PAR-Versorgungskonzept - Parodontalerkrankungen bei Versicherten - Bundeszahnärztekammer
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PAR-Versorgungskonzept Konzept für die Behandlung von Parodontalerkrankungen bei Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung
Inhalt Vorwort 6 Problemaufriss 8 Was ist Parodontitis? 8 Parodontitis und Allgemeingesundheit 8 Häufigkeit der Parodontitis und derzeitige Versorgungslage 8 Herausforderungen bei der Versorgung parodontaler Erkrankungen 10 Start und Ziel der Therapie 13 Ab wann besteht Behandlungsbedarf? 13 Aus klinischer Sicht 13 Nach den Bestimmungen der GKV 15 Was ist das Behandlungsziel? 16 Versorgungsdefizite in der GKV 17 Rechtslage nach SGB V 17 Vorgaben in Richtlinien und BEMA nicht mehr zeitgemäß 17 PAR-Versorgungskonzept 19 Leistungen entsprechend State of the Art 19 PAR-Versorgungskonzept – Ordnungspolitische Umsetzung 22 Sachleistung, Zuschuss und Bonus 22 Reevaluation und Ärztliches Gespräch 23 Mitwirkung und Behandlungserfolg 23 Strukturierte Nachsorge mit Bonussystem 24 Abkürzungsverzeichnis 27 Literatur 28 Mitglieder der Arbeitsgruppe 32 Impressum 34 4
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Vorwort Die Mundgesundheit der Bevölkerung hat sich in den Mit dem Versorgungskonzept für eine moderne Parodonti- letzten 20 Jahren erheblich verbessert. Im internationalen tistherapie verfolgt die Zahnärzteschaft das Ziel, die immer Vergleich nimmt Deutschland bei der Mundgesundheit noch hohe Parodontitisprävalenz in Deutschland zu senken einen Spitzenplatz ein. In der Breite der zahnmedizinischen und die Mundgesundheit weiter zu verbessern. Versorgung hat Deutschland insgesamt einen hohen Ver- sorgungsgrad erreicht. Für diese Erfolgsgeschichte gibt es Parodontitis ist neben Karies die zweite große Volkskrank- einen Grund: Konsequenter als in anderen Gesundheits- heit, die unbehandelt zu Zahnverlust fortschreiten kann, bereichen wird auf Prävention gesetzt. verbunden mit Problemen beim Essen und Sprechen. Selbstvertrauen und Lebensqualität sind beeinträchtigt. Die Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V) zeigt Hinzu kommt, dass die Parodontitis keine lokal auf die bei Parodontalerkrankungen zwei zentrale Ergebnisse: Mundhöhle begrenzte Infektion ist. Es bestehen Wechsel- Auf der einen Seite nimmt die Zahl der Menschen mit beziehungen zwischen Mundgesundheit und Allgemein- Parodontalerkrankungen in Deutschland ab. Die schweren gesundheit. Parodontitis steht in Verbindung mit Typ-2- Parodontalerkrankungen haben sich bei den jüngeren Er- Diabetes, kardiovaskulären Erkrankungen und anderen wachsenen (35- bis 44-Jährige) halbiert. Bei den jüngeren chronischen Leiden. Eine Verbesserung der parodontalen Senioren (65- bis 74-Jährige) gibt es einen rückläufigen Gesundheit würde zur Vorbeugung und Kontrolle dieser Trend bei der Parodontitis trotz mehr erhaltener Zähne. Erkrankungen beitragen. Auf der anderen Seite weist jeder zweite jüngere Senior eine parodontale Erkrankung auf. Insgesamt hat fast jeder Der Aufklärung der Bevölkerung über parodontale Gesund- Zweite in dieser Altersgruppe eine moderate und jeder heit und der Prävention kommen ähnlich wie bei der Karies- Fünfte eine schwere Parodontitis. Bei den älteren Senioren prävention eine zentrale Bedeutung bei der Vermeidung – also den 75- bis 100-Jährigen – verstärkt sich dieser Trend. von Parodontitis zu. Zähne können durch eine gezielte Hier weisen sogar neun von zehn Menschen eine moderate Vorsorge bis ins hohe Alter erhalten bleiben. Die gezielte bzw. schwere Parodontitis auf. Damit zeigt die DMS V auf, Mitarbeit des informierten und motivierten Patienten dass der versorgungspolitische Handlungsbedarf bei der durch eine intensive Mundhygiene beugt in vielen Fällen Bekämpfung der Parodontitis liegt. erfolgreich der Entstehung oder auch der Progression einer Parodontitis vor. Korem ipsum Fußnote Blindtext Platzhalter lorem ipsum Korem ipsum Fußnote Blindtext Platzhalter lorem ipsum Korem ipsum Fußnote Blindtext Platzhalter lorem ipsum 6 Korem ipsum Fußnote Blindtext Platzhalter lorem ipsum
Da es sich bei der Parodontitis um eine chronische Erkran- Wir verstehen das vorliegende PAR-Versorgungskonzept als kung handelt, ist zur Behandlung und Verhinderung einer möglichen Lösungsweg und als Angebot an die Gesund- weiteren Verschlimmerung dieser multifaktoriell, vor allem heitspolitik und die Krankenkassen. Wir würden uns wün- bakteriell bedingten, entzündlichen Veränderung des schen, dass die Vorschläge eine konstruktive Diskussion Zahnhalteapparates ein nachhaltiges Therapiekonzept er- über die zukünftige Gestaltung der Parodontitistherapie forderlich. im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung ansto- ßen, um den gesetzlich krankenversicherten Patienten eine Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand dem Stand der Wissenschaft entsprechende Therapie an- gehören zu einer fachgerechten Parodontitistherapie auch bieten zu können. das ärztliche Gespräch, die Reevaluation und eine struktu- rierte Nachsorge in Form der unterstützenden Parodon- Ganz ausdrücklich bedanken möchten wir uns für die wis- titistherapie (UPT). Diese Leistungen fehlen im aktuellen senschaftliche Begleitung durch Herrn Professor Dr. Peter GKV-Leistungskatalog. Eine unterstützende Parodontitis- Eickholz, Direktor der Poliklinik für Parodontologie an der therapie ist notwendig, um Behandlungserfolge langfristig Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main. zu sichern. Versorgungspolitisch halten wir es für notwen- dig, über ein Bonussystem Anreize zur regelmäßigen Teil- nahme an der Nachsorge zu setzen. Dr. Wolfgang Eßer Dr. Peter Engel Prof. Dr. Christof Dörfer Vorsitzender Präsident Präsident des Vorstandes der KZBV der Bundeszahnärztekammer der DG PARO Korem ipsum Fußnote Blindtext Platzhalter lorem ipsum Korem ipsum Fußnote Blindtext Platzhalter lorem ipsum Korem ipsum Fußnote Blindtext Platzhalter lorem ipsum Korem ipsum Fußnote Blindtext Platzhalter lorem ipsum 7
