKTIVE

ES IST VIEL PASSIERT
FLORIAN WIDEGGER

M   it dem Wind der Veränderung, der um die Jahrtausendwende in der österreichi­
    schen Filmszene weht, werden junge, weibliche Stimmen laut, die auf den großen
Festivals Anklang finden und exzellente Kritiken erhalten. Ein enormer Qualitäts­
schub macht sich bemerkbar und definiert den heimischen Film formal, ästhetisch
und inhaltlich neu. Nicht von ungefähr ist Barbara Albert eine der wesentlichen Prot­
agonistinnen dieser »Nouvelle Vague Viennoise«, deren Ausgangspunkt einige Kurz­
filme bilden, mit denen sie und ihre MitstudentInnen bereits an der Filmakademie
auf sich aufmerksam machen: Albert ist, ebenso wie Jessica Hausner, eine der Mit­
begründerInnen der Produktionsfirma coop99 und tritt auch als Drehbuchautorin
für die ersten Langfilme von Ruth Mader und Nina Kusturica in Erscheinung. Filme­
macherinnen, deren Blicke das österreichische Kino bis heute prägen.
Es ist ein Kino, das vor allem weibliche Figuren ins Zentrum rückt und damit Fragen
nach ihrer Identität, ihrem Platz in der Gesellschaft stellt und von Selbstermächtigung,

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NEUANFÄNGE | RETROSPEKTIVE

Emanzipation und Rebellion gegen männliche dominierte Systeme erzählt. Ein Kino,
das auf diesem Weg auch die Situation der Filmemacherinnen selbst reflektiert, die
sich im Lauf der letzten beiden Jahrzehnte nur langsam zum Besseren gewendet hat.
Der 2018 von Filminstitut und Bundeskanzleramt veröffentlichte Film Gender Report
2012–2016 erhob zum einen, dass nur 20 Prozent der Herstellungsförderung Projekten
mit Frauen in der Funktion Regie, Produktion oder Drehbuch zugesprochen wurden,
und zum an­deren, dass niedrige Förderbeträge überproportional häufig an Projekte
mit hohem Frauenanteil gingen. Seit 1. Juli 2021 ist nun ein Fördermodell in Kraft,
das die Budgets in den kommenden Jahren schrittweise angleichen soll, ohne dabei
den Fokus auf inhalt­liche, künstlerische und wirtschaftliche Qualität aus den Augen
zu lassen.

Neuanfänge ist als Titel in doppelter Hinsicht programmatisch: Die Zusammen­stellung
ermöglicht eine umfassende Rückschau auf insgesamt 30 Arbeiten, die eine inzwi­
schen etablierte und die ihr nachfolgende Generation junger, vielver­sprechender Filme­
macherinnen vereint. Und es ist ein hoffnungsvoller Auftakt für ein Kino, das aufräumt
mit leeren Bekenntnissen, das weibliche Geschichten, Perspektiven und Ideen ins
Zentrum rückt und kompromisslos feiert. Es wird noch viel passieren!

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NEUANFÄNGE | RETROSPEKTIVE

 FR 10.9., 19:00 | SA 25.9., 21:00

NORDRAND
Barbara Albert, A/D/CH 1999
BUCH Barbara Albert | KAMERA Christine A. Maier | MIT Nina Proll, Edita Malovčić, Michael Tanczos,
Tudor Chirilă, Georg Friedrich, Astrit Alihajdaraj, Margarethe Tiesel  103 min | Farbe, dt. OF, 35mm

Wien, im Winter 1995. Jasmin und Tamara kennen sich seit ihrer Schulzeit, nun treffen
sie sich in einer Abtreibungsklinik wieder, als der erste Schnee fällt. Jasmin will weg
von ihrer Familie, ihrem gewalttätigen Vater, ihrem Chef, der sie geschwängert hat,
ihrem Freund Wolfgang, der sie ebenfalls schlägt. Tamara ist unglücklich in ihrer
Beziehung mit Roland, einem Grundwehrdiener im Grenzeinsatz. Die beiden jungen
Frauen freunden sich wieder miteinander an … NORDRAND ist in vielerlei Hinsicht
ein echter Neuanfang und Ausgangspunkt zahlreicher Karrieren vor und hinter der
Kamera. »Die wunderbaren Darsteller geben NORDRAND ein Zentrum, ein Herz,
das berührt und verletzt, erheitert und irritiert, also Dinge zuwege bringt, die im
österreichischen Film seit jeher rar sind.« (Die Presse) (fw)

FR 10.9.: In Anwesenheit von Barbara Albert und Edita Malovčić.
Buchpräsentation Eine eigene Geschichte. Frauen Film Österreich seit 1999
mit Herausgeberin Isabella Reicher. Freier Eintritt für FAA-Clubmitglieder
(mit Begleitung).

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NEUANFÄNGE | RETROSPEKTIVE

 SA 11.9., 17:30 | SO 19.9., 18:00

VOLLGAS
Sabine Derflinger, A 2002
BUCH Sabine Derflinger, Maria Scheibelhofer | KAMERA Bernhard Pötscher | MUSIK Johannes Konecny
MIT Henriette Heinze, Simon Schwarz, Gregor Bloéb, Philomena Wolflingseder, Carmen Gratl
96 min | Farbe, dt. OF, 35mm

Party, Party, Party! Für Kellnerin Evi gibt es in der Wintersaison fast nichts anderes.
Im Dauerkampf gegen ihren größten Feind, den Schlaf, sind Wodka, Tschick und One-
Night-Stands ihre besten Freunde. Nach langen Arbeitstagen und -nächten hangelt
sie sich von Rausch zu Rausch, statt mit ihrer kleinen Tochter Paula, die bei Evis
Schwester lebt, Zeit zu verbringen. Irgendwann merkt sie, dass dieses Leben falsch
für sie ist, doch der Weg heraus aus der Spirale entpuppt sich als Herausforderung,
an der die junge Frau zu zerbrechen droht … Sabine Derflinger erzählt in ihren
Filmen immer wieder von weiblichen Kämpfernaturen, die es mit dem männlichen/
kapitalistischen System aufnehmen und dabei zu sich selbst finden. VOLLGAS birgt
wegen des kritischen Blicks auf den enthemmten (Après-)Skitourismus zusätzliche
Brisanz. (fw)

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NEUANFÄNGE | RETROSPEKTIVE

 SA 11.9., 19:30

HOCHWALD                                                                                      PREVIEW

Evi Romen, A/BE 2020
BUCH Evi Romen | KAMERA Martin Gschlacht, Jerzy Palacz | MUSIK Florian Horwath
MIT Thomas Prenn, Noah Saavedra, Josef Mohamed, Ursula Scribano-Ofner, Elisabeth Kanettis
108 min | Farbe, dt. OF, DCP

Im Südtiroler Bergdorf gilt der 20-jährige Mario als Außenseiter und Paradiesvogel.
Als eines Tages sein Schulfreund Lenz auftaucht, sieht er in ihm die Chance auf ein
neues Leben abseits der Kleingeistigkeit, die ihn umgibt. Lenz, der Sohn einer wohl­
habenden Winzerfamilie, nimmt ihn mit nach Rom, wo sich Mario endlich seinen
Traum erfüllen will, Tänzer zu werden. Lenz hingegen strebt eine Karriere als Schau­
spieler an. Doch das Schicksal hat etwas anderes mit den beiden vor, als sie einen
Abend in der Disco verbringen … HOCHWALD entpuppt sich als wuchtiger, moderner
Anti-Heimatfilm, der mit seiner Themenvielfalt und seinen zahlreichen Wendungen
viel riskiert und mit leichter Hand unter einen Hut bringt. Ein Film, nach dem es
definitiv viel zu reden gibt! (fw)

»FC Gloria Kinosalon on Location« mit Evi Romen, Bady Minck (Produktion),
Karina Ressler (Schnitt), Katharina Wöppermann (Szenenbild), Cinzia Cioffi
(Kostüm), Moderation: Wilbirg Brainin-Donnenberg.

