Kleinstädte in Deutschland - kreditwesen.de

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Kleinstädte in Deutschland

                             Autorin und Autor
                             Antonia Milbert
                             Lars Porsche
Kleinstädte in Deutschland - kreditwesen.de
IMPRESSUM

Herausgeber
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR)
Deichmanns Aue 31–37
53179 Bonn

Ansprechpartner
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung
Referat RS 6 „Stadt-, Umwelt- und Raumbeobachtung“
Antonia Milbert
antonia.milbert@bbr.bund.de

Referat RS 7 „Baukultur, Städtebaulicher Denkmalschutz“
Lars Porsche
lars.porsche@bbr.bund.de

Begleitung im Bundesministerium
Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat
Referat SW I 5 „Grün- und Baukultur in der Stadtentwicklung“
Prof. Dr. Hagen Eyink
hagen.eyink@bmi.bund.de

Dr. Lara Steup
lara.steup@bmi.bund.de

Stand
Juni 2021

Satz und Layout
ORCA Affairs GmbH, Berlin

Druck
Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Bonn
Gedruckt auf Recyclingpapier

Bestellungen
gabriele.bohm@bbr.bund.de; Stichwort: Kleinstädte in Deutschland

Bildnachweis
Titelbild: Björn Braun
Schafgans DGPh: S. 4, iStock.com/clu: S. 8/9, Jürgen Hohmuth: S. 12/13, Wolkenkratzer, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons: S. 22/23,
iStock.com/AzmanJaka: S. 34/35, iStock.com/fotografixx: S. 44/45, Radler59, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons: S. 62/64,
iStock.com/Freder: S. 72/73, sbca: S. 82/83

Nachdruck und Vervielfältigung
Alle Rechte vorbehalten
Nachdruck nur mit genauer Quellenangabe gestattet.
Bitte senden Sie uns zwei Belegexemplare zu.

ISBN 978-3-87994-533-7                                                                                                        Bonn 2021
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Kleinstädte in Deutschland
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Foto: Schafgans DGPh

Liebe Leserinnen und Leser,

70 % der Einwohner Deutschlands leben nicht in Großstädten, sondern in kleineren S­ tädten
und Gemeinden. Vertraut man den jüngeren Umfragen, dann steht Kleinstädten eine gute
Zukunft bevor: Mehr Menschen – auch jüngere Menschen unter 40 Jahren – würden ­lieber
in einer Kleinstadt als in einer Großstadt leben. Das jährliche Bevölkerungswachstum
­vieler Großstädte nimmt wieder ab, vor allem durch negative Binnenwanderungssalden: Es
 ziehen mehr Menschen aus den größeren Städten raus als zuwandern. Bezahlbarer Wohn-
 raum ist dabei nur einer der Gründe. Gleichrangig beflügeln der Wunsch nach Überschau-
 barkeit, mehr Ruhe, mehr Grün, dem eigenen Heim und größerem Gemeinschaftssinn
 die Motivation für ein Leben auf dem Land und in der Kleinstadt. Zukunftsforscher wie
 Matthias Horx und Daniel Dettling benennen noch einen weiteren Aspekt, den sie unter
 dem Schlagwort „Glokalisierung“ zusammenfassen: Es ist gleich, wo man lebt, man ver-
 steht sich als Weltbürger. Aber die Gestaltungsmöglichkeiten, die Mitbestimmung und die
 Umsetzung drängender Zukunftsfragen wie der Klimawandel und mehr Nachhaltigkeit
 scheinen vielen in kleinen Städten besser als in großen Städten gegeben zu sein.

Bereits jetzt leben knapp 30 % der Bevölkerung in Deutschland in Kleinstädten. Nicht
alle Kleinstädte entsprechen den Vorstellungen der idyllischen Stadt im Grünen mit g­ uter
Erreichbarkeit zur nächsten Großstadt. Die mehr als 2.100 Kleinstädte in Deutschland
sind höchst unterschiedlich. Ein Teil der Kleinstädte prosperiert, ein anderer Teil der
Kleinstädte schrumpft. Kleinstädte sind überwiegend beliebte Wohnorte, andere daneben
auch Arbeitsmarktzentren mit teils hochmodernen Industrie- und/oder Dienstleistungs-
betrieben. Fast alle Kleinstädte verfügen (noch) über die notwendige Grundversorgung,
einzelne dagegen auch über spezielle Forschungs- und Serviceeinrichtungen. In all ihren
Facetten übernehmen Kleinstädte eine entscheidende Rolle in der Sicherung gleichwerti-
ger Lebensverhältnisse. Sie sind vor allem Ankerpunkte der regionalen Daseinsvorsorge­
sicherung in peripheren ländlichen Regionen.
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Der vorliegende Bericht stellt die Vielfalt der Kleinstädte mittels umfangreichen grafischen
und kartografischen Materials aus der Laufenden Raumbeobachtung des BBSR dar. Diese
Bestandsaufnahme dient einerseits dazu, gängige Klischees aufzubrechen, die Verhältnisse
in den Kleinstädten objektiv und breitgefächert darzustellen, aber auch die Herausforde-
rungen der Kleinstädte zu benennen und ihre strategischen Optionen aufzuzeigen. Denn
eine einfache Kopie der Handlungsstrategien aus den stark erforschten Großstädten ist
vor den kleinstadtspezifischen Potenzialen und Grenzen nicht zielführend. Mit Initiativen
fördert die Politik modellhafte Lösungsansätze und den Austausch zwischen den Klein-
städten. Das BBSR hat bereits vor Jahren ein Forschungscluster „Kleinstadtforschung“
­gegründet, um die Forschung in, für und mit den Kleinstädten zu forcieren. Dieser Bericht
 speist sich auch aus den Erfahrungen und Erkenntnissen aus Projekten der Kleinstadt­
 forschung des BBSR.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.

Dr. Markus Eltges
Leiter des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR)
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Inhaltsverzeichnis
1 Einführung                                                           10
2 Kleinstädte – eine Städtelandschaft                                  14
3 Leben und Wohnen in Kleinstädten                                     24
   Kleinstädte als beliebte ­Wohnorte                                  24
   Bevölkerungsentwicklung – Resultat der Wohnstandortentscheidungen   28
   Kleinstädtische Sozial­struktur                                     31

4 Kleinstädte als Arbeits- und ­Wirtschaftszentren                     36
   Kleinstädte als Arbeits­zentren                                     36
   Wissensökonomie in ­Kleinstädten                                    38
   Hidden Champions – ­Unternehmensstruktur und Innovation             41

5	Daseinsvorsorge – der Beitrag der ­Klein­städte zur Sicherung
   gleichwertiger ­Lebens­verhältnisse                                 46
   Die Rolle der Kleinstädte im Zentrale-Orte-System                   46
   Daseinsvorsorge und ­soziale Infrastruktur in Kleinstädten          50
   Digitale Transformation – ­Breitbandausbau als ­Voraussetzung       55
   Mobilität und Verkehrs­nutzung                                      59

6 Gestaltungsfreiheit unter besonderen ­Herausforderungen              64
   Kommunale Finanzen                                                  64
   Stadtverwaltung                                                     68
   Partizipation und Ehrenamt                                          69

7 Strategien der Stadtentwicklung                                      74
   Smart Towns                                                         74
   Integrierte Stadt­entwicklung                                       76
   Interkommunale K
                  ­ ooperation                                         77
   Kooperative Kleinstadt­planung und -entwicklung                     79

8 Kleinstädte stärken – Bundesinitiativen und Städtebauförderung       84
   Bundesinitiativen zur ­Stärkung der Kleinstädte                     84
   Kleinstädte in der Städte­bauförderung                              85
   Pilotphase Kleinstadt­akademie                                      86
   Cluster Kleinstadt­forschung des BBSR                               88