Problemaufriss Was ist Parodontitis? Das Risiko, an einer Parodontitis zu erkranken, steigt mit zunehmendem Lebensalter an (Immunoseneszenz). Neben Parodontitis, im Volksmund oft als „Parodontose“ bezeich- dem dentalen Biofilm wird die Erkrankung auch durch wei- net, ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des Zahn- tere modifizierbare Risikofaktoren wie Stress, Rauchen und halteapparates, des Parodonts. Bakterielle Zahnbeläge, Übergewicht begünstigt. Daneben sind nicht modifizier- auch dentaler Biofilm genannt, lösen eine entzündliche bare systemische oder genetische Risikofaktoren bekannt, Reaktion des Zahnfleisches, der Gingiva, aus; die Gingivitis die vor allem die Infektabwehr betreffen (Loos 2015, Schä- entsteht. Verändert sich die Zusammensetzung des Bio- fer 2015). Bevölkerungsgruppen mit niedrigem Bildungs- films ungünstig oder ist die betroffene Person anfällig für niveau und schwachem sozialen Hintergrund scheinen eine Entgleisung der Entzündungsreaktion, greift der Ent- stärker betroffen zu sein. zündungsprozess auf alle Gewebe des Parodonts über und zerstört sie. Die Parodontitis beginnt mit einer akuten Ent- Parodontitis und Allgemeingesundheit zündung des Zahnfleisches. Etabliert sich die Entzündung, entstehen Zahnfleischtaschen, die die Ansiedlung von Die Parodontitis ist keine lokal auf die Mundhöhle be- Bakterien weiter begünstigen. Die andauernde bakterielle grenzte Infektion. Die Bakterien und Entzündungsstoffe Infektion führt zu einer Abwehrreaktion des Körpers, die zu bei Parodontitis gelangen über das Parodontium in den einem Verlust der Gewebe führen kann, die den Zahn im Blutkreislauf und können so auch topographisch von der Kieferknochen verankern. Hier sprechen die Fachleute von Mundhöhle entfernt in anderen Organen pathologisch parodontalem Attachmentverlust und Knochenabbau. Am wirken. Es bestehen Zusammenhänge zwischen Mund- Ende des meist über Jahre andauernden Prozesses steht gesundheit und Allgemeingesundheit. Wissenschaftliche ohne Therapie oft der Zahnverlust. Um diesen Verlust zu Untersuchungen belegen zunehmend Wechselbeziehun- verhindern, sind regelmäßige Termine beim Zahnarzt und gen zu systemischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus eine dauerhaft effektive Mundhygiene erforderlich. (EFP 2016) und rheumatoide Erkrankungen (Detert 2010) sowie zu chronischen Atemwegserkrankungen. Parodon- Parodontitis kann an einzelnen Zähnen lokalisiert auftre- talerkrankungen gehen mit einem erhöhten Risiko einher ten oder das Gebiss in großem Umfang, das heißt genera- für kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinfarkt bzw. lisiert, angreifen. Dabei wechseln sich aktive und inaktive Schlaganfall sowie für Schwangerschaftskomplikationen Phasen ab. (DG PARO 2010). Wissenschaftliche Studien belegen, dass die Verbesserung der parodontalen Gesundheit dazu bei- Parodontitis verläuft für den Patienten zunächst fast im- tragen kann, Diabetes besser zu kontrollieren (Sanz 2017) mer ohne spürbare Beeinträchtigungen oder Schmerzen. und sogar mit der Erkrankung einhergehende Komplikatio- Sie gilt daher als „stille“ Erkrankung (silent disease). Ein nen zu vermindern (Artese 2015). Es gibt zudem Hinweise Hinweis ist häufiges Zahnfleischbluten, das aber für den darauf, dass eine erfolgreiche Parodontitistherapie zu ver- Patienten keine Unterscheidung zur Gingivitis ermöglicht, besserten kardiovaskulären Werten führen kann (Tonetti bei der es noch nicht zu irreversiblen Schäden gekommen 2013). ist. Erst im fortgeschrittenen Zustand, wenn das Zahn- fleisch zurückweicht und die Zähne beweglich werden, be- Eine gute Mundhygiene, das Erkennen der Symptome und merkt der Patient selbst, dass er Parodontitis hat. Nur der regelmäßige Zahnarztbesuche fördern die Mundgesund- Zahnarzt kann die Erkrankung durch die allgemeine Unter- heit und können auch die Behandlung anderer Krankheiten suchung des Mundraums frühzeitig feststellen. Hilfreich unterstützen. ist eine Screening-Untersuchung, zum Beispiel nach dem Parodontalen Screening Index (PSI) (Meyle & Jepsen 2000, Häufigkeit der Parodontitis und Mombelli 2013), bei der mit Hilfe einer Sonde die Tiefe der derzeitige Versorgungslage Zahnfleischtaschen gemessen wird. Patienten, die Sondie- rungstiefen von 3,5 mm oder mehr aufweisen (PSI-Codes 3 Obwohl die Zahl der Menschen mit Parodontalerkrankun- und 4) bedürfen einer gezielten weiteren Diagnostik und gen in Deutschland abnimmt, ist für die Zukunft aufgrund zumeist einer Parodontitistherapie. Weiteren Aufschluss der demografischen Entwicklung und der Verlagerung über den parodontalen Zustand ergeben Röntgenuntersu- chronischer Munderkrankungen in ein höheres Lebensal- chungen und gegebenenfalls weiterführende diagnosti- ter ein steigender Behandlungsbedarf zu prognostizieren. sche Tests (z. B. mikrobiologische Tests). Korem ipsum Fußnote Blindtext Platzhalter lorem ipsum Korem ipsum Fußnote Blindtext Platzhalter lorem ipsum Korem ipsum Fußnote Blindtext Platzhalter lorem ipsum 8 Korem ipsum Fußnote Blindtext Platzhalter lorem ipsum
Nach der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie liegt eine moderate Parodontitis vor. Etwa 44 % der älteren (DMS V) (Jordan & Micheelis 2016) weisen 51 % der jünge- Senioren haben eine schwere Parodontitis. ren Erwachsenen (35- bis 44-Jährige) in Deutschland eine Parodontalerkrankung auf. Die Ergebnisse der DMS V zeigen, dass sich die chronischen Erkrankungen Karies und Parodontitis im höheren Lebens- Bei 43 % der jüngeren Erwachsenen liegt eine moderate alter verdichten. Man spricht hier von einer sogenannten Parodontitis vor (mindestens zwei Zähne mit einem Morbiditätskompression. Morbiditätskompression, zu- Attachmentverlust ≥ 4 mm oder mindestens zwei Zähne nehmende Zahnerhaltung und die Prognose, dass sich die mit Sondierungstiefen ≥ 5 mm). Etwa 8 % der jüngeren Er- Bevölkerungszusammensetzung in den kommenden Jahr- wachsenen haben eine schwere Parodontitis (mindestens zehnten zugunsten älterer Bevölkerungsgruppen verschie- zwei Zähne mit einem Attachmentverlust ≥ 6 mm und ben wird, lassen erwarten, dass zukünftig ein Großteil der mindestens ein Zahn mit einer Sondierungstiefe ≥ 5 mm). Behandlungslasten in die älteren Bevölkerungsgruppen verschoben wird. Dies wird sich bei der Parodontitis beson- 65 % der jüngeren Senioren (65- bis 74-Jährige) weisen eine ders auswirken. Parodontalerkrankung auf. Bei 45 % der jüngeren Senioren liegt eine moderate Parodontitis vor. Etwa 20 % der jünge- Die Tatsache, dass nur rund eine Million systematische ren Senioren haben eine schwere Parodontitis. Parodontitistherapien pro Jahr über die Gesetzliche Kran- kenversicherung (GKV) abgerechnet werden, offenbart, 90 % der älteren Senioren (75- bis 100-Jährige) weisen eine dass man aktuell (KZBV 2016) von einer deutlichen Unter- Parodontalerkrankung auf. Bei 46 % der älteren Senioren versorgung beim Thema Parodontitis ausgehen muss. Dies Parodontalerkrankungen1 bei jüngeren Erwachsenen 29,0 % keine/milde Parodontitis 48,4 % 2,7 Zähne sind moderate laut DMS V Parodontitis durchschnittlich 53,6 % parodontal erkrankt 43,4 % schwere Parodontitis 17,4 % 8,2 % DMS IV (2005) DMS V (2014) 1 CDC/AAP-Fallklassifikation ■ Schwere Parodontalerkrankungen bei jüngeren Erwachsenen (35- bis 44-Jährige) halbiert Abb. 1: Parodontalerkrankungen bei jüngeren Erwachsenen 9
