DIE ZEITSCHRIFT FÜR TRENDS IN TECHNIK UND IT - FUSE-AI
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3-2020 7,50 Euro DIE ZEITSCHRIF T FÜR TRENDS IN TECHNIK UND IT Zentralisiert und standardisiert Standortübergreifende Radiologie- IT-Lösung mit IntelliSpace Portal in der München Klinik Automatisiert errechnete und Machine-Learning-basierte 4D-Virtualisierung der Aorta. Effekte erkennen Erstellt mit IntelliSpace Portal. Interview mit PD Dr. Felix Nensa Alles anders Besuch bei einem Münchener Start-up
X- E M P L A R Liebe Leserinnen und Leser, die ewigen Wiederholungen, dass wir uns endlich mehr mit der neuen digitalen Arbeitswelt auseinandersetzen müssen, gehen einem schon fast auf die Nerven. Angefangen vom Polizeifunk, G ui do Ge bhardt über die Schulen und Universitäten, Banken und Versicherun- gen bis hin zur öffentlichen Verwaltung und dem Gesundheits- wesen. Doch wie sieht es eigentlich in der Radiologie aus? Diese Sonderausgabe von Radiologie Magazin möchte zeigen, wie digital die Radiologie bereits ist und weshalb Strukturierte Befundung und KI zusammengehören. Im Großen und Ganzen kann sich über die Radiologie niemand beschweren. Seit vielen Jahren sind Radiologische Mithilfe einstellbarer Trigger ist es möglich, flexible Prozesse zu Praxen und Abteilungen DIE Innovationstreiber im Gesundheits- erzeugen, die von der Anmeldung über die Untersuchung und wesen. Nirgendwo anders ist der Digitalisierungsgrad so hoch. Bildanalyse bis hin zur Befunderstellung reichen. So haben einige Klinikverbünde, wie zum Beispiel die vier Wer denkt, mit KI und Strukturierter Befundung verkommt Häuser der München Klinik, schon einrichtungsübergreifende der Radiologe zum Häkchensetzer, der irrt. Denn wer KI-basierte Lösungen für die webbasierte Bild- und Befundkommunikation Befunde validiert, muss wissen, auf welcher Grundlage der im Einsatz. Da werden Schnittbilddaten unmittelbar nach dem Algorithmus seine Entscheidung trifft und er muss wissen, ob in Scan der automatisierten Weiterverarbeitung zugeführt und China trainierte Algorithmen auch in Deutschland funktionieren. alle Radiologen an den vier Standorten könnten zusammen Die Radiologinnen und Radiologen sollten den Systemen in interdisziplinären Teams gleichzeitig einen Blick auf die immer einen Schritt voraus sein. vorverarbeiteten Bilder samt Messwerten und grafischer Das Training von auf Künstlicher Intelligenz basierten Auswertung werfen. Dabei sind alle Beteiligten in der Lage, Algorithmen setzt validierte Befunde voraus. Das heißt, es wer- sich per Webcam von Angesicht zu Angesicht zu unterhalten, den nicht nur Bilder benötigt, sondern auch die dazugehörigen egal ob sie auf dem Desktop, dem Tablet oder auf dem Smart- maschinenlesbaren Befunde. Jetzt ist endgültig klar, dass die phone eingeloggt sind. Strukturierte Befundung nicht nur was für Anfänger ist. Struktu- In Sachen Abteilungsmanagement haben Radiologie- rierte Befundung, KI und Big Data gehören zusammen. Und wer, informationssysteme begonnen, Lösungen zur Strukturierten wenn nicht die technik-affinen Radiologinnen und Radiologen, Befundung zu integrieren: In Freitext diktierte Befunde werden sollten in der Lage sein, das Ruder in die Hand zu nehmen, um KI-basiert automatisch strukturiert. In der Onkologie hat sich die klinischen Kollegen in interdisziplinären Teams durch die die Strukturierte Befundung bereits durchgesetzt. Da gibt es Diagnosen zu führen und die Therapie zu begleiten! Lösungen, die Befundberichte erstellen, die der Auswertung wissenschaftlicher Studien gleichen. Herzlichst Ihr KI-basierte Lösungen sind – obwohl sie in der Wirklichkeit noch nicht so richtig angekommen sind – den Kinderschuhen entwachsen. Workflow-Orchestrator sorgen dafür, dass Arbeitsabläufe nicht mehr nach Schema F abgearbeitet werden. R ADIOLOGIE MAGAZIN · 3-2020 3
X-E M PL A R 6 X- E M P E L 6 Zentralisiert und standardisiert Portallösung von Philips automatisiert die radiologische Bildanalyse 26 Kognitiver Assistent Kontextspezifische, interaktive und dynamische Befundung 34 Wie KI das Wartezimmer aufräumt Workflow-Optimierung in der Radiologie Ein wesentlicher Bestandteil der 42 Strukturiert zum Befund Innovationspartnerschaft zwischen Universitätsklinikum Köln spart Zeit, steigert Effizienz der München Klinik und Philips und verbessert Qualität ist die standort- und fachbereichs- übergreifende automatisierte Auswertung 56 Effiziente Prozesse von CT- und MRT-Scans. Spital Uster in Zürich entscheidet sich für modernes 12 Radiologieinformationssystem (RIS) 70 Die Nadel im Heuhaufen Teleradiologen sind Vorreiter bei KI in der Diagnostik X- K L U S I V 12 Effekte erkennen Verstehen, wie KI-Algorithmen zum Ergebnis kommen Analytics-Plattform von „ Je komplexer die KI ist, umso GE Healthcare verbessert 18 Struktur-Report schwieriger ist es nachzuvollziehen, Terminplanungen und 34 Einheitliche medizinische Inhalte verbessern die Befundung weshalb sich die KI für ein Abläufe im Praxis-und bestimmtes Ergebnis entscheidet.“ Klinikalltag. 50 Alles anders Radiologie Start-up gewährt tiefen Einblick 60 Anatomie statt Pathologie Neuartige Befundsoftware dekodiert Denkprozesse Start-Ups, wie deepc von erfahrenen Radiologen im Münchener Werks- viertel, wirbeln die 50 72 Digitaler Röntgenassistent Radiologie derzeit KI-SIGS Forschungsprojekt unterstützt und optimiert mächtig durcheinander. den Prozess der Röntgenaufnahme mit KI X- P E R T 72 22 Künstliche Intelligenz braucht Daten – Daten brauchen Schutz 66 Über das Spannungsfeld von KI in der Medizin, Neuer KI-Algorithmus verbessert den Datenhunger der Systeme und den Schutz Qualität von Röntgenaufnahmen von Patientendaten 4 R ADIOLOGIE MAGAZIN · 3-2020
AUS DER PR A XIS X- P E R T 40 Strukturiert und einheitlich zu bedienen Befundarbeitsplatz IDS 7 bringt radiologische Befundungen mit Struktur ins PACS 46 Strukturiert und standardisiert Strukturierte Befundlösung für den radiologischen Workflow X -T R A 30 Zuwachs bei den AI-Rad Companions Siemens Healthineers präsentiert neue KI-Lösungen für die klinische Entscheidungsfindung 55 Neuroradiologie neu gedacht Telepaxx bietet mdbrain für den AI MarketPlace an 63 RadCentre Patientenportal i-Solutions Health schafft mit Ärzte- und Patientenportal interdisziplinäre Zusammenarbeit 64 Vernetzt? Aber sicher! Sectra Medical Systems bietet kurz- und lang- fristige Lösungen für eine moderne IT-Infrastruktur im Krankenhaus 66 Intelligenz beim Röntgen Agfa SmartXR unterstützt und erleichtert die BIlderfassung 68 Immer richtig verbunden Visus: Medizinische Daten einnfach und sicher teilen X- H I B I T I O N 58 Der Weg und nicht das Ziel Jahres-Meeting der EuSoMII fand virtuell statt X- E M P L A R 3 Editorial 75 Impressum 75 Vorschau R ADIOLOGIE MAGAZIN · 3-2020 5
