20 Jahre Umweltschutzgesetz (USG) - Umweltinformation Kanton Zürich - Zürcher UmweltPraxis" (ZUP)
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UMWELTPRAXISNr. 40 April 2005 Themenschwerpunkt 20 Jahre Umweltschutzgesetz (USG) – Erfahrungen Z Ü R C H E R – Einsichten – Ausblicke Umweltinformation Kanton Zürich
IMPRESSUM I N H A LT S V E R Z E I C H N I S IIM MPPRREESS S U M Editorial 3 20 Jahre Umweltschutzgesetz (USG) ZÜRCHER UMWELTPRAXIS (ZUP) – Informations- Allgemeines – Einführung und Übersicht 5 Bulletin der Umweltschutz-Fachverwaltung des Kan- tons Zürich. Nachfolgeorgan des seit 1989 herausge- gebenen KAUZ – Kanton Umwelt Zürich. Die Luft ist besser – aber noch immer nicht gut genug 11 Inhalt Dank USG keine übermässige Die inhaltliche Verantwortung liegt bei der am Anfang Luft Elektrosmogbelastung 15 jedes Beitrags bzw.einer Beitragsgruppe jeweils einzeln aufgeführten als Autor zeichnenden Person bzw. bei der Verwaltungsstelle. Redaktion, Koordination und Produktion 20 Jahre Lärmschutz – Verantwortlich für das Sammeln bzw. Ordnen der Bei- Lärm zurück auf Feld eins 17 träge, die Redaktion und die Leitung der Gesamtpro- duktion: Koordinationsstelle für Umweltschutz des Kantons Zürich, 8090 Zürich, Telefon 043 259 24 17, die auch für Administration, Abonnemente und Adress- änderungen zuständig ist. Abfall: Vom Umweltproblem Abfall zur wertvollen Ressource 21 ZUP-Inhaltsgliederung Die Gliederung des Inhalts, ersichtlich jeweils auf der In- nenseite, richtet sich für jede Ausgabe nach der stets gleichbleibenden Grundordnung gemäss den neben- stehenden blauen Feldern und ergänzenden, von Fall zu Der Boden: Die vernachlässigte Fall den leeren Feldern zuzuordnenden Begriffen. Diese Boden Ressource 25 Regelung soll es erlauben, längerfristig interessierende Informationen auch in Form einzelner Beiträge her- austrennen und separat ablegen zu können. 20 Jahre Umweltschutzgesetz (USG): Eine Katastrophe? 27 Erscheinungsweise Biosicherheit: Jüngstes Drei- bis viermal jährlich. Gedruckt auf hochwertiges Sicherheit Kind des Umweltschutzes 31 100 %-Recyclingpapier. Reguläre ZUP-Ausgaben kön- nen auch als Sonderhefte zu einem einzigen Thema er- scheinen. Umweltverträglichkeitsprüfung: UVP Wie weiter? 35 Nachdruck Die in der ZÜRCHER UMWELTPRAXIS (ZUP) erscheinen- Kommunikation Tue Gutes und sprich davon! 39 den Beiträge sind unter Quellenangabe zur weiteren Ver- öffentlichung frei. Bei Kontaktnahme stehen auch die verwendeten Grafiken zur Verfügung. Belege sind erbe- ten an die Koordinationsstelle für Umweltschutz des Kan- tons Zürich, 8090 Zürich. Energie Von der Erdölkrise zu Minergie 43 ZUP-Archiv und zuständige Stellen Im Internet können Sie unter www.umweltschutz.zh.ch das Archiv aller ZUP- Beiträge nach Stichworten durchsuchen (Artikelsuche). Ökologisch Wollen Sie wissen, wer im Kanton Zürich für welches Umweltentlastung durch Umweltproblem zuständig ist? Wählen Sie auf der Ein- Bauen ökologisches Bauen 45 stiegsseite den gesuchten Umweltbereich und Sie er- halten den direkten Link. Der Wasserbau: Seit 1975 Teil des Umweltschutzes 47 Trotz erfolgreichem Gewässerschutz Wasser keine heile Wasserwelt 51
Editorial 20 Jahre Umweltschutzgesetz (USG) 20 Jahre sind es her, seit nach längeren Geburtswehen das Bundesgesetz über Inhaltliche Verantwortung: den Umweltschutz endlich in Kraft trat. Zeit also für ein Jubiläum? Gewiss nicht Heinz Trachsler – dazu eignen sich Jahrestage von Gesetzeswerken schlecht. Zeit aber für einen Koordinationsstelle für Umweltschutz Zwischenhalt. Auch ein Blick zurück sei uns erlaubt, sind wir doch täglich damit Generalsekretariat Baudirektion beschäftigt, die Umweltschutzgesetzgebung zum Gemeinwohl wirken zu lassen. Postfach Dies dürfen wir auch mit gewissem Stolz tun, hat sich doch die Umweltsituation 8090 Zürich innert der beiden Jahrzehnte dank des Gesetzesvollzugs in manchen Bereichen Telefon 043 259 24 15 markant verbessert. Vorbei sind allerdings auch die Zeiten schneller Erfolge. Die Fax 043 259 51 26 Verbesserungen der Umweltsituation kann häufig nur mehr in kleinen Schritten heinz.trachsler@bd.zh.ch erreicht werden, wo sich die Umweltgesetzgebung umso mehr bewähren muss. www.umweltschutz.zh.ch In manchen Bereichen ist Erreichtes durch die wachsende Mobilität sowie den un- verminderten Boden- und Energieverbrauch gefährdet. Mit neuartigen Proble- men stellen sich zudem auch neue Herausforderungen. Erfahrungsberichte aus zwei Jahrzehnten Dem Rückblick auf die Entwicklung des Umweltschutzgesetzes und die Voll- zugspraxis ist diese 40. Ausgabe der «Zürcher UmweltPraxis» gewidmet. Sie er- hebt nicht den Anspruch, einer vollständigen und systematischen Bilanzierung und Aufarbeitung des Geleisteten und Erreichten. Versammelt sind hier vielmehr persönliche Betrachtungen der für die verschiedenen Umweltbereiche zuständi- gen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die reale Entwicklung des Umweltzustan- des während der beiden Jahrzehnte ist aus den Umweltberichten des Kantons Editorial Zürich ersichtlich. Die neueste Ausgabe, der «Umweltbericht für den Kanton Zürich 2004», erscheint demnächst. Generations- und Bewusstseinswandel Hinter den zwei Jahrzehnten Vollzugspraxis stehen aber auch zwei Jahrzehnte Schaffenskraft von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Einige der Pioniere sind heute schon in Pension oder stehen an der Schwelle dazu. Ihnen gebührt an die- ser Stelle auch grosser Dank für das Geleistete, auf dem wir heute aufbauen und an dem wir weiterarbeiten können. Neuer Auftritt Das Schwerpunktthema 20 Jahre USG fällt – obwohl nicht spezifisch geplant – mit dem neuen grafischen Auftritt der ZUP zusammen. Im Zuge des neuen «Cor- porate Designs» der Baudirektion erfuhr auch das Erscheinungsbild der ZUP eine Auffrischung. Die «Klaviatur» mit der Inhaltsübersicht finden Sie neu auf der In- nenseite. Nicht verzichtet wird auf die bewährten, praktischen Elemente: Das Heft ist nach wie vor gelocht und kann nach Bereichen geordnet abgelegt wer- den. Im Namen der Koordinationsstelle für Umweltschutz des Kantons Zürich wün- schen wir Ihnen eine anregende Lektüre und zählen weiterhin auf Ihr Engage- ment und Ihre Mitarbeit für eine intakte Umwelt im Kanton Zürich! UMWELTPRAXIS Nr. 40 / April 2005 3