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NEUANFÄNGE | RETROSPEKTIVE

 SO 12.9., 18:30 | SO 26.9., 21:00

DIE VATERLOSEN
Marie Kreutzer, A 2011
BUCH Marie Kreutzer | KAMERA Leena Koppe | MUSIK David Hebenstreit | MIT Johannes Krisch, Andreas Kiendl,
Andrea Wenzl, Emily Cox, Philipp Hochmair, Marion Mitterhammer, Sami Loris, Pia Hierzegger
104 min | Farbe, dt. OF, 35mm

»Muss doch voll schön gewesen sein hier als Kind.« War es wohl auch, betrachtet man
das abenteuerliche Anwesen und die gesellschaftliche Spielwiese der kleinen Kommune.
Doch die einstige Unbeschwertheit erscheint in einem ganz anderen Licht, als sich
anlässlich des Todes von Häuptling Hans die »Familie« zusammenraufen muss. Niki,
Vito, Kyra und Mizzi – nicht alle seine leiblichen Kinder – sind nun einen überpräsen­
ten, dennoch nie da gewesenen Vater los und im baufälligen Haus ihrer Vergangenheit
konfrontiert mit der jeweiligen Gegenwart. Magisch bebilderte Erinnerungsstücke
fügen sich langsam zu einer gemeinsamen Geschichte zusammen und offenbaren
gleichzeitig ihre Leerstellen, während der Abschied Träume und Traumata wieder­
belebt. Ein kraftvolles Debüt über Bindung, Freiheit und das große Dazwischen. (sb)
SO 12.9.: In Anwesenheit von Marie Kreutzer.

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NEUANFÄNGE | RETROSPEKTIVE

 SO 12.9., 21:00 | FR 1.10., 18:30
VORFILM: FREMDE | Kathrin Resetarits, A 2000 | 29 min | Farbe, dt. OF, DCP

STRUGGLE
Ruth Mader, A 2003
BUCH Ruth Mader, Martin Leidenfrost, Barbara Albert | KAMERA Bernhard Keller | MIT Aleksandra Justa,
Gottfried Breitfuß, Margit Wrobel, Martin Brambach, Rainer Egger  76 min | Farbe, dt. OF, 35mm

Zwei Milieustudien über Arbeitswelten, mit starken dokumentarischen Zügen: Zunächst
steht eine junge Frau mit Kind zwischen Alltag und Job am Flughafen im Zentrum.
STRUGGLE folgt ebenfalls einer Mutter: Ewa muss als Leiharbeiterin schlecht bezahlte
Jobs annehmen, ob am Erdbeerfeld oder im Geflügelschlachthof, um für sich und ihre
Tochter das Nötigste zu verdienen. Ihrer Geschichte gegenüber steht die eines Immobi­
lienmaklers, dem finanzielle Nöte fremd sind, der sich aber dafür umso mehr nach
menschlicher Nähe sehnt. In ihrem Überlebenskampf gehen beide an körperliche und
seelische Grenzen … STRUGGLE verhandelt den Verlust der Menschenwürde in der
Wohlstandsgesellschaft anhand präziser Bilder und pointierter Dialoge und war auf
über 100 Filmfestivals ein großer internationaler Erfolg. (fw)
SO 12.9.: In Anwesenheit von Ruth Mader.
Eine Veranstaltung in Kooperation mit ray Filmmagazin.

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NEUANFÄNGE | RETROSPEKTIVE

 MO 13.9., 18:30 | SO 3.10., 18:00
VORFILM: TWINNI ODER SO
Lisa Weber, A 2012
12 min | Farbe, dt. OF, DCP

TWINNI
Ulrike Schweiger, A 2003
BUCH Ulrike Schweiger, Michael Tanczos
KAMERA Michi Riebl | MIT Diana Latzko,
Maria Hofstätter, Ingrid Burkhard
90 min | Farbe, dt. OF, 35mm

Sommer 1980. Die 14-jährige Jana zieht mit Mutter und Schwester zur Oma aufs
Land. Im Dorfalltag findet sie sich langsam zurecht, knüpft Freundschaften und
verdreht Burschen den Kopf. Vor allem hat sie sich aber ein Ziel gesetzt, das für
Aufsehen sorgt: Sie will unbedingt Ministrantin werden … Eine charmante, wieder­
entdeckenswerte Austro-Variation auf LA BOUM und Co. (fw)
MO 13.9.: In Anwesenheit von Ulrike Schweiger.

 MO 13.9., 21:00 | FR 24.9., 21:00
LOVELY RITA

Jessica Hausner, A/D 2001
BUCH Jessica Hausner | KAMERA Martin Gschlacht
MIT Barbara Osika, Christoph Bauer, Peter Fiala,
Wolfgang Kostal, Karina Brandlmayr
79 min | Farbe, dt. OF, 35mm

Rita ist 14 und lebt mit ihren Eltern am Stadtrand. In der Klosterschule will sie nicht
so recht dazugehören, Freunde hat sie kaum. Auch zu Hause wird sie nicht gerade
mit Liebe überschüttet. Sie ist hin- und hergerissen zwischen Ausbruchsversuchen
und Anpassung und scheint dabei zur Passivität verdammt. In langen Einstellungen
lenkt Jessica Hausner den Blick auf scheinbar Nebensächliches und entwirft so ein
tragisch-ironisches Panoptikum. (fw)

MO 13.9.: In Anwesenheit von Jessica Hausner.

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NEUANFÄNGE | RETROSPEKTIVE

 DI 14.9., 18:30 | DI 28.9., 21:00
AUSWEGE

Nina Kusturica, A 2003
BUCH Barbara Albert | KAMERA TimTom (i. e.
Tim Tomicek) | MIT Liese Lyon, Igor Bararon,
Manfred Stella, Mira Miljkovic, Dagmar Schwarz,
Kurt Huemer, Kajetan Dick
92 min | Farbe, dt./bosn. OmdU, 35mm

Fast 20 Jahre ist Nina Kusturicas Diplomfilm bereits alt und – leider – aktuell wie eh
und je: AUSWEGE (Buch: Barbara Albert!) erzählt von drei Frauen, die aus unter­
schiedlichen Altersstufen, Gesellschaftsschichten und Kulturen kommen, deren
Leben aber gleichermaßen von häuslicher Gewalt geprägt ist. Und vermittelt dabei,
wie diese Frauen sich langsam aus der Familienhölle zu befreien suchen. (fw)
DI 14.9.: In Anwesenheit von Nina Kusturica.

 DI 14.9., 21:00 | SO 17.10., 20:00
KELLER – TEENAGE
WASTELAND

Eva Urthaler, A/D/I 2005
BUCH Eva Urthaler | KAMERA Alfio Contini
MIT Ludwig Trepte, Sergej Moya, Elisabetta Rocchetti,
Georg Friedrich, Birgit Doll
95 min | Farbe, dt. OF, 35mm

Zwei 16-Jährige entführen eine Supermarktkassiererin und halten sie in einem
Fabriksgebäude gefangen, ohne so recht zu wissen, was sie mit ihr anfangen sollen.
Die Lust am Verbotenen wächst immer mehr – und als dann auch noch ihr Freund
(wie immer unnachahmlich »sensibel«: Georg Friedrich) auftaucht, droht die maxi­
male Eskalation ... Ein in stilvolle Bilder getauchter wilder Mix aus Kammerspiel,
Coming-of-Age und Psychoterror. (fw)
DI 14.9.: In Anwesenheit von Eva Schreiber-Urthaler.

