Oase für heimische Wildtiere - Tierplastiken in der Wilhelma Nashörner

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Oase für heimische Wildtiere - Tierplastiken in der Wilhelma Nashörner
ausgabe 1 · frühjahr 2014

Biotop Wilhelma

Oase für
heimische Wildtiere
Zeitzeugen                     Artenschutz

Tierplastiken                  Nashörner
in der Wilhelma                in Not
Oase für heimische Wildtiere - Tierplastiken in der Wilhelma Nashörner
N E U     .   2014
                           1. 04
                       ab 0

Einzigartig & trendig!
   Eine unbeschwerte Art,
             sich zu verwöhnen!
                                               Mit
                                            knusprigem
                                            Topping
                                             im Deckel!
Oase für heimische Wildtiere - Tierplastiken in der Wilhelma Nashörner
pinnwand

          Lieber malen als langweilen

          Auf dieser Seite stellen wir Werke von Besuchern vor, ob fotografiert, gemalt oder gedichtet. Dieses schöne Bild ist von
          dem 14-jährigen Jonas Bäuerle aus Bodelshausen. Tiger gehören zu seinen Lieblingstieren, und er hat sie gemalt, als er
          letztes Jahr nach einem schweren Mountainbike-Unfall im Krankenhaus lag, weder die Schule noch die Wilhelma besuchen
          konnte und sich „tierisch“ langweilte. Also griff der große Tierfan zu Papier und Stiften und malte sich seinen eigenen Zoo.
          Heute ist Jonas längst wieder gesund, das kaputte Fahrrad wurde ersetzt – und auch die Wilhelma, das neue Affenhaus
          und die Tiger hat er inzwischen natürlich besucht.

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                     R S T   ZUR
                   E              N ZUM
                          , D A N
                 ARBEIT NÜGEN.
                      VERG
                                                                                                         DAS VVS-AEBOF:AHREN,
                                                                                                          2 MONAT ZAHLEN.
                                                                                                          0 MONATE

                                                                                                                                   vvs.de

  RZ_VVS-14-1050_ABO_Business-Frau_AZ_Wilhelma_176x87.indd 1                                                                     18.02.14 14:543
Oase für heimische Wildtiere - Tierplastiken in der Wilhelma Nashörner
inhalt

                                                                                                        8
                                                  Ein Platz für Tiere
                                                  Ob Eichhörnchen, Feldhase oder Rauchschwalbe: Im 30 Hektar

17                                                ­großen Park der Wilhelma leben nicht nur viele exotische Tiere in
                                                   den Gehegen, sondern hier lassen sich auch heimische Wildtiere
                                                   gerne nieder. Welche Arten die Wilhelma als Untermieter, Durch-
                                                   zügler, Zaun- oder Stammgäste vor allem anzieht und warum,
                                                   ­lesen Sie in unserer Titelgeschichte ab Seite 8.

 Die etwas andere Zimmerpflanze
 Sie ist grün, hat riesige Fächer als Blätter
 und sieht aus wie eine typische Südsee-
 pflanze: die Vanuatu-Strahlenpalme. Kein
 Wunder, dass sie heute zu den Verkaufs-
 schlagern unter den Zimmerpalmen gehört.
 Doch der Weg von ihrer Inselheimat voller
 feindlich gesinnter Eingeborener bis in
 hiesige Gärtnereien war ziemlich abenteu-
 erlich. Mehr im Steckbrief auf Seite 17.

                                           22

 Stachelige Langschläfer
 Mit ihren großen Knollennasen und ihren
 Stachelkleidern ziehen die Greifstachler
 die Blicke auf sich. Einziger Haken: Die Tiere
 verstecken sich tagsüber gerne in ihren
 Schlafboxen. Wer die stacheligen Gesellen
 also in Aktion sehen möchte, sollte am
 besten ganz früh oder ganz spät an ihrem
 Gehege im Jungtieraufzuchthaus vorbei-
 schauen. Ab Seite 22.

26

 Nashörner in Not
 Die Zahl der in Südafrika und Asien wild
 ­lebenden Nashörner sinkt weiter: Allein in
  Südafrika wurden 2013 mehr als 1.000 Tiere
  getötet − und die traurige Tendenz hält
  an. Der Grund für die fortgesetzte Wilderei
  ist die wieder steigende Nachfrage nach
  Nashorn-Horn, das nach wie vor als Wunder­
  heil­mittel gilt und teuer gehandelt wird.
  Mehr ab Seite 26.

 4
Oase für heimische Wildtiere - Tierplastiken in der Wilhelma Nashörner
editorial

                                                         Liebe
                                                         Besucherinnen
                                                         und Besucher,
                                                         in dieser Ausgabe des Wilhelma magazins
                                                         darf ich Sie das erste Mal als neuer Direktor
                                                         der Wilhelma begrüßen. Es ist für mich eine
                                                         große Ehre, in dieser Funktion künftig die
                                                         Entwicklung des einzigen
                                                         Zoologisch-Botanischen
                                                         Gartens Deutschlands
                                                         entscheidend mitzuprä-
                                                         gen. Bis Ende des Jah-
                                                         res werden wir ein Leit-
                                                         bild erarbeiten, das der
                                                         ­Wilhelma während der
titelthema                                                nächsten 20 Jahre den
                                                          Weg weisen soll. Hierbei
 8	
   Wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen                wird weiterhin der Fokus
    Die „wilde Wilhelma“                                  auf dem Dreiklang von
                                                          Zoo, botanischem Gar-
13	Grüne Zeitzeugen                                      ten und historischer Parkanlage liegen. Ich
    Die grüne Pflanzenwelt der Wilhelma                   werde Sie darüber in einem Jahr gerne im
                                                          Wilhelma magazin detaillierter informieren.
                                                             In diesem Heft geht es in der Titelge-
wilhelma live                                             schichte ausnahmsweise einmal um die Tiere
                                                          außerhalb der Gehege. Denn neben den von
17 Ein Hauch von Südsee                                   der Wilhelma gehaltenen, bedrohten exo-
    Die Vanuatu-Strahlenpalme                             tischen Wildtieren leben im Parkgelände
                                                          auch viele heimische Tierarten, die sich von
18 „Eine große Stärke der Wilhelma ist ihre Vielfalt“    alleine angesiedelt haben. Außerdem finden
    Der neue Kopf der Wilhelma, Dr. Thomas Kölpin         sich wie immer viele weitere spannende zoo-
                                                          logische und botanische Themen im Heft.
20	Von Bären und Hirschen ganz anderer Art                  Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen
    Tierplastiken in der Wilhelma                         dieser Ausgabe des Wilhelma magazins sowie
                                                          unterhaltsame und lehrreiche Stunden beim
22	Ein uriger, seltener Zoobewohner                      nächsten Wilhelma-Besuch.
    Der Greifstachler
                                                         Ihr

natur im fokus
25 Der Specht mit der Maske
    Vogel des Jahres 2014

26 Wie lange gibt es sie noch?
    Nashörner in Not

rubriken
                                                         Dr. Thomas Kölpin,
 3	 Pinnwand                                            Direktor der Wilhelma
 5	 Editorial
 6	 Panorama
14	Kindermagazin
28 Freunde und Förderer
30	Wilhelma entdecken
30	Impressum

                                                                                                    5
Oase für heimische Wildtiere - Tierplastiken in der Wilhelma Nashörner
panorama

Fritz,
 der
Otter

                                                   Fischotter-Weibchen Moa
                                                   hat wieder Gesellschaft:
                                                   den jungen Fischotter
                                                   Fritz aus Finnland. Er ist
                                                   der Nachfolger von Viktor,
                                                   mit dem Moa bis zu desa-
                                                   sen Tod zusammenlebte
                                                   und vier Jungtiere zeugte.
                                                   Ob sie sich auch mit Fritz
                                                   verträgt? Falls sich Gegen-
                                                   sätze auch bei Fischottern
                                                   anziehen, stehen die
                                                   Chancen nicht schlecht:
                                                   Denn Moa ist sensibel
                                                   und hektisch, Fritz die
                                                   Ruhe selbst. Fortsetzung
                                                   folgt …

           150
           Die Wilhelma in Zahlen

           … Jahre wird die Damaszenerhalle am Langen See dieses Jahr alt.
           Als einziges historisches Wilhelma-Gebäude hat nicht Hofarchitekt
           Karl Ludwig von Zanth sie 1864 erbaut, sondern Wilhelm Bäumer,
           ein Lehrer am Stuttgarter Polytechnikum. Und als einziges Bau-
           werk überstand sie den Zweiten Weltkrieg schadlos. An die Halle
           schließt sich eine Fasanerie an, in der zu Königs Zeiten Fasanen
           und Hühner lebten – heute Auerhuhn, Dompfaff, Distelfink und Co.
           In der 1992 restaurierten Halle zeugen kostbare Decken­malereien,
           Stuckmarmor und ein Kronleuchter von der maurischen Pracht, eine
           Ausstellung erzählt die Wilhelma-Geschichte. Zu seinem Schutz
           ist das empfindliche Bauwerk nur unter Aufsicht und zeitlich be-
           grenzt geöffnet: an Wochenenden, Feier- und Ferien­tagen der
           ­Monate März bis Oktober von 14 bis 16 Uhr.