20 Jahre Umweltschutzgesetz (USG) Am 7. Oktober 1983 wurde das mann, erarbeitet und 1974 in die Ver- Inhaltliche Verantwortung: Bundesgesetz über den Umwelt- nehmlassung gegeben. Dieser Entwurf Robert Imholz schutz (Umweltschutzgesetz, USG, umfasste namentlich Vorschriften über stv. Generalsekretär SR 814.01) von den Eidgenössi- den Emissions- und den Immissions- Generalsekretariat /Stab schen Räten verabschiedet. Nach- schutz, das Verursacherprinzip, die Baudirektion Kanton Zürich dem das Referendum nicht ergrif- Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) Postfach fen wurde, setzte der Bundesrat sowie die Haftpflicht. Daneben ent- 8090 Zürich das USG auf den 1. Januar 1985 in hielt er auch Bestimmungen über die Telefon 043 259 28 07 Kraft. Das Gesetz hat wichtige di- ökologische Nachhaltigkeit, die plane- Telefax 043 259 51 81 rekte Erfolge mit sich gebracht und rischen Instrumente, die Lenkungsab- robert.imholz@bd.zh.ch zu einer vielfältigen Weiterent- gaben sowie verbindliche Fristen für wicklung der Gesetzgebung beige- die Ausarbeitung von kantonalen Um- tragen. Doch das USG allein ge- weltschutzplänen mit Interventions- währleistet noch keine nachhaltige möglichkeiten des Bundes. Diese am- Entwicklung. bitiösen Ziele – kombiniert mit teilwei- se recht einschneidenden Instrumen- ten – wurden in der Vernehmlassung Das USG hatte eine lange Vorge- vor allem von den Kantonen und den schichte. Aufgrund von Motionen aus Wirtschaftsverbänden abgelehnt. Der dem Nationalrat unterbreitete der Bundesrat verzichtete in der Folge dar- Bundesrat dem Parlament Mitte 1970 auf, diesen Entwurf, der auch aus heu- die Vorlage für den Verfassungsartikel tiger Sicht weit blickende Ansätze ent- USG über den Umweltschutz (Art. 24 sep- hielt, weiterzuverfolgen. ties der alten Bundesverfassung, BV; heute Art. 74 BV). Bereits ein Jahr spä- ter – 1971 – wurde die Verfassungs- grundlage für das USG im rekordver- dächtigen Verhältnis von 12:1 vom Volk gutgeheissen. Es zeigte sich, dass im Parlament und in der Öffentlichkeit über den Grundsatz, dass der Bund Umweltschutz-Vorschriften erlassen sol- le, sehr rasch und ohne Opposition Ei- nigkeit bestand. Die anschliessende Er- arbeitung des Umweltschutzgesetzes selbst, in welchem die Details über den Umweltschutz geregelt wurden, dauer- te wesentlich länger – ganze 12 Jahre. Erster Entwurf: Zu ambitiös Ein erster Entwurf des Umweltschutz- Dank «Züri-Norm» bei den Feuerungsanlagen, Katalysatoren bei den Motorfahrzeugen und gesetzes wurde von einer Experten- der Sanierung von Industrieanlagen und Kehrichtverbrennungsanlagen hat sich die Luft- kommission mit 45 Mitgliedern (!) un- qualität im Kanton Zürich erheblich verbessert. ter der Leitung von Prof. Leo Schür- Foto: Priska Ketterer UMWELTPRAXIS Nr. 40 / April 2005 5
USG Lärm Das Verursacherprinzip Auch das Verursacherprinzip ist im USG aus- drücklich festgehalten (Art. 2, 20 Abs. 2, 25 Abs. 3, 32, 32d), aber auch im Gewässer- schutzgesetz (Art. 3a) geregelt und hat heute Verfassungsrang (Art. 74 Abs. 2 BV). Wer die Umwelt belastet beziehungsweise Umwelt- schutzmassnahmen verursacht, hat für die entstehenden Kosten aufzukommen. Es soll damit ausgeschlossen werden, dass die Allge- meinheit – also der Staat – die Kosten tragen muss. Gleichzeitig sollen Verursacher für ihr Handeln belangt werden. Das Verursacher- prinzip hat sich aus dem Störerprinzip des Po- lizeirechts heraus entwickelt und wurde in Li- teratur und Rechtsprechung schon im 19. Jahr- Dank dem koordinierten Einsatz von Vollzugsinstrumenten sind beim Recycling von Abfäl- len grosse Fortschritte erzielt worden. Klare Gesetzesvorschriften wie Recyclingquoten bei hundert dargestellt. Wer durch sein Verhalten Getränkeverpackungen, vorgezogene Entsorgungsgebühren und verursachergerechte Ab- – sein Tun oder Unterlassen – Massnahmen fallgebühren trugen ebenso zum Erfolg bei, wie von der Wirtschaft entwickelte Branchen- des USG verursacht, wird als Verhaltensverur- lösungen und das Engagement von Kanton, Gemeinden sowie Konsumentinnen und Kon- sacher zur Rechenschaft gezogen. Beispiels- sumenten. Foto: Priska Ketterer weise muss die Sanierungskosten tragen, wer Im Jahr 1976 wurde vom zuständigen kontrolle, der Informationspflicht sowie mit seiner Heizung Emissionsvorschriften nicht Departement unter Beizug von Prof. der Behörden- und der Gemeindebe- einhält. Wer die Herrschaft über Sachen besitzt Thomas Fleiner ein völlig neuer Ent- schwerde. Am 7. Oktober 1983 – vier (Eigentümer, Mieter usw.), welche die Umwelt wurf vorgelegt. Dieser fand in der Ver- Jahre nach dem Antrag des Bundesra- direkt schädigen, wird als Zustandsverursa- nehmlassung eine wesentlich breitere tes – und nach einem Differenzbereini- cher verantwortlich gemacht. So muss der Ei- Unterstützung. Der Entwurf konzen- gungsverfahren, wurde das Umwelt- gentümer einer Deponieliegenschaft, die das trierte sich auf den Emissions- und den schutzgesetz in der Schlussabstim- Grundwasser verunreinigt, diese auf eigene Immissionsschutz, auf das Vorsorge- mung vom Nationalrat und vom Kosten sanieren. und Verursacherprinzip sowie auf die Ständerat ohne Gegenstimmen (!) Das Verursacherprinzip verlangt, dass zwi- polizeirechtlich ausgestalteten Instru- gutgeheissen. Die Vorlage wurde als schen dem Umweltschaden und dem Verhal- mente. Im Oktober 1979 legte der ausgewogen und «referendumssi- tens- oder Zustandsverursacher ein kausaler Bundesrat dem Parlament die «Bot- cher» qualifiziert; es wurde auch von Zusammenhang besteht. Es wird dabei nicht schaft zum Bundesgesetz über den keiner Seite das Referendum ergriffen. verlangt, dass der Verursacher schuldhaft ge- Umweltschutz» vor. Der Gesetzesan- In der Schlussphase der Parlamentsde- handelt hat, d. h. vorsätzlich oder fahrlässig ei- trag umfasste neben den erwähnten batte ging das Geschäft wegen des nen Schaden an der Umwelt verursacht hat. Teilen auch die Sanierungspflicht, die umstrittenen Verbandsbeschwerde- Aus dem Verursacherprinzip wird die Kosten- Bereiche Stoffe, Bodenschutz und Ab- rechts zwischen National- und Stände- tragungspflicht abgeleitet, beispielsweise fälle, die Verstärkung des Biotop- rat mehrmals hin und her. Die Diskus- dass der Abfallinhaber die Kosten der Entsor- schutzes, die UVP und das Verbands- sionen um die Waldschäden und die gung trägt. In konkreten Fällen – z. B. bei Alt- beschwerderecht. Insbesondere über unmittelbar bevorstehenden Wahlen lasten, die von mehreren Verursachern her Letzteres fanden schon damals harte trugen nicht unwesentlich dazu bei, stammen – kann das Verursacherprinzip im- Auseinandersetzungen im Parlament dass über das USG eine Einigung er- mer wieder zu rechtlichen oder politischen und in der Öffentlichkeit statt. zielt werden konnte. Auseinandersetzungen führen. Bei der Ein- Seither wurde das USG vor allem mit führung der Abfallsackgebühr, die zweifellos der Revisionsvorlage vom 21. Dezem- dem Verursacherprinzip entspricht, gab es vor Einstimmigkeit – dank Wahlen ber 1995 in wesentlichen Bereichen etwa zehn Jahren fast politische Glaubenskrie- und Waldsterben geändert (Stoffe, gefährliche Organis- ge, heute ist diese Abgabeart weit herum an- men, Abfälle, Bodenschutz und Len- erkannt. Der Entwurf des Bundesrates wurde kungsabgaben); die übrigen Änderun- vom Parlament in einigen Bereichen gen erfolgten meist im Zusammen- setz und Koordinationsgesetz. Bald ergänzt: Beim Verkehr mit gefährlichen hang mit der Revision sachverwandter nach Inkrafttreten des USG wurden Abfällen – aufgrund der Dioxin-Affäre Gesetzeserlasse, wie Gewässerschutz- Ausführungserlasse wie Luftreinhalte- um die Seveso-Fässer –, bei der Erfolgs- gesetz, Natur- und Heimatschutzge- verordnung (LRV), Lärmschutzverord- 6 UMWELTPRAXIS Nr. 40 / April 2005
