20 Jahre Umweltschutzgesetz (USG) - Umweltinformation Kanton Zürich - Zürcher UmweltPraxis" (ZUP)

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UMWELTPRAXISNr. 40 April 2005

                                    Themenschwerpunkt

                                    20 Jahre
                                    Umweltschutzgesetz (USG)
                                    – Erfahrungen
Z Ü R C H E R

                                    – Einsichten
                                    – Ausblicke

                                                        Umweltinformation
                                                        Kanton Zürich
IMPRESSUM
                   I N H A LT S V E R Z E I C H N I S
                                                                                    IIM
                                                                                      MPPRREESS S U M
                 Editorial                              3

                 20 Jahre Umweltschutzgesetz (USG)          ZÜRCHER UMWELTPRAXIS (ZUP) – Informations-
  Allgemeines    – Einführung und Übersicht        5        Bulletin der Umweltschutz-Fachverwaltung des Kan-
                                                            tons Zürich. Nachfolgeorgan des seit 1989 herausge-
                                                            gebenen KAUZ – Kanton Umwelt Zürich.
                 Die Luft ist besser – aber noch
                 immer nicht gut genug              11      Inhalt
                 Dank USG keine übermässige                 Die inhaltliche Verantwortung liegt bei der am Anfang
          Luft   Elektrosmogbelastung               15      jedes Beitrags bzw.einer Beitragsgruppe jeweils einzeln
                                                            aufgeführten als Autor zeichnenden Person bzw. bei der
                                                            Verwaltungsstelle.

                                                            Redaktion, Koordination und Produktion
                 20 Jahre Lärmschutz –                      Verantwortlich für das Sammeln bzw. Ordnen der Bei-
         Lärm    zurück auf Feld eins               17      träge, die Redaktion und die Leitung der Gesamtpro-
                                                            duktion: Koordinationsstelle für Umweltschutz des
                                                            Kantons Zürich, 8090 Zürich, Telefon 043 259 24 17,
                                                            die auch für Administration, Abonnemente und Adress-
                                                            änderungen zuständig ist.
                 Abfall: Vom Umweltproblem
        Abfall   zur wertvollen Ressource           21      ZUP-Inhaltsgliederung
                                                            Die Gliederung des Inhalts, ersichtlich jeweils auf der In-
                                                            nenseite, richtet sich für jede Ausgabe nach der stets
                                                            gleichbleibenden Grundordnung gemäss den neben-
                                                            stehenden blauen Feldern und ergänzenden, von Fall zu
                 Der Boden: Die vernachlässigte             Fall den leeren Feldern zuzuordnenden Begriffen. Diese
       Boden     Ressource                          25      Regelung soll es erlauben, längerfristig interessierende
                                                            Informationen auch in Form einzelner Beiträge her-
                                                            austrennen und separat ablegen zu können.
                 20 Jahre Umweltschutzgesetz
                 (USG): Eine Katastrophe?           27
                                                            Erscheinungsweise
                 Biosicherheit: Jüngstes                    Drei- bis viermal jährlich. Gedruckt auf hochwertiges
    Sicherheit   Kind des Umweltschutzes            31      100 %-Recyclingpapier. Reguläre ZUP-Ausgaben kön-
                                                            nen auch als Sonderhefte zu einem einzigen Thema er-
                                                            scheinen.
                 Umweltverträglichkeitsprüfung:
         UVP     Wie weiter?                        35      Nachdruck
                                                            Die in der ZÜRCHER UMWELTPRAXIS (ZUP) erscheinen-
Kommunikation    Tue Gutes und sprich davon!        39      den Beiträge sind unter Quellenangabe zur weiteren Ver-
                                                            öffentlichung frei. Bei Kontaktnahme stehen auch die
                                                            verwendeten Grafiken zur Verfügung. Belege sind erbe-
                                                            ten an die Koordinationsstelle für Umweltschutz des Kan-
                                                            tons Zürich, 8090 Zürich.

      Energie    Von der Erdölkrise zu Minergie     43      ZUP-Archiv und zuständige Stellen
                                                            Im Internet können Sie unter
                                                            www.umweltschutz.zh.ch das Archiv aller ZUP-
                                                            Beiträge nach Stichworten durchsuchen (Artikelsuche).
   Ökologisch                                               Wollen Sie wissen, wer im Kanton Zürich für welches
                 Umweltentlastung durch                     Umweltproblem zuständig ist? Wählen Sie auf der Ein-
       Bauen     ökologisches Bauen                 45      stiegsseite den gesuchten Umweltbereich und Sie er-
                                                            halten den direkten Link.

                 Der Wasserbau: Seit 1975
                 Teil des Umweltschutzes            47
                 Trotz erfolgreichem Gewässerschutz
       Wasser    keine heile Wasserwelt             51
Editorial

20 Jahre
Umweltschutzgesetz (USG)

20 Jahre sind es her, seit nach längeren Geburtswehen das Bundesgesetz über         Inhaltliche Verantwortung:
den Umweltschutz endlich in Kraft trat. Zeit also für ein Jubiläum? Gewiss nicht    Heinz Trachsler
– dazu eignen sich Jahrestage von Gesetzeswerken schlecht. Zeit aber für einen      Koordinationsstelle für Umweltschutz
Zwischenhalt. Auch ein Blick zurück sei uns erlaubt, sind wir doch täglich damit    Generalsekretariat Baudirektion
beschäftigt, die Umweltschutzgesetzgebung zum Gemeinwohl wirken zu lassen.          Postfach
Dies dürfen wir auch mit gewissem Stolz tun, hat sich doch die Umweltsituation      8090 Zürich
innert der beiden Jahrzehnte dank des Gesetzesvollzugs in manchen Bereichen         Telefon 043 259 24 15
markant verbessert. Vorbei sind allerdings auch die Zeiten schneller Erfolge. Die   Fax 043 259 51 26
Verbesserungen der Umweltsituation kann häufig nur mehr in kleinen Schritten        heinz.trachsler@bd.zh.ch
erreicht werden, wo sich die Umweltgesetzgebung umso mehr bewähren muss.            www.umweltschutz.zh.ch
In manchen Bereichen ist Erreichtes durch die wachsende Mobilität sowie den un-
verminderten Boden- und Energieverbrauch gefährdet. Mit neuartigen Proble-
men stellen sich zudem auch neue Herausforderungen.

Erfahrungsberichte aus zwei Jahrzehnten
Dem Rückblick auf die Entwicklung des Umweltschutzgesetzes und die Voll-
zugspraxis ist diese 40. Ausgabe der «Zürcher UmweltPraxis» gewidmet. Sie er-
hebt nicht den Anspruch, einer vollständigen und systematischen Bilanzierung
und Aufarbeitung des Geleisteten und Erreichten. Versammelt sind hier vielmehr
persönliche Betrachtungen der für die verschiedenen Umweltbereiche zuständi-
gen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die reale Entwicklung des Umweltzustan-
des während der beiden Jahrzehnte ist aus den Umweltberichten des Kantons              Editorial
Zürich ersichtlich. Die neueste Ausgabe, der «Umweltbericht für den Kanton
Zürich 2004», erscheint demnächst.

Generations- und Bewusstseinswandel
Hinter den zwei Jahrzehnten Vollzugspraxis stehen aber auch zwei Jahrzehnte
Schaffenskraft von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Einige der Pioniere sind
heute schon in Pension oder stehen an der Schwelle dazu. Ihnen gebührt an die-
ser Stelle auch grosser Dank für das Geleistete, auf dem wir heute aufbauen und
an dem wir weiterarbeiten können.

Neuer Auftritt
Das Schwerpunktthema 20 Jahre USG fällt – obwohl nicht spezifisch geplant –
mit dem neuen grafischen Auftritt der ZUP zusammen. Im Zuge des neuen «Cor-
porate Designs» der Baudirektion erfuhr auch das Erscheinungsbild der ZUP eine
Auffrischung. Die «Klaviatur» mit der Inhaltsübersicht finden Sie neu auf der In-
nenseite. Nicht verzichtet wird auf die bewährten, praktischen Elemente: Das
Heft ist nach wie vor gelocht und kann nach Bereichen geordnet abgelegt wer-
den.
Im Namen der Koordinationsstelle für Umweltschutz des Kantons Zürich wün-
schen wir Ihnen eine anregende Lektüre und zählen weiterhin auf Ihr Engage-
ment und Ihre Mitarbeit für eine intakte Umwelt im Kanton Zürich!

