Neue Weg in der Stadt - Herausforderungen durch Kommunikation und Mobilität Dokumentation der 39. Studientagung 6. | 7. Juni 2016 Ludwigsburg ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Dokumentation der 39. Studientagung 6. | 7. Juni 2016 Ludwigsburg Neue Weg in der Stadt - Herausforderungen durch Kommunikation und Mobilität Deutscher Verein für Stadtentwicklung und Handel e.V.
Impressum Herausgeber: urbanicom Deutscher Verein für Stadtentwicklung und Handel e.V. c/o Handelsverband Deutschland e.V. (HDE) Michael Reink (v.i.S.d.P.) Am Weidendamm 1A 10117 Berlin Tel.: 030 72 62 50 25 Fax : 030 72 60 51 25 E-Mail : reink@urbanicom.de Bearbeiter: LOKATION:S Partnerschaft für Standortentwicklung Liepe+Wiemken Dipl.-Ingenieure Sanderstraße 29/30 12047 Berlin Tel.: 030.49 90 51 80 Fax : 030.69 81 58 81 E-Mail : mail@lokation-s.de Web : www.lokation-s.de Torsten Wiemken Andris Fischer Layout: LOKATION:S | Laura Warskulat Datum: November 2016 2
Vorwort Michael Reink Geschäftsführendes Vorstandsmitglied urbanicom e.V. Die Veränderungen infolge der Digitalisierung sind mannigfaltig und teilweise systemerneuernd. Stadt und Handel müssen sich fragen, wie die „Wege in die Stadt“ in Zukunft gestaltet sein werden. Diese Wege werden physisch sein – jedoch auch vermehrt digital und diese Wege werden sich überlagern. Kommunikation Dabei muss es gelingen die Innenstädte als Orte Kommunikation für die Bürger zu erhalten. Dies mutet zunächst trivial an, bedingt jedoch aufgrund der Verände- rungen in der Art und Weise wie heutzutage und auch in Zukunft kommuniziert wird, (z.T. technische) Anpassungen durch die Stadt und den Handel. Städte müssen auch in Zukunft Orte für Face-to-Face-Kommunikation bieten sowie für Flächen der Kommunikation in Form von öffentlicher Werbung. Daneben gewinnen Themen wie freies/öffentliches WLAN oder die „Digitalisierung am Point of Sale“ an Bedeutung. Für Stadt und Handel ergeben sich dadurch automatisch neue Möglichkeiten der Datengewinnung und Auswertung, die die Kommunikation zwischen Stadt und Bürger bzw. Handel und Konsument tiefgreifend beeinflussen werden. Doch wer wird die Hoheit über diesen Datenschatz haben – der Bürger, die Stadt, der Handel, die Telekommunikationsanbieter? Hierzu hat urbanicom jeweils führende Experten aus den unterschiedlichen Disziplinen eingeladen, die im Folgenden den Status Quo beleuchten. Logistik/Mobilität Zudem besteht der Wunsch der Innenstadtbesucher/-kunden nach immer stär- kerer Verschneidung der Vertriebswege im Einzelhandel. Sprich: Damit der innen- städtische Einzelhandel weiterhin bestehen kann, müssen auch für diesen Wege geschaffen werden, den Anspruch der Kunden nach Omnichannel-Handel gerecht zu werden. Schon heute geben 20% der Innenstadtkunden an, ihr Einkaufsverhalten im Zuge der Verschneidung der Vertriebswege verändert zu haben. Rund 40% der Kunden geben an, die stationären Einkäufe online vorzubereiten. Daher sind die Notwendigkeiten der Verschneidung auch in der Innenstadt zu gewährleisten. 3
Dies bedingt Aufgaben und Lösungen durch den Handel (Homepage, Online- Shop, Lösungen wie Click and Collect, Same day delivery etc.) sowie auch durch die Stadt (angepasste Lieferzeiten in den Fußgängerzonen, Multihubs, City-Logistik). Hierbei treten auch Fragen der Logistik (B2C sowie B2B) auf sowie des Verkehrs der Zukunft. Urbanicom gibt im Folgenden Antworten auf die Fragen der Optimierung des bestehenden Verkehrsnetzes um die ansteigenden Verkehrsvolumina bewäl- tigen zu können. Um möglichst praxisnahe Aussagen zu erhalten hat urbanicom dazu u.a. Wissensträger aus der KEP-Branche (Express- und Kurierdienste) sowie der Automobilindustrie eingeladen. Ich wünsche Ihnen beim Studium dieser Dokumentation interessante Einblicke, neue Fragen und passende Antworten. Ihr Michael Reink Teilnehmer der 39. Studientagung 4
Inhaltsverzeichnis Vorwort Michael Reink 3 Geschäftsführendes Vorstandmitglied urbanicom Begrüßung und Einführung in die Tagung Lovro Mandac 6 Vorstandsvorsitzender urbanicom Kommunikation auf neuen Wegen „Innenstadt als Smartsphere - Nächste Revolutionsstufe lässt Städte analog und digital zusammenwachsen“ 9 Mario Mensing | Geschäftsführer CIMA Beratung & Management GmbH | Lübeck „Mobility Insights“ Mobilfunktgestützte Bewegungsanalysen für Handel und Transport 16 Alexander Lange | Business Development Manager Big Data | E-Plus Mobilfunk | Düsseldorf Reflexion im Dialog 20 Stephan Reiß-Schmidt | Stadtdirektor und Leiter der Stadtentwicklungsplanung Stadt München Andreas Reiter | Zukunftsforscher | ZTB Zukunftsbüro | Wien „Hier entsteht Zukunft. Ludwigsburg auf dem Weg zur vernetzten Stadt - Ein Werkstattbericht aus dem LivingLab“ 22 Oberbürgermeister Werner Spec | Ludwigsburg Reflexion im Dialog 26 Stephan Reiß-Schmidt | Stadtdirektor und Leiter der Stadtentwicklungsplanung Stadt München Andreas Reiter | Zukunftsforscher | ZTB Zukunftsbüro | Wien Studentische Kurzvorträg in Kooperation mit dem Wissensnetzwerk Stadt und Handel (WSH) Einzelhandelssteuerung in Hamburg und Wien. „Der Königsweg zwischen Über- und Untersteuerung“ 29 Vivienne Kalka | Wissenschaftliche Arbeit Hafencity Universität Hamburg „Einzelhandelsentwicklung ohne Plan? - Kommunale Einzelhandelssteuerung und der unbeplante Innenbereich“ 31 Isabel Ihde | Wissenschaftliche Arbeit Hafencity Universität Hamburg „Stationär vs. Online Möbelhandel - Ermittlung preislicher Unterschiede und Evaluierung der Verhandlungsbereitschaft“ 33 Marius Leichte | Wissenschaftliche Arbeit der Otto-Friedrich-Universität Bamberg „Welches Wissen steckt in ihren Köpfen? - Die Erkenntnisse der Konsultation zur Studientagung“ 34 Dominik Wörner | Insights Berlin 5
Reflexion im Dialog 36 Stephan Reiß-Schmidt | Stadtdirektor und Leiter der Stadtentwicklungsplanung Stadt München Andreas Reiter | Zukunftsforscher | ZTB Zukunftsbüro | Wien Mobilität auf neuen Wegen (Lieferverkehr, Autonomes Fahren, Elektromobilität) „Mathematische Optimierung im Verkehr“ 38 Prof. Dr. Ralf Borndörfer | Mathematical Optimization and Scientific Information | Konrad Zuse Institut | Berlin „City Logistik im Wandel - Lösungen für die Paketdistribution der Zukunft“ 43 Viviane Engels | Strategy Manager bei der Hermes Logistik Gruppe Deutschland | Hamburg Reflexion im Dialog 47 Stephan Reiß-Schmidt | Stadtdirektor und Leiter der Stadtentwicklungsplanung Stadt München Andreas Reiter | Zukunftsforscher | ZTB Zukunftsbüro | Wien „Urbane Mobilität im Wandel“ 48 Dr. Frank Ruff | Leiter Gesellschaft und Technik | Daimler AG | Sindelfingen Zusammenfassung der Tagung „Innenstadt der Zukunft“ 52 Prof. Dr. Diane Robers | EBS Universität für Wirtschaft und Recht | Bad Homburg v.d.H. Dokumentation der Tagung Festlicher urbanicom-Abend „Nächste Ausfahrt Digital - Herausforderungen und Chancen in der Smart City“ 54 Prof. Dr. Diane Robers | EBS Universität für Wirtschaft und Recht | Bad Homburg v.d.H. Foto-Dokumentation der Exkursion Ludwigsburg 59 Kontakte 64 6
