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61. Jahrgang 2020, Sonderheft 2020 / Sonderheft ordens korrespondenz Zeitschrift für Fragen des Ordenslebens Sonderheft Die Kunst der Suche nach dem Angesicht Gottes Richtlinien für die Ausbildung in den kontemplativen Frauenorden ordenskorrespondenz Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens
Kongregation für die Institute geweihten Lebens und die Gesellschaften apostolischen Lebens Die Kunst der Suche nach dem Angesicht Gottes Richtlinien für die Ausbildung in den kontemplativen Frauenorden Dein Angesicht, Herr, will ich suchen. (Ps 27,8) Die Suche nach dem Angesicht Gottes durchzieht die Geschichte der Menschheit, die seit jeher zu einem Dialog der Liebe mit dem Schöpfer berufen ist. Mann und Frau haben in der Tat eine unauslöschliche religiöse Dimension, die ihr Herz auf die Suche nach dem Absoluten, nach Gott richtet. Die Dynamik der Suche zeigt, dass niemand sich selbst genügt. Sie drängt dazu, im Lichte des Glaubens einen Exodus aus dem egozentrischen Ich zu wagen, angezogen vom Angesicht des heiligen Gottes und gleichzeitig vom „heiligen Boden des anderen“, um eine tiefere Gemeinschaft zu erleben. (Franziskus, Vultum Dei quaerere, I, 1) 2
Inhalt Die Kunst der Suche nach dem Angesicht Gottes Kongregation für die Institute geweihten Lebens und die Gesellschaften apostolischen Lebens Anspruch der Ausbildung 7 Die Person im Ausbildungsprozess 8 Lebensnotwendige Entwicklung 8 Gewissensbildung 8 Bewusstsein der Jüngerschaft 9 Ausbildung für das kontemplative Leben 11 Dimensionen der Ausbildung 11 Ganzheitliches Menschsein 12 Im Heiligen Geist 14 Zusammengerufen in Gemeinschaft 15 In kultureller Fruchtbarkeit 16 In der Würde der Arbeit 17 In der Sendung der Kirche gemäß dem Charisma 17 In ökumenischer Vision 18 3
ordens korrespondenz Zeitschrift für Fragen des Ordenslebens 61. Jahrgang 2020, Sonderheft Klima und Akteure der Ausbildung 19 Jede einzelne Schwester 19 Die Ausbilderin 19 Die Höhere Oberin 20 Die Gemeinschaft 21 Die Föderationspräsidentin 22 Mögliche Experten 22 Die ständige Weiterbildung 23 Ratio Formationis 23 Ausbildung der Nonnen 23 Die klösterliche Gemeinschaft: Mystik der Begegnung 24 Christus in den Jüngerinnen hervorbringen 25 Multikulturelle Integration 26 Besondere Zeiten 26 Ausbildung der Ausbilderinnen 27 Ausbildung der Oberinnen 27 Ausbildung der Ökonominnen 28 Das allgemeine Ausbildungsprojekt 28 Auf persönlicher und gemeinschaftlicher Ebene 28 4
Das Ausbildungsprojekt der Föderation 29 Für die Ausbilderinnen 29 Für die Professen mit einfachen oder zeitlichen Gelübden 30 Für die Professen mit Feierlichen oder Ewigen Gelübden 30 Kulturelle Bereiche 30 Digitale Kultur 30 Die Anfangsausbildung 32 In aktuellen kulturellen Zusammenhängen 32 Unterscheidung und Bereitschaft, dem Ruf zu folgen 33 Förderung und Begleitung der Berufenen 33 5
ordens korrespondenz Zeitschrift für Fragen des Ordenslebens 61. Jahrgang 2020, Sonderheft Ablauf der Ausbildung 33 Kandidatur 33 Postulat 34 Noviziat 34 Nach der zeitlichen Profess 35 Ausbildungshäuser in der Föderation 35 Balance und Harmonie 35 Themenbereiche in der Ausbildung 36 In Kandidatur und Postulat 36 Im Noviziat 37 Nach der zeitlichen Profess 39 Bildung als Verlangen und Suche 40 Maria, summa contemplatrix 41 Anhang 42 6
Anspruch der Ausbildung 1. Das in der Stille verwurzelte kontemp- dazu mahnt, Grenzen und scheinbare lative Leben, erste Form von geweihtem Trennungen zu überwinden. Der Heilige Leben in Gemeinschaft in der Kirche, Vater, der sich der Tatsache bewusst lebt in der Suche nach dem Angesicht ist: „Niemand baut die Zukunft auf, Gottes und bezeugt und betrachtet es indem er sich absondert, noch allein im Herzen der Welt. Die Präsenz von aus eigenen Kräften“4, ruft dazu auf, die Gemeinschaften, errichtet wie Städ- „Krankheit der Selbstbezogenheit“5 zu te auf dem Berg und Lichter auf dem meiden und den Wert der Communio Leuchter (vgl. Mt 5,14-15), weist – auch zwischen den verschiedenen Klöstern wenn es noch so bescheiden gelebt als Weg in die Zukunft zu hüten, um die wird – sichtbar auf das Ziel hin, auf das dauerhaft festgelegten Werte der Auto- hin die ganze kirchliche Gemeinschaft nomie mit den heutigen Anforderungen voranschreitet, die „auf den Straßen der in Einklang zu bringen und so zu ak- Zeit vorwärtsgeht, den Blick fest auf die tualisieren.6 Die beständige Suche nach künftige Erneuerung von allem in Chris- dem Angesicht Gottes auf persönlicher tus gerichtet.“1 und gemeinschaftlicher Ebene macht 2. Mit der Apostolischen Konstitution die Communio fruchtbar, die so zum Vultum Dei quaerere zeigt Papst Fran- lebendigen und schöpferischen Klima ziskus der ganzen Kirche dieses letzte für die Ausbildung wird. Geheimnis und bestätigt gleichzeitig 4. Die vorliegenden Richtlinien zeigen die Erfahrung der kontemplativ leben- angesichts des genannten Anspruchs den Frauen, die ausgerichtet auf den einfache Koordinaten für die Ausbil- Herrn als erste und einzige Liebe (vgl. dung der Nonnen auf, um die kontem- Hos 2,21-25) im Laufe der Jahrhunderte plativ lebenden Frauen7 zu begleiten reiche Früchte der Heiligkeit und großer auf ihrem Weg als Pilgerinnen auf der apostolischer Wirksamkeit gebracht ha- Suche nach dem wahren Gott, als „be- ben.2 Aus diesem zutiefst wertschätzen- tendes Herz in der Kirche und für die den Blickwinkel heraus stellt Franziskus Kirche“8, als Vorhut der Menschheit und die Ausbildung in den Vordergrund als Gleichnis vom Himmelreich. In diesem notwendigen Prozess zum Schutz und Zusammenhang bietet die vorliegende zur Verlebendigung der Berufungswege Ratio ein Instrument zur Förderung der heute.3 ganzheitlichen Entwicklung der Per- 3. Der Anspruch der Ausbildung hat son durch menschliche und geistliche seinen Platz innerhalb eines weiten Bildung, um die volle Reife in Christus Horizonts, der über die Klostermau- zu erlangen und zu festigen. Es geht ern hinausreicht, die Welt umarmt, zu darum, einen schöpferischen Prozess9 einem Leben mit Klugheit, Herz und in Gang zu bringen, der „einen ausrei- Erfahrung der Communio aufruft und chenden Zeitraum“10 erfordert. 7