UMWELTPRAXIS Nr. 40 / April 2005                                                                                           3
20 Jahre Umweltschutzgesetz (USG)

Am 7. Oktober 1983 wurde das               mann, erarbeitet und 1974 in die Ver-         Inhaltliche Verantwortung:
Bundesgesetz über den Umwelt-              nehmlassung gegeben. Dieser Entwurf           Robert Imholz
schutz (Umweltschutzgesetz, USG,           umfasste namentlich Vorschriften über         stv. Generalsekretär
SR 814.01) von den Eidgenössi-             den Emissions- und den Immissions-            Generalsekretariat /Stab
schen Räten verabschiedet. Nach-           schutz, das Verursacherprinzip, die           Baudirektion Kanton Zürich
dem das Referendum nicht ergrif-           Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)           Postfach
fen wurde, setzte der Bundesrat            sowie die Haftpflicht. Daneben ent-           8090 Zürich
das USG auf den 1. Januar 1985 in          hielt er auch Bestimmungen über die           Telefon 043 259 28 07
Kraft. Das Gesetz hat wichtige di-         ökologische Nachhaltigkeit, die plane-        Telefax 043 259 51 81
rekte Erfolge mit sich gebracht und        rischen Instrumente, die Lenkungsab-          robert.imholz@bd.zh.ch
zu einer vielfältigen Weiterent-           gaben sowie verbindliche Fristen für
wicklung der Gesetzgebung beige-           die Ausarbeitung von kantonalen Um-
tragen. Doch das USG allein ge-            weltschutzplänen mit Interventions-
währleistet noch keine nachhaltige         möglichkeiten des Bundes. Diese am-
Entwicklung.                               bitiösen Ziele – kombiniert mit teilwei-
                                           se recht einschneidenden Instrumen-
                                           ten – wurden in der Vernehmlassung
Das USG hatte eine lange Vorge-            vor allem von den Kantonen und den
schichte. Aufgrund von Motionen aus        Wirtschaftsverbänden abgelehnt. Der
dem Nationalrat unterbreitete der          Bundesrat verzichtete in der Folge dar-
Bundesrat dem Parlament Mitte 1970         auf, diesen Entwurf, der auch aus heu-
die Vorlage für den Verfassungsartikel     tiger Sicht weit blickende Ansätze ent-          USG
über den Umweltschutz (Art. 24 sep-        hielt, weiterzuverfolgen.
ties der alten Bundesverfassung, BV;
heute Art. 74 BV). Bereits ein Jahr spä-
ter – 1971 – wurde die Verfassungs-
grundlage für das USG im rekordver-
dächtigen Verhältnis von 12:1 vom
Volk gutgeheissen. Es zeigte sich, dass
im Parlament und in der Öffentlichkeit
über den Grundsatz, dass der Bund
Umweltschutz-Vorschriften erlassen sol-
le, sehr rasch und ohne Opposition Ei-
nigkeit bestand. Die anschliessende Er-
arbeitung des Umweltschutzgesetzes
selbst, in welchem die Details über den
Umweltschutz geregelt wurden, dauer-
te wesentlich länger – ganze 12 Jahre.

Erster Entwurf: Zu ambitiös

Ein erster Entwurf des Umweltschutz-
                                           Dank «Züri-Norm» bei den Feuerungsanlagen, Katalysatoren bei den Motorfahrzeugen und
gesetzes wurde von einer Experten-
                                           der Sanierung von Industrieanlagen und Kehrichtverbrennungsanlagen hat sich die Luft-
kommission mit 45 Mitgliedern (!) un-      qualität im Kanton Zürich erheblich verbessert.
ter der Leitung von Prof. Leo Schür-                                                                           Foto: Priska Ketterer

UMWELTPRAXIS Nr. 40 / April 2005                                                                                                 5
USG                                    Lärm

                                                                                                  Das Verursacherprinzip
                                                                                                  Auch das Verursacherprinzip ist im USG aus-
                                                                                                  drücklich festgehalten (Art. 2, 20 Abs. 2, 25
                                                                                                  Abs. 3, 32, 32d), aber auch im Gewässer-
                                                                                                  schutzgesetz (Art. 3a) geregelt und hat heute
                                                                                                  Verfassungsrang (Art. 74 Abs. 2 BV). Wer die
                                                                                                  Umwelt belastet beziehungsweise Umwelt-
                                                                                                  schutzmassnahmen verursacht, hat für die
                                                                                                  entstehenden Kosten aufzukommen. Es soll
                                                                                                  damit ausgeschlossen werden, dass die Allge-
                                                                                                  meinheit – also der Staat – die Kosten tragen
                                                                                                  muss. Gleichzeitig sollen Verursacher für ihr
                                                                                                  Handeln belangt werden. Das Verursacher-
                                                                                                  prinzip hat sich aus dem Störerprinzip des Po-
                                                                                                  lizeirechts heraus entwickelt und wurde in Li-
                                                                                                  teratur und Rechtsprechung schon im 19. Jahr-
Dank dem koordinierten Einsatz von Vollzugsinstrumenten sind beim Recycling von Abfäl-
len grosse Fortschritte erzielt worden. Klare Gesetzesvorschriften wie Recyclingquoten bei        hundert dargestellt. Wer durch sein Verhalten
Getränkeverpackungen, vorgezogene Entsorgungsgebühren und verursachergerechte Ab-                 – sein Tun oder Unterlassen – Massnahmen
fallgebühren trugen ebenso zum Erfolg bei, wie von der Wirtschaft entwickelte Branchen-           des USG verursacht, wird als Verhaltensverur-
lösungen und das Engagement von Kanton, Gemeinden sowie Konsumentinnen und Kon-
                                                                                                  sacher zur Rechenschaft gezogen. Beispiels-
sumenten.                                                                Foto: Priska Ketterer
                                                                                                  weise muss die Sanierungskosten tragen, wer
Im Jahr 1976 wurde vom zuständigen              kontrolle, der Informationspflicht sowie          mit seiner Heizung Emissionsvorschriften nicht
Departement unter Beizug von Prof.              der Behörden- und der Gemeindebe-                 einhält. Wer die Herrschaft über Sachen besitzt
Thomas Fleiner ein völlig neuer Ent-            schwerde. Am 7. Oktober 1983 – vier               (Eigentümer, Mieter usw.), welche die Umwelt
wurf vorgelegt. Dieser fand in der Ver-         Jahre nach dem Antrag des Bundesra-               direkt schädigen, wird als Zustandsverursa-
nehmlassung eine wesentlich breitere            tes – und nach einem Differenzbereini-            cher verantwortlich gemacht. So muss der Ei-
Unterstützung. Der Entwurf konzen-              gungsverfahren, wurde das Umwelt-                 gentümer einer Deponieliegenschaft, die das
trierte sich auf den Emissions- und den         schutzgesetz in der Schlussabstim-                Grundwasser verunreinigt, diese auf eigene
Immissionsschutz, auf das Vorsorge-             mung vom Nationalrat und vom                      Kosten sanieren.
und Verursacherprinzip sowie auf die            Ständerat ohne Gegenstimmen (!)                   Das Verursacherprinzip verlangt, dass zwi-
polizeirechtlich ausgestalteten Instru-         gutgeheissen. Die Vorlage wurde als               schen dem Umweltschaden und dem Verhal-
mente. Im Oktober 1979 legte der                ausgewogen und «referendumssi-                    tens- oder Zustandsverursacher ein kausaler
Bundesrat dem Parlament die «Bot-               cher» qualifiziert; es wurde auch von             Zusammenhang besteht. Es wird dabei nicht
schaft zum Bundesgesetz über den                keiner Seite das Referendum ergriffen.            verlangt, dass der Verursacher schuldhaft ge-
Umweltschutz» vor. Der Gesetzesan-              In der Schlussphase der Parlamentsde-             handelt hat, d. h. vorsätzlich oder fahrlässig ei-
trag umfasste neben den erwähnten               batte ging das Geschäft wegen des                 nen Schaden an der Umwelt verursacht hat.
Teilen auch die Sanierungspflicht, die          umstrittenen Verbandsbeschwerde-                  Aus dem Verursacherprinzip wird die Kosten-
Bereiche Stoffe, Bodenschutz und Ab-            rechts zwischen National- und Stände-             tragungspflicht abgeleitet, beispielsweise
fälle, die Verstärkung des Biotop-              rat mehrmals hin und her. Die Diskus-             dass der Abfallinhaber die Kosten der Entsor-
schutzes, die UVP und das Verbands-             sionen um die Waldschäden und die                 gung trägt. In konkreten Fällen – z. B. bei Alt-
beschwerderecht. Insbesondere über              unmittelbar bevorstehenden Wahlen                 lasten, die von mehreren Verursachern her
Letzteres fanden schon damals harte             trugen nicht unwesentlich dazu bei,               stammen – kann das Verursacherprinzip im-
Auseinandersetzungen im Parlament               dass über das USG eine Einigung er-               mer wieder zu rechtlichen oder politischen
und in der Öffentlichkeit statt.                zielt werden konnte.                              Auseinandersetzungen führen. Bei der Ein-
                                                Seither wurde das USG vor allem mit               führung der Abfallsackgebühr, die zweifellos
                                                der Revisionsvorlage vom 21. Dezem-               dem Verursacherprinzip entspricht, gab es vor
Einstimmigkeit – dank Wahlen                    ber 1995 in wesentlichen Bereichen                etwa zehn Jahren fast politische Glaubenskrie-
und Waldsterben                                 geändert (Stoffe, gefährliche Organis-            ge, heute ist diese Abgabeart weit herum an-
                                                men, Abfälle, Bodenschutz und Len-                erkannt.
Der Entwurf des Bundesrates wurde               kungsabgaben); die übrigen Änderun-
vom Parlament in einigen Bereichen              gen erfolgten meist im Zusammen-                 setz und Koordinationsgesetz. Bald
ergänzt: Beim Verkehr mit gefährlichen          hang mit der Revision sachverwandter             nach Inkrafttreten des USG wurden
Abfällen – aufgrund der Dioxin-Affäre           Gesetzeserlasse, wie Gewässerschutz-             Ausführungserlasse wie Luftreinhalte-
um die Seveso-Fässer –, bei der Erfolgs-        gesetz, Natur- und Heimatschutzge-               verordnung (LRV), Lärmschutzverord-