Neue Wege in der Stadt - Herausforderungen durch Kommunikation und Mobilität Lovro Mandac Vorsitzender urbanicom e.V. und ehem. Geschäftsführer Kaufhof Warenhaus AG •• 2014-2015 Vorsitzender der Geschäftsführung der GALERIA Holding GmbH •• 2014-2015 Vorsitzender des Aufsichtsrates der GALERIA Kaufhof GmbH •• 1994-2015 Vorsitzender der Geschäftsführung der GALERIA Kaufhof GmbH, Köln; vormals Kaufhof Warenhaus AG (Formwechsel in 2008) •• 1994-1999 Vorstandssprecher Horten AG, Düsseldorf •• 1993-1994 Vorstandsmitglied Kaufhalle AG, Köln •• 1991-1993 Vorstandsmitglied Oppermann Versand AG, Neumünster •• 1988-1993 Geschäftsführer Tertia Holding GmbH, Köln •• 1987-1991 Direktor Kaufhof Holding AG, Köln •• 1981-1987 Panasonic Deutschland GmbH, Hamburg •• 1980-1981 Hapag-Lloyd-Flug GmbH, Hannover •• 1977-1980 Thorn/EMI GmbH, Hamburg Zusätzliche Funktionen (Auswahl) •• 2010-2015 Vizepräsident des HDE •• 2013-2015 Mitglied im Vorstand des Handelsverband Deutschland •• seit 2004 Vorsitzender urbanicom Deutscher Verein für Stadtentwicklung und Handel e.V., Berlin •• 2003-2015 Vorsitzender des Ausschusses Standortpolitik des Handelsverband Deutschland (HDE), Berlin •• 2001-2015 Member of the Board of Directors National Retail Federation (NRF), Washington (USA) •• •• 7
Einleitung Herr Mandac begrüßt die Teilnehmer der 39. urbanicom-Tagung im Namen des gesamten Vorstands sehr herzlich in der Stadt Ludwigsburg und dankt insbesondere Herrn Dr. Holl für die Einladung und Unterstützung der Vorbereitung der diesjährigen Tagung. Im Mittelpunkt der Tagung stehen dieses Jahr die Digitalisierung und ihre Auswirkung auf Kommunikation und Mobilität in der Stadt. Zwar versteht jeder etwas anderes darunter, aber klar ist, dass große Herausforderungen auf uns alle zukommen. Wir können diesen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts jedoch nicht mit Lösungen des 20. Jahrhunderts begegnen. Vielmehr sind mutige Schritte erforderlich, alle Akteure müssen sich den Herausforderungen der Digitalisierung stellen. Dabei bleiben die Anforderungen an die Innenstadt bestehen: Erreichbarkeit, Sicherheit und Sauberkeit sind immer noch die Voraussetzungen für attraktive Innenstädte. Insbesondere bei der Erreichbarkeit der Zentren bestehen vielerorts jedoch große Probleme: Der ÖPNV ist unzureichend ausgebaut, die Straßen sind überlastet und marode. Dieses wirkt sich negativ auf den Einzelhandel aus. Leider steht der Handel jedoch nicht im Fokus der Politik, trotz der großen volkswirtschaftlichen Bedeutung als wichtiger Arbeitgeber und mit seiner Funktion zur Versorgung der Bevölkerung. Das Internet ist weiterhin die größte Herausforderung für die Städte und den stationären Handel. Mit dem Online-Handel gehen zudem neue Probleme einher, so blockieren die vom Online-Handel induzierten Lieferverkehre zusehends die Straßen unserer Städte. Die Städte werden trotzdem immer ihre Funktion als Orte des Handels und des Warenaustauschs behalten. Der Handel wird ein wichtiger Bestandteil der Innenstädte bleiben, aber er ist nicht alles. Es werden sich neue Formen des Handels etablieren und in den Stadtzentren andere Funktionen weiter an Bedeutung gewinnen. Und der stationäre Einzelhandel muss verstärkt auf das veränderte Kundenverhalten reagieren. Hier bestehen gerade bei den etablierten Konzernen teilweise große Probleme. Mit den längeren Öffnungszeiten ist eine Flexibilisierung des Personaleinsatzes erforderlich, um die Bedürfnisse der Kunden erfüllen zu können. Der stationäre Handel zahlt Lohnzuschläge von bis zu 120 %, während die Online- Händler in ihren Logistikzentren und Call-Centern kaum Zuschläge zahlen. Die Flexibilisierung und eine Verbesserung der Wettbewerbschancen des stationären Handels sind mit den Gewerkschaften und Kirchen jedoch weiterhin schwer umsetzbar. Das Netz ist aber nicht nur Einkaufsort, sondern kommt auch in Form von freiem WLAN in die Städte. Bisher kann keiner sagen, was das für die Innenstädte bedeutet. Kommen die jungen Leute dann auch in die Geschäfte, um dort was zu kaufen? Auf jeden Fall kann es dazu beitragen, dass Innenstadt und Handel Treffpunkte und Orte der Kommunikation bleiben. Diese und zahlreiche weitere Facetten der Digitalisierung sowie ihre Auswirkungen auf Kommunikation und Mobilität in den Städten sollen im Rahmen der diesjährigen urbanicom-Tagung eingehender beleuchtet und diskutiert werden. 8
Kommunikation auf neuen Wegen Mario Mensing Geschäftsführer CIMA Beratung + Management GmbH •• seit 1998 Geschäftsführerder CIMA Beratung+Management GmbH •• 1992-1997 Geschäftsführer der City‐ und Stadtmarketing‐Organisation “Lübeck‐Management” in der Hansestadt Lübeck •• 1988-1989 Geschäftsführer im Kulturmanagement in Bonn Projekte bei CIMA (Auswahl) •• City‐und Stadtmarketing, Tourismus: Landeshauptstadt Kiel, Landeshaupt- stadt Schwerin, Landeshauptstadt Magdeburg, Landeshauptstadt Dresden, Braunschweig, Wolfsburg, Bremen, Oldenburg, u.v.m. •• Diverse Einzelhandelskonzepte u.a. Reinbek‐Bergedorf: Interkommunales Einzelhandelsforum Die Innenstadt als „Smartsphere“? - Nächste Revolutionsstufe lässt Städte analog und digital zusammenwachsen Thesen im Überblick Bisher lautete die zentrale Forderung: „Die Stadt muss ins Internet gebracht werden“. Jetzt heißt es auch: „Das Internet muss in die Stadt gebracht werden.“ Es findet eine Überlagerung von Realität und Digitalem statt, dieses ist die Smartsphere. Dabei müssen Städte wählerisch sein. Sie müssen die Infrastrukturen kontrollieren, bisher werden die Claims ohne die Städte durch die Konzerne abgesteckt. Städte bestimmen selber, was „smart“ ist, nicht die Technik-Nerds, nicht die Konzerne. Smart ist, was der Urbanität nützt. Urbanität tritt an die Stelle von Handelszentralität. 9