Die Person im Ausbildungsprozess Die Kunst der Suche nach dem Angesicht Gottes Lebensnotwendige Entwicklung 5. Das Kloster ist „eine Schule des Her- und kümmert sich um ihre Beziehung rendienstes“. Der Begriff Schule offen- zum Herrn, zu sich selbst, zu den Mit- bart die rechte und inspirierende Vision schwestern, zu den Frauen und Män- der vorliegenden Richtlinien, indem er nern unserer Zeit. den Ausbildungsprozess in ein dauer- Im Leben der Person, die zu einem haftes und stabiles Lebensumfeld stellt, bewussten und für die eigene Existenz verwurzelt in der Stille, in Bewusstheit verantwortlichen Subjekt wird, hat und Treue, ohne versteckte Fluchten.1 das volle Bewusstsein ihrer selbst eine Dieser niemals endende Bildungspro- unersetzbare Bedeutung. Nur wenn zess befindet sich in ständiger Entwick- sie sich ihrer selbst voll bewusst wird, lung 2 und führt zum vollkommenen kann die Person selbst wissen, glauben, Menschen, zur vollen Größe, die der lieben und menschlich in Beziehung zur Fülle Christi entspricht (Eph 4,13). Der Realität und zur Transzendenz treten. Ausbildungsprozess kann nicht auf die Weitergabe von Begriffen und das Gewissensbildung Erlernen von Einstellungen und Verhal- tensweisen reduziert werden, vielmehr 7. Die Form des Gewissens ist keine weitet er den Blick zu einem ganzheit- statische oder simple Gegebenheit, da lichen Horizont und führt zur mensch- sie sich nach und nach strukturiert und lichen, christlichen und monastischen verändert und im Laufe der Zeit sowie Reife, ohne Gegenüberstellungen oder in verschiedenen Kontexten entwickelt. Parallelen. Die Entwicklung der Person in ihrem 6. Der Ausbildungsprozess, eine be- achtsamen, klugen, vernünftigen und wusste und vitale Dynamik für jeden verantworteten Umgang sowie ihre Menschen, bietet jeder kontemplativen Art, in verschiedenen Situationen zu Frau die Möglichkeit, menschlich und leben, ist ein kontinuierlicher Prozess geistlich zu wachsen. Die durch tägliche des Aufbaus und der Modifizierung des Übung lebendig bleibende Bewusstheit bewussten Lebens. begleitet das Wachstum im Geist, so 8. Jede kontemplative Ordensfrau ist dass die Person zum vollen Bewusstsein das erste Subjekt dieses Ausbildungs- ihres Wesens fortschreiten kann. Auch prozesses, der sie zur Selbsterfahrung wenn sie von einem kontinuierlichen und zur freien, kreativen und treuen Fluss von Gedanken, Regungen und Zusammenarbeit mit den ihrem Lebens- Gefühlen durchströmt wird, bleibt der stand eigenen Vermittlungspersonen in Kern ihrer Identität intakt, denn gemäß der Ausbildung führt. Wenn die Person ihrer eigenen Berufung: sucht sie das im klösterlichen Leben voranschreitet, Angesicht Gottes, lebt das Evangelium ist sie zur Vertrautheit mit ihrem eige- 8
nen Herzen gerufen, um Sehnsucht und das das vorhergehende übertrifft, und Erschütterung entschlossen auf sich zu setzt dadurch den Weg zum Unendli- nehmen. Es ist ein anspruchsvolles und chen fort“7, wobei sie Christus als „das schönes Engagement, das vom Beginn Gute, das ganze Gute, das höchste Gut“8 des klösterlichen Weges an präsent ist annimmt. und Überzeugung und Ehrlichkeit wäh- 11. Die kontemplativ lebenden Frauen rend des ganzen Lebens erfordert. nehmen die Herausforderung der Be- 9. Zu Beginn der Regel empfiehlt der wusstseinsbildung an, die – wie jeder heilige Benedikt, „nichts Hartes und menschliche Weg – von Natur aus ein nichts Schweres festzulegen“, und fügt langer Weg der Vollkommenheit ist, ge- hinzu: „Sollte es jedoch aus wohlüber- mäß der Identität und den Besonderhei- legtem Grund etwas strenger zugehen, ten, die die Gnade in jedem Menschen um Fehler zu bessern und die Liebe zu fruchtbar macht. Sich zu formen bedeu- bewahren, dann lass dich nicht sofort tet, in irdenen Gefäßen (2 Kor 4,7) das von Angst verwirren und fliehe nicht trinitarische Geheimnis aufzunehmen, vom Weg des Heils.“3 Es ist ein Weg der das in uns wohnt, gemäß dem Aufruf ganzheitlichen und integralen Ausbil- des Apostels: „Seid untereinander so dung als kontinuierlicher Prozess der gesinnt, wie es dem Leben in Christus Umkehr, Erleuchtung und Verwand- Jesus entspricht“ (Phil 2,5). lung, in dem das Wirken des Geistes uns wahrhaft zu Kindern Gottes macht (1 Bewusstsein der Jüngerschaft Joh 3,1) und uns vom Joch der Knecht- schaft befreit (Gal 5,1). 12. Aus dem Prozess der menschlichen Ziel ist nicht die Abtötung der Person, Bildung geht das erste Ziel der Aus- sondern die Verwandlung in den, den bildung der kontemplativ lebenden sie betrachtet4 – und somit die Offen- Frauen hervor: die Identität als Jünge- heit für die Kunst, die wahre Hingabe rinnen Christi in der spezifischen Be- zu leben, die die Fähigkeit zum Sich- rufung im Geist des Evangeliums und selbst-Sterben mit sich bringt, um in des Charismas zu begründen, indem der Freiheit der Selbsthingabe zu wach- alle menschlichen Dimensionen in sen, in einer immer größeren Liebe, die der Einheit des Geistes miteinander in das Herz weitet (vgl. Ps 119,32)5 und es Einklang gebracht werden. Ein solcher für das Wirken des Geistes öffnet.6 Weg der Übereinstimmung mit Chris- 10. Die gelassene und mutige Annahme tus, bis hin zu einer Assimilierung mit der Wandlungen, die zum Leben gehö- der Gesinnung Christi gegenüber dem ren und es manchmal auf unvorherge- Vater 9 als offener Prozess, erschöpft sehene Weise prägen, macht der kon- sich nicht in der Anfangsphase der templativen Frau den Weg, den sie im Ausbildung, sondern setzt sich in je- Geheimnis der empfangenen Berufung der Lebensphase fort. Dies erfordert geht, immer bewusster: „Das Begehren ein persönliches, der Entwicklungs- des Menschen, der sich selbst erhöht, phase eines jeden Mitglieds angemes- endet mit dem, was er kennt, aber durch senes Projekt, das stets das Abenteuer ein größeres Begehren steigt die Seele des christlichen Menschseins im klös- 9 wieder auf zu einem anderen Begehren, terlichen Lebenswandel bezeugt.
