Nr. 107 Winter 2019 Sportliche Radler Himmlische Botin Entspannte Urlauber - Stadt Nürnberg
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3 Editorial Nicht zu übersehen sind Rennräder, die im „Eddy would attack“ von der Decke hängen. Laden und Werkstatt mit angeschlossenem Café gehören zu den Treffpunkten einer wachsenden Rennradszene in Nürnberg, die sogar eine eigene „Tour de Franken“ organisiert. Ein Beitrag ab Seite 28 stellt die ambitionierten Freizeitsportler vor. Fotogrundlage: Martin Schmidt Vor knapp drei Jahren hat ein Bericht des Nürnber- wichtigste Repräsentantin. Seit 50 Jahren wird das ger Amts für Stadtforschung und Statistik für große schönste Ehrenamt der Stadt nach dem gleichen Aufmerksamkeit gesorgt. 1525 war Nürnberg als Wahlverfahren vergeben. Dieses runde Jubiläum ist erste Stadt der Reformation gefolgt, fast 300 Jahre uns Anlass genug, in einer mehrteiligen Geschichte war die Bevölkerung fast ausschließlich evangelisch. auf ein halbes Jahrhundert Nürnberger Christkind Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert kamen und seine Bedeutung zu schauen. verstärkt katholische Neubürger in die Stadt. Bei der Volkszählung 1970 gab es 54 Prozent evangelische Neben diesem Thema beleuchtet „Nürnberg Heute“ und 37 Prozent katholische Einwohner. Ende 2016 wieder viele andere Facetten, die unsere Stadt aus- verzeichnete das Einwohnermelderegister nur noch machen. Eine Reportage widmet sich zum Beispiel 27 Prozent evangelische und 25 Prozent katholische dem Albrecht Dürer Airport, an dem sich mehr als Christen in Nürnberg. 48 Prozent der Bewohnerin- 4 000 Menschen vor allem um das Wohl der Reisen- nen und Bewohner gehörten einer anderen oder gar den kümmern. Wir gehen der Frage nach, wie es keiner Religionsgemeinschaft an. um die Qualität der Nürnberger Luft bestellt ist und lenken in einem Essay den Blick auf ein besonderes Trotz zunehmender Säkularisierung prägen unsere Gut der Stadt: den öffentlichen Raum. Und wie ge- Gesellschaft aber weiter (christliche) Traditionen. wohnt fassen die Rubriken-Seiten wieder wichtige Auf den Reformator Martin Luther geht die Figur Ereignisse des Stadtgeschehens kurz und bündig des Christkinds zurück, das den Kindern an Weih- zusammen. nachten Geschenke bringt. Bereits vor Jahrhunder- ten wurden dafür Waren auf Märkten angeboten. Wir wünschen bei der Lektüre viel Freude. Schon lange ist der Nürnberger Christkindlesmarkt weltbekannt. Das Nürnberger Christkind ist seine Ihre „Nürnberg Heute“-Redaktion
4 Inhalt 6 Panorama Dürer in Wien / Parkhaus für Räder / Essbares aus der Stadt / Nachwuchs bei den Gorillas 8 Profil Fanbetreuer Jürgen Bergmann ist für 46 Perfekt ausgeleuchtet – erfolgreich mit Lichttechnik die Anhänger des 1.FC Nürnberg da 25 Menschen Ausgezeichnete Dirigentin / Weltmeister- licher Schwimmer / Mutiger Kämpfer / Preisverdächtiger Schüler 41 Report Clubhaus in erstklassiger Lage / Helden der Südstadt / Straße für Radfahrer / Kanaldeckel mit Wappen 53 Blickpunkt Aus Beton mach bunt / Spielzeugwaffen als Friedensskulptur / Symphoniker gastieren in Singapur / Ämter ziehen in die Quelle 67 Bücher & Mehr Von der Spiele-Sammlung zum Museum / Dem Karpfen auf der Spur / Nürnberg- Impressionen aus vergangenen Tagen / Herrensitze im Kalenderformat 74 Impressum
5 10 Gute Reise! Der Albrecht Dürer Airport punktet mit Rundumservice 16 Ein zauberhaftes Wesen Seit 50 Jahren wird das weltberühmte Christkind gewählt 28 Sie drehen am Rad Eine wachsende Rennradszene vereint Sport und Freizeit 34 Wie steht es um unsere Stadtluft ? Die Verbesserung der Güte fest im Blick 46 Es werde Licht Die Firma Barthelme ist LED-Technologieführer 50 Hohes Gut 10 Fernweh inklusive – ein Tag am Die Bedeutung des öffentlichen Raums Flughafen 60 Lieblingsstücke Hochwertige Produkte aus Manufakturen Immer im Mittel- punkt – das Nürn- berger Christkind 16 Das Online-Angebot rund um „Nürnberg Heute“: www.nh.nuernberg.de
6 Panorama Ausleihen und los Anmelden und losradeln – dazu lädt das Fahrradverleihsystem VAG Rad ein. Rund 300 Räder stehen seit Juni 2019 als um- weltfreundliches Fortbewegungsmittel in der Stadt zur Verfügung. Die Ausleihe erfolgt per App, so dass eine flexible Fahrtdauer möglich ist. Eine Minute kos- tet fünf Cent, VGN-Abo-Kunden erhalten nach der Registrierung 600 Freiminuten im Monat. Zurückgegeben werden kann das VAG Rad entweder an einer der 20 Stationen oder innerhalb der Flexzo- ne, die Maxfeld, die Altstadt, St. Johannis und Gostenhof umfasst. Foto: Andrè De Geare Dürer-Meisterwerke in Wien Freunde des großen Nürnberger Künstler-Sohns Albrecht Dürer dürfen diese Ausstellung nicht verpassen: Noch bis 9. Januar 2020 zeigt die Albertina in Wien mit über 200 Exponaten Dürers zeichnerische, druckgrafische und malerische Werke. Zu sehen sind Ikonen der Zeichnung, darunter der „Feldhase“, die „Betenden Hände“ und das „Große Rasenstück“. Ausgestellt ist auch der Flügel einer Blauracke (Bild), entstanden um 1500. Die Albertina verfügt über den weltweit bedeutendsten Bestand an Dürer-Grafiken und Aquarellen. Foto: Axel Eisele Foto: Ramona Such Ein süßer Fratz Goldiger Nachwuchs im Tiergarten: Nachdem das Gorillaweibchen Habibu am 3. November 2019 ihr erstes Junges zur Welt gebracht hat, hat der Zoo einen neuen Publikumsliebling. Die zwölfjährige Habibu kümmert sich fürsorglich um ihren Nachwuchs. Auch die gesamte Gruppe samt Vater Thomas nimmt das Kleine gut an. Das Foto: Albertina, Wien Gorillaweibchen Habibu wurde im Zoo Zürich ge- boren, seit 2014 lebt es im Tiergarten Nürnberg.