Die Kundenbefragungen im Rahmen des cima.Monitor 2016 haben ergeben, dass Einkaufsmöglichkeiten weiterhin das wichtigste Merkmal einer attraktiven Innenstadt sind. Einkaufsmöglichkeiten haben in den vergangenen Jahren sogar als Attraktivitätsmerkmal von innerstädtischen Standorten an Bedeutung gewonnen. Abb. 1 Teilnehmer der urbanicom Tagung am 07. Juni 2016 in der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Wüttemberg. Die Befragung zeigt weiterhin, dass fast alle Kunden auch online einkaufen, insbesondere Menschen unter 50 Jahren shoppen nahezu alle auch online. Allerdings zeigt sich gegenwärtig beim Onlinekauf eine ungleiche Verteilung auf die verschiedenen Warengruppen. Mangelnde Attraktivität des stationären Handel führt zu Ladensterben Das heißt im Umkehrschluss jedoch nicht, dass jeder Händler ins Netz muss, wie man es vor einigen Jahren noch vielfach behauptet hat. Das Institut für Handelsforschung (IfH) geht davon aus, dass in den kommenden Jahren mindestens weitere 45.000 Einzelhandelsläden schließen müssen. cima.MONITOR 2016: Attraktive Innenstädte Trotz online-Boom sind die Einkaufsmöglichkeiten … … wichtigstes Attraktivitätsmerkmal der Innenstädte Abb. 2 Merkmale einer attraktiven Innenstadt. Bildquelle: cima.MONITOR 2016 4 10
Die Ursache für das Sterben der Einzelhändler liegt aber nicht nur im Online-Handel, sondern vor allem auch am Handel selber. Online-Einkauf Fast jede/r kauft (auch) online Abb. 3 Anteil der Online-Käufer in den letzten 12 Monaten. Bildquelle: cima.MONITOR 2016 5 Eine Auswertung der cima von Daten aus über 300 Städten in Deutschland, in denen mehr als 60.000 Einzelhandelsgeschäfte bewertet wurden, hat ergeben, dass nur rund 7 % der Läden in den Innenstädten allen Ansprüchen der Kunden an ein modernes Geschäft genügen. Über 50 % der Läden werden hingegen als unattraktiv wahrgenommen bzw. weisen keine Highlights oder besonderen Anziehungspunkte für die Kunden auf. Hier zeigt sich, dass die Ursachen des Ladensterbens vor allem auch bei den stationären Händlern selber zu suchen sind. Verbraucherverhalten als Chance des stationären Handels Auch die weit verbreitete Vorstellung vom „Beratungsklau“ beim stationären Handel ist längst überholt. Drohung: „Händler ohne online-shop sterben Wahrheit: … die es betrifft, sterben auch mit online-Shop IfH-Prognose: Wir verlieren mindestens weitere 45.000 stationäre Läden. Und das ist OK so ! Innenstadt-Handel stirbt nicht an online, sondern überwiegend an sich selbst. Kumulierte Daten aus ca. 300 Städten mit ca. 60 TSD Betrieben (16 Mio. qm Vkf) Veraltet, renovierungs- „Top“, allen Ansprüchen bedürftig 10,3 7,1 genügend 40,4 42,3 Abb. 4 Modern, Normal, ohne Innenstadt-Handel stirbt nicht Highlights zeitgemäß an online, sondern überwieg- end an sich selbst. Man muss das ganze Bild sehen: Über 1/3 aller Einkäufe in stationären Geschäften werden heute von den Kunden online vorbereitet. Während im Jahr 2015 Umsätze 11
des Onlinehandels in Höhe von rund 7,8 Mrd. Euro stationär vorbereitet wurden, haben die Kunden im gleichen Zeitraum mehr als das 20-fache Umsatzvolumen online vorbereitet, aber offline gekauft. Verbraucherverhalten Beratungsklau ? Chance für den stationären Handel: SOKO = Suche Online – Kaufe Offline 38,5 % der Einkäufe in stationären Geschäftsstellen 165,8 Mrd. € werden online vorbereitet 40,3% des Umsatzes 10,8 % der Einkäufe in Online- 7,8 Mrd. € Shops werden in stationären Geschäftsstellen vorbereitet 18,8 % des Umsatzes Abb. 5 Verbraucherverhalten: Chancen für den stationären Vom „Beratungsklau“ profitieren die stationären Geschäftsstellen mehr als die Handel. Online-Shops (20-facher Umsatz) Heute beginnt die Customer Journey im Netz vielfach noch bei Google, jedoch Quelle: Daten: ECC Köln 2015; HDE 2015 11 ist bereits erkennbar, dass sie in Zukunft immer stärker über die sozialen Netzwerke erfolgen wird. Hierin liegt auch eine Chance für den innerstädtischen Handel, da die Netzwerke ein kostengünstigeres und spezifischeres Marketing ermöglichen. Regionale Marktplätze als Antwort der Innenstädte Eine sehr populäre Antwort der Innenstädte sind Regionale Marktplätze, die momentan vielerorts von Händlergemeinschaften, Zeitungen und den Städten aufgebaut werden. Sie stellen allerdings vielfach keine Lösung dar und finden kaum Akzeptanz bei den Kunden. Ähnlich sieht es bei vielen Städte-Apps aus, die häufig nicht vernetzte, in sich gekehrte Anwendungen sind. Alle diese Anwendungen funktionieren nur, wenn Sie ein Zusammenspiel von sozialer Vernetzung, Lokalisierung und mobiler Internetnutzung in der Innenstadt bieten. Der Nutzer möchte Inspiration, Information und Service aus einer Hand. Technologische Möglichkeiten werden sich auch in Zukunft rasant weiterentwickeln Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, dass sich die Benutzerinterfaces sehr schnell weiterentwickeln. Von Touch und Virtual Reality bis zur Augmented Reality hat es nur fünf Jahre gedauert. Und man sollte dabei bedenken, dass das was technisch möglich ist auch gemacht wird. Es gilt für die Städte und ihre Akteure neun technologische Entwicklungen zu verstehen, um die Zukunft der Städte selber mitgestalten zu können. Diese bilden die Grundlage für den technologischen Wandel und damit einhergehende neue Möglichkeiten: 12
•• Breitband (eine schnelle Internetanbindung ist für viele der nachfolgenden Entwicklungen unabdingbar) •• Wifi (ermöglicht Kreuzpeilung und somit eine Lokalisierung des Kunden), •• GPS (erlaubt eine exakte Positionsbestimmung), •• Beacons (dienen nicht nur der Ansprache, sondern bieten auch Melde- und Überwachungsfunktionen), •• Near Field Communication (kontaktloser Datenaustausch per Funktechnik insbesondere für Payment), •• Marker/ QR-Codes (dient dem zusätzlichen Einholen von Informationen), •• Sensorik (kann Informationen Bekleidung, Schuhe etc. übertragen), •• Biometrik (ermöglicht es u.a. Gemütszustände der Besucher der Innenstädte zu erfassen) •• Tracking (ermöglicht Einholung von Informationen zu Bewegung und Lage eines Objekts). Abb.6: Locationbased-Services: Megatrends der Zukunft. Eine weitere wichtige Entwicklung, die ebenfalls den Aufenthalt in den Innenstädten verändern wird, sind die Wearables – Alltagsgegenstände die man trägt, die Daten senden und empfangen können. Google Glasses und die iwatch sind nur die Vorboten dieser Entwicklung. Weitere Megatrends sind das Social web, das Internet der Dinge, Location based services (LBS) und Big Data, die ebenfalls in den Innenstädten zusammenzuführen sind. Das Zeitalter der smart city Es gibt nicht die eine smart city, sondern verschiedene Interpretationen dieser. Im Wesentlichen lassen sich unterscheiden: 13