steht im Gegensatz zur nach wie vor hohen Prävalenz der logischen Fachgesellschaften (EFP) deshalb im April 2016 Parodontitis und verdeutlicht den dringenden Handlungs- eine Aufklärungskampagne über diese „stille“ Erkrankung bedarf. gestartet (EFP 2016). Ziel dieser Kampagne ist es, darüber aufzuklären, welche Bedeutung parodontale Gesundheit Herausforderungen bei der Versorgung und Erkrankung bei der Vorbeugung, Erkennung und Kon- parodontaler Erkrankungen trolle bestimmter chronischer Krankheiten haben. In diesem Rahmen wurden fachliche Handlungsempfehlungen veröf- Auf der einen Seite steht die Aufklärung der Bevölkerung fentlicht, die als Goldstandard der europäischen Fachleute über parodontale Gesundheit. Eine parodontale Erkran- bezeichnet werden können (EFP 2014). Aktuell wurde kung verursacht normalerweise keine Schmerzen oder im Jahr 2017 seitens der EFP ein Aufruf vorgestellt, der starkes Unbehagen. Deshalb bemerken viele Menschen sich für weltweites Handeln für parodontale Gesundheit die Entwicklung gar nicht. Das am häufigsten auftretende ausspricht und von Berufsorganisationen aus aller Welt Symptom ist Zahnfleischbluten. Parodontitis ist eine weit- unterstützt wird (EFP 2017, Tonetti 2017). Dieser nimmt verbreitete chronische Entzündung und neben Karies eine Stellung zur Auswirkung der globalen Parodontitislast auf der Hauptursachen von Zahnverlust. Sie beeinträchtigt die Gesundheit, Ernährung und Wohlbefinden des Menschen. Ernährung, das Sprechen, das Selbstbewusstsein und das Parodontitis ist die Hauptursache für Zahnverlust bei Wohlbefinden der Patienten. Es bestehen Zusammenhän- Erwachsenen weltweit. Die Erkrankung birgt die Gefahr für ge zwischen Parodontitis und Allgemeinerkrankungen. Un- die Entwicklung von multiplem Zahnverlust, Zahnlosigkeit ter dem Motto „Parodontale Gesundheit für ein besseres und Störungen des Kauapparates. Mit den Folgeauswir- Leben“ hat der Europäische Dachverband der Parodonto- kungen auf Ernährung, Lebensqualität und Selbstwert- Parodontalerkrankungen1 bei jüngeren Senioren 8,0 % keine/milde Parodontitis 35,3 % 47,9 % 3,1 Zähne sind moderate laut DMS V Parodontitis durchschnittlich 44,8 % parodontal erkrankt 44,1 % schwere Parodontitis 19,8 % DMS IV (2005) DMS V (2014) 1 CDC/AAP-Fallklassifikation ■ Schwere Parodontalerkrankungen bei jüngeren Senioren (65- bis 74-Jährige) halbiert Abb. 2: Parodontalerkrankungen bei jüngeren Senioren 10
gefühl der Betroffenen hat die Parodontitis ausgeprägte Auf der anderen Seite müssen die Rahmenbedingungen sozioökonomische Folgen und verursacht hohe Kosten für eine moderne Parodontitistherapie im Rahmen der im Gesundheitswesen. In dem Aufruf wird zukünftiger gesetzlichen Krankenversicherung gestaltet werden. Die Handlungsbedarf an die nationalen Gesundheitssysteme moderne Gesundheitsversorgung von Parodontitis setzt adressiert, um die globale Erkrankungslast der Parodonti- sich aus Elementen der Prävention, Diagnostik, Therapie tis einzudämmen. Die dazu eingeforderte – und weltweit und strukturierter Nachsorge zusammen. Dabei kommt konsentierte – zeitgemäße Behandlungsstrecke deckt sich der Prävention eine besondere Bedeutung zu. Sie beinhal- mit der vorgeschlagenen Behandlungsstrecke im vorlie- tet professionelle Maßnahmen, aber auch die Mitarbeit genden Versorgungskonzept. Auch im Aufruf der EFP wird des Patienten zur Verbesserung der Mundhygiene und Ver- die Bedeutung der strukturierten Nachsorge durch die meidung von parodontitisfördernden Gewohnheiten, wie unterstützende Parodontitistherapie (UPT) als ein ent- beispielsweise das Rauchen. Eine Gingivitis kann dadurch scheidender Therapieschritt für den Langzeiterfolg der vollständig ausgeheilt, eine Parodontitis heute zum Still- Behandlung herausgestellt. stand gebracht oder doch zumindest im Verlauf erheblich verlangsamt werden. Zähne können durch eine gezielte Vorsorge bis ins hohe Alter erhalten bleiben. Die gezielte Mitarbeit des infor- Prävention, Therapie und Nachsorge gehen zum Teil eng mierten und motivierten Patienten durch eine intensive ineinander über. So ist zum Beispiel die Therapie der Gingi- Mundhygiene beugt in vielen Fällen erfolgreich der Entste- vitis zugleich Teil der Prävention vor Parodontitis, die Nach- hung einer Parodontitis vor. Maßnahmen des Zahnarztes sorge nach einer Parodontitistherapie dient der Sicherung ergänzen dies. des Behandlungserfolgs und der Prävention vor weiterem Fortschreiten der Erkrankung gleichermaßen. Prognostizierter parodontaler Behandlungsbedarf durch demografischen Wandel Parodontalerkrankungen sind altersassoziiert. Im Jahr 2030 werden der Großteil der Bevölkerung Senioren sein. Trotz abnehmender Prävalenzen ist daher derzeit mit einer Zunahme des parodontalen Behandlungsbedarfs zu rechnen. Alter Alter in Jahren in Jahren Männlich 100 Weiblich Männlich 100 Weiblich 2015 2030 90 90 80 80 70 70 60 60 50 50 40 40 30 30 20 20 10 10 0 0 800 700 600 500 400 300 200 100 0 0 100 200 300 400 500 600 700 800 800 700 600 500 400 300 200 100 0 0 100 200 300 400 500 600 700 800 Tausend je Altersjahr Tausend je Altersjahr Abb. 3: Prognostizierter parodontaler Behandlungsbedarf durch demografischen Wandel (Quelle: KZBV-Jahrbuch 2016) 11