Panorama 7 Zum Anbeißen Essbare Stadt heißt ein Projekt, das Bürgerinnen und Bürger zum Gärtnern, Ernten und Schnabu- lieren aufruft. Nach der Premiere am Egidienplatz ist die Essbare Stadt nun auch auf einer zweiten Fläche (Bild) zwischen der Jakobskirche und der Feuerwache 3 zuhause. Tomaten, Salat, Mangold und verschiedene Kräuter gedeihen hier zur Freude und zum Genuss aller. Das Projekt ist eine Zusammenarbeit des Ernährungsrats für Nürnberg und Umgebung mit Bluepingu e.V. Foto: Giulia Iannicelli Christkind Benigna Benigna Munsi ist das Christkind der Jahre 2019 und 2020. Die Schülerin des Labenwolf-Gymnasiums konnte bei der Parkhaus für Fahrräder Wahl am 30. Oktober 2019 die Jury von sich Nürnbergs erstes Fahrradparkhaus entsteht überzeugen. Die Vertreterinnen und Vertreter auf der Südseite des Hauptbahnhofs am der Stadt, der Medien, der Congress- und Nelson-Mandela-Platz. Raum für 400 Räder Tourismus-Zentrale, des Staatstheaters und bietet das überdachte Gebäude. Neben eige- Vorjahreschristkind Rebecca Ammon waren nen Stellflächen für Lasten- und Liegeräder besonders von der offenen, frischen Art der oder Räder mit Anhängern werden Spinde 17-Jährigen angetan. Zu ihren Aufgaben gehö- mit Akkulademöglichkeiten sowie zwei ren neben der Eröffnung des weltberühmten Servicestationen für die eigene Fahrrad- Christkindlesmarkts zahlreiche Besuche in reparatur zur Verfügung stehen. Eröffnet lli karitativen Einrichtungen (siehe Seite 16). ic e I a nn wird das Fahrradparkhaus voraussichtlich im i ulia Fo t o : G März 2020. Foto: Architekturbüro SRAP Sedlak Rissland Architekten
8 Profil Eine Liebe fürs Leben Auch wenn die Emotionen im Stadion hochkochen: Jürgen Bergmann bewahrt einen kühlen Kopf. Mit vollem Einsatz ist der Fanbetreuer seit 18 Jahren für die Clubanhänger da. Dafür muss er manchmal auch jemandem aufs Dach steigen. „Ich bin Streetworker, Psychologe, Diplomat, Übersetzer, Anwalt, Auch zwischen den Spieltagen ist der Fanbetreuer für die An- Reiseleiter, Kindergärtner und vieles mehr“, sagt Jürgen Berg- hänger da: In seinem Büro, das er sich meist mit zwei Kollegen mann. Kuriose Situationen erlebt er zuhauf: Einmal musste er teilt, bearbeitet er Anliegen und Wünsche der Fans telefonisch mithelfen, einen Fan vom Stadiondach bei Union Berlin herun- oder per E-Mail. Da kann es um die Situation an den Stadion- terzuholen, der dort nach besserem Handyempfang suchte, um eingängen gehen, um den Bierpreis oder auch um Merchan- seine Freundin anzurufen. „Was so alles passiert, glaubt man dising-Artikel im Fanshop – oder darum, „dass Club-Legende nicht, wenn man nicht dabei ist“, erzählt der Fanbeauftragte Marek Mintal doch bitte zum Geburtstag vorbeischauen soll“, des 1. FC Nürnberg. Seit 2001 macht der 56-Jährige diesen Job erzählt er. Zwei Mal im Jahr treffen sich die Vorsitzenden aller ehrenamtlich, seit 2007 hauptberuflich. Unter dem ehemaligen offiziellen FCN-Fanclubs mit der Vereinsführung. Der Fanbetreu- Sportvorstand Martin Bader entschloss sich der FCN, seine er plant und moderiert die Treffen, außerdem vermittelt er zwi- Fanarbeit professioneller anzugehen. schen Verein und Fans. Bergmann und seine Kollegen besuchen die Fanclubs aber auch einzeln. Häufig sind Vorstandsmitglieder Damit war der Verein früher dran als andere. Erst seit 2011 sind und Profispieler dabei. Bei über 700 Fanclubs können das bis zu die Profivereine verpflichtet, hauptamtliche Fanbeauftragte zu 100 Treffen pro Jahr für ihn und seine Kollegen werden. beschäftigen. Bergmanns berufliche Karriere beim Club begann 2003, als er Leiter des Fanshops am Valznerweiher wurde. Für den 56-Jährigen ist die Arbeit bei seinem Herzensverein Davor war er Diplomkaufmann im Vertrieb, die ehrenamtliche etwas ganz Besonderes. Gerne erinnert er sich an seine erste Fanarbeit lief nebenher. Sie ließ sich aber Saison, als der Club 2007 Pokalsieger wur- immer schwieriger mit der Berufstätigkeit de und er den DFB-Pokal in den Händen „Wenn du dein Hobby vereinbaren, auch weil die Wochenenden hielt. Am Fußball fasziniert ihn, wie der sowieso schon dem Club gehörten. Welche zum Beruf machst, hast Sport die Menschen zusammenbringt: „In Aufgaben Fanbeauftragte konkret haben, du kein Hobby mehr“ der Kurve steht der Anwalt neben dem legen die Vereine unterschiedlich aus. Hartz-IV-Empfänger, der Arbeiter neben Beim Club heißt es, „die Fanbetreuung bildet die Schnittstelle dem Bankdirektor. Die Leute verbindet eigentlich nichts, außer zwischen Fans und Verein“. die Liebe zum 1. FC Nürnberg.“ Und es gebe viele Beispiele dafür, dass Fans Gutes auf die Beine stellen: Spendensammlun- Jürgen Bergmann arbeitet in einem sechsköpfigen Team aus gen etwa und natürlich die vielen farbenprächtigen Choreogra- drei hauptamtlichen und drei ehrenamtlichen Kolleginnen und fien wie etwa 2012 für den ehemaligen jüdischen Trainer Jenö Kollegen. Eine seiner Kernaufgaben ist es, Spieltage vorzube- Konrád, der von den Nationalsozialisten verfolgt wurde und reiten. Er muss sich sowohl zuhause als auch auswärts mit den bereits 1932 Verein und Stadt verließ. Kollegen der gegnerischen Mannschaft und den Sicherheits- kräften absprechen. Er meldet etwa die Anzahl der Fahnen, Der Einsatz gegen Rechtsextremismus ist für Bergmann eine Trommeln und anderer Fan-Utensilien an und gibt durch, Verpflichtung aus der Geschichte des Clubs, der ab 1933 seine wie viele Mitreisende auf welchen Routen die Mannschaft jüdischen Mitglieder ausgeschlossen und sich bereitwillig der auswärts begleiten. Sicherheitsrelevante Informationen stellt nationalsozialistischen Führung untergeordnet hat. Im Juni die Fanbetreuung auch den Fans zur Verfügung. Vor Ort gibt es 2019 unternahm der Verein eine zweitägige Gedenkfahrt in das immer noch eine Vor- und Nachbesprechung des Spieltags mit ehemalige Konzentrationslager Flossenbürg. Die Resonanz der Sicherheitskräften und Fanbetreuern beider Teams. 20 Teilnehmer war sehr positiv. Die Fahrt soll im nächsten Jahr
Profil 9 Die Legende lebt: Als Fanbetreuer kümmert sich Jürgen Bergmann mit viel Herzblut um die Anhänger des 1.FC Nürnberg. Foto: Christine Dierenbach wiederholt werden. Längerfristig seien auch Reisen nach Ausch- Köln, Stuttgart oder Dresden. „Mit der überwiegenden Mehrheit witz oder in die Gedenkstätte Yad Vashem in Israel wünschens- der Fans gibt es keine Probleme“, sagt Bergmann. wert und vorstellbar, findet Bergmann. Die Heimspiele verbringt Jürgen Bergmann meist auf der Fußball ist für ihn Emotion pur, einer der wenigen Freiräume in Haupttribüne, weil er von dort einen guten Blick auf das ganze einer komplett durchgeregelten Gesellschaft. Mitunter kochen Geschehen in den Fanblocks hat und relativ schnell überall sein die Emotionen aber über. „In dem Job ist man auch manchmal kann, falls sein Eingreifen nötig wird. Völlig unbeschwert Fuß- mit Gewalt konfrontiert“, sagt er. Beginnende Auseinander- ball schauen könne er nicht mehr: „Wenn du dein Hobby zum setzungen unter Zuschauern oder zwischen Zuschauern und Beruf machst, hast du kein Hobby mehr.“ Aber Fanbeauftragter der Polizei versuchen die Fanbetreuer zu verhindern. „Aber zu sein ist für ihn ein „Vollblutjob“: kein 40-Stunden-Job, Arbeit da muss jeder selbst entscheiden, in welcher Situation es wie am Wochenende oder an Feiertagen ist selbstverständlich. Und weit möglich ist, zu beruhigen“, sagt Bergmann. Wie Dees- der 56-Jährige ist keiner, der dabei auf die Uhr schaut. kalation gelingen kann, lernen Fanbetreuer in regelmäßigen, verpflichtenden Schulungen der Deutschen Fußball Liga. Der Dafür ist die persönliche Verbundenheit zum Club viel zu groß. Fanbetreuer schaue immer, wo Möglichkeiten zur Konfliktlö- Seit rund 40 Jahren gibt der FCN bei ihm den Ton an. Auch sung und Deeskalation sind, aber es gebe Grenzen. Und das Bergmanns Familie teilt diese Leidenschaft. Seine Frau drückt Gewaltmonopol liege ganz klar bei der Polizei. „Ein bisschen dem Club die Daumen und auf seine beiden erwachsenen schade ist, dass Störungen oft Titelseiten füllen und manchmal Kinder hat die Begeisterung ebenfalls abgefärbt: „Wenn da versucht wird, das auch noch zu skandalisieren. Wenn du dann jemand auf die Idee gekommen wär‘, in der Nachbarstadt eine versuchst, etwas zu erklären, wirst du sehr schnell als Verharm- Dauerkarte zu kaufen, hätte das schon größere Erbstreitigkeiten loser dargestellt“, findet er. Es gebe auch in Nürnberg nicht nach sich gezogen“, sagt er. Aber mit Streitigkeiten kennt er mehr oder weniger Probleme als bei Vereinen wie Frankfurt, sich ja aus. Johannes Sporrer
11 Text Thomas Meiler Fotos Christine Dierenbach Gute Reise ! Die eine jettet zum nächsten Geschäftstermin, der andere hat einen Christbaum im Gepäck. Am Albrecht Dürer Airport kümmern sich mehr als 4 000 Menschen darum, dass Reisende entspannt abheben können. Sie erfüllen viele Wünsche – vom Parkservice über die Suche nach dem Traumurlaub bis zur stylishen Frisur.