•• Die technisch-industrielle smart city mit SciFi Visionen, Null-Energie- Hochhäusern , big data-Kraken und smarter Massenmobilität - die smart city der Konzerne. •• Die „smart people“-City, die auf Gemeinschaft, Sharing, Partizipation und anderen sozio-kulturellen Prinzipien beruht. Hier wird die Technologie durch die Gemeinschaft gestaltet, sie bietet die Voraussetzungen für Partizipation und Sharing. Die Innenstadt von morgen muss nicht nur die technologischen Möglichkeiten kennen, sondern sollte bei deren Nutzung auch die damit verbundenen Wertekonzepte im Auge behalten. Komponenten der digitalen Innenstadt Offline und online verschmelzen zusehends miteinander. Die Akteure in den Städten müssen sich rechtzeitig die Hoheit über die in den Innenstädten gewonnenen Daten sichern und das Geschäft nicht anderen überlassen. Einen Ansatz bietet das Konzept der Firma Sinkacom AG, das die enge Verknüpfung von Online-Inhalten und dem innerstädtischen Angebot anstrebt. Mit einer individuellen Stadt-App und einem virtuellen Marktplatz auf der einen Seite sowie flächendeckendem WLAN, standortbasierter Kommunikation mit Beacon- Technologie und einer entsprechenden Datenerfassung auf der anderen Seite. Noch einen Schritt weiter geht das Konzept der „smartsphere“ der Firma menschortweb, die an die „Infosphäre“ von Luciano Floridi anknüpft. Die Trennung von online und offline wird aufgehoben, wir leben „onlife“. Die Informations- und Kommunikationstechnologien bestimmen die Art wie wir leben, der reale Raum wird um eine virtuelle Kommunikations- und Aktionsebene erweitert, die Besucher erleben den realen Ort intensiver, indem er durch ortsbasierte Dienste und Technologien auf der digitalen Ebene angereichert wird – es entsteht ein „analog- digitaler Erlebnisraum“. Dieser Erlebnisraum zeigt sich gegenwärtig in unterschiedlichen Modulen: •• SmartApps: interaktive multimediale Anwendungen, die mit der Umgebung Link: interagieren bzw. kontextbezogene Informationen liefern. www.lessingstadt-wolfenbuet- tel.de/Tourismus/Tourist-Info/ -> z.B. Module der neuen Wolfenbüttel App App-für-Freizeit-und-Tourismus •• SmartPlaces: Ortsbezogene Apps (z.B. Museum, ShoppingCenter, Festival), Link: www.museum.de/de/product in der für den Moment des Bedarfs (z.B. Aufenthalt) alle ortsbezogenen Dienste, Social Networks, Gamification etc. zusammenlaufen. -> App Freilichtmuseum Detmold •• SmartSphere: Offene Schnittstelle für mehrere smartplaces; übergreifende Link: Daten- und Medienströme. www.mdcc.de/aktuelles/erleb- -> App „Machdeburg“ nis-app-machdeburg/60 14
Zukünftige Entwicklungen werden Innenstädte weiter verändern Vielfältige neue Entwicklungen werden den stationären Handel und das gesamte Erlebnis Innenstadt weiter verändern. Augmented Reality wie TimeTraveler schaffen eine zweite Realitätsebene in den Städten. Google Translator wird es ermöglichen, mit jedem zu kommunizieren ohne zehn Sprachen zu sprechen und LBS wie sunseeker verändern die Nutzung der öffentlichen Räume. Daneben gewinnt der soziale Kontext als „Empfehler“ weiter an Bedeutung, wie z.B. bei foursquare. Und Apps wie shopkick schaffen Impulse die Läden zu betreten. Aber es ist auch zu beachten, dass es die Gegenbewegung des Digitalen Detox gibt, also der bewusste temporäre Verzicht auf Kommunikationstechnologien unter dem Motto „social ohne media“. Und daneben gibt es 20-25 % potenzieller Kunden und Besucher von Innenstädten ohne Zugang zu diesen Technologien. Auch vor diesem Hintergrund ist ein bewusster Umgang mit den Daten erforderlich, da sich ansonsten größere Gruppen abwenden könnten. Es zeigt sich also, dass es keinen einheitlichen Trend in Bezug auf die Digitalisierung gibt, auf den Innenstädte reagieren müssen, sondern vielmehr ein Nebeneinander verschiedener Entwicklungen, deren Berücksichtigung wichtig ist, um auch in Zukunft als starker Einzelhandelsstandort konkurrenzfähig zu sein und den wachsenden Ansprüchen der Kunden in einer sich verändernden (digitalen) Welt gerecht zu werden. 15
Kommunikation auf neuen Wegen Alexander Lange Business Development Manager Big Data, E-Plus Mobilfunk GmbH Düsseldorf Alexander Lange verantwortet seit 2014 den Vertrieb von Mobility Insights, dem mobilfunkgestützten Analyseprodukt der Telefónica Deutschland. Zuvor war er bei der Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners in Bonn tätig, nachdem er zwei Jahre Unternehmen in kreativen Prozessen selbstständig beraten hat. Seinen Master of Science in Business Administration hat er an den Hochschulen in Hamburg und Kopenhagen erworben. „Mobility Insights. Mobilfunkgestützte Bewegungs-analysen für Handel und Transport“ Thesen im Überlick Die Telekommunikationsanbieter sitzen auf einem riesigen Datenschatz, der für verschiede Anwendungen mit erheblichem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Mehrwert nutzbar gemacht werden kann. Der deutsche Mobilfunkmarkt ist einer der am stärksten regulierten mit hohen Datenschutzanforderungen. Die Lösungen von Telefónica Deutschland tragen dazu bei, dass Einzelhändler ihre Kunden besser verstehen und smarter mit ihnen interagieren. Gleichzeitig können die Händler ihre eigenen Prozesse effizienter gestalten. 16
Nicht nur Städte, auch Telekommunikationsunternehmen befinden sich im Wandel. Im Speziellen die Telefónica Deutschland, welche aus dem Zusammenschluss von O² und E-plus hervorgegangen ist, sieht große Chancen in der Digitalisierung. Als größter Mobilfunkanbieter Deutschlands mit mehr als 43 Millionen Kunden liegen Telefónica Deutschland durch ihre normalen Geschäftsprozesse viele Daten vor. Darunter viele, die ausschließlich uns als Netzbetreiber vorliegen, beispielsweise Mobilitätsdaten. Diese sind ein wichtiger Rohstoff der Digitalisierung. Dabei ist es keineswegs nur die Menge an Daten, aus der sich ein Potenzial ergibt. Daten im Kontext und die Schlüsse daraus schaffen den eigentlichen Mehrwert. Nutzbarmachung der Mobilfunkdaten Mit Advanced Data Analytics gewinnt Telefónica Deutschland Erkenntnisse aus der Analyse großer Datenmengen, ein Geschäftsfeld, das wir derzeit aufbauen. Erste Projekte, wie beispielsweise die Messung von Abgasemissionen mithilfe von Mobilfunkdaten, befinden sich in der Umsetzung. Daten als Grundlage für die Nutzbarmachung Ein Anwendungsfeld sind Bewegungsanalysen. Grundlagen dieser sind die anonymisierten Mobilfunkdaten von rund 43 Millionen Kunden, davon 17 Millionen Postpaid-Kunden (Vertragskunden). Diese generieren vier Milliarden Events (Datenpunkte) pro Tag, dazu zählen beispielsweise Ein- und Ausschalten des Handys, ob das Handy für Anruf, SMS oder zum Surfen genutzt wird Standortinformationen. Mobility Insights: Grundlage Einer der größten anonymisierten Datensätze im deutschen Markt Abb. 7 Postpaid-Kunden generi- eren Datenpunkte für einen der größten Datensätze im deutschen Markt. 