13. Dieser Weg bringt die spirituelle ihr doch heute auf seine Stimme hören! Die Kunst der Suche nach dem Angesicht Gottes Frau hervor, die die Ratschläge des Verhärtet euer Herz nicht! (Ps 95,7-8) Evangeliums in täglichen Entschei- Ohne bewussten und gelassenen Kon- dungen im Einklang mit sich selbst als takt mit der Realität, ohne Fügsamkeit ihren Lebensstil lebt. Dieses Ziel wird und demütige Sanftmut des Herzens durch die „schöpferische Arbeit“10 der wird kein verlässlicher und dauerhafter Selbstformung erreicht, indem sie „den- Gestaltungsprozess eingeleitet. selben Weg“ geht, „den auch die Jung- 15. Jede authentische Ausbildung ist frau Maria zurückgelegt hat, die den daher anspruchsvoll und konseqent, Pilgerweg des Glaubens gegangen ist denn sie ist eine Erfahrung der Ganz- und ihre Verbundenheit mit dem Sohn heit in der Selbsthingabe der Liebe, in Treue bewahrt hat“11 bis zum Kreuz. ausgehend vom Wort Jesu: Die Wahr- Es handelt sich um einen Lebensprozess, heit wird euch befreien. (Joh 8,32) Das in dem nach der Logik der Inkarnation impliziert, von der Wahrheit über sich die konkrete, im Alltag gelebte Realität selbst und über das konkret gelebte eine spezifische und unbestreitbare schwesterliche Leben auszugehen. Diese Rolle spielt. Auf diese Weise nimmt die Freiheit, die Liebe hervorbringt, erlaubt Frau allmählich die besondere Identität uns, den Herrn, Christus in unserem des klösterlichen Lebens im Geheimnis Herzen anzubeten und Rechenschaft zu der Heiligkeit der Kirche an und wird geben über die Hoffnung, die uns erfüllt „Zeichen der ausschließlichen Vereini- (vgl. 1Petr 3,15), und gleichzeitig einen gung der bräutlichen Kirche mit dem Beitrag zum schwesterlichen Leben über alles geliebten Herrn“.12 in Gemeinschaft zu leisten, der Leben 14. Abbas Antonius erinnert an die hervorbringt. Notwendigkeit, immer wieder in das 16. Dieser vitale Weg sollte in seiner tägliche Bewusstsein der Motivationen eigenen Dynamik durch unser ganzes für die eigene Wahl einzutreten: Heu- Leben gehen, in einer bewussten und te beginne ich neu. Es geht um einen beständigen persönlichen Offenheit für fruchtbaren und beständigen Prozess, die Gnade, beginnend mit der Beru- der sich dadurch vollzieht, dass man fungsbegleitung bis hin zur Vorberei- jeden Tag barfuß den heiligen Boden tung auf die Begegnung mit dem Gott der Wirklichkeit betritt (Ex 3,5) und die des Lebens im erhabenen Augenblick Verhärtung des Herzens meidet: Würdet des Todes. 10
Ausbildung für das kontemplative Leben Dimensionen der Ausbildung 17. Auf, wir ziehen hinauf zum Berg soziale, affektive und sexuelle Formati- des HERRN und zum Haus des Gottes on erleben kann. Jakobs. Er unterweise uns in seinen 19. Die Ausbildung im kontemplati- Wegen, auf seinen Pfaden wollen wir ven Leben erfordert, dass die Person gehen. (Jes 2,3). Achtsamkeit, Bemühen, begleitet wird, damit Denken, Lieben Wille, Gedanken, Zuneigungen, Gefüh- und Handeln nach dem Geist zu einer le, alles, was in mir ist, komme: „Auf, Lebensnorm wird, die sich in einem zu- wir ziehen hinauf zum Berg des HERRN, tiefst menschlichen Lebenswandel nach zu dem Ort, wo der Herr uns anschaut dem Evangelium manifestiert.7 In der und angeschaut wird“.1 Ist auch der Ruf Begleitung muss immer von der kon- zur Kontemplation, zum Hinaufziehen kreten Realität einer jeden Schwester zum Berg des Herrn, die eigentliche ausgegangen werden. Berufung der Kirche und jede Art von 20. Bei der Ausübung der Begleitung Tätigkeit ihr zugeordnet und unterge- soll neben den Schwestern in der An- ordnet2, so erhält dieser eine besondere fangsausbildung den Schwestern in Bedeutung und einen permanenten den ersten Jahren nach der Feierlichen Akzent für die klösterlichen Gemein- Profess und den Schwestern in Schwie- schaften, betende Gemeinschaften, die rigkeiten besondere Aufmerksamkeit sich ganz der Kontemplation widmen, geschenkt werden, wobei auf die Zu- gemäß dem jeder Ordensfamilie eigenen sammenarbeit von geistlicher und psy- Charisma. chologischer Begleitung zurückgegrif- 18. Das klösterliche kontemplative Le- fen werden kann, wenn es als sinnvoll ben, sequela pressius Christi3, ist radikal oder notwendig erachtet wird. auf die „nie endende Suche nach Gott“4 21. Die Begleitung erfordert ein Klima ausgerichtet. Dieses Mysterium des Le- des Vertrauens und der Vertrautheit, da- bens erfordert einen kontinuierlichen mit diejenige, die begleitet, als „Mutter“ Prozess der Integration und Vereini- die begleitete Schwester „lieben und gung und erfordert eigene formative nähren“ kann8, indem sie sich immer Dimensionen.5 Das bedeutet, dass die als zuhörende Begleiterin auf dem Weg Mittel geschaffen werden müssen, um zeigt, die die begleitete Schwester in alles in der Person auf harmonische ihrer eigenen Realität annimmt und in und ausgewogene Weise zu integrieren, ihr die positiven Haltungen fördert, die gemäß der Vision einer gesunden und sie hat. rechtmäßigen theologischen Anthropo- 22. In diesem Klima wird die Begleitete logie6, damit sie ohne Spaltung die in- in der Lage sein, ihr Herz der erfahre- tellektuelle und emotionale, individuelle neren Schwester oder dem Bruder zu 11 und gemeinschaftliche, persönliche und öffnen, die der Herr ihr zur Seite stellt,
um den von ihr begangenen Weg der in ihrer Beziehung zur Außenwelt. Es Die Kunst der Suche nach dem Angesicht Gottes Nachfolge Christi und die Freude an der gibt kein Wachstum in der Ausbildung, Berufung zu teilen und gleichzeitig der wenn es kein Leben gibt, das die Beru- begleitenden Person vertrauensvoll ihre fung übersetzt, d.h. das Gottes Projekt „Not [zu] offenbaren“.9 für die Person verwirklicht. 23. Die begleitende Person muss sich 26. Der Weg der Selbsterkenntnis ist bewusst sein, dass ihr Dienst eine Hilfe besonders kostbar bei der Gestaltung beim Wachsen zur menschlichen Reife des asketischen Engagements, eines und zur Reife der Berufung ist; sie soll wesentlichen Elementes des kontempla- das personale Geheimnis der Schwester tiven Lebens, Frucht und „erforderliche sensibel respektieren; sie muss geistlich Antwort auf die erste und einzige Lie- und pädagogisch angemessen vorbe- be“.11 Dies hilft dem Menschsein jeder reitet sein, um diese Aufgabe erfüllen kontemplativen Person, in seiner gan- zu können; sie muss die Erfahrung ge- zen Fülle zu gedeihen, und beugt der macht haben, selbst begleitet worden zu Gefahr einer Einengung in eine unreife sein; vor allem soll sie mit ihrem Leben und egozentrische oder frömmlerische ihre freudige Zugehörigkeit zu Gott in und überholte Form der Askese vor. Der einem besonderen Charisma vermitteln. erste Schritt ist zweifellos anthropolo- 24. Die begleitete Schwester muss ih- gischer Natur und verlangt von jedem rerseits bedenken, dass die Begleitung Menschen, sich selbst als historisches ein Weg der Entäußerung und Wieder- Wesen zu akzeptieren und seine eigenen herstellung ist und als solcher durch das Grenzen und Wunden anzunehmen. Bewusstsein ihrer eigenen Schwäche 27. Wie alle Personen des geweihten und Zerbrechlichkeit führen muss. Die Lebens braucht die kontemplative Frau Entdeckung ihrer selbst als Wesen, das begleitende Personen, die sie auf dem der Erlösung, der Vergebung und des Weg der Versöhnung mit sich selbst Lichts bedarf, bildet den Ausgangs- unterstützen, wobei sie „sehr auf die punkt eines authentischen Ausbil- menschliche und affektive Reife achten dungsprozesses. müssen“.12 In diesem Zusammenhang ist es von grundlegender Bedeutung, dass Ganzheitliches Menschsein die Schwester in der Ausbildung sich 25. Um ihrem Wesen gerecht zu wer- ihrer eigenen Leiblichkeit, Weiblichkeit den, muss die Ausbildung die Person und Affektivität bewusst wird, sei es in in ihrer authentischen Menschlichkeit einer anfänglichen oder in einer reife- erreichen und sie zur Erkenntnis der ren Weise, und sie diese immer auf die Wahrheit über sich selbst, über ihre Option der Berufung ausrichtet. Gaben und über ihre Grenzen führen. 