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NEUANFÄNGE | RETROSPEKTIVE

 MI 15.9., 18:30 | MO 27.9., 21:00

SPANIEN
Anja Salomonowitz, A 2012
BUCH Dimitré Dinev, Anja Salomonowitz | KAMERA Sebastian Pfaffenbichler | MUSIK Max Richter
MIT Tatjana Alexander, Grégoire Colin, Lukas Miko, Cornelius Obonya
102 min | Farbe, dt. OF, 35mm

Mitten in der Nacht findet sich Sava nach einem Unfall mit einem Kleinbus auf einer
einsam gelegenen Landstraße in Österreich wieder. Dabei hatte er viel Geld bezahlt,
um von Moldawien nach Spanien geschmuggelt zu werden. Er kommt in einer nahege­
legenen Kirche unter, wo er auf Magdalena trifft, die dort tagsüber als Restaurateurin
arbeitet und nachts Ikonen malt. Ihr Ex-Mann ist Fremdenpolizist, spezialisiert auf
Scheinehen, und hat die Trennung noch nicht überwunden. Und über diesem fragilen
Dreigespann schwebt Gabriel, ein spielsüchtiger Kranfahrer, der, um seine Schulden zu
bezahlen, Schicksal spielt. Atmosphärische, goldgetauchte Bilder erzählen von inne­
ren und äußeren Reisen, vom Ankommen und Weggehen und von der ungebrochenen
Sehnsucht nach einem gerechten Ort in der Welt. (fw)
MI 15.9.: In Anwesenheit von Anja Salomonowitz.

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Zeitgenossin
im Gespräch
Alice Schwarzer

»Wir brauchen eine Vermensch­
lichung der Geschlechter,
nicht eine Vermännlichung
der Frauen!«

Die Journalistin und Aktivistin
im Gespräch mit
Renata Schmidtkunz (Ö1).

So, 5. September 2021
11.00 Uhr
METRO Kinokulturhaus

Tickets € 8,50
Ö1 Club­/intro­Mitglieder € 7,–
Anmeldung:
reservierung@filmarchiv.at
Nachzuhören in Ö1:
»Im Gespräch«
Do, 19. 09., 21.00 Uhr und
Fr, 17. 09., 16.05 Uhr
                                  © Bettina Flitner
NEUANFÄNGE | RETROSPEKTIVE

 MI 15.9., 21:00 | FR 15.10., 18:00
INSIDE AMERICA

Barbara Eder, A 2010
BUCH Barbara Eder | KAMERA Christian Haake
MIT Raul Juarez, Aimeé Lizette Saldivar,
Zuleyma Jaime, Luis De Los Santos, Carlos
Benavides, Patty Barrera
106 min | Farbe, engl/span. OmeU, 35mm

Die Kamera folgt sechs Jugendlichen in ihrem Schulalltag in Brownsville, Texas,
an der mexikanischen Grenze. Wichtiger als der Unterricht sind die Erfahrungen,
die sie rund um die High School machen: Wie sie erwachsen werden, sich verlieben,
mit Drogen und Gewalt in Berührung kommen. Und sich am amerikanischen Traum
abmühen. Ihre Geschichten vermischen sich mit den Erinnerungen der Filmemacherin,
die selbst auf diese Schule ging und hier dort Erlebtes verarbeitet. (fw)

 DO 16.9., 18:00 | MI 29.9., 21:00
MACONDO

Sudabeh Mortezai, A 2014
BUCH Sudabeh Mortezai | KAMERA Klemens Hufnagl
MIT Ramasan Minkailov, Aslan Elbiev, Kheda Gazieva,
Askhab Umaev, Hamsat Nasuhanow
98 min | Farbe, dt./tschetsch. OmdU, DCP

Er ist 11, und er ist erwachsen. Die Kamera folgt Ramasan durch seine Welt am Rande
der Stadt und einer Gesellschaft, die für ihn keine normale Kindheit vorgesehen hat.
Geflohen aus dem Tschetschenien-Krieg, der Vater tot, die Mutter auf seine Unter­
stützung angewiesen. »Geprobt wurde nicht.«, sagt die Dokumentarfilmerin mit irani­
schem Hintergrund über ihr mit LaiendarstellerInnen besetztes, sehr persönliches
Spielfilmdebüt (u. a. »Bester Spielfilm« auf der Viennale). Hier wird gelebt – mit
offenem Ausgang. (sb)

                                                                                    21
NEUANFÄNGE | RETROSPEKTIVE

 DO 16.9., 20:45 | MO 18.10., 20:45

KURZFILMPROGRAMM I: AUFBRECHEN
SCHWITZEN                                   MATHIAS
Iris Blauensteiner, A 2014                  Clara Stern, A 2017
30 min | Farbe, dt. OF, DCP                 30 min | Farbe, dt. OF, DCP

UNMENSCH
Jasmin Baumgartner, A 2016                  Gesamtlänge: 84 min
24 min | Farbe, dt. OF, DCP

SCHWITZEN zeigt Sommerferien im Waldviertel: Mario und Elisa sind zwei Freundin­
nen, denen das langweilige Dorfleben nicht mehr viel zu bieten hat. Aus Frust lassen
sie ihrer Wut über so viel Monotonie freien Lauf – und lernen sich auf diese Weise
selbst neu kennen. Dass Jugend scheiße ist, wissen auch die Jungschauspieler, die
ein gleichnamiges Theaterstück in UNMENSCH zur Aufführung bringen wollen. An­
spruch und Realität wollen nicht zueinanderfinden, Emotionen sich nicht so recht
einstellen. Eine geladene Waffe soll das Ruder herumreißen … Neue Wohnung, neuer
Job, neues Leben – und doch, nachdem er seine »alte« Haut abgelegt hat, findet sich
Transgender Mathias in seiner neuen Rolle nicht ganz zurecht – besonders, als einer
seiner Kollegen ihn wiederzuerkennen glaubt. (fw)

MO 18.10.: In Anwesenheit von Jasmin Baumgartner und Clara Stern.

22
NEUANFÄNGE | RETROSPEKTIVE

 FR 17.9., 20:45 | DI 19.10., 20:45

KURZFILMPROGRAMM II: IT’S COMPLICATED
MIMIKRI                                      BOOMERANG
Nora Friedel, A 2016                         Kurdwin Ayub, A 2018
27 min | Farbe, dt. OmeU, DCP                21 min | Farbe, dt. OmeU, DCP

SCHNEEMANN                                   FISCHE
Leni Gruber, A 2018                          Raphaela Schmid, A 2020
20 min | Farbe, dt. OF, DCP                  17 min | Farbe, dt. OF, DCP

                                             Gesamtlänge: 85 min

In MIMIKRI begibt sich Jana mit ihrem besten Freund Andi in das Zimmer eines Land­
gasthofs, um dort verführerische Fotos von sich zu machen und ihren Schwarm zu
beeindrucken. Doch das Posieren vor der Kamera fällt ihr schwer – macht sie sich nur
etwas vor? SCHNEEMANN begleitet die Studentin Antonia durch ihren Alltag und auf
ihrer ständigen Suche nach dem Glück, die sie immer unglücklicher zu machen scheint.
Eine klobige Holzfigur, geschnitzt von ihrem Vater, wird zum Sinnbild ihrer Belastung.
Kompliziert ist die Situation auch in BOOMERANG, wo der Vater nach der Trennung
versucht, wieder bei seiner Familie anzudocken und als ungebetener Gast auf der
Wohnungseinweihungsparty erscheint. Und in FISCHE finden sich zwei Geschwister
nach dem Tod der Mutter in einem weihnachtlich geschmückten Chinarestaurant
wieder – neben zahlreichen anderen Gästen mit eigenen Problemen. (fw)

DI 19.10.: In Anwesenheit der Filmemacherinnen.