Literaturverzeichnis90
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Foto: iStock.com/clu
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Einführung
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1 Einführung
     Im Jahr 2012 veröffentlichte das BBSR          Die datengestützte Beschreibung und
     den Bericht „Klein- und Mittelstädte in        Analyse kleinstädtischer Strukturen und
     Deutschland – eine Bestandsaufnahme“.          Entwicklungen zeigt den Facettenreich-
     Die Erstellung dieses Berichts verdeutlich-    tum sowohl der Herausforderungen als
     te, dass wenig systematisches Wissen über      auch der Potenziale der Kleinstädte. Denn
     Klein- und Mittelstädte vorlag. Stadtfor-      die Bewältigung gesamtgesellschaftlicher
     schung ist nach wie vor ein Großstadtthe-      Zukunftsaufgaben wird ohne den Beitrag
     ma. Zwar rücken Kleinstädte langsam stär-      der Kleinstädte nicht gelingen. Schließ-
     ker in den Fokus. Aber noch immer wird         lich umfassen die Kleinstädte in Gänze
     die Betrachtung der Bedeutung und Viel-        rund 45 % der Landesfläche. Rund 24 Mil-
     falt der Kleinstädte nicht gerecht, was sich   lionen Einwohner haben hier ihre Hei-
     an folgenden Beispielen zeigt:                 mat, das sind gut 29 % der Bevölkerung.
                                                    Kleinstädte müssen sich hierbei ihrer Ge-
     ƒ Kleinstädte werden fast ausschließlich       staltungsmacht viel stärker bewusst und
       im Rahmen der Entwicklung ländlicher         dazu verstärkt in inner- und überregionale
       Räume adressiert und als tragende Säule      Netzwerke eingebunden sein.
       der Sicherung gleichwertiger Lebens-
       verhältnisse in ländlichen Räumen ver-       Eine essenzielle Zukunftsaufgabe ist die
       standen. Dabei liegt mehr als die Hälfte     Transformation der Gesellschaft in nach-
       der Kleinstädte in der Nähe großer Zen-      haltige Strukturen. Nachhaltige Entwick-
       tren und sichert auch dort gleichwertige     lung ist spätestens seit der Rio-Deklaration
       Lebensverhältnisse.                          von 1992 eine handlungsleitende Maxime,
                                                    die in vielen Städten über lokale Agenden
     ƒ Stadtforschung jenseits der Großstäd-        aufgegriffen und gelebt wurde. Die städti-
       te adressiert Klein- und Mittelstädte        sche Perspektive einer nachhaltigen Ent-
       als Gesamtkategorie „kleinere Städte“.       wicklung erfuhr mit der Leipzig-Charta
       Jedoch stehen Kleinstädte aufgrund ih-       2007 einen besonderen Stellenwert, der in
       rer geringeren Größe und einer damit         der Neuen Leipzig-Charta 2020 nicht nur
       verbundenen meist niedrigeren Aus-           bekräftigt, sondern im Hinblick auf eine
       stattung mit städtischen (Verwaltungs-)      integrierte, partizipative, ge­mein­wohl­
       Einrichtungen vor eigenen Problemstel-       orien­tier­te Stadtentwicklungspolitik noch
       lungen, die Herausforderungen zu be-         einmal geschärft wurde. Damit greift die
       wältigen.                                    Neue Leipzig-Charta für die europäische
                                                    Stadt das auf, worauf sich die Vereinten
     ƒ Kleinstädte werden nicht nur unzurei-        Nationen 2016 in der New Urban Agenda
       chend in ihren Strukturen, ihrer Be-         einigten: Die Städte sollen nicht nur grü-
       deutung und ihren Funktionen wahr-           ner und lebenswerter werden, sondern
       genommen, sondern auch zu selten             auch sozial inklusiver.
       differenziert. Denn Kleinstädte unter-
       scheiden sich hinsichtlich ihrer Größe,      Beide politischen Dokumente betrachten
       ihrer Geschichte, ihrer Struktur, ihrer      alle Städte jedweder Größe in globaler, na-
       Entwicklung und ihren Herausforde-           tionaler, regionaler und lokaler Hinsicht
       rungen. Sie sind damit alles andere als      als die Orte für den integrierten horizonta-
       eine homogene Städtekategorie.               len und vertikalen Mehrebenenansatz. Für

10                                                                     Kleinstädte in Deutschland
Kleinstädte bedeutet dieser Mehrebenen-         ner eher qualitativen Darstellung stra-
ansatz, dass sie mehr als zuvor nicht nur       tegischer Instrumente und politischer
auf interkommunale Kooperation setzen,          sowie wissenschaftlicher Aktivitäten in
sondern sich viel stärker auch als gleichbe-    und für Kleinstädte. Die Darstellung be-
rechtigte Partner im weiteren regionalen,       ginnt mit grundlegenden Erörterungen
funktional zusammenhängenden Kontext            zur Städtelandschaft in Deutschland, den
begreifen sollten – auf Basis komplexer         Abgrenzungen von Kleinstädten und der
Netzwerke und vielfältiger funktionaler         Heterogenität ihrer Siedlungsstrukturen
Abhängigkeiten sowohl in ländlichen Re-         (Kapitel 2). In den meisten Kleinstädten
gionen als auch in Metropolräumen.              überwiegt die Wohnfunktion. Wohnstand-
                                                ortentscheidungen für oder gegen Klein-
Wann war die Bedeutung resilienter Stadt-       städte sind eine wesentliche Determinante
strukturen und Institutionen spürbarer,         ihrer demografischen Entwicklung (Kapi-
wenn nicht unter den Erfahrungen der            tel 3). Daneben verfügen Kleinstädte über
COVID-19-Pandemie? Die drängenden               einen lokalen Arbeitsmarkt und entfalten
globalen Herausforderungen wie Pande-           zuweilen eine überregional oder in­ter­na­
mien, Klimawandel, der Verlust der Bio-         tio­nal wirtschaftliche Relevanz (Kapitel 4).
diversität, Ressourcenknappheit, Migra-         Die Daseinsgrundversorgung stellt eine
tion, der demografische Wandel oder die         Hauptaufgabe der Kleinstädte dar – unter­
Digitalisierung und Umwälzungen der             schieds­los für peripher oder zentral gele-
Wirtschaft wirken sich alle auch direkt auf     gene Kleinstädte. Je dünner besiedelt ein
die lokale Ebene aus. Kleinstädte sind also     Raum ist, desto mehr übernehmen Klein-
sowohl Betroffene globaler Veränderungen        städte die Funktion von regionalen Zent-
als auch Handelnde in der Bewältigung           ren (Kapitel 5). Um ihre vielfältigen Auf-
dieser vielfältigen Herausforderungen.          gaben wahrnehmen zu können, benötigen
                                                Kleinstädte hinreichende Ressourcen, so-
Den Ansprüchen an inklusiv, sicher, wi-         wohl finanzieller Art als auch hinsichtlich
derstandsfähig und nachhaltig gestalteten       des Verwaltungspersonals und des zivilge-
Städten steht ein Angebot der für Stadt­        sellschaftlichen Engagements (Kapitel 6).
ent­wick­lung zuständigen Ministerinnen         Die knappen Ressourcen zielgerichtet und
und Minister gegenüber: Um ihre Ziele zu        gewinnbringend einzusetzen, leitet über
erreichen, möchten sie den Informations-        auf die Strategien und Handlungsmöglich-
austausch auf allen Ebenen unterstützen,        keiten von Kleinstädten, im Wesentlichen
die nationalen Stadtentwicklungspolitiken       auf die Nutzung digitaler Lösungen, die
und die bestehenden strategischen Part-         integrierte und die kooperative Stadtent-
nerschaften auf allen Ebenen besser ver-        wicklung (Kapitel 7). Am Schluss steht
knüpfen. Zudem sollen die Förderbedin-          ein kurzer Überblick über die Stadtent-
gungen und -instrumente weiterentwickelt        wicklungspolitik des Bundes und die For-
werden, so dass sie an die spezifische Situa-   schung des BBSR zur Unterstützung der
tion vor Ort angepasst werden können.           Kleinstädte (Kapitel 8).

Der vorliegende Bericht besteht aus zwei
Teilen: einer umfassenden quantitativ
empirischen Bestandsaufnahme und ei-

Einführung                                                                                      11
Foto: Jürgen Hohmuth
Kleinstädte – eine
­Städtelandschaft
2 Kleinstädte – eine Städtelandschaft
                                  Deutschland durchzieht ein dichtes Städte­        Eingemeindungen, die sich unterschied-
                                  netz, in das sich Kleinstädte in allen Lan-       lich ausprägen können. Diese können,
                                  desteilen einfügen, wie ein Blick auf die         statistisch gesehen, zum Fortbestehen
                                  nachfolgende Karte 1 zeigt. Sie sind wesent-      von Kleinstädten, dem Neuentstehen von
                                  licher Garant der deutschen Raumstruktur          Kleinstädten, z. B. durch den Zusammen-
                                  und des polyzentrischen Siedlungssystems.         schluss mehrerer Landgemeinden, und
                                                                                    auch zum Verschwinden von Kleinstädten,
                                  Die Verteilung der Kleinstädte im Bun-            z. B. durch Eingemeindungen in Mittel-
                                  desgebiet ist heterogen und hat historische       und Großstädte, führen.
                                  Gründe. Einerseits befinden sich sied-
                                  lungsgeschichtlich viele Kleinstädte ent-         Um eine Karte der Kleinstädte in Deutsch-
                                  lang der Flüsse, in neuerer Zeit auch ent-        land zu erstellen und mit Daten gestützte
                                  lang der überregionalen Fernverkehrswege          Aussagen zur Situation von Kleinstädten
                                  von Schiene und Straße. Andererseits zeigt        treffen zu können, bedarf es einer Abgren-
                                  sich der Einfluss von Gebietsreformen und         zung von Kleinstädten gegenüber Land-
                                                                                    gemeinden einerseits sowie Mittel- und
                                                                                    Großstädten andererseits. Das BBSR trifft
     Infobox 1: Stadt- und Gemeindetyp                                              diese Abgrenzung mithilfe der Einwoh-
     Der Stadt- und Gemeindetyp des BBSR ordnet die Gemeinden und Gemein-
                                                                                    nerzahl und der zentralörtlichen Funk-
     deverbände in die Kategorien Groß-, Mittel-, Kleinstädte und Landgemeinden.    tion, die Städten und Gemeinden durch
     Die beiden Kriterien für die Abgrenzung des Stadt- und Gemeindetyps sind       die Planungsämter der Länder zugewiesen
     die ­Größe der Gemeinde (Bevölkerungszahl) und ihre zentralörtliche Funktion   wird. Als Kleinstädte gelten demnach nicht
     gemäß Landesplanung. Hat eine Gemeinde innerhalb eines Gemeindeverbands        nur Gemeinden, die zwischen 5.000 und
     oder die Gemeinde selbst mindestens 5.000 Einwohner oder mindestens grund-     20.000 Einwohner haben, sondern auch
     zentrale Funktion mit mittelzentraler Teilfunktion, gilt diese als „Stadt“:    kleinere Gemeinden, die über mindestens
     ƒ Großstadt: Die größte Gemeinde eines Gemeindeverbands oder die               eine mittelzentrale Teilfunktion verfügen
       Gemeinde hat mindestens 100.000 Einwohner. Diese Städte haben meist          (siehe Infobox 1).
       oberzentrale Funktion, mindestens jedoch mittelzentrale.
                                                                                    Aktuell (Gebietsstand 31. Dezember 2019)
     ƒ Mittelstadt: Eine Gemeinde eines Gemeindeverbands oder die Gemeinde
       hat 20.000 bis unter 100.000 Einwohner oder mindestens oberzentrale
                                                                                    gibt es nach dieser Abgrenzung in Deutsch-
       Funktion.                                                                    land 2.126 Kleinstädte. 24,2 Millionen Ein-
                                                                                    wohner, also 29 % aller Einwohner, leben
     ƒ Kleinstadt: Eine Gemeinde eines Gemeindeverbands oder die Gemeinde hat
                                                                                    in Kleinstädten – und damit annähernd so
       5.000 bis unter 20.000 Einwohner oder mindestens grundzentrale Funktion
                                                                                    viele wie in den 80 Großstädten. Hinsicht-
       mit mittelzentraler Teilfunktion.
                                                                                    lich der Fläche und der Anzahl sind Klein-
     ƒ Die Gruppe der Kleinstädte lässt sich unterscheiden in größere Kleinstädte   städte sogar der dominierende Stadttyp
       mit mindestens 10.000 Einwohnern in der Gemeinde eines Gemeindever-          (vgl. Abbildung 1).
       bands oder der Gemeinde sowie kleine Kleinstädte mit weniger als 10.000
       Einwohnern.
                                                                                    Eine Unterscheidung in größere Klein-
     ƒ Landgemeinde: Eine Gemeinde eines Gemeindeverbands oder die Gemein-          städte mit mindestens 10.000 Einwoh-
       de hat weniger als 5.000 Einwohner und keine bedeutende zentralörtliche      nern (881 Städte bzw. 41 %) und klei-
       Funktion.                                                                    ne Kleinstädte unter 10.000 Einwohner
                                                                                    (1.245 Städte bzw. 59 %) ist je nach thema-
     Quelle: BBSR (o. J. a)                                                         tischem Zusammenhang sinnvoll. Auch
                                                                                    eine Differenzierung des regionalen Be-
                                                                                    zugs führt bereits zu differenzierten Aus-