Lärm USG Das Vorsorgeprinzip Das Vorsorgeprinzip ist als zentrales Prinzip in Art. 1 Abs. 2 USG festgehalten: Schädliche oder lästige Einwirkungen sind frühzeitig zu begrenzen. Ohne Prävention ist Umweltschutz nicht denkbar, denn allein mit nachträglichen Massnahmen – z. B. polizeilichen oder Sanie- rungsmassnahmen – sind die Ziele des USG nicht zu erreichen. Das Vorsorgeprinzip hat in- zwischen auch in die Bundesverfassung Ein- gang gefunden (Art. 74 Abs. 2). Es verlangt auch, dass Umweltschutzmassnahmen bereits an der Quelle der Einwirkung ansetzen – also beispielsweise bezüglich der Luftreinhaltung und Lärmschutz bei den Emissionen von Fahr- zeugen und Anlagen (vgl. Art. 11 Abs. 1, 26 Abs. 1, 30 Abs. 1 USG). Mit dem Vorsorgeprin- zip werden die Behörden zu einem Tun ver- Der Lärmschutz entlang stark befahrener Strassen innerorts ist noch längst nicht gelöst, ob- pflichtet, nämlich frühzeitig jene Einwirkungen wohl mit der Lärmbelastung schwerwiegende Gesundheitsprobleme verbunden sind. Der stetig wachsende Verkehr vereinfacht die Problemlösung nicht. zu begrenzen, die für die Menschen und die Le- Foto: Priska Ketterer bensräume schädlich oder lästig werden könn- ten. Das Bundesgericht spricht sogar von einer Diese Grundprinzipien formulieren die Umweltbelastungen nur so vermindert «Sicherheitsmarge, welche Unsicherheiten Leitlinien des Umweltschutzes. Der werden können. Auch die Pflicht zur über längerfristige Wirkungen von Umweltbe- konkreten Umsetzung der Ziele und Sanierung von Anlagen, die den Um- lastungen berücksichtigt» (BGE 126 II 399). des Zwecks des Gesetzes dienen dage- weltvorschriften nicht entsprechen, in Insbesondere bei der Festlegung von Immissi- gen die Instrumente des USG. Sie sind Notfällen sogar zur Stilllegung einer onsgrenzwerten ist diesem Aspekt Rechnung im Vergleich mit anderen Erlassen äus- Anlage führen kann, ist ein polizei- zu tragen (Art. 13 und 14). serst vielfältig ausgestaltet. Sie reichen rechtliches Instrument (Art. 16 Abs. 4). von traditionell polizeirechtlichen, über Gewisse Tätigkeiten oder die Erstel- planerische zu den marktwirtschaftli- lung von Bauten und Anlagen, welche nung (LSV), Stoffverordnung (StoV) chen und ganz speziellen USG-Instru- die Umwelt tangieren, unterliegen ei- und die Verordnung über den Verkehr menten. ner besonderen Bewilligungspflicht mit Sonderabfällen (VVS) erlassen und (z. B. Art. 29c, 29e, 30 Abs. 2 USG). in Kraft gesetzt. Gestützt auf das USG, wurden bis heute gesamthaft rund Polizeirechtliche Instrumente zwanzig Verordnungen erlassen. Planerische Instrumente Zu den polizeirechtlichen Instrumen- ten gehören insbesondere die Gebote, Die Kantone sind unter anderem ver- Neue Ansätze in den Grundsätzen Verbote und Bewilligungspflichten für pflichtet, eine Abfallplanung zu erstel- und in der Umsetzung Tätigkeiten und die Erstellung von An- len (Art. 31) und dabei den Bedarf an lagen (vgl. z. B. Art. 12, 22, 29c, 30e Abfallanlagen und ihre Standorte fest- Bei der Schaffung des USG wurden USG). Lärm und Luftverunreinigungen zulegen. Die Abfallplanung ist dem verschiedene Grundsätze oder Prinzi- sollen primär mit Emissionsbegrenzun- Bund zu unterbreiten. Dadurch sollen pien entwickelt, die – stillschweigend gen an der Quelle – beispielsweise Überkapazitäten vermieden und ent- oder ausdrücklich – Eingang in die Be- Emissionsgrenzwerten für Fahrzeuge sprechende Anlagen (z. B. Deponien, stimmungen gefunden haben (siehe und Feuerungen – eingedämmt wer- Kehrichtverbrennungsanlagen) in die Kästen). Dies sind namentlich den. Gestützt auf das USG und das Raumplanung Eingang finden. Wenn Strassenverkehrsrecht wurden für Mo- übermässige Luftverunreinigungen auf • das Vorsorgeprinzip torfahrzeuge Abgasgrenzwerte für di- verschiedene Quellen zurückzuführen • das Verursacherprinzip verse Schadstoffe beziehungsweise sind, haben die Kantone Massnah- • das Kooperationsprinzip Lärmgrenzwerte erlassen, die regel- menpläne zu erstellen (Art. 44a), die • das Prinzip der ganzheitlichen Be- mässig auf ihre Einhaltung kontrolliert eine Verminderung der Einwirkungen trachtung werden. Sie können verschärft wer- innert bestimmter Fristen bewirken • das Nachhaltigkeitsprinzip den, wenn feststeht, dass übermässige sollen. UMWELTPRAXIS Nr. 40 / April 2005 7
USG Lärm Das Kooperationsprinzip Das Kooperationsprinzip ist im USG sehr viel- fältig ausgestaltet. So geht es um die Zusam- menarbeit zwischen Bund, Kantonen und Ge- meinden (z. B. Art. 34 Abs. 1, 39 und 41) ei- nerseits und um die Zusammenarbeit des Gemeinwesens mit den Privaten und der Wirt- schaft anderseits (z. B. Art. 16 Abs. 3, 41a, 43). Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass Um- weltschutzmassnahmen nicht nur hoheitlich angeordnet werden sollen. Bevor Massnah- men beschlossen werden, sollen Betroffene angehört werden. Insbesondere auf die Mit- wirkung der Wirtschaft wird Wert gelegt, da- mit die Massnahmen möglichst einvernehm- lich umgesetzt und mitgetragen werden. Im Der Druck der Landwirtschaft auf Umwelt und Landschaft hat in den Neunzigerjahren dank Vollzug (z. B. Kontrollen, Überwachung) wur- der Umweltgesetzgebung, aber auch als Folge der Neuausrichtung in der Agrarpolitik, den insbesondere mit Branchenvereinbarun- deutlich abgenommen. Dies schont den Boden, die Luft und die Gewässer gleichermassen. Die Entlastung fördert die biologische Vielfalt und Konsumentinnen und Konsumenten pro- gen gute Erfahrungen gemacht. fitieren von umweltgerechteren Lebensmitteln. Foto: Priska Ketter Fördern und unterstützen mit verpflichtet, vor dem Erlass von Aus- ausdrückliches Bedauern ausspre- finanziellen Instrumenten führungsvorschriften zu prüfen, ob chen, falls das Umweltschutzgesetz nicht freiwillige Massnahmen der ohne dieses wichtige Instrument aus- Mit der Förderung der Forschung sol- Wirtschaft zweckmässiger wären (Art. kommen müsste. In jedem Fall sollte len insbesondere Verfahren und Anla- 41a Abs. 3). Der Bundesrat kann Vor- ein solcher Verzicht im Interesse der gen unterstützt werden, die der Ver- schriften über die freiwillige Ein- Sache nur als eine vorläufige Lösung minderung von Umweltbelastungen führung von Ökolabels und Umwelt- betracht werden.» dienen. Auch