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Oase für heimische Wildtiere - Tierplastiken in der Wilhelma Nashörner
panorama

                                                 Wilde Wochenenden                               Trauer um Anton
                                                 Neue kostenlose Vorträge und Thementage
                                                 in der Wilhelmaschule im Frühjahr 2014:         Er war über 20 Jahre lang eine Institution in
                                                 Sonntag, 23. März                               der Wilhelma, sein Sohn Wilbär wurde als
                                                 Dr. Strauß:                                     erster und bislang einziger Stuttgarter Eis-
                                                 Essbare Wildpflanzen im Frühjahr                bärnachwuchs berühmt, und die Besucher
                                                 Vortrag und botanische Exkursion,               liebten ihn: Anton, den Eisbären. Mit 25
                                                 15 Uhr und 16 Uhr                               Jahren starb er im Februar, weil er den ins
                                                 Sonntag, 6. April                               Gehege gefallenen Rucksack eines Besu-
                                                 Thementag Amphibien, 11 bis 16 Uhr              chers samt Inhalt fraß. In vielen Mails und
                                                                                                 Briefen trauerten seine Fans um ihn – Es
                                                 Karfreitag, 18. April, bis
                                                                                                 war so viel Post, dass wir sie leider nicht alle
                                                 Ostermontag, 21. April:
                                                                                                 be­antworten konnten. Daher an dieser Stelle
                                                 Alles rund ums Ei!

Trickfilm
                                                                                                 nochmals vielen Dank dafür! Und helfen Sie
                                                 Thementage jeweils von
                                                 11 bis 16 Uhr                                   bitte mit, dass keine Gegenstände mehr

meets Wilhelma
                                                                                                 versehentlich in den Tiergehegen landen!
                                                 Sonntag, 27. April:
                                                 Tierisch schlau!
                                                 Dia-Kurzvortrag zu tierischer Intelligenz,
Spannende Tiergeschichten eigenhändig in
                                                 15 Uhr und 16 Uhr
kleine Trickfilme verwandeln: Das können
Kinder ab acht Jahren vom 23. bis 27. April      Sonntag, 4. Mai:
                                                 Raubtiere
in der Wilhelmaschule. Denn diese bietet
                                                 Thementag von
gemeinsam mit dem 21. Internationalen
                                                 11 bis 16 Uhr
Trickfilm Festival Stuttgart (ITFS) Trickfilm-
Workshops an. Eine Anmeldung ist direkt          Sonntag, 11. Mai
bei der ITFS unter 0711/92 546-123 erfor­        Stunde der Gartenvögel
                                                 Heimische Vogelarten entdecken mit
derlich. Weitere Infos, die genauen Termine
                                                 dem NABU, 15 Uhr und 16 Uhr
und Uhrzeiten finden Sie zudem unter
www.itfs.de. Und schon ab 17. April laufen
im Menschenaffenhaus und Insektarium             Weitere Infos und Termine:
lustige, bunte Tiertrickfilme.                   www.wilhelma.de/wildewochenenden

                                                                                                                                        -
                                                                                                                               Wilhelma
                                                                                                                                Neulinge

Zwei neue Paschas                                Kleiner Degu-Boom                               Comeback der Fenneks
Bei den Dscheladas bzw. Blutbrustpavia-          Einen richtigen Nachwuchs-Boom gab es           Nach dem Tod des Zuchtpaares letztes
nen gab es einen Stabwechsel. Die beiden         zu Jahresbeginn bei den Degus, einer aus        Jahr sind im Giraffenhaus wieder zwei Wüs-
Männchen Hope und Haryon kamen aus               Chile stammenden Nagerart. Ende Januar          tenfüchse bzw. Fenneks eingezogen: die
Zürich ins Felsenrevier, wo sie künftig für      kamen zunächst sechs Jungtiere auf einen        Schwestern Amani und Bashira. Aus dem
Nachwuchs sorgen dürfen. Dabei entschei-         Streich zur Welt, Mitte Februar folgten in      Arabischen übersetzt heißen sie „Die Freude
den die Weibchen, welchem der Männer             einem weiteren Wurf fünf Degus. Die elf         ins Haus bringt“ und „Die gute Nachrichten
sie sich anschließen, was anfangs meist          Tiere sind nach fast sieben Jahren der erste    bringt“ – was gut passt, denn viele freut
für Unruhe im Clan sorgt. Mit einem regel-       Nachwuchs ihrer Art in der Wilhelma, wo         das Comeback der Nordafrikaner mit den
mäßigen „Männerwechsel“ wird jedoch              es erst seit 2013 wieder eine fortpflanzungs-   riesigen Ohren. Wie lange die Weibchen
Inzucht im Zoo-Bestand vermieden. Und            fähige Zuchtgruppe mit zwei Weibchen            bleiben, ist aber ungewiss. Geplant ist, sie
die Wilhelma-Dscheladas gehören zu den           und einem Bock gibt. Zu finden sind die tag-    2014 im Zuge des Europäischen Erhaltungs-
wichtigsten Zuchtgruppen der hoch be-            aktiven, munteren Degus im Kleinsäuger-         zuchtprogramms gegen ein neues Zucht-
drohten Affenart aus Äthiopien.                  haus hinter dem Wintergarten.                   paar zu tauschen.

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Oase für heimische Wildtiere - Tierplastiken in der Wilhelma Nashörner
titelthema

      Die „Wilde Wilhelma“

      Wo sich Fuchs und Hase
      gute Nacht sagen
      Wer denkt, in die Wilhelma kommen nur Tiere und Pflanzen, die gezielt in
      den Zoologisch-Botanischen Garten geholt wurden, kennt ihre Bedeutung
      als wertvolles Biotop in der Stadt noch nicht. Denn als solches lockt sie
      auch Fuchs und Hase, Igel und Marder, Reiher, Schwalben und viele andere
      heimische „Zuzügler“ an. Eine Expedition zu den Zaungästen, Untermietern
      und Überfliegern der „wilden Wilhelma“.

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Oase für heimische Wildtiere - Tierplastiken in der Wilhelma Nashörner
titelthema

Suchbild mit Krähe: Nein, das ist keine
Spiegelung – hier sitzen sich wirklich zwei
Feldhasen gegenüber. Und wer entdeckt
die Krähe im Gras?

E
       in klarer Spätwintermorgen im          Oase mitten in der Stadt gerne auf oder
       Wilhelma-Park. Über Nacht hat es       lassen sich hier nieder – ob Vögel oder
       noch einmal geschneit, und die         Säugetiere (von den zahllosen Insekten
       Grünflächen sehen aus wie weiß         und wirbellosen Bodenbewohnern ganz
„gezuckert“. Die Flamingos genießen ihr       zu schweigen). Auch außerhalb der Ge-
morgendliches Bad im warmen Mineral-          hege herrscht in der Wilhelma daher vor
wasser und begrüßen mit lautem Ge-            ­allem nachts jede Menge „Verkehr“, wie
schnatter den neuen Tag. Zu den exoti-         am nächsten Morgen viele Tierspuren
                                                                                          Den Winter verschläft er in Laub- und Reisig­
schen, rosaroten Schreitvögeln gesellt hat     verraten – je nach Jahreszeit als Abdrü-   verstecken, doch in warmen Sommernächten ist
sich wie üblich eine bunte Schar: Hier         cke in Schnee, Erde oder Sand sowie in     der Igel auch in der Wilhelma bei der Schnecken-
steht unbeweglich ein Graureiher, dort         Form von Haaren und Kot.                   und Käferjagd zu entdecken.
stakt ein Weißstorch, nebenan posiert
ein Nilganspaar. Zwischen den langen          Von Freibeutern und Vorratshaltern
Flamingobeinen huschen Teichhühner            Entlang des Flamingogeheges verläuft        ten, anpassungsfähigen Raubtiers aus der
umher, und an den Futtertrögen tun            heute morgen zum Beispiel eine wie von      Familie der Hundeartigen. Während der
sich Rabenkrähen gütlich.                     der Schnur gezogene Spur. Sie zeigt uns,    Wüstenfuchs oder Fennek im Giraffen-
   Was auf den ersten Blick wie eine von      dass nachts ein Rotfuchs vorbeigeschaut     haus eine offizielle Planstelle als Zootier
mehreren, bewusst arrangierten „WGs“          hat. Und zwar nicht, um in friedlicher      innehat, siedelte sich sein heimischer
der Wilhelma aussieht, hat sich am Fla-       Absicht den Elektrozaun rund ums Ge-        ­Vetter selbst an. Die Größe der Stadtfuchs-
mingosee großteils selbst formiert. Denn      hege zu „kontrollieren“. Vielmehr stehen     gemeinde in Stuttgart wird auf ca. 5.000
nicht nur Menschen, sondern auch viele        auch die Flamingos, zumindest theore-        Tiere geschätzt, die ­roten Freibeuter sind
heimische Wildtierarten suchen die grüne      tisch, auf dem Speiseplan des intelligen-   hier also längst keine Seltenheit mehr.

