APCC Special Report: Strukturen für ein klimafreundliches Leben - Bericht zum Stakeholder-Prozess

 
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APCC Special Report: Strukturen für ein klimafreundliches Leben - Bericht zum Stakeholder-Prozess
Bericht zum
Stakeholder-Prozess

  APCC Special Report:
  Strukturen für ein
  klimafreundliches Leben
  Wien, September 2022
APCC Special Report: Strukturen für ein klimafreundliches Leben - Bericht zum Stakeholder-Prozess
Impressum

            © 2022
            Universität für Bodenkultur Wien
            Department für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (WiSo)
            Institut für Soziale Ökologie (SEC)
            Schottenfeldgasse 29
            1070 Wien

            Kontakt:
            Willi Haas
            willi.haas@boku.ac.at

            Projektwebsite:
            https://sr22.ccca.ac.at/stakeholder-workshops
APCC Special Report: Strukturen für ein klimafreundliches Leben - Bericht zum Stakeholder-Prozess
Team
  (mit jeweiligen Schwerpunkten)

                       Institution                          Verantwortlichkeiten                          Mit Unterstützung von Hosts, Co-Hosts,
                                                                                                          Co-Chairs, Koordinierenden
                                                            Mitgestaltung, Konzept, Organisation,
Ernest Aigner          Wirtschaftsuniversität Wien          Koordination APCC SR                          Leitautor*innen und Leitautor*innen
                                                            Klimafreundliches Leben                       des APCC SR Klimafreundliches Leben:

                                                            Organisation, Dokumentation,                  Alfred Posch, Andreas Novy, Andrea Jany, Astrid Krisch, Char-
Paula Bethge           Universität für Bodenkultur Wien
                                                            Auswertung, Bericht                           lotte Lejeune, Christina Plank, Dominik Klaus, Florian Wuko-
                                                                                                          witsch, Gabu Heindl, Hans Volmary, Harald Frey, Johanna
                                                                                                          Hofbauer, Karin Fischer, Karl Steininger, Katharina Gugerell,
                                                            Projektleitung, Mitgestaltung, Co-Chair       Lisa Bohunovsky, Livia Regen, Marianne Penker, Markus Ohn-
Christoph Görg         Universität für Bodenkultur Wien
                                                            APCC SR Klimafreundliches Leben               dorf, Michael Miess, Michael Ornetzeder, Michaela Neumann,
                                                                                                          Moritz Blei, Nina Svanda, Sara Movahedian, Stefanie Gerold,
                                                                                                          Thomas Brudermann, Thomas Neier, Ulrike Schneider, Verena
                                                            Prozesskoordination, Konzept,
                                                                                                          Madner
Willi Haas             Universität für Bodenkultur Wien     Organisation, Auswertung, Bericht, Autor*in
                                                            APCC SR Klimafreundliches Leben
                                                                                                          Graphic Recording während der Workshops:
                                                                                                          Karin Hofmann (INKOMMUNIKATION)
                                                            Konzept, Autor*in APCC SR
Klaus Kubeczko         Austrian Institute of Technology
                                                            Klimafreundliches Leben                       Graphic Design des Berichts:
                                                                                                          Kristina Tautz

                       Österreichische Forschungsstiftung                                                 Zitiervorschlag:
Karin Küblböck         für Internationale Entwicklung
                                                            Moderation, Konzept, Organisation             Haas, W., Bethge, P., Müller, H.L., Aigner, E., Görg, Ch., Kubec-
                                                                                                          zko, K., Omann, I., Küblböck, K., Muhar, A. (2022). Bericht zum
                                                                                                          Stakeholder-Prozess des APCC Special Report: Strukturen für
                                                            Mitgestaltung, Inputs, Entwicklung von        ein klimafreundliches Leben (APCC SR Klimafreundliches
Andreas Muhar          Universität für Bodenkultur Wien     Prozesselementen, Co-Chair APCC SR            Leben). Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Soziale
                                                            Klimafreundliches Leben                       Ökologie.

                                                            Organisation, Kommunikation,                  DOI:
Hannah Lucia Müller    Universität für Bodenkultur Wien
                                                            Auswertung, Bericht

                       Nachhaltige Lebensqualität –         Moderation, Konzept, Organisation,
Ines Omann             Forschung und Prozessbegleitung      Prozesskoordination

                                                            Stellvertretende Projektleitung, Autor*in
Barbara Smetschka      Universität für Bodenkultur Wien
                                                            APCC SR Klimafreundliches Leben

Verena Wolf            Universität für Bodenkultur Wien     Organisation
APCC Special Report: Strukturen für ein klimafreundliches Leben - Bericht zum Stakeholder-Prozess
Vorwort

          W
                      iderstreitende Vorstellungen über die Bewältigungs-
                      strategien der Klimakrise führen immer wieder zu
                      Kontroversen. Fridays For Future verweist hörbar auf
          die Defizite klimapolitischen Handelns angesichts der gesetzten
          Klimaziele. Hinzu kommt eine das Zusammenleben strapazie-
          rende und polarisierende Pandemie, die aber gleichzeitig den
          vorstellbaren Spielraum des politisch Machbaren deutlich erwei-
          tert. Und der aktuelle Angriffskrieg in Europa bringt eine weite-
          re massive Verunsicherung. Die Frage stellt sich, wie vor diesem
          Hintergrund und im komplexen Zusammenwirken wirtschaft-
          licher, politischer, sozialer und kultureller Prozesse ein gutes und
APCC Special Report: Strukturen für ein klimafreundliches Leben - Bericht zum Stakeholder-Prozess
sicheres Leben gewährleistet werden kann. Eines ist klar, mit       Weiters befördert dieser einen strukturierten Dialog über ver-
diesen multiplen Krisen geraten Gewissheiten ins Wanken und         schiedene Muster des Wandels. Um bekannte Argumentations-
neue Veränderungsmöglichkeiten und Gestaltungspielräume             muster zu verlassen, wurden „Personae” in die Diskussion einge-
öffnen sich. Gleichzeitig tendiert Krisenbewältigung zu kurzfris-   führt. Damit wurden diese Charaktere in realistischen Lebens-
tigen Abhilfen mit wenig Aufmerksamkeit für langfristige Syn-       umständen zum gemeinsamen Ausgangspunkt. Zudem wurden
ergien, Trade-Offs und Konflikte. Damit gefährdet sie eine von      die Teilnehmenden eingeladen, sich auf vom Team entwickelte
Sorgfalt getragene Weitsicht, wie sie eine gesellschaftliche        Transformationspfade einzulassen, die einen bestimmten
Transformation zur Begegnung der Klimakrise erfordert.              Zugang zur Erreichung der Klimaziele favorisieren. Das Ziel war
     Der Stakeholder-Prozess zum APCC-Report „Strukturen für        es, mit den Stakeholdern außerhalb eingefahrener Positionen
ein klimafreundliches Leben” war gerade in so einer krisenge-       und anhand des APCC SR Klimafreundliches Leben die notwen-
beutelten Zeit eine unschätzbare Bereicherung. 68 Stakeholder       digen Strukturveränderungen herauszuarbeiten und zu bewer-
beschäftigten sich in drei Workshops damit, wie die Ziele des       ten. Für uns stellte sich die Frage, wie divergierend sich die
Paris-Abkommens in Österreich erfüllt werden können. Die            Einschätzungen darstellen und wie sehr sich die unterschiedli-
beteiligten Akteur*innen aus Politik und Verwaltung, Wirt-          chen Stakeholder auf so einen Prozess einlassen würden.
schaft, Interessensvertretungen und Zivilgesellschaft wie NGOs            Gleich vorweg: Die offene und konstruktive Diskussions-
diskutierten vor dem Hintergrund von Anregungen aus dem             bereitschaft der Teilnehmenden war beeindruckend. Mit viel
Sachstandsbericht zu den Strukturen eines klimafreundlichen         Praxiswissen wurden Schlüsselmaßnahmen entwickelt und vor
Lebens aus ihren verschiedenen Perspektiven, welche Struktur-       dem Hintergrund, was aus der eigenen Perspektive wünschbar
veränderungen ein klimafreundliches Leben erfordert, mit            ist, bewertet. Prozess und Ergebnisse werden mit diesem
welchen Barrieren so eine Umgestaltung rechnen muss und wie         Bericht zusammengefasst und sie ergänzen den Austrian
diese überwunden werden könnten.                                    Special Report: Strukturen für ein klimafreundliches Leben
     Konkret diskutierten die Teilnehmende das an verschiede-       (APCC SR Klimafreundliches Leben), einem Assessment der
nen Handlungsfeldern wie Wohnen, Ernährung, Mobilität,              wissenschaftlichen Literatur, um höchst relevante Perspektiven
Erwerbsarbeit, Sorgearbeit sowie Freizeit und Urlaub. Um zu         aus Sicht von Praxisakteur*innen. Auch wenn Struktur und
vermeiden, dass bekannte Positionen einfach wiederholt wer-         Sprache sehr unterschiedlich sind, die im Stakeholder-Prozess
den, wurden verschiedene Methodenzugänge eingesetzt. So             dominanten Transformationsvorstellungen können als wesent-
orientierte sich das Projektteam am Three-Horizons Ansatz, der      liche Ergänzung und Unterstützung für das Portfolio der
beispielsweise Gruppen dabei unterstützt mit Ungewissheit           Gestaltungsoptionen des APCC SR Klimafreundliches Leben
umzugehen um gleichzeitig Handlungsfähigkeit zu erzeugen.           interpretiert werden.
APCC Special Report: Strukturen für ein klimafreundliches Leben - Bericht zum Stakeholder-Prozess
Inhalt