6                                                                                                           UMWELTPRAXIS Nr. 40 / April 2005
Lärm
                                                                                                                                              USG

    Das Vorsorgeprinzip
    Das Vorsorgeprinzip ist als zentrales Prinzip in
    Art. 1 Abs. 2 USG festgehalten: Schädliche
    oder lästige Einwirkungen sind frühzeitig zu
    begrenzen. Ohne Prävention ist Umweltschutz
    nicht denkbar, denn allein mit nachträglichen
    Massnahmen – z. B. polizeilichen oder Sanie-
    rungsmassnahmen – sind die Ziele des USG
    nicht zu erreichen. Das Vorsorgeprinzip hat in-
    zwischen auch in die Bundesverfassung Ein-
    gang gefunden (Art. 74 Abs. 2). Es verlangt
    auch, dass Umweltschutzmassnahmen bereits
    an der Quelle der Einwirkung ansetzen – also
    beispielsweise bezüglich der Luftreinhaltung
    und Lärmschutz bei den Emissionen von Fahr-
    zeugen und Anlagen (vgl. Art. 11 Abs. 1, 26
    Abs. 1, 30 Abs. 1 USG). Mit dem Vorsorgeprin-
    zip werden die Behörden zu einem Tun ver-          Der Lärmschutz entlang stark befahrener Strassen innerorts ist noch längst nicht gelöst, ob-
    pflichtet, nämlich frühzeitig jene Einwirkungen    wohl mit der Lärmbelastung schwerwiegende Gesundheitsprobleme verbunden sind. Der
                                                       stetig wachsende Verkehr vereinfacht die Problemlösung nicht.
    zu begrenzen, die für die Menschen und die Le-                                                                             Foto: Priska Ketterer
    bensräume schädlich oder lästig werden könn-
    ten. Das Bundesgericht spricht sogar von einer     Diese Grundprinzipien formulieren die           Umweltbelastungen nur so vermindert
    «Sicherheitsmarge, welche Unsicherheiten           Leitlinien des Umweltschutzes. Der              werden können. Auch die Pflicht zur
    über längerfristige Wirkungen von Umweltbe-        konkreten Umsetzung der Ziele und               Sanierung von Anlagen, die den Um-
    lastungen berücksichtigt» (BGE 126 II 399).        des Zwecks des Gesetzes dienen dage-            weltvorschriften nicht entsprechen, in
    Insbesondere bei der Festlegung von Immissi-       gen die Instrumente des USG. Sie sind           Notfällen sogar zur Stilllegung einer
    onsgrenzwerten ist diesem Aspekt Rechnung          im Vergleich mit anderen Erlassen äus-          Anlage führen kann, ist ein polizei-
    zu tragen (Art. 13 und 14).                        serst vielfältig ausgestaltet. Sie reichen      rechtliches Instrument (Art. 16 Abs. 4).
                                                       von traditionell polizeirechtlichen, über       Gewisse Tätigkeiten oder die Erstel-
                                                       planerische zu den marktwirtschaftli-           lung von Bauten und Anlagen, welche
nung (LSV), Stoffverordnung (StoV)                     chen und ganz speziellen USG-Instru-            die Umwelt tangieren, unterliegen ei-
und die Verordnung über den Verkehr                    menten.                                         ner besonderen Bewilligungspflicht
mit Sonderabfällen (VVS) erlassen und                                                                  (z. B. Art. 29c, 29e, 30 Abs. 2 USG).
in Kraft gesetzt. Gestützt auf das USG,
wurden bis heute gesamthaft rund                       Polizeirechtliche Instrumente
zwanzig Verordnungen erlassen.                                                                         Planerische Instrumente
                                                       Zu den polizeirechtlichen Instrumen-
                                                       ten gehören insbesondere die Gebote,            Die Kantone sind unter anderem ver-
Neue Ansätze in den Grundsätzen                        Verbote und Bewilligungspflichten für           pflichtet, eine Abfallplanung zu erstel-
und in der Umsetzung                                   Tätigkeiten und die Erstellung von An-          len (Art. 31) und dabei den Bedarf an
                                                       lagen (vgl. z. B. Art. 12, 22, 29c, 30e         Abfallanlagen und ihre Standorte fest-
Bei der Schaffung des USG wurden                       USG). Lärm und Luftverunreinigungen             zulegen. Die Abfallplanung ist dem
verschiedene Grundsätze oder Prinzi-                   sollen primär mit Emissionsbegrenzun-           Bund zu unterbreiten. Dadurch sollen
pien entwickelt, die – stillschweigend                 gen an der Quelle – beispielsweise              Überkapazitäten vermieden und ent-
oder ausdrücklich – Eingang in die Be-                 Emissionsgrenzwerten für Fahrzeuge              sprechende Anlagen (z. B. Deponien,
stimmungen gefunden haben (siehe                       und Feuerungen – eingedämmt wer-                Kehrichtverbrennungsanlagen) in die
Kästen). Dies sind namentlich                          den. Gestützt auf das USG und das               Raumplanung Eingang finden. Wenn
                                                       Strassenverkehrsrecht wurden für Mo-            übermässige Luftverunreinigungen auf
•    das Vorsorgeprinzip                               torfahrzeuge Abgasgrenzwerte für di-            verschiedene Quellen zurückzuführen
•    das Verursacherprinzip                            verse Schadstoffe beziehungsweise               sind, haben die Kantone Massnah-
•    das Kooperationsprinzip                           Lärmgrenzwerte erlassen, die regel-             menpläne zu erstellen (Art. 44a), die
•    das Prinzip der ganzheitlichen Be-                mässig auf ihre Einhaltung kontrolliert         eine Verminderung der Einwirkungen
     trachtung                                         werden. Sie können verschärft wer-              innert bestimmter Fristen bewirken
•    das Nachhaltigkeitsprinzip                        den, wenn feststeht, dass übermässige           sollen.

UMWELTPRAXIS Nr. 40 / April 2005                                                                                                                 7
USG                                  Lärm

                                                                                               Das Kooperationsprinzip
                                                                                               Das Kooperationsprinzip ist im USG sehr viel-
                                                                                               fältig ausgestaltet. So geht es um die Zusam-
                                                                                               menarbeit zwischen Bund, Kantonen und Ge-
                                                                                               meinden (z. B. Art. 34 Abs. 1, 39 und 41) ei-
                                                                                               nerseits und um die Zusammenarbeit des
                                                                                               Gemeinwesens mit den Privaten und der Wirt-
                                                                                               schaft anderseits (z. B. Art. 16 Abs. 3, 41a, 43).
                                                                                               Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass Um-
                                                                                               weltschutzmassnahmen nicht nur hoheitlich
                                                                                               angeordnet werden sollen. Bevor Massnah-
                                                                                               men beschlossen werden, sollen Betroffene
                                                                                               angehört werden. Insbesondere auf die Mit-
                                                                                               wirkung der Wirtschaft wird Wert gelegt, da-
                                                                                               mit die Massnahmen möglichst einvernehm-
                                                                                               lich umgesetzt und mitgetragen werden. Im
Der Druck der Landwirtschaft auf Umwelt und Landschaft hat in den Neunzigerjahren dank         Vollzug (z. B. Kontrollen, Überwachung) wur-
der Umweltgesetzgebung, aber auch als Folge der Neuausrichtung in der Agrarpolitik,            den insbesondere mit Branchenvereinbarun-
deutlich abgenommen. Dies schont den Boden, die Luft und die Gewässer gleichermassen.
Die Entlastung fördert die biologische Vielfalt und Konsumentinnen und Konsumenten pro-
                                                                                               gen gute Erfahrungen gemacht.
fitieren von umweltgerechteren Lebensmitteln.                           Foto: Priska Ketter