3 Internal Use – Interner Gebrauch Die daraus ableitbaren Erkenntnisse basieren auf einem der größten anonymisierten Datensätze im deutschen Markt. Technische Grundlage hierfür sind die flächendeckend vorhandenen Mobilfunkzellen, wobei durch das 2G-Netz mehrere Kilometer, im 3G- oder 4G-Netz kleinere Areale mit einer höheren Genauigkeit abgedeckt werden Datenschutz made in Germany Der Schutz der Kundendaten hat für Telefónica Deutschland oberste Priorität. 17
Jeglicher Personenbezug der Daten wird durch die Trennung von Daten und Identität umgehend entfernt, so dass die hohen Sicherheitsanforderungen des Bundesdatenschutzgesetzes erfüllt werden. Es gibt aktuell keine härter regulierten Mobilfunkmärkte als den deutschen Mobilfunkmarkt – und Telefónica Deutschland geht über diese gesetzlichen Anforderungen hinaus. Als eines der ersten Unternehmen in Deutschland hat das Unternehmen einen Anonymisierungsalgorithmus entwickelt, mit dem große Datenmengen über ein dreistufiges Verfahren komplett anonymisiert werden. Datenschutz als oberste Priorität Abb. 8 Ein Anonymisierungsalgo- rithmus anonymisiert große Datenmengen durch Trennung NETZWERKEVENTS ANONYMISIERUNG EXTRAPOLATIO & AGGREGATION N personenbezogener Daten und 8 & ANALYSE Identitäten. Internal Use – Interner Gebrauch Das Verfahren wurde auch der Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit vorgelegt und erhielt zudem das TÜV-Siegel für Datenschutz. Anwendungsbeispiele für die Analyse der Daten Die aus der Mobilfunkauswertung gewonnenen Daten lassen sich vielfältig analysieren und nutzbarmachen. Neben dem bereits erwähnten neuen Verfahren zur Emissionsmessung können diese in der Städteplanung, der Transportplanung, für Standortanalysen oder im Tourismus sowie der Werbeplanung verwendet werden. Abb. 9 Mobilfunkauswertung ist von großem Nutzen in der Städte- und Transportplanung z.B. die Daten von Pendlerströmen in Einzugsgebieten. 13 Internal Use – Interner DISCOVER, DISRUPT, DELIVER Gebrauch 18
So lassen sich mithilfe der Daten beispielsweise Pendlerströme identifizierenoder die Einzugsgebiete von Einkaufszentren darstellen. Ein weiterer, gerade für den Handel in den Innenstädten interessanter Anwendungszweck ist die Ermittlung von Passantenfrequenzen. Die oftmals von Studenten per Hand durchgeführten Frequenzzählungen sind meist ungenau. Die Ermittlung per Mobilfunkdatenanalyse ist wesentlich präziser. Zusätzlich können hier soziodemografische Daten wie Geschlecht oder Alter einfließen, was den Erkenntnisgewinn für die Einkaufsstandorte erhöht. Dem Handel sind zudem Kundenzahlen vor dem Geschäft wichtig. Diese lassen sich aktuell allerdings noch nicht darstellen, lediglich die Anzahl potenzieller Kunden in einem grober abgesteckten Umfeld. Vorteile der mobilfunkgestützten Bewegungsanalysen Um den Datensatz zu vergrößern ist Telefónica Deutschland in Gesprächen mit möglichen Kooperationspartnern. Ein Vorteil der Daten stellt die zeitlich unbegrenzte 24/7-Betrachtung dar. Weiterhin können mit der mobilfunkgestützten Bewegungsanalyse im Gegensatz zu punktuellen Zählungen komplette Reiseketten abgebildet werden. Neben der vielfältigen Anwendbarkeit der Daten stellt der hohe Datenschutz einen Vorteil dar. Das Vertrauen der Kunden in den Datenschutz und die Hoheit der Kunden über ihre Daten sind ein wichtiger Erfolgsfaktor. Die Telefónica Deutschland ist an der weiteren Nutzbarmachung der Daten interessiert und steht für einen Austausch und Dialog gerne zur Verfügung. 19
Reflexion im Dialog Stephan Reiß-Schmidt Stadtdirektor und Leiter der Stadtentwicklungsplanung Stadt München Andreas Reiter Zukunftsforscher, ZTB Zukunftsbüro, Wien Andreas Reiter: Beide Vorträge waren sehr spannend. Bei dem Vortrag von Herrn Mensing bin ich mit vielem einverstanden, in einem aber nicht. Ich muss Herrn Mensing widersprechen, meiner Meinung nach bestimmen nicht die Städte, was smart ist. Die Städte reagieren lediglich, was der zweite Vortrag von Herrn Lange meiner Meinung nach auch beweist. Was smart ist bestimmen die großen Konzerne wie Telefonica, Siemens, IBM und viele andere, sie legen die Messlatte fest. So hat zum Beispiel das Unternehmen Siemens vor Jahren den Green City Index eingeführt und verkauft nun nachhaltige Technologien an die Städte, damit diese in diesem Ranking besser abschneiden. Dasselbe passiert im Bereich Smart City, daher bin ich sehr skeptisch, welchen Einfluss die Kommunen haben. Zum anderen hat Herr Mensing hervorragende Beispiele zur Hybridisierung des Menschen gebracht, die Trennung von Online und Offline ist obsolet. In Zukunft wird die Technik immer näher an den Körper des Menschen heranrücken, siehe iWatch oder Tracking-Tools. Gerade bei Gesundheitsanwendungen werden die Menschen immer leichtfertiger beim Umgang mit dem Digitalen. Allgemein lässt sich kritisieren, dass im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung die Oberflächen immer glatter und Brüche immer seltener werden. Man kann durchaus behaupten, dass das Glatte die Signatur der Gegenwart ist. Alles ist glatt aber berührt nicht mehr. Alles überschneidet sich und dieser Hybridisierungstrend geht weiter. Auf den Menschen bezogen kann man hier in diesem Zusammenhang eher von „Work-Life-Blending“ und nicht von „Work-Life-Balance“ sprechen. Denn eines ist sicher, die Digitalisierung geht weiter. Wir leben in einer „flüssigen Moderne“ wo alles miteinander zusammenhängt. Mein letzter Punkt ist, ich finde es sehr erschreckend was heute bereits alles mit den gesammelten Daten gemacht werden kann. In meiner Heimatstadt Wien beispielsweise analysiert die Stadt die Bewegungsprofile der ausländischen Touristen und kann dadurch Besucherströme lenken. Aus Standortmarketingsicht ist dies natürlich fantastisch, aber bezogen auf den Bürger der Stadt, auch wenn alle Daten anonymisiert werden, finde ich das Ganze sehr problematisch. 20