X- E M P E L Zentralisiert und standardisiert Seit etwa zwei Jahren besteht die Innovationspartnerschaft zwischen der München Klinik und Philips. Ein wesentlicher Bestandteil der Zusammenarbeit ist die stand- ort- und fachbereichsübergreifende automatisierte Auswertung von CT- und MR-Scans. Dabei standardisiert das IntelliSpace Portal (ISP) von Philips nicht nur die Auswertung der Bilddaten, sondern eignet sich auch für Tumorkonferenzen und die Durchführung von Online-Seminaren. Mit einer standortübergreifenden Bereits vor acht Jahren hat der Wirtschafts- IT-Lösung für die Nachbearbeitung ingenieur damit begonnen, klinische radiologischer Bilder ist die München Applikationen in einem Anwendungs- Klinik an ihren vier Standorten einen portal zu bündeln und zentral in einer großen Schritt nach vorne gekommen. Private-Cloud zu organisieren, um Unab- „Das IntelliSpace Portal ist für uns von hängigkeit von anwendungsbezogenen wesentlicher Bedeutung, da wir damit Desktopgeräten zu schaffen. Heute ist das unseren Wunsch realisieren konnten, Rechenzentrum der München Klinik auf radiologische Arbeitsplätze flexibler zu zwei Standorte verteilt. Datenschutz und nutzen“, erklärt Gerald Götz, Geschäfts- Datensicherheit haben höchste Priorität. bereichsleiter des Technologiemanage- „Die Technologie soll flexibel einstellbar ments der München Klinik, der neben und einfach zu administrieren sein. Der der IT auch die Medizintechnik und die Zugang zu den Endgeräten geschieht für „Gemeinsam mit Philips wird in regelmäßigen Telekommunikation im Klinikverbund alle mittels Zwei-Faktor-Authentifizierung, Besprechungen der Status Quo analysiert, um verantwortet. egal ob ich Verwaltungsmitarbeiter oder die vorhandene Technik effizient zu nutzen Während in der Vergangenheit an Ärztin oder Pflegekraft bin“, beschreibt und die Gesamtsituation zu verbessern.“ Gerald Götz, Geschäftsbereichsleiter allen vier Klinikstandorten zahlreiche Gerald Götz die Rahmenbedingungen. des Technologiemanagements der München Klinik radiologische Arbeitsplätze lediglich Inzwischen laufen fast alle medizinischen modalitätsnah eingesetzt werden konn- Anwendungen in der Private-Cloud. Damit ten, holte er das Thema mithilfe von Citrix hat jeder unabhängig von Ort und Zeit und und einer Virtuellen-Desktop-Infrastruk- Endgerät Zugriff zu seinen freigeschalte- tur (VDI) ins zentrale Rechenzentrum. ten Applikationen. 6 R ADIOLOGIE MAGAZIN · 3-2020
X- E M P E L Automatisierte Bildanalyse Minuten ausgewertet sind. Es ist das Ziel Denn die Radiologie stellt an die Bild- Alle Anwender, die innerhalb der Citrix- von Dr. Joanna Lange, Workflows für sämt- qualität mit ihrer hohen grafischen Auf- Lösung Zugriff auf die ISP haben sol- liche Aufnahmen an allen Modalitäten zu lösung besondere Anforderungen. len, können individuell entsprechenden erstellen und mithilfe der einheitlichen Erfahrungsgemäß stellt Philips pro Gruppen zugeordnet werden, um die Bedienoberfläche der ISP zu befunden. Jahr drei bis vier Systemupdates zur Ver- umfassenden Analysetools für CT, MRT, fügung. Damit bei der Softwareaktuali- Ultraschall oder NUK zu nutzen. Wäh- Flexible Private-Cloud-Lösung sierung nichts schief geht, werden die rend an der normalen PACS-Workstation Die technische Ausrüstung für die ISP- Updates zuerst in eine Testumgebung Bilder ohne Vorverarbeitung befundet Infrastruktur besteht aus sechs Applika- eingespielt. Erst nachdem die neue werden, geht IntelliSpace Portal einen tionsservern. Drei davon befinden sich Version von ausgewählten Key-Usern Schritt weiter, denn die Lösung stellt jeweils im Hauptsystem in Schwabing validiert wurde, wird sie im gesamten hochspezialisierte und automatisierte und im Backupsystem in Bogenhau- Klinikumfeld freigeschaltet. Auswertungen zur Verfügung. sen. Außerdem befindet sich in jedem Für Gerald Götz macht es keinen Dr. Joanna Lange, Oberärztin des Rechenzentrum ein Host, auf dem Unterschied, ob eine Private-Cloud oder Instituts für Diagnostische und Inter- 64 Clients abgebildet sind, die aufgrund eine Internet-Cloud-Lösung administ- ventionelle Radiologie in der München der Performanz ausschließlich den riert wird. Für ihn kommt es auf die Art Klinik Neuperlach: „Dedizierte Aus- ISP-Anwendern zur Verfügung stehen. und Weise an, wie darauf zugegriffen wertungen radiologischer Untersu- chungen nehmen ständig zu. Das hat mit der Rundherderkennung in der IntelliSpace Portal Workflow Lunge begonnen und reicht jetzt von der Prothesenplanung in der Aorta über quantitative Leberanalysen bis hin zur Diagnostik von Schlaganfall und Herz- erkrankungen.“ In der München Klinik 3D lab wird die Leber vor jedem größeren Ein- griff volumetriert und eine Schlaganfall- oder Herzanalyse ohne ISP kann sich Dr. Joanna Lange gar nicht mehr vorstellen. Die ISP ist ein Tool, das nicht nur die Bildanalyse, sondern den gesam- ten Befundprozess erleichtert. Aus- IntelliSpace Portal wertungen für Kopf, Herz, Lunge oder Leber erstellt das auf Machine-Learning Mobile** basierende System zunehmend auto- PACS matisiert. Das System ist in der Lage, Archive die hochauflösenden Bilder der Moda- Home litäten gezielt auszuwerten. Befunde werden visualisiert und Messwerte in Tabellen oder grafisch dargestellt. PACS WS in reading room Geht es um einen Schlaganfall, werden die Daten unmittelbar vom CT zur Nachverarbeitung auf die ISP und anschließend die Resultate an das PACS IntelliSpace Portal ist eine modalitäten- und standortübergreifende Lösung. Die Darstellung geschickt. Das bedeutet, dass die Auf- des Langzeitverlaufs bietet einen Gesamtüberblick über den Zustand des Patienten. nahmen ohne Klick innerhalb von zwei R ADIOLOGIE MAGAZIN · 3-2020 7
X- E M P E L Das Faszinierende an der komplexen IT-Lösung der München Klinik ist gleichzeitig die Einfachheit. Mithilfe des IntelliSpace Portal können speziali- sierte Auswertungen heute an allen Arbeitsplätzen durchgeführt werden. Mithilfe einer Virtuellen-Desktop- Infrastruktur lassen sich unter- schiedlichste klinische Applikationen wie die Untersuchung und Quanti- fizierung von Gefäßläsionen und anspruchsvolle quantitative Herz- analysen gut abbilden. Spezialisierte Auswertungen radiologi- scher Untersuchungen nehmen ständig zu. IntelliSpace Portal von Philips bietet umfassende Analysetools für Röntgen, CT, MRT, Ultraschall oder NUK. 8 R ADIOLOGIE MAGAZIN · 3-2020