                                                                                                                                        9
Oase für heimische Wildtiere - Tierplastiken in der Wilhelma Nashörner
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                                                                                                                  Auch Stockenten
                                                                                                                  und ihre Küken
                                                                                                                  ­besuchen oft die
                                                                                                                   vielen Wasser­
                                                                                                                   becken und Teiche
                                                                                                                   der Wilhelma (l.).
                                                                                                                  Gern gesehene
                                                                                                                  Stammgäste im
                                                                                                                  Park: die Eich-
                                                                                                                  hörnchen (r.).

                                                                  Echte Streithähne: Die vielen Graureiher in der Wilhelma
                                                                  ­konkurrieren oft um Futter und Brutplätze (l.).
                                                                  Nilgans am Flamingosee: An ihren dunklen Brustflecken
                                                                  und Augenringen ist sie gut erkennbar (o.).

   An der mächtigen Platane gegenüber       jedoch an innerstädtische Ersatzlebens-        Schlossgarten einen sicheren Lebens-
dem Flamingoteich flitzt gerade etwas       räume angepasst. Dazu gehören auch             raum dar, sondern auch für viele, teils
Rotbraunes den Baum empor. Es ist ein       einige Fledermausarten wie der Große           seltene Vogelarten. Über 90 Arten wur-
Eichhörnchen, das tagsüber ständig auf      Abendsegler oder die Zwerg­fledermaus.         den allein in der Wilhelma schon beo­
der Suche nach Früchten und Sämereien       An lauen Sommernächten jagen die ul-           bachtet, darunter Spechtarten wie der
unterwegs und somit oft zu sehen ist. Die   traschallbewehrten Insekten­fresser über
Wilhelma mit ihrem alten, artenreichen      Wiesen und Wasserflächen, zwischen
Gehölzbestand bietet den Kleinnagern        Bäumen und Sträuchern. Die kalte Jah-
ideale Bedingungen. Durch ihre Gewohn-      reszeit verschlafen sie dicht aneinander-         Die Wilhelma bietet mit
heit, im Herbst Nüsse und Eicheln als       gedrängt in Baumhöhlen und in Spalten            ihrem alten, artenreichen
Wintervorrat im Boden zu vergraben,         an Gebäuden. Auch der Siebenschläfer
halten sie mitunter auch die Wilhelma-      macht seinem Namen alle Ehre: Der                     Gehölzbestand
Gärtner auf Trab. Immer wieder legen        Eigenbrötler aus der Familie der Bilche            auch Wildtieren ideale
sie ihre Verstecke in den beheizten his-    überwintert in Nistkästen und Höhlen.
torischen Gewächshäusern an, sodass         Im Sommer nutzt die g  ­ eschützte Art den
                                                                                                   Bedingungen.
dort mitten im Winter und an unge-          struktur­ierten Wilhelma-Baumbestand
wöhnlichen Stellen plötzlich Sträucher      als Lebensraum. Leider verwechselt er
und Bäume sprießen und so die Ge-           hin und wieder einen Elek­troverteiler
wächshausvegetation bereichern.             mit seiner Baumbehausung. Seine Zu-            Grünspecht (s. S. 25). Ein Großteil davon
                                            gehörigkeit zur Ordnung der Nagetiere          brütet auch hier. Höhlenbrüter – also
Baumbewohner mit Fell oder Federn           ist dann, sehr zum Leidwesen unserer           Vögel, die ihre Jungen in Baumhöhlen
Das Eichhörnchen ist nur einer von          Betriebselek­triker, nicht zu übersehen.       großziehen – finden außer in natür­
­vielen im Wilhelma-Park siedelnden, hei-      Aber nicht nur für baumbewohnende           lichen Höhlen der vielen alten Bäume
 mischen Baumbewohnern. Die meisten         Säugetiere stellen die Wilhelma, der           auch in zahlreichen Nistkästen geeig-
 lebten ursprünglich im Wald, haben sich    benachbarte ­Rosensteinpark und der            nete Brutplätze. Erwähnenswert ist vor

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titelthema

                                           Nutznießer im Zoo: Die heimischen Vögel im Park finden hier nicht nur Futter, sondern auch weiches
                                           Nistmaterial – wie diese Krähe, die gerade einige Mähnenwolfhaare ergattert hat (o.).

                                           Weißstörchen gefällt es in der Wilhelma so gut, dass meist ein Paar fest einzieht und auch überwintert (u.).

allem die Hohltaube, deren Anwesenheit        Wildforschungsstelle Baden-Württem-                  abnehmen, ist ihr Bestand, von gele-
oft nur dank ihrer dumpfen, zweisilbigen      berg erfasst. Wir wissen daher recht ge-             gentlichen, witterungsabhängigen Ein-
Rufe auffällt. Obgleich ein klassischer       nau, dass hier etwa fünfmal so viele Hasen           brüchen abgesehen, in der Wilhelma
Waldvogel, erreicht sie in der Wilhelma       durch die Anlagen hoppeln wie in den                 weitgehend stabil.
und den angrenzenden Parks mit über           Wald- und Feldrevieren im Ländle. War-
70 Paaren eine in Baden-Württemberg           um sie sich ausgerechnet in den stark                Gäste am gedeckten Tisch Was den
einmalige Dichte.                             besuchten Anlagen so wohlfühlen? Darü-               Zoologisch-Botanischen Garten für viele
                                              ber kann man nur spekulieren. Während                Wildtiere natürlich ebenfalls sehr attrak-
Tiere aus Feldern und Wiesen Zu Wald-         auf den intensiv genutzten „Agrarstep-               tiv macht, ist ihr stets reich gedeckter
bewohnern gesellen sich Arten, die man        pen“ kaum mehr Deckung und Nahrung                   Tisch. Ein gutes Beispiel: die Seelöwen-
normalerweise nur aus der freien Kultur-      für Wildtiere übrig bleibt, bewahrt die              fütterung. Hier warten nicht nur See­
landschaft kennt. Zum Beispiel der Feld-      extensive Bewirtschaftung der Wiesen im              löwenbulle Unesco und Co. auf den Tier-
hase, dessen Spuren auf der großen            Rosensteinpark einen wertvollen Lebens-              pfleger mit dem Eimer voller Fisch. Auch
Rasenfläche zwischen Linden­allee und         raum mit artenreichen Nahrungspflan-                 bis zu 25 Graureiher stehen Spalier und
Wintergarten häufig zu finden sind.           zen auf ungestörten Rückzugsflächen.                 versuchen, einen Leckerbissen zu er-
Denn mitten im Stadtgebiet hat sich              Auch manche Vögel, die man eher                   gattern. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei
ein beachtlicher Hasenbestand etabliert.      auf einem Bauernhof vermuten würde,                  den Pinguin- und Pelikanfütterungen.
Wohl gemerkt: Der Feldhase, nicht etwa        bevölkern vor allem im Sommer den                    Waren Graureiher in Deutschland in
das kleinere Wildkaninchen, ist hier          Luftraum über der Wilhelma, etwa die                 den 1970er-Jahren fast ausgestorben, ha-
mit einem landesweiten Rekordbestand          Rauchschwalben. Sie jagen über den                   ben sich ihre Bestände wieder gut erholt.
von ca. 100 Hasen auf 100 Hektar vertre-      Tiergehegen, Grün- und Wasserflächen                 In der Lindenallee beziehen die Schreit­
ten. Im Frühjahr und im Herbst werden         nach Insekten und ziehen ihre Jungen                 vögel mittlerweile stets um die 40 Nester.
die Bestände von Meister Lampe durch          in den Stallungen der großen Huftiere                Schon im Winter ist hier ein reges Treiben
nächtliche Scheinwerferzählungen beim         auf. Während die Bestände dieser Zug-                zu beobachten. Laut krächzend vertei-
sogenannten „Niederwildzensus“ der            vögel in vielen Regionen Deutschlands                digen Reiherpaare ihre Nester gegen-