12 Satwik Saraswati bei den Gepäckermittlern von „Lost & Found“. Julia Mandlinger (li.) und Lena Neubauer vergnügen sich im Duty-Free-Shop. Die zwei jungen Frauen haben sichtlich Spaß: Ki- des 650 Quadratmeter großen Ladens. Für Reisende chernd schlendern sie durch den Duty-Free-Shop im innerhalb der EU übernehme zudem der Duty-Free- Obergeschoss des Albrecht Dürer Airports. Beson- Händler die Steuerlast, sodass sich der Einkauf loh- ders die Parfüm-Abteilung hat es Julia Mandlinger ne. Rund 15 000 Artikel sind im Angebot. „Am bes- und Lena Neubauer angetan, mal greifen sie sich ten gehen Klassiker wie Parfüms von Chanel und Jil einen schicken Flakon aus dem Regal, mal sprühen Sander, Spirituosen und, ganz regional, Nürnberger sie sich aus einem Tester Eau de Toilette ins Dekolle- Lebkuchen und Nürnberger Bratwürste samt Sauer- té. Eine der beiden hat eine angebrochene Flasche kraut in Dosen“, zählt Brehm auf. Wein unterm Arm. „Gegen meine Flugangst“, sagt sie. Die beiden 18-Jährigen aus dem oberbayeri- Die Service GmbH betreibt neben dem Duty-Free- schen Eichstätt wollen die nächsten fünf Tage den Shop im Sicherheitsbereich zwei weitere Läden: den Ballermann unsicher machen. Und bis ihr Flieger um Nürnberg Store mit fränkischen Produkten und den 11.35 Uhr endlich Richtung Mallorca abhebt, ver- Gate-Shop mit Mode und Elektronikprodukten. Der treiben sie sich die Zeit in den Geschäften. Airport-Shop in Halle 1 führt Reiseartikel und Post- dienstleistungen und ist für jedermann zugänglich. Der Duty-Free-Shop hat im Sommer rund um die „Der Nürnberger Flughafen ist der einzige, der ei- Uhr geöffnet, in der weniger stark frequentierten nige Läden in Eigenregie führt“, betont Katharina Wintersaison zwischen 4 und 22.30 Uhr. Vom zoll- Brehm. Natürlich gebe es noch eine Vielzahl weite- freien Shoppen ist allerdings bis auf den Namen rer Geschäfte, etwa Buchhandlungen, Backshops nicht mehr viel übrig, seit die Europäische Union und Cafés, Filialen einer Fast-Food- und einer Res- (EU) 1999 den steuerfreien Einkauf über die Län- taurant-Kette und eine Bar. dergrenzen der Mitgliedsstaaten hinweg bis auf wenige Ausnahmen abgeschafft hat. Trotzdem darf Hinter den Kulissen, in einer der beiden Gepäck- im Duty-Free-Shop nur einkaufen, wer eine gültige sortieranlagen, haben Christian Ismayer und seine Boarding-Card besitzt, sagt Katharina Brehm, stell- Kollegen alle Hände voll zu tun. Bis zu 2 400 Ta- vertretende Betriebsleiterin der Flughafen Nürnberg schen und Koffer purzeln vom Band – pro Stunde. Service GmbH. Im Duty-Free-Shop gebe es vor al- Für Sperrgepäck gibt es einen Sonderschalter. „Da lem Sondergrößen oder exklusive Sorten, die extra geht dann schon auch mal ein echter Christbaum dafür produziert würden, erläutert sie die Vorzüge auf die Reise, damit der Weihnachtsurlaub auf
13 La Palma stilecht verläuft“, berichtet der Verlader Zu „Lost & Found“ kommen nicht nur Reisende auf und stapelt den nächsten Koffer in den Rollwagen. Koffersuche, sondern auch Kunden, deren Gepäck Die Sortieranlagen sind rund um die Uhr in Betrieb. beschädigt wurde oder die etwas im Flugzeug ver- Pro Schicht stemmt ein Verlader bis zu zwei Tonnen gessen haben. „Es fehlt täglich etwas“, weiß Er- Gewicht. Mit einem Minicomputer am Handgelenk mittlerin Jessica Kraus: Kuscheltiere, Regenschirme, scannt Christian Ismayer den Strichcode-Aufkleber, Jacken, Brillen, Stifte oder Handys. den jeder Koffer am Check-In bekommen hat. Sind die Daten einmal erfasst, lässt sich jedes Gepäck- Seit der Inbetriebnahme des Flughafens am 6. April stück über den ganzen Erdball verfolgen. 1955 ist die Zahl der Reisenden stetig gestiegen: von 40 000 im Jahr 1955 auf 3,16 Millionen 2000 und Darauf hofft auch Satwik Saraswati. Der gebürtige rund 4,5 Millionen 2018. Vor 20 Jahren beschäftig- Inder steht am Schalter der Gepäckermittlung „Lost te der Flughafen rund 700 Menschen, heute sind & Found“. Auf seinem Trip nach New York ging es mehr als 1 000, die für die Flughafen Nürnberg beim Umsteigen in Paris sein blauer Trolley verlo- GmbH und ihre beiden Töchter AirPart (Abfertigung) ren. „Am Flughafen Charles de Gaulle gab es ein und Service GmbH (Shops, Duty Free, Parkhäuser) Problem. Viele meiner Mitreisenden kamen ohne tätig sind. Am Standort selbst arbeiten rund 4 000 Gepäck in New York an. Ich leider auch“, erzählt Menschen: in Behörden wie Zoll, Flugsicherung, der 37-Jährige frustriert. In dem vermissten Ge- Wetterdienst oder Polizei sowie bei Speditionen, päckstück transportierte der Designer des Sportar- Autoverleihern, in Reisebüros und Geschäften. tikelherstellers Adidas Entwürfe, die er in New York präsentieren sollte, sowie persönliche Gegenstände In der Ankunftshalle im Erdgeschoss herrscht ein und Kleidung. „Zur Entschädigung habe ich von der hektisches Kommen und Gehen. Braungebrann- Fluglinie 50 Dollar pro Tag bekommen. Dafür be- te Urlauber schleppen Rucksäcke und Koffer nach kommt man in New York gerade mal ein T-Shirt“, draußen. Direkt hinter der Schleuse wartet ein blon- kritisiert er. Nach der Landung in Nürnberg führt der Junge. Das große Schild, das er an einer Kordel sein erster Weg zur Gepäckermittlungsstelle. Dort um den Hals trägt, weist ihn als das unbegleitete sucht Ermittler Janis Kern per Computer nach dem Kind Lennox-Louis Vespermann aus. Mit der linken verschwundenen Stück. „Wir haben leider keine Hand umklammert er den Griff seines Rollkoffers, Informationen, wo sich der Koffer derzeit befindet, mit dem anderen Arm drückt er das Kuschel-Po- aber wir informieren Sie, wenn er aufgetaucht ist“, kémon „Bisasam“ an sich. Gerade kommt er von vertröstet er Saraswati. einem zweiwöchigen Besuch bei den Großeltern in Das Flugzeug ist ruckzuck entladen. Transportwagen bringen die Koffer zur Sicherheitsschleuse, hinter der die Eigentümer auf ihr Gepäck warten.