14                                                                                                    Kleinstädte in Deutschland
Karte 1:
Kleinstädte in Deutschland 2019

                                                                          DK

                                                                                                Kiel

                                                                                                                              Rostock

                                                                                            Hamburg                Schwerin

                                                                   Bremen

                                                                                                                                                                PL

                                                                                                                                                 Berlin
                                                                                      Hannover
                              NL                                                                                                             Potsdam
                                                                                                                Magdeburg

                                                                 Bielefeld

                                                                                                                                                               Cottbus
                                   Essen          Dortmund                                                         Halle/S.

                                   Düsseldorf
                                                                             Kassel                                             Leipzig
                                                                                                       Erfurt
                                     Köln                                                                                                                 Dresden
                                                                                                                                             Chemnitz
                                           Bonn

                   BE

                                                                Frankfurt/M.                                                            CZ
                                             Wiesbaden

                                                    Mainz
                    LU

                                                               Mannheim                                         Nürnberg
                                   Saarbrücken

                                            FR                            Stuttgart

                                                                                      Ulm

                                                                                                                    München                      AT
                                              Freiburg i.Br.

                                                                   CH
                         100 km                                                                                                                                      © BBSR Bonn 2021

Kleinstädte, Stand 2019                                                          Lagetyp                                      Großstädte                             Flüsse
   Größere Kleinstädte                                                               sehr zentral
   (10.000 bis 20.000 Einwohner)                                                                                              Mittelstädte                           Bundesautobahnen
                                                                                            zentral
    Kleine Kleinstädte                                                                                                                                               DB-Fernstreckennetz
                                                                                            peripher
    (unter 10.000 Einwohner)                                                                sehr peripher                           Datenbasis: Laufende Raumbeobachtung des BBSR,
Kleinstädte sind Gemeinden oder Gemeindeverbände                                                                                    Geometrische Grundlage: Gemeinden und Gemeinde-
mit einer Gemeinde der Größe 5.000 bis 20.000 Einwohner oder                                                                        verbände (generalisiert), 31.12.2019 © GeoBasis-DE/BKG
mit mindestens grundzentraler Funktion mit mittelzentraler Teilfunktion                                                             Bearbeitung: A. Milbert

Kleinstädte – eine Städtelandschaft                                                                                                                                                          15
Abbildung 1:
     Bedeutung der Kleinstädte als Stadttyp in Deutschland 2019

                     Gemeinden                                       Fläche                                           Bevölkerung
          Anteil der Gemeinden in %                       Anteil der Fläche in %                            Anteil der Bevölkerung in %
     50                                              50                                                50

     40                                              40                                                40

     30                                              30                                                30

     20                                              20                                                20

     10                                              10                                                10
            1,7 %      13,7 %    46,0 %    38,5 %           3,9 %     16,0 %       46,5 %    33,6 %          32,0 %     28,8 %     29,4 %      9,8 %
             (80)       (634)    (2.126)   (1.779)          (13,8)    (57,1)       (166,4)   (120,3)         (26,6)     (23,9)     (24,4)      (8,2)
      0                                               0                                                 0
            Groß-      Mittel-   Klein-   Land-             Groß-     Mittel-      Klein-   Land-            Groß-      Mittel-    Klein-   Land-
            städte     städte    städte gemeinden           städte    städte       städte gemeinden          städte     städte     städte gemeinden
          (Anzahl Gemeinden und Gemeindeverbände)              (Gemeindefläche in 1.000 km2)                           (Bevölkerung in Millionen)

     Quelle: Statistik des Bundes und der Länder, Laufende Raumbeobachtung des BBSR                                                 © BBSR Bonn 2021

     sagen hinsichtlich Herausforderungen und                                       Kleinstädte als Siedlungstyp haben in den
     Potenzialen von Kleinstädten. Gegenüber                                        sehr unterschiedlich strukturierten Flä-
     der Dimension Stadt–Land hat die Dimen-                                        chenländern eine entsprechend unter-
     sion Zentrum–Peripherie (vgl. Infobox 2)                                       schiedliche Bedeutung (vgl. Tabelle 1). In
     für die Entwicklung von Gemeinden und                                          Brandenburg, Hessen, Rheinland-Pfalz
     Regionen an Bedeutung gewonnen. In als                                         und Saarland leben rund 40 % und mehr
     zentral definierten Gebieten ist das Po-                                       Einwohner in Kleinstädten. Die durch-
     tenzial an erreichbarer Bevölkerung und                                        schnittliche Einwohnerdichte der Klein-
     Beschäftigten überdurchschnittlich (vgl.                                       städte in den Bundesländern zeigt je-
     BBSR o. J. b). Daseinsvorsorgeeinrichtun-                                      doch, dass von sehr unterschiedlichen
     gen z. B. entfalten dort eine andere Tragfä-                                   städtischen Strukturen auszugehen ist. In
     higkeit als in peripheren Lagen, in denen                                      Ostdeutschland mit den umfangreichen
     dieses Potenzial unterdurchschnittlich ist.                                    Gebietsreformen und teils sehr dünn be-
                                                                                    siedelten Gebieten sind die Kleinstädte
     In zentralen Lagen sind Kommunen häu-                                          deutlich größer und geringer verdichtet.
     figer wachsend und in peripheren eher                                          Vor allem die jüngere Entwicklung – de-
     schrumpfend (Milbert 2017: 84). Diese                                          mografischer Wandel und Abwanderung
     Agglomerationseffekte, die sich durch die                                      begleitet von Gebietsreformen in Teilen
     Lage ergeben, sind für viele Fragestellun-                                     des Landes – ist eine Ursache für die dis-
     gen relevant. Alternativ können die Ein-                                       perse Siedlungsstruktur der Kleinstädte.
     zugsbereiche der Großstädte zur Beschrei-
     bung von Lagevorteilen herangezogen                                            In den stärker verdichteten Agglomerati-
     werden. Da Agglomerationseffekte auch                                          onen weisen viele Kleinstädte meist auch
     für Kleinstädte relevant sind, werden die                                      eine höhere Siedlungsdichte auf (vgl. Kar-
     großräumige Lage und die großstadtregi-                                        te 2). In peripheren ländlichen Regionen
     onalen Pendlereinzugsbereiche in diesem                                        ist dagegen in den meisten Kleinstädten
     Bericht häufig zur Unterscheidung der                                          die Siedlungsdichte eher gering. Kom-
     großen, heterogenen Gruppe der Klein-                                          pakte, durch einen zusammenhängenden
     städte herangezogen.                                                           Siedlungskern strukturierte Kleinstädte