X- E M P E L wird. Der Umgang mit dem System, die Systempflege sowie die Systemadminis- tration funktionieren genauso wie bei einer Weblösung. Bisher besagt das Bayerische Kran- kenhausgesetz, dass Patientendaten auf dem Campus der Klinik zu halten sind. Im Rahmen der intersektoralen Zusammenarbeit stellen Dr. Joanna Lange und Gerald Götz immer wieder fest, dass kleinere Einheiten mit der zunehmenden Digitalisierung an ihre Grenzen stoßen. Das merken auch die Radiologen in ihrem Arbeitsalltag mit den Zuweisern. Gerald Götz bekräftigt: „Wir profitie- ren sehr von der Innovationspartner- segmente sehen. Gemeinsam wären „Bei Coronapatienten ist für uns interessant, schaft und dem intensiven Austausch sie in der Lage, den Fall auch vor grö- wieviel Lungengewebe wiederhergestellt werden mit Philips. Der Aufwand, eine komplexe ßerem Publikum – beispielsweise im kann. Mithilfe der Volumetrierung im COPD-Tool der ISP ist es schnell und einfach möglich, IT-Infrastruktur zu betreiben, ist groß. Demoraum – zu besprechen. Die vor- zum einen den Verlauf zu beobachten, und zum Die Zukunft liegt eindeutig in cloud- verarbeiteten Bilder samt Auswertungen anderen kann bestimmt werden, wieviel Lungen- basierten Anwendungen.“ sind von allen eingeladenen Personen gewebe noch in Ordnung bzw. vernarbt ist.“ Mithilfe einer Virtuellen-Desktop- zu sehen. Vor allem Tumorkonferenzen Dr. Joanna Lange, Oberärztin des Instituts für Diagnos- Infrastruktur und der Möglichkeit zu seg- profitieren vom Funktionsumfang der tische und Interventionelle Radiologie in der München Klinik Neuperlach mentieren, lassen sich unterschiedlichste ISP, wenn es um die Beurteilung unter- klinische Applikationen gut abbilden. schiedlicher Tumoren samt Therapiefor- „Alle vier Kliniken profitieren von der standortüber- Ein besonderes Highlight der ISP sind men und der Verlaufskontrolle geht. greifenden Nutzung der Radiologie-IT-Lösung.“ die standortübergreifende sowie die Prof. Dr. Thomas Helmberger, Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Neuro- mobile Kommunikation. Jeder Anwen- Befundung und mobile Kommunikation radiologie und Nuklearmedizin an der München Klinik der kann jederzeit weitere Personen zu Für Webkonferenzen stehen den Teams Bogenhausen einer gemeinsamen Fallbesprechung an den unterschiedlichen Klinikstandor- einladen. Auf Wunsch können sich die ten in Besprechungsräumen Konferenz- Gesprächspartner sogar dabei sehen. spinnen zur Verfügung. Der Ton wird über Das funktioniert nicht nur auf dem Desk- eine professionelle Kommunikations- top vor Ort. Einladungen kann man auch lösung übertragen und die Patienten- jederzeit unterwegs auf dem Tablet oder bilder sowie die Gesprächspartner wer- dem Smartphone annehmen. den in der ISP-Oberfläche dargestellt. Während beispielsweise Prof. Dr. Jeder hat das Recht, zu einer Sitzung ein- Thomas Helmberger, Chefarzt des Ins- zuladen. Das vermeidet Reisezeiten und tituts für Diagnostische und Interven- reduziert insbesondere während der tionelle Radiologie, Neuroradiologie Corona-Pandemie das Infektionsrisiko. und Nuklearmedizin in Bogenhausen, Prof. Thomas Helmberger erklärt: die Leberuntersuchung vor sich hat, „Bei einem Patienten mit Lebermetas- kann Dr. Joanna Lange in Neuperlach tasierung ist sofort zu erkennen, in wel- ebenfalls die vorgearbeiteten Bilder und chem Segment die Läsionen auftreten. die farblich unterschiedlichen Leber- Die Ärzte können anhand der Visualisie- R ADIOLOGIE MAGAZIN · 3-2020 9
X- E M P E L rung und der aufbereiteten Messwerte ortübergreifende Präsentation als sicher genau beurteilen, ob eine Hemihepa- und zeitsparend unter Beweis gestellt. tektomie notwendig ist, beziehungs- Das Faszinierende an der komplexen weise wieviel Lebervolumen nach einer IT-Lösung der München Klinik ist gleich- Operation übrigbleiben wird.“ Die ISP zeitig die Einfachheit. Egal, von welchem kann nicht nur jedes Segment volu- Standort und von welcher Modalität der metrieren, sondern auch anhand von zahlreichen unterschiedlichen Herstel- Die München Klinik ist eine gemeinnützige Zahlenwerten darstellen, wie gesund ler die Bilder zur ISP geschickt werden, Organisation und der offizielle Gesundheits- versorger der Stadt München. Mit den Kliniken die Leber ist: Hat der Patient eine Stea- die dünnen Schichten und Scans werden in Bogenhausen, Harlaching, Neuperlach, tose oder gibt es Eiseneinlagerungen? gleichermaßen behandelt, ausgewertet Schwabing und Thalkirchner Straße bietet die Fragestellungen, die im Rahmen der und können vom Desktop, Tablet oder München Klinik eine umfassende Versorgung OP-Planung durchaus von Interesse Smartphone aus geöffnet werden. Die auf höchstem medizinischem und pflegeri- sind. „Wir haben an beiden Standorten homogene IT-Lösung sorgt auf verschie- schem Niveau. Die München Klinik ist Deutschlands zweit- ambitionierte Chirurgen. Aber in die- densten Endgeräten für eine einheitliche größter kommunaler Krankenhausverbund – sem Fall wäre die Ablation von Vorteil“, Darstellung unterschiedlichster Untersu- mit über 7.000 Beschäftigten, rund 3.300 Betten stellt Prof. Helmberger fest. chungen. „Egal, wo ich sitze, ich habe und vier Häusern der Maximalversorgung. Neben der Beurteilung der aktuel- immer dieselbe Oberfläche. Bei 30 Pati- Die Arbeit ist geprägt von der engen Zusam- menarbeit mit den Münchner Universitäten. len Patientensituation unterstützt Intel- enten pro Tag hat es seine Vorteile, wenn Jährlich lassen sich rund 135.000 Menschen liSpace Portal auch eine Verlaufskon- alles gleich aussieht und gleich funktio- stationär behandeln – aus München und trolle, indem Bilder, die vor und nach niert“, bestätigt Dr. Lange die Vorteile der aus der Region. In der Notfallmedizin ist die der Behandlung aufgenommen wurden, umfangreichen IT-Lösung. München Klinik die Nr. 1 der Region. gegenübergestellt und zahlenmäßig Über 40 Prozent aller Notfälle der Landes- hauptstadt werden in den vier Notfallzentren verglichen werden können. So hat der Ständige Optimierung der Workflows aufgenommen. behandelnde Arzt jederzeit im Blick, Auch im Telemedizinischen Schlagan- ob sich das Gewebe erholt und welche fallnetzwerk Ostbayern – Tempis – haben Prognose der Patient zu erwarten hat. sich die automatisierten Abläufe und Dr. Joanna Lange zeigt sich begeis- die modernen Kommunikationsstruktu- tert von den automatisiert ablaufenden ren bereits bewährt. Die Entscheidung, Auswertungen der ISP. „Nachdem der ob der Patient zur Weiterbehandlung Scan gefahren wird, läuft der Rest zum verlegt werden muss, wird bereits von Beispiel bei Lungenauswertungen und den Spezialisten vor Ort getroffen. cerebralen Perfusionen weitgehend Sie entscheiden, welcher Patient einer automatisch. Das Preprocessing der sofortigen Verlegung bedarf und wel- Bilder verkürzt die Wartezeit für Ärzte cher nicht. Das spart nicht nur Zeit, son- und Patienten.“ Technologisch gesehen dern auch Kosten. stellen die vier Klinikstandorte im Netz- „Wenn wir einen Patienten nach werk unterschiedliche Mandaten dar. Harlaching verlegen, hat das den Vor- Jeder kann nur auf die eigenen Patien- teil, dass die Ärzte dort bereits über ten zugreifen. Nur über einen Emer- seinen Zustand bestens informiert gency-Button kann man im Notfall auf sind. Sie können die Intervention pla- Daten aus anderen Häusern zugreifen. nen und vorbereiten, da sie alle Bilder Inzwischen wird IntelliSpace Portal und Auswertungen einsehen können, standortüberreifend regelmäßig nicht bevor er eintrifft“, so Dr. Joanna Lange. nur für Tumorkonferenzen, sondern auch „Außerdem“, ergänzt Gerald Götz, für Fortbildungen und Seminare einge- „werden die Prozesse in den Radiologien setzt. In Corona-Zeiten hat sich die stand- der vier Klinikstandorte stets dahinge- 10 R ADIOLOGIE MAGAZIN · 3-2020