Weil das Risiko, an Parodontitis zu erkranken, und auch Der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversiche- der Verlauf der Erkrankung bei jedem Menschen unter- rung ist auf diese Anforderungen an eine zeitgemäße, schiedlich ist, sind heute individuell auf den Patienten präventionsorientierte Therapie der Parodontitis nicht aus- zugeschnittene Präventions- und Behandlungskonzepte gerichtet. Schlüssel zum Erfolg sind die Bewältigung von erforderlich. Dazu gehören die Erfassung des jeweiligen Risikofaktoren und eine Verhaltensänderung des Patien- Befundes, die individuelle Aufklärung des Patienten darü- ten. Dabei kommt der Eigenverantwortung des Patienten ber sowie die Beratung, Unterweisung und Instruktion zur für seine Mundgesundheit eine zentrale Bedeutung zu. Vor Optimierung der individuellen Mundhygiene. Regelmäßige dem Hintergrund der demografischen Entwicklung ist von Präventionssitzungen dienen der Kontrolle und Motivation, einer weiteren Zunahme der Parodontitislast bei älteren die hierbei vorgenommenen professionellen Mundhygiene- Menschen auszugehen. Damit steht das zahnmedizini- maßnahmen der Unterstützung des Patienten. sche Versorgungssystem vor großen Herausforderungen, die ohne eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedin- gungen in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu bewältigen sind. 12
Start und Ziel der Therapie Ab wann besteht Behandlungsbedarf? Zusätzlich wird unterschieden, ob eine lokalisierte (maxi- mal 30 % der Zahnflächen betroffen) oder eine generali- Aus klinischer Sicht sierte (mehr als 30 % der Zahnflächen betroffen) Ausprä- Entzündliche Erkrankungen des Zahnhalteapparates ha- gungsform vorliegt. ben eine multifaktorielle Ursache, bei der es primär ne- ben der Anwesenheit pathogener Keime (Dysbiose) in den Weil die Sondierungstiefen den jeweiligen Entzündungs- Zahnbelägen (Biofilm) entscheidend auch auf ein für die zustand reflektieren und deshalb den Behandlungsbedarf Vermehrung dieser Keime günstiges Milieu (z. B. anaerobe determinieren, orientieren sich daran der Community Peri- Nische, veränderte Wirtsabwehr) in der Mundhöhle an- odontal Index (CPI) und der von ihm abgeleitete Periodon- kommt. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang das tal Screening Index (PSI). Beide Indizes wurden in den 80er Wechselspiel zwischen Bakterienangriff und Wirtsabwehr, Jahren vom Community Periodontal Index of Treatment das das Ausmaß der Entzündungsreaktion bestimmt und Needs (CPITN) abgeleitet, der ursprünglich entwickelt entsprechend zur Destruktion des Parodonts beiträgt. wurde, um den erforderlichen Behandlungsbedarf und die hierfür erforderlichen Berufsgruppen zu bestimmen. Be- Die Wirtsabwehr wird durch eine Reihe von Faktoren be- reits eine Messstelle mit PSI-Code 4 erfordert eine umfang- einflusst, die im Bereich der genetischen Disposition, der reiche parodontale Diagnostik, um die Notwendigkeit einer sozioökonomischen Stellung, verschiedener systemischer strukturierten Parodontitistherapie festzustellen. Der Ein- Erkrankungen, psychosomatischer Einflüsse (z. B. Stress) satz des CPI zur Bestimmung der Prävalenz parodontaler und gesundheitsriskanter Verhaltensweisen (z. B. Rauchen) Erkrankungen hat daher das Problem, dass er bei jüngeren anzusiedeln sind (s. o.). Eine ausgedehnte Parodontitis, Probanden zur Überschätzung und bei älteren zur Unter- die nicht therapiert wird, erhöht signifikant das Risiko für schätzung des parodontalen Erkrankungsgrads führt. Der Zahnlockerung bzw. letztlich Zahnverlust und führt zu den PSI wird nur sextantenweise erhoben, so dass keine detail- beschriebenen Wechselwirkungen mit Allgemeinerkran- lierte Beschreibung des Ausmaßes der Erkrankung möglich kungen. Die Beurteilung der Behandlungsbedürftigkeit ei- ist. ner Parodontitis ist grundsätzlich komplex und richtet sich vor allem nach den sondierbaren Attachmentverlusten Parodontaler Behandlungsbedarf ist bei folgenden PSI- (probing attachment loss [PAL]; Verlust des zahnhaltenden Codes zu erwarten: Gewebes, gemessen von der Schmelz-Zement-Grenze/Res- taurationsrand zum Taschenboden), dem röntgenologisch PSI-Code 3: ST ≥ 3,5–5,5 mm feststellbaren Knochenabbau und den Sondierungstiefen PSI-Code 4: ST > 5,5 mm (ST; gemessen vom Gingivarand zum Taschenboden) der Zahnfleischtaschen. Dabei charakterisieren der PAL und Die Klassifikation der Parodontalerkrankungen (Armitage röntgenologisch feststellbarer Knochenverlust das Aus- 1999, Kocher 2013) erfasst Schweregrad (leicht, mittel, maß der parodontalen Zerstörung bzw. die Summe der schwer) und Ausdehnung (lokalisiert, generalisiert), lässt parodontalen Zerstörung über die Jahre hinweg auch nach aber keine unmittelbare Aussage zum Behandlungsbedarf Ausheilung der chronischen Entzündung, während Sondie- zu. Der PSI stellt auf eine Betrachtung von Maximalwerten rungstiefen und Sondierungsblutung (bleeding on probing ab: Entscheidend für die Fallzuordnung ist, dass mindes- [BOP]) die Ausprägung der Entzündung darstellen und da- tens an einer Messstelle der Zahnflächen die geforderten mit Schlussfolgerungen über den gegenwärtigen Behand- klinischen Werte erreicht bzw. überschritten werden. Eine lungsbedarf zulassen. Diagnose allein mit den PSI-Codes ist unmöglich. Ein PSI- Code 3 kann durch eine moderate Parodontitis (Attach- Nach der Klassifikation der American Academy of Periodon- mentverlust) oder durch eine Gingivawucherung (kein tology (AAP) wird im Hinblick auf den Typus der „Chroni- Attachmentverlust) oder durch eine Kombination beider schen Parodontitis“ (der häufigsten Form von Parodontitis) verursacht sein. Aus diesem Grund lösen die PSI-Codes 3 zwischen folgenden Schweregraden unterschieden (Armi- und 4 zwingend weiterführende Diagnostik mit der Erhe- tage 1999, Kocher 2013): bung von Sondierungstiefen, PAL/Rezessionen und Furka- tionsbeteiligung aus. Die so erhobenen zusätzlichen Infor- Leicht: PAL = 1–2 mm mationen erlauben dann eine Diagnose. Mittel: PAL = 3–4 mm Schwer: PAL ≥ 5 mm 13