16                                                                                                             Kleinstädte in Deutschland
Infobox 2: Stadt-Land oder Zentralität-Peripherie
     In Raumanalysen und in der Stadtforschung                                    Die Nähe zu den Räumen mit einem großen
     werden häufig noch tadt und Land als Gegen-                                  Angebot an Beschäftigungsmöglichkeiten und
     satzpaar genutzt. Bilder des ländlichen Raumes                               Versorgungseinrichtungen ist entscheidend
     gelten – abgesehen von den siedlungsstruk-                                   für die Lagegunst und damit für die Wettbe-
     turellen Merkmalen wie geringer Besiedlungs-                                 werbsfähigkeit von Regionen. Diese Nähe wird
     dichte, lockerer Bebauung und Abgelegenheit                                  ermittelt über das innerhalb von zwei Stunden
     – jedoch als weitgehend überholt. Die Lebens-                                Fahrzeit im motorisierten Individualverkehr
     verhältnisse zwischen Stadt und Land haben                                   erreichbare Tagesbevölkerungspotenzial
     sich weitgehend angeglichen. In der Regel sind                               (Einwohner zuzüglich Einpendler abzüglich
     die wirtschaftlichen, sozialen und infrastruk-                               Auspendler) für alle Gemeindeverbände. Die
     turellen Unterschiede innerhalb ländlicher                                   Einteilung der Gemeinden nach erreichbarer
     und städtischer Räume wesentlich größer als                                  Tagesbevölkerung in vier Kategorien „Lage“
     jene zwischen diesen beiden Raumkategorien                                   orientiert sich am Mittelwert aller Gemeinden
     (Küpper 2020: 5). Auch die landwirtschaftliche                               von 183.000 und der Streuung um diesen
     Prägung für ländliche Räume gilt nur noch im                                 Mittelwert:
     Hinblick auf die Flächennutzung. 2016 arbeite-
                                                                                  ƒ sehr zentral: 410.000 und mehr
     ten in ländlichen Regionen im Durchschnitt nur
     noch zwei bzw. drei Prozent der Erwerbstätigen                               ƒ zentral: 183.000 bis 410.000
     in der Agrar- und Forstwirtschaft oder Fischerei
                                                                                  ƒ peripher: 81.000 bis 183.000
     (Hundt/Magarian/Peters 2020: 30).
                                                                                  ƒ sehr peripher: unter 81.000
     Dagegen ist es von hoher Bedeutung, ob eine
     Stadt oder Gemeinde zentral, also in der Nähe                                (vgl. Karte 1 und Abbildung 2)
     von Metropolen, Großstädten oder Agglo-
     merationen, liegt. Die BBSR-Typisierung der                                  Quelle: BBSR (o. J. b)
     räumlichen Lage beruht auf einer Betrachtung
     der Konzentration von Bevölkerung und Ar-
     beitsplätzen und der Nähe zu diesen Räumen.

Abbildung 2:
Kleinstädte nach zentraler und peripherer Lage 2019

             Gemeinden                                           Fläche                                            Bevölkerung
     Anteil der Gemeinden in %                         Anteil der Fläche in %                              Anteil der Bevölkerung in %
30                                                30                                                 30

25                                                25                                                 25

20                                                20                                                 20

15                                                15                                                 15

10                                                10                                                 10

 5                                                 5                                                   5

 0                                                 0                                                   0
     Größere Kleinstädte   Kleine Kleinstädte          Größere Kleinstädte      Kleine Kleinstädte         Größere Kleinstädte   Kleine Kleinstädte

        sehr zentral         zentral            peripher          sehr peripher

Quelle: Statistik des Bundes und der Länder, Laufende Raumbeobachtung des BBSR                                                   © BBSR Bonn 2021

Kleinstädte – eine Städtelandschaft                                                                                                                   17
Tabelle. 1:
Kleinstädte nach Bundesländern 2019

                                                                                   Landesfläche                     Landesbevölkerung        durchschnitt-
                                        Anzahl Kleinstädte
                                                                                  der Kleinstädte                     der Kleinstädte        liche Einwoh-
                                                                                                                                             nerdichte der
                                                                                                                                             Kleinstädte in
Bundesland                          Anzahl              Anteil             km²                 Anteil            absolut         Anteil
                                                                                                                                                 E./km²
Baden-Württemberg                      303               65,6              19.917                   55,7         4.267.186         38,4           214
Bayern                                 498               31,9              27.716                   39,3         4.521.238         34,4           163
Brandenburg                             97               49,0              11.882                   40,1         1.035.002         41,0            87
Hessen                                 244               57,1              12.237                   58,0         2.479.647         39,4           203
Mecklenburg-Vorpommern                  43               37,1                  7.864                33,8          475.492          29,6            60
Niedersachsen                          238               55,2              26.466                   55,5         2.961.163         37,0           112
Nordrhein-Westfalen                    183               46,2              13.764                   40,3         2.337.835         13,0           170
Rheinland-Pfalz                        102               57,3              11.372                   57,3         1.889.931         46,2           166
Saarland                                43               82,7                  1.754                68,2          532.919          54,0           304
Sachsen                                137               44,3                  8.465                45,9         1.343.792         33,0           159
Sachsen-Anhalt                          80               65,6              11.642                   56,9          807.072          36,8            69
Schleswig-Holstein                      76               44,7                  6.205                39,3         1.044.595         36,0           168
Thüringen                               82               42,9                  7.075                43,7          728.153          34,1           103
Bund insgesamt                       2.126               46,0             166.359                   46,5        24.424.025         29,4           147

Anm.: Stadtstaaten nicht aufgeführt, in der Summe Bund jedoch berücksichtigt
Datenbasis: Laufende Raumbeobachtung des BBSR

                                      gibt es dabei relativ selten. Häufigste Ur-                          – Einwohner in Bezug auf die Siedlungs-
                                      sache für eine disperse Stadtstruktur mit                            und Verkehrsfläche – besser die städtischen
                                      mehreren Siedlungsschwerpunkten sind                                 Strukturen widerspiegelt als die Einwohner-
                                      dabei die Gebietsreformen der 1970er-Jah-                            dichte – Einwohner in Bezug auf die gesam-
                                      re in Westdeutschland und der 1990er-                                te Katasterfläche. Wie das Beispiel der Stadt
                                      und 2000er-Jahre in Ostdeutschland (siehe                            Drebkau in Brandenburg mit der niedrigs-
                                      auch Infobox 3).                                                     ten auf die Siedlungs- und Verkehrsfläche
                                                                                                           bezogenen Dichte aller Kleinstädte zeigt,
                                      Abbildung 3 zeigt beispielhaft für die jeweils                       können Kleinstädte siedlungsstrukturell
                                      kleinste, mittlere und größte Kleinstadt,                            Dörfern und Landgemeinden ähnlich sein.
                                      wie heterogen die Gruppe der Kleinstädte                             Dagegen können andere Kleinstädte eine
                                      strukturiert ist. Die flächenkleinste Klein-                         Siedlungsdichte aufweisen, die dicht besie-
                                      stadt Eichwalde in Brandenburg umfasst                               delten Großstädten nahekommt, wie das
                                      knapp 3 km² Katasterfläche, aber 6.400 Ein-                          Beispiel Steinbach im Taunus belegt. Eine
                                      wohner. Nicht nur Gemeindeverbände wie                               enge Bebauung mit Mehrfamilien- und
                                      das Amt Südtondern sind flächenmäßig so                              Hochhäusern ist hier umgeben von Äckern,
                                      groß wie kleinere Landkreise, sondern auch                           Wiesen und Wäldern.
                                      amts- bzw. verbandsfreie Gemeinden, die
                                      über Eingemeindungen und Gemeindezu-                                 Die durch viele Ortsteile geprägte Stadt-
                                      sammenschlüsse eine disperse Siedlungs-                              struktur bedeutet für die Stadtverwaltung
                                      struktur aufweisen.                                                  mannigfaltige Herausforderungen. An
                                                                                                           erster Stelle steht hierbei die Frage nach
                                      Der administrative Zuschnitt einer Ge-                               einer geeigneten Strategie für die Zentra-
                                      meinde kann die Dichteverhältnisse stark                             lisierung oder Dezentralisierung von Ein-
                                      beeinflussen, weshalb die Siedlungsdichte                            richtungen der sozialen Infrastruktur wie

18                                                                                                                              Kleinstädte in Deutschland
Karte 2:
Siedlungsstruktur der Kleinstädte 2019

                                                     DK

                                                                           Kiel

                                                                                                         Rostock

                                                                        Hamburg               Schwerin

                                               Bremen

                                                                                                                                           PL

                                                                                                                            Berlin
                                                                  Hannover
           NL                                                                                                           Potsdam
                                                                                           Magdeburg

                                             Bielefeld

                                                                                                                                          Cottbus
                Essen          Dortmund                                                       Halle/S.

                Düsseldorf
                                                         Kassel                                             Leipzig
                                                                                  Erfurt
                  Köln                                                                                                               Dresden
                                                                                                                        Chemnitz
                        Bonn

 BE

                                             Frankfurt/M.                                                          CZ
                          Wiesbaden

                                 Mainz
  LU

                                            Mannheim                                       Nürnberg
                Saarbrücken

                         FR                          Stuttgart
                                                                                                                                                Siedlungsdichte
                                                                                                                                                aller Städte und Gemeinden
                                                                  Ulm

                                                                                               München                      AT
                           Freiburg i.Br.