Stephan Reiß-Schmidt: Der erste Vortragsblock heute ruft in mir auch eine Mischung aus Erschrecken und Faszination hervor. Es entsteht eine enorme Sprengkraft beim Aufeinandertreffen der schwerfälligen und nicht leicht zu ändernden physischen Strukturen der Stadt und den schnelllebigen Digitalisierungsformen. Smart City als neues Leitbild der Städte ist ein Irrweg. Die europäischen Städte sollten die gewachsenen, sozialen und anderen Vorgaben beibehalten und schauen, wie die Digitalisierungstransformationen sinnvoll genutzt werden können. Von Seiten der Städte gibt es allerdings viel aufzuholen und es ist noch nicht abschließend entschieden, wer am Ende gewinnen wird. Hinzu kommt, dass auch jeder Trend einen Gegentrend erzeugt, zum Beispiel Digital Detox als Gegenentwurf zu ständiger digitaler Erreichbarkeit und Konsum. Die größte Herausforderung für die Kommunen wird sein, wie sie die Steuerungsmöglichkeiten gewinnen können, um die Qualitäten der europäischen Stadt langfristig zu sichern. Andreas Reiter: Der Begriff Smart City muss anders formuliert werden. Wenn man sich anschaut was in der Definition Smart City alles drinsteckt, Mobilität, Inklusion, green, im Prinzip ist es die Quadratur des Kreises, die man unter diesem Branding verkauft. Der spezielle Spirit einer jeden Stadt muss berücksichtigt werden. Die Seele der Stadt lässt sich nicht mithilfe von Daten herausarbeiten, die aktuellen Analysen kratzen lediglich an der Oberfläche und berühren uns nicht wirklich. Stephan Reiß-Schmidt: Man sollte sich nicht allzu stark auf all diese Analysen und Studien verlassen, wenn man in die Zukunft schaut kann man sich auch irren. So hat beispielsweise eine Difu-Studie von 2003 prognostiziert, dass der Onlinehandel dem stationären Einzelhandel in den Städten nicht gefährlich werden kann. Eine Einschätzung, die sich nicht bewahrheitet hat. 21
Kommunikation auf neuen Wegen Werner Spec Oberbürgermeister der Stadt Ludwigsburg Werner Spec, Diplom-Verwaltungswirt (FH), seit 2003 Oberbürgermeister der Stadt Ludwigsburg (93.000 EW). Davor war er Stadtkämmerer und zugleich Leiter der Stadt- werke bzw. Eigenbetriebe in Sigmaringen (bis 1992) und Ulm (bis 1996) sowie Finanz- bürgermeister (1996-1998) sowie später Oberbürgermeister (1999-2003) in Calw. Seine Arbeitsschwerpunkte als Oberbürgermeister: Nachhaltige Stadtentwick- lung, Generationengerechte Finanzen, Wirtschaftsförderung, Kultur, Energie- und Wohnungswirtschaft. Hier entsteht Zukunft. Ludwigsburg auf dem Weg zur vernetzten Stadt – Ein Werkstattbericht aus dem Living Lab Thesen im Überlick Smart City ist kein Selbstziel. Stadt und Stadtgesellschaft müssen sich die Frage stellen, wie sie die sich bietenden Chancen der Digitalisierung nutzen möchten. Das Living Lab untersucht konkrete Fragestellungen und entwickelt Lösungen, anstatt abgehobener Visionen. Smart City-Projekte stärken die Wettbewerbsfähigkeit einheimischer Unternehmen. 22
Die Stadt Ludwigsburg hat in den vergangenen Jahren eine sehr positive Entwicklung erlebt. Heute leben rund 10.000 Studenten in der Stadt und in sechs Jahren wird die Einwohnerzahl voraussichtlich die Marke von 100.000 überschritten haben. Schon heute ist Ludwigsburg die zweitgrößte Stadt in der Region Stuttgart. Ein wesentlicher Impuls für die Stadtentwicklung war die Ansiedlung der Akademie der Künste, in deren Räumlichkeiten auch die diesjährige urbanicom-Tagung stattfindet. Ludwigsburg als zukunftsfähige Stadt Die Aufgabe der Stadtverwaltung und der Politik ist es, alles dafür zu tun, dass man in Ludwigsburg gut leben und arbeiten kann. Die smart city ist dabei kein Selbstziel, vielmehr gilt es die Stadt zukunftsfähig auszurichten. Ludwigsburg sieht sich, ebenso wie andere Städte und Regionen mit verschiedenen Megatrends konfrontiert. Dazu gehören die demographische Entwicklung und auch die gegenwärtigen Flüchtlingsbewegungen ebenso, wie die Digitalisierung und die Globalisierung, die sich ändernde Mobilität mit ihren lokalen Implikationen wie Feinstaubbelastung oder der anhaltende Trend zurück in die Städte. Systematische Herangehensweise an die Herausforderungen der Zukunft Um diese vielfältigen Herausforderungen angehen zu können, hat sich die Stadt Ludwigsburg im Jahr 2004 für eine systematische Herangehensweise entschieden. Der Entwicklungsprozess baute von Beginn an auf einer breiten Beteiligung der Bürgerschaft auf. Im Rahmen von Zukunftskonferenzen wurden die Themen der Menschen in ihrer ganzen Breite aufgenommen. Aufgrund der Vielfältigkeit der Themenfelder musste der Prozess von der kommunalen Verwaltung vorbereitet und strukturiert werden, dieses umfasste auch die kontinuierliche Einbindung von internem und externem Expertenwissen. Eine wichtige Herangehensweise war und ist, dass eine Verzahnung der Themen im Sinne eines interdisziplinären Ansatzes verfolgt wird und damit keine Themen aufgrund von Priorisierungen in den Hintergrund rücken. Zur Unterstützung und Nachverfolgung des gesamten Prozesses, der inzwischen über 1.600 Einzelprojekte umfasst, hat die Stadt Ludwigsburg ein neuartiges Software-Tool entwickeln lassen. Neben den technischen Voraussetzungen und einer breiten Beteiligung ist auch ein Um- und Nachdenken der Akteure zwingend erforderlich, um die Frage zu beantworten, wie Stadt und Stadtgesellschaft die sich bietenden Chancen der Digitalisierung nutzen möchten. Im Ergebnis des Prozesses steht das Stadtentwicklungskonzept „Chancen für Ludwigsburg“ (SEK), welches immer wieder auf Zukunftskonferenzen unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger, Vertreter der Stadtverwaltung und der Politik fortgeschrieben wird. Umsetzungsinstrument: Das Living Lab Ludwigsburg U.a. zur Untersuchung konkreter Fragestellung und Entwicklung von Lösungen zu Themen und Handlungsfeldern des SEK wurde das Living Lab Ludwigsburg 23