                                                                                        23
NEUANFÄNGE | RETROSPEKTIVE

 SA 18.9., 18:00 | DI 19.10., 18:30
HIGH PERFORMANCE

Johanna Moder, A 2014
BUCH Johanna Moder | KAMERA Robert Oberrainer
MIT Marcel Mohab, Manuel Rubey, Katharina
Pizzera, Jaschka Lämmert, Helmut Berger
100 min | Farbe, dt. OF, DCP

Zähneknirschend nimmt Schauspieler Daniel das Angebot seines Bruders Rudi an,
eine Mitarbeiterin des erfolgreichen Managers zu coachen. Doch bald findet er her­
aus, dass mehr dahinter zu stecken scheint … Einfache Konstellationen, doppelte
Spiele – die überzeugende Mischung aus romantischer Komödie, Familiendrama und
Wirtschaftskrimi handelt von kleinen und großen Schwindeleien und Tricks und spielt
dabei gekonnt mit Publikumserwartungen. (fw)
DI 19.10.: In Anwesenheit von Johanna Moder.

 MO 20.9., 18:00 | DO 30.9., 21:00
MEIN RUSSLAND

Barbara Gräftner, A 2002
BUCH Barbara Gräftner | KAMERA Robert Winkler
MIT Andrea Nürnberger, Hannes Gastinger,
Natalia Baranova, Holger Schober, Karl Höss
96 min | Farbe, dt. OF, 35mm

Als die Zukünftige ihres Sohnes mit deren russischer Familie vor der Tür steht,
braucht die resolute Bankangestellte Margit bald mehr als einen prall gedeckten
Esstisch und eine Ivan-Rebroff-CD, um der zusehends kippenden Stimmung wieder
Frau zu werden. In Barbara Gräftners prämiertem, pointiert-kontrastreichem Debüt
treffen Mentalitäten und Kulturen ebenso aufeinander wie Tragödie und Komödie,
Lustspiel-Bräuche und Dogma-Prinzipien. (fw)
MO 20.9.: In Anwesenheit von Barbara Gräftner.

24
NEUANFÄNGE | RETROSPEKTIVE

 DI 21.9., 18:30 | SO 17.10., 18:00

WOMIT HABEN WIR DAS VERDIENT?
Eva Spreitzhofer, A 2018
BUCH Eva Spreitzofer | KAMERA Andreas Thalhammer, Xiaosu Han | MUSIK Iva Zabkar
MIT Caroline Peters, Chantal Zitzenbacher, Simon Schwarz, Marcel Mohab, Hilde Dalik, Pia Hierzegger
92 min | Farbe, dt. OF, DCP

Mitten ins Patchwork-Familienglück der feministischen Ärztin Wanda platzt ihre pu­
bertierende Tochter Nina: Sie ist zum Islam übergetreten und will von nun an Fatima
heißen. Kein (schlechter) Scherz, denn plötzlich gelten Gummibärchen als »haram«
und ein Kopftuch beim Rausgehen als obligatorisch. So hat sie ihre Tochter wahrlich
nicht erzogen! Nach anfänglicher Abwehr legt die atheistische Mutter ihre Scheu­
klappen langsam ab – schafft sie es etwa doch, sich mit den konträren Glaubenssätzen
ihrer Tochter anzufreunden? Wenn am Schluss dieses veritablen Publikumsrenners
(80.000 Kinotickets in Österreich) der »Tango della Femminista« einsetzt, hat die
hochkarätig besetzte, turbulente Komödie uns schon längst den einen oder anderen
entlarvenden Spiegel lustvoll vorgehalten. (fw)
DI 21.9.: In Anwesenheit von Eva Spreitzhofer.

                                                                                                        25
NEUANFÄNGE | RETROSPEKTIVE

 DI 21.9., 21:00 | MO 4.10., 18:00
VORFILM:
WALD DER ECHOS | Luz Olivares Capelle, A 2016 | 31 min | Farbe, dt. OF, DCP

DAS UNMÖGLICHE BILD
Sandra Wollner, A/D 2016
BUCH Sandra Wollner | KAMERA Timm Kröger | MUSIK Jascha Eichel | MIT Jana McKinnon, Eva Linder, Andrea
Schramek, Isabel Schmid   71 min | Farbe, dt. OmeU, DCP

Nach dem plötzlichen Ableben ihres Vaters setzt die 13-jährige Johanna die Familien­
tradition fort und hält auf Super-8 Fragmente ihres Lebens im Wien der Nachkriegs­
zeit – und des allgegenwärtigen Todes – fest. Die privaten Momentaufnahmen aus
einem scheinbar gewöhnlichen Familienleben entblättern langsam ein Geheimnis, in
das sich »unmögliche« Bilder drängen. Sandra Wollner: »DAS UNMÖGLICHE BILD ist
ein Film über die Erinnerung und darüber, wie sie mit dem Filmemachen zusammen­
hängt. Mit den Filmen, die wir sozusagen alle machen – ob wir dabei eine Kamera
benutzen oder nicht.« Nicht minder mysteriös und atmosphärisch als in Wollners
Reflexion ist die Stimmung in Luz Olivares Capelles WALD DER ECHOS, wo Alltäg­
liches und Fantastisches auf verspielte Art und Weise ineinanderfließen. (fw)

DI 21.9.: In Anwesenheit von Luz Olivares Capelle und Sandra Wollner.

26
NEUANFÄNGE | RETROSPEKTIVE

 MI 22.9., 18:30 | SA 16.10., 18:00

TERNITZ, TENNESSEE
Mirjam Unger, A 2000
BUCH Manfred Rebhandl | KAMERA Jürgen Jürges | MUSIK Fritz Ostermayer, Christof Kurzmann
MIT Sonja Romei, Nina Proll, Gerald Votava, Clemens Haipl, Birgit Doll
80 min | Farbe, dt. OF, 35mm

Betty und Lilli, zwei beste Freundinnen, wohnen in Ternitz und träumen von Tennessee.
Hauptsache raus aus der Provinz, auch wenn das bedeutet, dass sie sowohl ihr
Englisch als auch ihre Brüste aufbessern müssen – vielleicht. Die eine schraubt an
schnellen Autos herum und fährt einen roten Ford Mustang, die andere verschönert
Pudel im Hundesalon und verliebt sich in einen Elvis-Imitator, der im Teleshopping für
Küchengeräte wirbt. Die Sehnsucht nach der großen Freiheit macht sich breit, mit
der sich die trübe Wirklichkeit wahrlich nicht messen kann … Ein »unintellektuelles
Popmärchen, bittersüß, getragen vom Charme seiner Protagonisten« nennt Mirjam
Unger ihren Film, der sich weigert, »distanziert und cool zu sein und alles an Herzblut
und aufrichtigem Interesse für junge Leute gibt.« (Magdalena Miedl)
MI 22.9.: In Anwesenheit von Mirjam Unger.

                                                                                                 27
NEUANFÄNGE | RETROSPEKTIVE

 MI 22.9., 20:45 | MI 6.10., 18:00
VORFILM:
UNSER LIED | Catalina Molina, A 2012 | 31 min | Farbe, dt. OF, DCP

TALEA
Katharina Mückstein, A 2013
BUCH Selina Gnos, Katharina Mückstein | KAMERA Michael Schindegger | MUSIK Veronika Eberhart,
Wolfgang Möstl | MIT Nina Proll, Sophie Stockinger, Philipp Hochmair, Andreas Patton, Eva-Maria Gintsberg
75 min | Farbe, dt. OF, DCP

Komplizierte Eltern-Kind-Situationen bilden das Herzstück dieser beiden Filme: In
UNSER LIED versorgt Teilzeit-Musiker Coni alleine seine 3-jährige Tochter, bis die
Kindsmutter überraschend wieder auftaucht und für Turbulenzen sorgt. TALEA
handelt von der 14-jährigen Jasmin, die von ihren Pflegeeltern wegläuft, um Zeit
mit ihrer eben aus dem Gefängnis entlassenen leiblichen Mutter Eva zu verbringen.
Widerwillig lässt sich diese überreden, fürs Wochenende in ein Gasthaus aufs Land
zu fahren, wo es zaghaft zu Annäherungen, Enttäuschungen und Befreiungsschlägen
kommt. Unter anderem beim Filmfestival Max Ophüls Preis ausgezeichnet: »Ein kleiner
Film, der auf behutsame Weise eine große Geschichte erzählt.« (fw)

MI 22.9. In Anwesenheit von Catalina Molina und Katharina Mückstein.