                                               CH
       100 km

Kleinstädte                                                                          Einwohner je km2 Siedlungs-
     mit mehreren Siedlungsgebieten aus zusammen-                                    und Verkehrsfläche 2019
     hängenden hochverdichteten Rastern*                                                              bis unter    750
      mit einem Siedlungsgebiet aus zusammen-                                                   750 bis unter 1.000
      hängenden hochverdichtetern Rastern*
      (monozentrisch)                                                                         1.000 bis unter 1.500
      zentrale Lage                                                                           1.500 bis unter 2.500
* Basis sind 500 x 500 m-Rasterzellen, hochverdichtet sind                                    2.500 und mehr
 Rasterzellen mit einer Einwohnerdichte von 450 E./km˜ und mehr
Datenbasis: Flächenerhebung nach Art der tatsächlichen Nutzung des Bundes und der Länder,
Zensusdatenbank des Bundes und der Länder, Laufende Raumbeobachtung des BBSR,
Geometrische Grundlage: Gemeinden und Gemeindeverbände (generalisiert), 31.12.2019 © GeoBasis-DE/BKG
Bearbeitung: A. Milbert                                                                                                                                            © BBSR Bonn 2021

Kleinstädte – eine Städtelandschaft                                                                                                                                                   19
Infobox 3: Gebietsreformen und Eingemeindungen
     Ziel von Gebietsreformen, Eingemeindungen und Zusammenle-                                  gelt wird, dass vormals eigenständige Dörfer und Gemeinden
     gungen von Gemeinden war und ist die Verbesserung der Effizie                              Entscheidungen zur Gestaltung ihrer Orte nicht mehr selbständig
     und Effektivität der Verwaltung. Territorialreformen haben eine                            treffen können bzw. eigene finanzielle ittel fehlen, um örtliche
     lange Geschichte. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts z. B. wurden                             Entwicklungsmaßnahmen in kleinerem Umfang durchzuführen.
     im Ruhrgebiet viele zuvor flächenha t kleine Städte und ihre                               Die kommunale politische Entscheidungsfindung wi d zudem als
     umliegenden Dörfer – „Dörfer mit Mauern“ – zu großen Industrie-                            zu weit „entfernt“ (sowohl physisch als auch mental) betrachtet.
     städten mit entsprechend vielen Stadt- und Ortsteilen zusammen-                            Der Dritte Bericht der Bundesregierung zur Entwicklung ländlicher
     geschlossen. Die großen Gebietsreformen der 1970er-Jahre in der                            Räume konstatiert zudem, dass durch die „Zusammenlegung von
     BRD standen ebenso unter diesem Postulat der Effizienz eige-                               Behörden-, Bildungs- und Gerichtsstandorten, die Privatisierung
     rung. Zunehmend wurden sie jedoch hinterfragt; dies nicht nur                              früher staatlicher Infrastrukturverwaltungen wie Bahn und Post
     mit Blick auf die fehlenden erhofften finanziellen oder erwal-                             sowie [den] Personalabbau bei Staat und Kommunen “ (BMEL
     tungstechnisch positiven Wirkungen, sondern auch hinsichtlich                              2020: 61) die Wahrnehmbarkeit institutioneller Einrichtungen, und
     der Identität der Bevölkerung mit den „neuen“ Städten. Nach der                            letztlich auch des Staates, vor Ort abgenommen hat.
     Wiedervereinigung erfolgten Gebietsreformen in den östlichen
                                                                                                In der sehr kontrovers geführten Diskussion um Gebietsreformen
     Bundesländern, die mit der Begründung der Verwaltungseffi-
                                                                                                und Eingemeindungen wird der Verlust des Wirgefühls, der Verbun-
     zienz im Zuge starker Bevölkerungsverluste bis heute anhalten
                                                                                                denheit und daraus resultierend die Abnahme des Engagements
     (vgl. Abbildung 4). Nicht selten kam es für viele Kleinstädte, wie
                                                                                                bemängelt. Im Gegenzug verweisen Befürworter darauf, dass grö-
     zuvor in den westlichen Bundesländern, zu einer „Verdörflichung
                                                                                                ßere Verwaltungseinheiten auf regionaler und Landebene besser
     der Kleinstädte. Beispielsweise bezeichnet sich Bad Berleburg
                                                                                                wahrgenommen und gehört werden. Somit würden diese Kommu-
     in Nordrhein-­Westfalen als „Stadt der 100 Dörfer“. Möckern in
                                                                                                nen im Ringen um Infrastrukturen und finanzielle ittel profitie en.
     Sachsen-Anhalt besteht aus 27 Ortschaften, die zuvor selbständige
                                                                                                Aktuell zeigen sich zwei Tendenzen: Freiwillige Zusammenschlüsse,
     Gemeinden waren, und setzt sich aus 50 Ortsteilen zusammen.
                                                                                                in die die Bürger und Bürgerinnen schon von Beginn an aktiv einbe-
     Das Amt Südtondern umfasst 594,4 km² und entspricht dem Fest-
                                                                                                zogen werden, sowie interkommunale Kooperationen, bei denen
     landteil des bis 1970 existierenden Landkreises Südtondern.
                                                                                                die Kommunen eigenständig bleiben, aber ausgewählte Aufgaben
     Dass sich durch die kommunalen Neugliederungen bzw. Einge-                                 freiwillig geteilt bzw. in Gegenseitigkeit bearbeitet werden. (vgl.
     meindungen die Leistungsfähigkeit der Verwaltungen gesteigert                              Kapitel 7 „Interkommunale Kooperation“).
     hat und Kosten eingespart wurden, ist bis heute ein strittiger Punkt
     in der Analyse von durchgeführten Gebietsreformen. Bemän-                                  Quelle: Sandmann, 2020

     Abbildung 4:
     Wirkung der Gemeindegebietsreformen in Sachsen-Anhalt auf Anzahl und Fläche der Gemeinden

                            1990                                                    2005                                                             2019
                                                                                                                  Gemeindegebietsreformen 2010

                   1.364 Gemeinden                                         1.056 Gemeinden                                                       218 Gemeinden
     Quelle: Verändert nach Sandmann (2020)
     Geometrische Grundlage: Gemeinden (generalisiert), 31.12.1990, 31.12.2005 und 31.12.2019 © GeoBasis-DE/BKG
     Bearbeitung: A. Milbert

20                                                                                                                                                Kleinstädte in Deutschland
Abbildung 3:
Siedlungsstrukturen von Kleinstädten in ihren extremen Ausprägungen 2019
 Kataster°äche in k m˜                                             1.000 Einwohner                                        Siedlungsdichte in E. je km˜
 600        Südtondern                                              45       Rhein-Selz                                   6.000
                                                                                                                                       Steinbach (Taunus)
            (Schleswig-Holstein)                                             (Rheinland-Pfalz)                                         (Hessen)
            594 km˜, 39.738 Einwohner,                                       146 km˜, 41.491 Einwohner,                                4 km˜, 10.665 Einwohner,
            632 E. je km˜ Siedlungs- und Verkehrs°äche                       1.781 E. je km˜ Siedlungs- und Verkehrs°äche              5.673 E. je km˜ Siedlungs- und Verkehrs°äche
                                                                    40

 500                                                                                                                         5.000

                                                                    35

 400                                                                30                                                       4.000

                                                                    25

 300                                                                                                                         3.000

                                                                    20

                                                                    15                                                                   Malente
 200                                                                                                                         2.000
                                                                                                                                         (Schleswig-Holstein)
                                                                              Ruppichterroth
                                                                                                                                         69 km˜, 10.864 Einwohner,
                                                                              (Nordrhein-Westfalen)
                                                                                                                                         1.200 E. je km˜ Siedlungs- und Verkehrs°äche
                                                                              62 km˜, 10.420 Einwohner,
                                                                    10        1.257 E. je km˜ Siedlungs- und Verkehrs°äche
             Frankenblick
 100         (Thüringen)                                                                                                     1.000
             61 km˜, 5.729 Einwohner,
             989 E. je km˜ Siedlungs- und Verkehrs°äche              5

                                                                              Lupburg
             Eichwalde                                                        (Bayern)                                                   Drebkau
   0         (Brandenburg)                                                    30 km˜, 2.401 Einwohner,                           0       (Brandenburg)
                                                                     0
             3 km˜, 6.420 Einwohner,                                          684 E. je km˜ Siedlungs- und Verkehrs°äche                 144 km˜, 5.509 Einwohner,
             2.404 E. je km˜ Siedlungs- und Verkehrs°äche                                                                                178 E. je km˜ Siedlungs- und Verkehrs°äche

       Kleinstadt mit dem niedrigtsten, mittleren, höchsten Wert                administrative Grenzen dieser Kleinstädte (Gemeinde bzw. Gemeindeverband, Maßstab 1:500.000)
       Kleinstadt                                                               Einwohner je 1 ha-Raster:       unter 25         25 bis unter 50       50 und mehr
 Datenbasis: Zensusdatenbank der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder, Laufende Raumbeobachtung des BBSR,
 Geometrische Grundlage: Raster 100 m Kantenlänge, Gemeinden und Gemeindeverbände, 31.12.2019 © GeoBasis-DE/BKG                                                      © BBSR Bonn 2021

Schulen und Kindergärten (vgl. Kapitel 5                             Entwicklungschancen und Entwicklungs-
„Daseinsvorsorge und soziale Infrastruk-                             pfade eignet sich die Einteilung in größere
tur in Kleinstädten“).                                               Kleinstädte über 10.000 Einwohner und
                                                                     kleine Kleinstädte unter 10.000 Einwohner
Fazit: Die 2.126 Kleinstädte, die es in                              sowie eine Unterscheidung nach Lage-
Deutschland zum Gebietsstand 31. De-                                 gunst in zentral oder peripher gelegene
zember 2019 gibt, bilden einen sehr hetero-                          Kleinstädte. Die Heterogenität vergrößert
genen Stadttyp. Dies zeigt sich bereits im                           sich, wenn weitere Faktoren und Funkti-
Hinblick auf die historische Entwicklung                             onen der Städte betrachtet werden, z. B.
und die Größenstrukturen. Statistisch gilt                           ihre Arbeitsmärkte, ihre demografischen
eine Stadt als Kleinstadt, wenn sie 5.000                            Bevölkerungsstrukturen, ihre infrastruk-
bis 20.000 Einwohner hat oder wenn ihr                               turelle Ausstattung, ihre Anbindung an die
von der Landesplanung eine grundzentrale                             Verkehrs- und digitale Netzinfrastruktur
Funktion mit mittelzentraler Teilfunktion                            und ihre Handlungsspielräume auf Basis
zugewiesen wurde. Für eine grobe Grup-                               der Kommunalfinanzen.
pierung der Kleinstädte im Hinblick auf

