NEWS - 28 | Digitale Ethik
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NEWS 02/2019 7 | ISO 20022 im Zahlungsverkehr Gekommen, um zu bleiben 28 | Digitale Ethik Esoterik oder realer Bedarf? 13 | Pareto-orientierte Banksteuerung
Inhalt 33 ICAAP und Geschäftsmodellanalyse 04 Profitabilität und Geschäftsmodelle (I) 07 ISO 20022 im Zahlungsverkehr Gekommen, um zu bleiben 13 Pareto-orientierte Banksteuerung (I) 18 DevOps – mehr als nur Technologie 22 Neue Regeln für den „Zinsschock“ durch die BaFin 26 Wir machen Sie fit für die Themen der Zukunft! Unser Seminarangebot im 2. Halbjahr 2019 37 Data Analytics datenschutzkonform nutzen 28 Digitale Ethik Esoterik oder realer Bedarf? 33 ICAAP und Geschäftsmodellanalyse Multiperiodische Planung mit der EVR 37 Data Analytics datenschutzkonform nutzen Den Datenschatz ohne juristische Fallstricke heben 42 Auslagerung des Meldewesens Analyse zum Outsourcing einer wesentlichen Tätigkeit 46 Adress- und Migrationsrisiken im Fokus der ökonomischen Risikotragfähigkeit Banksteuerung und Meldewesen 52 Banksteuerung und Meldewesen wachsen zusammen 52 wachsen zusammen NEWS Impressum Herausgeber Bildnachweis: Adobe Stock, iStock, Bildarchiv msgGillardon AG msgGillardon AG, Edisonstraße 2, 75015 Bretten Tel.: +49 7252 9350-0, Fax: +49 7252 9350-105 Auflage: 3.000 Print, 7.000 Online info@msg-gillardon.de, www.msg-gillardon.de Produktion: meisterdruck GmbH, Kaisheim Vorstand Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder. Dr. Stephan Frohnhoff, Peter Dietrich, Dr. Frank Schlottmann, Johannes Willkomm Nachdrucke nur mit Quellenangabe und Belegexemplar. Redaktion: Andrea Späth (V.i.S.d.P.) & Karin Dohmann 2 I NEWS
Editorial » Die Zukunft ist digital, und sie hat bereits angefangen. Liebe Leserinnen und Leser, das Thema Digitalisierung hat sich zu einem Dauerbrenner entwickelt und die Branche Banking schon nachhaltig verändert – sei es durch Plattformökonomie oder den Einsatz künstlicher Intelligenz in Form von Machine Learning. Nicht verwunderlich also, dass wir uns auch in dieser Ausgabe unseres Kundenmagazins NEWS damit auseinandersetzen. Die Digitalisierung bietet nahezu unvorstellbare Möglichkeiten, riesige Mengen von Daten zu erheben, rasant zu verarbeiten und so bisher ungenutzte Potenziale auszuschöpfen. Doch bei aller Begeisterung dürfen die damit verbundenen Risiken nicht aus den Augen verloren werden. Im nachfolgenden Artikel „Digitale Ethik – Esoterik oder realer Bedarf?“ zeigen die Autoren, dass eine digitale Ethik zum einen unverzichtbar ist, um Menschen und Unternehmen vor den negativen Auswirkungen des digitalen Handelns zu bewah- ren, und zum anderen aber auch viel Potenzial für die Gesellschaft und Unternehmen bietet. Im Artikel „Data Analytics datenschutzkonform nutzen“ nähern sich die Autoren dem Thema von der rechtlichen Seite und zeigen, wie der Datenschatz ohne juristische Fallstricke gehoben werden kann. Ein weiteres Megathema, das Banken seit Jahren beschäftigt und verändert, sind die unverändert steigenden aufsichtsrechtlichen Anforderungen. Und immer häufiger überschneidet sich dieses Thema mit dem Thema Digitalisierung. So stellen die Autoren im Beitrag „Pareto-orientierte Banksteuerung“ eine vielversprechende Weiterentwicklung der Gesamtbanksteuerung vor, deren ökono- mische Grundlagen zwar schon länger bekannt sind, die aber erst durch den zuneh- menden technischen Fortschritt auch in der Bankpraxis zur simultanen Steuerung ökonomischer und regulatorischer Größen eingesetzt werden können. Im Artikel „Profitabilität und Geschäftsmodelle“ gibt der Autor einen Überblick über die aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen der Geschäftsmodellanalyse sowie deren Beurteilung durch die Aufsicht. In weiteren Artikeln informieren wir Sie über die „Neuen Regeln für den „Zinsschock“ durch die BaFin“, die „ISO 20022 im Zahlungsverkehr“, über das Thema ICAAP und Geschäftsmodellanalyse und vieles mehr. Freuen Sie sich also wieder auf eine abwechslungsreiche NEWS voll aktueller und spannender Themen. Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre. Dr. Frank Schlottmann NEWS I 3
Prof. Dr. Konrad Wimmer Profitabilität und Geschäftsmodelle (I) Die Profitabilität und damit auch die Tragfähigkeit und Stabilität der Geschäftsmodelle beschäftigen zunehmend die Bankenaufsicht. Der folgende dreiteilige Beitrag widmet sich dieser Fragestellung ausführlich. Teil eins stellt die aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen der Geschäftsmodellanalyse sowie deren Beurteilung durch die Aufsicht vor. Der zweite Teil beschäftigt sich mit den Details zum SREP-Scoringverfahren und den Beurteilungskriterien. Der Schlussbeitrag wirft einen Blick auf die Geschäftsmodelle der Zukunft und die in Entstehung befindlichen Ökosysteme. 4 I NEWS
Profitabilität und Geschäftsmodelle (I) » AUFSICHTSRECHTLICHE Bereits die 2017 durchgeführte Niedrig- Strategieableitung, beispielsweise hinsicht- RAHMENBEDINGUNGEN DER zinsumfrage (NZU) von Bundesbank und lich der makroökonomischen Basisdaten, GESCHÄFTSMODELLANALYSE BaFin hatte den erwarteten Rückgang der Wettbewerbssituation sowie deren der Gesamtkapitalrentabilität unter dem Übertragung in die mehrjährige Finanz- Die Veröffentlichung der Leitlinien zum Planszenario und damit den erheblichen und Kapitalplanung. Die Institute sollten aufsichtlichen Überprüfungs- und Über- Druck aufgezeigt, unter dem die Banken die in der Geschäftsstrategie angeführten wachungsprozess (SREP)1 hatte einen im anhaltenden Niedrigzinsumfeld stehen. externen Einflussfaktoren ausreichend aufsichtlichen Paradigmenwechsel Aktuell läuft die neue Umfrage, die diesmal konkretisieren, da diese maßgeblich die eingeläutet. Die Aufsicht führt in diesem als LSI-Stresstest bezeichnet wird. Beide Basis für die Wachstums- und Margenan- Zusammenhang nunmehr Prüfungen der Umfragen unterstreichen die Sorge der nahmen bilden. Die Planungsrechnungen Geschäftsmodelle der Institute durch, um Aufsicht bezüglich einer unzureichenden sollten auf plausiblen Planungsprämis- die Geschäftsrisiken und die strategischen Profitabilität der Institute. sen basieren und Transparenz schaffen, Risiken zu bewerten. Geprüft werden nicht wie die zentralen Erfolgstreiber auf das etwa nur die von der EZB unmittelbar be- Die deutschen Aufsichtsbehörden setzen Planergebnis wirken. Hilfreich ist insofern aufsichtigten bedeutenden Institute, die als in diesem Kontext die Anforderungen der die stringente Transformation der Gesamt- Significant Instituts (SIs) bezeichnet wer- europäischen Aufsicht um, die für das Jahr bankstrategie in die (wertorientierte) Neu- den, sondern auch die von der deutschen 2018 „Geschäftsmodelle und Bestimmungs- geschäftsentwicklung, insbesondere die Bankenaufsicht direkt beaufsichtigten faktoren der Ertragskraft“ als Bereich mit Geschäftsfeld- und Vertriebsplanung sowie weniger bedeutenden Institute (Less Sig- der höchsten