14 Hamburg zurück. Schlagartig weicht sein schüch- akribisch beäugt, egal, ob Passagierbus, Gepäckwa- ternes Lächeln einem erlösten Lachen: Mama und gen oder Flugzeug. „Für die Flugbewegungen in der kleiner Bruder durchqueren die Halle. Glücklich fällt Luft ist die Deutsche Flugsicherung im großen Tower sich die Familie in die Arme. zuständig. Wir kümmern uns hingegen insbesonde- re um den rollenden Verkehr auf dem Vorfeld“, sagt „Lennox-Louis ist bereits zum zweiten Mal allein ge- der Leiter der Verkehrsleitung, Christoph Seibert. flogen“, sagt Mutter Lara Vespermann-Wunderle. Bei 150 Flugbewegungen pro Tag bleibt der Mann- Kinder allein mit dem Flugzeug zu verschicken, sei schaft keine Zeit für Träumereien. einfach: Bereits am Check-In wartet ein Betreuer auf das Kind und begleitet es ans Gate. Dort nimmt es Bevor Fluggäste in der Ankunftshalle ihre Koffer eine Stewardess unter ihre Fittiche und setzt es ins vom Fließband nehmen können, werden diese einer richtige Flugzeug. Am Ankunftsort übergibt die Ste- Röntgenprozedur unterzogen. Auch Bargeld-, Ta- wardess das Kind wiederum an einen Betreuer, der bak- oder Drogenspürhunde kommen zum Einsatz. dafür sorgt, dass das Kind an den bevollmächtigten 36 Zollbeamte wechseln sich im Schichtdienst ab. Abholer übergeben wird – nur gegen Ausweis und Sie suchen nach Auffälligkeiten und kontrollieren Unterschrift, versteht sich. stichprobenartig Reisende, ob sie Waren einführen, die nachzuversteuern oder gar verboten sind. Dar- Auf dem Rollfeld herrscht hektische Betriebsam- unter fallen beispielsweise 50 000 geschützte Tier- keit. Eine Eurowings-Maschine aus dem kroatischen und Pflanzenarten, die nach dem Washingtoner Split spuckt Urlaubsrückkehrer aus. Francesco Aroli Artenschutzabkommen ihr Heimatland nicht ver- entlädt allein den Gepäckraum der Boing 737/800. lassen dürfen. Drogen oder Dopingmittel, Gold und Immer tiefer krabbelt er in den Bauch des Fliegers. Bargeld, Chamäleons oder Elfenbein: Es gibt nichts, Er zieht ein mobiles Förderband mit sich, das die was die Zöllner am Flughafen nicht schon aus dem Koffer ins Freie transportiert, direkt zu den warten- Verkehr gezogen haben. 2018 waren beispielsweise den Gepäckwagen. „Das geht in weniger als zehn 310 500 Zigaretten oder 27 verbotene Waffen dar- Minuten“, erläutert der 53-Jährige, und sieht dem unter, sagt die Pressesprecherin des Hauptzollamts, Gepäckwagengespann nach, das zügig die Verla- Martina Stumpf. dung ansteuert. Eine entspannte Atmosphäre herrscht im Salon Die Verkehrsleitung im alten Tower hat das Gespann „Hair + Beauty“. Friseurmeisterin Susanne Hoppe ebenfalls im Blick, besser gesagt, auf dem Monitor. kümmert sich seit 37 Jahren um die Frisuren von Im alten Tower am Flughafen wird jedes Fahrzeug, Fluggästen. Wobei die bei „Hair + Beauty“ eher in das sich über das Rollfeld und das Vorfeld bewegt, der Minderheit sind: „Wir haben viele Stammkun- Ein großes Schild um den Hals weist Lennox-Louis als unbegleitetes Kind Flughafenmitarbeiter Jan Beinßen lässt sich von Friseurin aus. Die Mama und der Bruder begrüßen ihn glücklich. Susanne Hoppe die Haare schneiden.
15 Die Verkehrsleitung hat ihren Sitz im alten Tower des Flughafens. Sie hat insbesondere den rollenden Verkehr auf dem Flughafen-Vorfeld im Blick und plant jede Fahrzeugbewegung vier Tage im Voraus. den, darunter eine Menge Flughafen-Beschäftigte“, Marsa Alam gebucht. Nun stehen die Dirscherls am sagt Hoppe. Natürlich kommen auch Reisende, Check-In-Schalter. „Wir fliegen gern von Nürnberg hauptsächlich Männer, bei denen ein Haarschnitt aus. Der Flughafen München ist zwar deutlich näher nicht so lange dauere wie bei Frauen. Schon wendet an Train, aber von Nürnberg aus zu fliegen, ist viel sie sich dem nächsten Kunden zu, bugsiert ihn zu entspannter“, sagt der 46-jährige Vater. „Wir freuen einem freien Stuhl und legt ihm einen Frisierman- uns auf erholsame Badetage, schöne Strände und tel um: „Herr Beinßen, wie gehabt?“, begrüßt sie das Meer“, strahlt die 43-jährige Tanja Dirscherl. den stellvertretenden Flughafen-Pressesprecher Jan Beinßen, der seine Mittagspause nutzt, um sich das Noch unentschlossen, wohin die Reise geht, sind Re- Haupthaar kürzen zu lassen. gina Tibbett und Carsten Börchers. Sie schlendern im Obergeschoss an den Reisebüros vorbei und André Hergert hat hingegen keine Zeit für einen studieren die bunten Aushänge, die Destinationen Haarschnitt. Der Chief Financial Officer und Finanz- weltweit anpreisen: Kuba oder Montevideo, Gran vorstand eines weltweit tätigen Technologieunter- Canaria oder die Türkei. „Wir wollen für sieben Tage nehmens fährt mit seiner Limousine direkt beim Ser- in die Sonne, in ein Land, für das man keinen Reise- viceparken im Parkhaus vor – gerade rechtzeitig, um pass braucht, sondern der Personalausweis reicht“, seinen Flug nach Hamburg zu erwischen. „Unser Fir- sagt Carsten Börchers. „500 bis 600 Euro pro Nase mensitz ist in Schöneck im Vogtland und Nürnberg wollen wir ausgeben, deshalb fliegen wir erst in der nächstgelegene Flughafen“, sagt er noch, bevor der Nachsaison“, betont seine Freundin Regina, die er einem Parkdienstmitarbeiter den Autoschlüssel eben ihr Studium als Wirtschaftsjuristin abgeschlos- in die Hand drückt. Der 53-Jährige ist noch nicht in sen hat. der Luft, als sein Wagen bereits in einer speziell ge- sicherten Garage steht. Kostenpunkt: 36 Euro pro Obwohl supergünstige Last-Minute-Schnäppchen Tag, ohne Extras wie Außen- oder Innenreinigung im Internetzeitalter passé sind, zieht es das Paar wie oder Tanken. viele andere Reiselustige an den Airport. 17 Reise- büros und 19 Verkaufsstände bieten Reisen in alle Ausgelassen treten Tanja und Markus Dirscherl mit Winkel der Welt an, guten Rat, etwa zu Konflikten ihren Kindern Selina und Sebastian ihre Reise an. im Zielland, gibt es ebenfalls. „Und die Reiselust Die Familie aus Train im niederbayerischen Landkreis kommt hier von ganz allein“, sagen Carsten und Kelheim hat kurzfristig einen Urlaub im ägyptischen Regina.