1 Der Stakeholder-Prozess               7    4 Co-Evaluation                           54
  1.1 Hintergrund und Kontext           7      4.1 Ziele und Eckdaten                  54
  1.2 Ziele und Ablauf                         4.2 Methodische Überlegungen            55
      des Stakeholder-Prozesses         11     4.3 Ablauf und Ergebnisse               60
  1.3 Gestaltungsüberlegungen          14          Session 1:
                                                   Transformationspfade für Personae   60
                                                   Session 2:

2 Co-Design                            18          Schlüsselmaßnahmen, Barrieren
                                                   und Überwindungsmöglichkeiten       68
  2.1   Ziele und Eckdaten             18
  2.2   Methodische Überlegungen       19
  2.3
  2.4
        Ablauf
        Ergebnisse
                                       19
                                       20
                                             5 Reflexion                               79
                                               5.1 Inhaltliche Reflexion               79
                                               5.2 Reflexionen zum Prozess             83

3 Co-Production                        22
  3.1 Ziele und Eckdaten               22      Danksagung / Acknowledgement            86
  3.2 Methodische Überlegungen         25      Literatur                               87
  3.3 Ablauf und Ergebnisse            26      Anhang / Liste der Teilnehmenden        88
      Session 1: „Was läuft schief?“   26
      Session 2: Visionen              29
      Session 3: Lösungsansätze        46
APCC Special Report: Strukturen für ein klimafreundliches Leben - Bericht zum Stakeholder-Prozess
1   Der Stakeholder-Prozess
    zum APCC Special Report:
    Strukturen für klimafreundliches Leben

    Ein Überblick

                                             1.1 Hintergrund und Kontext

                                        S
                                               eit 1988 bewertet das Intergovernmental Panel on
                                               Climate Change (IPCC) regelmäßig wissenschaftliche
                                               Erkenntnisse zur Klimakrise, um nationalen wie interna-
                                        tionalen Stakeholdern den Stand des Wissens in einer hand-
                                        lungsrelevanten Form aufzubereiten und zur Unterstützung
                                        von Entscheidungsprozessen bereitzustellen.
                                            In Anlehnung an das Intergovernmental Panel on Climate
                                        Change (IPCC) wurde in Österreich im Climate Change Center
                                        Austria (CCCA) 2014 das „Austrian Panel on Climate Change“
                                        (APCC) eingerichtet. Nach am IPCC angelehnten Prozess- und
                                        Qualitätsstandards bewerten Wissenschaftler*innen der öster-

                                                                                                         7
APCC Special Report: Strukturen für ein klimafreundliches Leben - Bericht zum Stakeholder-Prozess
reichischen Klimaforschungsgemeinschaft in regelmäßigen              und dauerhaft möglich und selbstverständlich zu machen. In den
Abständen den Stand der wissenschaftlichen Forschung zu den          letzten beiden Jahren sind knapp 80 Autor*innen dieser Frage in
aktuellen und künftigen Folgen des Klimawandels in Österreich        sechs Handlungsfeldern (von Mobilität bis Erwerbsarbeit) und
sowie der Maßnahmen zu Klimaschutz und Anpassung.                    zwölf Strukturbedingungen (von Recht bis Medien) nachgegan-
     APCC-Berichte erscheinen zur Bewertung des Klimawan-            gen und haben eine Bewertung der Literatur vorgenommen. Der
dels insgesamt sowie zu thematisch abgegrenzten Fragestellun-        Bericht wurde in einem dreistufigen Prozess entwickelt, bei der in
gen, um die Öffentlichkeit zu informieren und Entscheidungs-         jedem Schritt die interessierte Öffentlichkeit und Expert*innen
träger*innen eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu bieten.        die jeweilige Version kommentierten. Die Kommentare mussten
Seit dem ersten umfangreichen Sachstandsbericht Klimawandel          von den Autor*innen beantwortet werden und mit Hinblick auf
2014 wurden erweiternde Special Reports zu den Themen                die Literatur aufgenommen oder nicht aufgenommen werden.
„Gesundheit, Demographie und Klimawandel“ (2018), „Touris-           Gesamt wurde der Bericht ca. 4.000 Mal von rund 200 Personen
mus und Klimawandel“ (2020), „Strukturen für ein klimafreund-        kommentiert. Mit einer systematischen Darstellung des Verände-
liches Leben” (2022) und „Landnutzung, Landmanagement und            rungsbedarfs und den in der Literatur diskutierten Gestaltungs-
Klimawandel“ (geplante Veröffentlichung 2022) erstellt. Ein          optionen trägt der Bericht zu klimapolitischen Debatten zur
zweiter umfassender Österreichischer Sachstandsbericht Klima-        Transformation von Lebensbedingungen bei.
wandel soll im Jahr 2025 veröffentlicht werden.                           Begleitend zur Erstellung des Special Report: Strukturen
     Der Weltklimarat der Vereinten Nationen (IPCC) kam 2018         für ein klimafreundliches Leben (APCC SR Klimafreundliches
in seinem Sonderbericht „1,5 °C globale Erwärmung“ zum               Leben), der von 2020-2022 erarbeitet wurde, wurde erstmals
Schluss, dass „nie dagewesene, rapide Veränderungen aller            ein Stakeholder-Prozess organisiert. Der vorliegende Abschluss-
gesellschaftlicher Bereiche“ erforderlich sind, um die Ziele des     bericht fasst die Ergebnisse dieses Prozesses zusammen. Weil
Pariser Klimaabkommens zu erreichen und einen Klimawandel            diese Fragestellung notwendige gesellschaftliche Bewertungen
mit weltweit katastrophalen Auswirkungen zu vermeiden                berührt, die über wissenschaftliche Fragestellungen im engeren
(IPCC, 2018). Vor diesem Hintergrund hat das Austrian Panel for      Sinn hinausgehen, wurde die Erstellung des wissenschaftlichen
Climate Change (ACRP, 2019) beschlossen, einen Sachstandsbe-         Sachstandsberichts durch einen Stakeholder-Prozess begleitet.
richt über Strukturen für ein klimafreundliches Leben in Öster-      In diesem haben Praxispartner einerseits ihr Wissen um struk-
reich zu beauftragen.                                                turelle Veränderungsoptionen und Barrieren eingebracht. Ande-
     Im Fokus stand hierbei die Frage, welche Strukturen in Öster-   rerseits haben sie im Diskussionsprozess auch unter Berücksich-
reich nach dem aktuellen Stand der Forschung verändert und wie       tigung unterschiedlicher Interessen eine Bewertung der Verän-
sie gestaltet werden müssen, um klimafreundliches Leben rasch        derungsmöglichkeiten vorgenommen.

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APCC Special Report: Strukturen für ein klimafreundliches Leben - Bericht zum Stakeholder-Prozess
APCC SR Klimafreundliches Leben

     Zur Orientierung wird hier ein Auszug aus der finalen Version der Zusammenfassung
     für Entscheidungstragende des APCC SR Klimafreundliches Leben wiedergegeben.
     Da dieser parallel mit dem Stakeholder-Prozess entwickelt wurde, konnten im Stake-
     holder-Prozess nur Entwürfe von Berichtsauszügen verwendet werden. Zudem finden
     sich in diesem Bericht Boxen mit jeweils weiteren relevanten Aussagen der finalen
     Zusammenfassung für Entscheidungstragende (gekennzeichnet als ‚APCC SR Klima-
     freundliches Leben, aus der Zusammenfassung für Entscheidungstragende‘). Unter
     Literatur (Seite 86) findet sich das genaue Zitat als auch die Online-Verfügbarkeit.

