Nr. 107 Winter 2019 Sportliche Radler Himmlische Botin Entspannte Urlauber - Stadt Nürnberg

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Nr. 107 Winter 2019 Sportliche Radler Himmlische Botin Entspannte Urlauber - Stadt Nürnberg
Nr. 107   Winter 2019

                        Sportliche Radler

                        Himmlische Botin

                        Entspannte Urlauber
Nr. 107 Winter 2019 Sportliche Radler Himmlische Botin Entspannte Urlauber - Stadt Nürnberg
Nr. 107 Winter 2019 Sportliche Radler Himmlische Botin Entspannte Urlauber - Stadt Nürnberg
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Editorial
Nicht zu übersehen sind Rennräder, die im „Eddy would attack“ von der Decke hängen. Laden und
Werkstatt mit angeschlossenem Café gehören zu den Treffpunkten einer wachsenden Rennradszene
in Nürnberg, die sogar eine eigene „Tour de Franken“ organisiert. Ein Beitrag ab Seite 28 stellt die
ambitionierten Freizeitsportler vor.
Fotogrundlage: Martin Schmidt

Vor knapp drei Jahren hat ein Bericht des Nürnber-                    wichtigste Repräsentantin. Seit 50 Jahren wird das
ger Amts für Stadtforschung und Statistik für große                   schönste Ehrenamt der Stadt nach dem gleichen
Aufmerksamkeit gesorgt. 1525 war Nürnberg als                         Wahlverfahren vergeben. Dieses runde Jubiläum ist
erste Stadt der Reformation gefolgt, fast 300 Jahre                   uns Anlass genug, in einer mehrteiligen Geschichte
war die Bevölkerung fast ausschließlich evangelisch.                  auf ein halbes Jahrhundert Nürnberger Christkind
Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert kamen                   und seine Bedeutung zu schauen.
verstärkt katholische Neubürger in die Stadt. Bei der
Volkszählung 1970 gab es 54 Prozent evangelische                      Neben diesem Thema beleuchtet „Nürnberg Heute“
und 37 Prozent katholische Einwohner. Ende 2016                       wieder viele andere Facetten, die unsere Stadt aus-
verzeichnete das Einwohnermelderegister nur noch                      machen. Eine Reportage widmet sich zum Beispiel
27 Prozent evangelische und 25 Prozent katholische                    dem Albrecht Dürer Airport, an dem sich mehr als
Christen in Nürnberg. 48 Prozent der Bewohnerin-                      4 000 Menschen vor allem um das Wohl der Reisen-
nen und Bewohner gehörten einer anderen oder gar                      den kümmern. Wir gehen der Frage nach, wie es
keiner Religionsgemeinschaft an.                                      um die Qualität der Nürnberger Luft bestellt ist und
                                                                      lenken in einem Essay den Blick auf ein besonderes
Trotz zunehmender Säkularisierung prägen unsere                       Gut der Stadt: den öffentlichen Raum. Und wie ge-
Gesellschaft aber weiter (christliche) Traditionen.                   wohnt fassen die Rubriken-Seiten wieder wichtige
Auf den Reformator Martin Luther geht die Figur                       Ereignisse des Stadtgeschehens kurz und bündig
des Christkinds zurück, das den Kindern an Weih-                      zusammen.
nachten Geschenke bringt. Bereits vor Jahrhunder-
ten wurden dafür Waren auf Märkten angeboten.                         Wir wünschen bei der Lektüre viel Freude.
Schon lange ist der Nürnberger Christkindlesmarkt
weltbekannt. Das Nürnberger Christkind ist seine                      Ihre „Nürnberg Heute“-Redaktion
Nr. 107 Winter 2019 Sportliche Radler Himmlische Botin Entspannte Urlauber - Stadt Nürnberg
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     Inhalt

     6   Panorama
         Dürer in Wien / Parkhaus für Räder /
         Essbares aus der Stadt / Nachwuchs
         bei den Gorillas

     8   Profil
         Fanbetreuer Jürgen Bergmann ist für
                                                    46   Perfekt ausgeleuchtet – erfolgreich
                                                         mit Lichttechnik

         die Anhänger des 1.FC Nürnberg da

    25   Menschen
         Ausgezeichnete Dirigentin / Weltmeister-
         licher Schwimmer / Mutiger Kämpfer /
         Preisverdächtiger Schüler

    41   Report
         Clubhaus in erstklassiger Lage / Helden
         der Südstadt / Straße für Radfahrer /
         Kanaldeckel mit Wappen

    53   Blickpunkt
         Aus Beton mach bunt / Spielzeugwaffen
         als Friedensskulptur / Symphoniker
         gastieren in Singapur / Ämter ziehen in
         die Quelle

    67   Bücher & Mehr
         Von der Spiele-Sammlung zum Museum /
         Dem Karpfen auf der Spur / Nürnberg-
         Impressionen aus vergangenen Tagen /
         Herrensitze im Kalenderformat

    74   Impressum
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                                      10 Gute Reise!
                                           Der Albrecht Dürer Airport punktet mit Rundumservice

                                      16   Ein zauberhaftes Wesen
                                           Seit 50 Jahren wird das weltberühmte Christkind gewählt

                                      28   Sie drehen am Rad
                                           Eine wachsende Rennradszene vereint Sport und Freizeit

                                      34   Wie steht es um unsere Stadtluft ?
                                           Die Verbesserung der Güte fest im Blick

                                      46 Es werde Licht
                                           Die Firma Barthelme ist LED-Technologieführer

                                      50 Hohes Gut

10   Fernweh inklusive – ein Tag am        Die Bedeutung des öffentlichen Raums

     Flughafen

                                      60   Lieblingsstücke
                                           Hochwertige Produkte aus Manufakturen
           Immer im Mittel-
           punkt – das Nürn-
           berger Christkind

                      16                   Das Online-Angebot rund um „Nürnberg Heute“:
                                           www.nh.nuernberg.de
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6               Panorama

         Ausleihen und los
         Anmelden und losradeln – dazu lädt das
         Fahrradverleihsystem VAG Rad ein. Rund
         300 Räder stehen seit Juni 2019 als um-
         weltfreundliches Fortbewegungsmittel
         in der Stadt zur Verfügung. Die Ausleihe
         erfolgt per App, so dass eine flexible
         Fahrtdauer möglich ist. Eine Minute kos-
         tet fünf Cent, VGN-Abo-Kunden erhalten
         nach der Registrierung 600 Freiminuten
         im Monat. Zurückgegeben werden kann
         das VAG Rad entweder an einer der
         20 Stationen oder innerhalb der Flexzo-
         ne, die Maxfeld, die Altstadt, St. Johannis
         und Gostenhof umfasst.                             Foto: Andrè De Geare

    Dürer-Meisterwerke in Wien
    Freunde des großen Nürnberger Künstler-Sohns Albrecht Dürer dürfen
    diese Ausstellung nicht verpassen: Noch bis 9. Januar 2020 zeigt
    die Albertina in Wien mit über 200 Exponaten Dürers zeichnerische,
    druckgrafische und malerische Werke. Zu sehen sind Ikonen der
    Zeichnung, darunter der „Feldhase“, die „Betenden Hände“ und das
    „Große Rasenstück“. Ausgestellt ist auch der Flügel einer Blauracke
    (Bild), entstanden um 1500. Die Albertina verfügt über den weltweit
    bedeutendsten Bestand an Dürer-Grafiken und Aquarellen.

                                                 Foto: Axel Eisele

                                                                                    Foto: Ramona Such

                                                                                   Ein süßer Fratz
                                                                                   Goldiger Nachwuchs im Tiergarten: Nachdem
                                                                                   das Gorillaweibchen Habibu am 3. November
                                                                                   2019 ihr erstes Junges zur Welt gebracht hat,
                                                                                   hat der Zoo einen neuen Publikumsliebling. Die
                                                                                   zwölfjährige Habibu kümmert sich fürsorglich
                                                                                   um ihren Nachwuchs. Auch die gesamte Gruppe
                                                                                   samt Vater Thomas nimmt das Kleine gut an. Das
     Foto: Albertina, Wien                                                         Gorillaweibchen Habibu wurde im Zoo Zürich ge-
                                                                                   boren, seit 2014 lebt es im Tiergarten Nürnberg.
Nr. 107 Winter 2019 Sportliche Radler Himmlische Botin Entspannte Urlauber - Stadt Nürnberg
Panorama                                            7

                                                                                                 Zum Anbeißen
                                                                                                 Essbare Stadt heißt ein Projekt, das Bürgerinnen
                                                                                                 und Bürger zum Gärtnern, Ernten und Schnabu-
                                                                                                 lieren aufruft. Nach der Premiere am Egidienplatz
                                                                                                  ist die Essbare Stadt nun auch auf einer zweiten
                                                                                                   Fläche (Bild) zwischen der Jakobskirche und der
                                                                                                   Feuerwache 3 zuhause. Tomaten, Salat, Mangold
                                                                                                    und verschiedene Kräuter gedeihen hier zur
                                                                                                    Freude und zum Genuss aller. Das Projekt ist
                                                                                                     eine Zusammenarbeit des Ernährungsrats für
                                                                                                     Nürnberg und Umgebung mit Bluepingu e.V.