28. Da das Menschsein der Person in Auf diese Weise wird ihr geholfen, jene der Beziehung geformt wird, muss die innere Freiheit zu erlangen, die eine Ausbildung in der Praxis besonders auf Voraussetzung dafür ist, ihre Weihe die drei Ebenen der Beziehung achten: konsequent und aufrichtig, mit Gelas- senheit und Freude, mit Großzügigkeit • Beziehung zu sich selbst: und Nächstenliebe zu leben,10 sowohl - Förderung einer erneuten Lesung innerhalb der Gemeinschaft als auch der eigenen Geschichte und Ver- 12
söhnung mit der Vergangenheit, - Erlernen einer konstruktiv-kriti- die sie zu einer freien Person schen Einstellung, die auf einer im macht und sie auch weiterhin in Glauben gründenden Logik beruht; aktuellen Ereignissen Gottes Wir- - Entwicklung der Kommunikati- ken in ihr entdecken lässt; onsfähigkeit, Harmonisierung von - Erlangung eines immer stabileren Wort und Schweigen und ange- Gleichgewichts durch Beachtung messener Umgang mit Konflikten; der Rhythmen des täglichen Le- - Sensibilität für Formen der Armut bens, indem sie die beständige und Ausgrenzung in der heutigen Gegenwart Gottes, der „alles neu Welt und Solidarität mit ihnen macht“ (Offb 21,5), in den kleinen durch die Betrachtung der Option und großen Ereignissen des Alltags Jesu für die Armen, indem wir un- erkennt; ser persönliches Beten und Gesten - Erlangung einer angemessenen der Nächstenliebe einbringen, wie Wertschätzung und Fürsorge ge- sie der Heilige Geist anregt. genüber sich selbst, gegenüber der eigenen Innerlichkeit und dem ei- • Beziehung zur Schöpfung: genen Körper, indem sie in der Op- - Erlernen eines nüchternen und tion ihrer Berufung die Ressourcen respektvollen Umgangs mit den ihrer eigenen Weiblichkeit mit sich Dingen, wodurch die konsumori- in Einklag bringt und vereinigt; entierte Mentalität des Verbrau- - Vollständige Überwindung jeder chens und Wegwerfens überwun- Form von Abhängigkeit, sowohl den wird; von den sozialen Kommunikati- - Lernen, in der Natur Motive zur onsmedien als auch vom bisheri- Betrachtung und zum Lobpreis zu gen Lebensstil, durch Aneignung finden, in eine gesunde Beziehung des Lebensstils der eigenen Ge- zu ihr als Quelle des leib-seelischen meinschaft. Gleichgewichts zu treten, wobei die Schönheit der Schöpfung als • Beziehung zu Mitschwestern und Gottes Werk wiederentdeckt und anderen: sie in jedem Augenblick respektiert - Geschmack finden an einem wird; geschwisterlichen Leben in Ge- - Arbeit als Gnade erfahren, die jede meinschaft, das nach dem eigenen der Schwestern in das Geheimnis Charisma gelebt wird, und ein der Teilhabe am schöpferischen Zugehörigkeitsgefühl zu diesem Werk Gottes einführt und sie an entwickeln und festigen; der Mühsal der Armen Anteil ha- - Hochherzigkeit [Gratuität] und ben lässt. Selbsthingabe in Beziehungen le- 29. Die Selbsterkenntnis, ausgerichtet ben, die Mitschwestern als Gottes auf die „aufrichtige Hingabe seiner Geschenk annehmen; selbst“ 13 und des eigenen Lebens im - Kultivierung der grundlegenden Verhalten wie in den Absichten, 14 menschlichen Qualitäten für ein wächst in der Logik der Communio15, 13 Leben in Beziehung; wird im täglichen Leben verwirklicht,
im Zusammenhang eines Klosters, wo Leben in der persönlichen Begleitung Die Kunst der Suche nach dem Angesicht Gottes die konkrete Realität und die evange- durch die Verantwortlichen und den liumsgemäße Qualität der Beziehungen herzlichen Dialog mit der Person, die Quelle der Fruchtbarkeit sind.16 In diese als Autorität dient, ersetzen. Menschlichkeit ist das Bewusstsein der eigenen Taufe eingesenkt. Mit ihr ist Im Heiligen Geist jeder Gläubige in das Geheimnis Christi 32. Die klösterliche Ausbildung ist in eingetaucht, in eine erneuerte Dynamik ihrem Ursprung und ihrem Zweck ein der Bekehrung, Frucht der Offenheit für im Wesentlichen theologisches Werk, das Wirken des Geistes. das im Heiligen Geist verwurzelt ist. Sie 30. Das Kloster, das seit jeher als „Werk- zeigt einen Weg hin zur Gemeinschaft statt“17 für das praktische Lernen in der mit dem einen und dreieinigen Gott Reinheit des Herzens und des Lebens, und ruft gleichzeitig zum vorrangigen als „Schule des Herrendienstes“18 und Dienst des Lobpreises Gottes auf, der in als Schule der Nächstenliebe bezeichnet Fülle gelebt wird.22 wurde, wird zu einem Ort der ständigen 33. Opus Dei und Eucharistie sind Quel- Ausbildung, der Bekehrung und der le und Höhepunkt des Lebens der Kirche Askese.19 Die innere Reifung geschieht und des kontemplativen Lebens.23 Die durch den inneren Kampf (vgl. Eph Liturgie hat „die Eigenschaft, gleich- 6,10-20), die Übung der Unterscheidung zeitig menschlich und göttlich zu sein, (vgl. Phil 2,5-11; 1 Kor 2,15; 12,10), die sichtbar und mit unsichtbaren Elemen- Erfahrung des Kreuzes und die Aneig- ten ausgestattet, der Handlung und der nung der Weisheit des Ostergeheimnis- Kontemplation gewidmet, in der Welt ses.20 präsent und doch pilgernd; und das al- 31. Das Wesen der monastischen Weihe les, damit in ihr das Menschliche geord- beinhaltet die beständige Suche und das net und dem Göttlichen untergeordnet kontinuierliche Wachstum, um jede Art wird, das Sichtbare dem Unsichtbaren, von spiritueller Sklerose zu vermeiden. die Handlung der Kontemplation und In diesem ganzen Prozess muss dem die Gegenwart der künftigen Stadt, harmonischen Wachstum zwischen die wir suchen.24 Die tägliche Liturgie der spirituellen und der menschlichen muss mit besonderer Aufmerksamkeit Dimension besondere Aufmerksamkeit vorbereitet und gefeiert werden, wobei geschenkt werden, was „die Aufmerk- der Gefahr bloßer Gewohnheit und Ein- samkeit auf die spezifische Anthropolo- tönigkeit vorzubeugen ist.25 gie der verschiedenen Kulturen und die 34. „Die kontemplativen Männer und Empfänglichkeit der heutigen Generati- Frauen erinnern uns mit ihrem Leben onen ganz besonders in Bezug auf neue des Gebets, des Hörens und der Be- Lebenskontexte lenkt“.21 In der Dynamik trachtung des Wortes Gottes daran, dass der Ausbildung kann es angebracht der Mensch nicht nur von Brot lebt, sein, bei wirklichem Bedarf auf die Hilfe sondern von jedem Wort, das aus Gottes von Experten der Humanwissenschaf- Mund kommt (vgl. Mt 4,4).“26 Die beten- ten zurückzugreifen. Diese Erfahrungen de Lesung des Wortes erneuert ständig sollten nicht die spezifische Ausein- die Begegnung mit Gott.27 Die Nonnen andersetzung mit dem klösterlichen müssen sich durch eine angemessene 14