16 Text Annamaria Böckel Fotos Christine Dierenbach Ein zauberhaftes Wesen Einmal im Leben Christkind sein – jede junge Nürnbergerin darf davon träumen. Seit 50 Jahren hat die Bevölkerung die Wahl. Heute kümmert sich eine ganze Helferschar um das Mädchen. Manche Vorgängerin musste die Locken noch selber aufdrehen. „Wann findet denn dieses Jahr das Casting statt?“ Bei Susanne Randel aus dem städtischen Presseamt, zuständig für die Or- ganisation von Nürnbergs bekanntestem Ehrenamt, löst diese regelmäßig von Medienvertretern gestellte Frage leichtes Stirn- runzeln aus. Mit einem Casting, wie man es aus TV-Formaten kennt, hat die alle zwei Jahre anstehende Wahl des Nürnberger Christkinds nicht viel gemeinsam. Schließlich soll die Repräsen- tantin des weltberühmten Weihnachtsmarkts nicht nur eine gute Figur im goldenen Kleid machen. Daran hat sich in den 50 Jahren, seit die Stadt ein Christkind wählt, nichts geändert. Was macht es aus, das Nürnberger Christkind? Lange blonde Haare? Nicht nötig – die eigene Haarpracht verschwindet unter einer gelockten Perücke. Genauso wenig wünscht sich die Stadt eine junge Frau mit Modelmaßen. „Wir suchen ein Mädchen mit Herz, das allen Menschen und vor allem denen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, Freude bringt“, sagt Susanne Randel. Die Betreuerin ist immer wieder aufs Neue be- eindruckt, wie bei Christkindbesuchen ein Lächeln im Gesicht pflegebedürftiger Senioren erscheint oder wie bei kleinen Pati- enten der Kinderonkologie die Krankheit für einen Moment in den Hintergrund tritt.
17 Mit goldenem Buch und Sternenstaub: Teresa Treuheit 2013 bei der Märchenstunde.
18 Die Anforderungsliste an die jungen Nürnbergerin- nen zwischen 16 und 19 Jahren, die sich für zwei Jahre auf das Abenteuer Christkind einlassen wol- len, ist lang. Sie müssen mindestens 1,60 Meter groß und schwindelfrei sein, um bei der Markteröff- nung sicher auf der Empore der Frauenkirche zu ste- hen. Sie dürfen keine Angst vor Interviews haben. Und vor allem müssen sie ohne Scheu auf Menschen zugehen können. Weihnachtsmärkte gibt es viele in Deutschland. Auch Christkinder sind an manchen Orten im Ein- satz. Und trotzdem ist das Interesse am Nürnber- ger Christkindlesmarkt, der sich bis ins Jahr 1628 zurückverfolgen lässt, und seiner Gallionsfigur be- sonders groß und geht weit über die Stadt hinaus. 1969 hatte der damalige Leiter des Presseamts, Walter Schatz, die Idee, dem Christkindlesmarkt ein Gesicht zu geben. Eine junge, von der Bevölkerung gewählte Nürnbergerin sollte während einer jeweils Betreuerin Susanne Randel, Maskenbildnerin Helke Hadlich und Kostüm- zweijährigen Amtszeit innerhalb und außerhalb der direktorin Eva Weber (v.li.) machen aus Rebecca Ammon das Christkind. Stadt als Botschafterin für den Markt stehen. Das Modell hat sich bewährt: Benigna Munsi, das Nürn- berger Christkind der Jahre 2019 und 2020 (siehe Seite 7) ist die 26. gewählte Amtsinhaberin. Auch das Wahlverfahren ist weitgehend gleich- geblieben: Nach der ersten Runde, bei der die Öf- fentlichkeit aus zwölf geeigneten Kandidatinnen ihre Favoritinnen bestimmt, treten diese sechs jun- gen Frauen vor eine Jury, in der das Presseamt, das städtische Marktamt, das Staatstheater, die Con- gress- und Tourismuszentrale sowie die Nürnberger Medien vertreten sind. Hier gilt es, mit sprachlichem Ausdruck, Wissen über die Stadt und den Christ- kindlesmarkt und natürlicher Ausstrahlung zu punk- ten. Eine Kampfabstimmung hat die Jury noch nie erlebt. Meist ist sie sich schnell einig, welche der Himmlischer Fahrdienst der VAG: Uwe Freese, Ralf Kühnel und Bewerberinnen die geeignetste ist. David Schloßer (v.li.). Foto VAG/Claus Felix Damit aus der jungen Nürnbergerin ein echtes Christkind wird, sind viele Helferinnen und Helfer im Einsatz. Vorneweg die Betreuerin im Presseamt, die während der kurzen, aber vollgepackten Amts- zeit neben den Eltern wichtigste Ansprechpartnerin wird. Schon unmittelbar nach der Wahl steht das neue Christkind im Rampenlicht. Kameras und Mik- rofone richten sich auf das Mädchen. Es soll spontan und natürlich Fragen beantworten und Herzenswär- me zeigen. „Ich wollte den Mädchen immer das Ge- fühl vermitteln, dass sie nicht allein sind“, erinnert sich Edith Kerndler-Hamburger, die im städtischen Presseamt bis zu ihrem Ruhestand zwölf Christkin- der betreut hat. Susanne Randel (li.) und ihre Vorgängerin Edith Kerndler-Hamburger 2012 mit Christkind Franziska Handke.