Priorität adressiert hatte5. die Periodenplanung („GuV-Planung“). Die nificant Institutions, LSIs).2 Im Mittelpunkt Planungsprämissen sollten dabei einsichtig stehen zwei Aspekte (Tz. 62 f.):3 Im Herbst 2018 hatte die EZB ihre Priori- und plausibel sein – Anlass für ausführliche sierung nochmals unterstrichen, als sie die Erklärungen könnte z. B. eine vom Trendver- • Die Einschätzung der aktuellen Tragfähig- Ergebnisse der thematischen Überprüfung lauf stark abweichende Planung sein. Und keit des Geschäftsmodells unter dem As- der Rentabilität und Zukunftsfähigkeit der es ist angesichts der klaren EZB-Vorgaben pekt der Erzielung ausreichender Erträge Geschäftsmodelle der Institute vorgestellt nicht überraschend, dass die Aufsicht in den nächsten zwölf Monaten. Für die hatte. Ihre Untersuchung kommt zu dem bei der Beurteilung der Tragfähigkeit des Beurteilung werden hierbei unterschied- Ergebnis, dass sich die wirtschaftliche Lage Geschäftsmodells insbesondere auf die be- liche Kennziffern, insbesondere Return- der Institute der Eurozone zwar verbessert reits erwähnten Kennzahlen RoE, RoC, CoC, on-Equity (RoE), Return-on-Capital (RoC) hat, aber die Rentabilitätsentwicklung und aber auch auf die CIR (Cost-Income-Ratio) und Costs-of-Equity (CoC), sowie die die Perspektive bei den Geschäftsmodellen setzt, die jeweils im zweiten Teil dieses Fundingstruktur und der Risikoappetit unbefriedigend ist.6 Beitrags näher untersucht werden. Nicht herangezogen. zuletzt sollten Klumpenrisiken im Adres- • Die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells Zusammengefasst rückt nunmehr die künf- senausfallrisiko, wie sie typischerweise in setzt die Erzielung ausreichender Erträge tige Ausrichtung der Institute, die in den je- Bezug auf wichtige regionale Arbeitgeber in den (mindestens) nächsten drei Jahren weiligen Geschäftsmodellen und deren Pro- bei Regionalbanken des Sparkassen- und voraus. Hierzu müssen die Institute fitabilität und Nachhaltigkeit zum Ausdruck Genossenschaftsbereichs auftreten, aussagefähige und gut dokumentierte kommt, in den Fokus der Aufsicht – dies konsequenterweise zu korrespondierenden strategische Pläne und Planungsrech- führt auch zu intensiven Prüfungshandlun- Ertragskonzentration führen. nungen vorlegen. Die Aufsicht prüft auch gen, die sie in der Prüfungspraxis nahelie- den Risikogehalt der Strategie (Tz. 78 f.) genderweise in die Prüfung des ICAAPs oder Um die Schwerpunkte der Geschäftsmo- samt strategischen Erfolgsfaktoren und der internen Governance einbettet. dellprüfung bei den LSI nachvollziehen zu damit verbundenen Planungsrechnungen. können, ist es nützlich, die Scorebewertung Wie erfolgt aber nun die aufsichtliche Beur- der EZB im SREP aufzugreifen (vgl. Abb. 1). Die Aufsicht prüft das aktuelle Geschäfts- teilung der Geschäftsmodelle? modell sowohl quantitativ, beispielsweise SREP-SCORINGVERFAHREN IM hinsichtlich der Ertragsquellen und Ertrags- AUFSICHTLICHE PRÜFUNG DER ÜBERBLICK konzentrationen, als auch qualitativ, etwa GESCHÄFTSMODELLE bezüglich externer und interner Abhängig- Die bereits genannten fünf Beurteilungs- keiten oder der Wettbewerbsstärke. Aber sie Die aufsichtliche Prüfung und Beurteilung kriterien „Zielrendite, Vermögens-/Ertrags- analysiert auch die Stabilität der künftigen der Geschäftsmodelle basiert auf den fünf konzentrationen, Wettbewerbsposition, Erträge (vgl. Score 1, Tz. 87: „The institution Kriterien Zielrendite, Vermögens-/Ertrags- Prognoseannahmen und strategische Pla- generates strong and stable returns with an konzentrationen, Wettbewerbsposition, nung“ sind bei genauer Betrachtung nicht acceptable risk appetite and funding struc- Prognoseannahmen und strategische Pla- trennscharf. So betrachtet die Aufsicht das ture“). Die aufsichtlichen Verweise auf den nung, die im Scoringverfahren nach SREP Kriterium Zielrendite nicht als isolierten Forecast, die Mehrjahresplanung sowie den verankert sind. Wert, sondern die Institute sollen eine hohe Fundingplan belegen zudem die Wichtigkeit und stabile Rendite erzielen, die angesichts des auch im neuen RTF-Leitfaden der BaFin Einen Schwerpunkt der aufsichtlichen des Risikoappetits und der Finanzierungs- verankerten Kapitalplanungsprozesses.4 Prüfung bildet die Plausibilisierung der struktur akzeptabel ist. » NEWS I 5
Scoringmodell der Geschäftsmodellanalyse Gesamturteil | Kriterien Überlebens- Ziel- Vermögens-/Ertrags- Wettbewerbs- Prognose- Strategische fähigkeit rendite konzentrationen position annahmen Planung Scorewert Kein erkenn- 1 Hoch, stabil Keine wesentlichen Stark Plausibel Angemessen bares Risiko Konzentrationen Niedriges Risiko 2 Durchschnittlich Einige Konzentrationen Tlw. gefährdet Optimistisch Vertretbar Mittleres Risiko 3 Schwach, instabil Beträchtliche Konzentrationen Schwach Zu optimistisch U. U. nicht plausibel Hohes Risiko 4 Sehr schwach, außer- Sehr hohe, untragbare Sehr schwach Äußerst Nicht plausibel ordentlich instabil Konzentrationen unrealistisch 10 Analyseschritte der Geschäftsmodellanalyse 1 2 3 4 5 Erstbeurteilung Schwerpunkte GM Beurteilung der Quantitative Analyse Qualitative Analyse (relevante Geschäftsfelder) Geschäftsumgebung des aktuellen GM des GM 10 9 8 7 6 Zusammenfassung Bewertung von Schlüssel- Bewertung der Nach- Beurteilung der Analyse der Strategie und Scoring schwachstellen haltigkeit der Strategie Tragfähigkeit des GM und Finanzplanung Abbildung 1: Scoringmodell und Analyseschritte (EZB-Geschäftsmodellanalyse) Die Zielrendite darf also z. B. nicht durch Die zehn Analyseschritte, die die EZB Ansprechpartner: eine bezogen auf die Risikotragfähigkeit zu auflistet (Tz. 65), stehen in keiner Eins-zu- hohe Übernahme von Kreditrisiken erkauft eins-Beziehung zu nur einem Kriterium werden. Da es sich um einen Planwert han- (so beziehen sich mindestens die Analyse- delt, den die Aufsicht in der Prüfungspraxis schritte 4, 6, 7 und 8 auch auf das Kriteri- mit dem Istwert abgleicht, sind automatisch um Zielrendite). Letztlich ergibt sich eine Planungsannahmen nötig, die wiederum Analogie zum Rating von Firmenkunden in den Kriterien „Prognoseannahmen“ und durch die Institute. Auch dabei sind zwar „strategische Planung“ untersucht wer- die wesentlichen Bestimmungsfaktoren der Prof. Dr. Konrad Wimmer den. Aber auch die verbleibenden Kriterien Ratingnote weitgehend bekannt, nicht aber Executive Partner „Vermögens-/Ertragskonzentrationen“ und deren Gewichtung und die Zusammenfüh- konrad.wimmer@msg-gillardon.de „Wettbewerbsposition“ wirken unmittelbar rung zur Ratingnote. auf die Zielrendite, denn eine hohe Ertrags- konzentration kann die Ertragsstabilität gefährden, ebenso wie ein harter (Preis-) Wettbewerb. 1 Supervisory Review and Evaluation Process der European Banking Authority (EBA), EBA/GL/2014/13, aktualisierte Fassung vom 19.07.2018. 2 Vgl. SSM-LSI-SREP-Methodik Ausgabe 2018 der EZB. 3 Textziffern (Tz.) beziehen sich auf EBA/GL/2014/13 in der aktualisierten Fassung. 4 Vgl. www.bafin.de, veröffentlicht am 24.05.2018 unter dem Titel „Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“)-Neuausrichtung. 5 http://docs.dpaq.de/13063-ssm.supervisory_priorities_2018.de_1_.pdf 6 Vgl. EZB 09/2018: SSM thematic review on profitability and business models. 6 I NEWS