biblische Bildung auf die Lectio Divina göttlichen Gegenwart bewohnt wird vorbereiten. In ihrer täglichen Praxis28 (vgl. Hos 2,16-17), sie geht eine ein- schärfen sie ihre Fähigkeit zum Ver- zigartige und unmittelbare Beziehung ständnis und zur Vertiefung der Schrift mit dem Herrn Jesus ein, in der sie (vgl. Lk 24,27). den Sinn und die Freude ihrer eigenen Die Schrift wird zu einer Quelle der Weihe findet.31 Erkenntnis des Geheimnisses Christi Der ganze Prozess wird in der Einsam- und des Geheimnisses des Menschen. keit und Stille gestärkt.32 „Der innere Die Aussage vom heiligen Hierony- Weg verlangt nach der Askese der Zeit mus, die vom Zweiten Vatikanischen und des Leibes; er bittet um die Ruhe als Konzil aufgegriffen wurde, behält ihre Dimension, in der er verweilen kann; er ganze Kraft: „Die Heilige Schrift nicht erfleht die Einsamkeit als wesentlichen zu kennen bedeutet, Christus nicht zu Moment der persönlichen Reinigung kennen“.29 und Integration; er ruft zum verborge- 35. Die Lectio Divina ist nicht eine nen Gebet, um dem Herrn zu begegnen, Form des persönlichen Gebetes unter der im Verborgenen wohnt, und das vielen, vielmehr ist sie die conditio sine Herz zur inneren Kammer in uns zu qua non des kontemplativen Lebens: machen (vgl. Mt 6,6), dem persönlichen „Schenke vor allem der Lectio der gött- und unantastbaren Ort der Anbetung lichen Schriften deine Aufmerksamkeit; (vgl. 1Petr 3,15): Mein Geliebter komme widme dich ihr mit Beharrlichkeit. Wid- in seinen Garten und esse von den köst- me dich der Lectio mit der Absicht, Gott lichen Früchten. (Hld 4,16)“33 zu glauben und ihm zu gefallen. Wenn 37. Stille und Einsamkeit, Orte der du während der Lectio vor einer ver- Begegnung mit Gott als Frucht einer schlossenen Tür stehst, klopfe an, und menschlichen Askese, wandeln sich in jener Türhüter wird sie für dich öffnen, eine prophetische Verkündigung. Die von dem Jesus sagte: ‚Diesem öffnet der Zeiten größerer Einsamkeit und des Türhüter‘. Auf diese Weise suche in der Rückzugs aus dem alltäglichen Rhyth- Lectio Divina mit Loyalität und uner- mus dienen dazu, den Grund und die schütterlichem Vertrauen auf Gott den Freude des kontemplativen Lebens zu Sinn der göttlichen Schriften, der vielen erneuern und seine prophetische Kraft verborgen bleibt. Doch gib dich nicht zu festigen sowie einen Weg der Inner- mit Anklopfen und Suchen zufrieden: lichkeit einzuschlagen, der zur Kontem- Um die Dinge Gottes zu verstehen, ist plation von Gottes Angesicht führt. die Oratio absolut notwendig. Der Erlö- ser ermutigte uns dazu und sagte nicht Zusammengerufen in Gemeinschaft nur: ‚Sucht, und ihr werdet finden‘ und 38. „So fühlte sich die Ordensgemein- ‚Klopft an, und es wird euch aufgetan‘, schaft in Kontinuität mit jener Schar, sondern fügte hinzu: ‚Bittet, und es die dem Herrn folgte. Er hatte sie wird euch gegeben werden‘.“30 einzeln beim Namen gerufen, damit 36. Im persönlichen Gebet lernt jede sie in Gemeinschaft mit ihm und den Nonne, mit dem Herrn zu sein (vgl. Mk anderen Jüngern lebten, damit sie sein 3,13; Ps 37), sie verkostet die Gnade Leben und sein Schicksal teilten (vgl. 15 der Stille und Einsamkeit, die von der Mk 3,13-15), um dadurch Zeichen für
jenes Leben und jene Gemeinschaft zu derliche Leben in Gemeinschaft muss in Die Kunst der Suche nach dem Angesicht Gottes werden, die er begründet hat.“34 einem Kloster lebendiges Zeichen des So ist die Erfahrung des Lebens der Geheimnisses der Kirche sein: je größer Schwestern im Kloster ein Ort der das Geheimnis der Gnade, um so reicher Formung durch den Geist, ein privile- die Früchte des Heiles.“38 gierter Raum für die Gemeinschaft mit 40. Es ist eine unverzichtbare Notwen- Christus, ein Ausdruck der Kirche: „Die digkeit, Gemeinschaften zu bilden, die ersten Mönchsgemeinschaften betrach- nicht nur das Dach, die Liturgie und die teten die Gemeinschaft der Jünger, die Arbeit, sondern auch die Lebensgemein- Jesus folgten, und die Gemeinschaft schaft miteinander teilen: die Erfahrung von Jerusalem als ein Idealbild des authentischer Menschlichkeit, das Le- Lebens. Dem Beispiel der jungen Kirche ben des Glaubens und des Gebetes, das folgend, haben die Mönche sich in der Leben des Evangeliums, vorbildliche Einheit des Herzens und des Geistes Solidarität (vgl. Mt 5,43-48; Joh 13,34), um einen geistlichen Führer, den Abt, geschwisterliche Hilfe bis hin zu den geschart, um eine radikale Gemein- extremen Konsequenzen der Diakonie schaft der materiellen und geistlichen der Liebe (vgl. Joh 15,13), persönliche Güter und die von Christus gegründete und tiefgehende Kommunikation, be- Einheit zu verwirklichen. Sie findet ihr reichernden Dialog, freundschaftliche Urbild und ihre einheitstiftende Kraft Beziehungen; ein gemeinsames Projekt, im Leben der Einheit unter den Perso- das das Teilen von Entscheidungen, die nen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit.“35 Bewertung der Wegstrecken und liebe- 39. Der Reichtum der schwesterlichen volle Korrekturen erfordert, um sicher- Beziehungen „in einer Atmosphäre des zustellen, dass die Mittel immer dem Schweigens […] unter dem Schutz des gemeinsam angestrebten Ziel dienen. täglichen Klausurlebens“36, begleitet die Diese einladende Form des Teilens ist, Nonne in ihrer Berufung als Schwester je nach dem eigenen Ordenscharisma, für alle in Christus, mit der Zärtlich- offen für die Gastfreundschaft und für keit „Jesu, unserer Mutter“37, nach der den Dienst an den Armen. Intuition von Juliana von Norwich. Um das Gesagte zu erreichen, ist es not- „Besonders bedeutsam ist das Zeugnis wendig, vom gemeinsamen Leben zur der kontemplativen Ordensleute. Für Lebensgemeinschaft, von der bloßen sie bezeichnet das brüderliche Leben Gemeinschaft zum geschwisterlichen viel weitere und tiefere Dimensionen, Leben in Gemeinschaft überzugehen. die von den Grundbedürfnissen einer solchen speziellen Berufung herrühen, In kultureller Fruchtbarkeit d.h. von der ausschließlichen Suche 41. Die Kultur, ein Wert, der in der nach Gott in Schweigen und Gebet. Ihre monastischen Tradition immer gepflegt beständige Bereitschaft für Gott macht wurde, wird zu einem notwendigen ihre Bereitschaft für die übrigen Mit- bildenden Faktor für die menschliche glieder der Gemeinschaft empfindsamer Dimension und für das geistliche und und feinfühliger, und die Kontempla- schwesterliche Leben.39 Eine der vier tion wird zu einer Kraft, die von jeder Säulen, auf die sich die Ausbildung Form des Egoismus frei macht. Das brü- stützen muss, ist nach dem Verständnis 16