19 Ihre Nachfolgerin Susanne Randel organisiert die Helferschar rund um das Christkind. Im Staatsthea- ter entsteht das typische Ornat, bestehend aus Kleid mit Flügeln, der Perücke und der Krone. Seit 1982 wirkt Eva Weber an der Verwandlung der jungen Frauen zum Christkind mit, zunächst als Schneiderin in der Kostümabteilung, heute als Kostümdirektorin. Egal ob groß gewachsen oder von kleinerer Statur, eines war bislang allen Christkindern gemeinsam: „Die Mädchen sind alle mit einer großen Leiden- schaft bei der Sache“, sagt Eva Weber. Nicht nur schön aussehen soll das Christkind, son- dern auch fehlerfrei und gut betont den Prolog spre- Christkind zum Anfassen: Johanna Heller war 2009 und 2010 im Einsatz. chen. Es gebe nicht die eine richtige Art des Vortrags, Foto: Jana Kehr weiß der Coach und Schauspieler Thomas Dietz, der seit vier Jahren den Christkindern bei der Vorberei- tung zur Seite steht. „So einfach und so strahlend wie möglich“ solle der Text erklingen. „Jedes Mäd- chen hat sein eigenes Bild, wie es als Christkind sein möchte. Ich kann es dabei unterstützen, das zu zei- gen, was es mitbringt“, erklärt er. Aus seiner lang- jährigen Bühnenerfahrung gibt er Ratschläge, wie man kurz vor dem Auftritt vor 20 000 Menschen, die auf dem Hauptmarkt gebannt auf die Empore der Frauenkirche blicken, das Lampenfieber in den Griff bekommt. „Christkind, kannst du fliegen?“ Jedes Mädchen findet auf diese häufig gestellte Kinderfrage die pas- sende Antwort. Zu seinen vielen Terminen kommt es dann doch nicht geflogen, sondern seit etlichen Coach Thomas Dietz gibt Rebecca Ammon Tipps für den sicheren Auftritt. Jahren mit einem Kleinbus, den die Verkehrsakti- Foto: Mile Cindrić engesellschaft Nürnberg samt drei wechselnden Fahrern bereitstellt. Uwe Freese ist seit sieben Jah- ren im himmlischen Auftrag unterwegs. Er bringt das Christkind nicht nur sicher von einem Termin zum nächsten, sondern hat auch stets die Uhr im Blick, hilft beim Anziehen und sorgt für die Verpfle- gung. „Und ich bin Gesprächspartner in guten und schlechten Zeiten“, sagt er. Wenn er das Christkind am Heiligen Abend zu seinen letzten Auftritten fährt, sei das für ihn die schönste Art, die Weih- nachtszeit einzuläuten. Das Ehrenamt verlangt den jungen Frauen viel ab. Sie opfern Zeit, müssen nach der Saison versäumten Schulstoff nachholen, sind während der Adventszeit eine öffentliche Person und müssen auch einmal Kritik einstecken können. Aber sie bekommen auch sehr viel zurück. „Ihr werdet in eurem Leben nie wieder in so viele strahlende Gesichter schauen“, hat Edith Kerndler-Hamburger jedem einzelnen mit auf den Weg gegeben. Lächeln für die Kameras: Barbara Otto, Amtsinhaberin 2015/2016, bei der Marktbegehung.
20 „Mut und Freude schenken, das bleibt hängen“ Gabriele Bergmann, verheiratete Jungk, war 1969 das erste gewählte Christkind. Die damals 19-jäh- rige Auszubildende bei der Stadtsparkasse Nürn- berg wurde für das Ehrenamt freigestellt. Ebenso wie die Schülerin Rebecca Ammon, die 2017 zum Das erste und das 25. gewählte Christkind: Gabriele Jungk (re.) und 25. Christkind gewählt wurde. Nach ihrem Abitur Rebecca Ammon. Foto: Annamaria Böckel will die heute 19-Jährige jetzt als Flugbegleiterin die Welt erkunden. Nürnberg Heute: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, musste die Sonderzüge mit Christkindlesmarktbesu- sich als Christkind zu bewerben? chern am Hauptbahnhof begrüßen. Beim U-Bahnbau nach Fürth habe ich das Band durchschnitten. Der Gabriele Jungk: Ich habe zu dieser Zeit Turnier getanzt lustigste Einsatz war in Cham. Wir sollten uns für den und Theater gespielt und wollte Funkenmariechen bei Christbaum bedanken, den Nürnberg von dort bekom- einer Faschingsgesellschaft werden. Mein Vater hat ge- men hat. Wir waren viel zu spät dran. Kurz vor der An- sagt: „Nur über meine Leiche.“ Am selben Tag war die kunft habe ich mich auf dem Parkplatz umgezogen. Die Ausschreibung in der Zeitung. Da habe ich mir gedacht: Schminke musste man mit Wasser auftragen. Dafür ha- Dann werde ich Christkind. ben wir Schnee geschmolzen. Es war einfach köstlich. Rebecca Ammon: Christkind werden wollte ich, seit ich klein war. Sobald ich mich bewerben konnte, war Vieles ist gleichgeblieben. Manches hat sich total ver- die Bewerbung auch schon fertig. ändert, etwa die mediale Aufmerksamkeit. Wären Sie heute gerne noch einmal Christkind? Das Amt war 1969 völlig neu. Hatten Sie eine Vorstel- Jungk: Manches ist heute einfacher, zum Beispiel, dass lung, was auf Sie zukommt? man ein Auto zur Verfügung hat. Mich musste damals Jungk: Ich hatte die Vorstellung von der Markteröff- mein Vater überall hinfahren. Ich habe alles alleine or- nung. Das war schon alles. Ich erinnere mich noch, dass ganisiert. Nach Berlin, wo ich einen Weihnachtsmarkt mir nach der Wahl Charles Aznavour gratuliert hat. Er eröffnet habe, bin ich ganz alleine geflogen. Auch die war damals zu einem Ball in Nürnberg und zur Wahl ein- Locken der Perücke musste ich abends selber neu ein- geladen. Danach wurde ich ins kalte Wasser geworfen. drehen. Es war auf der einen Seite mühsam, auf der Herr Schatz (damals Leiter des städtischen Presseamts) anderen Seite wäre es mir heute zu straff durchgetaktet. hat mal gesagt: Ich war ein Glücksfall für Nürnberg. Wenn es mit mir nicht funktioniert hätte, hätte die Stadt Frau Ammon, war Ihre Christkindzeit straff organisiert? die Idee des gewählten Christkinds wieder aufgegeben. Ammon: Es ist sehr stressig, aber schöner Stress. Der Ammon: Ich konnte eher ahnen, was kommt. Es gab ja Zeitplan läuft von vormittags bis abends durch. Aber da- viele Interviews mit den Vorgängerinnen. Aber wie man durch, dass man bei den Fahrern in guten Händen ist, wirklich in einer bestimmten oder schweren Situation hat es immer gut funktioniert. reagiert, weiß man vorher nicht. Haben Sie Ihre Vorgängerinnen bewusst erlebt und be- Was gab es früher außer der Eröffnung für Aufgaben? obachtet? Jungk: Ich kann mich daran erinnern, dass ich im Kauf- Ammon: Ich war früher sehr oft am Christkindlesmarkt. haus Schokoladenchristkinder verteilt habe. Und ich Als ich einmal mit meiner Oma um die Ecke gebogen