die Aus- und Weiterbil- Audits erlassen (Art. 43a). Die Lenkungsabgaben waren aus ver- dung von Personen, die mit Aufgaben fassungsrechtlichen Gründen umstrit- des USG betraut sind, kann gefördert ten; heute wird dies nicht mehr in werden (Art. 49). Im Weiteren werden Lenkungsabgaben – später Erfolg Frage gestellt. Die Lenkungsabgaben aus dem Reinertrag des Treibstoffzolls haben zum Ziel, das Verhalten im Sin- Umweltmassnahmen finanziert, wie Im Vorentwurf zum USG von 1973 wa- ne einer ökologischen Zielsetzung zu Lärmsanierungsmassnahmen. Im USG ren die Lenkungsabgaben von Wirt- steuern. Die erhobenen Abgaben von 1983 waren anfänglich auch noch schaftskreisen sehr stark kritisiert wor- müssen an die Bevölkerung zurücker- Bundesbeiträge an die Erstellung von den. Deshalb waren solche im USG von stattet werden und dienen deshalb Abfallbehandlungsanlagen vorgese- 1983 nicht mehr enthalten. Erst mit nicht der Finanzmittelbeschaffung hen; diese Bestimmung wurde 1990 in der Revision von 1995 wurden Len- (Art. 35a Abs. 9, 35b Abs. 5, 35c Abs. 2). Nachachtung des Verursacherprinzips kungsabgaben für die flüchtigen orga- Dementsprechend werden nicht die jedoch wieder aufgehoben (Art. 53). nischen Verbindungen sowie für den strengen verfassungsrechtlichen An- Schwefelgehalt des Heizöls, des Ben- forderungen verlangt wie sie für Steu- zins und des Dieselöls eingeführt (Art. ern gelten (vgl. z. B. LSVA gemäss Art. Freiwilligkeit als 35a ff.). 85 BV). Erhoben werden die Len- Vollzugsinstrument Wie vorausschauend positiv der Zür- kungsabgaben – beispielsweise bei cher Regierungsrat die Lenkungsabga- Benzin und Dieselöl – bei den Herstel- Die Selbstkontrolle ist insbesondere ben beurteilte, kommt in seiner Ver- lern oder Importeuren; die Abgabe be- bei der Verwendung von umweltge- nehmlassung vom 19. Juli 1978 zum trägt 3 Rappen pro Liter (Art. 3 der Ver- fährdenden Stoffen und Organismen ersten USG-Entwurf zum Ausdruck: ordnung über die Lenkungsabgabe ein wichtiges Instrumentarium (Art. 26, «Für den politisch und wirtschaftlich auf Benzin und Dieselöl vom 15. Okto- 29b Abs. 2), aber auch bei den Bran- motivierten Verzicht auf Lenkungsab- ber 2003, SR 814.020). Die Versicherer chenvereinbarungen über Kontrollen gaben im Entwurf 1978 können wir der obligatorischen Krankenversiche- und die Vollzugsunterstützung (Art. zwar ein gewisses Verständnis aufbrin- rung verteilen im Auftrag des Bundes 41a). Bund und Kantone werden sogar gen, doch möchten wir zugleich unser den Abgabeertrag an die Bevölkerung, 8 UMWELTPRAXIS Nr. 40 / April 2005
Lärm USG gen aus Glas. Für Bewilligungen, Kon- • Fachkommission (Art. 29h) Das Prinzip der ganzheitlichen trollen und besondere Dienstleistun- • Fachstellen (Art. 42) Betrachtung gen nach dem USG werden zudem Ge- • Erhebungen über die Umweltbela- Dieses Prinzip kommt vor allem in den Art. 8 bühren erhoben. Im Kanton Zürich gilt stung (Art. 44) und 9 des USG zum Ausdruck: Belastungen der dafür die Gebührenordnung zum Voll- • Periodische Kontrollen (Art. 45) Umwelt sollen nicht nur im Einzelnen, sondern zug des Umweltrechts (LS 710.2). • Auskunftspflicht (Art. 46) in ihrer Gesamtheit und in ihrem Zusammen- • Übernahme von Bürgschaften wirken betrachtet werden. Insbesondere bei (Art. 52) der Lufthygiene und dem Lärmschutz sind die Umweltsünder in der (Haft-)Pflicht • Verbandsbeschwerderecht (Art. 55) verschiedenen Ursachen und Einwirkungen • Behörden- und Gemeindebeschwer- ganzheitlich zu beurteilen. So sind bei der Um- Das USG enthält Haftpflichtbestim- de (Art. 56 und 57) weltverträglichkeitsprüfung (UVP) und bei den mungen für Anlagen, welche für die • Enteignungsrecht (Art. 58) Massnahmenplänen auch die erforderlichen Umwelt eine besondere Gefahr dar- Massnahmen gesamthaft zu würdigen und zu stellen (Art. 59a und 59b). Für Anlagen erlassen. dieser Art wird eine Kausalhaftung sta- Verbandsbeschwerderecht und tuiert, das heisst, dass die Inhaber bei UVP in der Diskussion Umweltschäden zum Schadenersatz verpflichtet sind, ohne dass ihnen ein Zurzeit bereitet die Rechtskommission indem sie die Abgaben über die Prä- Verschulden nachgewiesen werden des Ständerates eine Änderung des mienrechnungen den Versicherten muss. Der Bundesrat kann Anlagein- USG im Bereich des Verbandsbe- zurückerstatten. haber zudem verpflichten, die Haftung schwerderechts und zur Vereinfa- Im Bundesgesetz über die Reduktion mittels Versicherungen, Kautionen oder chung der UVP vor. Die Kantone und der CO2-Emissionen (SR 641.71) ist die auf eine andere Weise sicherzustellen. Verbände wurden im Rahmen eines Einführung einer CO2-Abgabe auf Vernehmlassungsverfahrens zu Stel- Brenn- und Treibstoffen vorgesehen für lungnahmen aufgefordert. Aufgrund den Fall, dass die lufthygienischen Ziel- … droht das Strafrecht von parlamentarischen Vorstössen und setzungen nicht erreicht werden. Auch infolge konkreter Fälle, die in der dabei handelt es sich um eine reine Im USG sind besondere Straftatbe- Öffentlichkeit kontrovers diskutiert Lenkungsabgabe, da der Ertrag – über stände bei Missachtung von Vorschrif- wurden, sollen allfällige Missbräuche die Ausgleichskassen der AHV – an die ten enthalten (Art. 60 und 61). Wer dieser beiden Instrumente verhindert Bevölkerung und die Unternehmen beispielsweise ohne Bewilligung eine werden. Der Regierungsrat des Kan- rückerstattet würde. Zurzeit führt der Deponie erstellt und betreibt oder Ab- tons Zürich hat sich vor kurzem zu die- Bundesrat eine Vernehmlassung über fälle ausserhalb von bewilligten Depo- sen Gesetzesänderungen geäussert die Erhebung dieser Abgabe durch. nien ablagert, wird bestraft. Sehr de- (vgl. Pressemitteilung vom 17. Februar tailliert sind die Straftatbestände im Zusammenhang mit der Verwendung Weitere Abgaben und Gebühren und dem Inverkehrbringen von Stoffen Das Nachhaltigkeitsprinzip gemäss USG und Organismen geregelt. Die Wir- Anfänglich war das Nachhaltigkeitsprinzip im kung des Umweltstrafrechts im Sinne USG nur beim Bodenschutz ausdrücklich ver- Im Hinblick auf die Abgeltungen des der Generalprävention dürfte zwar ankert (Art. 33–35). Erst seit der Änderung des Bundes an anrechenbare Kosten von eher beschränkt sein. Die bisherige Zweckartikels im Zusammenhang mit dem Altlastensanierungen kann der Bun- Praxis zeigt jedoch, dass gewichtigere Gentechnikgesetz (SR 814.91) wird auf die desrat die Deponiebetreiber und die Umweltschädigungen beziehungswei- dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebens- Exporteure von Abfällen zur Leistung se Verletzungen des Umweltrechts in grundlagen hingewiesen. Mit der neuen Bun- einer Abgabe verpflichten (Art. 32e). der Öffentlichkeit durchaus zur Kennt- desverfassung erhielt das Prinzip der nachhal- Mit der Verordnung über die Abgabe nis genommen werden. tigen Entwicklung sogar Verfassungsrang (Art. zur Sanierung von Altlasten (VASA; SR Das USG kennt schliesslich eine reiche 2 und 73). Allerdings ist darauf hinzuweisen, 814.681), hat der Bundesrat bereits im Zahl organisatorischer Instrumente, dass sich die Nachhaltigkeit nicht nur auf die Jahr 2000 von dieser Möglichkeit Ge- die lediglich erwähnt werden sollen: Umwelt, sondern ebenso auf die Gesellschaft brauch gemacht. und die Wirtschaft bezieht. Die abstrakte Pro- Bei besonderen Produkten kann der • Information und Beratung (Art. 6) grammnorm verpflichtet die Staatsorgane zur Bundesrat auch eine vorgezogene Ent- • Umweltverträglichkeitsprüfung Förderung der nachhaltigen Entwicklung, sorgungsgebühr (VEG) einführen (Art. (UVP, Art. 9) lässt ihnen jedoch einen weiten Ermessens- 32a bis). Eine solche gilt beispielsweise • Information der Abnehmer (Art. 27, spielraum offen. für Batterien und Getränkeverpackun- 29d) UMWELTPRAXIS Nr. 40 / April 2005 9