von Papst Franziskus „das Studienle- am Leben des Klosters, wie auch als ben“40. Denn, so rief er in Erinnerung, Verpflichtung und Mitwirkung an der „die Gnade setzt die Kultur voraus, und Arbeit, die die Gemeinschaft für ihren die Gabe Gottes nimmt Gestalt an in der eigenen Lebensunterhalt verrichtet. Auf Kultur dessen, der sie empfängt.“41 diese Weise wächst jede der Schwestern Jede Gemeinschaft sollte eine angemes- im Geist des Dienens und reift in der sene Zeit für die Lesung und für persön- Mitverantwortung.46 liche Studien einplanen, mit Hilfe einer 44. Die Arbeit trägt auch dazu bei, die „laufend ergänzten Bibliothek“ 42 und verschiedenen Aspekte des Lebens aus- der Dokumentation, die über das Com- zubalancieren. Sie ist ein Instrument putersystem zugänglich ist. Sie kann der Solidarität mit allen Menschen, je nach Bedarf die Hilfe von Personen insbesondere den Armen, und erinnert außerhalb der Gemeinschaft43, Experten an die Worte des heiligen Benedikt: und Schwestern aus anderen Klöstern, „Sie sind dann wirklich Mönche, wenn in Anspruch nehmen. sie […] von ihrer Hände Arbeit leben.“47 42. Die Ausbildung sollte eine solide Sinn für das Evangelium, Kompetenz, und ausgewogene Information bein- treuer Einsatz und innere Freiheit seien halten, die den Blick öffnet für die in der rechten Sicht und Betrachtung gesamte Menschheit, insbesondere für der Arbeit präsent, damit sie nicht zu diejenigen, die leiden. Die kontempla- einer Versuchung zum Besitz und zur tive Frau ist aufgerufen, ihren Platz in einzigen Anerkennung der persönli- der Geschichte einzunehmen, indem sie chen Identität wird. Sie soll vielmehr eine innere Vision kultiviert. Man kann „mit Treue und Hingabe“ ausgeführt auf die Presse und die digitalen Kom- werden, ohne „den Geist des heiligen munikationsmittel zurückgreifen, mit Gebetes und der Hingabe auszulöschen, „kluger Unterscheidung [..] im Hinblick dem alle übrigen zeitlichen Dinge die- darauf, dass sie der Ausbildung für das nen müssen“48, wie der Poverello von kontemplative Leben […] dienen“44 und Assisi sagt. nicht von dem verborgenen Leben mit Christus in Gott ablenken (vgl. Kol 3,3). In der Sendung der Kirche gemäß Information reicht nicht aus, es ist not- dem Charisma wendig, die Geschichte entsprechend 45. Die Treue zum Geist, der jedes Cha- der Klugheit des Herzens zu lesen; so risma fruchtbar macht,49 sichert den be- werden „Freude und Hoffnung, Trauer sonderen Dienst des kontemplativen Le- und Angst“45 aller mit der Weisheit, die bens in der Kirche und in der Welt und von oben kommt, mitfühlend aufge- bestätigt es als „ein ausdrucksvolles Zei- nommen. chen von Gemeinschaft, ein einladender Aufenthaltsort für diejenigen, die Gott In der Würde der Arbeit und die Welt des Geistes suchen; sie 43. In der Ausbildung für das kontem- sind Glaubensschulen und wahre Werk- plative Leben sollte der Erziehung zur stätten für Studium, Dialog und Kultur praktischen und intellektuellen Arbeit zum Aufbau des kirchlichen Lebens und besondere Aufmerksamkeit geschenkt auch, in Erwartung der himmlischen 17 werden, sowohl als täglichem Dienst Stadt, zum Aufbau der irdischen.“50
46. Die Treue zum Charisma erfordert wendigen und fruchtbaren Prozess: die Die Kunst der Suche nach dem Angesicht Gottes eine fortwährende Bildung in der ge- in der Gemeinschaft vorhandene Le- sunden Ekklesiologie der Communio, benserfahrung wertschätzen und ihre die das Zweite Vatikanische Konzil Formen und Praktiken interpretieren, wünscht. Die Vertiefung der eige- um sie in die Sprache und Symbolik nen charismatischen Tradition muss der jüngeren Generationen zu über- im Kontext des Sentire cum Ecclesia setzen. gesehen und interpretiert werden, in 49. Jedes Kloster entwickelt dank Einklang mit dem Sensus fidelium und seiner eigenen Autonomie eine his- in einer klugen Unterscheidung der Zei- torische und spirituelle Besonderheit, chen der Zeit. Diese Bildung wird durch die mit den Kontexten, in denen es das Studium des kirchlichen Lehramtes gegründet wurde, zusammenhängt. Es und der formativen und juristischen ist wichtig, dafür zu sorgen, dass die Literatur erreicht, die vom Orden, dem Geschichte und ihre spezifische Beru- man angehört, oder von der monasti- fung eingehend vertieft werden, damit schen Föderation erstellt wird. das Wissen darüber erhalten bleibt, 47. Ausgehend von dieser kirchlichen wobei allerdings darauf zu achten ist, Vision wird sich jeder Bereich der keine Archäologie daraus zu machen.53 Ausbildung an der ursprünglichen Inspiration des je eigenen Instituts In ökumenischer Vision orientieren.51 Der Ausbildungsprozess 50. Die Kirche lädt das monastische muss den Menschen auf dem Weg der Leben ein, eine besondere Sensibilität Reifung seiner eigenen vitalen Synthe- für die Ökumene als formative Vision se des Charismas begleiten, damit er unter dem Zeichen der Wiederverei- in aufrichtiger Unterscheidung dessen nigung, der kirchlichen Gemeinschaft Geist zusammen mit der klösterlichen und des Mitgefühls zu pflegen: „In Gemeinschaft lebt, gemäß der Kirche besonderer Weise vertraue ich die und Welt von heute. geistliche Ökumene des Gebets, der Zu diesem Zweck muss in der Beglei- Umkehr des Herzens und der Liebe den tung der Berufung, angefangen bei der Klöstern des beschaulichen Lebens an. Anfangsausbildung, ein aufrichtiges Zu diesem Zweck ermutige ich sie, Empfinden der kirchlichen Zugehö- dort präsent zu sein, wo christliche rigkeit gepflegt werden: „Der Weg des Gemeinschaften verschiedener Kon- geweihten Lebens“ ist „der Weg der fessionen leben, damit ihre Ganzhin- Eingliederung in die Kirche. […] Es geht gabe an das einzig Notwendige (vgl. um eine Eingliederung in die Kirche Lk 10,42), an die Verehrung Gottes mit den Kategorien der Kirche, mit dem und an die Fürbitte um das Heil der geistlichen Leben der Kirche. […] Nichts Welt, zusammen mit ihrem Zeugnis anderes“.52 des Lebens nach dem Evangelium ent- 48. Das charismatische Erbe lebt eine sprechend ihren Charismen, für alle doppelte Dynamik: die treue Weiterga- ein Ansporn sei, nach dem Abbild der be durch die älteren Nonnen und die Dreifaltigkeit in jener Einheit zu leben, positive Aufnahme durch die jüngeren die Jesus gewollt und für alle seine Nonnen. Es handelt sich um einen not- Jünger vom Vater erfleht hat.“54 18