Christoph Mittmann ISO 20022 im Zahlungsverkehr Gekommen, um zu bleiben Die EZB fordert mit der T2/T2S-Konsolidierung die Banken dazu auf, unter einem strengen Zeitplan TARGET2 von MT auf MX zu migrieren. Warum der Nachrichtenstandard ISO 20022 in aller Munde ist? Wir berichten. WAS IST ISO 20022? denn sobald die Zahlung das Heimatland verlassen hatte, kom- munizierte jeder in einer anderen Sprache. An eine gemeinsame, In der Welt der Zahlungsabwicklung kann die Rolle des Datenfor- zuverlässige Kommunikation war gar nicht erst zu denken. mats, das für den Informationsaustausch zwischen den Teilneh- mern verwendet wird, mit der Rolle der Sprache in der Kommunika- Die Realisierung von Transaktionen erfordert daher die Vereinba- tion zwischen Menschen verglichen werden. So gab es früher eine rung eines gemeinsamen Datenformats in einer gemeinsamen Syn- Vielfalt verschiedener Datenformate, um Zahlungen über verschie- tax. Einen solchen gemeinsamen Datensatz stellt die Internationale dene nationale und europäische Clearingsysteme in der Europäi- Organisation für Normung (ISO) mit den in ISO 20022 festgelegten schen Union abzuwickeln. Der regelrechte Wildwuchs unterschied- Datenformaten auf Basis der Extensible-Markup-Language-Syntax licher Formate führte nicht selten zu fehlerhaften Transaktionen, » – kurz XML-Syntax – dar. Der Standard kann mit der Rolle einer NEWS I 7
» Finanznachrichtenstandards, die zur WAS IST DIE VISION HINTER ISO 20022? Übermittlung von Zahlungsinformationen verwendet werden, stellen ein gemeinsa- Finanznachrichtenstandards, die zur Übermittlung von Zahlungsin- formationen verwendet werden, stellen ein gemeinsames Verständ- mes Verständnis zwischen Absendern und nis zwischen Absendern und Empfängern sicher. In der Vergangen- Empfängern sicher. heit haben sich mehrere Standards für Finanznachrichten etabliert (zum Beispiel ISO, MT, TWIST, FIX), die in Bezug auf geografische Gebiete und funktionale Geschäftsbereiche nebeneinander beste- gemeinsamen Sprache verglichen werden und resultiert aus den hen. Die Koexistenz dieser Standards und deren fortlaufende Aktu- frühen 2000er-Jahren, als XML sich gerade als „de facto“ offe- alisierung und Pflege in den Prozessen, Systemen und Produkten ner technischer Standard in der elektronischen Kommunikation vervielfältigt die Komplexität, vermindert die Interoperabilität und etablierte und die Notwendigkeit eines gemeinsamen Standards1 verursacht hohe Kosten für Anpassungen. Dabei möchten die offensichtlich wurde. Finanzinstitute ihre Zahlungen eigentlich effizienter und kosten- günstiger verarbeiten. In Deutschland ist der Standard vor allem bekannt durch die vom European Payments Council (EPC) festgelegten Datenformate für Zahlungsinfrastrukturen auf der ganzen Welt setzen sich deshalb den Austausch von SEPA-Zahlungen, die auf ISO 20022 basieren. für die Standardisierung von Finanznachrichten mithilfe von ISO Mittlerweile umfasst der Standard nicht nur Nachrichten des 20022 ein. In jüngster Vergangenheit wurden mehrere Zahlungs- Zahlungsverkehrs, sondern auch anderer Geschäftsbereiche, wie systeme auf Basis des Standards eingeführt, wie zum Beispiel Real Wertpapiergeschäfte, Außenhandelsfinanzierung und Treasury. Time 1 (EBA RT1) oder Target Instant Payment Settlement (TIPS) für die Abwicklung von SEPA-Überweisungen in Echtzeit. Hinzu ISO 20022 definiert allerdings nicht nur eine Reihe von Nachrichten. kommen die zeitnahen Umstellungen in Großbritannien (CHAPS), Für die Entwicklung neuer Nachrichten bietet ISO 20022 eine Platt- Hongkong (HKICL), sowie im Auslandszahlungsverkehr über SWIFT. form, die einen einheitlichen Entwicklungs- und Modellierungspro- Die weltweite Adoption von ISO 20022 verdeutlicht das Ziel des zess von Nachrichten vorgibt. Das bedeutet, dass Finanznachrich- Standards: die weltweite Konvergenz von Nachrichtenstandards aus ten in Standardisierungsorganisationen, wie zum Beispiel bei SWIFT verschiedenen Bereichen des Finanzwesens. Damit wird sich ISO (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) 20022 auch in weiteren Bereichen der Finanzindustrie ausbreiten entwickelt und unter ISO 20022 als weltweit gültiger Standard und geografisch an Akzeptanz gewinnen. verabschiedet werden2. Der Standard beschreibt das logische Da- tenmodell, den Ablauf von Finanznachrichten sowie vollständig eta- WAS IST DER KONKRETE NUTZEN VON ISO 20022? blierte Prozesse für die Aufrechterhaltung, Weiterentwicklung und Steuerung dieser Nachrichten. Teilnehmer können ihre Wünsche zur Transparenz, Zuverlässigkeit und geringe Kosten sind Verbesserung bestehender und zur Entwicklung neuer Nachrichten wesentliche Ziele für grenzüberschreitende Zahlungssysteme. einreichen und damit Finanznachrichten vereinheitlichen, die bisher Um die Herausforderungen im Zusammenhang mit mehreren keinen Cross-Operation-Betrieb ermöglichten. Nachrichtenformaten zu überwinden, gewinnt die Einführung von pain.001.003.03 Version ISO Status 2009 Variante Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) 2015 Nachricht Pain.001 = Customer Credit Transfer Initiation SEPA: camt, pacs, pain Pain.008 = Customer Direct Debit Initiation T2S: acmt, admi, camt, colr, head, Pain.002 = Status Infomration reda, seca, sese Geschäftsfeld acmt = account management head = headers seca = securities management admi = administration pacs = payments clearing & settlement sese = securities settlement camt = cash management pain = payments initiation setr = securities trade colr = collateral reda = reference data trea = treasury Abbildung 1: Aufbau der Nachrichtenbezeichnung in ISO 20022 8 I NEWS