     Derzeit ist es schwierig, in Österreich                                öffentlicher Mobilitätsinfrastrukturen (hohe Übereinstimmung,
     klimafreundlich zu leben.                                              starke Literaturbasis) {Kap 2, 4, 6, 7, 8, 14, 16, 17, 18, 19, 22}, eine
                                                                            auf Klimafreundlichkeit ausgerichtete und koordinierte Raum-,
      In den meisten Lebensbereichen, von Arbeit über Mobilität             Stadt- und Siedlungsplanung (hohe Übereinstimmung, starke
und Wohnen bis hin zu Ernährung und Freizeitgestaltung, för-                Literaturbasis) {Kap 4, 6, 17, 19, 22} oder eine rechtsverbindliche
dern bestehende Strukturen klimaschädigendes Verhalten und                  ökologische Sorgfaltspflicht in einem EU-Lieferkettengesetz
erschweren klimafreundliches Leben(hohe Übereinstimmung,                    (hohe Übereinstimmung, mittlere Literaturbasis) {Kap 15}.
starke Literaturbasis). {Kap 3-9}                                                Die bewertete Literatur zeigt in ihrer Gesamtheit, dass
      In der Literatur finden sich zahlreiche Vorschläge für wirk-          Strukturen klimafreundliches Verhalten erleichtern, erschweren
same Maßnahmen, wie zum Beispiel: eine stetig, substanziell                 oder verhindern. Strukturen beeinflussen, (1) wie klimaschädi-
und langfristig steigende Bepreisung klimaschädigender Emis-                gend sich Einzelne verhalten, (2) in welcher Weise Einzelne von
sionen (hohe Übereinstimmung, starke Literaturbasis) {Kap 16,               Klimaschutzmaßnahmen betroffen sind und (3) inwiefern Ak-
2, 3, 5, 6, 7, 9, 11, 13, 14, 15, 17, 18}, ein verbindliches Klimaschutz-   teur_innen die Möglichkeit haben, diese Strukturen zu gestalten.
gesetz mit effektiven Sanktionsmechanismen (hohe Überein-                   Es kann unter anderem zwischen immateriellen (z. B. Rechts-
stimmung, starke Literaturbasis) {Kap 11, 12, 14}, die Bereitstel-          normen, Planungsvorschriften) und materiellen Strukturen (z. B.
lung attraktiver, leistungsfähiger und klimafreundlicher                    Leitungen für Wasser- und Energieinfrastruktur) unterschieden

                                                                                                                                                       9
APCC Special Report: Strukturen für ein klimafreundliches Leben - Bericht zum Stakeholder-Prozess
werden. Diese Strukturen sind miteinander verwoben: So um-                  Die im Bericht bewertete Literatur zeigt, dass die österrei-
fasst das Mobilitätssystem immaterielle Strukturen wie die                  chischen Klimaziele für 2030 und 2040 nur dann erreich-
Straßenverkehrsordnung und materielle Strukturen wie das                    bar sind, wenn entschlossen, koordiniert, zielorientiert und
Straßen- und Schienennetz.                                                  kontinuierlich Strukturen für ein klimafreundliches Leben
                                                                            aufgebaut und gestaltet werden (hohe Übereinstimmung,
     Die Bewertung des Forschungsstands zeigt in ihrer Ge-                  starke Literaturbasis).
     samtheit: Wenn klimafreundliches Leben dauerhaft mög-
     lich und rasch selbstverständlich sein soll, erfordert diese           Die Transformation von Strukturen für ein klimafreundliches
     eine grundlegende und weitreichende Transformation, die                Leben erfordert das Mitwirken aller gesellschaftlichen
     den Rückbau klimaschädigender und den Aufbau klima-                    Kräfte. Zielorientiert und koordiniert können Rahmenbedin-
     freundlicher Strukturen umfasst.                                       gungen und Verhältnisse ungeachtet verschiedener Positio-
                                                                            nen gemeinsam klimafreundlicher gestaltet werden: durch
      In der Literatur finden sich zahlreiche Vorschläge für wirk-          Unternehmer_innen, in Vereinen, Sozial-, Umwelt- und
same Maßnahmen, wie zum Beispiel: eine stetig, substanziell                 Klimabewegungen, am Arbeitsplatz, in Kammern und
und langfristig steigende Bepreisung klimaschädigender Emis-                Interessenvertretungen als Teil der Sozialpartnerschaft.
sionen (hohe Übereinstimmung, starke Literaturbasis) {Kap 16,               Ohne kritische wissenschaftliche Analyse, ohne zivilgesell-
2, 3, 5, 6, 7, 9, 11, 13, 14, 15, 17, 18}, ein verbindliches Klimaschutz-   schaftliche Mobilisierung einer aktiven Klimabewegung,
gesetz mit effektiven Sanktionsmechanismen (hohe Überein-                   ohne Unternehmen, die sich für klimafreundliches Leben
stimmung, starke Literaturbasis) {Kap 11, 12, 14}, die Bereitstel-          einsetzen, und ohne an Allgemeinwohl und klimafreundli-
lung attraktiver, leistungsfähiger und klimafreundlicher                    chem Leben orientierte Interessenvertretungen sind die
öffentlicher Mobilitätsinfrastrukturen (hohe Übereinstimmung,               notwendigen Transformationen kaum umsetzbar.
starke Literaturbasis) {Kap 2, 4, 6, 7, 8, 14, 16, 17, 18, 19, 22}, eine
auf Klimafreundlichkeit ausgerichtete und koordinierte Raum-,               Besondere Kompetenzen, Ressourcen und Entscheidungs-
Stadt- und Siedlungsplanung (hohe Übereinstimmung, starke                   verantwortung für die Gestaltung klimafreundlichen
Literaturbasis) {Kap 4, 6, 17, 19, 22} oder eine rechtsverbindliche         Lebens liegen bei öffentlichen Entscheidungsträger_innen,
ökologische Sorgfaltspflicht in einem EU-Lieferkettengesetz                 in Gesetzgebung und Regierung.
(hohe Übereinstimmung, mittlere Literaturbasis) {Kap 15}.
                                                                            Nur wenn die aufgezeigten Gestaltungsmöglichkeiten
                                                                            umgesetzt werden, kann klimafreundliches Leben in Öster-
                                                                            reich möglich, attraktiv und selbstverständlich werden.

                                                                                                                                           10
1.2 Ziele und Ablauf                                          nen des Sachstandsberichts umsetzbare und wünschenswerte
    des Stakeholder-Prozesses                                     Visionen eines klimafreundlichen Lebens. Diese Visionen wur-
                                                                  den im dritten Workshop auf ihre Umsetzbarkeit geprüft, um

D
       as Ziel des Stakeholder-Prozesses war es, ergänzend zum    daran anknüpfend Barrieren der Umsetzung und Ansatzpunkte
       Sachstandsbericht sowohl die Wünschbarkeit (bzw. die       zu deren Überwindung zu identifizieren und kreative Lösungen
       gesellschaftliche Bewertung) als auch die Umsetzbarkeit    zu entwickeln, wie eine klimafreundliche Gesellschaft erreich-
wissenschaftlicher Empfehlungen zu Strukturveränderungen          bar wird (Co-Evaluation Workshop). Während der Workshops
für ein klimafreundliches Leben herauszuarbeiten. Dabei sollte    sollten sich Übereinstimmungen bzw. Differenzen in der Wahr-
in einer breiten Beteiligung sowohl das Praxiswissen als auch     nehmung der Klimakrise und der im Special Report entwickel-
die Werte und Interessen unterschiedlicher sozialer Gruppen       ten Transformationspfade zur Überwindung dieser, über Stake-
mit Blick auf die erforderliche Transformation erfasst werden.    holdergruppen hinweg, herauskristallisieren.
Daher waren Akteur*innen aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft,          Im Weiteren sollten die Stakeholder Barrieren der Transfor-
Interessensvertretungen und Zivilgesellschaft eingeladen,         mation aus ihrer Sicht aufzeigen und gemeinsam mögliche
Empfehlungen zu Strukturveränderungen vor dem Hintergrund         Überwindungsmöglichkeiten erarbeiten und diskutieren. In
der wissenschaftlichen Gestaltungsoptionen zu erarbeiten, zu      einem transparenten Verfahren wurden so verschiedene For-
bewerten, Stolpersteine und Barrieren klar zu benennen sowie      men von (wissenschaftlicher und praxisbasierter) Expertise in
Überwindungsmöglichkeiten aufzuzeigen.                            einen iterativen Austauschprozess gebracht, in dem zum Einen
     Das Team aus Forscher*innen und Prozessbegleiter*innen       das wissenschaftliche Wissen vor dem Hintergrund praktischer
wurde bei der Umsetzung des Prozesses von einem Stakeholder-      Umsetzungsprobleme auf seine Machbarkeit, Verständlichkeit
Board mit hochrangigen Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft    und Vollständigkeit überprüft und ergänzt wurde, und zum
und Zivilgesellschaft beratend unterstützt. Bei der Einladung     Anderen gemeinsam alternative Transformationspfade für den
wurde darauf geachtet, das Stakeholder-Sprektrum zu spiegeln.     Übergang zu einer klimafreundlichen Gesellschaft in Österreich
     Der Prozess umfasste drei Workshops (siehe Abbildung 1)      bewertet, diskutiert und weiterentwickelt wurden.
mit unterschiedlichen Zielen: Im ersten Workshop (Co-Design
Workshop) berieten Personen aus Zivilgesellschaft, Interessens-       Die gemeinsame Visionsentwicklung sowie die Bearbei-
vertretungen, Wirtschaft, Politik und Verwaltung die Autor*in-        tung der Transformationspfade im Austausch von Wissen-
nen, welche politikrelevanten Inhalte der Sachstandsbericht           schaftler*innen und Praxispartner*innen sind das zentrale
behandeln sollte. Beim zweiten Workshop (Co-Production                Ergebnis dieses erweiterten Beteiligungsverfahrens und
Workshop) entwickelten Stakeholder gemeinsam mit Autor*in-            werden mit dem vorliegenden Abschlussbericht vorgestellt.