28
NEUANFÄNGE | RETROSPEKTIVE

 DO 23.9., 21:00 | MO 18.10., 18:30

MA FOLIE
Andrina Mračnikar, A 2015
BUCH Andrina Mračnikar | KAMERA Gerald Kerkletz | MUSIK Peter Kutin, Scott McCloud
MIT Alice Dwyer, Sabin Tambrea, Oliver Rosskopf, Gerti Drassl, Anna Rot, Rayana Sidieva
99 min | Farbe, dt. OF, DCP

Ein Film mit vielen Gesichtern. Er beginnt mit einer zärtlichen, verträumten Amour
fou in der Stadt der Liebe, wo Yann auf Hanna trifft. Zurück in Wien, schickt er ihr
poetische Videos als Liebesgedichte per E-Mail, Miniaturen, die von seiner Sehnsucht
nach ihr zeugen. Dann steht er plötzlich vor ihrer Wohnungstür, und ihre Wünsche
scheinen wahr zu werden. Doch das Glück hält nur so lange, bis Hannas Ex-Freund
und Arbeitskollege in Erscheinung tritt und Yann sein anderes Ich hervorkehrt, das
gezeichnet ist von Raserei und Eifersucht. Eines Tages ist er verschwunden – und
Hanna hat ein neues Video in ihrem Postfach. Spätestens hier wandelt sich der Film
zum Psychothriller: Hanna findet sich als Opfer eines irren Stalkers wieder, in einem
Spiel um die Fragwürdigkeit der eigenen Wahrnehmung und der Bilder vom Gegen­
über, das ihr – und uns – nach und nach den Boden unter den Füßen wegzieht. (fw)
MO 18.10.: In Anwesenheit von Andrina Mračnikar.

                                                                                                       29
HOUCHANG
     ALLAHYARI
     ZUM 80. GEBURTSTAG

30
RETROSPEKTIVE VOM 16. SEPTEMBER BIS 13. OKTOBER 2021

»H     ouchang Allahyari verkörpert meine Vorstellungen vom orientalischen Ideal,
       bei dem Familie und Individuum, Tradition und Weltoffenheit, Glaube und
Wissenschaft keine Gegensätze bilden, sondern eine elastische Einheit sind«, so
Schauspieler und Regiekollege Karl Markovics anlässlich der Verleihung des Golde­
nen Verdienstzeichens der Stadt Wien im Jahr 2012. 1941 in Teheran geboren, kommt
Allahyari als junger Mann nach Österreich, um Medizin zu studieren und Filme zu
machen. Seit Mitte der 1980er-Jahre entsteht so – aus unermüdlichem Schaffens­
drang heraus und oft unabhängig produziert – ein ansehnliches Werk, in dem er sich
selten um Publikumserwartungen sorgt, sondern mehr um die Menschen, die im
Zentrum seiner Arbeit stehen.

Im Rahmen der ursprünglich im Februar geplanten Retrospektive wird auch der aktuelle Kinostart
GOLI JAN (S. 59) gezeigt.

                                                                                          31
HOUCHANG ALLAHYARI | RETROSPEKTIVE

EIN ECHTER WIENER AUS DEM IRAN
FLORIAN WIDEGGER

                                            S    eine Heimat gilt gemeinhin als
                                                 »Wiege der Medizin«, und so sieht
                                             der gebürtige Teheraner, wie viele sei­
                                             ner Landsleute, auch seine Berufung
                                             auf diesem Gebiet und wird Arzt, kon­
                                             kret: Psychiater. Noch während er an
                                             verschiedenen Kliniken und vor allem in
                                             Strafanstalten wirkt, reift in ihm der
                                             Wunsch, Filme zu machen. Auf für da­
                                             malige Verhältnisse extrem innovative
                                             Art und Weise verbindet er schließlich
                                             beide Bereiche in einem Therapieansatz
                                             und gründet mit seinen Schützlingen
                                             eine Filmgruppe. Erlebnisse und Erfah­
                                             rungen aus dieser Zeit lässt Allahyari
                                             bis heute in seine Filme einfließen:
                                             Immer wieder erzählt er von zerbrech­
                                             lichen Außenseitern, die in jungen
                                             Jahren völlig unvorbereitet mit einem
                                             System konfrontiert werden, das sich
aus Brutalität und Repressionen speist, und die so buchstäblich durch den
FLEISCHWOLF gedreht werden.

Da ist er seinem Vorbild Pier Paolo Pasolini, mit dessen Leben und Sterben er sich
bereits in seinem ersten Langfilm auseinandersetzt und auf dessen Schaffen er immer
wieder Bezug nimmt, nicht unähnlich. Houchang Allahyari ist bis heute aber Optimist.
Der Gewalt gegen die Schwachen setzt er das unerschütterlich Gute entgegen: Sie
sind nicht alleine auf dieser Welt, weil es Menschen gibt, denen ihr Schicksal nicht

32
gleichgültig ist, denen Eitelkeit oder Egoismus fremd sind. Das prominenteste Beispiel
in doppeltem Sinne ist sicherlich die 2018 verstorbene Wiener Flüchtlingshelferin
Ute Bock. Allahyari, mit ihr auch familiär verbunden, widmet sich in drei Filmen der
resoluten Kämpferin für Zivilcourage und Solidarität.

In den letzten Jahren hat Allahyari nach langer Zeit seine erste Heimat wieder be­
sucht und sie auch filmisch auf unterschiedlichste Weise erkundet. Ob in Spiel- oder
Dokumentarfilmen – immer wieder weicht er Genregrenzen auf und überwindet sie.
So wird aus den drei letzten Arbeiten aus dem Iran eine sehr persönliche Auseinan­
dersetzung mit den Erinnerungen an die eigene Kindheit, die abenteuerliche Spuren­
suche nach einer uralten Liebesgeschichte und – im Kinostart GOLI JAN – ein be­
drückend aktuelles Drama um die Selbstbestimmtheit einer jungen Frau in einem
radikal-muslimischen Umfeld. Das sind Stoffe, die aus ihm selbst kommen, die er in
kleinen Teams und außerhalb des großen Förderzirkus, aber mit umso mehr Engage­
ment realisiert. Houchang Allahyari mag inzwischen 80 Jahre alt sein – er filmt noch
immer wie ein Junger!

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HOUCHANG ALLAHYARI | RETROSPEKTIVE

 DO 16.9., 19:00 | SO 3.10., 21:00

DER LETZTE TANZ
Houchang Allahyari, A 2014
BUCH Houchang Allahyari, Daniel Kundi, August Staudenmayer | KAMERA Peter Roehsler | MUSIK Erdem Tunakan
MIT Erni Mangold, Daniel Strässer, Marion Mitterhammer, Janina Schauer, Helmut Berger, Ines Kratzmüller
101 min | Farbe und s/w, dt. OF, DCP
Die Beziehung zwischen Pflegern und Patienten – bei Allahyari ein wiederkehrendes,
wohl seinen Wurzeln als Arzt geschuldetes Motiv. Zu Beginn wird der junge Pfleger
Karl wie ein Schwerverbrecher aus seiner Wohnung geklingelt und findet sich hinter
Gittern wieder. Sein Vergehen, das wird sich im Lauf dieses überaus kunstfertig ge­
stalteten Films herausstellen, der von nun an in die in satte Farben getauchte Vergan­
genheit zurückgeht: ein Akt der Zuneigung zu einer Alzheimerpatientin, die dank ihm
zu neuer Jugend erwacht. Das Opfer, das beide dafür in einer repressiven, von Hier­
archien dominierten Gesellschaft bringen, ist groß ... Auszeichnung als Bester Film
auf der Diagonale 2014, Großer Schauspielpreis und Österreichischer Filmpreis für
Erni Mangold! (fw)

DO 16.9.: In Anwesenheit von Houchang Allahyari.
Freier Eintritt für FAA-Clubmitglieder (mit Begleitung).