USG Lärm 2005). Der Vorentwurf – der die UVP- Bauten oder der Förderung von Anla- Handlungsbedarf im Vollzug. Ein bri- Verfahren entlasten, die Missbräuche gen mit erneuerbaren Energien sowie santes Spannungsfeld existiert weiter- des Verbandsbeschwerderechts ver- mit dem CO2-Gesetz wichtige An- hin im Verhältnis Umwelt–Raumpla- hindern und die Bewilligungs- schlusserlasse aus. nung–Verkehr, wo die Instrumente verfahren beschleunigen soll – wird Beeindruckend sind die rechtliche Um- und die Koordination noch zu wenig vom Regierungsrat begrüsst. Die Zür- setzung der konzeptionellen Prinzipi- aufeinander abgestimmt sind (Um- cher Regierung unterstützt insbeson- en und die Einführung der vielfältigen weltberichterstattung beim Planungs- dere, dass die beschwerdelegitimier- Instrumente, die im USG verankert verfahren). ten Umweltvereinigungen statuten- sind. Auch die Ausführungsvorschrif- Gewisse Erfolge sind bei der Abfallent- gemäss rein ideelle Zwecke verfolgen ten, die in den letzten zwanzig Jahren sorgung festzustellen, wo das Verursa- müssen und wirtschaftliche Ziele nur erlassen wurden – Luftreinhalte- und cherprinzip gut umgesetzt wurde. Bei als Nebentätigkeiten im Dienste des Lärmschutzverordnung, Technische der Altlastensanierung stellen sich oft Hauptzweckes wahrnehmen dürfen. Verordnung über Abfälle, Verordnung Fragen der Kostentragung und Kos- Der Regierungsrat beantragt zudem, über den Verkehr mit Sonderabfällen tenverteilung. Die in diesem Zusam- dass private Abmachungen zwischen usw. –, sind in ihren Auswirkungen auf menhang anstehende Revision des Gesuchstellern und Umweltorganisa- die Umwelt positiv zu würdigen. Die USG könnte das Verursacherprinzip tionen über Leistungen zur Beachtung Rechtsprechung zum USG ist von den tangieren, da die Anforderungen zum des Umweltrechts als unzulässig be- Rechtsfragen und der Rechtssicherheit Verursachernachweis hochgesteckt zeichnet werden. Zudem sollen sich her gesehen bedeutend und hat sich werden und dadurch bei den Kanto- die Verbände an den raumplanerischen auf die Praxis des Raumplanungs-, nen hohe Kostenfolgen entstehen. Es Verfahren oder Einigungsverfahren be- Bau- und Umweltschutzrechts sehr bleibt zu hoffen, dass die vorgesehe- teiligen müssen, wenn sie ihr Be- stark ausgewirkt. nen Änderungen des USG die bewähr- schwerderecht in nachfolgenden Ver- ten Prinzipien weiterhin hochhalten fahren – z. B. im Baubewilligungsver- und einen echten Beitrag zur Verbes- fahren – nicht verlieren wollen. Auch Offene Probleme: Schwierig und serung der Umweltqualität leisten im Zusammenhang mit den zahlrei- politisch heikel werden. Eine intakte Umwelt und un- chen hängigen Vorstössen im Parla- berührte Landschaften sind immer ment des Kantons Zürich wird sich Ge- Die ökologischen Themen stehen zwar mehr auch ein wichtiger Faktor für die legenheit bieten, das Verbandsbe- im Vergleich zu 1983 in der öffentli- Standortqualität geworden. Der wich- schwerderecht – einmal mehr – zu chen Diskussion nicht mehr derart im tigen Feststellung von Ursula Brunner diskutieren und entsprechende Be- Vordergrund, sie sind aber immer wie- und Helen Keller ist zuzustimmen: schlüsse zu fassen. der von Bedeutung. Zu erinnern ist an «Das USG allein macht noch keine die Alpeninitiative, die Ökologisierung nachhaltige Entwicklung aus. Dafür der Landwirtschaft, die Volksabstim- braucht es einen politisch-gesell- Zentraler Beitrag für den mung über den Ausbau des Gotthard- schaftlichen Grundkonsens.» (Brunner/ Umweltschutz tunnels, die CO2-Abgabe und vieles Keller 2005). andere mehr. Ökologische Gesichts- Das USG hat als übergeordnete Ge- punkte haben auch in der Wirtschaft, setzgebung (Gesamtkodifikation) für im Planungs- und Bauwesen, bei den den Umweltschutz unzweifelhaft ei- öffentlichen Beschaffungen oder im nen wichtigen Beitrag geleistet. Dank Konsumbereich an Bedeutung ge- Quellen: dem USG als «Mutter aller Umwelt- wonnen. Das Prinzip der nachhaltigen • Ursula Brunner und Helen Keller, 20 Jahre Um- schutzgesetze» (vgl. Brunner/Keller Entwicklung der Bundesverfassung weltschutzgesetz – Rückblick und Würdi- 2005, S. 33) wurden auch in den Kan- dürfte hiezu auch einen Beitrag geleis- gung, Zentralblatt für Staats- und Verwal- tonen Gesetzeserlasse geschaffen, um tet haben. tungsrecht, 2005, Seite 1 ff. den Anliegen des Umweltschutzes ver- Politisch heikle, aber auch schwierige • Alain Griffel, Die Grundprinzipien des schwei- stärkt zum Durchbruch zu verhelfen – und zum Teil offene Fragen bestehen zerischen Umweltrechts, Zürich 2001 im Kanton Zürich etwa das Abfallge- nach wie vor im Lärmschutz – Grenz- • Kommentar zum Umweltschutzgesetz, Teil III, setz, in anderen Kantonen so genann- wert-Überschreitungen, Verzögerun- Einleitung, Zürich 2003 te Einführungsgesetze zum USG. Das gen bei den Sanierungen als Folge der • Heribert Rausch, Arnold Marti, Alain Griffel, USG löste beispielsweise im Strassen- finanziellen Engpässe – und in der Luft- Umweltrecht, Zürich 2004 recht mit der Einführung der Fahrzeug- hygiene – Grenzwert-Überschreitun- • Beatrice Wagner Pfeifer, Umweltrecht I, Zü- Abgaskontrolle oder der Schwerver- gen beim Ozon, CO2-Ausstoss, Bewilli- rich 2002 kehrsabgabe, im Energierecht etwa gung von publikumsintensiven Anla- mit den Wärmedämmvorschriften für gen usw. Hier besteht nach wie vor 10 UMWELTPRAXIS Nr. 40 / April 2005