ISO 20022 im Zahlungsverkehr – gekommen, um zu bleiben » FI SEPA, EU RU DK CA UK T2, EU US JP CH IN CO BN SADC IPFA SCORE AU ZA Abbildung 2: Überblick über die weltweite Adaption von ISO 20022 im Zahlungsverkehr ISO-20022-fähigen Zahlungssystemen an Bedeutung. Dabei ergeben sonders kritisch. Hinzu kommen die Vorbereitungen für die Umstel- sich diverse Vorteile bei der Standardisierung: lung im Auslandszahlungsverkehr via SWIFT. • Erhöhung der STP-Rate (Straight Through Processing) HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE BANKEN für Zahlungen und Informationen, durch die Eliminierung mehrerer Nachrichtenformate und den Einsatz von ISO-20022- Die Implementierung von ISO 20022 ist nicht einfach. Vielmehr ist Erweiterungen anstelle von Freitextformaten. die Migration von Messaging-Standards mit erheblichen Kosten und • Reduktion der Wartungskosten der IT-Systeme durch betriebliche großem Aufwand für die Aktualisierung der Zahlungsinfrastruktur Optimierung, indem mehrere koexistierende Nachrichtenformate verbunden. Unabhängig davon, ob eine Organisation von einem frü- vermieden werden. heren Standard, wie dem Datenträgeraustauschverfahren (DTA), MT • Reichhaltigere Informationen, Verbesserung der Report- oder einem internen Format migriert, die Herausforderungen bei der Möglichkeiten und die Option, umfangreiche Informationen in Implementierung bleiben gleich. Bei ausgehenden Nachrichten müs- Zahlungsnachrichten einzubetten (zum Beispiel E-Invoicing, sen Institute sicherstellen, dass ihre Kunden die neuen Nachrichten- Lastschriftmandatverwaltung) typen akzeptieren können und umgekehrt. Andernfalls sind zusätzli- • Höhere Zuverlässigkeit durch die Vermeidung von Übersetzungs- che Konvertierungslösungen erforderlich. Zusätzlich zur Komplexität fehlern zwischen unterschiedlichen Datenformaten. der Einführung gibt es in bestimmten Migrationsinitiativen einen • Verbesserte Integration mit Backoffice-Systemen und stringente sogenannten Koexistenzzeitraum, in dem eine Institution sowohl die Datenqualität bei vollständiger Umstellung und Vermeidung von ISO 20022 als auch die MT-Standards unterstützen muss. koexistierenden Nachrichtenformaten. Wie in jedem Implementierungsprojekt sind fachlich operative und Zudem bieten Nachrichten auf Basis von ISO 20022 zusätzliche technische Teams erforderlich, um die Analyse, die Entwicklung und Funktionen, wie die Unterstützung für spezielle Sonderzeichen und das Testen erfolgreich durchzuführen. Die Bereitstellung und Koor- diverse Erweiterungsmöglichkeiten zum Beispiel im Verwendungs- dination dieser Ressourcen bedeutet für die Finanzinstitute neben zweck. Hier kann der Auftraggeber Referenzen wie beispielsweise dem bestehenden Tagesgeschäft einen Kraftakt. Die Einführung Rechnungsnummern der Transaktion mitgeben, damit der Empfän- eines neuen Standards erfordert die Integration der neuen Formate ger den Eingang einfach zuordnen und offene Posten ausgleichen in jedes System, das von dem neuen Nachrichtenformat betroffen kann. Die European Association of Corporate Treasurers (EACT) hat ist. Das setzt ein gutes Verständnis der bankinternen Applikationen dafür Codewörter sowie Formatregeln definiert. und Abhängigkeiten in der Zahlungsverkehrslandschaft der Bank voraus. Zudem benötigt es Zeit, die Mapping- und Integrationsanfor- Die Operationalisierung dieser Vorteile lässt sich aktuell bei der derungen des ISO-Standards zu verstehen. Systeme müssen neue Umstellung auf ISO 20022 im Rahmen der TARGET2-Konsolidierung Nachrichtentypen interpretieren, die Daten entsprechend verarbeiten beobachten. Im Zuge des Konsolidierungsprozesses müssen die und ausgehende ISO-20022-Nachrichten generieren. Die operativen derzeit verwendeten SWIFT-MT-Nachrichten (zum Beispiel MT 202, Teams müssen sicherstellen, dass die im neuen Format eingehenden 103, 103+) auf XML umgestellt werden. Für das zentrale Liquiditäts- Nachrichten korrekt verarbeitet und verbucht werden. Da ISO- management und das Echtzeit-Bruttoabwicklungssystem (RTGS) ist 20022-Feldlängen in der Regel länger sind, besteht bei der Konvertie- die Umstellung auf ISO 20022 mit der breiten Anzahl an Nachrichten rung auch die Gefahr des Datenverlustes. Die Umstellungen müssen und den dahinterliegenden Systemen, Prozessen und Berichten be- zusätzlich mit den Kunden kommuniziert und abgestimmt werden. » NEWS I 9
Zahlungs- Bank des Bank des Zahlungs- pflichtiger Zahlungspflichtigen Zahlungsempfängers empfänger Clearing and Settlement (CSM) 1 pain.001 2 pain.002 3 pacs.008 4a 4b Legende camt.054 camt.054 1. CustomerCreditTransferInitiation 2. CustomerPaymentStatusReport 3. FIToFICustomerCreditTransfer 5 5 camt.052 camt.052 4a. BanktoCustomerDebitNotification 4b. BankToCustomerCreditNotification 5. BanktoCustomerAccountReport 6 6 camt.053 camt.053 6. BanktoCustomerStatement Abbildung 3: Überweisungen auf Basis des ISO-20022-Standards Das zeigt: Die nachträgliche Implementierung von ISO 20022 in und sein Anwendungssystem an, um eine Architektur mit ISO- bestehende IT-Systeme ist herausfordernd und die Migration von 20022-Funktionen zu erstellen. Dafür werden alle betroffenen Messaging-Standards mit erheblichen Kosten und Aufwand für Backoffice-Systeme analysiert und entsprechend angepasst, um die Aktualisierung der Zahlungsinfrastruktur verbunden. Generell die ISO-20022-Nachrichten zu verarbeiten. Dieser Ansatz ist für In- bieten sich für die Einführung von ISO 20022 zwei grundlegende stitute geeignet, die sich strategisch für die ganzheitliche Adaption Ansätze an. von ISO 20022 entscheiden und entsprechende Mittel einplanen. Kurzfristig werden Banken mit erheblichen Anfangsinvestitionen in 1. Der taktische Ansatz: Konvertierung statt Migration IT- und Systemupgrades konfrontiert. Dafür kann der einheitliche Beim taktischen Ansatz behandelt das Finanzinstitut seine ver- Zahlungsdatensatz die Gesamtkosten einer Transaktion erheblich schiedenen Marktinfrastrukturen als separate Einheiten und imple- senken, die Effizienz steigern und dem Institut helfen, ohne Konver- mentiert seine zahlungsverarbeitenden Applikationen dementspre- tierungen an internationalen Clearingsystemen teilzunehmen. Vor chend. Um die Implementierung zu vereinfachen, können Banken allem die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Echtzeitzahlun- mittels Konvertierungslösungen ihre ISO-20022-Nachrichten in ein gen (Instant Payments) und die steigende Bedeutung der Standar- MT-Nachrichtenformat oder in ein individuelles Nachrichtenformat disierung im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr verdeutlichen konvertieren und umgekehrt. Hierdurch bleibt das Kernsystem mehr und mehr, dass Banken, die direkt an Massenzahlungs- ohne Änderungen bestehen. Mit Blick auf die weltweite Adaption systemen oder auch an anderen Zahlungssystemen teilnehmen, und auf die Vorteile von ISO 20022 ist das allerdings eine taktische, ISO-20022-fähig sein müssen. kurz- bis mittelfristige Lösung. Denn im Allgemeinen tragen die ISO-20022-Nachrichten in einer vollständigen Implementierung Die Wahl eines geeigneten Ansatzes für die ISO-Verwendung ist tief mehr und detailliertere Informationen als ihre MT-Äquivalente. In verzahnt mit der Zahlungsverkehrslandschaft und der Strategie Zahlungsprozessen ordnen die Systeme die Quellfelder einer ISO- einer Bank. Eine Organisation, die sich dazu entschließt, an ver- 20022-XML-Nachricht das passende XML-Zielfeld des darauffol- schiedenen Zahlungsinfrastrukturen der Welt teilzunehmen, muss genden Nachrichtentyps zu. Daher besteht die Gefahr, dass einige auch eine Vielzahl von Nachrichtenvarianten verarbeiten können. Informationen bei der Konvertierung verworfen oder abgeschnitten Kurzfristig ist das mit einer Middleware-Lösung, die eine große werden (sogenannte truncation). Trotzdem muss zusätzlich zur Anzahl von unterschiedlichen Nachrichten effektiv verwalten kann, Konvertierung der Originaldatensatz aufbewahrt werden, um wei- leichter. Trotzdem muss sichergestellt werden, dass die Konver- tere Prozesse wie die Verarbeitung von Storno-Transaktionen und tierungslösung einen hohen Durchsatz an Informationen zulässt Embargoprüfungen abwickeln zu können. und die Nachrichten in geringer Zeit verarbeitet. Gerade in der Zeit, in der Echtzeitüberweisungen – zum Beispiel bei SEPA Instant 2. Der strategische Ansatz: Vollständig und ganzheitlich Payments – eine zunehmende Akzeptanz in unserer Gesellschaft Beim strategischen Ansatz entscheidet sich das Finanzinstitut finden, spielt die zeitliche Verarbeitung bei steigendem Volumen für eine vollständige Umstellung und passt seine Infrastruktur eine entscheidende Rolle. 10 I NEWS