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HOUCHANG ALLAHYARI | RETROSPEKTIVE

 FR 17.9., 18:00 | DO 30.9., 19:00
VORFILM:
»DER« MIT DEM GELBEN PULLOVER | Houchang Allahyari, A 1980 | 11 min | Farbe, ohne Dialog, DCP

FLEISCHWOLF
Houchang Allahyari, A 1990
BUCH Houchang Allahyari, Tom-Dariusch Allahyari | KAMERA Herbert Tucmandl, Udo Maurer | MUSIK Tunament,
Thomas Morris | MIT Hanno Pöschl, Cecile Nordegg, Maximilian Müller, Thomas Morris, Christopher Heinz,
Robert Hauer-Riedl  72 min | Farbe, dt. OmeU, 35mm
Die idyllischen Parkaufnahmen trügen, sie führen direkt ins Innere eines Gefängnisses,
wo Schwerverbrecher neben jugendlichen Ersttätern einsitzen. Einer von Letzteren ist
Karli, dessen Tat mehr ein Versehen war denn ein Verbrechen. Trotzdem ist er jetzt Teil
einer Maschinerie, die von (sexueller) Gewalt und Unterdrückung geprägt ist, und wird
gnadenlos durch den sinnbildlichen Fleischwolf gedreht, bis er am System zerbricht …
Für Allahyari, selbst jahrelang Therapeut für Strafgefangene, ist dieser Film spürbar
eine Herzensangelegenheit, basierend auf seinen Erfahrungen. Sprache und Umgangs­
formen werden in ebenso raue Bilder übersetzt, hin und wieder unterbrochen durch
Funken von (Alb)Traumbildern aus der Freiheit. Davor: die kurze Geschichte eines
Jungen, der nicht mit den anderen Fußball spielen darf. (fw)

                                                                                                     35
HOUCHANG ALLAHYARI | RETROSPEKTIVE

 SA 18.9., 19:00

SEVEN STORIES ABOUT LOVE                                                                        PREVIEW

Houchang Allahyari/Babak Behdad, A/IR 2020
BUCH Houchang Allahyari, Babak Behdad | KAMERA Reza Teymuri | MUSIK Masoud Nameni
MIT Mariam Rahimi, Farid Farhang, Farzaneh Meydani, Behzad Farahani, Mohammad Abhari, Houchang Allahyari
79 min | Farbe, pers. OmeU, DCP
Die Rückkehr in die alte Heimat nutzt Allahyari für einen ungewöhnlichen Episoden­
film, den er gemeinsam mit seinem Mitstreiter Babak Behdad realisiert. Die sieben
Geschichten sind betont unaufdringlich und aus dem Alltag gegriffen. Sie erzählen
auf vielfältige Weise von Land, Leuten und (unterdrückten) Sehnsüchten: Die Liebe
als Ideal, dem man sich bestenfalls annähern kann. Ein geschiedenes Ehepaar, das
sich nach elf Jahren zufällig wiedersieht, bildet den Ausgangspunkt für diese Mischung
aus REIGEN und TAXI TEHERAN. Die meisten dieser Vignetten spielen in Wohnungen
oder Autos, in abgeschlossenen Systemen, dazwischen atmet die Stadt. Am Ende
finden sich manche der Figuren am Bahnhof ein ... Ein Film über Abschied und Auf­
bruch – altersweise und bewegend. (fw)

In Anwesenheit von Houchang Allahyari.

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HOUCHANG ALLAHYARI | RETROSPEKTIVE

 SA 18.9., 21:00 | SA 25.9., 19:00
ROTE RÜBEN IN TEHERAN

Houchang Allahyari/
Tom-Dariusch Allahyari, A 2016
DER ANDERE IRAN | BUCH Houchang Allahyari,
Tom-Dariusch Allahyari | KAMERA Behruz Malbuzbaf,
Babak Behdad, Peter Roehsler
90 min | Farbe, dt./pers. OmdU, DCP

Nach vier Jahrzehnten in Österreich bricht bei Houchang Allahyari das Gefühl der Sehn­
sucht nach der Heimat auf. Gemeinsam mit seinem Sohn, der noch nie im Iran war,
besucht er ein Filmfestival in Isfahan. Dort lassen sie sich treiben und geben sich ganz
den Eindrücken hin: So auch dem Geruch von heißen roten Rüben, die in Teheran am
Straßenrand verkauft werden. Ein faszinierendes, zutiefst humanistisches Porträt. (fw)
SA 18.9.: In Anwesenheit von Houchang und Tom-Dariusch Allahyari.

 SO 19.9., 18:30 | SO 26.9., 19:00
I LOVE VIENNA

Houchang Allahyari, A 1991
BUCH Houchang Allahyari, Reinhard Jud | KAMERA
Helmut Pirnat | MIT Fereydoun Farokhzad, Marjam
Allahyari, Kurosh Allahyari, Michael Niavarani,
Dolores Schmidinger, Hanno Pöschl, Marisa Mell
103 min | Farbe, dt. OF, 35mm

Eine der ersten Culture-Clash-Komödien und vielleicht auch eine der besten: Der
iranische Deutschlehrer Ali Mohammed kommt mit Anhang ins trist-winterliche Wien,
das mit seiner Vorstellung nichts gemein hat: Auf den Straßen Obdachlose und leich­
te Damen, die Bürokratie macht Ärger. Und dann ist da noch seine Vermieterin, die
ein Auge auf ihn geworfen hat … (fw)

SO 19.9.: In Anwesenheit von Houchang Allahyari, Dolores Schmidinger
und Produzent Dieter Pochlatko.

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HOUCHANG ALLAHYARI | RETROSPEKTIVE

 SO 19.9., 21:00 | DI 28.9., 19:00
HÖHENANGST

Houchang Allahyari, A 1994
BUCH Houchang Allahyari, Tom-Dariusch Allahyari,
Reinhard Jud | KAMERA Helmut Pirnat | MIT Fritz
Karl, Dolores Schmidinger, Leon Askin, Michael
Niavarani, Hanno Pöschl, Petra Allahyari
104 min | Farbe, dt. OF, 35mm

Mario, ein auf Bewährung aus der Haft entlassener junger Mann, wagt einen Neu­
anfang und wird Knecht bei der etwas älteren, verhärmten Bäuerin Elfriede. Die
begutachtet ihn zunächst argwöhnisch, doch langsam wachsen zarte Bande zwischen
den beiden und es gelingt ihnen, die selbstgewählte Isolation aufzubrechen. Bis die
Vergangenheit Mario droht einzuholen … Max-Ophüls-Preis für Fritz Karl! (fw)

SO 19.9.: In Anwesenheit von Houchang Allahyari und Dolores Schmidinger.