Klima und Akteure der Ausbildung 51. Glaubensgehorsam, Lectio Divina, Jede einzelne Schwester intellektuelle Arbeit und Studium, 55. Jede Schwester in der Anfangsaus- Liturgie, Askese, Gemeinschaftsleben bildung oder in der ständigen Weiter- und ernsthafte Arbeit, verwurzelt in bildung nimmt unter dem Wirken des fruchtbarer Stille, erzeugen und nähren Geistes als erste Verantwortliche für ihre ein Klima der Ausbildung, in dem die eigene Ausbildung mit großem Verant- spirituelle Kunst der Suche nach dem wortungsbewusstsein die Aufgabe an, die Angesicht Gottes gelernt wird.55 ihr als Protagonistin des beständigen, das Lebenssamen, die in der Liebe zur ganze Leben umfassenden Wachstums- Kontemplation der WAHRHEIT keimen und Bekehrungsprojektes entspricht.59 können, werden ausgestreut. 56. Auf diesem Weg sollte jede Schwes- Diese innerhalb der Klostermauern und ter bereit sein, sich begleiten zu lassen scheinbar außerhalb der Welt gelebte von den vermittelnden Personen, die Erfahrung wird zu einem Ort, an dem der Herr ihr durch die Gemeinschaft zur das prophetische Wort geteilt wird: Verfügung stellt, und ihre Freuden, Hoff- „Ihr seid die Stimme der Kirche, die nungen und Sorgen mit ihnen zu teilen. unermüdlich Lob und Dank wie auch Auf diese Weise zeigt sie eine große Be- flehentliche Fürbitte für die gesamte reitschaft, sich formen zu lassen, um sich Menschheit zu Gott erhebt.“56 selbst zu entdecken, sich vom „Ego“ zu 52. Akteure der ständigen Ausbil- befreien und eine neue Frau zu werden, dung und der Anfangsausbildung für im Herzen frei. das monastische Leben sind: jede der Schwestern, die Gemeinschaft, die Die Ausbilderin Höhere Oberin des Klosters, die Ausbil- 57. Die Schwestern, denen eine beson- derinnen, die Föderationspräsidentin, dere Verantwortung für die Ausbildung mögliche Experten.57 anvertraut wurde, übernehmen diese 53. Alle sind aufgerufen, in ihrem ei- Aufgabe in einem Geist des freudigen genen Kompetenzbereich zu handeln, Dienstes an den Mitschwestern. Sie im Geiste einer klugen und umfassen- sollten die Freude an ihrer kontempla- den Zusammenarbeit – im Einklang tiven Berufung zum Ausdruck bringen mit der Lehre des Magisteriums, unter und die Verantwortung für ihre eigene Berücksichtigung der zeitgenössischen Ausbildung wahrnehmen. Kulturen und der spezifischen Berufung 58. Die Ausbilderinnen sollten in der zum kontemplativen Leben – damit der durch das Gebet gewachsenen Gotteser- klösterliche Corpus einen kontinuierli- kenntnis erfahren sein, einer Weisheit, chen und fruchtbaren Bildungsprozess die ihren Ursprung im aufmerksamen durchlaufen kann. und fortwährenden Hören auf das Wort 54. Alle sollten außerdem hinsichtlich der Gottes hat, und eine große Liebe zu den Kandidatinnen besonders auf die Unter- spirituellen Wirklichkeiten ihres spezifi- scheidung achten, „dass sie in psychischer schen Charismas haben, damit sie ande- 19 und affektiver Hinsicht gesund sind“.58 re auf diesem Weg begleiten können.60
59. Die Formationsleiterinnen sollten heit, Gelassenheit, Geduld, Verständ- Die Kunst der Suche nach dem Angesicht Gottes sich darüber im Klaren sein, dass sie nur nis und ein Geist der Freude sowie Mittlerinnen sind zwischen Gott, dem authentische Zuneigung für die ihr einzigen Formator, und den Schwes- anvertrauten Schwestern.64 tern in Formation, Erstverantwortliche 61. Die Anforderungen an eine Ausbil- für ihre eigene Ausbildung, indem sie derin erfordern sorgfältige Unterschei- jede Art von Abhängigkeit verhindern dung bei ihrer Auswahl und besondere und den Schwestern in der Ausbildung Aufmerksamkeit für ihre Ausbildung: helfen, sich selbst mit ihren Möglich- „Dabei ist stets zu berücksichtigen, dass keiten und Grenzen kennen zu lernen, Ausbildung nicht improvisiert werden den Schritt von der Aufrichtigkeit zur kann, sondern weit im Voraus kontinu- Wahrheit zu tun und ihre Schwierig- ierlich vorbereitet werden muss. Ohne keiten angemessen zu lösen. Bei diesem eine solide Ausbildung der Ausbilder Dienst sollte die Ausbilderin daran ist keine wirklich Erfolg versprechen- denken, dass es ihre Aufgabe ist, [der de Begleitung der jüngeren Mitglieder jungen Frau] „bis dorthin [zu] helfen, durch Brüder und Schwestern mög- wo ihre Schmerzgrenze erreicht ist“. 61 lich.“65 Es geht darum, „die jungen Menschen 62. Die Ausbilderinnen müssen Zeit auszubilden, ohne ihre Grenzen zu ver- zur Verfügung haben, um ihrem Dienst letzen“.62 höchste Priorität zu geben. Andere 60. Neben der Transparenz und Stim- Aktivitäten müssen mit ihrer Haupt- migkeit ihres eigenen Lebens sollten die aufgabe vereinbar sein. Darüber hinaus Ausbilderinnen, da sie eine besondere sollte immer bedacht werden, dass Rolle bei der Begleitung der Kandi- das persönliche Gespräch, „das als datinnen und bei der Unterscheidung Gewohnheit von unersetzlicher und der Echtheit der Berufung Gottes zum erprobter Wirksamkeit“66 das wichtigste kontemplativen Leben spielen und die Instrument innerhalb der Dynamik der Aufgabe haben, den ihnen anvertrauten personalisierten Ausbildung ist und auf Menschen „die Schönheit der Nachfolge gegenseitigem Vertrauen beruht. des Herrn und den Wert des Charismas, 63. Für die Ausbilderin bedeutet dies: in dem sie sich konkretisiert“63, zu ver- Vertrauen durch geduldiges und wert- mitteln, vor allem folgende Haltungen freies Zuhören gewinnen, ausreichend einnehmen: Zeit für die Begegnung, Häufigkeit der • Fähigkeit zum Zuhören, zum Dialog Gespräche, Fähigkeit, Spannungen der und zur Hingabe an andere; anderen Person auf sich zu nehmen, • gelassene und objektive Selbster- Aufrichtigkeit und Demut beim Interpre- kenntnis, Wissen um die eigenen tieren dessen, was die Mitschwester ge- Grenzen und Möglichkeiten; rade erlebt, Vertraulichkeit im Umgang • emotionale Stabilität, Frustrationsto- mit dem anvertrauten Gesprächsinhalt leranz und eine gewisse Souveränität und Stimmigkeit im persönlichen Leben. im Ausdrücken von Empfindungen und Überzeugungen; Die Höhere Oberin • menschliche Qualitäten wie Unter- 64. Die Höhere Oberin, Äbtissin, Priorin scheidungsvermögen, Ausgeglichen- oder Präsidentin einer monastischen 20
Kongregation muss, während sie sich helfen, ganzheitlich zu wachsen und um ihre eigene Ausbildung kümmert, immer christusähnlicher zu werden, mit großer Verantwortung ihre Rolle mehr auf das Beispiel als auf Worte ver- als Ausbilderin der ihr anvertrauten trauen. Sie mögen immer daran denken, Schwestern übernehmen. dass der Herr gekommen ist, um zu die- Daher soll sie nen und nicht, um bedient zu werden • auf die menschlichen und spirituel- (vgl. Mt 20,28).69 Da das Evangelium len Bedürfnisse derer achten, denen anspruchsvoll ist, wird auch sie im We- sie dient; sentlichen anspruchsvoll sein müssen, • über menschliche Qualitäten der Un- aber gleichzeitig Verständnis für die ihr terscheidung, Ausgeglichenheit und anvertrauten Schwestern aufbringen, Respekt vor den Gaben, die der Herr ohne durch Verwundungen bedingte jeder der Schwestern gibt, verfügen; Grenzen zu verletzen.70 • mit allen Schwestern Beziehungen der Nähe, des Vertrauens, der Freiheit Die Gemeinschaft und der Verantwortung leben und 66. Die Nonne lernt, eine kontempla- aufbauen; sie wertschätzen und ihre tive Schwester zu sein und zu werden Liebe zu ihnen in einfachen mensch- innerhalb der Gemeinschaft und durch lichen Gesten zeigen; die tägliche Teilnahme am Leben einer • eine Haltung des Dialogs als authen- konkreten Gemeinschaft und Schwes- tisches und tiefes Glaubensbekennt- ternschaft. Die Gemeinschaft ist der Ort, nis pflegen. In diesem Klima die an dem der Geist der