Kleinstädte – eine Städtelandschaft                                                                                                                                                     21
Foto: Wolkenkratzer, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons
Leben und Wohnen
in ­Kleinstädten
3 Leben und Wohnen in Kleinstädten
                                      Die Bevölkerung der Kleinstädte lebt gern                  lienpolitische Bedeutung. Die Wohnstand-
                                      in ihrem Wohnort und zeigt sich diesen                     ortentscheidungen sind Treiber der Bevöl-
                                      Städten auch sehr verbunden. Verhältnis-                   kerungsentwicklung. Es ist daher sinn­voll,
                                      mäßig viele Einwohner möchten aus ihrer                    erst die Wohnsituation und Wohnwünsche
                                      Kleinstadt unter keinen Umständen weg-                     der kleinstädtischen Bevölkerung zu be-
                                      ziehen. Ihrem Wohnort besonders verbun-                    trachten, um dann die Folgen für die Be-
                                      den ist die Bevölkerung in Kleinstädten                    völkerungsentwicklung durch Zu- und Ab-
                                      außerhalb der Großstadtregionen (Sturm/                    wanderung abzuleiten.
                                      Walther 2010: 4). Hohe Zufriedenheiten
                                      mit den Lebensverhältnissen in den Klein-
                                      städten beruhen einerseits auf dem hohen                   Kleinstädte als beliebte
                                      Anteil an Wohneigentum (Sturm/Walther                      ­Wohnorte
                                      2010: 7) und andererseits auf der Land-
                                      schaft der Umgebung (Winkler-Kühlken et                    Die überwiegende Zahl der Kleinstädte hat
                                      al. 2019: 74).                                             eine höhere Wohn- als Arbeitszentralität
                                                                                                 (vgl. Tabelle 2). Das bedeutet, das Verhält-
                                      Zentrales Ziel der Politik der Bundes-                     nis von Einwohnern zu Beschäftigten am
                                      regierung im Bereich Wohnungswesen                         Arbeitsort (stellvertretende Maßzahl für
                                      und Städtebau ist es, die Versorgung der                   Arbeitsplätze) übersteigt den bundesweiten
                                      Bevölkerung mit bedarfsgerechtem und                       Durchschnittswert. In kleinen Kleinstädten
                                      bezahlbarem Wohnraum sowie die ge-                         überwiegt die Wohnfunktion deutlicher als
                                      ordnete     städtebauliche   Entwicklung                   in größeren Kleinstädten. Sowohl in klei-
                                      sicher­
                                            zu­
                                              stellen. Die Schaffung bzw. der                    nen als auch in größeren Kleinstädten ist
                                      Besitz von Wohneigentum hat eine hohe                      das Einwohner-Arbeitsplatz-Verhältnis in
                                      ökonomische, gesellschaftliche und fami­                   peripheren Lagen niedriger als in zentralen
                                                                                                 Lagen. Zwischen 2000 und 2019 sind die
Tabelle 2:                                                                                       Werte der Wohnzentralität in allen Städten
Wohnzentralität der Kleinstädte nach Größe und Lage 2019                                         und Gemeinden deutlich gefallen. Das liegt
                                                                                                 vor allem an der starken Zunahme der Zahl
                          Wohnzentralität (Verhältnis Einwohner
                            zu Beschäftigten am Arbeitsort)
                                                                  Entwicklung 2000-2019 in %     sozialversicherungspflichtig Beschäftigter.
                                                  Veränderung
                                                                                                 Für erwerbstätige Einwohner hat die Funk-
 Stadt- und                                                                       Beschäftigte
 ­Gemeindetyp
                            2000        2019      2000-2019 in    Bevölkerung
                                                                                 am Arbeitsort
                                                                                                 tion der Kleinstädte als Wohnorte meist zur
                                                   %-Punkten
                                                                                                 Folge, dass sie zum Arbeiten aus ihrer Stadt
 Bund insgesamt             2,93         2,49         -0,44             2,0           19,9
                                                                                                 pendeln müssen (siehe Kapitel 4 „Klein-
 Großstädte                  2,21        1,96         -0,24             8,1           21,5
 Mittelstädte                2,74        2,34         -0,39             1,1           18,0
                                                                                                 städte als Arbeitszentren“
 Größere Kleinstädte        3,54         2,90         -0,64             0,2           22,3
  dar.:   sehr zentral       3,79        2,99         -0,80             6,2           34,6       Kleinstädte galten immer schon als be-
          zentral            3,85        3,11         -0,73             2,0           26,0       vorzugte Standorte zur Schaffung eigenen
          peripher           3,11        2,60         -0,50            -4,7           13,6       Wohneigentums, vor allem eines Ein­
          sehr peripher      2,96        2,57         -0,40           -16,0            -3,0
                                                                                                 famili­en- oder Reihenhauses im Grünen.
 Kleine Kleinstädte         4,27         3,50         -0,77            -2,2           19,2
                                                                                                 Entsprechend ist der Wohnungsbestand in
  dar.:   sehr zentral       4,72        3,59         -1,13             7,7           41,5
          zentral            4,59        3,67         -0,92             1,6           27,1
                                                                                                 Kleinstädten durch einen höheren Anteil
          peripher           4,08        3,40         -0,69            -5,3           13,9       an Ein- und Zweifamilienhäusern geprägt
          sehr peripher      3,72        3,27         -0,44           -12,3            -0,4      als in Mittel- und Großstädten.
Landgemeinden                5,30        4,42         -0,88            -4,2           14,8

                                                                                                 Trotzdem haben die Kleinstädte als Städ-
Datenbasis: Fortschreibung des Bevölkerungsstandes des Bundes und der Länder, Beschäftigten­
statistik der BA, Laufende Raumbeobachtung des BBSR                                              te in der Regel eine dichtere Bebauung als

24                                                                                                                  Kleinstädte in Deutschland
Landgemeinden sowie – zumindest in der                              Westdeutschland den vorhandenen Struk-
Innenstadt bzw. dem Zentrum – eine Mehr-                            turen an. In Ostdeutschland dagegen wird
familienhausbebauung. Die Kleinstädte in                            im Gegensatz zum Bestand weniger in
Ostdeutschland sind stärker „städtisch“ im                          Mehrfamilienhäuser investiert.
Sinne einer höheren durch Mehrfamilien-
häuser geprägten Bebauungsstruktur (vgl.                            Wie hoch der Anteil der Mehrfamilien-
Abbildung 5). Denn die Wohnbebauung                                 häuser in Kleinstädten ist, hängt auch von
gehört zu den historischen Spezifika der                            der Besiedlung ihrer Umgebung oder ihres
DDR – auch in Kleinstädten. Der Neu-                                Umlandes ab. Beispielsweise sind Klein-
bau konzentrierte sich auf die typischen                            städte in dem dicht besiedelten und von
Mehrfamilienhäuser, z. B. die Wohnungs-                             Groß- und Mittelstädten geprägten Nord-
bauserie 70, das am weitesten verbreitete                           rhein-Westfalen eher die Ausgleichsorte für
Plattenbausystem der DDR ab 1970. Was                               die Agglomerationsräume mit typischen
den Neubau anbetrifft, passt sich dieser in                         Ein- und Zweifamilienhausstrukturen.

Abbildung 5:
Entwicklung der Mehrfamilienhäuser 2011 bis 2019 – Bestand und Baufertigstellung – in Kleinstädten nach Lage und Größe

Westdeutschland
     Anteil Mehrfamilienhäuser in %
 15

 12

  9

  6

  3

  0
       2011       2015     2019                 2011     2015      2019           2011      2015       2019                  2011        2015     2019
              sehr zentral                               zentral                           peripher                                 sehr peripher
Ostdeutschland
     Anteil Mehrfamilienhäuser in %
 15

 12

  9

  6

  3

  0
       2011       2015     2019                 2011      2015      2019          2011      2015        2019                 2011        2015     2019
              sehr zentral                               zentral                           peripher                                 sehr peripher

Größere Kleinstädte    Kleine Kleinstädte                                                Datenbasis: Statistik der Baufertigstellung und Fortschreibung des
                                            Wohngebäudebestand                           Wohngebäude- und Wohnungsbestandes des Bundes und der Länder,
                                                                                         Laufende Raumbeobachtung des BBSR
                                            Baufertigstellungen, 4-Jahresmittel          © BBSR Bonn 2021