gegründet. In dem 2015 gegründeten Innovationsnetzwerk arbeiten die Stadt Ludwigsburg, Partner aus Wirtschaft sowie Industrie und Forschungseinrichtungen in einzigartiger kooperativer Weise zusammen. Aus dieser Zusammenarbeit sollen Das Living Lab soll konkrete sich Impulse für neue, innovative Technologien entwickeln, die dann vor Ort unter Lösungen und nicht abge- realen Bedingungen im Stadtraum erprobt werden können. Die Kooperation hobene Visionen entwickeln. zwischen Stadt und Unternehmen ist dabei besonders wichtig. Die Städte brauchen dafür die Unternehmen und die Unternehmen sind auf der anderen Seite auch auf sozial ausgewogene, lebenswerte Städte angewiesen. So wird in Zusammenarbeit mit den Firmen beispielweise die Frage untersucht, wie man Kommunikationstechnik und Sensorik zur besseren Verkehrssteuerung nutzen kann. Die Entwicklung der Lösungen erfolgt nicht im Büro, sondern im Living Lab im Rahmen eines übergreifenden Ansatzes in der Stadt. Zudem sind für Projekte der E-Mobility auch geeignete Ladenetze erforderlich. Die Städte und ihre Stadtwerke müssen dafür neue Infrastrukturen in Form von Schnellladenetzen zur Verfügung stellen. Solche komplexen Änderungen lassen sich nur in enger Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Städten und ihren Eigenbetrieben sowie der Bewohnerschaft realisieren. Die Koordination dieser interdisziplinären Zusammenarbeit erfolgt im Referat Nachhaltige Stadtentwicklung der Stadt Ludwigsburg, welches eine Querschnittseinheit in der Stadtverwaltung ist. Vielfältige Ziele des Living Lab Die Stadt verfolgt mit dem Living Lab zahlreiche Ziele, u.a. soll eine zukünftige Segregation zwischen Onlinern und Offlinern verhindert werden. Gleichzeitig bieten die Projekte auch den Unternehmen die Chance, neue Technologien zu entwickeln und in der Folge global zu vermarkten. Somit tragen die einzelnen Projekte auch zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der ansässigen Unternehmen und zur Sicherung bzw. Schaffung von Arbeitsplätzen bei. Bei allen Projekten gilt es aber auch, die beschriebenen übergeordneten Megatrends mitzudenken, beispielsweise den Klimawandel oder auch den Umbau von Gebäuden aufgrund des demographischen Wandels. Schlüsselprojekt: Transformation Weststadt In der Ludwigsburger Weststadt, einem traditionell vom produzierenden Gewerbe geprägtem Stadtteil, hat in den vergangenen Jahren ein fundamentaler Wandel eingesetzt. Gemeinsam mit Unternehmen und Eigentümern konnte eine Weiterentwicklung des Gewerbegebiets zu einem der führenden Innovationsstandorte mit einem Schwerpunkt auf dem Thema Mobilität eingeleitet werden. Es konnten neue Unternehmen angesiedelt werden, u.a. Bosch und ein neues Rechenzentrum von Porsche. Parallel dazu ist eine Anpassung der Infrastrukturen durch die Stadt erfolgt. Die Entwicklung eines modernen Gewerbestandorts erfordert auch die Schaffung eines kreativen Umfelds und einer hohen Aufenthaltsqualität. Dieses schlägt sich u.a. in einer entsprechenden Umgestaltung von öffentlichen und halböffentlichen Räumen nieder. Die Stadt begleitet den dabei stattfindenden Transformationsprozess umfassend und aktiv. 24
Abb. 10 Anbindung der Weststadt an die Innenstadt durch neue Bahnhofsunterführung. Innovative Lösungen für die Mobilität der Zukunft Die ansässigen Unternehmen und die Stadt entwickeln und erproben vielfältige Ansätze, insbesondere in den Bereichen Mobilität und Kommunikation. Dazu gehören die Voraussetzungen von E-Mobility, aber auch Parking-Lösungen von Siemens, die die Straßenlaternen für ihre Sensorik nutzen und ein digitales Parkraummanagement ermöglichen. Ein solches Projekt erfordert nicht nur die Nutzung städtischer Bestandsinfrastrukturen, sondern auch den zukünftigen Betrieb der digitalen Plattform. Ebenso arbeitet die Stadt im Rahmen des Living Labs an neuen Lösungen im ÖPNV, wenngleich sich der Bau einer Straßenbahn durch die Innenstadt aufgrund der Hochflur-Problematik, die bereits im Rahmen des Stadtrundgangs am Vortag erläutert wurde (die Umstellung vom aktuellen Niederflur-Bussystem der Stadt auf ein Straßenbahn-Hochflursystem würde einen kostenintensiven Umbau aller bestehenden Haltestellen zur Gewährleistung der Barrierefreiheit voraussetzen), schwierig gestaltet. Die Umsetzung anderer Verkehrslösungen wie eine innerstädtische Seilbahn werden gerade für die Weststadt geprüft, ebenso wird an intelligenten Ampel- und Straßenbeleuchtungssystemen gearbeitet. Fokus der Stadtentwicklung: Stärkung des Einzelhandelsstandorts Innenstadt Ein besonderer Fokus der Stadtentwicklung liegt auf der Innenstadt und ihrer Funktion als Versorgungs- und Einzelhandelsstandort. Die Stadt verfügt aufgrund ihrer Historie als Residenzstadt über drei Schlösser und dreißig Kasernen. Gerade diese Backsteinkasernen stellten in den vergangenen Jahren eine große Herausforderung für die Stadtentwicklung dar. Mit ihrer Umnutzung ging aber auch die Chance auf eine Belebung und funktionale Aufwertung der Innenstadt einher. Mit der Errichtung der Wilhelmgalerie konnte auf einem Kasernengelände unter Erhalt der historischen Backsteinfassaden ein neuer innerstädtischer Anker mit 15.700 m² zusätzlicher Verkaufsfläche geschaffen werden. Und mit der erfolgreichen Revitalisierung des Marstall-Centers wurde eine langjährige Problemimmobilie 25
beseitigt. Hierbei hat die Stadt eine aktive Rolle übernommen, indem sie zunächst die Anteile der verschiedenen Eigentümer mit Zustimmung des Gemeinderats über eine eigene GmbH erworben hat. Über den Verkaufsvertrag mit der ECE konnte die Entwicklung des Centers erfolgen, die von Investitionen der Stadt in den umgebenden Stadtraum zur besseren städtebaulichen Einbindung begleitet wurden. Abb. 11 WilhemGalerie und Marstall in Ludwigsburg. Digitale Infrastrukturen für die Stadtbewohner Die Stadt schafft die digitalen Infrastrukturen, die zukünftige Entwicklungen der Städte erst ermöglichen. In diesem Zusammenhang kann sie auch die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Daten diskriminierungsfrei zur Verfügung gestellt werden. So wurde zur Umsetzung der Smart City-Strategien Ludwigsburgs eigens ein Software-Tool für die Stadt entwickelt. Mit dem „Kommunalen Steuerungs- und Informationssystem“ wird die Stadtentwicklung für den Bürger transparent gemacht. Durch dieses Tool und im Rahmen von Öffentlichkeitsarbeit wird den Bewohner verständlich gemacht, worum es hier eigentlich geht. Denn im Mittelpunkt des kommunalen Handels muss immer der Mensch mit seinen Bedürfnissen stehen. 26