                                                                                                                                                  11
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         über Artgenossen und beginnen früh                                                           und man seine nadelspitzen Zähnchen
       im Jahr mit dem Brutgeschäft. Sobald die                           Geht gern ins Wilhelma-     mit der Lupe suchen muss, gehört er
       Linden voll belaubt sind, ist von den                              Restaurant und isst mit:    wie Wolf und Bär zu den Landraub­tieren
       Nestern nichts mehr zu sehen. Dann                                       der Haussperling.     und ist als deren kleinster Vertreter ein
       hört man nur noch das Betteln der Jung-                                                        sehr erfolgreicher Jäger.
       vögel, und die Besucher auf dem Weg                                                               Andere Wildtiere bevorzugen eine an-
       darunter laufen Gefahr, weiße Kotspritzer                                                      dere Form der „Jagd“ und haben sich auf
       abzubekommen.                                                                                  der Suche nach Leckerbissen gleich auf
                                                                                                      das Wilhelma-Restaurant spezialisiert –
       Ungebetene Stammgäste In jedem Zoo                                                             schließlich fällt hier immer etwas ab. Vor
       gibt es nicht zuletzt eher unerwünschte                                                        allem die frechen Haussperlinge lauern
       „Untermieter“, die sich vor allem an                                                           an den Tischen, an denen Besucher in
       Futterresten und Abfällen gütlich tun.                                                         Ruhe ihre Pommes essen möchten, auf
       Die Rede ist vor allem von den häufig                                                          jeden herabfallenden Krümel. Während
       in der Wilhelma vorkommenden Haus-,                                                            der Bestand der Sperlinge, einer Unter-
       Rötel- und Gelbhalsmäusen, die auf der                                                         familie der Webervögel, insgesamt zu-
       steten Suche nach Nahrung in und um                                                            rückgeht, bilden sie in der Wilhelma eine
       die Tiergehege huschen. „Fressen und                                                           der größten und stabilsten Populationen
       gefressen werden“, heißt es bekanntlich                                                        der Region.
       im Tierreich. Also sind auch die Fress-                                                           Dass so viele bepelzte und gefiederte
       feinde der Mäuse nicht weit und jagen                                                          Wildtiere in der Wilhelma ein einmaliges
       im Park „in Wechselschicht“: Der weiß-                                                         Refugium finden, ist jedoch kein Wunder.
       kehlige Stein- oder Hausmarder pirscht                                                         Ihre Lage inmitten der Stuttgarter Grün-
       nachts durch Lagerräume und Heubüh-                                                            anlagen macht sie ökologisch besonders
       nen, das vorwiegend tagaktive Mauswie-                                                         wertvoll: als tierischer Lebensraum, im
       sel folgt den Mäusen bis in ihre unterir-                                                      Dienste des Klimas und nicht zuletzt als
       dischen Nester. Auch wenn der schlanke                                                         Smog gebeutelte Stadtbevölkerung.
       Minimarder in jedes Mauseloch passt                                                                      Thomas Seitz, Florian Pointke

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titelthema

                                            Die wilde Pflanzenwelt der Wilhelma

                             Grüne Zeitzeugen
                     Sie sind oft unscheinbar und fallen den Besuchern selten ins Auge.
                   Und doch waren sie schon viel früher da als die in der Titelgeschichte
                    bisher v­orgestellten Wildtiere. Die Rede ist von Pflanzen, die nicht in
                  Beeten und Rabatten, sondern wild und unerkannt im Gelände wachsen.

                                                                                               s
                                                                                      lättrige
                                                                              Schmalb       it
                                                                                       ut m
                                                                              Greiskra
             h e n de r                                                               Blüten
  Weiß blü                                                                     gelben
       a u c h
  Bärl

                                                nwur z
                               Zwiebel-Zah
                                 it lil a Br ut knöllchen                                                                   Lila Lerchens
                               m                                                                                                            porn

S
         anft schlängelt sich der Neckar        in herrlichem Weiß und Violett. Beides        Transportwege, eingeschleppt oder ge-
         durch einen grünen Auwald              sind typische Bewohner der Hartholz­          zielt angesiedelt wurden. Nun könnte
         und sucht sich ungebändigt             auen, die sich hier einst ausdehnten.         man meinen, dass dies für einen botani-
         sein Bett. Darüber erstrecken          Und wo heute Mammutbäume ihre                 schen Garten nichts Besonderes ist. Doch
sich von Eschen bewachsene Hänge,               Wipfel in den Himmel strecken, wächst         gibt es hier auch Pflanzen, die gar nicht
durchströmt vom intensiven Knoblauch-           die Zwiebel-Zahnwurz, ein unschein­           gern gesehen sind – wie das Schmalblätt-
geruch des Bärlauchs. Auf den trockenen         bares Kraut, das seit Urzeiten an das         rige Greiskraut. Dieses gelb blühende
Hochflächen wachsen charakteristische           Leben in lichtarmen Hallenbuchen­             Gewächs wurde im 19. Jahrhundert erst-
Hallenbuchenwälder, in welchen nur sel-         wäldern angepasst ist.                        mals in Deutschland nachgewiesen, sei-
ten ein Sonnenstrahl den Waldboden                 Bärlauch, Hohler Lerchensporn und          ne Samen wanderten in importierter
erreicht. Entsprechend spärlich ist die         Zwiebel-Zahnwurz sind nur drei von mitt-      Schafswolle aus Südafrika ein. Aber erst
Vegetation, die sich hier halten kann.          lerweile über 250 in der Wilhelma nach-       seit den 1970er-Jahren verbreitet es sich
   So muss man sich die Landschaft am           gewiesenen Wildpflanzenarten, darunter        rasant in Mitteleuropa, vor allem ent-
Neckar lange vor Gründung der Wilhelma          sogar eine Orchideenart: das unschein-        lang von Straßen und Schienen. In der
vorstellen. Und diesen Blick in die Ver-        bare Zweiblatt. Der Fachbereich Botanik       Wilhelma wurde das Kraut 2010 das erste
gangenheit, als an Herzöge und Könige           führt gemeinsam mit Mitarbeitern der          Mal gesichtet. Damals galt es in Stuttgart
noch niemand dachte, gewähren uns               Universität Hohenheim akribisch Buch          noch als Seltenheit, heute sprießt es an
die Pflanzen, die den Wandel der Zeiten         über diese Pflanzen und listet sie in der     vielen Orten im Park. Da seine Inhalts-
überdauert haben.                               sogenannten Florula Wilhelmae. Und die        stoffe aber für viele Tierarten giftig sind,
   Als stummer Zeuge verströmt etwa             ist längst nicht abgeschlossen, immer         wird dieser Neubürger von den Gärt-
noch heute jedes Frühjahr der Bär-              ­wieder werden neue Pflanzen gefunden.        nern besonders im Auge behalten. Aus
lauch seinen Geruch und begrüßt den              Darunter Neubürger, die seit Kolumbus’       der Florula Wilhelmae wird er aber sicher
Wilhelma-Besucher bereits am Parkhaus.           Zeiten aus ihrer ursprünglichen Hei-         nicht mehr verschwinden.
Daneben blüht der Hohle Lerchensporn             mat per Schiff, heute auch über andere                                 Florian Pointke

                                                                                                                                        13
kinde
       magazinr-

Wie sich Vögel für
die Balz rüsten

                                                         V
Jedes Jahr, pünktlich zum Frühjahrsanfang,                         ögel zwitschern nicht einfach nur so vor sich hin. Im
haben die heimischen Vogelmännchen ihr                             Gegenteil. Mit ihren Melodien und Strophen verfolgen
                                                                   sie zwei Ziele. Sie sagen damit: Ich bin hier – das ist
schönstes Federkleid angelegt und singen
                                                                   mein Revier! Und sie locken damit Weibchen an: Wer
nun um die Wette. Doch warum machen sie                  eine kräftige Stimme vorweisen kann, hat die besten Karten.
das? Genau, weil Balzzeit ist. Vogelmännchen             Für die gefiederten Sänger ist das Zwitschern, Trillern, Pfeifen
wollen die Weibchen beeindrucken, um mit                 und Flöten also wichtiger Teil ihrer Verständigung unterein-
­ihnen eine Familie zu gründen. Dafür zeigen             ander. Wer genau hinhört, der bemerkt, dass Vögel je nach Art
                                                         ganz verschieden klingen und sogar nach einem bestimmten
 sie sich von ihrer besten Seite.                        Zeitplan singen. Der Hausrotschwanz zum Beispiel beginnt
                                                         60 bis 90 Minuten vor Sonnenaufgang mit seinem Konzert.
                                                         Etwas ruhiger lässt es der Star angehen. Er stimmt seine Lieder
                                                         erst mehrere Stunden nach Sonnenaufgang an. Der Grund:
                                                         Die Vogelmännchen wollen mit ihrem Gesang nicht in der
     tipp                                                Menge untergehen. Es ist also nicht schlimm, wenn ihr den
                                                         Vogelgesang morgens mal verschlaft. Singdrossel, Amsel und