                                                                                                                                     11
Zeitlich wurden die Stakeholder-Workshops so geplant, dass        basierte Assessment des Berichts durch den Stakeholder-Prozess
sie den Prozess der Berichterstellung bestmöglich begleiten            um wertvolle, aktuellere Erfahrungswerte ergänzt werden – gera-
konnten (siehe Abbildung 1). So wurde der erste Workshop               de in Zeiten von Krisen und vielen Veränderungen erscheint dies
(Co-Design) zum Ende der „Zero-Order-Draft“-Phase platziert            bedeutsam. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass es sich um einen
(am 8. Jänner 2021), der zweite Workshop (Co-Production) zum           Lern-Prozess für alle Beteiligten handelt, ob aus Wissenschaft
Ende der „2nd-Order-Draft“-Phase (am 18. und 19. November              oder Praxis. Erst ein Austausch auf Augenhöhe, der Wissens-Hier-
2021) und der dritte Workshop (Co-Evaluation) in der finalen           archien so weit wie möglich abbaut, kann eine hohe Qualität der
Phase des Berichts (am 6. April 2022). Die insgesamt drei Treffen      generierten Einsichten versprechen. Der Zweck dieses Berichtes ist
im Stakeholder-Board fanden jeweils während der Vorbereitung           es, eben dieses Wissen der Stakeholder darzustellen, da im Sach-
zu den Workshops statt (Oktober 2020, August 2021, März 2022).         standsbericht nur von den Autor*innen gesichtete wissenschaftli-
     Bei den drei Workshops wurde der direkte Austausch zwi-           che Beiträge wiederzufinden sind.
schen Autor*innen des Sachstandsberichts und Stakeholdern
ermöglicht. So konnten die Stakeholder Erfahrungswissen und
Wünsche einbringen und gleichzeitig Feedback zur Umsetzbarkeit             1.3 Gestaltungsüberlegungen
der im Bericht gezeichneten möglichen Transformationspfade

                                                                       W
(beim Co-Evaluation-WS) geben. Es wurde eine aktive und breite                   ährend bislang bei APCC Sachstandsberichten das
Einbindung von Stakeholdern angestrebt, um ein möglichst                         Praxiswissen von Stakeholdern bei der Planung des
diverses Spektrum an Meinungen und Positionen einzubeziehen.                     Prozesses wie bei der Ausarbeitung und dem Re-
     Das Aufgreifen des Erfahrungswissens der Stakeholder ist          view-Prozess der verschiedenen Kapitel und Entwürfe syste-
wichtig, da Transformationsprozesse oft stark den Alltag der           matisch eingebunden war, wurde der Stakeholder-Prozess bei
Menschen verändern und diese Alltags-Erfahrungen, aber auch die        diesem Bericht fundierter entwickelt und aufwändiger umge-
Expertise aus den praktischen Arbeitsfeldern der Umsetzung in          setzt. Dies wurde durch eine zusätzliche Finanzierung des
dieser Form nicht in wissenschaftlicher Literatur festgehalten sind.   Klima- und Energiefonds ermöglicht. Für einen stärker sozial-
Selbst wenn die gesellschaftliche Praxis in der wissenschaftlichen     wissenschaftlich ausgerichteten Sachstandsbericht mit breiter
Literatur untersucht bzw. verarbeitet wird, geschieht dies mit         Themenstellung war eine breitere Beteiligung mit sorgfältiger
einem erheblichen Zeitverzug von zumindest zwei bis drei Jahren.       Planung auch naheliegend.
Dies ist den zeitaufwändigen Forschungs- und Veröffentlichungs-             Der Sachstandsbericht umfasst praktisch alle gesellschaft-
prozessen, die zur Qualitätssicherung ein Peer-Review Verfahren        lichen Handlungsfelder, wobei Wechselwirkungen wie etwa
vorsehen, geschuldet. Somit kann das wissenschaftliche, literatur-     zwischen Erwerbs- und Sorgearbeit, Wohnen und Verkehr zu

                                                                                                                                            12
SeCond-order
                                                             firSt-order
                       zero-order
                                                                                                              ·       Autor_innen-
                                    ·   Internes Review

                                                                                                                                                                        freigabe
                                                                           ·   Autor_innen-                           workshop                  ·   Autor_innenwork-
                                        Stakeholder

                          draft

                                                                draft

                                                                                                   draft

                                                                                                                                        draft
                                    ·                                          workshop                               Internationales               shop zur Summary

                                                                                                                                        final
·   Scoping Treffen                     Kommentierung
                                                                                                              ·
                                                                           ·   Expert_innen                           Review                        for Policy makers
·   Erste Konzeption                ·   Rückmeldung
                                                                               Review                         ·       Stakeholder               ·   Review Editing
·   Autor_innenteams                    im Rahmen des
                                                                           ·   Stakeholder                            Kommentierung                 und Treffen
                                        Co-Design
                                                                               Kommentierung                  ·       Kommentierung                 in Kleinteams
                                        Workshops
                                                                                                                      durch CoChairs

         Stakeholder-               Co-                                                        Co-                                              Co-
         prozeSS                    deSign                                                     produCtion                                       evaluation

    ·    Sind alle relevanten                         ·   Was läuft schief bei den                                ·     Wie können die Transforma-
         Themen in der The-                               Strukturbedingungen für ein                                   tionspfade den Personae zu
         mensammlung des                                  klimafreundliches Leben?                                      einem klimafreundlichen
         Sachstandsberichts                                                                                             Leben verhelfen?
         enthalten und welche                         ·   Was sind die Visionen für die
         Schwerpunkte wer-                                vorgestellten Personae in                               ·     Welche Barrieren behindern
         den empfohlen?                                   ihren konkreten Alltagssitua-                                 Umsetzung und welche
                                                          tionen?                                                       Überwindungsmöglichkeiten
    ·    Welche Rückmeldun-                                                                                             bieten sich bei den unter-
         gen gibt es zum                              ·   Welche Strukturveränderun-                                    schiedlichen Transforma-
         Konzept der Stake-                               gen sind nötig, um diese                                      tionspfaden bzw. deren
         holder-Beteiligung                               Visionen zu ermöglichen?                                      Mischpfaden?

        Abbildung 1: Zeitliche Verortung der Stakeholder-Workshops mit ihren
        jeweiligen Fragestellungen entlang der Erstellung des Berichts                                                                                                       13
berücksichtigen waren. Die damit angesprochene komplexe               Der Stakeholder-Prozess wurde in dem in der transdiszipli-
Themenstellung schließt eine Vielzahl von gesellschaftlichen     nären Forschung gut etablierten Dreischritt in der Zusammen-
Normen und Werten ein, die von unterschiedlichen sozialen        arbeit von Wissenschaft und Praxis in drei Phasen angelegt:
Gruppen unterschiedlich bewertet werden. Wie eine gesell-        Co-Design, Co-Production und Co-Evaluation (Jahn et al. 2019).
schaftlich wünschenswerte Transformation zu einer klima-         Der Co-Production Workshop nahm im gesamten Prozess den
freundlichen Gesellschaft in Österreich konkret aussehen kann,   größten Platz ein und stellt einen Workshop zur gemeinsamen
kann daher nicht von der Wissenschaft alleine beantwortet        Wissensproduktion von Wissenschaftler*innen und Nicht-Wis-
werden, diese kann nur mögliche Optionen mit Hinblick auf        senschaftler*innen im Sinne der „Co-Production of knowledge“
den aktuellen Stand der Forschung bewerten. Die konkrete         dar (Miller & Wyborn, 2020).
Umsetzung erfordert einen Dialog in und mit gesellschaftlichen        Um die Perspektiven der Teilnehmenden zu erweitern,
Akteur*innen. Diese können von den Inhalten des Berichts         führte das Team beim Co-Production Workshop als spezielles
lernen und das daraus entstandene Wissen in ihrer Praxis         Element die Persona-Methode ein (Pruitt & Adlin, 2010). Der
anwenden. Diesem Ziel diente der breite Beteiligungsprozess.     gemeinsame Wissensproduktionsprozess beschäftigte sich
     Zu Beginn wurde eine Stakeholder-Analyse durchgeführt,      dabei mit den Personae, die im Workshop vorgegeben wurden.
um relevante Stakeholder zu identifizieren. Diese basierte       Die Personae waren in diesem Fall fiktive in Österreich lebende
sowohl auf der Expertise des Teams, des Stakeholder-Boards       Personen in bestimmten familiären Verhältnissen und Wohnsi-
und der koordinierenden Autor*innen des Sachstandsberichts,      tuationen, die Alltagstätigkeiten nachgehen und für die ein
als auch auf gezielter Online-Recherche. Zudem wurde im Sinne    klimafreundliches Leben mit konkreten Herausforderungen (wie
des ‚Schneeballverfahrens‘ auf Empfehlungen von bereits          für uns alle) verbunden ist.
kontaktierten Stakeholdern zurückgegriffen. Bei der Suche             Die Teilnehmenden erarbeiteten in gemischten Gruppen
wurde ein ausgewogenes Verhältnis der Akteursfelder, sowie       Visionen eines klimafreundlichen Lebens der jeweiligen Perso-
Diversität in Handlungsfeldern und vertretenen Institutionen     nae, in die der Stand der Forschung, die Erfahrung der Teilneh-
angestrebt. Insgesamt wurden so 318 Stakeholder ermittelt,       mer*innen und deren Wünsche und Werte einflossen. Insofern
von denen 161 zum Co-Production Workshop und 63 zum Co-          entsteht in der Phase der Co-Production neues Wissen, ohne
Evaluation Workshop eingeladen wurden. Das Stakeholder-          dass wissenschaftliche Forschung im engeren Sinne betrieben
Board wurde vom Team vorgeschlagen und vom Bundesminis-          wird (Montuori et al., 2019). Das Wissen, welches hier in der
terium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation   Interaktion von Wissenschaft und Praxis entsteht, reflektiert
und Technologie (BMK) ergänzt.                                   die besonderen gesellschaftlichen Bedingungen in Österreich
                                                                 und kann damit die Chancen einer Umsetzung der entwickelten