Reflexion im Dialog Stephan Reiß-Schmidt Stadtdirektor und Leiter der Stadtentwicklungsplanung Stadt München Andreas Reiter Zukunftsforscher, ZTB Zukunftsbüro, Wien Stephan Reiß-Schmidt: Herr Oberbürgermeiste Spec, Sie haben zur Ehrenrettung der deutschen Städte beigetragen. Nachdem hier heute Vormittag schon in Zweifel gezogen wurde, ob die Städte in der Lage sind die digitale Transformation zu gestalten. Ludwigsburg ist eines der Beispiele, mit den beschriebenen Aktivitäten und der Integrierten Stadtentwicklungsplanung, das zeigt wozu Städte in der Part- nerschaft mit Wissenschaft und Wirtschaft der Lage sind. Diese Erkenntnis setzt sich noch viel zu langsam durch, im vergangenen November hat der Deutsche Städtetag ein Papier mit dem Titel „Integrierte Stadtentwick- lungsplanung und Stadtentwicklungsmanagement“ beschlossen, das den Städten empfiehlt die Digitalisierung und ihre Steuerung in die Stadtentwicklungskonzepte einzubeziehen sowie neue digitale Kommunikationstechniken in stadtentwick- lungspolitische Zusammenhänge einzubinden. Es gilt die Chancen der Digitalisie- rung aktiv zu nutzen und damit zugleich Datenschutzbelange zu wahren. Ludwigsburg zeigt exemplarisch wie das gehen kann: Sie haben gesagt, dass sie den Prozess selber gestalten möchten. Sie haben sich Partner gesucht, die Sie dazu brauchen. Und Sie haben auch ganz deutlich in den Vordergrund gestellt, dass es um die Wahrung des Gemeinwohls geht sowie um die Frage, was bringen mir neue Technologien und digitale Transformationsprozesse und wie lässt sich eine neue soziale Ungleichheit, ein „digital divide“ vermeiden. Man muss mit diesen Prozessen anfangen und der Ansatz des Stadtteillabors scheint hierfür gut geeignet, wie sich auch in anderen Städten zeigt. Andreas Reiter: Ich bin ebenfalls sehr beeindruckt. Ich finde es eine beachtliche Herangehensweise, die ich als Zukunftsforscher mit Unternehmen oder Standorten ähnlich betreiben würde. Zuerst mal haben Sie ein Frühwarnsystem, dass sich damit beschäftigt welche zentralen Trends auf uns zukommen. Darauf basierend legen Sie den Fokus auf einige wenige Projekte. Dabei würde ich Ihnen empfehlen die drei Ps zu beachten: People, Place und Product. Das heißt, welche Ressourcen hat die Stadt? Was passt zur Stadt? Welche Marken, welche Unternehmen lassen sich einbinden? 27
Im Zentrum steht dabei die Frage, wie wir die Stadt für die Zukunft absichern können. Das erfordert auch ein vernetztes Denken. Was ich mir dabei noch stärker von Städten wünschen würde sind soziale Innovationen, diese sind die wahren Inno- vationen in diesen volatilen Zeiten. Diese gilt es zukünftig noch stärker mit den tech- nologischen Innovationen zu koppeln. Stephan Reiß-Schmidt: Herr Oberbürgermeister, wie haben Sie es geschafft, dass die Kommunalpolitiker, aber auch die Bürgerinnen und Bürger mehrheitlich hinter diesen Aktivitäten stehen? Werner Spec: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man die Akteure zusammen bringen muss. Ich bin einfach mit unserem Wirtschaftsausschuss in das Quartier rausgegangen und habe sie dort mit den Akteuren vor Ort, den Unternehmen, zusammengebracht. Dabei sind die Akteure auch zu Wort gekommen, wodurch die Kommunalpolitiker begriffen haben, dass das was wir machen im allergrößten Inter- esse der Wirtschaft ist. Seither ist die Skepsis dort komplett gewichen. Und über die Zukunftskonferenzen habe ich auch immer dazu aufgefordert auch jene Akteure einzubinden, die die Entwicklungen kritisch sehen. Das geht hin bis zu Hackern. Wenn wir eine Smart City-Cloud aufbauen wollen, brauchen wir zum Beispiel auch die besten Hacker, die das System auf Lücken abklopfen. 28
Studentische Kurzvorträge in Kooperation mit dem Wissensnetzwerk Stadt und Handel (WSH) Einzelhandelssteuerung in Hamburg und Wien. „Der Königsweg zwischen Über- und Untersteuerung“ (Masterarbeit an der HafenCity Universität Hamburg) Vivienne Kalka Vivienne Kalka schloss 2015 Ihr Masterstudium der Stadtplanung an der HafenCity Universität Hamburg mit einer Arbeit über Einzelhandelssteuerung im Städtevergleich ab. Seitdem ist Sie für die Büros Stadt + Handel City- und Standortmanagement BID GmbH sowie Stadt + Handel Beckmann und Föhrer Stadtplaner PartGmbB tätig. Thesen im Überblick Strukturelle Veränderungen und Entwicklungstendenzen im Einzelhandel erfordern ein steuerndes Eingreifen der Städte Weder formelle noch informelle Instrumente allein sind den Aufgaben der Einzelhandelssteuerung gewachsen Vor dem Hintergrund der strukturellen Veränderungen und Entwicklungstendenzen im Einzelhandel sowie dem steigenden Konkurrenzdruck der Standorte untereinander ist sowohl in der Hansestadt Hamburg als auch in der österreichischen Hauptstadt Wien ein steuerndes Eingreifen seitens der Städte erforderlich, um den Erhalt der Zentren und die Sicherung der Nahversorgung mittel-und langfristig gewährleisten zu können. Die Masterthesis von Frau Kalka untersucht unter anderem am Beispiel der beiden Kommunen die Fragen, wie der Strukturwandel im Einzelhandel in den beiden Beispielstädten verlief, wie die Kommunen damit umgegangen sind, mit welchen Instrumenten der Einzelhandelssteuerung unerwünschten Entwicklungen entgegengewirkt wurde und inwieweit diese Instrumente die Erreichung der Ziele der Einzelhandelsentwicklung ermöglichten. 29
Das Beispiel Wien In Wien gibt es aktuell 2,4 Millionen Quadratmeter Verkaufsfläche. Weniger als ein Drittel davon liegt in den 22 Hauptgeschäftsstraßen der Stadt. Ein weiteres Drittel der Verkaufsflächen findet sich in Einkaufs- und Fachmarktzentren, der Rest in Streulagen. Charakteristisch für Wien ist ein engmaschiges Versorgungsnetz sowie ein vielfältiger Einzelhandelsbesatz, so erreichen neun von zehn Wienern innerhalb weniger Gehminuten alle nahversorgungsrelevanten Einrichtungen. Einzelhandel in Wien City Wien wichtiges Stadtzentrum Stadtteilzentrum EKZ In Wien gibt es 2,4 Mio. Quadratmeter Verkaufsfläche. Weniger als ein Drittel liegt in den 22 Hauptgeschäftsstraßen, ein weiteres Drittel in Einkaufs- und Fachmarktzentren, ein Drittel in Streulagen. Charatkeristisch: hohe Vielfalt + engmaschiges Versorgungsnetz Abb. 12 „Neun von zehn Wienern erreichen innerhalb weniger Zentrenstruktur und Einzel- Gehminuten alle nahversorgungsrelevanten Einrichtungen.“ handel in der Stadt Wien. Das Wiener Instrument der Geschäftsviertel In Wien wurde zur Belebung des Straßenraumes sowie der Sicherung der Nahversorgung und dem Erhalt eines dichten Lokalbesatzes in den Einkaufsstraßen das Instrument der Geschäftsviertel implementiert. Schaffung lebendiger Stärkung struktur- Instrumente der Zentren schwacher Zentren Einzelhandels- steuerung Wien Stärkung Förderung Vielfalt & Mahü / lokaler Identität Innenstadt Abb. 13 Instrumente zur Sicherung der Nahversorgung und Er- Sicherung und Herstellung eines Sicherung der flächen- polyzentrischen Systems deckenden Nahversorgung halt eines dichten Besatzes in den Einkaufstraßen. 30
Sie können auch lesen