Stagnierende Erfolge bei der Lufthygiene Die Luft ist besser – aber noch immer nicht gut genug Die Luftqualität ist in den letzten klimawirksamen Kohlendioxid (CO2) Inhaltliche Verantwortung: zwei Jahrzehnten markant besser gibt es sogar etwas mehr. Inzwischen Hansjörg Sommer geworden. Trotz zum Teil sehr er- wurden zudem die Feinstäube (PM10) Abteilung Lufthygiene folgreich umgesetzter Massnahmen als neues Gesundheitsrisiko erkannt. AWEL Amt für ist die Luft aber immer noch in ei- Abfall, Wasser, Energie und Luft nem Mass belastet, das gesund- Walchetor heitliche und ökologische Schäden Fazit Postfach hervorrufen kann. Grundsätzlich Die Luft ist immer noch übermässig belastet, 8090 Zürich stünde allerdings die Technik für aber nicht mehr überall, nicht mehr jederzeit Telefon 043 259 29 91 weitere Verbesserungen und damit und nicht mehr durch so viele Schadstoffe. Telefax 043 259 51 78 zur Einhaltung der gesetzlichen Dafür sind globale Risiken sichtbar geworden, hansjoerg.sommer@bd.zh.ch Vorschriften bereit. Vor allem die mit denen vor 20 Jahren niemand rechnete. www.luft.zh.ch globale Klimaproblematik – aber auch die Ozonbelastung – verlangt nach zusätzlichen Strategien, die Welches sind die Auswirkungen? nicht nur lokal in Angriff zu neh- men sind. • Auswirkungen auf die Gesundheit: Luftschadstoffbelastungen über den Grenzwerten erhöhen gemäss wis- Ist die Luftverschmutzung immer senschaftlichen Studien die ge- noch schädlich? sundheitlichen Risiken. In den städ- tischen Gebieten des Kantons Luft Die Schadstoffbelastung der Luft er- Zürich heisst dies: reichte 1985 ihren Höhepunkt: Das «Waldsterben» war das Thema der Stunde. Als mögliche Ursachen stan- den Blei ebenso zur Diskussion wie Schwefeldioxid (SO2), Ozon (O3) und saurer Regen. Epidemiologische Studi- en wiesen gesundheitliche Beeinträch- tigungen nach, Schäden an Gebäuden und Infrastrukturanlagen wurden er- mittelt. 20 Jahre später bietet sich ein verän- dertes Bild: Wichtige toxische Schad- stoffe – Blei, Cadmium, Schwefeldio- xid (SO2), Salzsäure, Benzol – sind aus der Zürcher Luft nahezu verschwun- den. Die Stickoxidbelastungen (NOX) als Indikator für Verbrennungsabgase sind zwar um 45 % gesunken, sie stagnie- ren aber seit einigen Jahren, ohne dass der Grenzwert in städtischen Gebieten schon erreicht ist. Ozon (O3) und Am- Rauchende Schlote bei Industrie- und Abfallverbrennungsanlagen: Dank der Luftreinhalte- moniak sind weiterhin in gleich hohen verordnung ein Bild der Vergangenheit. Konzentrationen vorhanden und vom Foto: ALN UMWELTPRAXIS Nr. 40 / April 2005 11
Luft Lärm – Buchen wachsen auf versauerten 60 Böden und an ozonbelasteten Standorten weniger gut. 50 – Schädlinge wie Pilze oder sau- gende Insekten nehmen auf ge- Konzentration [g/m3] 40 schwächten Bäumen zu und sor- gen für zusätzliche Schädigungen. 30 Das «Waldsterben» hat zwar nicht 20 stattgefunden, die befürchtete Beein- trächtigung der Waldökosysteme tritt 10 jedoch immer deutlicher zu Tage und schreitet voran. 0 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 • Auswirkungen auf Gebäude: Zürich, Stampfenbachstr. Winterthur, Obertor Die beschleunigte Alterung von Wallisellen Grenzwert Baumaterialien sowie der zusätzliche Reinigungsaufwand aufgrund der Verlauf der NO2-Jahresmittelwerte von 1990–2004 (Mittelwerte 2004 provisorisch). Quelle: AWEL Luftverschmutzung wurden 1990 mit Kosten von 500 Mio. Franken – 10 –15 % mehr chronische Bron- – Die Nährstoffversorgung ist auf pro Jahr beziffert. Eine neuere Erhe- chitis; den meisten Waldflächen aus dem bung dazu existiert nicht. Die Belas- – 10 % mehr Krankheitstage am Ar- Gleichgewicht geraten: Es gibt zu tung der für Gebäudeschäden haupt- beitsplatz (restricted activity days); viel Stickstoff, aber zu wenig Phos- sächlich verantwortlichen Schad- – Mehrere hundert Todesfälle sind phor und Magnesium. stoffe Schwefeldioxid (SO2) und jedes Jahr auf Atemwegs- und Kreislauferkrankungen zurückzu- führen, die durch die Luftver- schmutzung ausgelöst werden. Bei diesen Angaben handelt es sich um statistische Durchschnittswerte. Im konkreten Einzelfall sind Kinder, äl- tere Leute sowie bereits an Atem- wegerkrankungen leidende Men- schen am stärksten betroffen. Statisti- ken über einen Rückgang der Krank- heitsrisiken parallel zur abnehmenden Luftverschmutzung existieren (noch) nicht. • Auswirkungen auf den Wald: Die immissionsökologischen Unter- suchungen Mitte der Achtzigerjah- re lieferten eine Reihe von Hypothe- sen für Risiken, die mit der Bela- stung durch Luftschadstoffe ver- bunden sind. Seither wurden weite- re Untersuchungen durchgeführt. Diese zeigen: – Als Folge des Schadstoffeintrags versauert der Boden zunehmend. – Die Versauerung hat kritische Wer- te erreicht. Sie beeinträchtigt die Die Bäume werden durch die Luftverschmutzung in vielfältiger Art geschädigt. Als Folge Durchwurzelung und damit die des Schadstoffeintrags versauert der Boden und die Bäume verlieren an Standfestigkeit. Standfestigkeit der Bäume. Foto: ALN 12 UMWELTPRAXIS Nr. 40 / April 2005
Lärm Luft nisiert. Die Norm wurde in mehre- ren Ländern (Holland, Kalifornien) kopiert. Sie führte zur Entwicklung neuer Brenner, die um 5–15 % spar- samer arbeiten und damit auch den CO2-Ausstoss reduzieren. • Gasrückführung bei Benzintankla- gern: Mit der Sanierung der Tank- stellen und Tanklager konnten die Benzindampf-Emissionen innert 4 Jahren von 1200 auf 2 Tonnen pro Jahr reduziert werden. Die rückge- führten Benzindämpfe können wie- der verwendet werden. • Sanierung aller sechs Kehrichtver- brennungsanlagen: Mit Kosten von In Kloten landen nur noch Flugzeuge der zwei saubersten Kategorien. über einer Milliarde Franken wur- Foto: Unique den bei den KVA die Emissionen von Salzsäure, SO2, NOX, Schwermetal- Staubniederschlag sind seither mar- Mobilität teilweise wieder wettge- len und Dioxinen um 85–99 % ge- kant zurückgegangen. Entsprechend macht. Schliesslich sind Bereiche wie senkt. dürften auch die Schäden heute klei- Landwirtschaft oder Baugewerbe, die ner sein als damals. anfänglich von Luftreinhaltemassnah- • Emissionsabhängige Landegebühr men nicht tangiert wurden, erst vor kur- für Flugzeuge: Als Folge dieser Len- zer Zeit zur Luftreinhaltung verpflich- kungsabgabe im Flugverkehr lan- Fazit tet worden. Sie sind zusammen für ei- den auf dem Flughafen Kloten nur Gesundheitsschäden und Schäden an Ökosys- nen Drittel der PM10 und für 90 % der noch Flugzeuge der zwei sauber- temen haben langfristigen Charakter. Sie wer- Ammoniakemissionen verantwortlich. sten Kategorien. den erst bei nachhaltig verminderter Schad- stoffbelastung zurückgehen. Insgesamt sind die Verschiedene Massnahmen wurden Nebst erfolgreichen Massnahmen, gab Folgenkosten der Luftverschmutzung volks- im Kanton Zürich mit besonderem Er- es auch eine Reihe von Massnahmen, wirtschaftlich immer noch weit höher als die folg umgesetzt: mit denen keine Fortschritte erzielt Kosten für die Reduktion der übermässigen • Züri-Norm bei den Feuerungsanlagen: wurden: Immissionen. Sie verlangte die Halbierung der Stickoxid-Emissionen bei Feuerungs- • Parkplatzbeschränkungen: Die Be- anlagen (Heizungen usw.). 1990 ein- schränkung der Parkierungsmöglich- geführt wurden in den folgenden keiten als Luftreinhaltemassnahme Was nützen die Massnahmen? 12 Jahren 100 000 Anlagen moder- im Verkehrsbereich war 1990 erst- Industrie, Gewerbe und Haushalte ha- ben ihre Hausaufgaben zur Verminde- rung der Luftschadstoffbelastung grund- sätzlich gut erledigt. Die Anforderun- gen der Luftreinhalteverordnung (LRV) werden fast durchgehend erfüllt. Ein Dilemma besteht dagegen im Ver- kehrsbereich: Nachdem mit der Ein- führung des Katalysators bei Benzin- motoren ein erster schneller Erfolg er- reicht worden war, greifen weitere Baumaschinen mit Partikelfilter reduzieren Mit modernen Methoden der Güllenaus- technische Fortschritte nur langsam die PM10-Belastung. bringung lassen sich die Ammoniakemis- und in kleinen Schritten. Sie werden Foto: FAL sionen in der Landwirtschaft vermindern. zudem von der schnell wachsenden Foto: G. Brändle, Agroscope FAL Reckenholz UMWELTPRAXIS Nr. 40 / April 2005 13