Fördern und unterstützen mit                   verpflichtet, vor dem Erlass von Aus-          ausdrückliches Bedauern ausspre-
finanziellen Instrumenten                      führungsvorschriften zu prüfen, ob             chen, falls das Umweltschutzgesetz
                                               nicht freiwillige Massnahmen der               ohne dieses wichtige Instrument aus-
Mit der Förderung der Forschung sol-           Wirtschaft zweckmässiger wären (Art.           kommen müsste. In jedem Fall sollte
len insbesondere Verfahren und Anla-           41a Abs. 3). Der Bundesrat kann Vor-           ein solcher Verzicht im Interesse der
gen unterstützt werden, die der Ver-           schriften über die freiwillige Ein-            Sache nur als eine vorläufige Lösung
minderung von Umweltbelastungen                führung von Ökolabels und Umwelt-              betracht werden.»
dienen. Auch die Aus- und Weiterbil-           Audits erlassen (Art. 43a).                    Die Lenkungsabgaben waren aus ver-
dung von Personen, die mit Aufgaben                                                           fassungsrechtlichen Gründen umstrit-
des USG betraut sind, kann gefördert                                                          ten; heute wird dies nicht mehr in
werden (Art. 49). Im Weiteren werden           Lenkungsabgaben – später Erfolg                Frage gestellt. Die Lenkungsabgaben
aus dem Reinertrag des Treibstoffzolls                                                        haben zum Ziel, das Verhalten im Sin-
Umweltmassnahmen finanziert, wie               Im Vorentwurf zum USG von 1973 wa-             ne einer ökologischen Zielsetzung zu
Lärmsanierungsmassnahmen. Im USG               ren die Lenkungsabgaben von Wirt-              steuern. Die erhobenen Abgaben
von 1983 waren anfänglich auch noch            schaftskreisen sehr stark kritisiert wor-      müssen an die Bevölkerung zurücker-
Bundesbeiträge an die Erstellung von           den. Deshalb waren solche im USG von           stattet werden und dienen deshalb
Abfallbehandlungsanlagen vorgese-              1983 nicht mehr enthalten. Erst mit            nicht der Finanzmittelbeschaffung
hen; diese Bestimmung wurde 1990 in            der Revision von 1995 wurden Len-              (Art. 35a Abs. 9, 35b Abs. 5, 35c Abs. 2).
Nachachtung des Verursacherprinzips            kungsabgaben für die flüchtigen orga-          Dementsprechend werden nicht die
jedoch wieder aufgehoben (Art. 53).            nischen Verbindungen sowie für den             strengen verfassungsrechtlichen An-
                                               Schwefelgehalt des Heizöls, des Ben-           forderungen verlangt wie sie für Steu-
                                               zins und des Dieselöls eingeführt (Art.        ern gelten (vgl. z. B. LSVA gemäss Art.
Freiwilligkeit als                             35a ff.).                                      85 BV). Erhoben werden die Len-
Vollzugsinstrument                             Wie vorausschauend positiv der Zür-            kungsabgaben – beispielsweise bei
                                               cher Regierungsrat die Lenkungsabga-           Benzin und Dieselöl – bei den Herstel-
Die Selbstkontrolle ist insbesondere           ben beurteilte, kommt in seiner Ver-           lern oder Importeuren; die Abgabe be-
bei der Verwendung von umweltge-               nehmlassung vom 19. Juli 1978 zum              trägt 3 Rappen pro Liter (Art. 3 der Ver-
fährdenden Stoffen und Organismen              ersten USG-Entwurf zum Ausdruck:               ordnung über die Lenkungsabgabe
ein wichtiges Instrumentarium (Art. 26,        «Für den politisch und wirtschaftlich          auf Benzin und Dieselöl vom 15. Okto-
29b Abs. 2), aber auch bei den Bran-           motivierten Verzicht auf Lenkungsab-           ber 2003, SR 814.020). Die Versicherer
chenvereinbarungen über Kontrollen             gaben im Entwurf 1978 können wir               der obligatorischen Krankenversiche-
und die Vollzugsunterstützung (Art.            zwar ein gewisses Verständnis aufbrin-         rung verteilen im Auftrag des Bundes
41a). Bund und Kantone werden sogar            gen, doch möchten wir zugleich unser           den Abgabeertrag an die Bevölkerung,

8                                                                                                        UMWELTPRAXIS Nr. 40 / April 2005
Lärm
                                                                                                                                            USG

                                                   gen aus Glas. Für Bewilligungen, Kon-      •    Fachkommission (Art. 29h)
 Das Prinzip der ganzheitlichen                    trollen und besondere Dienstleistun-       •    Fachstellen (Art. 42)
 Betrachtung                                       gen nach dem USG werden zudem Ge-          •    Erhebungen über die Umweltbela-
 Dieses Prinzip kommt vor allem in den Art. 8      bühren erhoben. Im Kanton Zürich gilt           stung (Art. 44)
 und 9 des USG zum Ausdruck: Belastungen der       dafür die Gebührenordnung zum Voll-        •    Periodische Kontrollen (Art. 45)
 Umwelt sollen nicht nur im Einzelnen, sondern     zug des Umweltrechts (LS 710.2).           •    Auskunftspflicht (Art. 46)
 in ihrer Gesamtheit und in ihrem Zusammen-                                                   •    Übernahme von Bürgschaften
 wirken betrachtet werden. Insbesondere bei                                                        (Art. 52)
 der Lufthygiene und dem Lärmschutz sind die       Umweltsünder in der (Haft-)Pflicht         •    Verbandsbeschwerderecht (Art. 55)
 verschiedenen Ursachen und Einwirkungen                                                      •    Behörden- und Gemeindebeschwer-
 ganzheitlich zu beurteilen. So sind bei der Um-   Das USG enthält Haftpflichtbestim-              de (Art. 56 und 57)
 weltverträglichkeitsprüfung (UVP) und bei den     mungen für Anlagen, welche für die         •    Enteignungsrecht (Art. 58)
 Massnahmenplänen auch die erforderlichen          Umwelt eine besondere Gefahr dar-
 Massnahmen gesamthaft zu würdigen und zu          stellen (Art. 59a und 59b). Für Anlagen
 erlassen.                                         dieser Art wird eine Kausalhaftung sta-    Verbandsbeschwerderecht und
                                                   tuiert, das heisst, dass die Inhaber bei   UVP in der Diskussion
                                                   Umweltschäden zum Schadenersatz
                                                   verpflichtet sind, ohne dass ihnen ein     Zurzeit bereitet die Rechtskommission
indem sie die Abgaben über die Prä-                Verschulden nachgewiesen werden            des Ständerates eine Änderung des
mienrechnungen den Versicherten                    muss. Der Bundesrat kann Anlagein-         USG im Bereich des Verbandsbe-
zurückerstatten.                                   haber zudem verpflichten, die Haftung      schwerderechts und zur Vereinfa-
Im Bundesgesetz über die Reduktion                 mittels Versicherungen, Kautionen oder     chung der UVP vor. Die Kantone und
der CO2-Emissionen (SR 641.71) ist die             auf eine andere Weise sicherzustellen.     Verbände wurden im Rahmen eines
Einführung einer CO2-Abgabe auf                                                               Vernehmlassungsverfahrens zu Stel-
Brenn- und Treibstoffen vorgesehen für                                                        lungnahmen aufgefordert. Aufgrund
den Fall, dass die lufthygienischen Ziel-          … droht das Strafrecht                     von parlamentarischen Vorstössen und
setzungen nicht erreicht werden. Auch                                                         infolge konkreter Fälle, die in der
dabei handelt es sich um eine reine                Im USG sind besondere Straftatbe-          Öffentlichkeit kontrovers diskutiert
Lenkungsabgabe, da der Ertrag – über               stände bei Missachtung von Vorschrif-      wurden, sollen allfällige Missbräuche
die Ausgleichskassen der AHV – an die              ten enthalten (Art. 60 und 61). Wer        dieser beiden Instrumente verhindert
Bevölkerung und die Unternehmen                    beispielsweise ohne Bewilligung eine       werden. Der Regierungsrat des Kan-
rückerstattet würde. Zurzeit führt der             Deponie erstellt und betreibt oder Ab-     tons Zürich hat sich vor kurzem zu die-
Bundesrat eine Vernehmlassung über                 fälle ausserhalb von bewilligten Depo-     sen Gesetzesänderungen geäussert
die Erhebung dieser Abgabe durch.                  nien ablagert, wird bestraft. Sehr de-     (vgl. Pressemitteilung vom 17. Februar
                                                   tailliert sind die Straftatbestände im
                                                   Zusammenhang mit der Verwendung
Weitere Abgaben und Gebühren                       und dem Inverkehrbringen von Stoffen           Das Nachhaltigkeitsprinzip
gemäss USG                                         und Organismen geregelt. Die Wir-              Anfänglich war das Nachhaltigkeitsprinzip im
                                                   kung des Umweltstrafrechts im Sinne            USG nur beim Bodenschutz ausdrücklich ver-
Im Hinblick auf die Abgeltungen des                der Generalprävention dürfte zwar              ankert (Art. 33–35). Erst seit der Änderung des
Bundes an anrechenbare Kosten von                  eher beschränkt sein. Die bisherige            Zweckartikels im Zusammenhang mit dem
Altlastensanierungen kann der Bun-                 Praxis zeigt jedoch, dass gewichtigere         Gentechnikgesetz (SR 814.91) wird auf die
desrat die Deponiebetreiber und die                Umweltschädigungen beziehungswei-              dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebens-
Exporteure von Abfällen zur Leistung               se Verletzungen des Umweltrechts in            grundlagen hingewiesen. Mit der neuen Bun-
einer Abgabe verpflichten (Art. 32e).              der Öffentlichkeit durchaus zur Kennt-         desverfassung erhielt das Prinzip der nachhal-
Mit der Verordnung über die Abgabe                 nis genommen werden.                           tigen Entwicklung sogar Verfassungsrang (Art.
zur Sanierung von Altlasten (VASA; SR              Das USG kennt schliesslich eine reiche         2 und 73). Allerdings ist darauf hinzuweisen,
814.681), hat der Bundesrat bereits im             Zahl organisatorischer Instrumente,            dass sich die Nachhaltigkeit nicht nur auf die
Jahr 2000 von dieser Möglichkeit Ge-               die lediglich erwähnt werden sollen:           Umwelt, sondern ebenso auf die Gesellschaft
brauch gemacht.                                                                                   und die Wirtschaft bezieht. Die abstrakte Pro-
Bei besonderen Produkten kann der                  •   Information und Beratung (Art. 6)          grammnorm verpflichtet die Staatsorgane zur
Bundesrat auch eine vorgezogene Ent-               •   Umweltverträglichkeitsprüfung              Förderung der nachhaltigen Entwicklung,
sorgungsgebühr (VEG) einführen (Art.                   (UVP, Art. 9)                              lässt ihnen jedoch einen weiten Ermessens-
32a bis). Eine solche gilt beispielsweise          •   Information der Abnehmer (Art. 27,         spielraum offen.
für Batterien und Getränkeverpackun-                   29d)