Aus klinischer Sicht liegt eine behandlungsbedürftige Pa- ST > 5,5 mm vorliegen, ist in einem 2. Schritt ein offenes rodontopathie vor, wenn als klinischer Leitbefund eine chirurgisches Vorgehen indiziert. „Sondierungstiefe von 3,5 mm und mehr“ an einem Zahn festgestellt werden kann. Bei den oben dargestellten Definitionen bleibt allerdings offen, unter welchen klinischen Bedingungen eine Paro- Behandlungsbedürftig bedeutet, dass als erster Schritt dontitis überhaupt erfolgreich behandelt werden kann. im Rahmen der Antiinfektiösen Therapie (AIT) ein supra- Wie bereits ausgeführt, kann eine Reihe von Faktoren (z. und subgingivales Debridement ohne chirurgische Lap- B. Rauchen, ineffektive individuelle Mundhygiene) die Er- penbildung (geschlossenes Vorgehen) erfolgt. Unter De- folgswahrscheinlichkeit einer Parodontitistherapie erheb- bridement versteht man eine Entfernung von Plaque und lich negativ beeinflussen. So kann zum Beispiel eine extre- Konkrementen von der Wurzeloberfläche. Bei einer Son- me Zahnlockerung durch fortgeschrittenen Knochenabbau dierungstiefe bis zu 3 mm führt eine subgingivale Instru- die Prognose derart verschlechtern, dass der Zahn mögli- mentierung zu geringen Attachmentverlusten, aber keiner cherweise als nicht mehr erhaltungsfähig eingestuft wird Reduktion der Sondierungstiefe. Ab einer Sondierungstiefe und entsprechend als Therapieoption die Zahnextraktion von 4 mm resultiert das geschlossene Vorgehen in sub- sinnvoll erscheint (Behandlungsrichtlinie: Zahnbeweglich- stantiellen Sondierungstiefe-Reduktionen und Attachment- keit Grad III und Knochenabbau ≥ 75 %). Allerdings sollten gewinnen (Hung & Douglass 2002, siehe Tab. 1). Der in im Interesse der Wirtschaftlichkeit die Chancen für einen der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses Zahnerhalt durch parodontale Therapie (geschlossenes (G-BA) für eine ausreichende, zweckmäßige und wirt- Vorgehen) insbesondere bei bisher geschlossener Zahn- schaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Behand- reihe ggf. in Kombination mit semipermanenter Schienung lungsrichtlinie) angegebene Schwellenwert von Sondie- gegen die hohen Kosten für Zahnersatz insbesondere im rungstiefe ≥ 3,5 lässt sich demnach gut begründen. Sollten ästhetisch relevanten Bereich abgewogen werden. nach geschlossenem Vorgehen (bei Reevaluation 1) noch Sondierungstiefen N ST-Reduktion P-Wert* Attachment- P-Wert* vor Therapie gewinn 6 Monate nach Therapie 1 – 3 mm 102 0,04 mm 0,28 -0,15 mm 0,01 4 – 6 mm 102 1,07 mm 0,0001 0,6 mm 0,0001 ≥ 7 mm 100 1,97 mm 0,0001 1,21 mm 0,0001 12 Monate nach Therapie 1 – 3 mm 244 0,21 mm 0,0002 -0,23 mm 0,33 4 – 6 mm 244 1,16 mm 0,0001 0,52 mm 0,001 ≥ 7 mm 183 2,20 mm 0,0001 1,42 mm 0,0001 Tab. 1: Reduktion der Sondierungstiefen (ST) und Attachmentgewinne 6 und 12 Monate nach nichtchirurgischer Therapie (supra- und subgingivales Debridement, geschlossenes Vorgehen) differenziert nach Sondierungstiefen vor Therapie (eigene Darstellung nach Hung & Douglass 2002). * Signifikanzniveau α = 0,05 14
Nach den Bestimmungen der GKV - Zahnlockerung5: Aus der Behandlungsrichtlinie des G-BA für die vertrags- Grad I = gering horizontal (0,2 mm - 1 mm), zahnärztliche Versorgung ergibt sich, wann eine behand- Grad II = moderat horizontal (mehr als 1 mm), lungsbedürftige Parodontalerkrankung vorliegt. Grad III = ausgeprägt horizontal (mehr als 2 mm) und in vertikaler6 Richtung In Abschnitt B. V. „Systematische Behandlung von Parodon- topathien (Par-Behandlung)“ der Richtlinie heißt es dazu: Zu der Tatsache, dass es sich bei Parodontitis um eine chronische Erkrankung bzw. Manifestation einer System- Eine behandlungsbedürftige Parodontopathie liegt vor, erkrankung handelt, wird in der Richtlinie ausgeführt: wenn ein Parodontaler Screening-Index (PSI)-Wert von Code 3 oder 4 (Anlage)1 erhoben wird oder wenn eine der fol- Parodontitiden sind multifaktorielle Erkrankungen. Sie wer- genden Diagnosen gestellt wird und dabei eine Sondiertiefe den durch parodontopathogene Mikroorganismen verur- von 3,5 mm und mehr vorliegt: sacht. Ihre Progredienz wird durch endogene und exogene Risikofaktoren beeinflusst. Das Ziel der Behandlung von Par- - Chronische Parodontitis odontitiden ist, entzündliche Erscheinungen zum Abklingen - Aggressive Parodontitis zu bringen, ein Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern - Parodontitis als Manifestation von Systemerkrankungen und einem weiteren Alveolarknochenverlust und damit - nekrotisierende Parodontalerkrankungen Zahnverlust vorzubeugen. - Parodontalabszess - Parodontitis im Zusammenhang mit endodontalen Auch aus den Ausführungen in der Richtlinie zur beson- Läsionen deren Bedeutung der aktiven Mitarbeit des Patienten und - folgende entwicklungsbedingte oder erworbene zur regelmäßigen Nachsorge für eine günstige Prognose Deformitäten oder Zustände: erkennt man, dass es sich bei Parodontitis um eine chroni- - Gingivale Vergrößerungen sche Erkrankung handelt, die der permanenten Betreuung - Gingiva- und Weichgewebswucherungen bedarf und sich nicht durch eine einmalige oder kurzfristi- […] ge Behandlung heilen lässt: Grundlage für die Therapie sind die Anamnese, der klinische Die Prognose ist für das gesamte Gebiss oder für einzelne Befund (Parodontalstatus) und Röntgenaufnahmen. […] Parodontien ungünstig bei weit fortgeschrittenem Knochen- Die Anamnese umfasst: abbau von über 75 % oder einem Furkationsbefall von Grad 3. Die Prognose für die Therapie lokaler oder generalisierter - Allgemeine Anamnese (darunter Risikofaktoren für Parodontopathien wird zusätzlich durch folgende Faktoren Parodontitis wie Diabetes mellitus, Tabakkonsum, ungünstig beeinflusst: HIV-Infektion im fortgeschrittenen Stadium, Behandlung mit immunsuppressiven Medikamenten, Osteoporose) - Vorliegen systemischer Risikofaktoren (z. B. schlecht ein- - Familienanamnese im Hinblick auf Parodontal- gestellter Diabetes, HIV im fortgeschrittenen Stadium, erkrankungen Therapie mit immunsuppressiven Medikamenten, - Spezielle Anamnese (Schmerzen/Vorbehandlungen). Osteoporose) - Vorliegen exogener Risikofaktoren (z. B. Nikotinkonsum, Die Dokumentation des klinischen Befunds (Parodontal- Alkoholabusus) status) umfasst: - unzureichende Mitwirkung des Patienten - Taschentiefen2 und Blutung der Zahnfleischtaschen auf Sondieren In Abschnitt V Nummer 7 der Richtlinie heißt es weiter: - parodontale Rezessionen, um einen Ausgangswert für die Beurteilung einer möglichen Progression der Paro- Maßnahmen zur Sicherung des Behandlungserfolges: dontitis zu erheben; fakultativ und alternativ kann auch Die regelmäßige Untersuchung des Patienten nach Abschluss der klinische Attachmentverlust3 aufgezeichnet werden. einer systematischen Behandlung von Parodontopathien ist - Furkationsbefall4: wegen der Gefahr einer bakteriellen Wiederbesiedlung der Grad 1 = bis 3 mm in horizontaler Richtung, Taschen erforderlich. […] Grad 2 = mehr als 3 mm in horizontaler Richtung, Grad 3 = durchgängig 1 Aus der Anlage zur Richtlinie ergibt sich: Code 3 = Sondiertiefe 3,5 bis 5,5 mm 5 Anm. der Red.: Lindhe & Nyman 1977 (schwarzes Band der WHO-Sonde teilweise sichtbar), Code 4 = Sondiertiefe 6 mm 6 Anm. der Red.: axialer oder mehr (schwarzes Band der WHO-Sonde nicht mehr sichtbar) Anm. der Red.: Sondierungstiefen (ST) 15 2 3 Anm. der Red.: PAL 4 Anm. der Red.: Hamp 1975