Foto: Giulia Iannicelli

                                                                        Christkind Benigna
                                                                        Benigna Munsi ist das Christkind der
                                                                        Jahre 2019 und 2020. Die Schülerin des
                                                                        Labenwolf-Gymnasiums konnte bei der
              Parkhaus für Fahrräder                                    Wahl am 30. Oktober 2019 die Jury von sich
              Nürnbergs erstes Fahrradparkhaus entsteht                 überzeugen. Die Vertreterinnen und Vertreter
              auf der Südseite des Hauptbahnhofs am                     der Stadt, der Medien, der Congress- und
              Nelson-Mandela-Platz. Raum für 400 Räder                  Tourismus-Zentrale, des Staatstheaters und
              bietet das überdachte Gebäude. Neben eige-                Vorjahreschristkind Rebecca Ammon waren
              nen Stellflächen für Lasten- und Liegeräder               besonders von der offenen, frischen Art der
              oder Räder mit Anhängern werden Spinde                    17-Jährigen angetan. Zu ihren Aufgaben gehö-
              mit Akkulademöglichkeiten sowie zwei                      ren neben der Eröffnung des weltberühmten
              Servicestationen für die eigene Fahrrad-                  Christkindlesmarkts zahlreiche Besuche in
              reparatur zur Verfügung stehen. Eröffnet                                                                                                                      lli
                                                                        karitativen Einrichtungen (siehe Seite 16).                                                  ic e
                                                                                                                                                          I   a nn
              wird das Fahrradparkhaus voraussichtlich im                                                                                          i ulia
                                                                                                                                      Fo t o : G
              März 2020.
               Foto: Architekturbüro SRAP Sedlak Rissland Architekten
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8   Profil

    Eine Liebe fürs Leben
    Auch wenn die Emotionen im Stadion hochkochen: Jürgen Bergmann bewahrt
    einen kühlen Kopf. Mit vollem Einsatz ist der Fanbetreuer seit 18 Jahren für die
    Clubanhänger da. Dafür muss er manchmal auch jemandem aufs Dach steigen.

    „Ich bin Streetworker, Psychologe, Diplomat, Übersetzer, Anwalt,   Auch zwischen den Spieltagen ist der Fanbetreuer für die An-
    Reiseleiter, Kindergärtner und vieles mehr“, sagt Jürgen Berg-     hänger da: In seinem Büro, das er sich meist mit zwei Kollegen
    mann. Kuriose Situationen erlebt er zuhauf: Einmal musste er       teilt, bearbeitet er Anliegen und Wünsche der Fans telefonisch
    mithelfen, einen Fan vom Stadiondach bei Union Berlin herun-       oder per E-Mail. Da kann es um die Situation an den Stadion-
    terzuholen, der dort nach besserem Handyempfang suchte, um         eingängen gehen, um den Bierpreis oder auch um Merchan-
    seine Freundin anzurufen. „Was so alles passiert, glaubt man       dising-Artikel im Fanshop – oder darum, „dass Club-Legende
    nicht, wenn man nicht dabei ist“, erzählt der Fanbeauftragte       Marek Mintal doch bitte zum Geburtstag vorbeischauen soll“,
    des 1. FC Nürnberg. Seit 2001 macht der 56-Jährige diesen Job      erzählt er. Zwei Mal im Jahr treffen sich die Vorsitzenden aller
    ehrenamtlich, seit 2007 hauptberuflich. Unter dem ehemaligen       offiziellen FCN-Fanclubs mit der Vereinsführung. Der Fanbetreu-
    Sportvorstand Martin Bader entschloss sich der FCN, seine          er plant und moderiert die Treffen, außerdem vermittelt er zwi-
    Fanarbeit professioneller anzugehen.                               schen Verein und Fans. Bergmann und seine Kollegen besuchen
                                                                       die Fanclubs aber auch einzeln. Häufig sind Vorstandsmitglieder
    Damit war der Verein früher dran als andere. Erst seit 2011 sind   und Profispieler dabei. Bei über 700 Fanclubs können das bis zu
    die Profivereine verpflichtet, hauptamtliche Fanbeauftragte zu     100 Treffen pro Jahr für ihn und seine Kollegen werden.
    beschäftigen. Bergmanns berufliche Karriere beim Club begann
    2003, als er Leiter des Fanshops am Valznerweiher wurde.         Für den 56-Jährigen ist die Arbeit bei seinem Herzensverein
    Davor war er Diplomkaufmann im Vertrieb, die ehrenamtliche       etwas ganz Besonderes. Gerne erinnert er sich an seine erste
    Fanarbeit lief nebenher. Sie ließ sich aber                                            Saison, als der Club 2007 Pokalsieger wur-
    immer schwieriger mit der Berufstätigkeit                                              de und er den DFB-Pokal in den Händen
                                                     „Wenn du dein Hobby
    vereinbaren, auch weil die Wochenenden                                                 hielt. Am Fußball fasziniert ihn, wie der
    sowieso schon dem Club gehörten. Welche zum Beruf machst, hast Sport die Menschen zusammenbringt: „In
    Aufgaben Fanbeauftragte konkret haben,           du kein Hobby mehr“                   der Kurve steht der Anwalt neben dem
    legen die Vereine unterschiedlich aus.                                                 Hartz-IV-Empfänger, der Arbeiter neben
    Beim Club heißt es, „die Fanbetreuung bildet die Schnittstelle   dem Bankdirektor. Die Leute verbindet eigentlich nichts, außer
    zwischen Fans und Verein“.                                       die Liebe zum 1. FC Nürnberg.“ Und es gebe viele Beispiele
                                                                     dafür, dass Fans Gutes auf die Beine stellen: Spendensammlun-
    Jürgen Bergmann arbeitet in einem sechsköpfigen Team aus         gen etwa und natürlich die vielen farbenprächtigen Choreogra-
    drei hauptamtlichen und drei ehrenamtlichen Kolleginnen und      fien wie etwa 2012 für den ehemaligen jüdischen Trainer Jenö
    Kollegen. Eine seiner Kernaufgaben ist es, Spieltage vorzube-    Konrád, der von den Nationalsozialisten verfolgt wurde und
    reiten. Er muss sich sowohl zuhause als auch auswärts mit den    bereits 1932 Verein und Stadt verließ.
    Kollegen der gegnerischen Mannschaft und den Sicherheits-
    kräften absprechen. Er meldet etwa die Anzahl der Fahnen,        Der Einsatz gegen Rechtsextremismus ist für Bergmann eine
    Trommeln und anderer Fan-Utensilien an und gibt durch,           Verpflichtung aus der Geschichte des Clubs, der ab 1933 seine
    wie viele Mitreisende auf welchen Routen die Mannschaft          jüdischen Mitglieder ausgeschlossen und sich bereitwillig der
    auswärts begleiten. Sicherheitsrelevante Informationen stellt    nationalsozialistischen Führung untergeordnet hat. Im Juni
    die Fanbetreuung auch den Fans zur Verfügung. Vor Ort gibt es    2019 unternahm der Verein eine zweitägige Gedenkfahrt in das
    immer noch eine Vor- und Nachbesprechung des Spieltags mit       ehemalige Konzentrationslager Flossenbürg. Die Resonanz der
    Sicherheitskräften und Fanbetreuern beider Teams.                20 Teilnehmer war sehr positiv. Die Fahrt soll im nächsten Jahr
Nr. 107 Winter 2019 Sportliche Radler Himmlische Botin Entspannte Urlauber - Stadt Nürnberg
Profil     9