X- E M P E L hend optimiert, verfügbare Ressourcen des Technologiekonzerns. Beide sind Automatisierte und standardisierte aufzuzeigen, um Engpässe zu vermei- interessiert, die Prozesse effizienter Abläufe haben den Vorteil, dass das System selbstständig optimale Untersuchungs- den. Mithilfe der zentralisierten und zu gestalten und besser zu werden. parameter auswählt und in kürzester Zeit für standardisierten Strukturen haben wir Für Götz ist Technologie kein Selbst- die Bildanalyse darstellt. Trotzdem bedarf es der Kompetenz von Radiologen, die Mess- kein Problem, standortunabhängig zu zweck. Regelmäßig finden sogenannte ergebnisse zu validieren. unterstützen. Jeder Standort kann dazu Technologie-Reviews statt, bei denen beitragen, Lastspitzen ausgleichen.“ man sich auf Arbeitsebene mit den Klinik- Die Virtualisierung der Desktop-Infra- leitern und dem Management trifft, um struktur hat in den Röntgenabteilungen über neue Technologien und Methoden der München Klinik Platz geschaffen, da zu diskutieren. Zweimal im Jahr stehen es keine modalitätsnahen Workstations im Rahmen der Partnerschaft Meetings mehr gibt. Mithilfe des IntelliSpace zwischen der Geschäftsleitung und dem Portal können spezialisierte Auswer- Top-Management im Medical Board auf tungen heute an allen Arbeitsplätzen dem Programm, um über Meilensteine durchgeführt werden. und Innovationen zu sprechen. Im Rahmen der Technologiepartner- Auch IntelliSpace Portal wurde vor schaft sind die München Klinik und weniger als zwei Jahren während eines Philips ständig bestrebt, die Work- Technologie-Reviews vorgestellt. Heute flows zu optimieren und voneinander möchte Dr. Joanna Lange nicht mehr auf zu lernen. Philips benötigt den Kontakt die Lösung verzichten. Und Gerald Götz mit dem Kunden, um seine Anforde- kann sich nicht mehr vorstellen, wie es rungen zu verstehen. Gleichzeitig pro- ohne Innovationspartnerschaft gelingen fitiert das Management der München würde, den Investitionsstau der München Klinik von den ständigen Innovationen Klinik nach und nach abzubauen. www.philips.de/healthcare R ADIOLOGIE MAGAZIN · 3-2020 11
X- K L U S I V Effekte erkennen Guido Gebhardt sprach mit PD Dr. med. Felix Nensa über Künstliche Intelligenz in der Radiologie, was Radiologen bezüglich KI wissen sollten, wodurch sich komplexe IT-Netzwerke zukünftig auszeichnen und wie seiner Meinung nach die Radiologie in fünf Jahren aussehen könnte. ! Was sollte ein interessierter Radiologe und statistische Modelle ohne explizite Es ist nicht wichtig, alles im Detail zu über KI wissen? Anweisungen verwendet, um bestimmte verstehen, aber man muss wissen, wel- Zu allererst sollten Radiologinnen und Aufgaben auszuführen. che Effekte unter welchen Bedingungen Radiologen wissen, dass wir zwar von Außerdem sollte man die Schwä- auftreten können. Gleichzeitig sollten Künstlicher Intelligenz sprechen, die chen von KI kennen. So ist es hilfreich Radiologen die Metriken verstehen, die Systeme jedoch nicht wirklich intelligent zu wissen, welche Effekte unter welchen es ermöglichen, die Leistungsfähigkeit sind. KI-Systeme kommen auf ganz ande- Voraussetzungen auftreten können. Bei- von KI zu beurteilen. Denn jeder Herstel- ren Wegen zu Ergebnissen, wie wir das spielsweise sollte einem so ein Begriff ler von KI-Software wird sich vielleicht tun. Wer das nicht berücksichtigt, kommt wie „adversarial tag“ etwas sagen. Das genau die Metriken raussuchen, mit eventuell zu falschen Ergebnissen. hört sich zwar furchtbar technisch an, denen sein Produkt so gut wie möglich KI bezeichnet keine Technologie, aber es bedeutet letztendlich, dass man dargestellt wird. Das muss aber nicht sondern steht als Sammelbegriff für einer KI ein Bild einer Ananas zeigt und bedeuten, dass diese Metriken die Leis- eine Vielzahl von Technologien. Wenn ihr sagt, dass es sich um eine Ananas tungsfähigkeit einer KI widerspiegeln. wir heutzutage über KI reden, meinen handelt. Ändert man aber wenige für Ein einfaches Beispiel dafür ist: wir meistens Machine Learning oder den Menschen nicht sichtbare Pixel Wenn Sie einen Classifier im Screening Deep Learning, da diese Bereiche in im Bild, könnte die KI schnell zu dem verwenden, der ganz seltene Erkran- den letzten Jahren einen Hype erfahren Ergebnis kommen, dass es sich um eine kungen erkennen soll, haben Sie ver- haben. KI umfasst aber noch viel mehr. Bratwurst handelt. Ein anderes Beispiel mutlich Datensätze mit einem starken Bevor man sich für KI interessiert, wäre: Eine KI, die auf Gesichtserken- Bias. Denn im Fall von seltenen Krank- sollte man sich zunächst mit einigen nung trainiert wurde, erkennt Falten in heiten gibt es leider sehr viele negative Begriffen vertraut machen. Für mich ist einem Sofakissen als Gesicht. Solange Fälle und eventuell nur einen positiven es wichtig zu verstehen, ob es sich um man eine digitale Fotokamera verwen- Datensatz, um den Algorithmus zu trai- Symbolische KI oder Deep Learning han- det, die sich anstatt auf das Gesicht von nieren. Legen Sie in diesem Fall eine delt: Greift das Computerprogramm auf Opa auf das Sofakissen fokussiert, ist A-priori-Wahrscheinlichkeit zugrunde menschliches Wissen und Verhaltens- das sicherlich egal. In der Medizin kann und sagen dem Screeningtool „nein die regeln zurück oder werden Algorithmen das schlimme Folgen nach sich ziehen. Erkrankung ist nicht vorhanden“, liegen 12 R ADIOLOGIE MAGAZIN · 3-2020
X- K L U S I V „Je komplexer die KI ist, umso schwieriger ist es nach- zuvollziehen, weshalb sich die KI für ein bestimmtes Ergebnis entscheidet.“ PD Dr. med. Felix Nensa, Leiter der Arbeitsgruppe für Künstliche Intelligenz am Institut für Diagnostische und Interven- tionelle Radiologie und Neuroradiologie an der Universitätsmedizin, Essen R ADIOLOGIE MAGAZIN · 3-2020 13