Luft Lärm zu senken. Hier sind zunehmend gross- räumig koordinierte Strategien erfor- derlich. Im Gegensatz zur notwendigen Aus- richtung auf kontinentale und globale Konstellationen richtet sich die Wahr- nehmung der Bürgerinnen und Bürger zunehmend auf die unmittelbare Um- gebung und die unmittelbar erlebbare Lebensqualität. Geruchsprobleme und andere lokale Missstände rücken da- durch in den Vordergrund. Kenntnisse und Bewusstsein Durch kontinuierliche Information – nicht zuletzt via Internet – ist grossen Teilen der Bevölkerung bewusst, dass die Luftqualität besser geworden ist, dass aber noch nicht alle Probleme Der motorisierte Individualverkehr bleibt eine der wesentlichen Quellen der Luftver- schmutzung. Verbrauchs- und emissionsärmere Fahrzeuge wären verfügbar. Doch hält der gelöst sind. Allerdings mangelt es im Trend zu grösseren Fahrzeugen weiter an und es fehlen Vorschriften für «saubere» Diesel- Einzelfall oft an präzisen Kenntnissen, motoren. Foto: AWEL um sich richtig verhalten zu können. Dabei sind diese individuellen Ent- mals Bestandteil des Luft-Programms. Automobilmarkt tendiert sogar zu scheide oder Verhaltensweisen von zu- Sie wurde danach mehrmals ab- schwereren, luxuriöseren und damit nehmend wesentlicher Bedeutung: geändert und bei einzelnen Gross- verbrauchsintensiveren Modellen. projekten über Einsprachen und • Diesel oder Benzin? Gerichte angewendet. Eine allge- Trotz geringerem Treibstoffverbrauch meine rechtsverbindliche Anordnung Was bringt die Zukunft? ist ein Dieselfahrzeug nur dann um- fehlte bisher, ist aber in Planung. weltverträglicher als ein Benzinauto, Ziele der Luftreinhalteverordnung (LRV) wenn es auch mit Partikelfilter und • CO2-Reduktion im Verkehr: Obwohl Obwohl seit 1985 – mit Ausnahme der Entstickung ausgerüstet ist. Saubere im Zusammenhang mit den globa- Feinpartikel – keine Grenzwerte ver- Diesel sind heute bei den meisten An- len Klimaveränderungen relevant, schärft wurden, sind die Luftreinhalte- bietern im Programm, vorgeschrie- klammern alle technischen Abgas- ziele erst etwa zu zwei Dritteln er- ben sind sie leider noch nicht. normen die CO2-Emissionen aus. Der reicht. Es stehen zwar technische Lö- sungen bereit, welche die noch not- • Abfall verbrennen ist kein Kavaliers- wendige Verbesserung der Luftquali- delikt! Fazit tät ermöglichten, aufgrund der öko- Beim Verbrennen von Verpackungs- Viele Massnahmen bewähren sich nicht nur nomischen und politischen Gegeben- material, Kunststoffen und behandel- lufthygienisch, sondern helfen Kosten zu spa- heiten werden sie aber gegenwärtig ten Hölzern im Cheminée oder Holz- ren und auch andere Probleme – Verkehrsma- nicht oder nur in sehr kleinen und lang- ofen sind immer unbekannte giftige nagement, Ressourcenschonung, Energiever- wierigen Schritten realisiert. Stoffe mit im Spiel, die ein gemütli- brauch – zu lösen. Insgesamt aber erweisen ches Holzfeuer nicht produziert. sich die Massnahmen als ungenügend, da die Globalisierung versus Individualisierung: verfügbare Technik nicht in allen Bereichen Die globale Klimaerwärmung findet Eigenverantwortung und Umwelt- rechtzeitig und adäquat ausgeschöpft wird. nachweislich und immer offensichtli- controlling Die Internalisierung der Umweltkosten in die cher statt. Sie wird vom Umwelt- Der Staat hat nicht mehr die Mittel, Marktmechanismen – eine seit langem als ef- schutzgesetz (USG) nicht erfasst und einzelnen Missständen nachzuspüren. fizientes Instrument geforderte Massnahme – durch die Luftreinhaltung nur indirekt Massnahmenpläne und umweltgerech- ist erst ansatzweise, dort aber erfolgreich rea- am Rand beeinflusst. Andere Instru- te Planungen werden künftig den Rah- lisiert, beispielsweise bei der VOC-Lenkungs- mente, wie die geplante CO -Abgabe, 2 men setzen, die Eigenverantwortung abgabe oder bei der Leistungsabhängigen sind deshalb von grosser Wichtigkeit. die Kontrolle ablösen. Umso wichtiger Schwerverkehrsabgabe (LSVA). Lokal ist es nicht möglich, die Ozonbe- wird die Umweltbeobachtung als Werk- lastung auf ein unbedenkliches Niveau zeug für die künftige Umweltpolitik. 14 UMWELTPRAXIS Nr. 40 / April 2005
NIS-Verordnung sorgt für geordnete Verhältnisse Dank USG keine übermässige Elektrosmogbelastung Der rasante Ausbau des Mobilfunk- kürzester Zeit ein Bedarf nach Schutz- Inhaltliche Verantwortung: netzes seit Mitte der Neunzigerjah- bestimmungen, welche einerseits über- Herbert Limacher re erforderte rasch Schutzbestim- mässige Immissionen vorsorglich ver- Abteilung Lufthygiene mungen. Aufbauend auf dem Vor- hindern und anderseits mögliche, heu- AWEL Amt für sorgeprinzip des Umweltschutz- te noch unbekannte Auswirkungen im Abfall, Wasser, Energie und Luft gesetzes, wurde praktisch innert Niedrigdosisbereich längerfristig nach- Stampfenbachstrasse 12 Jahresfrist eine Verordnung zur haltig berücksichtigen sollten. Das 8090 Zürich nichtionisierenden Strahlung in Umweltschutzgesetz (USG), mit sei- Telefon 043 259 41 74 Kraft gesetzt. Dabei konnte von nem europäisch einzigartig postulier- Telefax 043 259 51 78 den Erfahrungen mit den ähnlich ten und konsequent anzuwendenden herbert.limacher@bd.zh.ch aufgebauten Luftreinhalte- und Vorsorgeprinzip, ermöglichte es, prak- Lärmschutzverordnungen profitiert tisch innert Jahresfrist eine Verord- werden. nung zur nichtionisierenden Strahlung (NISV) zu entwerfen und rechtsver- Quellen wie Radar-, Radio-, Fernseh-, bindlich in Kraft zu setzen. Dies gelang Funk- sowie Stromanlagen und elektri- unter anderem in so kurzer Frist, weil sche Geräte erzeugen nichtionisieren- auf Erfahrungen mit den ähnlich auf- de Strahlung (NIS), auch «Elektro- gebauten Verordnungen zur Luftrein- smog» genannt. Diese NIS-Strahlung ist haltung und zum Lärmschutz (LRV