Die Legende lebt: Als Fanbetreuer kümmert sich Jürgen Bergmann mit viel Herzblut um die Anhänger des 1.FC Nürnberg. Foto: Christine Dierenbach

wiederholt werden. Längerfristig seien auch Reisen nach Ausch-            Köln, Stuttgart oder Dresden. „Mit der überwiegenden Mehrheit
witz oder in die Gedenkstätte Yad Vashem in Israel wünschens-             der Fans gibt es keine Probleme“, sagt Bergmann.
wert und vorstellbar, findet Bergmann.
                                                                          Die Heimspiele verbringt Jürgen Bergmann meist auf der
Fußball ist für ihn Emotion pur, einer der wenigen Freiräume in           Haupttribüne, weil er von dort einen guten Blick auf das ganze
einer komplett durchgeregelten Gesellschaft. Mitunter kochen              Geschehen in den Fanblocks hat und relativ schnell überall sein
die Emotionen aber über. „In dem Job ist man auch manchmal                kann, falls sein Eingreifen nötig wird. Völlig unbeschwert Fuß-
mit Gewalt konfrontiert“, sagt er. Beginnende Auseinander-                ball schauen könne er nicht mehr: „Wenn du dein Hobby zum
setzungen unter Zuschauern oder zwischen Zuschauern und                   Beruf machst, hast du kein Hobby mehr.“ Aber Fanbeauftragter
der Polizei versuchen die Fanbetreuer zu verhindern. „Aber                zu sein ist für ihn ein „Vollblutjob“: kein 40-Stunden-Job, Arbeit
da muss jeder selbst entscheiden, in welcher Situation es wie             am Wochenende oder an Feiertagen ist selbstverständlich. Und
weit möglich ist, zu beruhigen“, sagt Bergmann. Wie Dees-                 der 56-Jährige ist keiner, der dabei auf die Uhr schaut.
kalation gelingen kann, lernen Fanbetreuer in regelmäßigen,
verpflichtenden Schulungen der Deutschen Fußball Liga. Der                Dafür ist die persönliche Verbundenheit zum Club viel zu groß.
Fanbetreuer schaue immer, wo Möglichkeiten zur Konfliktlö-                Seit rund 40 Jahren gibt der FCN bei ihm den Ton an. Auch
sung und Deeskalation sind, aber es gebe Grenzen. Und das                 Bergmanns Familie teilt diese Leidenschaft. Seine Frau drückt
Gewaltmonopol liege ganz klar bei der Polizei. „Ein bisschen              dem Club die Daumen und auf seine beiden erwachsenen
schade ist, dass Störungen oft Titelseiten füllen und manchmal            Kinder hat die Begeisterung ebenfalls abgefärbt: „Wenn da
versucht wird, das auch noch zu skandalisieren. Wenn du dann              jemand auf die Idee gekommen wär‘, in der Nachbarstadt eine
versuchst, etwas zu erklären, wirst du sehr schnell als Verharm-          Dauerkarte zu kaufen, hätte das schon größere Erbstreitigkeiten
loser dargestellt“, findet er. Es gebe auch in Nürnberg nicht             nach sich gezogen“, sagt er. Aber mit Streitigkeiten kennt er
mehr oder weniger Probleme als bei Vereinen wie Frankfurt,                sich ja aus.                              Johannes Sporrer
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Bevor das Flugzeug wieder abheben darf, wird
es auf dem Vorfeld auf Herz und Nieren geprüft.
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Text Thomas Meiler Fotos Christine Dierenbach

Gute Reise !
Die eine jettet zum nächsten Geschäftstermin, der andere hat einen
Christbaum im Gepäck. Am Albrecht Dürer Airport kümmern sich mehr
als 4 000 Menschen darum, dass Reisende entspannt abheben können.
Sie erfüllen viele Wünsche – vom Parkservice über die Suche nach dem
Traumurlaub bis zur stylishen Frisur.
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Satwik Saraswati bei den Gepäckermittlern von „Lost & Found“.   Julia Mandlinger (li.) und Lena Neubauer vergnügen sich im Duty-Free-Shop.

                          Die zwei jungen Frauen haben sichtlich Spaß: Ki-                 des 650 Quadratmeter großen Ladens. Für Reisende
                          chernd schlendern sie durch den Duty-Free-Shop im                innerhalb der EU übernehme zudem der Duty-Free-
                          Obergeschoss des Albrecht Dürer Airports. Beson-                 Händler die Steuerlast, sodass sich der Einkauf loh-
                          ders die Parfüm-Abteilung hat es Julia Mandlinger                ne. Rund 15 000 Artikel sind im Angebot. „Am bes-
                          und Lena Neubauer angetan, mal greifen sie sich                  ten gehen Klassiker wie Parfüms von Chanel und Jil
                          einen schicken Flakon aus dem Regal, mal sprühen                 Sander, Spirituosen und, ganz regional, Nürnberger
                          sie sich aus einem Tester Eau de Toilette ins Dekolle-           Lebkuchen und Nürnberger Bratwürste samt Sauer-
                          té. Eine der beiden hat eine angebrochene Flasche                kraut in Dosen“, zählt Brehm auf.
                          Wein unterm Arm. „Gegen meine Flugangst“, sagt
                          sie. Die beiden 18-Jährigen aus dem oberbayeri-                  Die Service GmbH betreibt neben dem Duty-Free-
                          schen Eichstätt wollen die nächsten fünf Tage den                Shop im Sicherheitsbereich zwei weitere Läden: den
                          Ballermann unsicher machen. Und bis ihr Flieger um               Nürnberg Store mit fränkischen Produkten und den
                          11.35 Uhr endlich Richtung Mallorca abhebt, ver-                 Gate-Shop mit Mode und Elektronikprodukten. Der
                          treiben sie sich die Zeit in den Geschäften.                     Airport-Shop in Halle 1 führt Reiseartikel und Post-
                                                                                           dienstleistungen und ist für jedermann zugänglich.
                          Der Duty-Free-Shop hat im Sommer rund um die                     „Der Nürnberger Flughafen ist der einzige, der ei-
                          Uhr geöffnet, in der weniger stark frequentierten                nige Läden in Eigenregie führt“, betont Katharina
                          Wintersaison zwischen 4 und 22.30 Uhr. Vom zoll-                 Brehm. Natürlich gebe es noch eine Vielzahl weite-
                          freien Shoppen ist allerdings bis auf den Namen                  rer Geschäfte, etwa Buchhandlungen, Backshops
                          nicht mehr viel übrig, seit die Europäische Union                und Cafés, Filialen einer Fast-Food- und einer Res-
                          (EU) 1999 den steuerfreien Einkauf über die Län-                 taurant-Kette und eine Bar.
                          dergrenzen der Mitgliedsstaaten hinweg bis auf
                          wenige Ausnahmen abgeschafft hat. Trotzdem darf                  Hinter den Kulissen, in einer der beiden Gepäck-
                          im Duty-Free-Shop nur einkaufen, wer eine gültige                sortieranlagen, haben Christian Ismayer und seine
                          Boarding-Card besitzt, sagt Katharina Brehm, stell-              Kollegen alle Hände voll zu tun. Bis zu 2 400 Ta-
                          vertretende Betriebsleiterin der Flughafen Nürnberg              schen und Koffer purzeln vom Band – pro Stunde.
                          Service GmbH. Im Duty-Free-Shop gebe es vor al-                  Für Sperrgepäck gibt es einen Sonderschalter. „Da
                          lem Sondergrößen oder exklusive Sorten, die extra                geht dann schon auch mal ein echter Christbaum
                          dafür produziert würden, erläutert sie die Vorzüge               auf die Reise, damit der Weihnachtsurlaub auf
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La Palma stilecht verläuft“, berichtet der Verlader                 Zu „Lost & Found“ kommen nicht nur Reisende auf
und stapelt den nächsten Koffer in den Rollwagen.                   Koffersuche, sondern auch Kunden, deren Gepäck
Die Sortieranlagen sind rund um die Uhr in Betrieb.                 beschädigt wurde oder die etwas im Flugzeug ver-
Pro Schicht stemmt ein Verlader bis zu zwei Tonnen                  gessen haben. „Es fehlt täglich etwas“, weiß Er-
Gewicht. Mit einem Minicomputer am Handgelenk                       mittlerin Jessica Kraus: Kuscheltiere, Regenschirme,
scannt Christian Ismayer den Strichcode-Aufkleber,                  Jacken, Brillen, Stifte oder Handys.
den jeder Koffer am Check-In bekommen hat. Sind
die Daten einmal erfasst, lässt sich jedes Gepäck-                  Seit der Inbetriebnahme des Flughafens am 6. April
stück über den ganzen Erdball verfolgen.                            1955 ist die Zahl der Reisenden stetig gestiegen: von
                                                                    40 000 im Jahr 1955 auf 3,16 Millionen 2000 und
Darauf hofft auch Satwik Saraswati. Der gebürtige                   rund 4,5 Millionen 2018. Vor 20 Jahren beschäftig-
Inder steht am Schalter der Gepäckermittlung „Lost                  te der Flughafen rund 700 Menschen, heute sind
& Found“. Auf seinem Trip nach New York ging                        es mehr als 1 000, die für die Flughafen Nürnberg
beim Umsteigen in Paris sein blauer Trolley verlo-                  GmbH und ihre beiden Töchter AirPart (Abfertigung)
ren. „Am Flughafen Charles de Gaulle gab es ein                     und Service GmbH (Shops, Duty Free, Parkhäuser)
Problem. Viele meiner Mitreisenden kamen ohne                       tätig sind. Am Standort selbst arbeiten rund 4 000
Gepäck in New York an. Ich leider auch“, erzählt                    Menschen: in Behörden wie Zoll, Flugsicherung,
der 37-Jährige frustriert. In dem vermissten Ge-                    Wetterdienst oder Polizei sowie bei Speditionen,
päckstück transportierte der Designer des Sportar-                  Autoverleihern, in Reisebüros und Geschäften.
tikelherstellers Adidas Entwürfe, die er in New York
präsentieren sollte, sowie persönliche Gegenstände                  In der Ankunftshalle im Erdgeschoss herrscht ein
und Kleidung. „Zur Entschädigung habe ich von der                   hektisches Kommen und Gehen. Braungebrann-
Fluglinie 50 Dollar pro Tag bekommen. Dafür be-                     te Urlauber schleppen Rucksäcke und Koffer nach
kommt man in New York gerade mal ein T-Shirt“,                      draußen. Direkt hinter der Schleuse wartet ein blon-
kritisiert er. Nach der Landung in Nürnberg führt                   der Junge. Das große Schild, das er an einer Kordel
sein erster Weg zur Gepäckermittlungsstelle. Dort                   um den Hals trägt, weist ihn als das unbegleitete
sucht Ermittler Janis Kern per Computer nach dem                    Kind Lennox-Louis Vespermann aus. Mit der linken
verschwundenen Stück. „Wir haben leider keine                       Hand umklammert er den Griff seines Rollkoffers,
Informationen, wo sich der Koffer derzeit befindet,                 mit dem anderen Arm drückt er das Kuschel-Po-
aber wir informieren Sie, wenn er aufgetaucht ist“,                 kémon „Bisasam“ an sich. Gerade kommt er von
vertröstet er Saraswati.                                            einem zweiwöchigen Besuch bei den Großeltern in