Was ist das Behandlungsziel? - Im Prinzip Reduktion der Sondierungstiefen unter 5 mm. Minimale Persistenz vereinzelter Sondierungs- Das übergeordnete Ziel allgemein zahnärztlicher und da- tiefen über 4 mm mit auch parodontaler Therapie ist die langfristige Erhal- - Keine harten Konkremente auf der Wurzeloberfläche tung natürlicher Zähne in einem gesunden, funktionellen, - Abwesenheit von Hindernissen für die Plaque- ästhetisch akzeptablen und schmerzfreien Zustand. Der entfernung (Füllungs- und Kronenrandüberschüsse) Zahnerhalt stellt nicht nur aus Sicht der Zahnärzte das - Keine Zunahme der Zahnbeweglichkeit ultimative Ziel zahnärztlicher Therapie dar, er wird auch - Gesicherte Mitarbeit des Patienten und Beteiligung von den Patienten mit höchster Priorität eingestuft. Das am Recall hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Ge- sundheitswesen in einer Präferenzanalyse herausgearbei- In der Behandlungsrichtlinie heißt es dazu: tet (IQWiG 2016). Konkret wird als Therapieziel angestrebt (Mombelli 2014): Das Ziel der Behandlung von Parodontitiden ist, entzünd- liche Erscheinungen zum Abklingen zu bringen, ein Fort- - Substantielle Plaquereduktion schreiten der Erkrankung zu verhindern und einem weiteren - Kein Eiterfluss aus dem Sulcus Alveolarknochenverlust und damit Zahnverlust vorzubeu- - Gesunde Gingiva, wesentliche Reduktion des Blutens gen. auf Sondieren (BOP) 16
Versorgungsdefizite in der GKV Rechtslage nach SGB V P203), aber nicht – auch bis heute nicht – den fachlichen Er- kenntnissen gemäß erweitert. Auch der Richtlinienentwurf Gesetzlich Krankenversicherte haben gemäß § 27 Abs. 1 wurde um weite Teile „abgespeckt“ und am 24.09.2003 in Satz 2 Nr. 2 SGB V Anspruch auf zahnärztliche Behandlung. seiner noch heute gültigen Form als Abschnitt B. V. („Syste- Diese beinhaltet nach § 28 Abs. 2 Satz 1 SGB V „die Tätig- matische Behandlung von Parodontopathien“) der Behand- keit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung lungsrichtlinie verabschiedet. und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend Dabei bestand jedoch unter allen Beteiligten die Einsicht, und zweckmäßig ist“. Von diesem Leistungsanspruch um- dass die beschlossene Fassung der Richtlinie und des BEMA fasst ist auch die Behandlung parodontaler Erkrankungen. aufgrund der finanziellen Zwänge und Engpässe in der § 2 SGB V gibt vor, dass Leistungen dem allgemein aner- GKV die Möglichkeiten der Parodontitistherapie nach dem kannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entspre- Stand der Wissenschaft zur Behandlung bei Weitem nicht chen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen abdeckte und nicht abdecken konnte. haben. Nach der Behandlungsrichtlinie umfasst die systematische Gemäß § 12 Abs. 1 SGB V müssen Leistungen zulasten der Parodontitistherapie folgende Maßnahmen im Rahmen GKV „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; der vertragszahnärztlichen Versorgung: sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich a) Geschlossenes Vorgehen sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Bei Zahnfleischtaschen mit einer Sondiertiefe von 3,5 mm Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen und mehr, wobei alle supragingivalen und klinisch erreich- nicht bewilligen.“ baren subgingivalen weichen und harten Beläge – Biofilm und Zahnstein – nach Möglichkeit innerhalb von 4 Wochen Vorgaben in Richtlinien und BEMA entfernt werden. nicht mehr zeitgemäß b) Offenes Vorgehen In den Jahren 2002 und 2003 hat sich der seinerzeitige Bei Sondiertiefen von mehr als 5,5 mm kann das geschlos- Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen mit sene Vorgehen vor dem offenen Vorgehen durchgeführt der Überarbeitung der seit 1974 bestehenden Richtlinie werden. Nach dem geschlossenen Vorgehen ist zu prüfen, zur Behandlung von Parodontopathien befasst, die damals ob an einzelnen Parodontien ein offenes Vorgehen zusätz- schon Teil der allgemeinen Behandlungsrichtlinie war. Aus lich durchzuführen ist. wissenschaftlicher Sicht bestand dringender Handlungs- In Ausnahmefällen kann das offene Vorgehen auch ohne bedarf, da sich in kaum einem anderen zahnärztlichen vorheriges geschlossenes Vorgehen erfolgen. Leistungsbereich so wesentliche neue Therapiestandards entwickelt hatten wie im Bereich der Behandlung von Pa- […] rodontopathien. Die Überarbeitung der Richtlinie erfolgte Bei besonders schweren Formen der Parodontitis, die mit deshalb zunächst unter rein wissenschaftlichen Gesichts- einem raschen Attachmentverlust einhergehen, können punkten in enger Zusammenarbeit mit Vertretern der systemisch wirkende Antibiotika im zeitlichen Zusammen- Wissenschaft. Im Ergebnis wurde ein Richtlinienentwurf hang mit der Parodontitistherapie verordnet werden. Dies vorgelegt, der dem Stand der zahnmedizinischen Wissen- kann in der Regel direkt nach Abschluss des supra- und schaft zur Parodontologie entsprach. subgingivalen Debridements erfolgen. Bei den zeitgleich geführten Beratungen zur Änderung […] des BEMA im Rahmen seiner Umrelationierung stellte sich Eine mikrobiologische Diagnostik sowie die lokale Antibio- heraus, dass die angestrebten Leistungen zur Parodontitis- tikatherapie sind dabei grundsätzlich nicht Bestandteil der therapie den finanziellen Rahmen der GKV für die vertrags- vertragszahnärztlichen Versorgung. zahnärztliche Versorgung sprengen würden. In der Folge wurden die im BEMA enthaltenen Leistungen zur Behand- […] lung von Parodontopathien zwar neu strukturiert (P200 – Die regelmäßige Untersuchung des Patienten nach Abschluss einer systematischen Behandlung von Parodontopathien ist 17