in unserem Alltag kein neues Phäno- bzw. LSV) zurückgegriffen werden men: Schon seit hundert Jahren wer- konnte. den Strom und Langwellen genutzt, Kaum war die NIS-Verordnung in Kraft, Luft seit dem Zweiten Weltkrieg sind Radar, wurde sie von allen Seiten jedoch auch UKW und Fernsehen hinzugekom- aufs Heftigste kritisiert. Die Anlagebe- men. Bevor sich die Mobiltelefonie ra- treiber beurteilten die Vorsorgekriteri- sant ausbreitete, haben diese Anlagen en im Vergleich zum übrigen Europa, kaum jemanden beunruhigt. Wegen das im NIS-Bereich keine Vorsorgebe- der vielen Mobilfunkantennen, die in stimmungen kennt, als viel zu streng. den letzten fünf Jahren errichtet wur- Dadurch würden die Betreiber in ihrem den, ist die Bevölkerung aufge- Netzausbau zu sehr behindert und schreckt. Niemand will die Antennen in seiner Nähe haben, die im Sied- Grenzwerte der NIS-Verordnung lungsgebiet jedoch notwendig sind, damit überall telefoniert werden kann. Grenzwerte Man fürchtet um sein Wohlbefinden Immissionsgrenzwert (IGW) und um Wertverminderungen von Lie- Anlagegrenzwert (AGW) vorsorglich als Schutzwert genschaften. Andererseits sind neue Funk-Projekte in Planung, die uns zu- Gültigkeit überall, wo sich Menschen aufhalten Orte mit empfindlicher Nutzung sätzliche Antennen bescheren werden. Stromanlagen 100 Mikrotesla (µT) 1 Mikrotesla (µT) Mobilfunk 40–60 V/m 4–6 V/m Konsequente Anwendung des Vorsorgeprinzips Übriger Funk 28 V/m 3 V/m Radar 44 V/m (1400 V/m*) 5,5 V/m Ausgelöst durch den rasanten Aufbau des Mobilfunknetzes, entstand innert * Grenzwert für Einzelpuls V/m = Volt pro Meter UMWELTPRAXIS Nr. 40 / April 2005 15
Nichtionisierende Strahlung Lärm sondere galt es auch abzuklären, ob dienste wollen zusammen mit dem für die Festlegung der Grenzwerte ne- Grenzwachtkorps und anderen Sicher- ben wissenschaftlichen Kriterien grund- heitsdiensten das «Polycom-Netz» ein- sätzlich auch praktische Alltagserfah- richten, was für den Kanton Zürich er- rungen einbezogen werden können. neut zusätzliche Mobilfunkantennen Die Gerichte kamen zum Schluss, dass bedeutet. Auch will ein weiterer Netz- nicht einfach auf die subjektiven Ein- betreiber in Zürich und Umgebung mit drücke der im Einzelfall betroffenen rund einhundert Antennenstandorten Personen abgestellt werden könne. neu ins Geschäft der Mobiltelefonie Damit praktische, nicht naturwissen- einsteigen. Schliesslich wollen Fernse- schaftliche Erfahrungen berücksich- hen und Radio auf ein digitales Signal tigt werden könnten, sei es vielmehr umstellen und benötigen dazu eine Voraussetzung, dass diese nach den neue Infrastruktur mit zusätzlichen Regeln der Sozialforschung korrekt er- Antennen. hoben und ausgewertet würden und Dank der NIS-Verordnung konnte der rasche Ausbau des Mobilfunknetzes ohne übermäs- zudem der Wirkungszusammenhang sige Strahlungsbelastung bewältigt werden. als sehr wahrscheinlich erscheine. Gesamtbelastung nicht übermässig Foto: sunrise Aufgrund dieser Überlegungen berück- sichtigte der Bundesrat keine nicht na- In Übereinstimmung mit dem im USG müssten auf zusätzliche und eigentlich turwissenschaftlichen Kriterien bei der verankerten Vorsorgeprinzip konnten unnötige Antennenstandorte auswei- Festlegung der Grenzwerte. Folglich die Mobilfunknetze innert kürzester chen. Dies würde das Telefonieren nur konnte die besondere Empfindlichkeit Zeit planmässig aufgebaut werden. Sie sinnlos verteuern, wurde argumen- einzelner Personen auf elektromagne- stehen heute rechtskonform in Betrieb tiert. Auch die Bevölkerung war mit tische Felder, die so genannte «Elek- und können auch erweitert werden. den Vorsorgewerten nicht zufrieden. trosensibilität», keinen bestimmenden Auf der Grundlage der NIS-Verord- Sie beurteilte die Werte als viel zu Grenzwertfaktor darstellen. Das Vor- nung wurden bis heute im Kanton lasch. Könne im zweiten Unterge- sorgeprinzip des Umweltschutzgeset- Zürich an fast 1500 Standorten Anten- schoss einer Tiefgarage noch telefo- zes hat demnach nur emissionsbe- nenanlagen für den Mobilfunk bewil- niert werden, so zeuge dies von einer grenzenden Charakter. Es besteht kein ligt, Informationsveranstaltungen durch- Überversorgung; mit einer nachhalti- Anrecht auf Nullimmission. Zudem for- geführt, Netzbetreiber, Gemeinden und gen Vorsorge habe dies nichts zu tun. dert die NIS-Verordnung als Aus- Private beraten sowie zahlreiche Kon- Für eine vollständige Telefonversor- führungsvorschrift des USG nur den trollmessungen durchgeführt. Es sind gung genügten auch zehnmal tiefere Schutz der lebenden Umwelt vor zu im Kanton keine Funkanlagen be- Feldwerte, wurde beispielsweise ange- starker elektromagnetischer Strahlung. kannt, welche die Grenzwerte – na- führt. Rekurrierende befürchteten zu- Die von Menschen geschaffene künst- mentlich auch die strengen Vorsorge- dem Funktionsstörungen, z.B. bei me- liche Umwelt wie Gebäude, Anlagen, werte (Anlagegrenzwert) – nicht ein- dizinischen Geräten in benachbarten Einrichtungen und Produkte gehört halten. Arztpraxen oder bei Geräten im grafi- nicht explizit zum Schutzbereich des Weil die Sendeleistungen im Rundfunk schen Gewerbe. USG und der NIS-Verordnung. Die vor- und beim Radar bei den übrigen Funk- sorglich festgelegten Anlagegrenz- anwendungen (Rundfunk, Betriebs- werte sind für empfindliche Geräte funk, Radar) schrittweise reduziert Sensible Festlegung oder Produkte jedenfalls nicht an- wurden, ist trotz der enormen Zunah- von Grenzwerten wendbar. Entsprechende Ansprüche me des Mobilfunks die Gesamtbela- auf einen besseren Schutz vor Störun- stung mit nichtionisierender Strahlung Wie bei keiner anderen Verordnung gen müssten demnach zivilrechtlich im Vergleich zu früher in etwa gleich waren die Gerichte gefordert: Rechts- weiterverfolgt werden. geblieben. Mit Sicherheit ist die Bela- begriffe des USG wie «technisch und stung keineswegs übermässig: Mes- betrieblich möglich» oder «wirtschaft- sungen an der Streetparade 2004 zeig- lich tragbar» mussten definiert wer- Funknetz-Projekte ohne Ende? ten, dass die Strahlenbelastung etwa den, und zwar aus Sicht der Anlagebe- fünfzigmal tiefer lag als der Schutz- treiber, welche mit wenigen Antennen Nach dem Aufbau der GSM- und der wert (vgl. Immissionsgrenzwert). Ohne ein möglichst grosses Netz wirtschaft- UMTS-Netze stehen weitere Projekte Grossanlass beträgt die Belastung nur lich abdecken wollen, wie auch aus an. So wollen die Bahnunternehmen halb so viel, wobei der Rundfunk (Ra- Sicht des zum Teil vermuteten oder entlang den Bahntrassees ein «GSM- dio) knapp die Hälfte zur Gesamtbelas- noch nicht absehbaren Risikos. Insbe- Rail-Funk-Netz» errichten. Die Polizei- tung beiträgt. 16 UMWELTPRAXIS Nr. 40 / April 2005
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