     Vogelstimmen                                        Rotkehlchen singen auch abends − und die Nachtigall trällert
                                                         sogar in der Nacht.
                                                            Vogelmännchen nutzen außerdem ihr buntes Federkleid,

     richtig erraten                                     um Weibchen auf sich aufmerksam zu machen. Ein Beispiel
                                                         ist die Stockente. Der Erpel, also das Männchen, trägt sein
                                                         Prachtkleid fast das ganze Jahr über. Der grünmetallische
     Wenn ihr wissen wollt, wie sich der Gesang von      Kopf, der gelbe Schnabel und der weiße Hals machen ihn
     ­Amsel, Nachtigall, Singdrossel und Co. anhört,     unverwechselbar. Im Juli und August tauscht er diesen Feder-
      dann schaut doch mal auf der Webseite www.lbv.de   schmuck aber gegen ein sogenanntes Schlichtkleid. Dieser
      vorbei. Unter der Rubrik „Aktiv werden“, „Stunde   Vorgang wird „Mauser“ genannt. Der Erpel sieht dann dem
      der Gartenvögel“ könnt ihr euch die Stimmen der    Weibchen, der Ente, sehr ähnlich. Bis auf den gelbgrünen
      30 häufigsten Gartenvögel anhören. Dann erkennt    Schnabel ist er nun ebenfalls braun gefiedert. Dank dieser
      ihr anschließend auch die Vögel, die in euren      unscheinbaren Gefiederfärbung ist die Ente beim Brüten gut
      oder Nachbars Garten eingezogen sind und dort      getarnt. Die meisten Vögel, wie Meisen, Sperlinge und Co.
      mit ihrem Gesang den richtigen Partner suchen.     bleiben nur für eine Brutsaison zusammen und suchen im
                                                         nächsten Jahr einen neuen Partner. Andere, wie zum Beispiel
                                                         Graugänse, bleiben einander ihr Leben lang treu.

14
Pflanzen mit seltsamen Namen

                                           Die Menschenfressertomate
                                           Sie ist rot, rund und sieht aus wie eine   Angst! Heute erinnert nur noch der
                                           ganz normale Tomate. Und das ist sie       Name an diese Zeiten. Auf den Fidschi-
                                           eigentlich auch, obwohl sie den gruse-     Inseln leben ja keine Menschenfresser
                                           ligen Namen „Menschenfressertomate“        mehr (und auf dem Bild links seht ihr
                                           erhielt. Aber warum heißt sie so? Der      natürlich auch keinen, sondern einen
                                           Grund: Vor vielen Jahren lebten auf        netten Wilhelma-Gärtner). Geblieben
                                           den Fidschi-Inseln Menschenfresser,        ist nur der etwas seltsame Name. Die
                                           auch Kannibalen genannt. Angeblich         Tomate selbst schmeckt roh übrigens
                                           haben sie die Tomate zusammen mit          ziemlich bitter. Nur gekocht ist sie
                                           Menschenfleisch gegessen, um dieses        lecker. Und die grünen Blätter eignen
                                           besser verdaulich zu machen. Aber keine    sich gut für einen Salat.

Rekorde im Tierreich

Die besten tierischen Sänger
Es gibt Trommler, geniale Nachahmer und richtige Krachmacher. In der Vogelwelt
tummeln sich viele kleine Stars. Mit ihren Melodien beeindrucken sie ihre Zuhörer
immer wieder – und jeder auf ganz eigene Art.

                           Der Schilfrohrsänger                                        Mit regelrechten Trommelwirbeln
                         singt die kompliziertes-                                       versuchen Spechte, die Weibchen
                       ten und längsten Lieder.                                         zu beeindrucken. Ihr Klopfen hat
                     Dabei kombiniert er ver-                                           manchmal also nichts mit der
                     schiedene Strophen im-                                            Suche nach Nahrung in morschen
                     mer wieder neu. Jedes sei-                                        Baumstämmen zu tun.
                      ner Lieder ist also anders.

                                                                                             Der Kuhstärling kann insge-
Der Sumpfrohrsänger zählt zu den Zug­vögeln.                                                 samt 40 verschiedene Laute
Der kleine Globet­rotter brütet in Europa und                                                erzeugen. Aber einige davon
überwintert in Afrika. Und hier wie dort baut                                                sind so hoch, dass wir sie gar
er gerne die Gesänge anderer Vögel in seine                                                  nicht hören können.
Strophen ein. Kein Wunder also, dass er sowohl
europäische als auch afrikanische Lieder singt.

                        Die Spottdrossel zählt zu            Die Nachtigall ist der wohl bekannteste Singvogel in Europa
                           den besonders lauten              und beherrscht sage und schreibe 120 bis 260 Strophen.
                            Sängern. Doch damit ist          Jede davon dauert zwischen zwei und vier Sekunden.
                            sie nicht die Einzige.
                            Der Rekordhalter unter
                           den Krachmachern ist der
                        ­Kakapo, ein Papageienvogel                                           Die Sing- und Pfeifschwäne
                      (Bild links). Seine dumpfen                                                singen am liebsten im
                       Rufe sind sogar in sechs Kilo-                                               Duett – und zeigen
                          metern Entfernung noch                                                    damit, dass sie zusam-
                           zu hören.                                                                mengehören.

                                                                                                                              15
kind
                                                                                                                      mag er-
                   4
                                                         Preisrätsel
                                                                                                                          azin

                                                  3
                                                                                                                 1

          1                                                                                                      2

                                 2                                                                               3

                                                                                                                  4

Was hüpft denn da?
So ein seltsames Lebewesen habt ihr noch nie gesehen? Stimmt.                     Unter allen Einsendern verlosen wir
Das gibt es nur in der Fantasie. Aber sicher habt ihr erkannt,                    fünf Wilhelma-Jahreskarten für Kinder und
aus welchen vier Tieren es zusammengesetzt ist. Tragt diese in                    Jugendliche. Einsendeschluss ist der
die Kästchen oben ein, und ihr erhaltet das Lösungswort –                         16. Mai 2014.
­ebenfalls ein Tier. Ein Tipp: Es gehört zu den Zaungästen der
 „wilden Wilhelma“ (ab S. 8). Viel Spaß beim Rätseln!                             Auflösung Preisrätsel aus
                                                                                  Wilhelma magazin 3/2013
Schreibe die Lösung mit deinem Namen, deinem Alter und deiner                     Die Lösung lautete: Eiskalt
Adresse auf eine Postkarte und schicke sie an:                                    Jeweils eine Wilhelma-Jahreskarte für Kinder
                                                                                  und Jugendliche haben gewonnen: C. Beier,
SIGNUM communication GmbH; Stichwort „Wilhelma magazin“;                          J. Schwab, M. Weidl, T. Thiele und B. Högl.
Lange Rötterstraße 11; 68167 Mannheim                                             Herzlichen Glückwunsch!

     Tierpatin ulrike

     Ulrike und ihr
     kleines „Wollknäuel“
     Seit Juni vergangenen Jahres ist Ulrike Tierpatin
     einer Zwergwachtel. So oft sie kann, besucht sie ihren
     gefiederten Schützling in der Wilhelma.

     Die erste Begegnung mit den Zwerg-         eine Stunde standen
     wachteln wird Ulrike so schnell nicht      meine Mutter und ich
     vergessen. Bei diesen kleinsten Hüh-       vor dem Gehege und ha-
     nervögeln der Welt waren gerade            ben sie beobachtet.“ Zum
     mehrere der anfangs nur hummel-            Geburtstag bekam die
     großen Küken geschlüpft. Und die           Neuntklässlerin dann
     flitzten wie von der Tarantel gesto-       eine Patenschaft für
     chen durch das Gehege. „Sie waren so       die Zwergwachteln
     putzig und sahen aus wie winzige Woll-     geschenkt. Dass die-
     knäuel. Da habe ich mich sofort in sie     se gerne Mehlwürmer                                                       chteln
                                                                                                Ulr ike besucht „ihre“ Wa
     verliebt“, sagt die 14-Jährige. Weil die   essen, weiß Ulrike                              im Kle  ins äug erh aus .
     Beinchen der Küken fast ganz unter         ganz genau, schließ-
     dem dichten Dunenkleid verschwan-          lich durfte sie einen der kleinen Vögel   Selbst hat die Gymnasiastin kein Haus-
     den, sah es für die Schülerin im ersten    am Wilhelma-Tag damit füttern. „Be-       tier. Dafür fehlt ihr die Zeit. Umso
     Moment so aus, als würden die Zwerg-       sonders gut gefällt mir an der Paten-     stolzer ist sie, Patin einer Zwergwach-
     wachteln durch die Luft schweben.          schaft, dass ich meinen ganz eigenen      tel zu sein. Und das kann ja nicht
     „Das war vielleicht ein Anblick! Über      Beitrag für die Tiere leisten kann.“      jeder von sich behaupten.

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Wilhelma Live

Die Vanuatu-Strahlenpalme

Ein Hauch
von Südsee
Wissenschaftlicher Name:
Licuala grandis H. Wendl.

Systematik: Die Gattung Licuala
umfasst etwa 200 Arten.