21 bin, stand plötzlich das Christkind vor mir. Ich war so ganz freundlich wieder zu mir und haben ihr Bild be- überrascht und habe mich gleichzeitig so gefreut, dass kommen. den ganzen Tag nichts mehr mit mir anzufangen war. Jungk: Zu meiner Zeit waren die Menschen noch zu- Die unmittelbaren Vorgängerinnen habe ich dann aus rückhaltender und höflicher. der Perspektive gesehen, selber Christkind werden zu wollen. Wie verändert einen das Amt? Gibt es das eine schöne Erlebnis, das in Erinnerung Jungk: Man wird selbstbewusster. Ich habe keine Be- bleibt? rührungsängste gegenüber prominenten Menschen. Das habe ich an allen Christkindern beobachtet. Jungk: Für mich war es die Eröffnung. Obwohl ich beim ersten Mal total erschrocken bin, als ich mich als Echo Ammon: Ich bin offener geworden gegenüber unbe- von der anderen Seite des Hauptmarkts gehört habe. kannten Situationen. Ich habe viel von Thomas Dietz An dem Tag hat es leicht geschneit. Das war wunder- (dem Coach) gelernt, wie man mit Aufregung umgeht. schön. Die Aufregung war groß, aber da ich schon The- Das kann ich in Zukunft gut brauchen. ater gespielt hatte, ging es trotzdem. Ammon: Mein Highlight war auch der Prolog. Dass Als Christkind steht man im Rampenlicht und bekommt ich mich als Echo gehört habe, hat mich noch gepusht. viel Sympathie. Gibt es auch Kritik? Dann gab es Termine, die viel Wert bekommen hatten, Ammon: Es gibt nicht das perfekte Christkind. Man weil ich viel bewirken konnte. Auch wenn die Situation kann es für sich zum besten Christkind machen. Aber vielleicht traurig ist, Mut und Freude zu schenken, das jeder Mensch hat eine andere Vorstellung. Daher gibt es bleibt hängen. immer Leute, die mit irgendetwas nicht zufrieden sind. Es ist nicht so toll, wenn man etwas Kritisches liest, aber Gibt es auch negative Erinnerungen? man sollte nicht zu viel darüber nachdenken. Jungk: Das Kaufhaus hätte ich nicht gebraucht. Einmal Christkind – immer Christkind: Stimmt das? Ammon: Mir ist aufgefallen, dass Erwachsene oft forsch oder unhöflich werden können. Ich finde das am Jungk: Auf jeden Fall. Ich bin seit 50 Jahren Christkind. Christkindlesmarkt nicht angebracht und ein schlechtes Jedes Jahr werde ich wegen Interviews oder TV-Beiträ- Vorbild für Kinder. Auf der Kinderweihnacht habe ich gen gefragt. Aber mit 90 möchte ich nicht mehr im Ein- einmal erlebt, wie sich zwei Großmütter gestritten ha- satz sein. ben, welches Enkelkind zuerst ein Foto mit mir machen Ammon: Ich will gar nicht, dass das aus meinem Leben darf. Ich habe ihnen gesagt, dass ich weitergehe, wenn verschwindet. Ich finde die Vorstellung schön, das alles sie sich nicht einigen können. Später kamen sie dann meinen Kindern und Enkelkindern zu erzählen. Rebecca Ammon (li.) 2017 und Gabriele Bergmann 1969. Foto re.: Stadtarchiv Nürnberg
22 Geschichte 1 legenheit, das Christkind aus der BEFLÜGELTE BEGRIFFE Die Figur des Christkinds war in Nürnberg schon vor der ersten Nähe zu sehen und ihm noch den Wunschzettel zuzustecken. In Wahl präsent. Seit 1948, als der einer Saison, die von Freitag vor erste noch bescheidene Markt der dem Ersten Advent bis zum Hei- Nachkriegszeit seine Buden öffne- ligen Abend dauert, kommen bis te, sprach die Schauspielerin Sofie zu 170 Termine zusammen. Un- Foto: Ursula Wagner Keeser den Prolog zur Eröffnung. ternehmen, die gerne ihren Pro- Ab 1961 übernahm ihre Kolle- dukten oder Dienstleistungen mit gin Irene Brunner diese Aufgabe. dem Christkind mehr Glanz ver- Auch die Nationalsozialisten hat- leihen möchten, bekommen von 3 ten schon auf die Symbolkraft der der Stadt Nürnberg eine Absage. Figur gesetzt. Gleich beim ersten Weihnachtsmarkt unter national- sozialistischer Herrschaft 1933 trat eine Schauspielerin als Christkind auf, die einen Prolog „im Geist der neuen Zeit“ sprach. Bewusst knüpften die neuen Machthaber damit an eine alte Nürnberger Tradition an. Seit der Reformation brachte in protestantischen Gebie- ten nicht mehr der Nikolaus den Kindern Geschenke, sondern an Heilig Abend das Christkind. Wo- bei damit nicht das Jesuskind in der Krippe gemeint war, sondern eine Gestalt, in die auch Überlie- ferungen der Maria, der St. Lucia und des Verkündigungsengels eingeflossen waren. So entstand die Vorstellung eines weiblichen 4 Christkinds, weshalb bis heute die Bewerbung um das Amt jungen Frauen vorbehalten bleibt (im Bild Inge Eichenseer 1973). Reisen 3 Ehemalige Philadelphia und Baltimore in Ein Leben lang Christkind: Zwar den USA, Brüssel, Bukarest oder endet die Amtszeit eines gewähl- Kalender 2 Glasgow in Europa: Die Reiselis- ten Christkinds am 24. Dezember Ohne ausgeklügelten Terminplan te des sogenannten „Auslands- des zweiten Jahrs, aber so ganz würden das Christkind und seine christkinds“ ist lang. Vor allem vorbei ist es dann doch noch nicht Betreuerin schnell den Überblick auf Weihnachtsmärkten, die sich mit dem himmlischen Dasein. verlieren. Der Markteröffnung im an deutschen Vorbildern orientie- In den beiden darauffolgenden Scheinwerferlicht folgen zahlrei- ren, ist das originale Nürnberger Jahren repräsentieren die jungen che Besuche in Krankenhäusern Christkind ein gern gesehener Frauen die Weihnachtsstadt Nürn- und Altenheimen, in Kindergär- Gast. Auch wenn die Figur nicht berg bei Auftritten meist außer- ten und Wärmestuben für Woh- immer leicht zu erklären ist und halb Deutschlands (s. Reisen). Und nungslose, bei Menschen mit in den USA schon einmal für eine auch danach ist die Verbunden- Behinderungen und bei Jugendli- Märchenprinzessin gehalten wird, heit mit dem Ehrenamt weiterhin chen mit psychischen Erkrankun- sind die Begeisterung und der stark. Jedes Jahr am 24. Dezem- gen. Kleine und große Besuche- Wunsch nach einem Foto mit dem ber treffen sich alle ehemaligen rinnen und Besucher des Markts deutschen Import groß. Da macht Christkinder, die gerade in Nürn- und der Kinderweihnacht (im Bild auch Santa Claus im Inner Harbour berg sind, mit ihrer amtierenden Marisa Sánchez 2001) bekom- von Baltimore (im Bild Franziska Nachfolgerin, und das natürlich men dreimal wöchentlich die Ge- Handke 2014) keine Ausnahme. auf dem Christkindlesmarkt.