ISO 20022 im Zahlungsverkehr – gekommen, um zu bleiben » FAZIT Ansprechpartner: Die Implementierung von ISO 20022 ist komplex. Daher halten es die meisten Finanzinstitute für effizienter, die Dienste von Kon- vertierungslösungen in Anspruch zu nehmen. Die Anbieter solcher Lösungen arbeiten in der Praxis eng mit dem Finanzinstitut und den Behörden zusammen, um eine effektive und effiziente Lösung zu schaffen. Auf der anderen Seite kann die Interoperabilität, und damit die Automationsfähigkeit von Daten, nicht gewährleistet wer- Christoph Mittmann den, wenn viele Standards parallel existieren. Eine Umstellung auf Senior Business Consultant ISO 20022 muss gut geplant werden und die richtigen Werkzeuge christoph.mittmann@msg-gillardon.de beinhalten. Spezialisierte Test-Tools können Fehler in der Validie- rung oder Verarbeitung der XML-Nachrichten frühzeitig erkennen und ermöglichen eine automatische Testdurchführung. Das gibt den Banken einerseits mehr Zeit für ausgiebige Testphasen in der anste- henden TARGET2-Umstellung, andererseits mindert es das Risiko unentdeckter Fehler und entlastet die operativen Payments-Teams für die Businessanalyse. Die aktuelle TARGET2-Konsolidierung wird zeigen, wie die Banken bei der Umstellung ihrer Systeme an den Nachrichtenstandard bestehen. Und bis Ende 2022 werden die Markus Nenninger Massenzahlungssysteme für die fünf meistgehandelten Währungen Abteilungsleiter Payments auf ISO 20022 umgestellt haben. Das verdeutlicht: ISO 20022 ist markus.nenninger@msg-gillardon.de gekommen, um zu bleiben. 1 https://www.iso20022.org 2 https://bankenverband.de/media/files/ISO-20022_im-ueberblick.pdf 1. Transparenz schaffen Sorgen Sie für ein gemeinsames Verständnis Ihrer Unternehmensziele im Zahlungsverkehr durch einen deutlichen Blick auf Ihre Unternehmens- und IT-Strategie. Machen Sie sich eine Übersicht über die aktuellen und zukünftigen ISO-20022-Initiativen hinsichtlich der geografischen Abdeckung und der zu adressierenden Geschäftsfelder. Binden Sie betroffene Stakeholder frühzeitig in die Kommunikation ein. 2. Istanalyse Verstehen Sie Ihre Zahlungsverkehrslandschaft und die Auswirkungen auf Ihre IT-Systeme, Geschäftsprozesse, Produkte und Dienstleistungen, Infrastruktur, Kunden und Provider. 3. Design des ISO-20022-Zielbilds Entwerfen Sie ein ISO-20022-Zielbild unter Involvierung der aktuellen sowie zukünftigen Geschäftsanforderungen und nutzen Sie die Ihnen zur Verfügung stehende Technologie. 4. Gapanalyse Identifizieren Sie die zu schließenden Gaps unter den einzuhaltenden internen und externen Voraussetzungen. 5. Bewertung der Optionen Bewerten Sie die verfügbaren Lösungsoptionen zur Implementierung (Konvertierung, Überarbeitung des Kernsystems, silobasierte Implementierung etc …) von ISO 20022. 6. Roadmap-Planung Nach Entwurf Ihres fachlichen und technischen Zielbildes brechen Sie die zu erreichenden Zielzustände in Arbeitspakete und Meilensteine herunter und fassen diese in einer ISO-20022-Roadmap zusammen. Abbildung 4: Vorgehensmodell für die Vorbereitung eines erfolgreichen ISO-20022-Migrationsprojekts NEWS I 11
Wir haben eine Vision! Die neue Plattform BANKING.VISION by msgGillardon Mit dem Relaunch unserer Website ist auch die Unsere Experten Plattform BANKING.VISION online gegangen. Alexander Nölle Das Herzstück von BANKING.VISION sind die » Aufsichtsrecht ist ein komplexes Blogs. Hier schreiben unsere Experten Alexander Thema. Hier ist es wichtig, die Nölle, Dr. Stefan Naumann und Mathias Zusammenhänge zu verstehen und die Details zu kennen. Der Blog eignet sich Steinmann mit ihren Teams regelmäßig über die perfekt, um die Leserinnen und Leser Themen Aufsichtsrecht, Capital Markets und informiert zu halten. « Geschäftsmodelle. Dr. Stefan Naumann WARUM UNSERE EXPERTEN BLOGGEN » Unser Experten-Blog ist bestens In den Blogs können unsere Experten ad hoc aktuelle Entwicklungen geeignet, um aktuelle Stellungnahmen aufgreifen und kurzfristig auf Neuigkeiten in der Branche reagieren. zu Konsultationen, Infos zu White So ergänzen die Blogbeiträge perfekt die fachlichen Hintergrundtexte Papers und vieles mehr ad hoc zu plat- auf unserer Website. Außerdem bietet der Blog ihnen die Möglichkeit, zieren. So sind unsere Leser im Thema Denkanstöße zu geben und Diskussionen anzuregen. Per Kommen- Capital Markets immer up to date. « tarfunktion kann jede Leserin und jeder Leser einen Meinungsaus- tausch anstoßen oder sich an einer Diskussion beteiligen. Als Abonnent der Blogs haben Sie die Nase vorn. Sobald ein neuer Mathias Steinmann Beitrag erschienen ist, werden Sie automatisch informiert und » Die Bankenlandschaft ist in Bewegung sind so immer auf dem Laufenden. Also am besten gleich die Blogs und die bestehenden Geschäftsmodel- abonnieren. le der Kreditinstitute werden von allen Seiten herausgefordert. Da ist ein Blog Neben aktuellen Blogbeiträgen finden Sie auf BANKING.VISION außerdem Neuigkeiten aus unseren Themengebieten, aktuelle Pub- zur schnellen Informationsvermittlung likationen, Termine und vieles mehr. für uns ein logischer Schritt. « 1 https://www.msg-gillardon.de/banking-vision 12 I NEWS