Verbreitung: Tieflandregenwälder
Vanuatus, Südsee

Beschreibung: Sehr dekorative, klein-
wüchsige Fächerpalme, die mit ihrem
bis 3 m hohen, schlanken Stamm und
den großen, leuchtend dunkelgrünen,
gefalteten Blättern dem Bild einer typi-
schen Südseepalme entspricht. Ideal
als Zimmerpflanze, da pflegeleicht und
sehr langsam wachsend.

 Entdeckungsgeschichte: Zwischen
 1840 und 1910 unternahmen sog.
 „Pflanzenjäger“ im Auftrag von Eng-
 lands berühmtester Gärtnerei Veitch
and Sons weltweit Expeditionen, um
neue Zimmerpflanzen zu entdecken.
­Einer von ihnen war John Gould Veitch,
der auch Samoa, Fidschi und die Inseln
                                              steckb
 von Vanuatu, damals „Neue Hybriden“
genannt, besuchte. Da die Inselbewohner              rief
 laut seinem Reisebericht so feindselig
 waren, betrat er nur eine Insel wirklich:
 Efate. Hier gelang es, den Häuptling
 ­gefangen zu nehmen und vier Stunden
  als Geisel an Bord des Expeditions­
  schiffes festzuhalten. Derweil konnte
  John Gould Veitch Samen sammeln,
  ­wobei er wohl auch die Vanuatu-Strahlen-
   palme entdeckte, Samen erntete und
   nach England schickte. 1874 bot die
   Gärtnerei die Palme erstmals in ihrem
   Katalog an. Schnell wurde sie zur be-
   liebten Zimmerpflanze und gehört heute
   zu den am meisten verkauften Palmen.
   Ihre Markteinführung hat John Gould
   Veitch nicht mehr erlebt. Er starb 1870
   mit 31 Jahren an Tuberkulose.

Standort in der Wilhelma: Die Vanuatu-
Strahlenpalme wächst in der Aquarien-
landschaft gegenüber dem Aquarien-
haus-Ausgang. Alle hier gezeigten
Arten stammen von den Südseeinseln
von Vanuatu.
                     Dr. Björn Schäfer

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Wilhelma Live

Der neue Kopf der Wilhelma, Dr. Thomas Kölpin

„Eine große Stärke der
 Wilhelma ist ihre Vielfalt“
Seit 1. Januar 2014 leitet er den Wilhelma-Betrieb: der gebürtige Hamburger Thomas Kölpin.
­Zuvor war der promovierte Biologe über viereinhalb Jahre Chef des Thüringer Zooparks in Erfurt,
 seine Zookarriere startete der Reptilienkenner als Kurator in seiner Geburtsstadt Hamburg im
 Tierpark Hagenbeck. Das erste Jahr in Stuttgart will er nun die Wilhelma intensiv kennenlernen
 und einen „Masterplan“ für die nächsten 20 Jahre erarbeiten. Ein Gespräch über die Begeisterung
 für Tiere, Besuchererwartungen und die Stärken der Wilhelma.

Herr Dr. Kölpin: Wie viele Zoologen haben Sie schon als Kind      Und wie haben Sie als Kind Zoos erlebt?
begeistert Käfer, Spinnen und andere Lebewesen gesammelt,         Ich war, wie die meisten Kinder, total begeistert. Etwa, als ich
richtig? (Er nickt.) Was fasziniert Sie an Tieren so?             während der ersten Besuche im Tierpark Hagenbeck Elefanten
Das sind Emotionen, die sind schwierig in Worte zu fassen.        von Nahem sah. Ich habe mich auch früh für Tierbücher und
Beeindruckend ist, wie gut jedes Tier an seinen Lebensraum        -filme interessiert – aber der Zoobesuch war doch etwas anderes.
angepasst ist. Aber wir Menschen betrachten sie oft von oben
herab – und uns selbst als Krone der Schöpfung. Auch wir          Bei dieser Begeisterung ist es geblieben?
sind gut angepasst, aber nicht besser als eine Schildkröte oder   Als Jugendlicher hatte ich durchaus eine sehr kritische Phase
Fledermaus. Das ist für mich das Faszinierendste: wie perfekt     Zoos gegenüber und habe die teils suboptimale Unterbrin-
jedes Lebewesen doch ist.                                         gung angeprangert. Später erkannte ich, dass man gerade von

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Wilhelma Live

innen einiges verbessern kann, zumal es seit den 1990ern             Manche Zoos definieren sich als Erlebnisparks mit Shows und
riesige Fortschritte in der Tierhaltung gab. Und heute steht         Abenteuerflussfahrten. Würde das auch zur Wilhelma passen?
auch das Staunen und Wundern wieder im Vordergrund,                  Das Grundkonzept der Wilhelma fußt auf einem schönen,
wobei man eine gesunde Selbstkritik beibehalten sollte.              historischen Park, in den Botanik und Zoologie eingebettet
                                                                     sind. Es ist bereits genial, und die hohen Besucherzahlen zeigen,
Ihr neues Wirkungsfeld ist nicht nur Zoo, sondern auch botani-       dass es funktioniert. Einige Zoos, die weniger gut liefen, haben
scher Garten. Welchen Bezug haben Sie als Zoologe zu Pflanzen?       sich neu erfunden und funktionieren jetzt auch. Aber jeder Zoo
Naturgemäß einen etwas geringeren als zu Tieren, schon weil          ist anders. Und warum soll man etwas neu erfinden, das gut
diese ein anderes Feedback geben können. Aber vielleicht wer-        ist, das man nur fortzuführen und weiterzuentwickeln braucht?
den Pflanzen ja unterschätzt. Ihre Leistungen sind ja oft noch       Aber auch das kostet Geld. Neue Ideen für zusätzliche Einnah-
unglaublicher als die von Tieren, erst sie ermöglichen zudem         mequellen wie Veranstaltungen sind daher sinnvoll und wichtig.
tierisches und menschliches Leben. Letztlich bin ich vor allem       Aber sie müssen zu Stil und Flair der Wilhelma passen.
Naturliebhaber, mag Landschaften, und darin spielen Pflanzen
die Hauptrolle. Und mein Lieblingsplatz in der Wilhelma ist          Welche anderen wesentlichen Aufgaben wollen Sie anpacken?
der Mammutwald – da sind gar keine Tiere. Aber dieser schöne         Wir müssen den Artenschutz weiter in den Vordergrund
Ort gefiel mir schon beim ersten Besuch der Wilhelma sehr.           stellen und unsere Aktivitäten mit Freilandprojekten stärker
                                                                     vernetzen. Hier haben wir, wie die meisten Zoos, noch Ent-
Waren Sie als Kind schon einmal hier?                                wicklungsbedarf.
Nein. Beim ersten Mal war ich bereits erwachsen und auf                                                           Karin Herczog
einer Zoo-Tour im süddeutschen Raum. Da stand die Wilhelma
natürlich ganz oben auf der Liste.

Was gefiel Ihnen damals, was nicht?
Die Kombination aus Zoologie und Botanik fiel mir damals                                 Die Fortsetzung des Interviews mit Dr. Thomas
schon sehr positiv auf. Aber wie überall gab es Licht und                                Kölpin mit weiteren Antworten zu Aufgaben
Schatten: sehr schöne Bereiche und solche, die damals bereits                            und Zielen der Wilhelma und der Zoos lesen
in die Jahre gekommen waren.                                                             Sie unter www.wilhelma.de/interview

Hat sich die Wilhelma seither sehr verändert?
Definitiv. Zum Beispiel fehlten damals noch Flaggschiffe wie das
                                                                     Anzeige
Amazonienhaus, das Zoologie und Botanik ideal verbindet. Aber
auch die Tierhaltung zu verbessern ist ein ständiger Prozess,
zumal unser Wissen über Tiere und Tiergartenbiologie stetig
wächst. Dabei ist manches Gehege für ein Tier schon brillant,
obwohl Besucher es oft anders sehen. Ein gutes Beispiel dafür
ist unser Gibbon-Gehege. Es ist dank Höhe und Klettermöglich-
keiten für die Tiere einfach toll, der Wald fehlt ihnen nicht. Der
Besucher würde trotzdem lieber einen schön bepflanzten Ur-
wald und keinen Betonbau mit Gerüsten sehen. Wobei er dann
eventuell das Tier nicht mehr sieht … Hier müssen wir die
Bedürfnisse der Tiere und der Besucher in Einklang bringen.

Die Wilhelma gilt als zweitartenreichster Zoo Deutschlands.
Wie ist sie botanisch aufgestellt?
Sehr stark. Unglaublich, welche botanischen Raritäten, Schät-
ze und welche Artenvielfalt wir hier haben, die ja hinter den
Kulissen noch weiter geht. Nur braucht man sicher auch viel
mehr Zeit, diese Kostbarkeiten wahrzunehmen und zu begrei-
fen, als bei Tieren – vielleicht mit Ausnahme des Aquariums.
Aber allein das Durchlaufen der Gewächshäuser und das
Auf-sich-wirken-Lassen der Vielfalt ist ja ein riesiges Erlebnis,
egal in welcher Jahreszeit.