23 Medienrummel 4 Schneiderinnen den Stoff für die Prolog Kaum hat die Jury verkündet, wer Flügel zum Plissieren noch außer Würde man eines der 25 ehe- für die nächsten zwei Jahre das Haus geben. Heute gibt es dafür maligen Christkinder mitten in Nürnberger Christkind verkörpern keinen Dienstleister mehr, so dass der Nacht wecken und nach wird, richten sich Kameras und auch diese Aufgabe beim Staats- dem Prolog fragen, bekäme man Mikrofone auf die gewählte junge theater bleibt. Die Kleider müssen vermutlich eine fehlerfreie Re- Frau. Der Medienmarathon startet einiges aushalten. Verschütteter zitation zu hören. Nicht nur bei mit den ersten Interviews. Auch Kaffee aus dem Seniorenheim, der feierlichen Markteröffnung, die großen Fernsehformate lieben Senfflecken von begeisterten sondern auch bei vielen weiteren das Christkind. Ob Außenwette Weihnachtsmarktbesuchern oder Auftritten spricht das Christkind von „Wetten dass?“ mit Modera- eine aufgerissene Naht: Die Kos- den Text. Manche Bewerberinnen torin Karen Webb (im Bild Christin tümabteilung bringt alles wieder können ihn schon auswendig, Strauber 2004), „Sternstunden“- in Ordnung. wenn sie sich zur Wahl stellen. Gala des Bayerischen Rundfunks Der Ursprungstext, der erstmals oder Adventsshow mit Florian 1948 von der Schauspielerin Sofie Silbereisen – das Christkind strahlt Krone 5 Keeser zu hören war, stammt von mit seinem goldenen Ornat min- Vergoldetes Messing, 25 Zenti- dem Nürnberger Dramaturgen destens so hell wie die Stars. meter im Durchmesser und 27 Friedrich Bröger. Lobte der erste Zentimeter in der Höhe, ein Ge- Prolog noch die Wiedererstehung wicht von rund 800 Gramm. Das des Christkindlesmarkts nach dem Kleid sind die Daten der Krone, die je- Zweiten Weltkrieg und die Wie- Aus je fünf Metern Brokat, acht des Christkind auf den blonden deraufbauleistung der schwer zer- Metern Goldlamé sowie Einla- Locken trägt. Sie stammt aus der störten Stadt, nahm die spätere gen- und Futterstoff fertigt die Werkstatt von Waffenmeister Pe- Version als „neue Stadt im Grün“ Kostümabteilung des Staats- ter Hofmann im Staatstheater. den Stadtteil Langwasser mit sei- theaters für jedes neu gewählte Damit das Metall nicht auf dem nen Hochhäusern mit auf. Für die Christkind zwei Kleider – eines mit Kopf drückt, ist das gute Stück Auslandsbesuche entstand sogar steiferen Flügeln für die Eröffnung mit Schaumstoff ausgepolstert. eine englische Version. und weitere Auftritte, eines mit Geht ein Christkind auf Reisen, weicherem Lamé überwiegend ist die Krone gemeinsam mit der für den Einsatz in geschlosse- Perücke sicher verwahrt in einem nen Räumen. Früher konnten die speziell angefertigten Koffer. 5 2 1 Foto: Stadtarchiv Nürnberg
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Menschen 25 Die Beste ihres Fachs Das Publikum war bereits überzeugt und die überregionale Aner- kennung folgte rasch: Joana Mallwitz, seit der Spielzeit 2018/19 Generalmusikdirektorin der Staatsphilharmonie Nürnberg, wurde im Herbst von zwei Fachmagazinen als „Dirigentin des Jahres“ („Opern- welt“) und mit dem „Oper! Award“ als „Beste Dirigentin“ („Oper!“) ausgezeichnet. Staatsintendant und Operndirektor Jens-Daniel Herzog äußerte sich dazu „stolz und glücklich, dass wir Joana Mallwitz zu Foto: Nikolaj Lund uns ins Staatstheater Nürnberg locken konnten“. Weltmeisterliche Leistung In einem aufsehenerregenden Finale errang der Schüler Taliso Engel bei den Para-Schwimmweltmeisterschaften in London eine Goldmedaille über 100 Meter Brustschwimmen. Bei den Wett- kämpfen im September 2019 trat der 17-Jährige in der offenen Altersklasse S13 (Schwimmer mit Sehbehinderung) an und schlug die Konkurrenz in einer Zeit von 1:05,20 Minuten. Damit darf der Foto: Giulia Iannicelli Schüler 2020 voraussichtlich zu den Olympischen Spielen nach Tokio reisen. Vorbilder geehrt Der Immobilienentwickler Gerhard Schmelzer, die Theaterleiterin Gisela Hofmann, der Naturschützer Roland Straub und der Gewerkschafter Jürgen Wechsler (1., 3., 4. u. 5. v.li.) erhielten am sogenannten Stadtgründungstag 16. Juli aus den Händen von Oberbür- germeister Ulrich Maly (2.v.li.) für ihre „hervorragenden Verdienste“ die Bürger- medaille der Stadt Nürnberg 2019. Foto: Anestis Aslanidis
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Menschen 27 Preisverdächtiger Podcast Der 14-jährige Maximilian Sommerfeld, Schüler des Johannes-Scharrer-Gymnasiums (im Bild mit Lehrerin Elke Mahler), hat beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten einen Sonderpreis erhalten. In seinem Podcast kommen Zeitzeugen zu Wort. Er trägt den Titel „Alle hielten dicht – 16 flohen“. Es geht dabei um eine DDR-Klasse, die sich kritisch zum Ungarn-Aufstand 1956 geäußert hatte. Die Schülerinnen und Schüler hatten eine Schweigeminute eingelegt und wurden dafür von der Schule verwiesen. Nach und nach sind dann alle aus der DDR geflohen. Foto: Melanie Kunze Ein mutiger Kämpfer Für seinen Kampf für freien Zugang zu Wasser ist Rodrigo Mundaca (Mitte) aus Chile mit dem Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreis 2019 geehrt worden. Oberbürgermeister Ulrich Maly und Jury-Mitglied Anne Brasseur, ehemalige Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, überreichten die mit Foto: Giulia Iannicelli 15 000 Euro dotierte Auszeichnung am 22. September 2019 im vollbesetzten Nürnberger Opernhaus. Im An- schluss feierten bei der traditionellen Friedenstafel rund 4 500 Nürnbergerinnen und Nürnberger ihren Preisträger. Deutscher Meister Was der Club seit 1968 nicht mehr geschafft hat, ist der Nürnberger Stadtrats- mannschaft gelungen: die Deutsche Meisterschaft! Beim 41. Ratsherrenturnier in Hamburg setzten sich die Rat- hauskicker im Finale mit 1:0 gegen Waldhessen (Bad Hersfeld) durch. Es ist der erste Turniersieg nach einem dritten und einem zweiten Platz 2017 beziehungsweise 2018. Seit 2011 nimmt die Nürnberger Mannschaft teil. Foto: privat
28 Text Timo Schickler Fotos Martin Schmidt Sie drehen am Rad Am Feierabend noch schnell 100 Kilometer machen? Eine wachsende Rennrad- szene bringt sportlichen Ehrgeiz und Freizeitspaß zusammen. Nicht das Sieger- treppchen ist das Ziel, sondern Gleichgesinnte auf die Lieblingstour mitzunehmen. Die „Tour de Franken“ besticht wie ihr französisches Vorbild mit Naturerlebnissen.
29 Sonntagmorgen, kurz nach neun Uhr. Die Altstadt ist leer, nur ein paar Frühaufsteher unter den Touristen sind unter- wegs. Ein Mitarbeiter des Neuen Museums öffnet quiet- schend das Tor zum Skulpturengarten an der Stadtmauer. Dann surrt es in der Straße. Ein Rennrad nach dem anderen rollt im Leerlauf heran. Rennradschuhe klackern auf dem Kopfsteinpflaster. Die gehören zu zwei Dutzend Rennrad- fahrern, die sich hier versammeln. Ein Schild an einem alten beigen Rad an der Ecke Frauentormauer und Vordere Stern- gasse zeigt an, wo sie sich treffen: „Eddy would attack“. Vor dem Café mit dem ungewöhnlichen Namen – eine Hom- mage an die belgische Radsportlegende Eddy Merckx – sitzt Michael Bischoff, 52, in einem ungewöhnlichen Trikot. Es ist weiß mit fünf bunten Streifen über der Brust. Auffälliger aber ist der Stoff. Das Trikot ist aus Merino-Wolle, wie es die Radstars in den 1980er Jahren getragen haben, als sie auf Stahlrädern die Berge der „Tour de France“ hochgeklettert sind. Für Michael Bischoff geht es heute ebenfalls Berge hi- nauf, auch er fährt ein Stahlrad. Das hat er im Fundbüro er- steigert und danach selbst in Schuss gebracht. Ähnlich wie bei alten Autos lässt es sich daran einfacher schrauben. An diesem Sonntag wird Michael Bischoff 80 Kilometer unter- wegs sein. Erst seit drei Jahren fährt er Rennrad, nachdem er den Fußball hinter sich gelassen hat. Bischoff hat eine Jugendmannschaft des 1. FC Nürnberg trainiert, „jetzt will ich flexibler sein“, sagt er. Wann und wo er Sport macht, bestimmt er selbst. Inzwischen ist er süchtig, sagt er selbst. Wie die anderen Rennradfahrer, die Oliver Schwarzäugl hier versammelt. Er hat vor drei Jahren das Rad-Café an der Frauentormauer eröffnet, wo die Rennradler sich jetzt noch schnell mit Cappuccino versorgen, bevor sie bei der von Schwarzäugl organisierten Ausfahrt gemeinsam in die
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