UMWELTPRAXIS Nr. 40 / April 2005                                                                                                                9
USG                              Lärm

2005). Der Vorentwurf – der die UVP-     Bauten oder der Förderung von Anla-        Handlungsbedarf im Vollzug. Ein bri-
Verfahren entlasten, die Missbräuche     gen mit erneuerbaren Energien sowie        santes Spannungsfeld existiert weiter-
des Verbandsbeschwerderechts ver-        mit dem CO2-Gesetz wichtige An-            hin im Verhältnis Umwelt–Raumpla-
hindern und die Bewilligungs-            schlusserlasse aus.                        nung–Verkehr, wo die Instrumente
verfahren beschleunigen soll – wird      Beeindruckend sind die rechtliche Um-      und die Koordination noch zu wenig
vom Regierungsrat begrüsst. Die Zür-     setzung der konzeptionellen Prinzipi-      aufeinander abgestimmt sind (Um-
cher Regierung unterstützt insbeson-     en und die Einführung der vielfältigen     weltberichterstattung beim Planungs-
dere, dass die beschwerdelegitimier-     Instrumente, die im USG verankert          verfahren).
ten Umweltvereinigungen statuten-        sind. Auch die Ausführungsvorschrif-       Gewisse Erfolge sind bei der Abfallent-
gemäss rein ideelle Zwecke verfolgen     ten, die in den letzten zwanzig Jahren     sorgung festzustellen, wo das Verursa-
müssen und wirtschaftliche Ziele nur     erlassen wurden – Luftreinhalte- und       cherprinzip gut umgesetzt wurde. Bei
als Nebentätigkeiten im Dienste des      Lärmschutzverordnung, Technische           der Altlastensanierung stellen sich oft
Hauptzweckes wahrnehmen dürfen.          Verordnung über Abfälle, Verordnung        Fragen der Kostentragung und Kos-
Der Regierungsrat beantragt zudem,       über den Verkehr mit Sonderabfällen        tenverteilung. Die in diesem Zusam-
dass private Abmachungen zwischen        usw. –, sind in ihren Auswirkungen auf     menhang anstehende Revision des
Gesuchstellern und Umweltorganisa-       die Umwelt positiv zu würdigen. Die        USG könnte das Verursacherprinzip
tionen über Leistungen zur Beachtung     Rechtsprechung zum USG ist von den         tangieren, da die Anforderungen zum
des Umweltrechts als unzulässig be-      Rechtsfragen und der Rechtssicherheit      Verursachernachweis hochgesteckt
zeichnet werden. Zudem sollen sich       her gesehen bedeutend und hat sich         werden und dadurch bei den Kanto-
die Verbände an den raumplanerischen     auf die Praxis des Raumplanungs-,          nen hohe Kostenfolgen entstehen. Es
Verfahren oder Einigungsverfahren be-    Bau- und Umweltschutzrechts sehr           bleibt zu hoffen, dass die vorgesehe-
teiligen müssen, wenn sie ihr Be-        stark ausgewirkt.                          nen Änderungen des USG die bewähr-
schwerderecht in nachfolgenden Ver-                                                 ten Prinzipien weiterhin hochhalten
fahren – z. B. im Baubewilligungsver-                                               und einen echten Beitrag zur Verbes-
fahren – nicht verlieren wollen. Auch    Offene Probleme: Schwierig und             serung der Umweltqualität leisten
im Zusammenhang mit den zahlrei-         politisch heikel                           werden. Eine intakte Umwelt und un-
chen hängigen Vorstössen im Parla-                                                  berührte Landschaften sind immer
ment des Kantons Zürich wird sich Ge-    Die ökologischen Themen stehen zwar        mehr auch ein wichtiger Faktor für die
legenheit bieten, das Verbandsbe-        im Vergleich zu 1983 in der öffentli-      Standortqualität geworden. Der wich-
schwerderecht – einmal mehr – zu         chen Diskussion nicht mehr derart im       tigen Feststellung von Ursula Brunner
diskutieren und entsprechende Be-        Vordergrund, sie sind aber immer wie-      und Helen Keller ist zuzustimmen:
schlüsse zu fassen.                      der von Bedeutung. Zu erinnern ist an      «Das USG allein macht noch keine
                                         die Alpeninitiative, die Ökologisierung    nachhaltige Entwicklung aus. Dafür
                                         der Landwirtschaft, die Volksabstim-       braucht es einen politisch-gesell-
Zentraler Beitrag für den                mung über den Ausbau des Gotthard-         schaftlichen Grundkonsens.» (Brunner/
Umweltschutz                             tunnels, die CO2-Abgabe und vieles         Keller 2005).
                                         andere mehr. Ökologische Gesichts-
Das USG hat als übergeordnete Ge-        punkte haben auch in der Wirtschaft,
setzgebung (Gesamtkodifikation) für      im Planungs- und Bauwesen, bei den
den Umweltschutz unzweifelhaft ei-       öffentlichen Beschaffungen oder im
nen wichtigen Beitrag geleistet. Dank    Konsumbereich an Bedeutung ge-              Quellen:
dem USG als «Mutter aller Umwelt-        wonnen. Das Prinzip der nachhaltigen       • Ursula Brunner und Helen Keller, 20 Jahre Um-
schutzgesetze» (vgl. Brunner/Keller      Entwicklung der Bundesverfassung             weltschutzgesetz – Rückblick und Würdi-
2005, S. 33) wurden auch in den Kan-     dürfte hiezu auch einen Beitrag geleis-      gung, Zentralblatt für Staats- und Verwal-
tonen Gesetzeserlasse geschaffen, um     tet haben.                                   tungsrecht, 2005, Seite 1 ff.
den Anliegen des Umweltschutzes ver-     Politisch heikle, aber auch schwierige     • Alain Griffel, Die Grundprinzipien des schwei-
stärkt zum Durchbruch zu verhelfen –     und zum Teil offene Fragen bestehen          zerischen Umweltrechts, Zürich 2001
im Kanton Zürich etwa das Abfallge-      nach wie vor im Lärmschutz – Grenz-        • Kommentar zum Umweltschutzgesetz, Teil III,
setz, in anderen Kantonen so genann-     wert-Überschreitungen, Verzögerun-           Einleitung, Zürich 2003
te Einführungsgesetze zum USG. Das       gen bei den Sanierungen als Folge der      • Heribert Rausch, Arnold Marti, Alain Griffel,
USG löste beispielsweise im Strassen-    finanziellen Engpässe – und in der Luft-     Umweltrecht, Zürich 2004
recht mit der Einführung der Fahrzeug-   hygiene – Grenzwert-Überschreitun-         • Beatrice Wagner Pfeifer, Umweltrecht I, Zü-
Abgaskontrolle oder der Schwerver-       gen beim Ozon, CO2-Ausstoss, Bewilli-        rich 2002
kehrsabgabe, im Energierecht etwa        gung von publikumsintensiven Anla-
mit den Wärmedämmvorschriften für        gen usw. Hier besteht nach wie vor

10                                                                                             UMWELTPRAXIS Nr. 40 / April 2005
Stagnierende Erfolge bei der Lufthygiene