X- K L U S I V Sie in vielen Fällen schon richtig, da nur für Radiologie-KI auf die Beine stellen. ein Datensatz positiv ist. Eine Metrik, In Bern gibt es das bereits. die das nicht berücksichtigt, sieht super Zur Eröffnung des Studiengangs aus. Ohne diesen Hintergrund sollte „Certificate of Advanced Studies“ hielt ich man die Finger von KI lassen, da man im letzten Jahr im Insel-Spital die Eröff- nicht weiß, was sie tut. nungsvorlesung. In einigen Orten sind „Es ist nicht nur wichtig zu Radiologinnen und Radiologen soll- diese Weiterbildungen also bereits etab- wissen, was eine KI kann. Wichtig ten sich meines Erachtens erst eine liert, während sie andernorts gerade ent- ist auch zu wissen, wofür sich Übersicht zu den unterschiedlichen Her- stehen. Auch in unser Fachgesellschaft stellern und Lösungen verschaffen und der Deutschen Röntgengesellschaft die Algorithmen nicht eignen, anschließend die Software evaluieren. haben wir das Thema erkannt und KI zumindest jetzt noch nicht.“ Die alles entscheidende Frage lautet: Ist logischerweise als Schwerpunkt gesetzt. ein Produkt in der Lage, meinen Work- Die Kolleginnen und Kollegen können flow sinnvoll zu unterstützen? darauf vertrauen, dass wir uns in der DRG gerade intensiv mit der Wissensvermitt- ! Wie schafft man es, sich neben dem lung rund um KI beschäftigen. Alltagsgeschäft zusätzlich um die neuen Technologien zu kümmern? ! Welche Prozesse eigenen sich denn Das halte ich für eine ganz wichtige besonders, um mit KI in der Radiologie zu Frage, denn genau damit beschäftigen beginnen? auch wir uns. Wir haben hier in Essen Simpel gesagt bieten sich langweilige das Zentrum für Künstliche Intelligenz in und repetitive Tätigkeiten besonders an: der Medizin gegründet. Zunächst haben Wenn es also darum geht, etwas zu ver- wir damit begonnen, einmal im Semes- messen, etwas quantifiziert oder seg- ter eine Weiterbildung zu veranstalten. mentiert werden muss. Beim Workflow Damit möchten wir die Basis für eine sind es eher bestimmte Abläufe, die zukünftige Integration ins Medizinstu- man optimieren möchte, aber auch das dium schaffen. Ausserdem möchten Suchen in großen Datenbeständen lässt wir in Kürze eine Zusatzqualifikation sich mithilfe von KI besonders effizient 14 R ADIOLOGIE MAGAZIN · 3-2020
Zubehör für die Kernspintomographie X- K L U S I V automatisieren. Beim Reporting wäre beispielsweise eine automatische Integration von Informationen, wie das Durch- suchen von Bilddatenbank hinsichtlich ähnlicher Befunde, hilfreich oder im Hintergrund laufende Assistenten mit Hin- weisfunktion: „Hast du gesehen, dass der Patient auch eine Wirbelkörperfraktur hat?“ Wenn man manchmal axial durch eine CT scrollt und sich den Scan nicht nochmal sagittal ansieht, kann man schon mal schnell so eine Fraktur übersehen. Dinge, die für Radiologinnen und Radiologen intellektuell nicht herausfordernd aber zeit- aufwändig und oder langweilig sind, bieten sich besonders an, von Algorithmen ersetzt zu werden. Wichtig ist auch zu wissen, wofür sich die Algorithmen nicht eignen, zumindest jetzt noch nicht: das ist die Voll- automatisierung der Diagnostik ohne Supervision. Außerdem braucht wirklich niemand eine KI, um eine Lungenembolie oder intrakranielle Blutungen im CT zu erkennen. Das sieht man als Radiologe selbst mit wenig Erfahrung innerhalb von Millisekunden. In diesen Fällen stehen wir am Scanner und gucken unmittelbar auf die Bilder. Tatsächlich sind es eher die Hintergrundassistenten, die hilfreich sind, wenn es in der Routinediagnostik um Unterstützung geht. Uns allen ist die „Satisfaction of Search“ bekannt. Auf einem Thorax-Scan ist die Lungenembolie sofort zu erken- nen, damit ist man zufrieden und sagt „ja toll hab ich erkannt.“ Gleichzeitig übersieht man, dass es noch einen Leber- tumor gibt, obwohl die Leber auf dem CT noch ein bisschen angeschnitten ist. Selbst eine offensichtliche Läsion kann übersehen werden. Dafür sind Hintergrundassistenten gut. Die sind völlig stumm, aber denen entgeht sowas nicht, denn sie arbeiten ihr Programm zuverlässig ab. ! Wie baut man eine komplexe Radiologie-KI-Lösung auf? Der Aufbau komplexer Lösungen mit KI kann nur Schritt für Schritt gelingen. Ich bin ein ganz großer Verfechter von „ein Tool für eine Aufgabe“. Große Tools, die alles können, sind der falsche Ansatz. Mit KI ist es schon schwer genug nach- zuvollziehen, wie es zu einer Entscheidung kommt. Je mehr „Der MRT Fachhändler Aufgaben ein neuronales Netzwerk zu erledigen hat, umso komplexer wird es. meines Vertrauens.“ Da wird es zunehmend schwieriger, an bestimmten Stellschrauben zu drehen, und auch die Wiederverwendbar- keit ist nicht mehr so gegeben. Ich verwende lieber kleine Tools, die kleine Aufgaben richtig gut und transparent erledi- gen, sodass man nachvollziehen kann, wie sie zum Ergebnis gekommen sind. Wichtig sind auf jeden Fall offene Schnittstel- len und keine proprietären Datenformate. Es sollten DICOM- Daten angenommen und DICOM-Daten ausgegeben werden. FHIR oder HL7 sind ebenfalls in der Lage, strukturierte Doku- mente auszugeben. www.allmri.com Südstraße 23 · 74226 Nordheim Telefon: +49 71 33 / 23 70 220 · Telefax: +49 71 33 / 20 48 47 mail@allmri.com
X- K L U S I V Offene Standards und offene Schnitt- den Workflow ändert, indem man das stellen halte ich für ganz wichtig. Problem anders definiert, indem man Die Radiologie ist mit DICOM bereits klassische IT verwendet oder indem gut aufgestellt. Aber die anderen Dinge, man KI einsetzt. ob das RIS HL7 oder sogar FHIR unter- stützt, müssen unbedingt abgeklärt wer- ! 2016 postulierte Geoffrey Hinton, dass Die Universitätsmedizin Essen sorgt den, um eine Third-Party-Integration zu wir in fünf Jahren aufhören sollten, Radio- mit der Einrichtung des Instituts für ermöglichen. Unterschiedliche Systeme logen auszubilden. Die fünf Jahre sind jetzt Künstliche Intelligenz gemeinsam mit der Medizinische Fakultät der Universität von unterschiedlichen Herstellern soll- fast vorbei und es hat sich nicht besonders Duisburg-Essen und der Berufung von ten sich einfach integrieren lassen. viel geändert. Wie wird Ihrer Meinung nach gleich vier Professuren für Künstliche die Radiologie in fünf Jahren aussehen? Intelligenz in der Medizin die Voraus- ! Was fasziniert Sie persönlich an KI? Ich glaube die Radiologie wird in fünf setzung dafür, dass die vielfältigen Ein- Ich beschäftige mich inzwischen seit Jahren gar nicht soviel anders sein als zelaktivitäten in der Fakultät gebündelt werden können und Synergien in der mehr als 20 Jahren mit Informatik und heute. Meiner Meinung nach handelt es Entwicklung von Werkzeugen geschaffen programmiere auch selbst. Beim Pro- sich bei KI nicht um einen disruptiven werden. Alle Forschungs-Schwerpunkte grammieren geht es darum, dass Sie ver- Prozess, so