Das Flugzeug ist ruckzuck entladen. Transportwagen bringen die Koffer zur
Sicherheitsschleuse, hinter der die Eigentümer auf ihr Gepäck warten.
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                       Hamburg zurück. Schlagartig weicht sein schüch-             akribisch beäugt, egal, ob Passagierbus, Gepäckwa-
                       ternes Lächeln einem erlösten Lachen: Mama und              gen oder Flugzeug. „Für die Flugbewegungen in der
                       kleiner Bruder durchqueren die Halle. Glücklich fällt       Luft ist die Deutsche Flugsicherung im großen Tower
                       sich die Familie in die Arme.                               zuständig. Wir kümmern uns hingegen insbesonde-
                                                                                   re um den rollenden Verkehr auf dem Vorfeld“, sagt
                       „Lennox-Louis ist bereits zum zweiten Mal allein ge-        der Leiter der Verkehrsleitung, Christoph Seibert.
                       flogen“, sagt Mutter Lara Vespermann-Wunderle.              Bei 150 Flugbewegungen pro Tag bleibt der Mann-
                       Kinder allein mit dem Flugzeug zu verschicken, sei          schaft keine Zeit für Träumereien.
                       einfach: Bereits am Check-In wartet ein Betreuer auf
                       das Kind und begleitet es ans Gate. Dort nimmt es           Bevor Fluggäste in der Ankunftshalle ihre Koffer
                       eine Stewardess unter ihre Fittiche und setzt es ins        vom Fließband nehmen können, werden diese einer
                       richtige Flugzeug. Am Ankunftsort übergibt die Ste-         Röntgenprozedur unterzogen. Auch Bargeld-, Ta-
                       wardess das Kind wiederum an einen Betreuer, der            bak- oder Drogenspürhunde kommen zum Einsatz.
                       dafür sorgt, dass das Kind an den bevollmächtigten          36 Zollbeamte wechseln sich im Schichtdienst ab.
                       Abholer übergeben wird – nur gegen Ausweis und              Sie suchen nach Auffälligkeiten und kontrollieren
                       Unterschrift, versteht sich.                                stichprobenartig Reisende, ob sie Waren einführen,
                                                                                   die nachzuversteuern oder gar verboten sind. Dar-
                       Auf dem Rollfeld herrscht hektische Betriebsam-             unter fallen beispielsweise 50 000 geschützte Tier-
                       keit. Eine Eurowings-Maschine aus dem kroatischen           und Pflanzenarten, die nach dem Washingtoner
                       Split spuckt Urlaubsrückkehrer aus. Francesco Aroli         Artenschutzabkommen ihr Heimatland nicht ver-
                       entlädt allein den Gepäckraum der Boing 737/800.            lassen dürfen. Drogen oder Dopingmittel, Gold und
                       Immer tiefer krabbelt er in den Bauch des Fliegers.         Bargeld, Chamäleons oder Elfenbein: Es gibt nichts,
                       Er zieht ein mobiles Förderband mit sich, das die           was die Zöllner am Flughafen nicht schon aus dem
                       Koffer ins Freie transportiert, direkt zu den warten-       Verkehr gezogen haben. 2018 waren beispielsweise
                       den Gepäckwagen. „Das geht in weniger als zehn              310 500 Zigaretten oder 27 verbotene Waffen dar-
                       Minuten“, erläutert der 53-Jährige, und sieht dem           unter, sagt die Pressesprecherin des Hauptzollamts,
                       Gepäckwagengespann nach, das zügig die Verla-               Martina Stumpf.
                       dung ansteuert.
                                                                                   Eine entspannte Atmosphäre herrscht im Salon
                       Die Verkehrsleitung im alten Tower hat das Gespann          „Hair + Beauty“. Friseurmeisterin Susanne Hoppe
                       ebenfalls im Blick, besser gesagt, auf dem Monitor.         kümmert sich seit 37 Jahren um die Frisuren von
                       Im alten Tower am Flughafen wird jedes Fahrzeug,            Fluggästen. Wobei die bei „Hair + Beauty“ eher in
                       das sich über das Rollfeld und das Vorfeld bewegt,          der Minderheit sind: „Wir haben viele Stammkun-

     Ein großes Schild um den Hals weist Lennox-Louis als unbegleitetes Kind   Flughafenmitarbeiter Jan Beinßen lässt sich von Friseurin
     aus. Die Mama und der Bruder begrüßen ihn glücklich.                      Susanne Hoppe die Haare schneiden.
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Die Verkehrsleitung hat ihren Sitz im alten Tower des Flughafens. Sie hat insbesondere den rollenden
Verkehr auf dem Flughafen-Vorfeld im Blick und plant jede Fahrzeugbewegung vier Tage im Voraus.

den, darunter eine Menge Flughafen-Beschäftigte“,                     Marsa Alam gebucht. Nun stehen die Dirscherls am
sagt Hoppe. Natürlich kommen auch Reisende,                           Check-In-Schalter. „Wir fliegen gern von Nürnberg
hauptsächlich Männer, bei denen ein Haarschnitt                       aus. Der Flughafen München ist zwar deutlich näher
nicht so lange dauere wie bei Frauen. Schon wendet                    an Train, aber von Nürnberg aus zu fliegen, ist viel
sie sich dem nächsten Kunden zu, bugsiert ihn zu                      entspannter“, sagt der 46-jährige Vater. „Wir freuen
einem freien Stuhl und legt ihm einen Frisierman-                     uns auf erholsame Badetage, schöne Strände und
tel um: „Herr Beinßen, wie gehabt?“, begrüßt sie                      das Meer“, strahlt die 43-jährige Tanja Dirscherl.
den stellvertretenden Flughafen-Pressesprecher Jan
Beinßen, der seine Mittagspause nutzt, um sich das                    Noch unentschlossen, wohin die Reise geht, sind Re-
Haupthaar kürzen zu lassen.                                           gina Tibbett und Carsten Börchers. Sie schlendern
                                                                      im Obergeschoss an den Reisebüros vorbei und
André Hergert hat hingegen keine Zeit für einen                       studieren die bunten Aushänge, die Destinationen
Haarschnitt. Der Chief Financial Officer und Finanz-                  weltweit anpreisen: Kuba oder Montevideo, Gran
vorstand eines weltweit tätigen Technologieunter-                     Canaria oder die Türkei. „Wir wollen für sieben Tage
nehmens fährt mit seiner Limousine direkt beim Ser-                   in die Sonne, in ein Land, für das man keinen Reise-
viceparken im Parkhaus vor – gerade rechtzeitig, um                   pass braucht, sondern der Personalausweis reicht“,
seinen Flug nach Hamburg zu erwischen. „Unser Fir-                    sagt Carsten Börchers. „500 bis 600 Euro pro Nase
mensitz ist in Schöneck im Vogtland und Nürnberg                      wollen wir ausgeben, deshalb fliegen wir erst in
der nächstgelegene Flughafen“, sagt er noch, bevor                    der Nachsaison“, betont seine Freundin Regina, die
er einem Parkdienstmitarbeiter den Autoschlüssel                      eben ihr Studium als Wirtschaftsjuristin abgeschlos-
in die Hand drückt. Der 53-Jährige ist noch nicht in                  sen hat.
der Luft, als sein Wagen bereits in einer speziell ge-
sicherten Garage steht. Kostenpunkt: 36 Euro pro                      Obwohl supergünstige Last-Minute-Schnäppchen
Tag, ohne Extras wie Außen- oder Innenreinigung                       im Internetzeitalter passé sind, zieht es das Paar wie
oder Tanken.                                                          viele andere Reiselustige an den Airport. 17 Reise-
                                                                      büros und 19 Verkaufsstände bieten Reisen in alle
Ausgelassen treten Tanja und Markus Dirscherl mit                     Winkel der Welt an, guten Rat, etwa zu Konflikten
ihren Kindern Selina und Sebastian ihre Reise an.                     im Zielland, gibt es ebenfalls. „Und die Reiselust
Die Familie aus Train im niederbayerischen Landkreis                  kommt hier von ganz allein“, sagen Carsten und
Kelheim hat kurzfristig einen Urlaub im ägyptischen                   Regina.
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     Text Annamaria Böckel Fotos Christine Dierenbach