                                                                                                                                   14
Anzahl teilnehmen-

                                                                                                                Anzahl teilnehmen-
        Akteursfeldanalyse

                                                                                           Akteursfeldanalyse
                             der Stakeholder

                                                                                                                der Stakeholder
                                                               Kommentar

                                                                                                                                                  Kommentar
Geld- und                                                                        Politik                        2                    nur Co-Evaluation Workshop
                             2                    je 1 pro Workshop
Finanzwesen
                                                                                 Arbeiterkammer                 4                    nicht Co-Design Workshop
                                                  bei allen Workshops
Industrie                    3                                                   Gewerkschaften                 4                    nur Co-Design Workshop
                                                  mind. 1 vertreten

                                                  nicht                          Städte und
Initiativen                  2                                                                                  3                    nicht Co-Evaluation Workshop
                                                  Co-Evaluation Workshop         Regionen

Religions-                                                                       Unternehmen                    1                    nur Co-Production Workshop
                             1                    nur Co-Evaluation Workshop
gemeinschaften
                                                                                                                                     bei allen Workshops
                                                                                 Verwaltung                     15
KMU                          1                                                                                                       mind. 5 vertreten

                                                  Überschneidung                 Wissenschaft
Landwirtschaft               2                                                                                                       bei Co-Evaluation Workshop
                                                  mit Verwaltung                 (angewandt) und                8
                                                                                                                                     nur 1
                                                                                 Beratung
Medien                       3                    nur Co-Design Workshop
                                                                                 Teilnehmende                   68                   28 weiblich, 40 männlich
NGO-Soziales                 5                    nicht Co-Evaluation Workshop

                                                  bei allen Workshops
NGO-Umwelt                   9
                                                  mind. 3 vertreten
                                                                                                                 Tabelle 1: Akteursfeldanalyse und
Öffentliche                                       bei allen Workshops                                            teilnehmende Stakeholder
                             4
Wirtschaft                                        mind. 1 vertreten

                                                                                                                                                                    15
Graphic Recording während
         des Co-Evaluation Workshops

Visionen steigern. Zudem verlangt dieser auf konkrete Personae    Übergang vom aktuellen Systemzustand hin zu einer klima-
fokussierte Zugang den Teilnehmenden einen Perspektiven-          freundlichen Gesellschaft, die einem jeweils speziellen Zugang
wechsel ab. Dieser regt dazu an, eingefahrene Argumentations-     folgen. Kapitel 23 im Sachstandbericht hat aus der Literatur
muster bei gleichzeitigem Rückgriff auf Erfahrungswissen und      häufig referierte Transformationspfade wie folgt zusammenge-
wissenschaftliches Wissen zu verlassen. Wichtig war hier der      stellt: Pfad 1 ‚Leitplanken für eine klimafreundliche Marktwirt-
anschließende erste Reflexionsschritt, nämlich welche Struktur-   schaft‘; Pfad 2 ‚Klimaschutz durch koordinierte Technologieent-
veränderungen notwendig sind, damit die erarbeiteten Visio-       wicklung‘; Pfad 3 ‚Klimaschutz als staatliche Vorsorge‘; Pfad 4
nen gut gelebt werden können.                                     ‚Klimafreundliche Lebensqualität durch soziale Innovation‘. Diese
     Im Co-Evaluation Workshop haben wir diesen Zugang der        Zugänge regen an, an jeweils andere Optionen zu denken. In der
Personae, also des Perspektivenwechsels, nochmals genutzt und     Praxis, das war schon im vorbereitenden Treffen des Stakehol-
mit dem speziellen Element der Transformationspfade ver-          der-Boards klar, erfordert die Dringlichkeit eine Kombination die-
knüpft. Transformationspfade sind Optionenbündel für den          ser Optionenbündel in allen Bereichen, in denen diese sich nicht

                                                                                                                                       16
einander gegenseitig ausschließen. So haben die Gruppen auch           Co-Design Workshop
in einem zweiten Schritt die Transformationspfade nach ihren          ·   Sind alle relevanten Themen in der nach Kapiteln
Vorstellungen kombiniert, um dann Schlüsselmaßnahmen zu ent-              strukturierten Themensammlung des Sachstandsbe-
wickeln, für welche dann Umsetzungsbarrieren identifiziert                richts (Zero-Order-Draft) enthalten und welche
wurden. Für die identifizierten Barrieren wurden wiederum im              Schwerpunkte werden empfohlen?
letzten Schritt Überwindungsmöglichkeiten erarbeitet.                 ·   Welche Rückmeldungen gibt es zum Konzept der
      Die Gruppen in den einzelnen Sessions des Co-Production             Stakeholder-Beteiligung?
und Co-Evaluation Workshops wurden gezielt zusammengesetzt.
So wurden prinzipiell in den ersten Sessions die Gruppen bzgl.         Co-Production Workshop
Hintergrund und Akteursfeld durchmischt, um die Diskussionen          ·   Was läuft schief bei den Strukturbedingungen für ein
zu öffnen und multi-perspektivische Sichtweisen im Diskurs zu             klimafreundliches Leben? (Session 1)
etablieren. In späteren Sessions wurden tendenziell homogenere        ·   Was sind die Visionen für die vorgestellten Personae
Gruppen gebildet, um in der weiteren Bearbeitung Interessen der           in ihren konkreten Alltagssituationen? (Session 2)
Akteur*innen vor allem dort besser sichtbar zu machen, wo es          ·   Welche Strukturveränderungen sind nötig, um diese
um das Erkennen von Barrieren und Überwindungsmöglichkeiten               Visionen zu ermöglichen? (Session 3)
geht. Detailliertere Planungsüberlegungen werden im Bericht
beim Co-Production und Co-Evaluation Workshop vorgestellt.             Co-Evaluation Workshop
      Co-Production und Co-Evaluation Workshop wurden durch           ·   Wie können die Transformationspfade den Personae zu
Graphic Recording visualisiert. Die Zeichnungen waren für den             einem klimafreundlichen Leben verhelfen? (Session 1)
Gruppenprozess wichtig und fungierten auch als Anker für die          ·   Wie können die unterschiedlichen Transformationspfade
jeweils nächsten Schritte. So erleichterte es das Graphic Recor-          zu Mischpfaden weiterentwickelt werden? (Session 2)
ding auch Prozess und Ergebnisse des Co-Production Workshops          ·   Welche Barrieren zur Umsetzung von Schlüsselmaß-
in Bild und Wort in den Co-Evaluation Workshop „mitzunehmen”.             nahmen existieren bei unterschiedlichen Transforma-
                                                                          tionspfaden und wie können diese überwunden
    Zusammenfassend wurden in den Workshops folgende                      werden? (Session 2)
    Fragen bearbeitet (siehe Abbildung 1), die vom Graphic
    Recording unterstützt und dokumentiert wurden:                     Im Folgenden werden die drei Workshops mit ihren Zielen,
                                                                   den vorbereitenden methodischen Überlegungen, dem Prozess
                                                                   und den Ergebnissen vorgestellt.