wie das viele immer wieder werden dabei von der multiparametri- suchen, eine Aufgabe mittels eines Algo- herbeireden. KI kommt in der Radiolo- schen „omics“-Analyse komplexer Daten- sätze profitieren. rithmus zu lösen. Eine komplexe Aufgabe gie längst zum Einsatz, nur viele wissen wird solange in kleine Teilaufgaben zer- nicht, dass CTs oder MRTs in Rekons- legt, bis die kleinen Teilaufgaben lösbar truktionsalgorithmen längst selbstler- sind. Anschließend setzen Sie alles wie- nende Algorithmen verwenden. Für den der zu einem großen Algorithmus zusam- Anwender bedeutet das: mein MRT ist men. Wenn man das mag und der Typ schneller oder mein CT macht gleich dazu ist, findet man das ganz toll. gute Bilder, braucht aber weniger Dosis. Damals habe ich mich auch schon Das ist super, gehört aber zur normalen mit der Bilderkennung beschäftigt. Für Produktentwicklung. Menschen ist das total trivial: das ist ein Ich hoffe, dass sich in fünf Jahren die Hund, das ist eine Katze und das ist ein Spreu vom Weizen getrennt haben wird. Elefant. Mit klassischer Programmierung Durch den Hype sind Unternehmen ent- ist die Bilderkennung unfassbar schwie- standen, die Probleme lösen, die wir rig abzubilden. gar nicht haben. Hoffentlich setzen sich Die Robotik hatte immer Probleme bald Lösungen durch, die seriös sind damit. Was ein Zweijähriger kann, ist und einen deutlichen Mehrwert bieten. selbst für einen Hochleistungscomputer In fünf Jahren wird eine signifikante unmöglich. KI verfolgt einen ganz ande- Marktbereinigung stattgefunden haben ren Ansatz. Ich mach mir keine Gedan- und zwischen 50 bis 80 Prozent der ken über den Algorithmus, sondern ich Anbieter gibt es nicht mehr. Das ist mein mache mir Gedanken über Input- und optimistisches Szenario. Das pessimis- Outputdaten sowie über die Architektur tische Szenario sieht so aus: Zuviele eines Netzwerks. Und dieses Netzwerk Radiologen werden enttäuscht sein, da mit viel Rechenkapazität zu trainieren, sie mit überzogenen Erwartungen wenig finde ich faszinierend, da man mit KI seriöse Produkte ausprobiert haben und erfolgreich Aufgaben lösen kann, die von deren Funktion vollkommen ent- Jahrzehnte lang für Menschen als zu täuscht sind. Dadurch könnte der Trend komplex galten. Selbstlernende Algo- ins Gegenteil verzerrt werden, wodurch rithmen sehe ich nur als ein Werkzeug sich die Weiterentwicklung verzögert. von vielen. Aber eins ist klar: momentan bietet KI Bevor ich in der klinischen Radiolo- ein riesiges Potenzial und zahlreiche gie ein Problem löse, will ich erst wissen Möglichkeiten, Arbeitsabläufe in der radiologie.uk-essen.de ob es sich auch lösen lässt, indem man Radiologie zu optimieren. 16 R ADIOLOGIE MAGAZIN · 3-2020
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X- K L U S I V Struktur-Report Selbst nach 25 Jahren ist die Strukturierte Befundung in der Routine der Radiologie immer noch nicht angekommen. Doch die Künstliche Intelligenz benötigt strukturierte Daten, um zuverlässige Algorithmen zu trainieren. Guido Gebhardt sprach mit PD Dr. Pinto dos Santos, Oberarzt am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Uniklinik Köln und Leiter der Machine Learning und Data Science Group, über unterschiedliche Lösungs- ansätze und die klaren Vorteile, strukturiert zu befunden. ! Welche Vorteile bietet die Strukturierte Vorteil, dass die Befunde sich sprachlich den Befundbericht besser zu verstehen. Befundung? stilistisch immer ähnlich sind. Zusätzlich Und ich glaube, das ist der zentrale Punkt. Die Vorteile der Strukturierten Befundung wäre es vorstellbar, ähnlich wie in der Der Befund ist das Produkt, das der liegen mehr oder weniger auf der Hand. Labormedizin, den Befund mit Tabellen, Zuweiser von der Radiologie haben Aktuell ist es meist so, dass Radiolo- Parametern und Messwerten anzurei- möchte. Wenn es uns gelingt, den gen ihre Befunde als Freitext formulie- chern. Zum Pankreaskarzinom könnte Zuweisern relevante Informationen ver- ren. Dabei hat jeder hat seine eigenen da beispielsweise stehen, welches Gefäß ständlich darzustellen, weil es klarer ist, sprachlichen Vorlieben, was den Stil wie am Tumor involviert ist. weil es kürzer ist, weil es alles in allem angeht und was die Wortwahl angeht. Insofern denke ich, besteht der große besser ist, wird er ihn immer wieder von Hinzu kommt, dass nicht jeder immer Vorteil der Strukturierten Befundung uns haben wollen. präsent hat, für welche Fragestellung in einer stilistischen und inhaltlichen welche Inhalte relevant sind. Das heißt, Homogeneisierung, um einen bestimm- ! Ist es nicht so, dass auch bei der Auswer- Befunde verfügen sowohl über sprach- ten qualitativen Mindeststandard zu tung von Big Data im Zusammenhang mit lich stilistische als auch inhaltliche Vari- erreichen. Doch wenn der Radiologe Machine Learning Strukturierte Befunde ationen. Obwohl der Befund bestimmt übersieht, worum es geht, dringt das Vorteile bringen? per se nicht falsch ist, fehlt dem Zuwei- auch in einen Strukturierten Befund Ja genau, das kommt noch hinzu: Struk- ser eventuell eine wichtige Information, falsch ein. Der Strukturierte Befund ver- turierte Befunde sind von IT-Systemen da dem Radiologen die Fragestellung bessert also nicht per se den Radiolo- deutlich besser auszuwerten. Bei Frei- nicht eindeutig kommuniziert wurde. gen oder den Befund. text kann es sein, dass doppelte und Im Gegensatz dazu orientiert sich die Die Strukturierte Befundung sorgt dreifache Verneinungen vorkommen. Strukturierte Befundung, so wie wir sie in jedoch über Umwege für eine Verbesse- Da gibt jeder Computer auf. Dagegen der Deutschen Röntgengesellschaft den- rung: Wenn der Radiologe weiß, worauf sind tabellarische Eingabemasken sehr ken und wie es in der Literatur propagiert es ankommt, kann er sich festlegen und leicht maschinenlesbar und man kann, wird, an Befundvorlagen. Das hat den dem Zuweiser etwas an die Hand geben, beispielsweise basierend auf Eingaben, 18 R ADIOLOGIE MAGAZIN · 3-2020