 MO 20.9., 19:00 | DI 5.10., 20:00
GEBOREN IN ABSURDISTAN

Houchang Allahyari, A 1999
BUCH Houchang Allahyari, Tom-Dariusch
Allahyari, Agnes Pluch | KAMERA Helmut Pirnat
MIT Julia Stemberger, Karl Markovics,
Meltem Cumbul, Ahmet Ugurlu, Josef Hader
115 min | Farbe, dt. OF, 35mm

In einem Wiener Krankenhaus werden die beiden Säuglinge Karli und Heiri nach
ihrer Geburt vertauscht. Als sich der Irrtum aufklärt, ist die türkische Familie samt
Baby allerdings bereits abgeschoben. Kurzerhand packen die Österreicher ihre Koffer
und reisen den ahnungslosen Türken hinterher. Es entspinnt sich eine für alle Be­
teiligten verwirrende Odyssee, an deren Ende die Gewissheit steht, dass etwas
Verständnis für das Gegenüber die Menschen doch zusammenbringt ... Furios und
warmherzig! (fw)

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HOUCHANG ALLAHYARI | RETROSPEKTIVE

 MO 20.9., 21:00 | DO 7.10., 18:00

DIE VERRÜCKTE WELT DER UTE BOCK
Houchang Allahyari, A 2010
BUCH Houchang Allahyari, Tom-Dariusch Allahyari | KAMERA Peter Roehsler | MUSIK Fuchs MC, Hamid
MIT Ute Bock, Karin Klaric, Josef Hader, Karl Markovics, Viktor Gernot, Andreas Vitasek, Peter Kern,
Julia Stemberger, Paulus Manker, Dolores Schmidinger, Roland Düringer, Claudia Androsch u. a.
103 min | Farbe, dt. OF, 35mm

Für viele war Ute Bock mit Sicherheit so etwas wie eine Superheldin. Wie so häufig
bei Superhelden-Filmen gilt: ist Teil eins erfolgreich, kommt eine Fortsetzung. Dem
sensiblen Dokuporträt BOCK FOR PRESIDENT folgt ein semi-dokumentarischer Spiel­
film. Vieles von dem, was an tatsächlichen Begebenheiten aufgrund der Gesetzeslage
nicht gefilmt werden darf, wird nachgespielt, ohne an Wahrheitsgehalt zu verlieren.
Ute Bock und ihren Schützlingen steht dabei das Who is who der österreichischen
Schauspieler gegenüber: Peter Kern gibt den herzlich lachenden, aber kaltherzigen
Politiker, Karl Markovics wird als Beamter bei der Abschiebung einer Familie an seine
Grenzen gebracht und Josef Hader sieht sich als Polizist, der selbst das Gesetz
bricht, im Zwiespalt. Ein Film voller überraschender wie irritierender Reibungsflächen:
»It’s a mad world!« (fw)

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HOUCHANG ALLAHYARI | RETROSPEKTIVE

 MI 22.9., 18:00 | MO 4.10., 20:00
VORFILME:
I LIKE TO BE IN AMERICA | Houchang Allahyari, A 1981 | 16 min | Farbe, ohne Dialog, DCP
EINE TYPISCHE WIENER SZENE | Houchang Allahyari, A 2006 | 1 min | Farbe, ohne Dialog, 35mm

DAS PERSISCHE KROKODIL
Houchang Allahyari/Maziyar Moshtagh Gohary, A 2010
BUCH Houchang Allahyari, Tom-Dariusch Allahyari | KAMERA Alireza Esmat Panah, Maziyar Moshtagh Gohary,
Moin Najari | MUSIK Maste Tavakoli, Faszle Khaleg
58 min | Farbe, dt. OF, DCP
Zwei iranische Wildhüter schlagen eine titanische Schlacht gegen ein riesiges Kroko­
dil. Doch es ist nicht so, wie es zunächst den Anschein hat: Das Tier, das sich in eine
Zisterne verirrt hat, soll gerettet und nicht getötet werden. Den spannenden, oft
komischen Kampf führen die Männer mit einer dünnen Schnur und einer Decke. Das
Krokodil will sich nicht so leicht einfangen lassen, doch um zu überleben, muss es
verlieren. Eine Verhaltensstudie zu Menschen in Extremsituationen, die auf der Dia­
gonale als bester Kurzdokumentarfilm ausgezeichnet wurde. Zum Auftakt ein lustvoll
montiertes Spiel mit Zitaten und ikonenhaften Bildern sowie eine Szene aus einem
Kompilationsfilm, der zum Mozartjahr 2006 entstand: Eine iranische Familie picknickt
zur »Kleinen Nachtmusik«. (fw)

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HOUCHANG ALLAHYARI | RETROSPEKTIVE

 DO 23.9., 19:00
BLACK FLAMINGOS –
SIE LIEBEN EUCH ZU TODE

Houchang Allahyari, A 1998
BUCH Harald Posch | KAMERA Hans Selikovsky
MIT Marianne Mendt, Dolores Schmidinger, Sandra
Cervik, Hilde Rom, Harald Posch, Götz Kauffmann
100 min | Farbe, dt. OF, 35mm

Der junge Fotograf Bobby bekommt die Chance, als Journalist zu arbeiten. Er soll
herausfinden, ob der plötzlich verstorbene Bürgermeister einer kleinen Ortschaft
tatsächlich einen alten Panzer versteckt gehalten hat. Im Lauf seiner tollpatschigen
Recherche kommt Bobby einem unheimlichen Treiben auf die Schliche: Drei ältere
Bäuerinnen haben den Geheimbund »Black Flamingos« gegründet mit dem Ziel,
sich mittels Alkohol, Nikotin und Sex ihrer Ehemänner zu entledigen … (red)

 FR 24.9., 19:00 | FR 1.10., 21:00
DER GAST

Houchang Allahyari, A 2018
BUCH Houchang Allahyari, Reinhard Jud, August
Staudenmayer | KAMERA Peter Roehsler
MIT Karina Sarkissova, Mehmet Soezer, Gregor
Bloéb, Erni Mangold, Doina Weber
99 min | s/w, dt. OF, DCP

Allahyaris Faszination für Pasolini offenbart sich schon mit seinem Langfilmdebüt,
hier macht er sich an seine Variation auf TEOREMA. In Schwarz-Weiß-Bildern ge­
taucht, erzählt er von einer namenlosen, top situierten Familie, in der viele Dinge
im Argen und die Konflikte frei liegen. Die Vorstadtvilla mutet nicht umsonst wie ein
riesiges Mausoleum an. In dieses dringt ein junger, fremd aussehender Mann ein wie
der zu Fleisch gewordene Marmorengel und bringt das unstete Gefüge vollends ins
Wanken. (fw)

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HOUCHANG ALLAHYARI | RETROSPEKTIVE

 MO 27.9., 19:00

ROBERT TARANTINO
Houchang Allahyari, A 2013
BUCH Houchang Allahyari | KAMERA Daniel Kundi | MIT David Baumgartner, Franciscus Beacon-Schandl,
Hans Jörg Cerny, Nicolas Dinkel, Isabella Enzenhofer
75 min | Farbe, dt./engl. OF, DCP
Ein »Rebel without a crew« ist dieser Robert Tarantino, der gegen alle Widerstände
mit großen Träumen und kleinem Budget seine Horrorfilme dreht: Mit markigen
Sprüchen im Wiener Idiom (»Heast Dracula, du Oaschkretzn«), vielen Litern Kunst­
blut und unzähligen Mini-DV-Kassetten. Seine Vorbilder sind – unschwer erkennbar –
Robert Rodriguez und der große Quentin, nach dem sich der Underground-Filme­
macher benannt. Seine Filme haben klingende Titel wie VAMPIRE CITY oder – ganz
aktuell: THE CORONA MASSACRE. Vor Allahyaris Kamera offenbart sich der Mann,
der im wahren Leben eigentlich Wolfgang heißt, allerdings als schüchterner, zurück­
haltender Typ, der aufblüht, wenn er in seine Kunstfigur schlüpfen kann: Filme­
machen – nicht nur als Leidenschaft oder Hobby, sondern auch als Therapie! (fw)

In Anwesenheit von Houchang Allahyari und Robert Tarantino.