Gründer voll und Verwirklichung des gemeinsamen ganz lebendig wird. Die Gemeinschaft Lebensprojekts unter Beteiligung al- ist der Ort, an dem das Charisma und ler Nonnen fördern;67 der Geist konkret gelebt und greifbar • eine Gemeinschaft aufbauen, die ein werden. Die Gemeinschaft ist der phy- authentischer privilegierter Raum für sische und theologische Raum, in dem die ständige Weiterbildung und für „die Einweihung in die Mühe und in die die Anfangsausbildung sei; eine Ge- Freude des Zusammenlebens“71 erfolgt. meinschaft, in der Gehorsam zu Zu- „Hier ist die gesamte Gemeinschaft sammenarbeit, Armut zu Solidarität zur Mitwirkung und entsprechenden und Keuschheit zu einem Weg wird, harmonischen Präsenz aufgefordert“72, das Herz für die Empfänglichkeit und mit klarer Unterscheidung und zugleich universelle Geschwisterlichkeit zu gegenseitiger Ergänzung in den ver- öffnen; eine Gemeinschaft, in der das schiedenen Funktionen. Gebet gepflegt und das, was jede in 67. Die Teilnahme der gesamten Ge- sich trägt, etwa Gefühle, die Unter- meinschaft an der Ausbildung, sowohl stützung brauchen, mitgetragen an der lebenslangen als auch an der wird; eine Gemeinschaft, in der die anfänglichen, setzt voraus, dass jedes Mystik der Begegnung, die Mystik Kloster mit Freude seine formative Sen- des gemeinsamen Lebens 68 gelebt dung wahrnimmt und die notwendigen wird. Bedingungen schafft, um sie wirklich 65. Die Oberinnen sollten bei der Erfül- zu gewährleisten: 21 lung der Aufgabe, den Schwestern zu • Qualität des geschwisterlichen Le-
bens, die durch ein Klima des Ver- und Offenheit gegenüber den Armen Die Kunst der Suche nach dem Angesicht Gottes trauens, des Dialogs und der Freund- und Marginalisierten, in Harmonie lichkeit gekennzeichnet ist, das das mit der eigenen Wahl des kontempla- liturgische und persönliche Gebet, tiven Lebens. das Hören des Wortes Gottes, das Studium und die Arbeit fördert; Die Föderationspräsidentin • allgemeine Kohärenz zwischen ex- 68. Die Föderationspräsidentin soll pliziten und impliziten erzieheri- mit ihrem Rat und in enger Zusam- schen Botschaften und der Realität menarbeit mit den Höheren Oberinnen des geweihten Lebens; die Ausbildung auf Föderationsebene • Manifestation der Schönheit eines fördern und koordinieren; sie soll Fort- kontemplativen Lebens, das ganz bildungsaktivitäten für die Höheren dem Herrn geweiht ist; Oberinnen und die Ausbilderinnen der • Fähigkeit zur Provokation, die dazu Föderation voranbringen.73 aufgerufen ist, weiter hinauszuge- 69. Die Föderationpräsidentin erstellt hen; mit ihrem Rat die Ratio Formationis • Bereitschaft, gemeinsam zu wachsen der Föderation, im Einklang mit dieser und eine prägende Beziehung unter Ratio, und gewährleistet eine ganz- den Mitgliedern zu pflegen, insbe- heitliche, organische, graduelle und sondere mit den Kandidatinnen in sinnvolle Ausbildung der Schwestern der Ausbildung; der Föderation.74 Um in Kraft zu treten, • Verantwortungsbewusstsein der muss diese Ratio von der Föderations- Schwestern, die der Gemeinschaft versammlung genehmigt werden. angehören, gegenüber der Gemein- schaft; Mögliche Experten • Projekt des geschwisterlichen Le- 70. In der individuellen Begleitung bens, Frucht der gemeinsamen Un- kann bei Bedarf auf die Hilfe der psy- terscheidung, die die Vielfalt als chopädagogischen Wissenschaften Reichtum, die Zusammenarbeit zwi- zurückgegriffen werden. Sie können schen Jung und Alt, das Verständnis sowohl bei der Strukturierung einer für diejenigen, die Fehler gemacht ausgewogenen Entwicklung der Per- und noch nicht gelernt haben, res- sönlichkeit als auch in bestimmten pektiert und wertschätzt; heiklen Lebensphasen helfen. Es sollte • Bereitschaft, sich Konflikten zu stel- jedoch bedacht werden, dass der Dienst len und gemeinsam nach einer Lö- der Begleitung weder das Werk Got- sung zu suchen, gegebenenfalls un- tes ersetzt, der der erste und einzige ter Einsatz von Experten, so dass die Formator und Begleiter ist, noch den Gemeinschaft der privilegierte Ort Einsatz derer, die begleitet wird und in für eine beständige Bekehrung ist; erster Linie für ihre eigene Ausbildung • Aufmerksamkeit für die Geschichte verantwortlich ist. 22
Die ständige Weiterbildung Ratio Formationis 71. Wie bereits mehrfach betont wur- geistlicher und pädagogischer Weisheit de, ist die Ausbildung ein Prozess, für reiche Methode vorzuschlagen, die den, den jede Person in erster Linie selbst der sich Gott zu weihen wünscht, nach verantwortlich ist.1 So lautet das Wort und nach dahin führt, die selbstlose des Apostels: Darum rufe ich dir ins Gesinnung Christi, des Herrn, anzuneh- Gedächtnis: Entfache die Gnade Gottes men.“2 wieder (2 Tim 1,6). Dieser notwendige 73. Die Ratio Formationis muss eine Prozess wird insbesondere im Codex formative Empfehlung für Frauen sein, des Kanonischen Rechtes interpretiert, die zur Nachfolge Christi im kontempla- wenn es dort heißt: „In den einzelnen tiven Leben berufen sind: „Vom Beginn Instituten ist nach der ersten Profess der Sendung Christi an zeigt die Frau die Ausbildung aller Mitglieder zu ihm und seinem Geheimnis gegenüber vervollkommnen, damit sie das dem In- eine besondere Empfänglichkeit, die ei- stitut eigene Leben erfüllter führen und nem Wesensmerkmal ihrer Fraulichkeit dessen Sendung geeigneter ausführen entspricht.“3 Diese besondere Haltung können.“ (can. 659). der Frau ist „ein Zeichen für Gottes 72. Die Ausarbeitung der eigenen Ra- Zärtlichkeit gegenüber dem Menschen- tio Formationis ist ein Weg, den nicht geschlecht und ein besonderes Zeugnis wenige Föderationen noch beschreiten des Geheimnisses der Kirche, die Jung- müssen. „Die Ratio antwortet heute frau, Braut und Mutter ist.“4 auf eine echte Notwendigkeit: sie zeigt 74. Um einen wirklichen Ausbildungs- einerseits auf, wie der Geist des Ins- weg zu gewährleisten, wird die Ratio tituts vermittelt werden soll, damit er auf Föderationsebene ausgearbeitet und von den jungen Generationen in der in allen Klöstern als erstes und unver- Unterschiedlichkeit der Kulturen und zichtbares Projekt angewandt.5 der geographischen Lagen unverfälscht gelebt werde; andererseits erläutert sie Die Ausbildung der Nonnen den Personen des geweihten Lebens die Wege, um den gleichen Geist in den 75. Ziel des geweihten Lebens ist die verschiedenen Lebensphasen im Fort- Gleichgestaltung mit dem Herrn Jesus schreiten auf die volle Reife des Glau- und seiner totalen Hingabe. Aus die- bens an Christus hin zu leben. sem Grund eröffnet und begleitet die Wenn es also zutrifft, dass die Erneue- Ausbildung diesen Weg der fortschrei- rung des geweihten Lebens hauptsäch- tenden Assimilation mit der selbstlosen lich von der Ausbildung abhängt, so ist Gesinnung Christi gegenüber dem Vater. es ebenfalls richtig, dass diese ihrerseits Die Methode der Ausbildung muss „das 23 an die Fähigkeit gebunden ist, eine an Merkmal der Ganzheit annehmen und
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