X- K L U S I V aus dem Befund Workflows triggern. So ist es vorstellbar, dass aufgrund der Angabe zu einer bestimmten Größe von Lungenherden, automatisiert eine Emp- fehlung zur Verlaufskontrolle ausgelöst wird. Oder, wenn zu einem Lebertu- mor eine bestimmte Textur angegeben wird, folgt daraus eventuell sogar eine bestimmte Behandlungsempfehlung. In Zusammenhang mit Big Data und Künstlicher Intelligenz wäre es sogar vor- stellbar, aus einem deutschlandweiten Pool sämtliche Befunde und Bilder von Pankreastumoren rauszusuchen. Dann wüssten wir sofort, ob ein bestimmtes Gefäß involviert ist oder nicht. Mit diesen Informationen könnten wir zum einen eine KI trainieren oder zum anderen mit- hilfe eines Classifiers, der bestimmte Meniskusriss habe und genau weiß, „Die Strukturierte Befundung setzt sich leider Fragestellungen analysiert, viel einfacher worauf es ankommt, kann ich in einem nicht so durch, wie gedacht. Einige RIS / PACS- einen Strukturierten Befund befüllen als Satz alles wichtige beschreiben, was der Anbieter arbeiten aber bereits an Lösungen, die hoffentlich schon bald eine durchgängige einen Wust von Freitext zu erzeugen. Zuweiser wissen will.“ Strukturierte Befundung ermöglichen.“ Das trifft aber nur für Radiologen zu, Dr. Pinto dos Santos, Oberarzt am Institut für ! Verursacht die Strukturierte Befundung die wirklich sehr erfahren sind und die Diagnostische und Interventionelle Radiologie einen zeitlichen Mehraufwand? wirklich wissen, worauf es den Zuwei- der Uniklinik Köln und Leiter der Machine Learning und Data Science Group Derzeit ist das vermutlich noch so. Doch sern ankommt. Von der Strukturierten meines Erachtens liegt das auch daran, Befundung profitieren in erster Linie dass wir noch nicht die richtigen Werk- weniger erfahrene Radiologen sowie die zeuge an der Hand haben, um die Struk- zuweisenden Ärzte. Denn das Struktu- turierte Befundung einfach zu gestalten. rierte Abarbeiten von Checklisten sorgt Erfahrene Radiologen diktieren einen dafür, dass in jedem Befund sämtliche guten Befund ziemlich schnell. Deshalb Details exakt beschrieben werden. kommt aus der Praxis oftmals das Argu- Die Tatsache, dass die Strukturierte ment: „Wenn ich ein Knie-MR mit einem Befundung im Augenblick mehr Auf- R ADIOLOGIE MAGAZIN · 3-2020 19
X- K L U S I V wand erzeugt, liegt also daran, dass wir noch nicht über die richtigen Werkzeuge verfügen. Wenn ich beispielsweise im RIS erst eine eigene Anwendung starten muss, um anschließend im Zusatzprogramm zu klicken und im Bild zu scrollen, ist das als Workflow verständlicherweise nicht so gemütlich. Da ist es einfacher, weiterhin mit der Maus in der einen und dem Diktier- gerät in der anderen Hand zu arbeiten. Aber das scheint mir alles nur eine Frage von software- gestützten Lösungen zu sein, die eines Tages sicherlich ange- boten werden. Professor Forsting aus Essen propagiert seit Längerem „Man müsste die Befundung ganz neu denken“ und bräuchte am besten eine Art Tablet vor sich: mit der einen Hand scrollt und klickt man sich durch die Bilder und mit der anderen könnte man die Maus durch die Befundvorlage bewegen. Das heißt, ja, die Strukturierte Befundung verursacht aktuell noch einen Mehraufwand, den zahlreiche Radiologen nicht leisten möchten, da die vorhanden Systeme nicht ausreichend geeignet sind. Radiologen werden schließlich nicht für einen guten oder einen Strukturierten Befund bezahlt, sondern dafür, einen Befund in irgendeiner Art zu erstellen. ! Wie beginne ich, strukturiert zu befunden? Leider sind auch die Befundvorlagen der DRG nicht so einfach in die unterschiedlichen Radiologieinformationssysteme zu inte- grieren. Hier in Köln überführen wir die Inhalte der Vorlagen, so wie wir sie auf der DRG-Seite präsentieren, in ein einfaches Textdokument und holen es mit Copy&Paste ins RIS. So ist der Befund, der am Ende rauskommt, ähnlich strukturiert, wie wenn man die Befundvorlagen von der DRG verwendet hätte. Klar, das ist ein Provisorium. Aber es funktioniert einfach und gut. In manchen RIS-Systemen ist es möglich, Textbausteinketten einzurichten. Das ist zwar mit viel Aufwand verbunden, aber die einzige Lösung, die ich sehe, die in der Breite funktionieren könnte. Das Ziel der DRG-Vorlagen ist nicht, unbedingt so funk- tional zu werden, wie beispielsweise eine dedizierte Lösung für die Tumorverlaufskontrolle, sondern man nimmt das, was es an interoperablen Standards gibt, wie beispielsweise das IHE Profil, und versucht darin, die medizinischen Inhalte zu verpacken. Die Idee, die hinter den Befundvorlagen der DRG steckt, ist, den Herstellern Vorlagen mit exakten medizinischen Inhalten zur Verfügung zu stellen. Die funktionale Umsetzung können Vorlagen für die Strukturierte Befundung gibt es beispielsweise und wollen wir nicht beeinflussen. Denn es sind einerseits auf der Internetseite der DRG. Lösungen vorstellbar, die direkt mit den Bildern interagieren www.befundung.drg.de/de-DE/3199/befundvorlagen und so die Befundvorlage füllen. Andererseits wäre es eben- 20 R ADIOLOGIE MAGAZIN · 3-2020
X- K L U S I V falls möglich, nur mit der Befundvorlage zu interagieren und Dokumente und Laborwerte angezeigt werden, die zur Anam- die Bilder unabhängig zu betrachten. Natürlich ist auch ein Mix nese passen und relevant sein könnten, das Bild besser zu aus beidem vorstellbar oder etwas ganz Neues. interpretieren. Wir geben letztendlich lediglich den interoperablen medi- KI könnte auch helfen, die richtigen Serien nebeneinander zinischen Inhalt heraus. Um alles weitere müssen sich die zu hängen, um Bilder besser und schneller vergleichen zu Hersteller von RIS und PACS kümmern. können. Vorstellbar wäre sehr vieles. Aber wenn ich es mir wünschen dürfte, wäre eine workflow-optimierte Radiologie an ! Wie sieht Ihrer Meinung nach die Radiologie in fünf Jahren aus? erster Stelle. Individuelle Lösungen, die man besser auf den Ich glaube, die Radiologie in fünf Jahren sieht, wenn ich es Arbeitsablauf einstellen kann. Vom eigentlichen Ablauf würde mir wünschen dürfte, vermutlich nicht ganz so anders aus wie ich gar nicht so viel ändern. Meines Erachtens steckt für KI heute. Auf absehbare Zeit wird KI nicht in der Lage sein, die mehr Potenzial in der Workflow-Optimierung als in der Befund- Tätigkeiten eines Radiologen weitgehend zu übernehmen. unterstützung. Aber KI wird sicherlich helfen, bessere Workflows zu gestal- ten. Das könnte ein RIS sein, das sich besser an die Aufgaben anpasst, die man im Moment zu erledigen hat. Dabei stelle ich mir eine schlanke Lösung vor, bei der ich leicht auf die Anam- nese zugreifen kann. Eventuell sorgt KI dafür, dass zusätzlich radiologie.uk-koeln.de BESTENS IN DIE RADIOLOGISCHE ZUKUNFT STARTEN Um einen größtmöglichen Nutzen radiologischer Leistungen im medizinischen Gesamtkontext zu erzielen, müssen Bilddaten schnell und gezielt verfügbar sein. Neben grundlegenden Funkti- onen für die Befunderstellung umfasst das JiveX Enterprise PACS daher auch Komponenten, die den abteilungs- und einrichtungs- Wie es funktioniert? Sprechen Sie uns an, wir beraten Sie gern. +49 234 93693 - 400 Kontakt per E-Mail sales@visus.com R ADIOLOGIE MAGAZIN · 3-2020 21
X- P E R T Künstliche Intelligenz braucht Daten Ein Beitrag über das Spannungsfeld von KI in der Medizin, mit dem Daten- hunger solcher Systeme und dem Schutz von Patientendaten. 22 R ADIOLOGIE MAGAZIN · 3-2020