Dr. Frank Schlottmann, Prof. Dr. Konrad Wimmer Pareto-orientierte Banksteuerung (I) Der erste Teil dieses Beitrags stellt eine vielversprechende Weiterentwicklung der Gesamtbanksteue- rung vor. Die Idee ist zwar schon länger bekannt, aber erst jetzt durch den zunehmenden technischen Fortschritt auch in der Bankpraxis umsetzbar. Zunächst gilt es, die zentralen Steuerungskennzahlen (Key Performance Indicators) festzulegen, die den Erfüllungsgrad wichtiger strategischer wie auch operativer Zielsetzungen messen. Auf dieser Basis setzt der neue, sehr praxisbezogene Optimierungs- ansatz an. Die Bankpraxis muss in der Gesamtbanksteuerung zunehmend verschiedenen, teilweise auch konfliktionären Zielsetzungen gerecht werden sowie vorgegebene und einzuhaltende Risikoli- mite beziehungsweise aufsichtsrechtliche Restriktionen beachten. Die Pareto-orientierte Banksteue- rung führt trotz dieser komplexen Ausgangssituation zu guten Entscheidungen. Der zweite Teil dieses Beitrags wird die Pareto-orientierte Banksteuerung anhand eines Beispiels verdeutlichen. Der dritte und abschließende Teil dieser Artikelserie wird den von msgGillardon entwickelten Prototypen zur Pareto-orientierten Banksteuerung vorstellen. KENNZAHLENAUSWAHL geplanter und realisierter Kennzahlenwerte • Wertorientierte Sicht: Sie misst die Wert- den Zielerreichungsgrad angeben, den die schöpfung betrieblicher Teilbereiche; eine Die Gesamtbanksteuerung nutzt viel- Entscheidungsträger verantworten müssen positive Wertschöpfung schließt auch fältige Kennzahlen – hier stellt sich die (Kontrollfunktion). die (Eigen- und Fremd-)Kapitalkosten- Frage, welche zum Einsatz kommen sollen. deckung ein (Economic-Value-Added– Kennzahlen sollen insbesondere optimale Realistischerweise sind drei verschiedene Konzeption). Entscheidungen ermöglichen – d. h., sie Sichtweisen abzubilden: müssen künftige Folgen heute getroffe- Die Kennzahlenauswahl ist u. a. abhängig ner Entscheidungen abbilden – und der • Periodenorientierte Sicht: Sie misst den von der strategischen Ausrichtung der Entscheidungsträger muss die Kennzahlen Periodenerfolg nach den HGB- oder IFRS- Bank, z. B. Retail- versus Investmentbank, zum Entscheidungszeitpunkt noch beein- Vorschriften. vom Geschäftsmodell, dem Einfluss der flussen können (im Unterschied zu bei- • Aufsichtsrechtliche Sicht: Sie bildet Bilanzierungsregeln (HGB, IFRS) und den spielsweise irrelevanten „sunk cost“, etwa Kennzahlen ab, die für die Einhaltung verschiedenen aufsichtsrechtlichen Anfor- beim Berliner Flughafen: die Entscheidung regulatorischer Vorschriften sorgen, z. B. derungen, z. B. an ein Handelsbuchinstitut Weiterbau oder Abriss und Neubau hängt die CRR-Eigenkapitalquoten, die LCR bzw. oder ein IRB-Institut. Insofern sind jeweils gerade nicht von den schon „in den Sand ge- allgemein gesprochen Key Risk Indicators die bankindividuellen Ausprägungen zu setzten Kosten“ ab). Auch soll der Vergleich (KRI) des Kennzahlensystems der EZB. beachten. » NEWS I 13
System der Gesamtbanksteuerung Accounting Aufsicht/Meldewesen Periodenerfolg Leverage Ratio Eigenkapital Profit Cost- RoE Before Income- Liquiditätskennzahlen Financial-Cockpit Tax Ratio KRI-Planung KPI-Planung (aufsichtliche Sicht) (interne Sicht) (Pareto-)Optimierung und automati- sierte Handlungsempfehlungen Gesamtbanksteuerung (i. e. S.) Vertriebsbank Steuerungsbank Produktionsbank Vertriebsergebnis Performance Effizienz Neugeschäft Verkaufserfolg (Stückzahlen, (Neugeschäft, Effizienz Effizienz RORAC RAROC Vertrags- barwertig, Beratung Backoffice volumina) nach Risiko) Aktivitätensteuerung Risiko Ganzheitliche Beratung VaR (CondVaR) Limitauslastung Abbildung 1: System der Gesamtbanksteuerung2 14 I NEWS
Pareto-orientierte Banksteuerung (I) » KENNZAHLENSYSTEM Werttreiberbäume verknüpfen Kennzahlen einfache Lösungsansätze lösen sich vom bzw. Kennzahlenbestandteile, vgl. Abbil- Anspruch, optimale Lösungen zu erzeugen: Kennzahlen können in einem (Financi- dung 2 (MBW = Margenbarwert). Es erfolgt eine Zielgewichtung oder man al) Cockpit abgebildet werden und sie stellt in Form des Goal-Programmings auf repräsentieren idealerweise das Gesamt- OPTIMIERUNG DER ENTSCHEI- „second-best-Lösungen“ ab. Dabei wird die banksteuerungssystem. Man kann es als DUNGSFINDUNG Aktion gewählt, bei der die Summe der ab- Verrechnungspreismodell interpretieren, soluten Abweichungen von den Zielvorga- wobei Marktpreise bzw. an Marktpreise Wie kann nun aber ein Institut, das die ben minimiert wird. Dieser Ansatz löst sich angenäherte Verrechnungspreise Verwen- relevanten Kennzahlen ausgewählt hat, bei somit explizit vom in der Bankpraxis meist dung finden.1 mehreren konfliktionären Zielsetzungen unerfüllbaren Optimierungsanspruch und „optimale“ Steuerungsentscheidungen der Entscheider akzeptiert bewusst eine Mittlerweile verschmelzen die eigentliche treffen? Institute verfolgen in ihrem Zielmix Heuristik (Näherungslösung). Zielüber-/un- Gesamtbanksteuerung (Gesamtbank- sowohl aufsichtsrechtliche Kennzahlen terschreitungen (auch bei jedem einzelnen steuerung i. e. S.), das Accounting und das (z. B. RWA, LCR, Leverage Ratio) als auch Ziel) sieht er als gleichbedeutend an oder Meldewesen zunehmend miteinander: betriebswirtschaftliche Kennzahlen (z. B. er gewichtet die einzelnen Zielsetzungen. Die möglichst simultane Abbildung dieser CIR, Nettomarge Neugeschäft, Kundenzu- Die aufgeworfene Fragestellung verschiebt ehemals meist isoliert betrachteten Säulen friedenheit). Idealtypisch sollen Entschei- sich insofern auf die nach der „richtigen“ stellt eine große Herausforderung an die IT dungen so getroffen werden, dass Zielkon- Gewichtung. der Institute dar – siehe Abbildung 1. flikte vermieden werden, alle Restriktionen eingehalten werden und das Gesamt- Das derzeitige Lösungsinstrumentarium der Wie aber lassen sich das Accounting, Kennzahlenbild gegenüber der Ausgangs- Bankpraxis vermag die geschilderte Proble- hier speziell die GuV, die u. U. bankintern situation verbessert wird. Diese Anforde- matik ebenfalls nicht auflösen. So werden in nach betriebswirtschaftlichen Aspekten rung leuchtet unmittelbar ein, aber wie der Marktzinsmethode bzw. im Barwertkon- untergliedert wird („Controlling-GuV“), und soll ihr in der Praxis Rechnung getragen zept z. B. aufsichtsrechtliche Restriktionen die eigentliche Gesamtbanksteuerung in werden? ausgeklammert. Methodische Weiterent- einer Kennzahlensystematik verbinden? wicklungen, in der Einzelgeschäftskalkula- Entscheidungen sollten anhand eines Ent- Die klassische betriebswirtschaftliche tion derartige Restriktionen zu berücksich- scheidungskalküls getroffen werden, z. B. Entscheidungslehre5 hat zwar Entschei- tigen,7 sind, soweit ersichtlich ist, nie in die mittels des Barwertkonzepts. Die Konse- dungsregeln für unterschiedliche Informati- Bankpraxis übertragen worden. quenzen daraus sind wiederum in der GuV onsstände hinsichtlich der Umweltzustän- (-Planung) abzubilden. Diese Vorgehens- de, insbesondere für Risikosituationen6, Auch die Asset Allocation nach dem Vorbild weise ist keineswegs bankspezifisch. So entwickelt. Die Optimierung verfolgt jedoch der „Portfolio Selection“ nach Markowitz verweist etwa die BMW Group (Geschäfts- zumeist die Maximierung (oder Minimie- bildet mit dem (µ, σ)-Prinzip nur eine bericht 2017, S. 40 f.) darauf, dass Projekt- rung) nur eines Ziels, wie die Gewinnmaxi- vergleichsweise einfache zweidimensionale entscheidungen auf Basis des Kapitalwerts mierung (oder Kostenminimierung) unter Zielsetzung ab. Entscheider orientieren sich und der internen Rendite der Projekte Nebenbedingungen. Komplex werden Ent- in dieser Modellwelt ausschließlich an den getroffen werden, während auf Konzerne- scheidungen offensichtlich, wenn – gerade zwei Zieldimensionen erwartete Rendite (µ) bene und Konzernsegmenten positive, also im geschilderten Kontext der Gesamtbank- und erwartetes Risiko (σ). Auch hier bleiben mindestens kapitalkostendeckende, Wert- steuerung – mehrere Ziele verfolgt werden aufsichtsrechtliche Restriktionen unbe- beiträge erwirtschaftet werden sollen.3 und dabei Zielkonflikte auftreten. Relativ rücksichtigt. » » Ein wesentlicher Vorteil der Pareto- orientierten Steuerung besteht darin, ein breiteres Spektrum relevanter Kenn- ziffern und Nebenbedingungen abzubilden und optimale Maßnahmen bei mehreren, auch konkurrierenden, Zielgrößen ableiten zu können. NEWS I 15