                                                                                                                                  17
2   Co-Design

                    2.1 Ziele und Eckdaten

                D
                      er dreistündige Co-Design Workshop fand am 8. Januar
                      2021 pandemiebedingt online statt. Er verfolgte den
                      Zweck, Feedback zum „Zero-Order-Draft“ des APCC
                Special Report: Strukturen für ein klimafreundliches Leben
                und zum Konzept des ihn begleitenden Stakeholder-Prozesses
                von ausgewählten Stakeholdern einzuholen. So diente er dann
                dazu, sicherzustellen, dass die Planung des Special Reports
                wie auch der geplante Stakeholder-Prozess die Erfahrungen
                und Erwartungen der Stakeholder berücksichtigt. Damit
                verbunden ist auch der Aufbau einer vertrauensvollen Bezie-
                hung mit den Stakeholdern und durch die Beteiligung eine

                                                                              18
gemeinsame „Ownership“ (Görg et al. 2014) am Stakeholder-
Prozess. In diesem den Stakeholder-Prozess initiierenden
Workshop wurden sowohl die Struktur bzw. das Berichtsde-
sign des Sachstandsberichts als auch die dabei verfolgten
wissenschaftlichen Annahmen im etablierten Stakeholder-
Board reflektiert, diskutiert und ergänzt. Zudem wurde das
vorgestellte Konzept des geplanten Stakeholder-Prozesses
evaluiert. Insgesamt nahmen 35 Stakeholder (u.a. aus den
Bereichen Verwaltung, Unternehmen, Sozialpartner, ökologi-
sche und soziale NGOs, Forschungsinstitute/Think Tanks und
der ÖNB) an diesem Workshop teil.                                                       Einleitungsfolie beim online
                                                                                        Co-Design Workshop am 8. Jänner 2021

    2.2 Methodische Überlegungen                                     2.3 Ablauf

D                                                                N
       ieser erste Workshop wurde sehr pragmatisch angelegt.             ach einer Einführung in den Stakeholder-Prozess und den
       Es ging um das möglichst umfassendes Einholen von                 „Zero-Order-Draft“, also das kommentierte Inhaltsver-
       Rückmeldungen. Die Teilnehmenden sollten viel Platz für           zeichnis des Berichts (ca. 20-seitige strukturierte Samm-
Rückmeldungen bekommen und Wissenschaftler*innen sollten         lung von Berichtsthemen), haben die Teilnehmenden in Gruppen
gut zuhören bzw. Verständnisfragen bezüglich der Rückmeldun-     zu ca. 6 Personen zuerst zu den Kapiteln der Handlungsfelder und
gen stellen können. Es war als Einstimmung auf die Gruppe der    danach zu jenen der Strukturbedingungen diskutiert. Sie konnten
Stakeholder im Zusammenhang mit dem Thema Strukturen für         dabei jeweils zwei bis drei Handlungsfelder und Strukturbedin-
klimafreundliches Leben gedacht. Der Workshop sollte uns         gungen wählen. Dies diente insbesondere dazu, fehlende Themen
dabei unterstützen, explorative Fragen besser einschätzen zu     aufzunehmen und Schwerpunkte zu setzen. Die Rückmeldungen
können: Wie wird das Thema behandelt? Welche möglichen           wurden den Co-Chairs und koordinierenden Leitautor*innen
Konflikte zwischen Wissenschaft und Stakeholder-Perspektiven     (CLAs) vorgelegt, die wiederum den Teilnehmenden rückmelde-
sind angelegt?                                                   ten, ob und wie sie die Anregungen aufgenommen haben.

                                                                                                                                     19
2.4 Ergebnisse                                               behandeln. Die Rückmeldung war eine starke Unterstützung
                                                                 für diesen Fokus. Machtfragen wurden zudem im APCC SR

N
      eben Rückmeldungen zu einzelnen Kapiteln, deren            Klimafreundliches Leben transversal und somit in vielen der
      Zusammenfassung den Rahmen dieses Berichts sprengen        Kapitel analysiert. Weniger Fokus im Bericht liegt auf der Frage
      würden, gab es auch allgemeines Feedback zum               von Werten, da hierfür ebenfalls keine Autor*innen gefunden
Zero-Order-Draft:                                                werden konnten. Angesprochen wird das Thema des Werte-
                                                                 wandels jedoch in Kapitel 7: Erwerbsarbeit, Kapitel 12: Gover-
Rückmeldung: Themenfelder, wie (1) räumliche Strukturen,         nance und politische Bildung, und Kapitel 20: Diskurse und
Raumordnung und Stadt-Land Unterschiede, (2) unternehmeri-       Medien.
sches Denken und Industrie, (3) soziale Strukturen und wie man
alle Akteur*innen in der notwendigen Transformation mitneh-      Rückmeldung: Stakeholder wiesen darauf hin, dass nicht nur
men kann, wurden als fehlend identifiziert.                      ein Szenario bzw. ein Narrativ verfolgt wird, sondern dass
Konsequenz: Zu diesen wurden eigene Kapitel eingeführt. Zu (1)   verschiedene, sich auch kontrastierende Szenarien entwickelt
Kapitel 17: Soziale und räumliche Ungleichheit und Kapitel 19:   werden sollten. Dabei sei es auch wichtig, auf die verschiede-
Raumplanung; zu (2) Kapitel 14: Die Versorgung mit Gütern und    nen Zeithorizonte und Pfadabhängigkeiten zu achten.
Dienstleistungen, und Kapitel 15: Globalisierung – globale       Konsequenz: Der Special Report verfolgte von Beginn an eine
Warenketten und Arbeitsteilung; und zu (3) Kapitel 17 und        multi-perspektivische Sichtweise (siehe Kapitel 1: Einleitung –
Kapitel 18: Sozialstaat und Klimawandel. Das Themenfeld          Strukturen für ein klimafreundliches Leben, Kapitel 2: Perspek-
unternehmerisches Denken und Handeln wurde versucht, in ein      tiven zur Analyse und Gestaltung von Strukturen klimafreund-
eigenes Kapitel aufzunehmen; leider wurden hierfür allerdings    lichen Lebens und Kapitel 23: Pfade zur Transformation struktu-
keine Autor*innen gefunden.                                      reller Bedingungen für ein klimafreundliches Leben). In Kapitel
                                                                 23 wurden vier unterschiedliche und sich kontrastierende
Rückmeldung: Von mehreren Stakeholdern wurde darauf hinge-       Transformationspfade vor dem Hintergrund der Literatur ent-
wiesen, dass die Analyse von Machtfragen, mentalen Infra-        wickelt, diese wurden dann auch im Co-Evaluation Workshop
strukturen, Werten in verschiedenen Milieus und verbundene       vorgestellt und in der Diskussion verwendet.
Verhaltensänderung wichtig wäre, damit der Bericht ihre tägli-
che Arbeit besser unterstützen kann.                             Rückmeldung: Zum Zeitpunkt des Workshops prägte die COVID-
Konsequenz: Im Special Report war z.B. das Kapitel Governance    19-Pandemie bereits das gesellschaftliche Leben. Stakeholder
bereits vorgesehen, das darauf abzielte, diesen Aspekt zu        wiesen darauf hin, dass dies im Bericht bedacht werden sollte.

                                                                                                                                    20
Konsequenz: Der Wunsch ist verständlich aber in der Praxis          und sein Thema angestrebt. Die Perspektive der vulnerablen
eines Sachstandsberichts nur schwer umsetzbar, da wissen-           Gruppen, z.B. solchen mit geringen Einkommen, konnte teil-
schaftliche Literatur diesen aktuellen Ereignissen hinterher-       weise durch Vertreter*innen aus dem Sozialbereich abgedeckt
hinkt. Daher kann bei einer Zusammenfassung der veröffent-          werden. Für den nachvollziehbaren Wunsch Desinteressierte,
lichten peer-reviewten Literatur hier wenig geschrieben wer-        Skeptiker*innen oder Leugner*innen einzubeziehen, war bei
den, allerdings wurden Besonderheiten von Krisenzeiten, wie         einem Prozess, der Stakeholder adressiert, kein Platz. Dieses
etwa schnellere Veränderungen und neue Gestaltungspielräu-          Thema ist wichtig, ist allerdings vielmehr von der Klimapolitik
me, weitgehend reflektiert.                                         zu adressieren und nicht im Rahmen der Begleitung zu einem
                                                                    wissenschaftlichen Prozess zur Bedeutung von Strukturen für
Rückmeldung: Die schwierige und doch sehr wissenschaftsnahe         ein klimafreundliches Leben.
Sprache wurde als unpassend befunden. Eine Klärung des
Zielpublikums und Anpassung der Sprache wurden gefordert.
Konsequenz: Die Zielgruppe wurde im Sachstandsbericht noch-
mals schärfer umrissen und zur Verständlichkeit des Berichts
wurde ein Lektorat mit genau dieser Aufgabe eingesetzt, auch
wurden die Autor*innen in einfacher Sprache geschult. Auf-
grund der teils sehr theoretischen Kapitel blieb dies aber bis
zum Schluss eine Herausforderung.