Was sehen Sie als Ihre Hauptaufgabe als Leiter der Wilhelma?
Die weitere Modernisierung. Es gilt, eine Vision für die kom-
menden Jahre zu entwickeln und diese dann umzusetzen.

Was sollte unbedingt erhalten, was weiterentwickelt werden?
Das Flair der Wilhelma mit ihrem Maurischen Garten und
den alten Gebäuden muss unbedingt erhalten bleiben. Der
Park darf nie so zugebaut werden, dass dieses Flair verloren
geht. Und die Kombination aus Zoologie und Botanik gilt
es, in weiteren Tier-Pflanzen-Häusern zu stärken: Wo Tiere
zu sehen sind, sollten auch Pflanzen aus den entsprechenden
Lebensräumen gezeigt werden.

                                                                                                                                   19
Wilhelma Live

Wurde bereits vor einigen Jahren
saniert: der von Wölfen attackierte
Hirsch unterhalb des Belvedere.

Tierplastiken in der Wilhelma

Von Bären und Hirschen
ganz anderer Art
Die ersten nachgewiesenen „Tiere“ finden sich seit über 150 Jahren in der Wilhelma.
Doch bevor sich Wilhelma-Kenner nun wundern: Gemeint sind die großen Tierstatuen,
die einige markante Stellen des historischen Bereichs zieren – und dort als reglose
Kunstwerke aus Königs Zeiten wohl leider oft übersehen werden.

S
         eit November 2013 fiel manchem Wilhelma-Besucher          ein graues Wildschwein, was dieses ungerührt über sich erge-
         auf den Subtropenterrassen ein eigenartiges Holzhaus      hen lässt. Kein Wunder: Die Wildsau ist wie die Hunde, die sie
         auf Stelzen ins Auge – zuerst stand es rechts, später     soeben anfallen, aus Zinkguss, Hauptelement einer rund eine
         links. Was sich im Inneren abspielte, blieb verborgen.    Tonne schweren Plastik und steht schon seit 1853 in der
Martina Fischer dagegen weiß genau, was in „ihrer Datscha in       Wilhelma. „Ungefähr einen Monat Arbeit kostet es zu zweit,
der Wilhelma,“ wie sie das Haus scherzhaft nennt, vor sich geht,   eine dieser alten Plastiken samt eiserner Unterkonstruktion
denn die erfahrene Restauratorin und ihre Praktikantin Susanne     so zu reinigen und zu behandeln, dass sie vor Wind und W ­ etter
Kulzer arbeiten darin. Mit geübten Strichen bürsten sie soeben     wieder besser geschützt ist“, erklärt Martina Fischer. „Und die

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wilhelma live

                                                                                             Warm und trocken muss es bei der Sanierung
                                                                                             sein: Deshalb wird für deren Dauer ein Holzhaus
                                                                                             rund um die Skulpturen gebaut.

            Frisch geschrubbt: Restauratorin Martina Fischer (r.) und Praktikantin
            Susanne Kulzer (l.) legen letzte Hand bei der „runderneuerten“ Wildsau an.

           beheizbare Einhausung ist notwendig, damit wir                 torin seinen naturalistischen Arbeiten, die regional Bedeutung
           die Figuren witterungsunabhängig mithilfe von                  erlangten. Auch die insgesamt zehn Tierplastiken in der
           Öl und Wachs konservieren können. Wir restau-                  Wilhelma hat er geschaffen, von denen allerdings eine seit
           rieren sie also nicht im eigentlichen Sinn. Das                dem Zweiten Weltkrieg verschollen ist.
           heißt: Was eine Weltkriegsbombe weggerissen
           und zerstört hat, stellen wir nicht wieder her –               Tierbildnisse beim Maurischen Landhaus Die Tiergruppen
           zumal keine detailgenaue historische Vorlage                   aus Zinkguss sind die größten dieser Plastiken, sechs etwas
mehr dafür existiert. Auch früher übliche einfarbige oder                 kleinere stehen im Maurischen Garten und wurden aus
bronzeartige Anstriche werden nicht erneuert.“                            Carrara-Marmor herausgearbeitet. Vier davon aus den Jahren
                                                                          1856/1857 gruppieren sich symmetrisch und wohl platziert
Zeitzeugen der Königs- und Kriegszeit Auf diese Weise blei-               um den Seerosenteich – passend zur insgesamt symmetri-
ben die Plastiken so originalgetreu wie möglich erhalten und              schen Anlage des Gartens. Auch sie stellen jeweils keine
stehen damit für die Zeit König Wilhelms I., in der sie ent-              Tier­idylle dar, sondern zeigen den Überlebenskampf in der
standen sind, ebenso wie für die Zerstörungswut des Krieges.              Natur: Hier ringt ein Panther mit einer Riesenschlange, dort
Das Bildnis „Sauhatz mit drei Hunden“ hat die Druckwelle                  beugt sich eine Hyäne über ein gerissenes Schafböckchen,
einer Bombe dabei etwas besser überstanden als ihr Nachbar                hier posiert ein Löwe mit drohender Gebärde, dort fliehen
auf der anderen Seite der Treppe: ein Bär. Diesem setzt eben-             zwei zierliche Gazellen.
falls eine dreiköpfige Hundemeute zu, aber eine Bombe war                    Die zwei letzten der erwähnten neun Plastiken schließlich
es, die ihm die gesamte Körpermitte weggerissen hat. Auch                 zieren heute die Mittelachse des Gartens unterhalb des Mau-
diese wird jedoch nicht ersetzt. Lediglich kleinere Löcher, in            rischen Landhauses – vor 1945 flankierten sie das Festsaal-
die Regen eindringen kann, werden geschlossen – mit einer                 gebäude, das aber im Zweiten Weltkrieg großteils zerstört
„Polyester-Spachtelmasse, ähnlich derjenigen, die auch bei                wurde. Eines der beiden Kunstwerke aus Marmor zeigt einen
Autoreparaturen genutzt wird, vermischt mit Zinkstaub“, wie               Stier, der von einem Löwen angegriffen wird, das andere
Martina Fischer verrät. Beide Plastiken entstanden 1853,                  einen Panther oder eine Löwin, die sich in den Rücken einer
flankieren die zentrale Treppenanlage der oberen Subtropen-               Gazelle verbeißt – die erste Tierplastik, die Güldenstein 1848
terrasse und bilden zusammen mit der dritten Plastik – „Wölfe             für die Wilhelma entwarf.
reißen einen Hirsch“ von 1852 – ein magisches Dreieck                        Doch welches der neun Werke man auch betrachtet: Jedes
unterhalb des Aussichtspavillons Belvedere.                               erzählt eine Geschichte, wie sie die Natur bis heute schreibt –
   Alle drei Figuren thronen auf Stützmauern, und jede stellt             von Leben und Tod, schön und grausam, spannend und erha-
eine tierische Jagdszene plastisch, ja drastisch dar. Entstan-            ben. Vielleicht also lohnt sich beim nächsten Wilhelma-Besuch
den sind sie durch Wilhelm Pelargus (1820 –1901) nach Ent-                doch ein genauerer Blick auf die historischen Kunstwerke.
würfen des Künstlers Albert Güldenstein (1822–1891), der                  Auch Martina Fischer, die Restauratorin, würde sich bestimmt
diese im Auftrag von König Wilhelm I. angefertigt hatte.                  über eine stärkere Beachtung ihrer Schützlinge freuen.
„Eine hohe bildhauerische Qualität“ attestiert die Restaura-                                          Karin HERCZOG, Micha Sonnenfroh

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wilhelma live

Der Greifstachler

Ein uriger, seltener Zoobewohner
Seit über zwei Jahren entzücken die Greifstachler im Jungtieraufzuchthaus die Besucher – sofern
diese unsere nachtaktiven Südamerikaner zu Gesicht bekommen. Denn die stachligen Nagetiere
mit der großen Knollennase verstecken sich tagsüber gerne in oder auf ihren Schlafboxen.
Ein guter Grund, sie einmal vorzustellen.