     Ein zauberhaftes
     Wesen
     Einmal im Leben Christkind sein – jede junge Nürnbergerin darf davon
     träumen. Seit 50 Jahren hat die Bevölkerung die Wahl. Heute kümmert sich
     eine ganze Helferschar um das Mädchen. Manche Vorgängerin musste die
     Locken noch selber aufdrehen.

     „Wann findet denn dieses Jahr das Casting statt?“ Bei Susanne
     Randel aus dem städtischen Presseamt, zuständig für die Or-
     ganisation von Nürnbergs bekanntestem Ehrenamt, löst diese
     regelmäßig von Medienvertretern gestellte Frage leichtes Stirn-
     runzeln aus. Mit einem Casting, wie man es aus TV-Formaten
     kennt, hat die alle zwei Jahre anstehende Wahl des Nürnberger
     Christkinds nicht viel gemeinsam. Schließlich soll die Repräsen-
     tantin des weltberühmten Weihnachtsmarkts nicht nur eine
     gute Figur im goldenen Kleid machen. Daran hat sich in den
     50 Jahren, seit die Stadt ein Christkind wählt, nichts geändert.

     Was macht es aus, das Nürnberger Christkind? Lange blonde
     Haare? Nicht nötig – die eigene Haarpracht verschwindet unter
     einer gelockten Perücke. Genauso wenig wünscht sich die Stadt
     eine junge Frau mit Modelmaßen. „Wir suchen ein Mädchen
     mit Herz, das allen Menschen und vor allem denen, die nicht
     auf der Sonnenseite des Lebens stehen, Freude bringt“, sagt
     Susanne Randel. Die Betreuerin ist immer wieder aufs Neue be-
     eindruckt, wie bei Christkindbesuchen ein Lächeln im Gesicht
     pflegebedürftiger Senioren erscheint oder wie bei kleinen Pati-
     enten der Kinderonkologie die Krankheit für einen Moment in
     den Hintergrund tritt.
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Mit goldenem Buch und Sternenstaub:
Teresa Treuheit 2013 bei der Märchenstunde.
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     Die Anforderungsliste an die jungen Nürnbergerin-
     nen zwischen 16 und 19 Jahren, die sich für zwei
     Jahre auf das Abenteuer Christkind einlassen wol-
     len, ist lang. Sie müssen mindestens 1,60 Meter
     groß und schwindelfrei sein, um bei der Markteröff-
     nung sicher auf der Empore der Frauenkirche zu ste-
     hen. Sie dürfen keine Angst vor Interviews haben.
     Und vor allem müssen sie ohne Scheu auf Menschen
     zugehen können.

     Weihnachtsmärkte gibt es viele in Deutschland.
     Auch Christkinder sind an manchen Orten im Ein-
     satz. Und trotzdem ist das Interesse am Nürnber-
     ger Christkindlesmarkt, der sich bis ins Jahr 1628
     zurückverfolgen lässt, und seiner Gallionsfigur be-
     sonders groß und geht weit über die Stadt hinaus.
     1969 hatte der damalige Leiter des Presseamts,
     Walter Schatz, die Idee, dem Christkindlesmarkt ein
     Gesicht zu geben. Eine junge, von der Bevölkerung
     gewählte Nürnbergerin sollte während einer jeweils       Betreuerin Susanne Randel, Maskenbildnerin Helke Hadlich und Kostüm-
     zweijährigen Amtszeit innerhalb und außerhalb der        direktorin Eva Weber (v.li.) machen aus Rebecca Ammon das Christkind.
     Stadt als Botschafterin für den Markt stehen. Das
     Modell hat sich bewährt: Benigna Munsi, das Nürn-
     berger Christkind der Jahre 2019 und 2020 (siehe
     Seite 7) ist die 26. gewählte Amtsinhaberin.

     Auch das Wahlverfahren ist weitgehend gleich-
     geblieben: Nach der ersten Runde, bei der die Öf-
     fentlichkeit aus zwölf geeigneten Kandidatinnen
     ihre Favoritinnen bestimmt, treten diese sechs jun-
     gen Frauen vor eine Jury, in der das Presseamt, das
     städtische Marktamt, das Staatstheater, die Con-
     gress- und Tourismuszentrale sowie die Nürnberger
     Medien vertreten sind. Hier gilt es, mit sprachlichem
     Ausdruck, Wissen über die Stadt und den Christ-
     kindlesmarkt und natürlicher Ausstrahlung zu punk-
     ten. Eine Kampfabstimmung hat die Jury noch nie
     erlebt. Meist ist sie sich schnell einig, welche der
                                                              Himmlischer Fahrdienst der VAG: Uwe Freese, Ralf Kühnel und
     Bewerberinnen die geeignetste ist.                       David Schloßer (v.li.). Foto VAG/Claus Felix

     Damit aus der jungen Nürnbergerin ein echtes
     Christkind wird, sind viele Helferinnen und Helfer
     im Einsatz. Vorneweg die Betreuerin im Presseamt,
     die während der kurzen, aber vollgepackten Amts-
     zeit neben den Eltern wichtigste Ansprechpartnerin
     wird. Schon unmittelbar nach der Wahl steht das
     neue Christkind im Rampenlicht. Kameras und Mik-
     rofone richten sich auf das Mädchen. Es soll spontan
     und natürlich Fragen beantworten und Herzenswär-
     me zeigen. „Ich wollte den Mädchen immer das Ge-
     fühl vermitteln, dass sie nicht allein sind“, erinnert
     sich Edith Kerndler-Hamburger, die im städtischen
     Presseamt bis zu ihrem Ruhestand zwölf Christkin-
     der betreut hat.
                                                              Susanne Randel (li.) und ihre Vorgängerin Edith Kerndler-Hamburger 2012
                                                              mit Christkind Franziska Handke.
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                                                                          Ihre Nachfolgerin Susanne Randel organisiert die
                                                                          Helferschar rund um das Christkind. Im Staatsthea-
                                                                          ter entsteht das typische Ornat, bestehend aus Kleid
                                                                          mit Flügeln, der Perücke und der Krone. Seit 1982
                                                                          wirkt Eva Weber an der Verwandlung der jungen
                                                                          Frauen zum Christkind mit, zunächst als Schneiderin
                                                                          in der Kostümabteilung, heute als Kostümdirektorin.
                                                                          Egal ob groß gewachsen oder von kleinerer Statur,
                                                                          eines war bislang allen Christkindern gemeinsam:
                                                                          „Die Mädchen sind alle mit einer großen Leiden-
                                                                          schaft bei der Sache“, sagt Eva Weber.

                                                                          Nicht nur schön aussehen soll das Christkind, son-
                                                                          dern auch fehlerfrei und gut betont den Prolog spre-
Christkind zum Anfassen: Johanna Heller war 2009 und 2010 im Einsatz.     chen. Es gebe nicht die eine richtige Art des Vortrags,
Foto: Jana Kehr                                                           weiß der Coach und Schauspieler Thomas Dietz, der
                                                                          seit vier Jahren den Christkindern bei der Vorberei-
                                                                          tung zur Seite steht. „So einfach und so strahlend
                                                                          wie möglich“ solle der Text erklingen. „Jedes Mäd-
                                                                          chen hat sein eigenes Bild, wie es als Christkind sein
                                                                          möchte. Ich kann es dabei unterstützen, das zu zei-
                                                                          gen, was es mitbringt“, erklärt er. Aus seiner lang-
                                                                          jährigen Bühnenerfahrung gibt er Ratschläge, wie
                                                                          man kurz vor dem Auftritt vor 20 000 Menschen,
                                                                          die auf dem Hauptmarkt gebannt auf die Empore
                                                                          der Frauenkirche blicken, das Lampenfieber in den
                                                                          Griff bekommt.