Rückmeldung: In Bezug auf den Stakeholderprozess wurde
betont, dass es wichtig sei, alle gesellschaftlichen Akteur*innen
mitzunehmen (insbesondere auch die „Verlierer*innen“), sowie
im Ergebnis des Prozesses auch Erfahrungswerte dazu festzu-
halten, wie man z.B. Desinteressierte, Skeptiker*innen oder
Leugner*innen erreichen kann.
Konsequenz: Das konnte im aktuellen Projekt nur sehr
begrenzt umgesetzt werden. Im Stakeholder-Prozess wurde
eine breite Beteiligung in Bezug auf den Sachstandsbericht

                                                                                                                                      21
3   Co-Production

                                   3.1 Ziele und Eckdaten

                               D
                                     er Co-Production Workshop fand am 18. und 19. November
                                     2021 in der Sky Lounge der Executive Academy der Wirt-
                                     schaftsuniversität Wien statt, jeweils halbtags (Mittag-zu-
                               Mittag). Am Workshop nahmen 33 Stakeholder, 15 Autor*innen
                               des Sachstandsberichts und das Stakeholder-Team teil.
                                   Dieser zweite Workshop baute auf den Zwischenstand des
                               Sachstandsberichts auf und brachte Wissenschaftler*innen sowie
                               Praxispartner*innen aus verschiedensten gesellschaftlichen
                               Bereichen wie Verwaltung, Organisationen, Wirtschaft und Politik
                               und den wichtigsten im Sachstandsbericht untersuchten Hand-
                               lungsfeldern zusammen.

    Diskussionen während des
    Co-Production Worskhops
                                                                                                   22
Donnerstag                                                  Freitag
Ab 12:00     Ankommen und Mittagsimbiss                     9:00          Interaktiver Einstieg
             Begrüßung, Vorstellung des Berichts und                      Welche „bahnbrechenden“ Strukturverände-
13:00
             interaktiver Einstieg                                        rungen braucht es für ein attraktives klima-
                                                                          freundliches Leben? Arbeit in gemischten
             „Was läuft schief?“ Analyse des Status quo:    9:30
                                                                          Gruppen, auf Basis der Ergebnisse vom
             Welche Strukturbedingungen behindern ein
                                                                          Vortag und anhand der Themenfelder und
             klimafreundliches Leben? Arbeit in gemisch-
14:00                                                                     Strukturbedingungen des Berichts
             ten Kleingruppen, auf Basis der Kernaussa-
             gen des Berichts und der Expertise der         11:30         Vorstellung und gemeinsames Diskutieren
             Teilnehmenden
                                                            12:40         Abschluss und nächste Schritte
15:20        Kaffeepause
                                                            13:00         Mittagessen
             Visionen: Wie könnte ein attraktives und
             klimafreundliches Leben von unterschiedli-
15:45        chen Personen 2040 aussehen? Arbeit in                              Programm des Co-Production Workshops
             gemischten Gruppen, realistische Visionen                           am Donnerstag, 18.11.2021, und Freitag,
             für beschriebene Personen                                           19.11.2021, an der Executive Academy der
                                                                                 Wirtschaftsuniversität Wien
17:30        Ergebnispräsentation und Diskussion

18:30        Ende von Tag 1
                                                                Beim Co-Production Workshop ging es darum, für ein
Im           Abendessen mit Berichterstattung von der      klimafreundliches Leben hinderliche Strukturbedingungen zu
Anschluss:   COP26                                         identifizieren und darauf aufbauend wünschenswerte und
                                                           umsetzbare Visionen für ein klimafreundliches Leben zu entwi-
                                                           ckeln. Von diesen Visionen ausgehend konnten schließlich
                                                           bahnbrechende und wünschenswerte Strukturveränderungen
                                                           abgeleitet sowie dafür notwendige bahnbrechende Struktur-
                                                           veränderungen identifiziert werden.

                                                                                                                            23
klimafreundlich                 1,5°C Ziel

                                                               2. Vision für ein
                                                               klimafreundliches
                                                               Leben

                                                                                              3. Bahnbrechende
                                                                                              Strukturveränderngen

                                                                                              1. Klimaschädliche
                                                                                              Lebensweisen und
                                                                                              Strukturen im
                                                                                              Business as Usual

Diskussionen während des
                                                            klimaschädlich                                   Zukunft
Co-Production Workshops

Die drei Kernziele des Workshops waren demnach,                          Abbildung 2: Schema des adaptierten
gemeinsam                                                                Three-Horizons-Ansatzes für den
                                                                         Co-Production-Workshop:
·   die wichtigsten Strukturen, die klimaschädigendes                    Vom Problematisieren des Business-as
    Leben begünstigen, zu benennen,                                      -usual (BAU), zur Vision von attraktiven
·   Visionen für ein attraktives und klimafreundliches                   1,5°C kompatiblen Lebensweisen und zu
    Leben für unterschiedliche Lebensphasen und Perso-                   den dazu notwendigen bahnbrechenden
    nae zu entwickeln, und schließlich                                   Strukturveränderungen
·   „bahnbrechende“ Strukturveränderungen zu erarbeiten,
    die ein klimafreundliches Leben entscheidend fördern.

                                                                                                                       24
Um möglichst konstruktive gemeinsame Diskussionen zu
ermöglichen, wurden diese stets in den Kontext gegenwärtiger
Entwicklungen eingebettet und nahmen Bezug auf im Sach-
standsbericht behandelte Theorien gesellschaftlicher Verände-
rung und historischer Transformation.

    3.2 Methodische Überlegungen

M
         ethodisch basiert der Co-Production Workshop auf             Einleitung zum Co-Production Workshop am 18. und 19.
         dem Three-Horizons-Ansatz (nach Sharpe et al., 2016).        November 2021 an der Wirtschaftsuniversität Wien
         Dieser geht davon aus, dass globale Umweltverände-
rungen eine deutliche Veränderung in den kognitiven Frames        wir die Personae ein, die für alle teilnehmenden Gruppen einen
bei Individuen und Institutionen erfordern. Die entwickelten      greifbaren Alltagsbezug herstellen und somit einen neuen
Workshopformate sollen solche Änderungen unterstützen. Der        gemeinsamen Referenzpunkt in die Diskussion einbrachten. Die
neuartige Ansatz hilft Gruppen dabei, komplexe und schwer         Personae decken eine große Bandbreite der in Österreich leben-
lösbare Probleme im Zusammenspiel mit einer gleichzeitig          den Menschen ab und unterscheiden sich hinsichtlich ihres
ungewissen Zukunft zu bearbeiten. Zudem unterstützt er            Alters, ihres beruflichen und privaten Umfeldes sowie ihrer
dabei, den Unterschied zwischen ‚weiter wie bisher‘ bzw. inkre-   Lebenssituation entlang der Themenfelder aus den Handlungs-
mentellen Änderungen und tiefgreifenden Transformationen in       feldern des Sachstandsberichts: Wohnen, Ernährung, Mobilität,
der Gruppenarbeit aufrecht zu erhalten.                           Erwerbsarbeit, Sorgearbeit, Freizeit- und Konsumverhalten. Es
     Abbildung 2 veranschaulicht, wie sich der Workshop vor       wurden jedoch nicht alle Themenfelder bei jeder Persona abge-
dem Hintergrund des Sachstandsberichts mithilfe des adaptier-     handelt (für die Personaeprofile siehe S.30 ff.). Für diese entwi-
ten Three-Horizons-Ansatzes in drei Schritten vorausschauend      ckelten die Teilnehmenden Visionen für ein klimafreundliches
und systematisch mit dem Thema „Strukturen für ein klima-         Leben (siehe Abbildung 2, 2. Vision für ein klimafreundliches
freundliches Leben“ beschäftigt. Unser Start war das Identifi-    Leben). Die Personae-spezifischen Visionen wurden dann her-
zieren von Strukturen, die klimaschädliche Handlungen begüns-     angezogen, um die dafür notwendigen Strukturveränderungen
tigen (siehe Abbildung 2, 1. Klimaschädliche Lebensweisen und     herauszuarbeiten (siehe Abbildung 2, 3. Bahnbrechende Struk-
Strukturen). Zur Veränderung der kognitiven Frames führten        turveränderungen).

                                                                                                                                       25
Das theoriegeleitete Konzept wurde schließlich in ein detail-                      Strukturen
liertes Moderationskonzept mit unterstützendem Material

                                                                                                                                Klimafolgen und demographischer Wandel
umgesetzt. Die drei Phasen des Three-Horizon-Ansatzes (s.o.)          Recht und            Wirtschaft und   Globalisierung
                                                                      Governance           Innovation       und
wurden im Workshop in drei Sessions bearbeitet. Der Ablauf und                                              Finanzmärkte
die Ergebnisse sind im Folgenden beschrieben.