Die Luft ist besser – aber
noch immer nicht gut genug

Die Luftqualität ist in den letzten       klimawirksamen Kohlendioxid (CO2)                   Inhaltliche Verantwortung:
zwei Jahrzehnten markant besser           gibt es sogar etwas mehr. Inzwischen                Hansjörg Sommer
geworden. Trotz zum Teil sehr er-         wurden zudem die Feinstäube (PM10)                  Abteilung Lufthygiene
folgreich umgesetzter Massnahmen          als neues Gesundheitsrisiko erkannt.                AWEL Amt für
ist die Luft aber immer noch in ei-                                                           Abfall, Wasser, Energie und Luft
nem Mass belastet, das gesund-                                                                Walchetor
heitliche und ökologische Schäden             Fazit                                           Postfach
hervorrufen kann. Grundsätzlich               Die Luft ist immer noch übermässig belastet,    8090 Zürich
stünde allerdings die Technik für             aber nicht mehr überall, nicht mehr jederzeit   Telefon 043 259 29 91
weitere Verbesserungen und damit              und nicht mehr durch so viele Schadstoffe.      Telefax 043 259 51 78
zur Einhaltung der gesetzlichen               Dafür sind globale Risiken sichtbar geworden,   hansjoerg.sommer@bd.zh.ch
Vorschriften bereit. Vor allem die            mit denen vor 20 Jahren niemand rechnete.       www.luft.zh.ch
globale Klimaproblematik – aber
auch die Ozonbelastung – verlangt
nach zusätzlichen Strategien, die         Welches sind die Auswirkungen?
nicht nur lokal in Angriff zu neh-
men sind.                                 •    Auswirkungen auf die Gesundheit:
                                               Luftschadstoffbelastungen über den
                                               Grenzwerten erhöhen gemäss wis-
Ist die Luftverschmutzung immer                senschaftlichen Studien die ge-
noch schädlich?                                sundheitlichen Risiken. In den städ-
                                               tischen Gebieten des Kantons                      Luft
Die Schadstoffbelastung der Luft er-           Zürich heisst dies:
reichte 1985 ihren Höhepunkt: Das
«Waldsterben» war das Thema der
Stunde. Als mögliche Ursachen stan-
den Blei ebenso zur Diskussion wie
Schwefeldioxid (SO2), Ozon (O3) und
saurer Regen. Epidemiologische Studi-
en wiesen gesundheitliche Beeinträch-
tigungen nach, Schäden an Gebäuden
und Infrastrukturanlagen wurden er-
mittelt.
20 Jahre später bietet sich ein verän-
dertes Bild: Wichtige toxische Schad-
stoffe – Blei, Cadmium, Schwefeldio-
xid (SO2), Salzsäure, Benzol – sind aus
der Zürcher Luft nahezu verschwun-
den. Die Stickoxidbelastungen (NOX) als
Indikator für Verbrennungsabgase sind
zwar um 45 % gesunken, sie stagnie-
ren aber seit einigen Jahren, ohne dass
der Grenzwert in städtischen Gebieten
schon erreicht ist. Ozon (O3) und Am-
                                          Rauchende Schlote bei Industrie- und Abfallverbrennungsanlagen: Dank der Luftreinhalte-
moniak sind weiterhin in gleich hohen     verordnung ein Bild der Vergangenheit.
Konzentrationen vorhanden und vom                                                                                       Foto: ALN

UMWELTPRAXIS Nr. 40 / April 2005                                                                                                 11
Luft                                                      Lärm

                                                                                                                        – Buchen wachsen auf versauerten
                        60                                                                                                Böden und an ozonbelasteten
                                                                                                                          Standorten weniger gut.
                        50                                                                                              – Schädlinge wie Pilze oder sau-
                                                                                                                          gende Insekten nehmen auf ge-
 Konzentration [g/m3]

                        40                                                                                                schwächten Bäumen zu und sor-
                                                                                                                          gen für zusätzliche Schädigungen.
                        30
                                                                                                                    Das «Waldsterben» hat zwar nicht
                        20                                                                                          stattgefunden, die befürchtete Beein-
                                                                                                                    trächtigung der Waldökosysteme tritt
                        10                                                                                          jedoch immer deutlicher zu Tage und
                                                                                                                    schreitet voran.
                         0
                             1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
                                                                                                                    •   Auswirkungen auf Gebäude:
                                            Zürich, Stampfenbachstr.        Winterthur, Obertor                         Die beschleunigte Alterung von
                                            Wallisellen                     Grenzwert                                   Baumaterialien sowie der zusätzliche
                                                                                                                        Reinigungsaufwand aufgrund der
Verlauf der NO2-Jahresmittelwerte von 1990–2004 (Mittelwerte 2004 provisorisch).
                                                                          Quelle: AWEL                                  Luftverschmutzung wurden 1990
                                                                                                                        mit Kosten von 500 Mio. Franken
   – 10 –15 % mehr chronische Bron-                                      – Die Nährstoffversorgung ist auf              pro Jahr beziffert. Eine neuere Erhe-
     chitis;                                                               den meisten Waldflächen aus dem              bung dazu existiert nicht. Die Belas-
   – 10 % mehr Krankheitstage am Ar-                                       Gleichgewicht geraten: Es gibt zu            tung der für Gebäudeschäden haupt-
     beitsplatz (restricted activity days);                                viel Stickstoff, aber zu wenig Phos-         sächlich verantwortlichen Schad-
   – Mehrere hundert Todesfälle sind                                       phor und Magnesium.                          stoffe Schwefeldioxid (SO2) und
     jedes Jahr auf Atemwegs- und
     Kreislauferkrankungen zurückzu-
     führen, die durch die Luftver-
     schmutzung ausgelöst werden.
Bei diesen Angaben handelt es sich
um statistische Durchschnittswerte.
Im konkreten Einzelfall sind Kinder, äl-
tere Leute sowie bereits an Atem-
wegerkrankungen leidende Men-
schen am stärksten betroffen. Statisti-
ken über einen Rückgang der Krank-
heitsrisiken parallel zur abnehmenden
Luftverschmutzung existieren (noch)
nicht.

•         Auswirkungen auf den Wald:
          Die immissionsökologischen Unter-
          suchungen Mitte der Achtzigerjah-
          re lieferten eine Reihe von Hypothe-
          sen für Risiken, die mit der Bela-
          stung durch Luftschadstoffe ver-
          bunden sind. Seither wurden weite-
          re Untersuchungen durchgeführt.
          Diese zeigen:
          – Als Folge des Schadstoffeintrags
             versauert der Boden zunehmend.
          – Die Versauerung hat kritische Wer-
             te erreicht. Sie beeinträchtigt die
                                                                       Die Bäume werden durch die Luftverschmutzung in vielfältiger Art geschädigt. Als Folge
             Durchwurzelung und damit die                              des Schadstoffeintrags versauert der Boden und die Bäume verlieren an Standfestigkeit.
             Standfestigkeit der Bäume.                                                                                                              Foto: ALN

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Lärm
                                                                                                                                        Luft

                                                                                                    nisiert. Die Norm wurde in mehre-
                                                                                                    ren Ländern (Holland, Kalifornien)
                                                                                                    kopiert. Sie führte zur Entwicklung
                                                                                                    neuer Brenner, die um 5–15 % spar-
                                                                                                    samer arbeiten und damit auch
                                                                                                    den CO2-Ausstoss reduzieren.

                                                                                                •   Gasrückführung bei Benzintankla-
                                                                                                    gern: Mit der Sanierung der Tank-
                                                                                                    stellen und Tanklager konnten die
                                                                                                    Benzindampf-Emissionen innert 4
                                                                                                    Jahren von 1200 auf 2 Tonnen pro
                                                                                                    Jahr reduziert werden. Die rückge-
                                                                                                    führten Benzindämpfe können wie-
                                                                                                    der verwendet werden.

                                                                                                •   Sanierung aller sechs Kehrichtver-
                                                                                                    brennungsanlagen: Mit Kosten von
In Kloten landen nur noch Flugzeuge der zwei saubersten Kategorien.
                                                                                                    über einer Milliarde Franken wur-
                                                                                 Foto: Unique
                                                                                                    den bei den KVA die Emissionen von
                                                                                                    Salzsäure, SO2, NOX, Schwermetal-
Staubniederschlag sind seither mar-               Mobilität teilweise wieder wettge-                len und Dioxinen um 85–99 % ge-
kant zurückgegangen. Entsprechend                 macht. Schliesslich sind Bereiche wie             senkt.
dürften auch die Schäden heute klei-              Landwirtschaft oder Baugewerbe, die
ner sein als damals.                              anfänglich von Luftreinhaltemassnah-          •   Emissionsabhängige Landegebühr
                                                  men nicht tangiert wurden, erst vor kur-          für Flugzeuge: Als Folge dieser Len-
                                                  zer Zeit zur Luftreinhaltung verpflich-           kungsabgabe im Flugverkehr lan-
 Fazit                                            tet worden. Sie sind zusammen für ei-             den auf dem Flughafen Kloten nur
 Gesundheitsschäden und Schäden an Ökosys-        nen Drittel der PM10 und für 90 % der             noch Flugzeuge der zwei sauber-
 temen haben langfristigen Charakter. Sie wer-    Ammoniakemissionen verantwortlich.                sten Kategorien.
 den erst bei nachhaltig verminderter Schad-
 stoffbelastung zurückgehen. Insgesamt sind die   Verschiedene Massnahmen wurden                Nebst erfolgreichen Massnahmen, gab
 Folgenkosten der Luftverschmutzung volks-        im Kanton Zürich mit besonderem Er-           es auch eine Reihe von Massnahmen,
 wirtschaftlich immer noch weit höher als die     folg umgesetzt:                               mit denen keine Fortschritte erzielt
 Kosten für die Reduktion der übermässigen        • Züri-Norm bei den Feuerungsanlagen:         wurden:
 Immissionen.                                        Sie verlangte die Halbierung der
                                                     Stickoxid-Emissionen bei Feuerungs-        •   Parkplatzbeschränkungen: Die Be-
                                                     anlagen (Heizungen usw.). 1990 ein-            schränkung der Parkierungsmöglich-
                                                     geführt wurden in den folgenden                keiten als Luftreinhaltemassnahme
Was nützen die Massnahmen?                           12 Jahren 100 000 Anlagen moder-               im Verkehrsbereich war 1990 erst-