W
             er ganz früh oder aber spät bei unseren nacht­       stachler mit dem Futter beschäftigt sind, können die Pfleger
             aktiven Greifstachlern im Jungtieraufzuchthaus       in Ruhe mit ihnen trainieren und sie an Berührungen gewöh-
             vorbeischaut, hat die besten Chancen, unser hier     nen. Für den Umgang mit diesen stachligen Wesen ist es ein-
             lebendes Pärchen wach und aktiv zu erleben. Das      fach für beide Seiten stressfreier, wenn die Tiere zahm sind.
nutzen auch die Pfleger: Jeden Morgen gehen sie als Erstes        KD kam übrigens ursprünglich als Margerite aus Frankfurt zu
mit einer „Locknuss“ bewaffnet ins Gehege, um nach den            uns, und nur mit Geduld und besagtem Training ließ er sich
Tieren zu sehen. Besonders das Männchen – das die Pfleger         zu einer Untersuchung „überreden“. Und die offenbarte:
wegen seiner schwäbisch-forschen Art Klaus-Dieter oder kurz       Margerite ist ein Mann! Kein Wunder, dass er sich nicht mit
KD tauften – wartet sehr beharrlich auf sein Betthupferl: Bevor   unserem alten Männchen Herbie, der 2003 aus Buffalo an-
KD nicht eine Nuss oder ein Stück Knäckebrot bekommen hat,        reiste, verstanden hat. Herbie wohnt deshalb zurzeit als
weicht er den Pflegern nicht von der Seite. Während die Greif-    Single hinter den Kulissen. Da der mehrfache Vater aber

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wilhelma live

                                                               Wehrhafte Baumbewohner In freier Wildbahn sind Greif-
                                                               stachler Einzelgänger oder leben in kleinen Gruppen. Tags-
                                                               über ziehen sie sich gerne in Höhlen zurück, aus denen mit-
                                                               unter nur noch ihre dicken Knollennasen mit den langen
                                                               Tasthaaren hervorlugen. Mit ihren bis 45 Zentimeter langen
                                                               Greifschwänzen sind die baumbewohnenden Stachelschwein-
                                                               verwandten bestens für die Kletterei in luftigen Höhen gerüstet.
                                                               Fast ihr gesamter, 30 bis 60 Zentimeter langer Körper ist mit
                                                               kurzen, aber harten Stacheln übersät. Eine gute Waffe gegen
                                                               potenzielle Feinde! Da fällt es nicht schwer, zu glauben, dass
                                                               Greifstachler kaum Fressfeinde fürchten müssen. Lediglich
Mitbringsel machen müde Greifstachler munter:                  ein großer Greifvogel wie die Harpyie, Schlangen, Pumas und
Wenn es leckere Nüsse oder andere Leckerli gibt,               Jaguare können ihnen etwas anhaben. Greifstachler kommen
sind Esperanza und KD blitzwach.                               in weiten Teilen Südamerikas und allen Arten von Wäldern
                                                               vor. Auf der Suche nach Blättern, Blüten und Knospen fressen
                                                               sie sich auch durch Plantagen und machen sich so als „Schad-
                                                               nager“ unbeliebt: Weil ihr natürlicher Lebensraum schrumpft,
längst nicht „ausgedient“ hat, zumal Greifstachler bis zu      weichen sie eben in künstliche Wälder aus. Die Art selbst gilt
27 Jahre alt werden können, wird auch er über kurz oder lang   aber noch nicht als gefährdet.
wieder eine Zucht-Partnerin bekommen.                             Dafür sind Greifstachler in Zoos selten: Derzeit halten sie
   In der Nacht haben die Greifstachler dann viel Muße, die    in Deutschland nur der Frankfurter Zoo und die Wilhelma.
Futterverstecke zu plündern, welche die Tierpfleger tagsüber   Doch hoffen wir, dass sich unser Pärchen bald mehr als nur
für sie eingerichtet haben. Dort finden sie Gemüse – beliebt   gut versteht und für Nachwuchs sorgt. Dann würde Esperanza
sind ganze Maiskolben und Süßkartoffeln –, Sämereien,          nach etwa 200 Tagen Tragzeit voraussichtlich nur ein
Nageäste mit Laub, Obst sowie ab und an ein paar Nüsse. Es     Jungtier zur Welt bringen. Zu Beginn würde dieses noch
ist wichtig, neben einer Hauptmahlzeit im nagersicheren        weiche und mit roten Haaren bedeckte Stacheln tragen, die
Metallnapf weitere Futterplätze anzubieten: So bekommen        aber schnell fest und spitz werden. Und die sympathische
beide Tiere erstens genug von jeder Speise ab, und zweitens    Knollennase? Die ziert schon die jüngsten Greifstachler
sind sie – wie in der Natur – lange mit Suchen und Erkunden    naturgemäß von Anfang an.
beschäftigt.                                                                                                   Annika Krengel

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WILHELMA-RESTAURANT • RESTAURANT AM SCHAUBAUERNHOF • BISTRO BELVEDERE

Inmitten der auf- und anregenden Welt wilder Tiere und exotischer Pflanzen laden unsere
                             freundlich modernen Restaurants zu einer Pause ein -
                             zur Stärkung, Erfrischung oder einfach zum Genießen.
                                           Das Schuler-Gastronomie-Team
                                           freut sich, Sie in dieser spannenden
                                            Umgebung mit einer Vielfalt
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                                          verwöhnen zu können. Und weil
          Sc

                                       Kinderfreundlichkeit bei uns selbst-     Ein kleiner Fe
                                                                                               inschmecke
                                                                                       großem Hunge r mit
                                       verständlich ist, haben wir uns für den                        r

                                       Hunger unserer kleinen Gäste etwas Besonderes ausgedacht.
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natur im fokus

Vogel des Jahres 2014

Der Specht mit der Maske
Wenn man ihn fliegen sieht, wirkt er mit seinem leuchtend gelbgrünen Gefieder, der
feuerroten Kopfplatte und der schwarzen Gesichtsmaske wie ein Gast aus tropischen
Gefilden. Der Eindruck trügt jedoch: Der Grünspecht ist ein waschechter Europäer.

                                                                                         Ob auf dem Boden unterwegs oder am
                                                                                         Baumstamm hängend – mit seiner schwarz-
                                                                                         roten Kopfzeichnung ist der Grünspecht
                                                                                         eine auffallende Erscheinung.

V
         on den neun in Mitteleuropa heimischen Spechtarten      Holzhacker im sozialen Wohnungsbau Von seinen Ernäh-
         ist er nach dem allgegenwärtigen Buntspecht die         rungsgewohnheiten abgesehen, ist der Grünspecht aber ein
         zweithäufigste Art. Derzeit brüten zwischen 50.000      typischer Vertreter der Spechtfamilie. Schon im Spätwinter
         und 75.000 Grünspechtpaare in Deutschland. Die          bekundet das Männchen mit weit tragenden Rufreihen seinen
Bestandzahlen entwickelten sich in den letzten 20 Jahren dabei   Anspruch auf ein bis mehrere Hundert Hektar großes Brut-
deutlich nach oben: eine erfreuliche Ausnahme angesichts des     revier. Sobald es ihm gelungen ist, ein Weibchen von seinen
sonst durchweg negativen Trends bei anderen Vogelarten. Zu       Qualitäten zu überzeugen, wird in einem morschen Baum-
verdanken ist dies der Anpassungsfähigkeit des Grünspechts,      stamm in zwei bis zehn Metern Höhe eine Nisthöhle gezim-
die es ihm ermöglicht, auch in Lebensräumen aus zweiter          mert. Spätestens Anfang Mai legt das Weibchen fünf bis acht
Hand, wie Stadtparks, Wohngärten und Kleingartenanlagen,         schneeweiße, typische Höhlenbrütereier auf den mit einer
sein Auskommen zu finden.                                        dünnen Späne-Schicht bedeckten Höhlenboden. Ein Nest im
                                                                 eigentlichen Sinn wird nicht gebaut. Nach etwas mehr als drei
Deutschlands effektivste Klebefalle Zusammen mit seiner          Wochen schlüpfen die vollkommen nackten und blinden
Zwillingsart, dem Grauspecht, repräsentiert der Grünspecht       Jungspechte, die von beiden Elternteilen gefüttert werden
bei uns die Gruppe der sogenannten Erdspechte. Beide Arten       und nach spätestens vier Wochen das Nest verlassen. Danach
sind, im Gegensatz zu ihrer baumbewohnenden Verwandt-            gibt das Brutpaar die Nisthöhle auf – und zimmert vor der
schaft, auf Ameisennahrung spezialisiert, die fast ausschließ-   nächsten Brutsaison eine neue. Der Grünspecht ist damit
lich am Boden zu finden ist. Der Ameisenbau wird mit einigen     einer der wichtigsten „sozialen Wohnungsbauer“ für andere
kräftigen Schnabelhieben eröffnet. Anschließend sondiert die     Höhlenbrüter, wie etwa den Gartenrotschwanz, der Vogel des
mit zehn Zentimetern rekordverdächtig lange, tastempfindliche    Jahres 2012 gewesen ist.
und extrem klebrige Zunge des Spechts alle erreich­baren            Mehr über den Specht mit der Maske, sein interessantes
Gänge und Nestkammern. Erwachsene Ameisen, aber auch             Leben und warum er Vogel des Jahres 2014 wurde, erfahren
Larven und Puppen bleiben an der Zunge kleben, werden in         Sie u. a. auf der Webseite des NABU unter www.nabu.de
den Rachen transportiert und geschluckt.                                                            Dr. Günther Schleussner

                                                                                                                              25
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