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HOUCHANG ALLAHYARI | RETROSPEKTIVE

 MI 29.9., 19:00 | MI 13.10., 18:00
VORFILME:
DIE WAHRHEIT | Houchang Allahyari, A 1978 | 9 min | Farbe, dt. OF, DCP
TROTZ ALLEDEM … | Houchang Allahyari, A 1982 | 24 min | Farbe, dt. OF, DCP

PASOLINI INSZENIERT SEINEN TOD
Houchang Allahyari, A 1985
BUCH Houchang Allahyari, Robert Hunger-Bühler, nach dem Stück Così parlò Pasolini von Ramòn Pareja
KAMERA Horst Hubbauer | MUSIK Fritz Würzler | MIT Robert Hunger-Bühler, Margit Schrage, Georg Heinke,
Stefan Fleming  65 min | Farbe, dt. OF, 16mm
Die Umstände vom Tod des Dichters, Malers, Philosophen, Kommunisten und Filme­
machers Pier Paolo Pasolini geben bis heute Rätsel auf – und auch sein Leben ist Teil
spannender Aufarbeitungen, etwa zuletzt durch Abel Ferrara. In Allahyaris Langfilm­
debüt dreht Pasolini einen Film über sein Leben und spielt selbst die Hauptperson.
Immer wieder werden die Arbeiten an dem mythologisch-symbolisch aufgeladenen
Werk durch »Dokumentarszenen« unterbrochen, die Pasolini bei der Arbeit zeigen.
Seine Homosexualität und seine Filme, die – wie er – von der Justiz verfolgt werden,
drängen ihn immer mehr in die Rolle des Außenseiters. Zum Auftakt: zwei der ersten
erhaltenen Arbeiten Allahyaris, in denen er spielerisch die Möglichkeiten des Mediums
auslotet. (fw)

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GÖTZ SPIELMANN
RETROSPEKTIVE VOM 7. BIS 20. OKTOBER 2021

Z  wei Schwestern stehen im Morgengrauen vor einem Haus in den Bergen.
   Sie haben die letzten Stunden gemeinsam durchwacht, an der Seite ihres tod­
kranken Vaters, sich dabei wieder angenähert, kennengelernt, nach einer langen
Phase der Entfremdung. Der Schluss von Götz Spielmanns bislang letztem Kinofilm
OKTOBER NOVEMBER ist ganz leise, unauffällig, unspektakulär. Und geht vielleicht
gerade deshalb so unter die Haut. In diesem Finale verdichten sich Handschrift und
Können auf extreme Art und Weise – es bildet den Höhepunkt einer Regiekarriere,
die bereits 40 Jahre andauert.
Die Retrospektive zeigt erstmals zwei bislang noch nicht zu sehende Arbeiten aus der Zeit an der
Filmakademie. Der neue, Götz Spielmann gewidmete Band der Edition »Film Geschichte Österreich«
wird zum Auftakt präsentiert.

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GÖTZ SPIELMANN | RETROSPEKTIVE

DIE WACHSAMKEIT VOR DER IDYLLE
FLORIAN WIDEGGER

S  pielmann, 1961 in Wels geboren, beginnt schon in seiner Zeit am Gymnasium in
   Wien mit dem Verfassen von Lyrik, Theaterstücken und Drehbüchern. Obwohl
er sich mehr dem Schreiben zugewandt fühlt, beginnt er 1980 ein Regie- und Dreh­
buchstudium an der Filmakademie. Klarheit, Sensibilität und ein feines Gespür für
das Besondere im Alltäglichen sind von Anfang an integraler Bestandteil seiner Filme.
Sie sind oft schonungslos in ihrer Ehrlichkeit, mit der sie die Härten des Lebens auf
die Leinwand bringen, dabei aber zärtlich den Menschen zugewandt und interessiert
an ihrem Innenleben, an dem, was sie fühlen und was sie antreibt. Sie erheben sich
zu keiner Zeit über ihre Figuren, die in Zweifeln, Zwängen und Zwiespalten feststecken.
Sie sind an alternativen Routen, an Lösungen, an Utopien interessiert und versprühen
Wärme und Hoffnung.

Schon seine ersten vollendeten Arbeiten hinterlassen bleibenden Eindruck und
empfehlen Spielmann als kommendes Talent. Mit ERWIN UND JULIA (1990), einem
»realistischen« Liebesfilm und seinem ersten Langspielfilm außerhalb der Akademie,
erhält die Karriere jedoch einen ersten Dämpfer. Die Produktion gestaltet sich als

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extrem schwierig und anstrengend, der improvisatorische Ansatz, den Spielmann mit
seinen SchauspielerInnen verfolgt, mag nicht aufgehen. Immerhin legt er mit DER
NACHBAR (1992) einen fast schon klassischen Thriller nach, der in jeder Hinsicht
gelungen ist – und einer der schönsten Wien-Filme überhaupt. Beide Filme laufen auf
zahlreichen internationalen Festivals und erhalten dort – in der Heimat unbemerkt –
mehrere Preise.
Diesen Achtungserfolgen zum Trotz sind die nächsten Jahre für Spielmann alles
andere als einfach: Mit zwei Fernsehspielen reüssiert er zwar auch im ORF, doch die
potenziell fruchtbare Zusammenarbeit endet abrupt mit einem Intendantenwechsel.
Mit DIE FREMDE (2000) schafft er schließlich die Rückkehr ins Kino und lässt mit
ANTARES (2004), Auslandsoscarkandidat REVANCHE (2008) und OKTOBER NOVEM­
BER (2012) weitere Sternstunden folgen, in denen er sein Handwerk perfektioniert.
Seine Filme sind gezeichnet von Sorgfalt und Genauigkeit, mit denen er gemeinsam
mit seinen SchauspielerInnen Figuren, Dialoge und Szenen erarbeitet. Sie kreisen um
Fragen nach Identität, nach Widersprüchen zwischen Ideal und Wirklichkeit und nicht
zuletzt nach dem Scheitern – und der Energie, die man daraus ziehen kann. Darin
liegt ihre besondere, zeitlose Qualität.

SO 17.10., 17:00: Bühnengespräch mit Götz Spielmann
Eintritt frei, Zählkarten werden am Tag der Veranstaltung an der Kinokassa ausgegeben.

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GÖTZ SPIELMANN | RETROSPEKTIVE

 DO 7.10., 19:00 | MO 18.10., 20:00

DIE FREMDE
Götz Spielmann, A 2000
BUCH Götz Spielmann, Maria Scheibelhofer | KAMERA Fabian Eder | MUSIK Eddie Siblik, Walter W. Cikan
MIT Goya Toledo, Hary Prinz, Martin Feifel, Simon Schwarz, Nina Proll, Fritz Karl
101 min | Farbe, dt. OF, 35mm

Die Mexikanerin Mercedes schmuggelt mit ihrem Freund ein Kilo Koks nach Wien,
doch beim Verkauf tun sich erste Schwierigkeiten auf. Sie verlässt ihren Partner in
Crime und findet im unscheinbaren Taxifahrer Harry einen neuen. Die mysteriöse
Schönheit, die plötzlich in seinen Wagen steigt, fasziniert ihn und zieht ihn Schritt für
Schritt in ihren Bann – und dabei aus seinem monotonen Lebensalltag hinaus. Fast
ein Sommermärchen ist diese entspannte Mischung aus Underdogkrimi und Amour
fou, in der Spielmann seine Kernthemen Einsamkeit, Isolation und das Streben nach
dem guten Leben aus einem frischen Blickwinkel betrachtet. Ein zu Unrecht etwas in
Vergessenheit geratenes Kleinod des österreichischen Kinos aus den Anfängen des
neuen Jahrtausends. (fw)
DO 7.10.: Buchpräsentation in Anwesenheit von Götz Spielmann und Hary Prinz.
Freier Eintritt für FAA-Clubmitglieder (mit Begleitung).

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