Industrie, Gewerbe und Haushalte ha-
ben ihre Hausaufgaben zur Verminde-
rung der Luftschadstoffbelastung grund-
sätzlich gut erledigt. Die Anforderun-
gen der Luftreinhalteverordnung (LRV)
werden fast durchgehend erfüllt. Ein
Dilemma besteht dagegen im Ver-
kehrsbereich: Nachdem mit der Ein-
führung des Katalysators bei Benzin-
motoren ein erster schneller Erfolg er-
reicht worden war, greifen weitere
                                                  Baumaschinen mit Partikelfilter reduzieren    Mit modernen Methoden der Güllenaus-
technische Fortschritte nur langsam
                                                  die PM10-Belastung.                           bringung lassen sich die Ammoniakemis-
und in kleinen Schritten. Sie werden                                                Foto: FAL   sionen in der Landwirtschaft vermindern.
zudem von der schnell wachsenden                                                                   Foto: G. Brändle, Agroscope FAL Reckenholz

UMWELTPRAXIS Nr. 40 / April 2005                                                                                                       13
Luft                                           Lärm

                                                                                                   zu senken. Hier sind zunehmend gross-
                                                                                                   räumig koordinierte Strategien erfor-
                                                                                                   derlich.
                                                                                                   Im Gegensatz zur notwendigen Aus-
                                                                                                   richtung auf kontinentale und globale
                                                                                                   Konstellationen richtet sich die Wahr-
                                                                                                   nehmung der Bürgerinnen und Bürger
                                                                                                   zunehmend auf die unmittelbare Um-
                                                                                                   gebung und die unmittelbar erlebbare
                                                                                                   Lebensqualität. Geruchsprobleme und
                                                                                                   andere lokale Missstände rücken da-
                                                                                                   durch in den Vordergrund.

                                                                                                   Kenntnisse und Bewusstsein
                                                                                                   Durch kontinuierliche Information –
                                                                                                   nicht zuletzt via Internet – ist grossen
                                                                                                   Teilen der Bevölkerung bewusst, dass
                                                                                                   die Luftqualität besser geworden ist,
                                                                                                   dass aber noch nicht alle Probleme
Der motorisierte Individualverkehr bleibt eine der wesentlichen Quellen der Luftver-
schmutzung. Verbrauchs- und emissionsärmere Fahrzeuge wären verfügbar. Doch hält der
                                                                                                   gelöst sind. Allerdings mangelt es im
Trend zu grösseren Fahrzeugen weiter an und es fehlen Vorschriften für «saubere» Diesel-           Einzelfall oft an präzisen Kenntnissen,
motoren.                                                                     Foto: AWEL            um sich richtig verhalten zu können.
                                                                                                   Dabei sind diese individuellen Ent-
     mals Bestandteil des Luft-Programms.                Automobilmarkt tendiert sogar zu          scheide oder Verhaltensweisen von zu-
     Sie wurde danach mehrmals ab-                       schwereren, luxuriöseren und damit        nehmend wesentlicher Bedeutung:
     geändert und bei einzelnen Gross-                   verbrauchsintensiveren Modellen.
     projekten über Einsprachen und                                                                •   Diesel oder Benzin?
     Gerichte angewendet. Eine allge-                                                                  Trotz geringerem Treibstoffverbrauch
     meine rechtsverbindliche Anordnung                Was bringt die Zukunft?                         ist ein Dieselfahrzeug nur dann um-
     fehlte bisher, ist aber in Planung.                                                               weltverträglicher als ein Benzinauto,
                                                       Ziele der Luftreinhalteverordnung (LRV)         wenn es auch mit Partikelfilter und
•    CO2-Reduktion im Verkehr: Obwohl                  Obwohl seit 1985 – mit Ausnahme der             Entstickung ausgerüstet ist. Saubere
     im Zusammenhang mit den globa-                    Feinpartikel – keine Grenzwerte ver-            Diesel sind heute bei den meisten An-
     len Klimaveränderungen relevant,                  schärft wurden, sind die Luftreinhalte-         bietern im Programm, vorgeschrie-
     klammern alle technischen Abgas-                  ziele erst etwa zu zwei Dritteln er-            ben sind sie leider noch nicht.
     normen die CO2-Emissionen aus. Der                reicht. Es stehen zwar technische Lö-
                                                       sungen bereit, welche die noch not-         •   Abfall verbrennen ist kein Kavaliers-
                                                       wendige Verbesserung der Luftquali-             delikt!
    Fazit                                              tät ermöglichten, aufgrund der öko-             Beim Verbrennen von Verpackungs-
    Viele Massnahmen bewähren sich nicht nur           nomischen und politischen Gegeben-              material, Kunststoffen und behandel-
    lufthygienisch, sondern helfen Kosten zu spa-      heiten werden sie aber gegenwärtig              ten Hölzern im Cheminée oder Holz-
    ren und auch andere Probleme – Verkehrsma-         nicht oder nur in sehr kleinen und lang-        ofen sind immer unbekannte giftige
    nagement, Ressourcenschonung, Energiever-          wierigen Schritten realisiert.                  Stoffe mit im Spiel, die ein gemütli-
    brauch – zu lösen. Insgesamt aber erweisen                                                         ches Holzfeuer nicht produziert.
    sich die Massnahmen als ungenügend, da die         Globalisierung versus Individualisierung:
    verfügbare Technik nicht in allen Bereichen        Die globale Klimaerwärmung findet           Eigenverantwortung und Umwelt-
    rechtzeitig und adäquat ausgeschöpft wird.         nachweislich und immer offensichtli-        controlling
    Die Internalisierung der Umweltkosten in die       cher statt. Sie wird vom Umwelt-            Der Staat hat nicht mehr die Mittel,
    Marktmechanismen – eine seit langem als ef-        schutzgesetz (USG) nicht erfasst und        einzelnen Missständen nachzuspüren.
    fizientes Instrument geforderte Massnahme –        durch die Luftreinhaltung nur indirekt      Massnahmenpläne und umweltgerech-
    ist erst ansatzweise, dort aber erfolgreich rea-   am Rand beeinflusst. Andere Instru-         te Planungen werden künftig den Rah-
    lisiert, beispielsweise bei der VOC-Lenkungs-      mente, wie die geplante CO -Abgabe,
                                                                                     2             men setzen, die Eigenverantwortung
    abgabe oder bei der Leistungsabhängigen            sind deshalb von grosser Wichtigkeit.       die Kontrolle ablösen. Umso wichtiger
    Schwerverkehrsabgabe (LSVA).                       Lokal ist es nicht möglich, die Ozonbe-     wird die Umweltbeobachtung als Werk-
                                                       lastung auf ein unbedenkliches Niveau       zeug für die künftige Umweltpolitik.

14                                                                                                           UMWELTPRAXIS Nr. 40 / April 2005
NIS-Verordnung sorgt für geordnete Verhältnisse