                                                                      Soziales und         Raum und         Medien und
                                                                      Ungleichheit         Infrastruktur    Bildung
    3.3 Ablauf und Ergebnisse

    Session 1: „Was läuft schief?“

    Analyse des Status quo: Welche Strukturbedingungen
    behindern ein klimafreundliches Leben?
                                                                                     HandlungSfelder
     In dieser Session wurde in gemischten Kleingruppen (8
Gruppen à 4-7 Personen), die jeweils von einem Host betreut           Wohnen               Mobilität        Ernährung

wurden, gearbeitet. Auf Basis der Expertise der Teilnehmen-
den und nach Durchsicht der Kernaussagen des Berichts zum
Status quo wurden die wichtigsten behindernden Strukturbe-            Sorgearbeit          Erwerbsarbeit    Freizeit und
                                                                                                            gesellschaft-
dingungen für ein klimafreundliches Leben identifiziert und                                                 liches
diskutiert. Die Teilnehmenden sollten dabei die Strukturbedin-                                              Engagement

gungen von mindestens zwei Handlungsfeldern (siehe Abbil-
dung 3) besprechen. Zu jedem Handlungsfeld gab es ein*e
Autor*in des jeweiligen Kapitels als „Ressource-Person“. Die
Ergebnisse wurden von den Gruppen in einer Matrix festge-
halten, die die im Sachstandsbericht ermittelten Strukturkate-                       Abbildung 3: Aus dem Sachstands-
gorien und Handlungsfelder abbildet.                                                 bericht abgeleitetes Schema der relevan-
     Am Ende der Session wurden die Ergebnisse in den Grup-                          ten Strukturen und Handlungsfelder
pen verdichtet und im Plenum mittels „Popcorn Harvest“ (dem

                                                                                                                                      26
Einholen von Blitzlichtern aus den einzelnen Gruppen) einan-   Feldern in Tabelle 2 dargestellt. Dabei war festzustellen, dass
der vorgestellt. Dem folgte eine Zusammenführung der einzel-   fast alle Handlungsfelder und Strukturbedingungskategorien
nen Gruppen-Ergebnisse mit Post-Its in einer großen Sammel-    abgedeckt wurden und jeweils mindestens ein Punkt genannt
Matrix (siehe Abbildung 4).                                    wurde. Besonders gehäuft haben sich die Nennungen im Hand-
    Im Anschluss an den Workshop hat das Prozessteam die       lungsfeld Wohnen. Insgesamt konnten die Teilnehmenden
generierten Ergebnisse aufgearbeitet und ausgewertet. Dazu     innerhalb kürzester Zeit fast 200 Strukturbedingungen benen-
wurden die angesprochenen Themen aus dieser ersten Übung       nen, die klimafreundliches Leben behindern. Dies unterstreicht
verschriftlicht und den Feldern zugeordnet. Als vereinfachte   den Handlungsbedarf, Strukturbedingungen zu transformieren.
Darstellung wird hier die Auszählung der Nennungen in den

Abbildung 4: Sammel-Matrix von Struk-
turbedingungen(links) x Handlungsfel-
der (oben) der Ergebnisse aus der 1.
Einheit des Co-Production-Workshops

                                                                                                                                 27
Freizeit / Urlaub
                                                                          Erwerbsarbeit
                                                            Sorgearbeit
                                                Ernährung
                                    Mobilität
                           Wohnen
Recht und Governance       18        5           8            7             2                3
                                                                                                                                                                    Arbeit in Kleingruppen während
                                                                                                                                                                    des Co-Production Worskhops
Wirtschaft und
                           20        2           7             1            3                8
Innovation                                                                                                    APCC SR Klimafreundliches Leben
Global- und                                                                                                   aus der Zusammenfassung
                            11       2           2            2             2                 1               für Entscheidungstragende
Finanzmärkte

Soziales und
                            11        -          5            2             6                7
Ungleichheit                                                                                                  Transformation

Raum und Infrastruktur      9        6           4            4             4                2                Die Bewertung des Forschungsstands                        effektiven Sanktionsmechanismen (hohe
                                                                                                              zeigt in ihrer Gesamtheit: Wenn                           Übereinstimmung, starke Literaturbasis)
Medien und Bildung          8        8           5            4             3                 1               klimafreundliches Leben dauerhaft                         {Kap 11, 12, 14}, die Bereitstellung attrak-
                                                                                                              möglich und rasch selbstverständlich                      tiver, leistungsfähiger und klimafreundli-
                                                                                                              sein soll, erfordert dies eine grundle-                   cher öffentlicher Mobilitätsinfrastruktu-
                                                                                                              gende und weitreichende Transforma-                       ren (hohe Übereinstimmung, starke
                                                                                                              tion, die den Rückbau klimaschädigen-                     Literaturbasis) {Kap 2, 4, 6, 7, 8, 14, 16, 17,
                                                                                                              der und den Aufbau klimafreundlicher                      18, 19, 22}, eine auf Klimafreundlichkeit
                                                                                                              Strukturen umfasst.                                       ausgerichtete und koordinierte Raum-,
                     Tabelle 2: „Was läuft schief?“ Analyse                                                   In der Literatur finden sich zahlreiche                   Stadt- und Siedlungsplanung (hohe
                     des Status quo: Welche Strukturbedin-                                                    Vorschläge für wirksame Maßnahmen,                        Übereinstimmung, starke Literaturbasis)
                                                                                                              wie zum Beispiel: eine stetig, substanzi-                 {Kap 4, 6, 17, 19, 22} oder eine rechtsver-
                     gungen behindern ein klimafreundliches                                                   ell und langfristig steigende Bepreisung                  bindliche ökologische Sorgfaltspflicht in
                     Leben? Auszählung der benannten                                                          klimaschädigender Emissionen (hohe                        einem EU-Lieferkettengesetz (hohe
                     behindernden Strukturbedingungen                                                         Übereinstimmung, starke Literaturbasis)                   Übereinstimmung, mittlere Literaturba-
                                                                                                              {Kap 16, 2, 3, 5, 6, 7, 9, 11, 13, 14, 15, 17, 18},       sis) {Kap 15}.
                     nach Handlungsfeldern                                                                    ein verbindliches Klimaschutzgesetz mit

                                                                                                                                                                                                                   28
freundliche, aber realistische Zukunftsvisionen für die beschrie-
                                                                 bene Persona (anhand von mindestens drei Handlungsfeldern,
                                                                 siehe Abbildung 3) erarbeiten. Die Gruppen bekamen weiters
                                                                 die Aufgabe, die erarbeite Vision in Form eines Rollenspiels
                                                                 umzusetzen. Die Grundsatzfragen für jede Persona waren:

                                                                    ·     Was sind die aktuellen Herausforderungen der Le-
                                                                          bensrealitäten der Persona aus Klimawandel- und
                                                                          Klimaschutz-Sicht?
                                                                    ·     Wie könnte ein klimafreundliches Leben dieser Perso-
                                                                          na aussehen?

                                                                      Sowohl die erarbeiteten Visionen als auch ihre Darstel-
                                                                 lung in Rollenspielen erfolgte äußerst kreativ und vielfältig.
                      Arbeit in Kleingruppen während des         Die Präsentation wurde mittels Graphic Recording visuell
                      Co-Production Worskhops                    festgehalten. Anschließend wurden die Visionen in der Groß-
                                                                 gruppe diskutiert.
                                                                      In der Nachbereitung des Workshops hat das Prozessteam
    Session 2: Visionen                                          die Ergebnisse aufgearbeitet und ausgewertet. Dazu wurden
                                                                 vor allem die Zukunftsvisionen aus den Rollenspielen und den
    Wie könnte ein attraktives und klimafreundliches Leben       Protokollen der Diskussionen der zweiten Session in kurzen
    von unterschiedlichen Personae aussehen?                     Texten verschriftlicht (siehe Abbildung 5-12), damit sie für den
                                                                 folgenden Co-Evaluation Workshop weiterverwendet werden
     In dieser Session wurde in neu gemischten Gruppen gear-     konnten. Wichtig ist hier anzumerken, dass die Visionen nicht in
beitet. Es gab acht Gruppen entsprechend der im Vorfeld des      Bezug auf ihre Konsistenz oder wissenschaftliche Machbarkeit
Workshops entwickelten Personae. Während der Pause vor der       geprüft oder überarbeitet wurden. Die Zusammenfassung
Session wählten die Teilnehmenden eine der acht Personae, mit    dieser Session des Co-Production Workshops sollte vielmehr die
der sie arbeiten wollen. In der Gruppenarbeit, die jeweils von   in den Arbeitsgruppen der Stakeholder erarbeiteten Ergebnisse
einem Host betreut wurde, sollten sie nun attraktive, klima-     möglichst korrekt wiedergeben.

                                                                                                                                     29
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