X- P E R T Insbesondere in Deutschland ist die Diskussion über die Nutzung von Künstlicher Intelligenz immer auch verknüpft mit einer Datenschutz- diskussion. Wie wird die Nutzung von Daten, die in den allermeisten Fällen ja einem Patienten „gehören“, ermöglicht? Muss ein Patient ein- willigen? Und wenn ja, wie und wo wird diese Einwilligung gespeichert? Für eine radiologische Einrichtung stellen sich schon viele Fragen. Daten Der Schutz der Daten Der Schutz medizinischer Patientendaten ist dabei kein Selbstzweck. Er ist unerlässlich und absolut notwendig. Die vielen, offen im Internet zugänglichen DICOM-Server – brauchen einige davon auch in Deutschland – haben im letzten Jahr gezeigt, dass eigentlich selbstverständliche Standards nicht überall eingehalten werden. Auch in 2020 gab es, selbst auf gut geschützte Patientendaten, in Krankenhäusern immer Schutz wieder gezielte Attacken. Ein Fall aus Finnland, bei dem es Angreifern gelang, sensible Daten eines Psychotherapiezent- rums mit 22 Standorten im Land zu erbeuten, zeigt die Brisanz. Zwei Jahre nach dem Diebstahl wurde nun begonnen, neben der Einrichtung auch Patienten zu erpressen. Diese sollen je etwa 200 Euro zahlen, damit keine Daten über ihre Behand- lung veröffentlicht werden. Und selbst Gesundheitsdaten, die mit den heute verfügbaren Verschlüsselungsmethoden geschützt sind, könnten mit zukünf- tiger Technologie in ein paar Jahren unter Umständen für solche Taten genutzt werden. Selbst wenn diese verschlüsselten Daten für einen Angreifer aus heutiger Sicht wertlos erscheinen. KI braucht Daten Für die Künstliche Intelligenz sind Daten dabei aber unerläss- lich. Je nach angewendeter Methode bei der Entwicklung einer medizinischen KI-Lösung benötigen die Entwicklerinnen und Entwickler einige hundert, einige tausend oder einige hundert- tausend Datensätze, um eine gute Vorhersage-Qualität zu erlangen. Die Daten sollten dabei möglichst passgenau zu den Daten sein, auf denen die KI später angewendet werden soll. Nur so werden am Ende auch in der Praxis gute Ergebnisse R ADIOLOGIE MAGAZIN · 3-2020 23
X- P E R T erzielt. Ein System, das darauf aus ist, stufige Interpretation möglich. Dabei Für die Entwicklung einer KI mit tausen- aus Pixeldaten passgenaue Vorher- wird zunächst erkannt, welcher Geräte- den Daten ist dies daher heute schon sagen über die Wahrscheinlichkeit von typ eine Aufnahme erstellt hat, um vor meist deshalb nicht möglich, weil sich Krankheitsanzeichen in einer radiolo- der eigentlichen Analyse zum Beispiel bei größeren Beständen an Altdaten gischen Aufnahme zu detektieren, ist einen gezielten Algorithmus zur Rausch- in einer Einrichtung der einwilligungs- dabei umso genauer, je besser es in der unterdrückung anzuwenden. Während- pflichtige Patient nicht mehr erreichen jeweiligen Umgebung trainiert wurde. dessen wird weiterhin versucht, die lässt. Große Bestände an Daten könn- So leuchtet es ein, dass ein Sys- Ethnie des Patienten zu erkennen oder ten also nur für die Zukunft aufgebaut tem, welches vor allem mit Bildern ein Organ zu segmentieren, bevor die werden. Eine Zukunft, bei der man dann von männlichen, chinesischen Patien- eigentliche Analyse zur Detektion einer aber den genauen Nutzer oder Nut- ten trainiert wurde, für eine Patientin Erkrankung angewendet wird. zungszweck oft noch nicht benennen europäischer Herkunft nicht unbedingt Die zweite Möglichkeit besteht darin, kann. brauchbare Ergebnisse erzeugt. Auch solche KI-Systeme vor der kommerziel- Eine Möglichkeit zur Nutzung besteht wenn die Abweichung bei Röntgenauf- len Anwendung auf Patientendaten mit in der vollständigen Anonymisierung nahmen von unterschiedlichen Geräten den lokal verfügbaren Patientendaten von Datensätzen. Eine Verwendung und verschiedenen Alters nur gering sein genau der Modalität zu trainieren, auf vielleicht sogar ein Weiterverkauf von mag, sodass generalisierte Classifier deren Bilder die KI zukünftig angewen- Daten wäre in diesem Fall auch ohne hier gute Detektionsergebnisse liefern, det werden soll. Dies bedeutet zwar explizite Patienteneinwilligung mög- ist dies bei CT und vor allem bei MRT- einen sehr viel größeren Aufwand bei lich. Wie eine solche Möglichkeit bei Geräten doch deutlich schwieriger. der Inbetriebnahme, verspricht aber Bilddaten eines Patienten aussehen Selbst bei baugleichen MRT-Scannern in der Regel bessere Ergebnisse und kann, ist aber strittig. Denn hier reicht werden mitunter an verschiedenen erfordert für das Training der Basisal- es kaum aus, Patientennamen, Identi- Standorten deutliche Unterschiede bei gorithmen, dass viel weniger sehr gut fikationsnummern oder Geburtsdaten der Anwendung von KI-Algorithmen gelabelte Daten ausreichen können. aus den Bildern und deren Metadaten beobachtet. Erst recht natürlich bei zu entfernen. Auch das Bild an sich darf Geräten unterschiedlicher Hersteller, Wie können Patientendaten für KI keine Informationen mehr enthalten, anderer Altersklassen und mit abwei- genutzt werden? mit denen sich die Patienten identifizie- chenden Feldstärken. Um Patientendaten für das Training von ren lassen. Gerade die KI-Technologie auf Künstlicher Intelligenz basierenden wäre aber in der Regel geeignet, um ein Zwei Ansätze für KI Systemen nutzen zu können, muss in anonymisiertes Röntgenbild treffsicher Dabei gibt es nun zwei Ansätze in der Europa in der Regel das Einverständ- einem anderen Röntgenbild desselben Entwicklung von radiologischen KI-Sys- nis der Patientinnen und Patienten ein- Patienten zuzuordnen, und so die Iden- temen. Zum einen kann mit sehr gro- geholt werden. Normalerweise reicht tifikation zu ermöglichen. ßen Datenmengen versucht werden, dafür ein allgemeiner Passus in einem Um Daten weitergeben zu können, eine universelle Lösung zu entwickeln, Behandlungsvertrag nicht aus, der zum sollte auch bei anonymen Daten immer deren Algorithmus aufgrund der Vielzahl Beispiel an einer Universitätsklinik die eine zumindest allgemeine Einverständ- an Trainingsdaten „Erfahrung“ mit einer Nutzung von Daten zu Forschungszwe- niserklärung erhoben werden. Dabei Vielzahl von unterschiedlichsten Geräten cken gestattet. Sollen die Daten für die muss systemseitig auch sichergestellt gesammelt hat, und damit auch die Entwicklung einer KI weitergegeben werden, dass Daten eines Patienten, der Bilddaten von verschiedensten Modali- werden, muss ein solches Einverständ- eine solche Einwilligung nicht gibt, oder täten mit guter Qualität befunden kann. nis immer den konkreten Anwendungs- der einer Nutzung sogar explizit wider- Bei diesem Ansatz ist auch eine mehr- fall und den Empfänger benennen. spricht, so gekennzeichnet sind, dass 24 R ADIOLOGIE MAGAZIN · 3-2020
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