MBW I Margenbarwert Einzelgeschäfts- MBW II Adressrisikokosten MBW Provision ebene Σ Einzelgeschäfte Standard- Leasing: Restwert- MBW III betriebskosten risikokosten Verkaufserfolg (Neugeschäft, barwertig, nach Risiko) Direkte Direkte Kosten Personalkosten Profit-Center- Ebene Direkte Sachkosten Abbildung 2: Beispiel Werttreiberbaum (Neugeschäftserfolg)4 Zusammengefasst blenden die skizzierten Zur Lösung eines Optimierungsproblems Im Unterschied zur Ein-Ziel-Optimierung Konzepte die infolge der aufsichtsrechtli- mit mehreren Zielen kann das Paretoprinzip sind jetzt die jeweiligen Zielfunktionswerte chen Vorgaben zu konstatierende Vielzahl verwendet werden. Es ist der Volkswirt- für verschiedene Lösungsvektoren paarwei- zu verfolgender Kennzahlen und Restrikti- schaftslehre entnommen und beschreibt se miteinander zu vergleichen. Im Sinne des onen aus. Aber insbesondere Liquiditäts- einen effizienten Zustand. Dieser ist dann Paretoprinzips dominierte Entscheidungs- kennzahlen und die Kundenzufriedenheit erreicht, wenn bei der Verteilung von knap- alternativen werden sukzessive in Form stellen im Vergleich zur klassischen pen Gütern keine Person bessergestellt einer heuristischen Suchstrategie aussor- Ertrags-Risiko-Betrachtung heutzutage werden kann, ohne gleichzeitig eine andere tiert. Letztere könnte auf einer menschli- weitere relevante Zielfunktionen von Ban- Person schlechterzustellen. Dieses Prinzip chen Expertenschätzung als Ausgangsbasis ken dar. Bislang kann diese Komplexität wird nachfolgend auf die Gesamtbanksteu- beruhen, die dann per Monte-Carlo-Si- nicht ansatzweise angemessen abgebildet erung übertragen. mulation verbessert werden kann, oder es werden. können angesichts der stark verbesserten PARETO-ORIENTIERTE Rechenleistungen moderner Workstations Andererseits wird eine Optimierung unter STEUERUNG DER GESAMTBANK gute Lösungen „durch Probieren“ per künst- exakter gleichzeitiger Berücksichtigung licher Intelligenz gefunden werden.10 aller relevanten Kennzahlen und Restrikti- onen auch in naher Zukunft zu aufwendig Für die Pareto-orientierte Gesamtbank- Wesentlicher Vorteil der Pareto-orientierten und komplex sein. Wie in der Informatik steuerung ist folgendes Optimierungs- Steuerung gegenüber herkömmlichen würde das dort altbekannte Rucksackpro- problem zu definieren.9 Es besteht aus: Methoden etwa auf Basis des Markowitz- blem („knapsack problem“)8 auftreten: Wie Ansatzes ist neben der Möglichkeit, ein können verschiedene Gegenstände mit • mehreren Entscheidungsvariablen, breiteres Spektrum relevanter Kennzif- einem bestimmten Volumen und einem z. B. Anteil Immobilienkredite bezo- fern und Nebenbedingungen abzubilden, bestimmten Wert in einen Rucksack mit gen auf das gesamte Kreditvolumen, vor allem auch die Erzeugung mehrerer begrenztem Volumen so gepackt werden, • mehreren Zielfunktionen, die z. B. Entscheidungsalternativen, sodass pro dass der Wert der eingepackten Gegen- an die Kennzahlen ROE und CIR Entscheidungsalternative die Kombina- stände maximiert wird? Wie aber kann man geknüpft sind, und tion der Zielfunktionsergebnisse in Form dem geschilderten Dilemma entkommen, der resultierenden Werte der jeweiligen • mehreren Nebenbedingungen, nämlich, dass die Optimierung zu komplex Zielfunktion und die Ausprägung der Ent- z. B. die maximale Auslastung der ist, aber die Bankpraxis dem Optimum scheidungsvariablen durch den Entscheider RTF mit x %. möglichst nahekommende Lösungen beurteilt werden kann. Eine „künstliche“ benötigt? Gewichtung von Entscheidungsalternativen 16 I NEWS
Pareto-orientierte Banksteuerung (I) » wie etwa beim Goal-Programming oder eine Ansprechpartner: singuläre Lösung statt mehrerer Entschei- dungsalternativen hingegen schränken den Entscheider unnötig ein. Durch die vielfältigen Bestrebungen in den Kreditinstituten zur Vereinheitlichung der heute noch getrennten Silos zwischen periodenorientierter, wertorientierter und Dr. Frank Schlottmann aufsichtsrechtlicher Steuerungsperspektive Vorstand und zur Vereinheitlichung der zugrunde lie- frank.schlottmann@msg-gillardon.de genden Datenbasen ist davon auszugehen, dass das Konzept der Pareto-orientierten Steuerung der Gesamtbank in Zukunft an Bedeutung in der Bankpraxis gewinnen wird. Die stetig steigenden Rechenleistun- gen in der IT tragen überdies dazu bei, dass immer realitätsnähere Modelle der Gesamt- bank in derartigen Verfahren verarbeitet werden können. Prof. Dr. Konrad Wimmer Executive Partner Der Folgebeitrag in der nächsten Ausga- konrad.wimmer@msg-gillardon.de be der NEWS wird die Pareto-orientierte Banksteuerung anhand eines Beispiels verdeutlichen. 1 Verrechnungspreise stellen z. B. die Zinsstrukturkurven bei der Cashflowbewertung nach der Marktzinsmethode oder die Adressrisikoprämien dar. Vgl. z. B. Wimmer, Wertorientierte Steuerung des Unternehmenserfolgs, in: Strategische Gesamtbanksteuerung, hrsg. von M. Riekeberg und E. R. Utz, 3. Aufl., Band 1, Stuttgart 2014, S. 40-67. Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre, 6. Aufl., Berlin/Heidelberg 2015. 2 Quelle: Schlottmann/Wimmer: Pareto-orientierte Banksteuerung, in: die bank 02/2019, S. 44. 3 Vgl. Haupt/Wassmund: Wertorientierte Vertriebssteuerung als Teil der Konzernsteuerung am Beispiel der BMW Group, in: Wertorientierte Vertriebssteuerung in Banken und Sparkassen, hrsg. von Wimmer, K., 3. Aufl., Heidelberg 2010, S. 157-185. 4 Quelle: Schlottmann/Wimmer: Pareto-orientierte Banksteuerung, in: die bank 02/2019, S. 45. 5 Vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen z. B. bereits Bamberg/Coenenberg, Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, 10. Aufl., München 2000. 6 In diesem Fall liegen Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten unsicherer Umweltzustände vor, z. B. abgeleitet aus historischen Aktienkursentwicklungen. 7 Vgl. bereits Gaida et al, Das erweiterte Marktzinsmodell, in: BFuP 1997, S. 76-99; Wimmer, Bankkalkulation und Risikomanagement, 3. Aufl., Berlin 2004, S. 149-157; kritisch zur Praxistauglichkeit: Hartmann-Wendels/ Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre, 6. Aufl, Berlin/Heidelberg 2015, S. 683. 8 Lösungen werden mittels der dynamischen Programmierung gewonnen. Vgl. bereits Martello/Toth, Knapsack Problems, Algorithms and Computer Implementations, Chichester 1990. 9 Schlottmann, Seese: Modern Heuristics for Finance Problems: A Survey of Selected Methods and Applications; in: Rachev (Hrsg.): Handbook of Computational and Numerical Methods in Finance, 2004 und Mitschele, Mitschele, Intelligente Methoden im Integrierten Risikomanagement, Karlsruhe 2009, S. 76-81. 10 Vgl. zu den Methodiken Schlottmann & Seese, a. a. O. NEWS I 17