wegen der Gefahr einer bakteriellen Wiederbesiedlung der abgebildet ist, nicht mehr die Anforderungen an eine zahn- Taschen erforderlich. ärztliche Behandlung im Sinne des § 28 Abs. 2 SGB V, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, […] Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahn- Die erste Untersuchung sollte bei geschlossenem Vorgehen ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig sein muss. nach 6 Monaten und nach offenem Vorgehen spätestens Der Gesetzgeber fordert in der Regelung des § 2 Abs. 1 Satz nach 3 Monaten erfolgen. 3 SGB V, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkennt- Die Richtlinien werden mit den in der Tab. 2 aufgeführten nisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt Leistungen des BEMA umgesetzt. zu berücksichtigen haben. Die Lücken, die im Vergleich zu einer zeitgemäßen, wissenschaftlich adäquaten Parodon- Vor dem dargestellten Hintergrund erfüllt die Parodonti- titistherapie bestehen, werden mit nachfolgendem Versor- tistherapie, wie sie heute innerhalb der GKV immer noch gungskonzept aufgezeigt. BEMA-Position Leistungsbeschreibung 4 Befundaufnahme und Erstellen eines Heil- und Kostenplanes bei Erkrankungen der Mund- schleimhaut und des Parodontiums P200 Systematische Behandlung von Parodontopathien (Supra- und subgingivales Debridement), geschlossenes Vorgehen je behandeltem einwurzeligen Zahn P201 Systematische Behandlung von Parodontopathien (Supra- und subgingivales Debridement), geschlossenes Vorgehen je behandeltem mehrwurzeligen Zahn P202 Systematische Behandlung von Parodontopathien (Chirurgische Therapie), offenes Vorgehen je behandeltem einwurzeligen Zahn P203 Systematische Behandlung von Parodontopathien (Chirurgische Therapie), offenes Vorgehen je behandeltem mehrwurzeligen Zahn Die Leistungen nach den Nm. P202 und P203 setzen chirurgische Maßnahmen der systemati- schen Behandlung der Parodontopathien voraus. Diese umfassen die Lappenoperation (einschließlich Naht und/oder Schleimhautverbände) sowie das supra- und subgingivale Debridement. […] Mit der Bewertungszahl sind alle Sitzungen abgegolten. Die Anästhesie ist zusätzlich abrechnungsfähig. 108 Einschleifen des natürlichen Gebisses zum Kauebenenausgleich und zur Entlastung, je Sitzung 111* Nachbehandlung im Rahmen der systematischen Behandlung von Parodontopathien, je Sitzung Tab. 2: Im BEMA derzeit abgebildete Leistungen zur Behandlung von Parodontopathien * Die Nachbehandlung nach Nr. 111 bezieht sich im Wesentlichen auf das Entfernen von Fäden und das Beseitigen verbliebener lokaler Reizfaktoren bzw. die Behandlung von Wundheilungsstörungen. Folgerichtig sind sie Teil der systematischen Behandlung von Parodontopathien und vor Abschluss und Abrechnung dieser Leistungen mit dem Kostenträger zu erbringen. 18
PAR-Versorgungskonzept Leistungen entsprechend State of the Art Das Verhalten des Patienten beeinflusst die Pathogenese der Parodontitis (DMS V 2016). Die Motivation des Pati- Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft gilt: enten und die Information über die Ergebnisse der Re- evaluation und das weitere Vorgehen nach jedem aktiven Zähne können durch eine gezielte Vorsorge bis ins hohe Therapieschritt in Form der „Ärztlichen Gespräche“ zeigt Alter erhalten bleiben. Die gezielte Mitarbeit des infor- die Notwendigkeit des Einbezugs der sprechenden Zahn- mierten und motivierten Patienten durch eine intensive medizin (Newton 2015). Mundhygiene beugt in vielen Fällen erfolgreich der Entste- hung einer Parodontitis vor. Maßnahmen des Zahnarztes Wesentlich und unverzichtbar in der Therapie der Paro- ergänzen dies. dontitis ist anschließend eine regelmäßige Unterstüt- zende Parodontitistherapie (UPT), die die Ergebnisse der Nach ausführlicher Befundung, Diagnose und Therapie- antiinfektiösen Therapie und möglicher zusätzlicher par- planung ist erster Therapieschritt einer zeitgemäßen sys- odontalchirurgischer Maßnahmen sichert und über Jahre tematischen Parodontitistherapie die Antiinfektiöse The- stabilisiert (Kocher 2000, König 2001, Eickholz 2008, Matu- rapie (AlT) mit dem Ziel der Elimination der parodontalen liene 2008, Pretzl 2008, Tsami 2009, Miyamoto 2010, NG Entzündung und der Reduktion der Sondierungstiefen, ggf. 2011, Costa 2014, Kim 2014, Seirafi 2014, Lee 2015). Im gefolgt von einer chirurgischen Intervention an in der Regel Leistungskatalog der GKV sind Maßnahmen der UPT nicht einzelnen Parodontien. vorgesehen (siehe Tab. 2). Damit „fehlt“ das fachlich inter- national anerkannte „2. Standbein“ einer wirkungsvollen Beide Therapieschritte ziehen je eine Reevaluation zur Kon- und Rezidiven zumindest in hohem Maße vorbeugenden trolle des Therapieergebnisses nach sich. Die Erhebung des Parodontitistherapie. Parodontalstatus zur Reevaluation 1 (nach geschlossenem Vorgehen) sollte frühestens nach 3 Monaten, die zur Re- Unter Berücksichtigung dieses derzeitigen Wissensstan- evaluation 2 (nach offenem Vorgehen) nach 3 bis 6 Mona- des über Ätiologie, Diagnostik, Therapie der Parodontitis ten erfolgen. und Erhaltung des Behandlungsergebnisses sowie unter Schema „Behandlungsstrecke“ ■ Leistungen PAR-Strecke BEMA ■ zusätzliche Leistungen PAR-Strecke neu Abb. 4: Schema „Behandlungsstrecke“ 19
Berücksichtigung international gültiger und eingeführter Um Therapieverlauf und -erfolg der späteren AlT, möglicher Behandlungs- und Betreuungskonzepte wird das folgende zusätzlicher CPT-Maßnahmen sowie der nachsorgenden Behandlungskonzept empfohlen: UPT sachgerecht feststellen und vergleichbar dokumentie- ren zu können, sollte der Parodontalstatus wiederkehrend 1. Erstkontakt (PSI-Befund, 01-Befund, Akutbefund) bei Reevaluation 1 und 2 sowie während der UPT mindes- 2. ausführlicher parodontaler Basisbefund, Diagnose, tens 1-mal pro Jahr erhoben werden. Prognose, Therapieplanung 3. Ärztliches Gespräch (ÄG) Aktuell ist die wiederkehrende Erhebung des Parodontal- 4. Antiinfektiöse Therapie (AlT) status bei Reevaluation 1 und 2 sowie während der UPT 5. Reevaluation 1 und Ärztliches Gespräch (ÄG) in der Behandlungsrichtlinie und den bestehenden Leis- 6. evtl. weiterführende chirurgische Parodontitistherapie tungsbeschreibungen nicht abgebildet. (CPT) mit 7. anschl. Reevaluation 2 und Ärztliches Gespräch (ÄG) Zu 3. 