Dank USG keine übermässige
Elektrosmogbelastung

Der rasante Ausbau des Mobilfunk-        kürzester Zeit ein Bedarf nach Schutz-           Inhaltliche Verantwortung:
netzes seit Mitte der Neunzigerjah-      bestimmungen, welche einerseits über-            Herbert Limacher
re erforderte rasch Schutzbestim-        mässige Immissionen vorsorglich ver-             Abteilung Lufthygiene
mungen. Aufbauend auf dem Vor-           hindern und anderseits mögliche, heu-            AWEL Amt für
sorgeprinzip des Umweltschutz-           te noch unbekannte Auswirkungen im               Abfall, Wasser, Energie und Luft
gesetzes, wurde praktisch innert         Niedrigdosisbereich längerfristig nach-          Stampfenbachstrasse 12
Jahresfrist eine Verordnung zur          haltig berücksichtigen sollten. Das              8090 Zürich
nichtionisierenden Strahlung in          Umweltschutzgesetz (USG), mit sei-               Telefon 043 259 41 74
Kraft gesetzt. Dabei konnte von          nem europäisch einzigartig postulier-            Telefax 043 259 51 78
den Erfahrungen mit den ähnlich          ten und konsequent anzuwendenden                 herbert.limacher@bd.zh.ch
aufgebauten Luftreinhalte- und           Vorsorgeprinzip, ermöglichte es, prak-
Lärmschutzverordnungen profitiert        tisch innert Jahresfrist eine Verord-
werden.                                  nung zur nichtionisierenden Strahlung
                                         (NISV) zu entwerfen und rechtsver-
Quellen wie Radar-, Radio-, Fernseh-,    bindlich in Kraft zu setzen. Dies gelang
Funk- sowie Stromanlagen und elektri-    unter anderem in so kurzer Frist, weil
sche Geräte erzeugen nichtionisieren-    auf Erfahrungen mit den ähnlich auf-
de Strahlung (NIS), auch «Elektro-       gebauten Verordnungen zur Luftrein-
smog» genannt. Diese NIS-Strahlung ist   haltung und zum Lärmschutz (LRV
in unserem Alltag kein neues Phäno-      bzw. LSV) zurückgegriffen werden
men: Schon seit hundert Jahren wer-      konnte.
den Strom und Langwellen genutzt,        Kaum war die NIS-Verordnung in Kraft,                Luft
seit dem Zweiten Weltkrieg sind Radar,   wurde sie von allen Seiten jedoch auch
UKW und Fernsehen hinzugekom-            aufs Heftigste kritisiert. Die Anlagebe-
men. Bevor sich die Mobiltelefonie ra-   treiber beurteilten die Vorsorgekriteri-
sant ausbreitete, haben diese Anlagen    en im Vergleich zum übrigen Europa,
kaum jemanden beunruhigt. Wegen          das im NIS-Bereich keine Vorsorgebe-
der vielen Mobilfunkantennen, die in     stimmungen kennt, als viel zu streng.
den letzten fünf Jahren errichtet wur-   Dadurch würden die Betreiber in ihrem
den, ist die Bevölkerung aufge-          Netzausbau zu sehr behindert und
schreckt. Niemand will die Antennen
in seiner Nähe haben, die im Sied-       Grenzwerte der NIS-Verordnung
lungsgebiet jedoch notwendig sind,
damit überall telefoniert werden kann.                                                             Grenzwerte
Man fürchtet um sein Wohlbefinden
                                                                          Immissionsgrenzwert (IGW)
und um Wertverminderungen von Lie-                                                                          Anlagegrenzwert (AGW) vorsorglich
                                                                                als Schutzwert
genschaften. Andererseits sind neue
Funk-Projekte in Planung, die uns zu-     Gültigkeit                  überall, wo sich Menschen aufhalten    Orte mit empfindlicher Nutzung
sätzliche Antennen bescheren werden.
                                          Stromanlagen                       100 Mikrotesla (µT)                    1 Mikrotesla (µT)

                                          Mobilfunk                              40–60 V/m                              4–6 V/m
Konsequente Anwendung des
Vorsorgeprinzips                          Übriger Funk                             28 V/m                                3 V/m

                                          Radar                             44 V/m (1400 V/m*)                          5,5 V/m
Ausgelöst durch den rasanten Aufbau
des Mobilfunknetzes, entstand innert     * Grenzwert für Einzelpuls                                                 V/m = Volt pro Meter

UMWELTPRAXIS Nr. 40 / April 2005                                                                                                         15
Nichtionisierende Strahlung           Lärm

                                               sondere galt es auch abzuklären, ob       dienste wollen zusammen mit dem
                                               für die Festlegung der Grenzwerte ne-     Grenzwachtkorps und anderen Sicher-
                                               ben wissenschaftlichen Kriterien grund-   heitsdiensten das «Polycom-Netz» ein-
                                               sätzlich auch praktische Alltagserfah-    richten, was für den Kanton Zürich er-
                                               rungen einbezogen werden können.          neut zusätzliche Mobilfunkantennen
                                               Die Gerichte kamen zum Schluss, dass      bedeutet. Auch will ein weiterer Netz-
                                               nicht einfach auf die subjektiven Ein-    betreiber in Zürich und Umgebung mit
                                               drücke der im Einzelfall betroffenen      rund einhundert Antennenstandorten
                                               Personen abgestellt werden könne.         neu ins Geschäft der Mobiltelefonie
                                               Damit praktische, nicht naturwissen-      einsteigen. Schliesslich wollen Fernse-
                                               schaftliche Erfahrungen berücksich-       hen und Radio auf ein digitales Signal
                                               tigt werden könnten, sei es vielmehr      umstellen und benötigen dazu eine
                                               Voraussetzung, dass diese nach den        neue Infrastruktur mit zusätzlichen
                                               Regeln der Sozialforschung korrekt er-    Antennen.
                                               hoben und ausgewertet würden und
Dank der NIS-Verordnung konnte der rasche
Ausbau des Mobilfunknetzes ohne übermäs-       zudem der Wirkungszusammenhang
sige Strahlungsbelastung bewältigt werden.     als sehr wahrscheinlich erscheine.        Gesamtbelastung nicht übermässig
                               Foto: sunrise   Aufgrund dieser Überlegungen berück-
                                               sichtigte der Bundesrat keine nicht na-   In Übereinstimmung mit dem im USG
müssten auf zusätzliche und eigentlich         turwissenschaftlichen Kriterien bei der   verankerten Vorsorgeprinzip konnten
unnötige Antennenstandorte auswei-             Festlegung der Grenzwerte. Folglich       die Mobilfunknetze innert kürzester
chen. Dies würde das Telefonieren nur          konnte die besondere Empfindlichkeit      Zeit planmässig aufgebaut werden. Sie
sinnlos verteuern, wurde argumen-              einzelner Personen auf elektromagne-      stehen heute rechtskonform in Betrieb
tiert. Auch die Bevölkerung war mit            tische Felder, die so genannte «Elek-     und können auch erweitert werden.
den Vorsorgewerten nicht zufrieden.            trosensibilität», keinen bestimmenden     Auf der Grundlage der NIS-Verord-
Sie beurteilte die Werte als viel zu           Grenzwertfaktor darstellen. Das Vor-      nung wurden bis heute im Kanton
lasch. Könne im zweiten Unterge-               sorgeprinzip des Umweltschutzgeset-       Zürich an fast 1500 Standorten Anten-
schoss einer Tiefgarage noch telefo-           zes hat demnach nur emissionsbe-          nenanlagen für den Mobilfunk bewil-
niert werden, so zeuge dies von einer          grenzenden Charakter. Es besteht kein     ligt, Informationsveranstaltungen durch-
Überversorgung; mit einer nachhalti-           Anrecht auf Nullimmission. Zudem for-     geführt, Netzbetreiber, Gemeinden und
gen Vorsorge habe dies nichts zu tun.          dert die NIS-Verordnung als Aus-          Private beraten sowie zahlreiche Kon-
Für eine vollständige Telefonversor-           führungsvorschrift des USG nur den        trollmessungen durchgeführt. Es sind
gung genügten auch zehnmal tiefere             Schutz der lebenden Umwelt vor zu         im Kanton keine Funkanlagen be-
Feldwerte, wurde beispielsweise ange-          starker elektromagnetischer Strahlung.    kannt, welche die Grenzwerte – na-
führt. Rekurrierende befürchteten zu-          Die von Menschen geschaffene künst-       mentlich auch die strengen Vorsorge-
dem Funktionsstörungen, z.B. bei me-           liche Umwelt wie Gebäude, Anlagen,        werte (Anlagegrenzwert) – nicht ein-
dizinischen Geräten in benachbarten            Einrichtungen und Produkte gehört         halten.
Arztpraxen oder bei Geräten im grafi-          nicht explizit zum Schutzbereich des      Weil die Sendeleistungen im Rundfunk
schen Gewerbe.                                 USG und der NIS-Verordnung. Die vor-      und beim Radar bei den übrigen Funk-
                                               sorglich festgelegten Anlagegrenz-        anwendungen (Rundfunk, Betriebs-
                                               werte sind für empfindliche Geräte        funk, Radar) schrittweise reduziert
Sensible Festlegung                            oder Produkte jedenfalls nicht an-        wurden, ist trotz der enormen Zunah-
von Grenzwerten                                wendbar. Entsprechende Ansprüche          me des Mobilfunks die Gesamtbela-
                                               auf einen besseren Schutz vor Störun-     stung mit nichtionisierender Strahlung
Wie bei keiner anderen Verordnung              gen müssten demnach zivilrechtlich        im Vergleich zu früher in etwa gleich
waren die Gerichte gefordert: Rechts-          weiterverfolgt werden.                    geblieben. Mit Sicherheit ist die Bela-
begriffe des USG wie «technisch und                                                      stung keineswegs übermässig: Mes-
betrieblich möglich» oder «wirtschaft-                                                   sungen an der Streetparade 2004 zeig-
lich tragbar» mussten definiert wer-           Funknetz-Projekte ohne Ende?              ten, dass die Strahlenbelastung etwa
den, und zwar aus Sicht der Anlagebe-                                                    fünfzigmal tiefer lag als der Schutz-
treiber, welche mit wenigen Antennen           Nach dem Aufbau der GSM- und der          wert (vgl. Immissionsgrenzwert). Ohne
ein möglichst grosses Netz wirtschaft-         UMTS-Netze stehen weitere Projekte        Grossanlass beträgt die Belastung nur
lich abdecken wollen, wie auch aus             an. So wollen die Bahnunternehmen         halb so viel, wobei der Rundfunk (Ra-
Sicht des zum Teil vermuteten oder             entlang den Bahntrassees ein «GSM-        dio) knapp die Hälfte zur Gesamtbelas-
noch nicht absehbaren Risikos. Insbe-          Rail-Funk-Netz» errichten. Die Polizei-   tung beiträgt.

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