Leben und Wohnen in Kleinstädten                                                                                                                              25
In dünn besiedelten Bundesländern und            demografisch wachsenden Großstädten
     Regionen haben Kleinstädte als Zen­tren          oder in prosperierenden Regionen drückt
     dagegen in stärkerem Maße eine Mehrfa-           eine starke Nachfrage nach Wohn- und
     milienhausbebauung (vgl. Karte 3).               Gewerbeimmobilien bei meist gleichzeitig
                                                      geringer Baulandverfügbarkeit. In diese
     Die alte Stadtstruktur löst sich in einem Teil   Kleinstädte drängen zugleich Neubürge-
     der Kleinstädte in zweierlei Hinsicht auf:       rinnen und Neubürger aus dem In- und
     Zum einen führen Eingemeindungen von             Ausland. Die ohnehin stattfindenden Ver-
     Landgemeinden zu einer „Verländlichung“          änderungen in der Sozial- und Einkom-
     (Steinführer 2018: 10) von Kleinstädten,         mensstruktur der Bevölkerung werden
     zum anderen ist eine Neubebauung im              durch den starken Zuzug beschleunigt
     vorwiegenden Ein- und Zweifamilienhaus           – insbesondere dann, wenn durch einen
     festzustellen. Insbesondere in Ostdeutsch-       angespannten Markt Miet- und Immobili-
     land scheint es einen Nachholbedarf am           enpreise so stark steigen, dass sie nur von
     Eigenheim zu geben. Im Gegensatz dazu            einer zahlungskräftigen Klientel bedient
     werden vermehrt dort Mehrfamilienhäu-            werden können.
     ser neu gebaut, wo es einen besonderen
     Wachstumsdruck gibt, beispielsweise im           Verstärkt wird der Druck auf die lokalen
     Umland von München, Stuttgart, im Drei-          Märkte dadurch, dass die Nachfrage sei-
     eck Frankfurt-Wiesbaden-Mainz oder im            tens privater und institutioneller Anleger
     Süden der Agglomeration Halle (Saale)/           vor allem im Segment der Wohnimmobi-
     Leipzig.                                         lien weiterhin hoch ist. Denn der Trend
                                                      zur Globalisierung der Immobilieninvesti-
     Die Gesellschaft verändert sich stetig. Eine     tionen ist nach wie vor ungebrochen. Seit
     zunehmende Individualisierung sowie              2016 wird Deutschland unter den Top Ten
     eine Auflösung traditioneller Familienfor-       von 109 Ländern des „Global Real Estate
     men führen auch zu einer Änderung der            Transparency Index“ gelistet. Etwa zwei
     Wohnbedarfe und Anforderungen an die             Drittel aller Wohnimmobilienerwerbe er-
     Wohnstandorte. Doppelverdiener-Paare             folgen in Kleinstädten und Regionen au-
     oder Patchworkfamilien haben oft meh-            ßerhalb von Großstädten und Mittelstäd-
     rere Wohnstandorte zur gleichen Zeit             ten. Ursachen sind vor allem die höheren
     (multi­lokales Wohnen). Mit einer sich pa-       Preise und ein geringeres Grund­    stücks­
     rallel vollziehenden Singularisierung der        an­ge­
                                                           bot in den Großstädten und Mit-
     Haushalte ist ein steigender Pro-Kopf-Ver-       telstädten bzw. Agglomerationsräumen.
     brauch verbunden. Ebenfalls steigen die          Dort sind die drängendsten Probleme ein
     Ansprüche an die Qualität des Wohnens,           beschleunigter Neubau für die hohe Nach-
     der Immobilie und des Umfelds. Als Bei-          frage vor allem im mittleren bis unteren
     spiel steht hierfür die Zunahme der Zahl         Preissegment, die Stärkung des sozialen
     altengerechter und barrierefreier Wohnun-        Wohnungsbaus und die Bezahlbarkeit von
     gen im Geschosswohnungsbau in den Zen-           Wohnraum. Jedoch kann bei chronischem
     tren von Kleinstädten. Hierbei werden u. a.      Nachfrageüberschuss und gleichzeitigem
     freiwerdende Ladenlokale in Innenstädten         Angebotsmangel von „bremsenden“ Mie-
     in Wohnraum umgewandelt.                         ten keine Rede sein. Kleinstädte können
                                                      daher, sofern sie ausreichende Kapazitäten
     Die Märkte unterscheiden sich deutlich,          zur Verfügung haben, den Nachfrageüber-
     vor allem großräumig, nach Standort              schuss der größeren Zentren auffangen.
     der Immobilie. Auf kleinstädtische Woh-          Es ist hierbei jedoch erforderlich, dass sie
     nungsmärkte in zentralen Lagen, in der           nicht nur das klassische Ein- oder Zweifa-
     Nähe von sowohl wirtschaftlich als auch          milienhaus anbieten, sondern vielfältigere

26                                                                       Kleinstädte in Deutschland
Karte 3:
Anteil Mehrfamilienhäuser in Kleinstädten im Bestand und im Neubau 2019

                                                        DK

                                                                             Kiel

                                                                                                           Rostock

                                                                          Hamburg               Schwerin

                                                 Bremen

                                                                                                                                             PL

                                                                                                                              Berlin
                                                                    Hannover
             NL                                                                                                           Potsdam
                                                                                             Magdeburg

                                               Bielefeld

                                                                                                                                            Cottbus
                  Essen          Dortmund                                                       Halle/S.

                  Düsseldorf
                                                           Kassel                                            Leipzig
                                                                                    Erfurt
                    Köln                                                                                                               Dresden
                                                                                                                          Chemnitz
                          Bonn

   BE

                                               Frankfurt/M.                                                          CZ
                            Wiesbaden

                                   Mainz
    LU

                                              Mannheim                                       Nürnberg
                  Saarbrücken

                           FR                           Stuttgart
                                                                                                                                                  Wohnbebauung
                                                                                                                                                  aller Städte und Gemeinden
                                                                    Ulm

                                                                                                 München                      AT
                             Freiburg i.Br.

                                                 CH
         100 km

Anteil der Wohngebäude mit 3 und mehr Wohnungen an allen Wohngebäuden in %
                    Kleinstädte                            alle Städte/Gemeinden
im Bestand 2019       Baufertigstellungen 2016-2019        im Bestand 2019
       bis unter 5                      0                          bis unter 5
     5 bis unter 10                    bis unter    5                                   5 bis unter 10
    10 bis unter 15                   5 bis unter 10                                   10 bis unter 15
    15 bis unter 20                  10 bis unter 15                                   15 bis unter 20
    20 und mehr                      15 und mehr                                       20 und mehr                          zentrale Lage

Datenbasis: Statistik der Baufertigstellungen und Fortschreibung des Wohngebäude- und Wohnungsbestandes
des Bundes und der Länder, Laufende Raumbeobachtung des BBSR
Geometrische Grundlage: Gemeinden und Gemeindeverbände (generalisiert), 31.12.2019 © GeoBasis-DE/BKG
Bearbeitung: A. Milbert                                                                                                                                            © BBSR Bonn 2021

Leben und Wohnen in Kleinstädten                                                                                                                                                      27
Wohnformen, die den unterschiedlichen                                  kerung wie Landgemeinden. Die Bevöl-
     Bedürfnissen einer sehr heterogenen Be-                                kerungsentwicklung der Kleinstädte folgt
     wohnerschaft entgegenkommen. Mehrge-                                   daher dem Prinzip der günstigen oder
     nerationenhäuser, kooperatives Wohnen,                                 ungünstigen Lage und des Wohnungs-
     temporäres Wohnen – alternative Wohn-                                  marktes. Niedrige Wohnkosten allein sind
     formen sind nicht nur in Großstädten auf                               in peripheren Lagen kein hinreichender
     der einen Seite oder leerstehenden Bau-                                Gunstfaktor, wenn das Wohnumfeld nicht
     ern-/Gutshöfen auf der anderen Seite, son-                             zugleich mit guten Nah- und Daseinsvor-
     dern auch in Kleinstädten gefragt (Lange                               sorgeeinrichtungen dienen kann (siehe
     2018). Gleichzeitig zeigen sich aber auch                              Kapitel 6 „Gestaltungsfreiheit unter beson-
     Bestrebungen von Kommunen, kein neu-                                   deren Herausforderungen“).
     es Bauland mehr auszuweisen. Beispielhaft
     zeigte sich dies im bayerischen Landtags-                              Das aktuelle Wachstum von Kleinstädten
     wahlkampf 2018 nicht nur in den Aussagen                               in zentralen Lagen setzte 2011 ein, also
     vieler kleinerer Städte, sondern auch in der                           etwa fünf bis sechs Jahre später als das
     Kampagne zum 5-ha-Ziel. Letzteres schaff-                              neuerliche Wachstum der Großstädte (vgl.
     te es bis in die Koalitionsvereinbarung der                            Abbildung 6). Bis kurz nach der Jahrtau-
     bayerischen Landesregierung (CSU 2018).                                sendwende haben Kleinstädte sowohl in
                                                                            sehr zentralen als auch in zentralen La-
                                                                            gen deutliche Bevölkerungszuwächse zu
     Bevölkerungsentwicklung –                                              verzeichnen. Die Entwicklungsverläufe
     Resultat der Wohnstandortent-                                          flachen mit dem Einsetzen des Großstadt-
     scheidungen                                                            wachstums ab. Der erneute Aufschwung
                                                                            der Kleinstädte in zentralen Lagen ist nach
     Während Kleinstädte in zentralen La-                                   2011 deutlich moderater als für Kleinstäd-
     gen teils vom Mangel an hinreichendem                                  te in sehr zentralen Lagen. Kleinstädte in
     Wohnraum in den wachsenden Zentren                                     peripheren Lagen konnten bis 2000 eben-
     profitieren können, verlieren Kleinstädte                              falls noch Bevölkerungsgewinne verzeich-
     in weniger prosperierenden und schrump-                                nen, verlieren seitdem aber deutlich an Be-
     fenden Regionen in gleichem Maße Bevöl-                                völkerung. Kleinstädte in sehr peripheren

     Abbildung 6:
     Bevölkerungsentwicklung in Kleinstädten nach Lage und im Vergleich nach Stadt- und
     ­Gemeindetyp 1990 bis 2019