Axel Irriger DevOps – mehr als nur Technologie DevOps – ein Kunstwort, bestehend aus Development (Entwicklung) und Operations (Betrieb) – ist in aller Munde. Dabei geht es eigentlich nur darum, Brücken zu bauen. Jeder, der sich in den vergangenen Jahren Aktivität, also in der Art und Weise, wie und nicht nur mit Softwareentwicklung be- womit eine bestimmte Aufgabe erledigt wird. schäftigt hat, ist über „DevOps“ gestolpert. Das übergeordnete Ziel ist dabei, sowohl Angekündigt als ein weiterer heiliger Gral, insgesamt (Prozess) als auch individuell soll mit DevOps das alte Versprechen, (Aktivität) besser zu werden: schneller, Änderungen schnell umzusetzen und in die effizienter, berechenbarer. Zumeist wird ein Produktion zu bekommen, wieder einmal Prozess mit seinen Aktivitäten aufgestellt eingelöst werden. Und doch ist es einerseits und anschließend in den einzelnen Aktivitä- „nur“ wieder eine Gegenbewegung, aber an- ten so weit optimiert, bis keine Optimierung dererseits auch eine Chance, auch abseits mehr möglich ist (oder die hierfür erforderli- Effizienz Effektivität der IT besser – gemeinhin effizienter und chen Kosten den Nutzen übersteigen). Eine in der Aktivität im Prozess effektiver – zu werden. Der vorliegende Arti- weitere Optimierung kann dann nicht mehr verbessern optimieren kel greift dieses Thema auf, um den Umgang lokal erzielt werden, sondern nur in Verän- mit diesem sperrigen Begriff zu erleichtern. derungen des Prozesses (siehe Abbildung 1). Abbildung 1: Verbesserungen im Prozess und in der Aktivität HORIZONTALE UND VERTIKALE Durch die Verbesserung des Prozesses OPTIMIERUNG werden die Verbesserungen in der einzelnen Aktivität oftmals aber obsolet oder die kon- zumeist nur dann angepasst, wenn externe Eine Organisation durchläuft in ihrem Wir- krete Ausgestaltung ist nicht mehr optimal. Faktoren dies entweder fordern oder einen ken verschiedene Phasen, um auf interne Hierdurch ergibt sich die Notwendigkeit und Vorteil versprechen. Mit dem Schaffen und oder externe Herausforderungen zu reagie- Möglichkeit, ein neues lokales Optimum zu dem umfassenden Betrieb von Cloud-Infra- ren, damit der Geschäftszweck (meist: das erreichen. strukturen, insbesondere durch die Amazon Erreichen bestimmter monetärer Ziele) Web Services (AWS), wurde dieser Weg erfüllt werden kann. AMAZON WEB SERVICES ALS erneut geebnet. Die Amazon Web Services WEGBEREITER VON DEVOPS haben den Weg aufgezeigt, wie IT-Ressour- Die Änderungen finden meist in zwei Be- cen auf einfache und skalierbare Art und reichen statt: zum einen im Prozess, also Überträgt man das Prinzip der horizontalen Weise bereitgestellt, bepreist und verwaltet im Zusammenwirken von verschiedenen und vertikalen Optimierung auf die IT, so fin- werden können. Das rasante Wachstum Beteiligten, um ein komplexeres Ziel arbeits- den sich ebenfalls beide Ansätze und Vor- von AWS gibt dieser Entwicklung recht. Auf teilig zu erreichen. Und zum anderen in der gehen wieder. Allerdings werden Prozesse dieser Entwicklung haben dann verschie- 18 I NEWS
DevOps – mehr als nur Technologie » Prozess Aktivität Prozess Aktivität Fach Fach Fach Fach Fach Fach Fach IT-Change IT-Change IT IT IT IT IT (Change + Run) (Change + Run) IT-Run (Change (Change + Run) (Change IT-Run + Run) + Run) (Cloud-)Plattform (Cloud-)Plattform (Cloud-)Plattform Abbildung 2: Optimierungen in der IT dene Projekte aufgebaut und Denkansätze lichkeiten der IT-Betrieb nun anbietet, und • Die Chance, die IT-Landschaft auf eine angestoßen, um neue Teilbereiche der IT muss sich überlegen, wie diese Möglich- neue Stufe der Effizienz zu heben zu industrialisieren – gemäß der obigen keiten bestmöglich genutzt werden können Beschreibung eine vertikale Optimierung in (siehe Abbildung 3). Auf die Einstellung kommt es an einer (oder mehreren) Säule(n). Kommunikation ist schwierig, ganz gleich DEVOPS – DIE HERAUS- auf welcher Ebene sie stattfindet. Und sie Wenn eine Säule (oder auch: ein Silo) eine FORDERUNG „GEMEINSAM“ ist umso schwieriger, je verschiedener die neue Stufe der Optimierung erreicht hat, jeweiligen Ziele sind. kann eine weitere Verbesserung meist nur Durch verschiedene interne und externe durch eine andere (bessere) Integration in Faktoren wurden IT-Abteilungen in der Der Wunsch der Produktion nach einem den Gesamtprozess beziehungsweise das Vergangenheit erst zusammengelegt, um stabilen IT-Betrieb ist nicht von der Hand zu Unternehmen erfolgen. Hier kommt DevOps Effizienzsteigerungen zu erzielen, dann weisen, kann aber durch verschiedene tech- ins Spiel: Der IT-Betrieb wird durch verschie- wieder getrennt, um eine bessere Kontrolle nologische Entwicklungen (zum Beispiel dene Entwicklungen in die Lage versetzt, zu erreichen. Beide Ansätze haben ihre Container, Infrastructure-as-Code etc.) sehr Infrastruktur-Komponenten schneller und Berechtigung: Die Vorteile beider Organisa- gut unterstützt werden. einfacher bereitzustellen, indem bestimmte tionsformen können durch Kommunikation, Vorgehen, Verfahren, aber auch Standardi- Absprachen und Schnittstellen genutzt Der Wunsch der Entwicklungsabteilungen, sierungen eingeführt werden. Diese Vorteile werden. Änderungen schnell umzusetzen und in können aber nur dann ihr Potenzial entfal- Betrieb zu nehmen, unterstützt diese tech- ten, wenn auch die Softwareentwicklung Hinter dem Begriff DevOps verbirgt sich: nologischen Entwicklungen aber genauso: (beziehungsweise die Anwendungsbereit- • Die Einstellung, dass IT-Entwicklung und Die Möglichkeit, eine Zielumgebung zu stellung) diese Möglichkeiten nutzt und sich IT-Betrieb zusammenarbeiten müssen beschreiben, ein einheitliches Ausliefe- darauf einstellt (siehe Abbildung 2). • Die (An-)Forderung, dass dies standardi- rungsformat zu nutzen und gleichartige siert und nachvollziehbar erfolgen muss Infrastrukturen zu erhalten, sind auch Die Anwendungsbereitstellung – an dieser • Die Möglichkeit, Anforderungen der Motivatoren für die Entwicklung, die sich Stelle ein Synonym für das Erstellen von Produktion bereits in der Entwicklung zu (prozess-)beschleunigend auswirken. » individuellen Anwendungen wie auch für die berücksichtigen und wertvolle Rück- Paketierung und Integration von Marktpro- meldungen aus der Produktion in die dukten – muss verstehen, welche Mög- Entwicklung einfließen zu lassen » Kommunikation ist Anwendungsbereitstellung IT-Betrieb schwierig, ganz gleich Entwicklung und Paketierung Provisionierung, Installation, auf welcher Ebene sie von Anwendungen Konfiguration, Überwachung von Umgebungen und Anwendungen stattfindet. Abbildung 3: Kenntnis und Verzahnung führt zu Verständnis und verbesserten Fähigkeiten NEWS I 19
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