8. Unterstützende Parodontitistherapie (UPT) Ärztliches Gespräch (ÄG) Das Ärztliche Gespräch im Anschluss an Befunderhebung, Zu 1. Diagnose, Prognose und Therapieplanung ist ein eigener Erstkontakt (PSI-Befund, 01-Befund, Akutbefund) Therapieschritt und beinhaltet: Die im Rahmen des Erstkontaktes bzw. der Routineuntersu- chung erhobenen Befunde dienen der Feststellung, ob An- - die Information über Befund, Diagnose, Therapie- zeichen einer parodontalen Erkrankung vorliegen, die eine alternativen und deren Bedeutung gezielte Diagnostik erfordern. - die Information über und die gemeinsame Entschei- dungsfindung für die daraus folgende Therapie Aktuell sind Leistungen für den Erstkontakt in den beste- - die Information über die gegebenenfalls anfallenden henden Leistungsbeschreibungen bereits abgebildet (zum Kosten Beispiel BEMA-Positionen Nr. 04, Nr. 01, Nr. Ä1). - die Information über die Bedeutung von gesundheits- bewusstem Verhalten Zu 2. - die Information über Wechselwirkungen mit anderen Ausführlicher parodontaler Basisbefund, Diagnose, Erkrankungen Prognose, Therapieplanung Mit der Erhebung des ausführlichen parodontalen Basis- Aktuell ist das Ärztliche Gespräch in der Behandlungsricht- befundes („Parodontalstatus“) erhält der Behandler alle In- linie und den bestehenden Leistungsbeschreibungen nicht formationen, die er für die Planung und Durchführung der abgebildet. weiteren Schritte benötigt. Art und Umfang der Befund- erhebung ergeben sich aus der Behandlungsrichtlinie des Zu 4. G-BA, ebenso die Dokumentation des Befundes, die durch Antiinfektiöse Therapie (AlT) das im Bundesmantelvertrag enthaltene Formular „Paro- Die AlT hat die Beseitigung der entzündlichen Prozesse und dontalstatus“ konkretisiert wird. Reizfaktoren, welche eine Entzündung unterhalten oder auslösen können, zum Ziel; Blutung bzw. Suppuration auf Aktuell sind für die Planung der systematischen Behand- Sondierung sollen weitgehend eliminiert werden. Weiteres lung von Parodontopathien die Leistungen zur Befundauf- Ziel ist die Reduktion der sondierbaren Taschentiefen (ST) nahme und zum Erstellen eines Heil- und Kostenplanes in in einen Bereich ≤ 5 mm. Die AlT erfolgt im Rahmen eines der bestehenden Leistungsbeschreibung bereits abgebil- geschlossenen Vorgehens. det (BEMA-Position Nr. 4). Aktuell ist die Antiinfektiöse Therapie in der Behandlungs- Zu den wichtigsten Befundparametern zählen: richtlinie und den bestehenden Leistungsbeschreibun- - Sondierungstiefe (ST) gen bereits abgebildet (BEMA-Positionen P200, P201 und - Klinischer Attachmentverlust (PAL) Nr. 111). - Bluten auf Sondieren (BOP) 20
Zu 5. Zu 8. Reevaluation 1 und Ärztliches Gespräch (ÄG) Unterstützende Parodontitistherapie (UPT) Etwa drei bis sechs Monate nach der AIT erfolgt die erste Nachdem 3-6 Monate nach Abschluss der AlT bzw. der CPT Reevaluation der parodontalen Befunde. Dazu sind die auf mit Reevaluation 1 bzw. Reevaluation 2 parodontal stabile dem Formular „Parodontalstatus“ aufgeführten Befunde Verhältnisse festgestellt wurden, beginnt die UPT. Sie be- erneut zu erheben und zu dokumentieren. Der Vergleich steht aus folgenden Elementen (Eickholz 2007a): mit den Befunddaten vor der AIT erlaubt die zielgenaue Planung des weiteren Vorgehens. - Kontrolle der individuellen Mundhygiene (Plaque- und Entzündungsindex) Das anschließend zu führende Ärztliche Gespräch um- - Mundhygienemotivation und -instruktion fasst die Information des Patienten über die Ergebnisse der - mindestens einmal pro Jahr Parodontalstatus (siehe 2.) Reevaluation und das weitere Vorgehen inklusive der ggf. - erneute vollständige supra- und subgingivale Reinigung anstehenden chirurgischen Therapie. Soweit kein chirurgi- aller Zähne von anhaftenden Biofilmen und Belägen scher Eingriff notwendig ist, erfolgt eine - subgingivale Instrumentierung an Zähnen mit ST = 4 mm und BOP und allen Stellen mit ST ≥ 5 mm - Aufklärung über die UPT - Aufklärung über die dadurch entstehenden Kosten Die UPT erfolgt regelhaft im Abstand eines halben Jahres, - Remotivierung des Patienten durch Krankheits- mithin zweimal pro Kalenderjahr. aufklärung und Verhaltensinstruktion Bei der UPT-Sitzung sind grundsätzlich alle oben aufge- Aktuell sind die Reevaluation 1 und das Ärztliche Gespräch führten Maßnahmen angezeigt. Abweichend davon kann in der Behandlungsrichtlinie und den bestehenden Leis- die halbjährliche Erhebung des Parodontalstatus entfallen. tungsbeschreibungen nicht abgebildet. Ein Parodontalstatus mit Angaben zum Attachmentverlust bzw. zu Rezessionen und zur Sondierungstiefe soll jedoch Zu 6. mindestens einmal jährlich erhoben werden, um Vergleiche Evtl. weiterführende chirurgische Parodontitistherapie (CPT) mit dem Ausgangsbefund und dem Behandlungsergebnis In vielen Fällen ist die nichtchirurgische Therapie aus- nach AlT (und evtl. CPT) zu ermöglichen. reichend. Je nach Ergebnis der ersten Reevaluation kann jedoch ein chirurgischer Eingriff erforderlich werden, zum Die Wirksamkeit der UPT ist durch zahlreiche Studien und Beispiel bei noch bestehenden größeren Taschentiefen Übersichtsarbeiten belegt (Eickholz 2008, Tsami 2009, Ma- (ST > 5,5 mm). Die CPT umfasst Leistungen der bisherigen tuliene 2010, Miyamoto 2010, Ng 2010, Costa 2014, Kim BEMA-Positionen P202, P203 und Nr. 111. 2014, Seirafi 2014, Lee 2015). Die UPT ist international an- erkannt ein unverzichtbarer Bestandteil der Therapie von Zu 7. Parodontitis; eine AlT ohne nachfolgende UPT erreicht nur Reevaluation 2 und Ärztliches Gespräch (ÄG) eine vorübergehende Reduktion der parodontalen Krank- Drei bis sechs Monate nach einer chirurgischen Therapie heitsaktivität und hat gegenüber regelmäßiger UPT ein er- bedarf es einer erneuten Reevaluation und eines weiteren höhtes Risiko für ein Rezidiv und langfristig für Zahnverlust Ärztlichen Gesprächs mit dem Patienten. Zu den Inhalten (König 2001, Eickholz 2008, Pretzl 2008). Die Vermeidung von Reevaluation und Gespräch siehe „Zu 5.“ von Zahnverlust hat auch für die Patienten die höchste Priorität (IQWiG 2016). Im Vergleich zu den Kosten für den Aktuell sind die Reeavaluation 2 und das Ärztliche Gespräch Zahnersatz, der erforderlich wird, wenn Zahnverlust ein- in der Behandlungsrichtlinie und den bestehenden Leis- tritt, ist die UPT sehr wirtschaftlich (Pretzl 2009). Die UPT tungsbeschreibungen nicht abgebildet. ist nicht nur Bestandteil einer „Erkrankungstherapie“, sie ist zugleich ein wesentliches Element der Sekundär- und Tertiärprävention. Aktuell ist die unterstützende Parodontitistherapie (UPT) in der Behandlungsrichtlinie und den bestehenden Leistungs- beschreibungen nicht abgebildet. 21
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