     Entwicklung in %                                               2011: Beginn neue Wachstums-
     20                                                                                                   Kleinstädte nach Lage
                                           2003: vorläuÿges Ende    phase der Kleinstädte in sehr
                                         des Kleinstadtwachstums    zentralen Lagen
                                                                                                                  sehr zentral
     15                                                                                                           zentral
                                                                                                                  peripher
     10                                                                                                           sehr peripher

       5                                                                                                  Stadt- und Gemeindetyp
                                                                                                                   Großstädte
       0                                                                                                           Mittelstädte
                                                                                                                   Kleinstädte
      -5                                                                                                           Landgemeinden

     -10                                                                                                           Bund insgesamt

     -15
                                                                                                          Anm.: Daten 1990 bis 2010
                                                                                                          zensuskorrigiert
     -20
           1990          1995           2000          2005           2010           2015       2019

     Quelle: Fortschreibung des Bevölkerungsstandes des Bundes und der Länder, Laufende Raumbeobachtung            © BBSR Bonn 2021

28                                                                                                        Kleinstädte in Deutschland
Karte 4:
Entwicklung der Kleinstädte 2009-2019 nach ausgewählten Kohorten

                                                          DK

                                                                              Kiel

                                                                                                            Rostock

                                                                           Hamburg               Schwerin

                                                  Bremen

                                                                                                                                              PL

                                                                                                                               Berlin
                                                                     Hannover
            NL                                                                                                             Potsdam
                                                                                              Magdeburg

                                                Bielefeld

                                                                                                                                             Cottbus
                 Essen          Dortmund                                                         Halle/S.

                 Düsseldorf
                                                            Kassel                                            Leipzig
                                                                                     Erfurt
                   Köln                                                                                                                 Dresden
                                                                                                                           Chemnitz
                         Bonn

  BE

                                               Frankfurt/M.                                                           CZ
                           Wiesbaden

                                  Mainz
   LU

                                              Mannheim                                        Nürnberg
                 Saarbrücken

                          FR                              Stuttgart                                                                                    Bevölkerungsentwicklung 2009-2019
                                                                                                                                                       aller Städte und Gemeinden
                                                                     Ulm

                                                                                                  München                      AT
                            Freiburg i.Br.

                                                  CH
        100 km
Kohortenwachstum der Kleinstädte 2009-2019 in %                                                          Bevölkerungsentwicklung
der 20- bis 29-Jährigen    der 30- bis 39-Jährigen                                                       alle Städte/Gemeinden
       bis unter 80              bis unter 80                               Kleinstädte mit              2009-2019 in %
                                                                            Kohortenwachstum
     80 bis unter 90                       80 bis unter     90                                                  bis unter -6
                                                                            der 65- bis 74-Jäh-
     90 bis unter 100                      90 bis unter 100                 rigen 2009-2019                   -6 bis unter -3
   100 bis unter 110                   100 bis unter 110                                                     -3 bis unter 0
                                                                            zentrale Lage
   110 bis unter 120                   110 bis unter 120                                                      0 bis unter 3
   120 bis unte 130                    120 bis unte 130                                                       3 bis unter 6
   130 und mehr                        130 und mehr                                                           6 und mehr
Datenbasis: Fortschreibung des Bevölkerungsstandes des Bundes und der Länder, Laufende Raumbeobachtung des BBSR
Geometrische Grundlage: Gemeinden und Gemeindeverbände (generalisiert), 31.12.2019 © GeoBasis-DE/BKG
Bearbeitung: A. Milbert                                                                                                                                                © BBSR Bonn 2021

Leben und Wohnen in Kleinstädten                                                                                                                                                           29
Lagen haben seit Beginn der 1990er-Jahre            der Kleinstädte – vornehmlich in Klein-
                                  kontinuierlich und im Durchschnitt etwa             städten in zentralen Lagen – gewinnt die
                                  20 % ihrer Bevölkerung verloren. Die Be-            Kohorte der 30- bis 39-Jährigen. Diese Al-
                                  völkerungsverluste in Kleinstädten in               tersgruppe in der Familiengründungspha-
                                  peripheren und sehr peripheren Lagen                se ist sehr umworben, da ihre Standortent-
                                  wurden nur kurzfristig während der Jahre            scheidung vornehmlich langfristig erfolgt
                                  2015/2016 unterbrochen.                             und potenziellen Zuwachs an Kindern
                                                                                      und Jugendlichen verspricht. Dagegen
                                  Ausnahmen von diesem allgemeinen                    verkleinert sich überwiegend die Kohor-
                                  Trend bilden die Kleinstädte in struktur-           te der 20- bis 29-Jährigen in Kleinstädten
                                  starken ländlichen Regionen Süddeutsch-             durch Wegzug, da Kleinstädte nur selten
                                  lands, die trotz ihrer peripheren Lagen mit         über oberzentrale Bildungseinrichtungen
                                  dem allgemeinen Bevölkerungswachstum                verfügen. Sie sind jedoch dann Zuzugs-
                                  in diesen Regionen mithalten konnten. Da-           orte für die Ausbildungswanderer, wenn
                                  gegen verloren Kleinstädte in einigen zen-          sie in der Nachbarschaft von Universi-
                                  tralen Lagen um Saarbrücken, östlich von            tätsstädten (z. B. Dossenheim, Gerbrunn,
                                  Rhein und Ruhr oder südlich von Hanno-              Unterföhring) liegen oder wenn sie selbst
                                  ver entgegen dem Trend an Bevölkerung.              Standort einer Hochschule oder Universität
                                  In Ostdeutschland konzentriert sich mit             sind (z. B. Mittweida, Clausthal-Zellerfeld,
                                  Ausnahme des Speckgürtels um Berlin                 Neubiberg). In außergewöhnlichen Lagen
                                  das Bevölkerungswachstum ohnehin auf                wie an der Nord- und Ostseeküste (z. B.
                                  die Großstädte. Was die Bevölkerungsent-            Grömitz, Malente, Kühlungsborn) oder im
                                  wicklung der Kleinstädte betrifft, sind also        Alpenvorland (z. B. Isny im Allgäu, Füssen,
                                  Lage und regionaler Kontext entscheidend.           Oberstaufen) sowie in alten Bäderstädten
                                                                                      (z. B. Bad Pyrmont, Bad Lippspringe, Bad
                                  Kleinstädte mit Bevölkerungszuwachs                 Sassendorf) können Kleinstädte auch Zu-
                                  wachsen vor allem durch den Zuzug von               zugsorte älterer Menschen (Kohorte der
                                  Bevölkerung, der sich sehr gut über das             65- bis 74-Jährigen) auf der Suche nach ei-
                                  Kohortenwachstum abbilden lässt (vgl.               nem attraktiven Altersruhesitz sein.
                                  Karte 4 und Infobox 4). In etwa der Hälfte
                                                                                      Tendenziell jedoch verlieren die meisten
                                                                                      Kleinstädte junge Bevölkerung durch Weg-
     Infobox 4: Kohorte und Kohortenwachstum                                          zug. Die anhaltende nach Alter selektive
     Kohorten nennt man die Zusammenfassung von Geburtsjahrgängen, z. B.
                                                                                      Zu- und Abwanderung resultiert in einer
     aus den 10 Jahrgängen der 1980 bis 1989 Geborenen. Diese zum Ende der            wachsenden Kluft hinsichtlich des Durch-
     Beobachtungsreihe 2019 30- bis 39-Jährigen waren vor 10 Jahren noch 20 bis       schnittsalters zwischen den Stadttypen
     29 Jahre alt. Wie stark hat sich diese Kohorte gegenüber 2009 zahlenmäßig        (Großstädte mit junger Bevölkerung ver-
     verändert? Der Vergleich der 30- bis 39-Jährigen aus dem Jahr 2019 mit den       sus Kleinstädte und Landgemeinden mit
     20- bis 29-Jährigen aus dem Jahr 2009 bezeichnet das Kohortenwachstum. Bei       älterer Bevölkerung) sowie der Lage der
     einem Verhältnis von 100 % ist die Kohortenstärke gleichgeblieben, Werte unter   Städte (Kleinstädte mit junger Bevölke-
     100 weisen auf eine Verkleinerung der Kohorte durch Sterbefälle und Abwan-       rung in zentralen Lagen versus Kleinstädte
     derung hin, Werte über 100 auf eine Vergrößerung der Kohorte durch Zuwan-        mit älterer Bevölkerung in sehr peripheren
     derung. Besonders interessant sind hierbei die sehr mobilen Alterskohorten der
                                                                                      Lagen, vgl. Abbildung 7, links). Unter den
     20- bis 29-Jährigen, die vornehmlich aus Ausbildungs- und beruflichen Gründen
                                                                                      jüngeren Abwandernden finden sich oft
     wandern, und der 30- bis 39-Jährigen, die aus beruflichen otiven und in der
                                                                                      überproportional junge Frauen. Deshalb
     Familiengründungsphase wandern. Über den Kohortenvergleich lassen sich
     Altersgruppen fl xibler in ihren Wanderungsbewegungen und Entwicklungen
                                                                                      verschlechtert sich in von Abwanderung
     betrachten als über die Wanderungsstatistik mit festgelegten Altersgruppen.      betroffenen Kleinstädten das Verhältnis
                                                                                      von Frauen zu Männern im Alter zwischen
                                                                                      20 und 44 Jahren – einer Altersgruppe, die

30                                                                                                       Kleinstädte in Deutschland
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