                                                                          „Christkind, kannst du fliegen?“ Jedes Mädchen
                                                                          findet auf diese häufig gestellte Kinderfrage die pas-
                                                                          sende Antwort. Zu seinen vielen Terminen kommt
                                                                          es dann doch nicht geflogen, sondern seit etlichen
Coach Thomas Dietz gibt Rebecca Ammon Tipps für den sicheren Auftritt.    Jahren mit einem Kleinbus, den die Verkehrsakti-
Foto: Mile Cindrić                                                        engesellschaft Nürnberg samt drei wechselnden
                                                                          Fahrern bereitstellt. Uwe Freese ist seit sieben Jah-
                                                                          ren im himmlischen Auftrag unterwegs. Er bringt
                                                                          das Christkind nicht nur sicher von einem Termin
                                                                          zum nächsten, sondern hat auch stets die Uhr im
                                                                          Blick, hilft beim Anziehen und sorgt für die Verpfle-
                                                                          gung. „Und ich bin Gesprächspartner in guten und
                                                                          schlechten Zeiten“, sagt er. Wenn er das Christkind
                                                                          am Heiligen Abend zu seinen letzten Auftritten
                                                                          fährt, sei das für ihn die schönste Art, die Weih-
                                                                          nachtszeit einzuläuten.

                                                                          Das Ehrenamt verlangt den jungen Frauen viel ab.
                                                                          Sie opfern Zeit, müssen nach der Saison versäumten
                                                                          Schulstoff nachholen, sind während der Adventszeit
                                                                          eine öffentliche Person und müssen auch einmal
                                                                          Kritik einstecken können. Aber sie bekommen auch
                                                                          sehr viel zurück. „Ihr werdet in eurem Leben nie
                                                                          wieder in so viele strahlende Gesichter schauen“,
                                                                          hat Edith Kerndler-Hamburger jedem einzelnen mit
                                                                          auf den Weg gegeben.
Lächeln für die Kameras: Barbara Otto, Amtsinhaberin 2015/2016, bei der
Marktbegehung.
20

     „Mut und Freude schenken,
     das bleibt hängen“

       Gabriele Bergmann, verheiratete Jungk, war 1969
       das erste gewählte Christkind. Die damals 19-jäh-
       rige Auszubildende bei der Stadtsparkasse Nürn-
       berg wurde für das Ehrenamt freigestellt. Ebenso
       wie die Schülerin Rebecca Ammon, die 2017 zum                  Das erste und das 25. gewählte Christkind: Gabriele Jungk (re.) und
       25. Christkind gewählt wurde. Nach ihrem Abitur                Rebecca Ammon. Foto: Annamaria Böckel
       will die heute 19-Jährige jetzt als Flugbegleiterin
       die Welt erkunden.

       Nürnberg Heute: Wie sind Sie auf die Idee gekommen,         musste die Sonderzüge mit Christkindlesmarktbesu-
       sich als Christkind zu bewerben?                            chern am Hauptbahnhof begrüßen. Beim U-Bahnbau
                                                                   nach Fürth habe ich das Band durchschnitten. Der
       Gabriele Jungk: Ich habe zu dieser Zeit Turnier getanzt
                                                                   lustigste Einsatz war in Cham. Wir sollten uns für den
       und Theater gespielt und wollte Funkenmariechen bei
                                                                   Christbaum bedanken, den Nürnberg von dort bekom-
       einer Faschingsgesellschaft werden. Mein Vater hat ge-
                                                                   men hat. Wir waren viel zu spät dran. Kurz vor der An-
       sagt: „Nur über meine Leiche.“ Am selben Tag war die
                                                                   kunft habe ich mich auf dem Parkplatz umgezogen. Die
       Ausschreibung in der Zeitung. Da habe ich mir gedacht:
                                                                   Schminke musste man mit Wasser auftragen. Dafür ha-
       Dann werde ich Christkind.
                                                                   ben wir Schnee geschmolzen. Es war einfach köstlich.
       Rebecca Ammon: Christkind werden wollte ich, seit
       ich klein war. Sobald ich mich bewerben konnte, war
                                                                   Vieles ist gleichgeblieben. Manches hat sich total ver-
       die Bewerbung auch schon fertig.
                                                                   ändert, etwa die mediale Aufmerksamkeit. Wären Sie
                                                                   heute gerne noch einmal Christkind?
       Das Amt war 1969 völlig neu. Hatten Sie eine Vorstel-
                                                                   Jungk: Manches ist heute einfacher, zum Beispiel, dass
       lung, was auf Sie zukommt?
                                                                   man ein Auto zur Verfügung hat. Mich musste damals
       Jungk: Ich hatte die Vorstellung von der Markteröff-        mein Vater überall hinfahren. Ich habe alles alleine or-
       nung. Das war schon alles. Ich erinnere mich noch, dass     ganisiert. Nach Berlin, wo ich einen Weihnachtsmarkt
       mir nach der Wahl Charles Aznavour gratuliert hat. Er       eröffnet habe, bin ich ganz alleine geflogen. Auch die
       war damals zu einem Ball in Nürnberg und zur Wahl ein-      Locken der Perücke musste ich abends selber neu ein-
       geladen. Danach wurde ich ins kalte Wasser geworfen.        drehen. Es war auf der einen Seite mühsam, auf der
       Herr Schatz (damals Leiter des städtischen Presseamts)      anderen Seite wäre es mir heute zu straff durchgetaktet.
       hat mal gesagt: Ich war ein Glücksfall für Nürnberg.
       Wenn es mit mir nicht funktioniert hätte, hätte die Stadt
                                                                   Frau Ammon, war Ihre Christkindzeit straff organisiert?
       die Idee des gewählten Christkinds wieder aufgegeben.
                                                                   Ammon: Es ist sehr stressig, aber schöner Stress. Der
       Ammon: Ich konnte eher ahnen, was kommt. Es gab ja
                                                                   Zeitplan läuft von vormittags bis abends durch. Aber da-
       viele Interviews mit den Vorgängerinnen. Aber wie man
                                                                   durch, dass man bei den Fahrern in guten Händen ist,
       wirklich in einer bestimmten oder schweren Situation
                                                                   hat es immer gut funktioniert.
       reagiert, weiß man vorher nicht.

                                                                   Haben Sie Ihre Vorgängerinnen bewusst erlebt und be-
       Was gab es früher außer der Eröffnung für Aufgaben?
                                                                   obachtet?
       Jungk: Ich kann mich daran erinnern, dass ich im Kauf-
                                                                   Ammon: Ich war früher sehr oft am Christkindlesmarkt.
       haus Schokoladenchristkinder verteilt habe. Und ich
                                                                   Als ich einmal mit meiner Oma um die Ecke gebogen
21

bin, stand plötzlich das Christkind vor mir. Ich war so   ganz freundlich wieder zu mir und haben ihr Bild be-
überrascht und habe mich gleichzeitig so gefreut, dass    kommen.
den ganzen Tag nichts mehr mit mir anzufangen war.
                                                          Jungk: Zu meiner Zeit waren die Menschen noch zu-
Die unmittelbaren Vorgängerinnen habe ich dann aus
                                                          rückhaltender und höflicher.
der Perspektive gesehen, selber Christkind werden zu
wollen.
                                                          Wie verändert einen das Amt?

Gibt es das eine schöne Erlebnis, das in Erinnerung       Jungk: Man wird selbstbewusster. Ich habe keine Be-
bleibt?                                                   rührungsängste gegenüber prominenten Menschen.
                                                          Das habe ich an allen Christkindern beobachtet.
Jungk: Für mich war es die Eröffnung. Obwohl ich beim
ersten Mal total erschrocken bin, als ich mich als Echo   Ammon: Ich bin offener geworden gegenüber unbe-
von der anderen Seite des Hauptmarkts gehört habe.        kannten Situationen. Ich habe viel von Thomas Dietz
An dem Tag hat es leicht geschneit. Das war wunder-       (dem Coach) gelernt, wie man mit Aufregung umgeht.
schön. Die Aufregung war groß, aber da ich schon The-     Das kann ich in Zukunft gut brauchen.
ater gespielt hatte, ging es trotzdem.
Ammon: Mein Highlight war auch der Prolog. Dass           Als Christkind steht man im Rampenlicht und bekommt
ich mich als Echo gehört habe, hat mich noch gepusht.     viel Sympathie. Gibt es auch Kritik?
Dann gab es Termine, die viel Wert bekommen hatten,       Ammon: Es gibt nicht das perfekte Christkind. Man
weil ich viel bewirken konnte. Auch wenn die Situation    kann es für sich zum besten Christkind machen. Aber
vielleicht traurig ist, Mut und Freude zu schenken, das   jeder Mensch hat eine andere Vorstellung. Daher gibt es
bleibt hängen.                                            immer Leute, die mit irgendetwas nicht zufrieden sind.
                                                          Es ist nicht so toll, wenn man etwas Kritisches liest, aber
Gibt es auch negative Erinnerungen?                       man sollte nicht zu viel darüber nachdenken.

Jungk: Das Kaufhaus hätte ich nicht gebraucht.
                                                          Einmal Christkind – immer Christkind: Stimmt das?
Ammon: Mir ist aufgefallen, dass Erwachsene oft
forsch oder unhöflich werden können. Ich finde das am     Jungk: Auf jeden Fall. Ich bin seit 50 Jahren Christkind.
Christkindlesmarkt nicht angebracht und ein schlechtes    Jedes Jahr werde ich wegen Interviews oder TV-Beiträ-
Vorbild für Kinder. Auf der Kinderweihnacht habe ich      gen gefragt. Aber mit 90 möchte ich nicht mehr im Ein-
einmal erlebt, wie sich zwei Großmütter gestritten ha-    satz sein.
ben, welches Enkelkind zuerst ein Foto mit mir machen     Ammon: Ich will gar nicht, dass das aus meinem Leben
darf. Ich habe ihnen gesagt, dass ich weitergehe, wenn    verschwindet. Ich finde die Vorstellung schön, das alles
sie sich nicht einigen können. Später kamen sie dann      meinen Kindern und Enkelkindern zu erzählen.

                                                                                                     Rebecca Ammon (li.) 2017
                                                                                                     und Gabriele Bergmann 1969.
                                                                                                     Foto re.: Stadtarchiv Nürnberg
22

             Geschichte 1                           legenheit, das Christkind aus der
BEFLÜGELTE
  BEGRIFFE   Die Figur des Christkinds war in
             Nürnberg schon vor der ersten
                                                    Nähe zu sehen und ihm noch den
                                                    Wunschzettel zuzustecken. In
             Wahl präsent. Seit 1948, als der       einer Saison, die von Freitag vor
             erste noch bescheidene Markt der       dem Ersten Advent bis zum Hei-
             Nachkriegszeit seine Buden öffne-      ligen Abend dauert, kommen bis
             te, sprach die Schauspielerin Sofie    zu 170 Termine zusammen. Un-

                                                                                        Foto: Ursula Wagner
             Keeser den Prolog zur Eröffnung.       ternehmen, die gerne ihren Pro-
             Ab 1961 übernahm ihre Kolle-           dukten oder Dienstleistungen mit
             gin Irene Brunner diese Aufgabe.       dem Christkind mehr Glanz ver-
             Auch die Nationalsozialisten hat-      leihen möchten, bekommen von                          3
             ten schon auf die Symbolkraft der      der Stadt Nürnberg eine Absage.
             Figur gesetzt. Gleich beim ersten
             Weihnachtsmarkt unter national-
             sozialistischer Herrschaft 1933 trat
             eine Schauspielerin als Christkind
             auf, die einen Prolog „im Geist
             der neuen Zeit“ sprach. Bewusst
             knüpften die neuen Machthaber
             damit an eine alte Nürnberger
             Tradition an. Seit der Reformation
             brachte in protestantischen Gebie-
             ten nicht mehr der Nikolaus den
             Kindern Geschenke, sondern an
             Heilig Abend das Christkind. Wo-
             bei damit nicht das Jesuskind in
             der Krippe gemeint war, sondern
             eine Gestalt, in die auch Überlie-
             ferungen der Maria, der St. Lucia
             und des Verkündigungsengels
             eingeflossen waren. So entstand
             die Vorstellung eines weiblichen         4
             Christkinds, weshalb bis heute die
             Bewerbung um das Amt jungen
             Frauen vorbehalten bleibt (im Bild
             Inge Eichenseer 1973).                 Reisen 3                            Ehemalige
                                                    Philadelphia und Baltimore in       Ein Leben lang Christkind: Zwar
                                                    den USA, Brüssel, Bukarest oder     endet die Amtszeit eines gewähl-
             Kalender 2                             Glasgow in Europa: Die Reiselis-    ten Christkinds am 24. Dezember
             Ohne ausgeklügelten Terminplan         te des sogenannten „Auslands-       des zweiten Jahrs, aber so ganz
             würden das Christkind und seine        christkinds“ ist lang. Vor allem    vorbei ist es dann doch noch nicht
             Betreuerin schnell den Überblick       auf Weihnachtsmärkten, die sich     mit dem himmlischen Dasein.
             verlieren. Der Markteröffnung im       an deutschen Vorbildern orientie-   In den beiden darauffolgenden
             Scheinwerferlicht folgen zahlrei-      ren, ist das originale Nürnberger   Jahren repräsentieren die jungen
             che Besuche in Krankenhäusern          Christkind ein gern gesehener       Frauen die Weihnachtsstadt Nürn-
             und Altenheimen, in Kindergär-         Gast. Auch wenn die Figur nicht     berg bei Auftritten meist außer-
             ten und Wärmestuben für Woh-           immer leicht zu erklären ist und    halb Deutschlands (s. Reisen). Und
             nungslose, bei Menschen mit            in den USA schon einmal für eine    auch danach ist die Verbunden-
             Behinderungen und bei Jugendli-        Märchenprinzessin gehalten wird,    heit mit dem Ehrenamt weiterhin
             chen mit psychischen Erkrankun-        sind die Begeisterung und der       stark. Jedes Jahr am 24. Dezem-
             gen. Kleine und große Besuche-         Wunsch nach einem Foto mit dem      ber treffen sich alle ehemaligen
             rinnen und Besucher des Markts         deutschen Import groß. Da macht     Christkinder, die gerade in Nürn-
             und der Kinderweihnacht (im Bild       auch Santa Claus im Inner Harbour   berg sind, mit ihrer amtierenden
             Marisa Sánchez 2001) bekom-            von Baltimore (im Bild Franziska    Nachfolgerin, und das natürlich
             men dreimal wöchentlich die Ge-        Handke 2014) keine Ausnahme.        auf dem Christkindlesmarkt.
23

Medienrummel 4                         Schneiderinnen den Stoff für die     Prolog
Kaum hat die Jury verkündet, wer       Flügel zum Plissieren noch außer     Würde man eines der 25 ehe-
für die nächsten zwei Jahre das        Haus geben. Heute gibt es dafür      maligen Christkinder mitten in
Nürnberger Christkind verkörpern       keinen Dienstleister mehr, so dass   der Nacht wecken und nach
wird, richten sich Kameras und         auch diese Aufgabe beim Staats-      dem Prolog fragen, bekäme man
Mikrofone auf die gewählte junge       theater bleibt. Die Kleider müssen   vermutlich eine fehlerfreie Re-
Frau. Der Medienmarathon startet       einiges aushalten. Verschütteter     zitation zu hören. Nicht nur bei
mit den ersten Interviews. Auch        Kaffee aus dem Seniorenheim,         der feierlichen Markteröffnung,
die großen Fernsehformate lieben       Senfflecken von begeisterten         sondern auch bei vielen weiteren
das Christkind. Ob Außenwette          Weihnachtsmarktbesuchern oder        Auftritten spricht das Christkind
von „Wetten dass?“ mit Modera-         eine aufgerissene Naht: Die Kos-     den Text. Manche Bewerberinnen
torin Karen Webb (im Bild Christin     tümabteilung bringt alles wieder     können ihn schon auswendig,
Strauber 2004), „Sternstunden“-        in Ordnung.                          wenn sie sich zur Wahl stellen.
Gala des Bayerischen Rundfunks                                              Der Ursprungstext, der erstmals
oder Adventsshow mit Florian                                                1948 von der Schauspielerin Sofie
Silbereisen – das Christkind strahlt   Krone 5                              Keeser zu hören war, stammt von
mit seinem goldenen Ornat min-         Vergoldetes Messing, 25 Zenti-       dem Nürnberger Dramaturgen
destens so hell wie die Stars.         meter im Durchmesser und 27          Friedrich Bröger. Lobte der erste
                                       Zentimeter in der Höhe, ein Ge-      Prolog noch die Wiedererstehung
                                       wicht von rund 800 Gramm. Das        des Christkindlesmarkts nach dem
Kleid                                  sind die Daten der Krone, die je-    Zweiten Weltkrieg und die Wie-
Aus je fünf Metern Brokat, acht        des Christkind auf den blonden       deraufbauleistung der schwer zer-
Metern Goldlamé sowie Einla-           Locken trägt. Sie stammt aus der     störten Stadt, nahm die spätere
gen- und Futterstoff fertigt die       Werkstatt von Waffenmeister Pe-      Version als „neue Stadt im Grün“
Kostümabteilung des Staats-            ter Hofmann im Staatstheater.        den Stadtteil Langwasser mit sei-
theaters für jedes neu gewählte        Damit das Metall nicht auf dem       nen Hochhäusern mit auf. Für die
Christkind zwei Kleider – eines mit    Kopf drückt, ist das gute Stück      Auslandsbesuche entstand sogar
steiferen Flügeln für die Eröffnung    mit Schaumstoff ausgepolstert.       eine englische Version.
und weitere Auftritte, eines mit       Geht ein Christkind auf Reisen,
weicherem Lamé überwiegend             ist die Krone gemeinsam mit der
für den Einsatz in geschlosse-         Perücke sicher verwahrt in einem
nen Räumen. Früher konnten die         speziell angefertigten Koffer.

                                                                              5

                                                                     2        1   Foto: Stadtarchiv Nürnberg
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                                                                Die Beste ihres Fachs
                                                                Das Publikum war bereits überzeugt und die überregionale Aner-
                                                                kennung folgte rasch: Joana Mallwitz, seit der Spielzeit 2018/19
                                                                Generalmusikdirektorin der Staatsphilharmonie Nürnberg, wurde im
                                                                Herbst von zwei Fachmagazinen als „Dirigentin des Jahres“ („Opern-
                                                                welt“) und mit dem „Oper! Award“ als „Beste Dirigentin“ („Oper!“)
                                                                ausgezeichnet. Staatsintendant und Operndirektor Jens-Daniel Herzog
                                                                äußerte sich dazu „stolz und glücklich, dass wir Joana Mallwitz zu
Foto: Nikolaj Lund                                              uns ins Staatstheater Nürnberg locken konnten“.

    Weltmeisterliche Leistung
    In einem aufsehenerregenden Finale errang der Schüler Taliso
    Engel bei den Para-Schwimmweltmeisterschaften in London eine
    Goldmedaille über 100 Meter Brustschwimmen. Bei den Wett-
    kämpfen im September 2019 trat der 17-Jährige in der offenen
    Altersklasse S13 (Schwimmer mit Sehbehinderung) an und schlug
    die Konkurrenz in einer Zeit von 1:05,20 Minuten. Damit darf der
                                                                        Foto: Giulia Iannicelli

    Schüler 2020 voraussichtlich zu den Olympischen Spielen nach
    Tokio reisen.

                                                                                                            Vorbilder geehrt
                                                                                                          Der Immobilienentwickler Gerhard
                                                                                                        Schmelzer, die Theaterleiterin Gisela
                                                                                                         Hofmann, der Naturschützer Roland
                                                                                                          Straub und der Gewerkschafter Jürgen
                                                                                                          Wechsler (1., 3., 4. u. 5. v.li.) erhielten
                                                                                                         am sogenannten Stadtgründungstag
                                                                                                        16. Juli aus den Händen von Oberbür-
                                                                                                        germeister Ulrich Maly (2.v.li.) für ihre
                                                                                                       „hervorragenden Verdienste“ die Bürger-
                                                                                                       medaille der Stadt Nürnberg 2019.
Foto: Anestis Aslanidis
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                  2. Spezialitäteen
                                 gion Nürnb
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                                                                               Telefon (0911) 24 44 94 11 www.fensterzurwelt-nuernberg.de
                                                                                    Advents-Öffnungszeiten: Mo bis Sa 10.30 - 18.30 Uhr

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           Christkindlesmarkt Nürnberg
           Entdecken Sie „Unsere Originale“
           bei Original Regional
           an der Sebalduskirche!

                       Die Kulinarische Landkarte und
                       „Unsere Originale“ finden Sie hier.
                       www.unsereoriginale.de
Menschen                    27

                             Preisverdächtiger Podcast
                             Der 14-jährige Maximilian Sommerfeld, Schüler des
                             Johannes-Scharrer-Gymnasiums (im Bild mit Lehrerin
                             Elke Mahler), hat beim Geschichtswettbewerb des
                             Bundespräsidenten einen Sonderpreis erhalten. In seinem
                             Podcast kommen Zeitzeugen zu Wort. Er trägt den Titel
                             „Alle hielten dicht – 16 flohen“. Es geht dabei um eine
                             DDR-Klasse, die sich kritisch zum Ungarn-Aufstand 1956
                             geäußert hatte. Die Schülerinnen und Schüler hatten eine
                             Schweigeminute eingelegt und wurden dafür von der
                             Schule verwiesen. Nach und nach sind dann alle aus der
                             DDR geflohen.                                              Foto: Melanie Kunze

                                                                                                              Ein mutiger Kämpfer
                                                                                                              Für seinen Kampf für freien Zugang zu Wasser ist Rodrigo
                                                                                                              Mundaca (Mitte) aus Chile mit dem Internationalen
                                                                                                              Nürnberger Menschenrechtspreis 2019 geehrt worden.
                                                                                                              Oberbürgermeister Ulrich Maly und Jury-Mitglied Anne
                                                                                                              Brasseur, ehemalige Präsidentin der Parlamentarischen
                                                                                                              Versammlung des Europarats, überreichten die mit
Foto: Giulia Iannicelli

                                                                                                              15 000 Euro dotierte Auszeichnung am 22. September
                                                                                                              2019 im vollbesetzten Nürnberger Opernhaus. Im An-
                                                                                                              schluss feierten bei der traditionellen Friedenstafel rund
                                                                                                              4 500 Nürnbergerinnen und Nürnberger ihren Preisträger.

                          Deutscher Meister
                          Was der Club seit 1968 nicht
                          mehr geschafft hat, ist der
                          Nürnberger Stadtrats-
                          mannschaft gelungen: die
                          Deutsche Meisterschaft!
                          Beim 41. Ratsherrenturnier
                          in Hamburg setzten sich die Rat-
                          hauskicker im Finale mit 1:0 gegen
                          Waldhessen (Bad Hersfeld) durch.
                          Es ist der erste Turniersieg nach
                          einem dritten und einem zweiten
                          Platz 2017 beziehungsweise 2018.
                          Seit 2011 nimmt die Nürnberger
                          Mannschaft teil.
                                                                   Foto: privat
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                  Text Timo Schickler          Fotos Martin Schmidt

                 Sie drehen am Rad
                 Am Feierabend noch schnell 100 Kilometer machen? Eine wachsende Rennrad-
                 szene bringt sportlichen Ehrgeiz und Freizeitspaß zusammen. Nicht das Sieger-
                 treppchen ist das Ziel, sondern Gleichgesinnte auf die Lieblingstour mitzunehmen.

 Die „Tour de Franken“ besticht wie ihr
 französisches Vorbild mit Naturerlebnissen.
29

Sonntagmorgen, kurz nach neun Uhr. Die Altstadt ist leer,
nur ein paar Frühaufsteher unter den Touristen sind unter-
wegs. Ein Mitarbeiter des Neuen Museums öffnet quiet-
schend das Tor zum Skulpturengarten an der Stadtmauer.
Dann surrt es in der Straße. Ein Rennrad nach dem anderen
rollt im Leerlauf heran. Rennradschuhe klackern auf dem
Kopfsteinpflaster. Die gehören zu zwei Dutzend Rennrad-
fahrern, die sich hier versammeln. Ein Schild an einem alten
beigen Rad an der Ecke Frauentormauer und Vordere Stern-
gasse zeigt an, wo sie sich treffen: „Eddy would attack“.

Vor dem Café mit dem ungewöhnlichen Namen – eine Hom-
mage an die belgische Radsportlegende Eddy Merckx – sitzt
Michael Bischoff, 52, in einem ungewöhnlichen Trikot. Es
ist weiß mit fünf bunten Streifen über der Brust. Auffälliger
aber ist der Stoff. Das Trikot ist aus Merino-Wolle, wie es die
Radstars in den 1980er Jahren getragen haben, als sie auf
Stahlrädern die Berge der „Tour de France“ hochgeklettert
sind. Für Michael Bischoff geht es heute ebenfalls Berge hi-
nauf, auch er fährt ein Stahlrad. Das hat er im Fundbüro er-
steigert und danach selbst in Schuss gebracht. Ähnlich wie
bei alten Autos lässt es sich daran einfacher schrauben. An
diesem Sonntag wird Michael Bischoff 80 Kilometer unter-
wegs sein. Erst seit drei Jahren fährt er Rennrad, nachdem
er den Fußball hinter sich gelassen hat. Bischoff hat eine
Jugendmannschaft des 1. FC Nürnberg trainiert, „jetzt will
ich flexibler sein“, sagt er. Wann und wo er Sport macht,
bestimmt er selbst. Inzwischen ist er süchtig, sagt er selbst.

Wie die anderen Rennradfahrer, die Oliver Schwarzäugl
hier versammelt. Er hat vor drei Jahren das Rad-Café an
der Frauentormauer eröffnet, wo die Rennradler sich jetzt
noch schnell mit Cappuccino versorgen, bevor sie bei der
von Schwarzäugl organisierten Ausfahrt gemeinsam in die
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