PAR-Versorgungskonzept - Parodontalerkrankungen bei Versicherten - Bundeszahnärztekammer

 
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PAR-Versorgungskonzept - Parodontalerkrankungen bei Versicherten - Bundeszahnärztekammer
PAR-Versorgungskonzept
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PAR-Versorgungskonzept
Konzept für die Behandlung von
Parodontalerkrankungen bei Versicherten
der Gesetzlichen Krankenversicherung
Inhalt

    Vorwort                                                          6

    Problemaufriss                                                    8
    Was ist Parodontitis?                                             8
    Parodontitis und Allgemeingesundheit                              8
    Häufigkeit der Parodontitis und derzeitige Versorgungslage        8
    Herausforderungen bei der Versorgung parodontaler Erkrankungen   10

    Start und Ziel der Therapie                                      13
    Ab wann besteht Behandlungsbedarf?                               13
       Aus klinischer Sicht                                          13
       Nach den Bestimmungen der GKV                                 15
    Was ist das Behandlungsziel?                                     16

    Versorgungsdefizite in der GKV                                   17
    Rechtslage nach SGB V                                            17
    Vorgaben in Richtlinien und BEMA nicht mehr zeitgemäß            17

    PAR-Versorgungskonzept                                           19
    Leistungen entsprechend State of the Art                         19
    PAR-Versorgungskonzept – Ordnungspolitische Umsetzung            22
        Sachleistung, Zuschuss und Bonus                             22
        Reevaluation und Ärztliches Gespräch                         23
        Mitwirkung und Behandlungserfolg                             23
        Strukturierte Nachsorge mit Bonussystem                      24

    Abkürzungsverzeichnis                                            27

    Literatur                                                        28

    Mitglieder der Arbeitsgruppe                                     32

    Impressum                                                        34

4
5
Vorwort

    Die Mundgesundheit der Bevölkerung hat sich in den               Mit dem Versorgungskonzept für eine moderne Parodonti-
    letzten 20 Jahren erheblich verbessert. Im internationalen       tistherapie verfolgt die Zahnärzteschaft das Ziel, die immer
    Vergleich nimmt Deutschland bei der Mundgesundheit               noch hohe Parodontitisprävalenz in Deutschland zu senken
    einen Spitzenplatz ein. In der Breite der zahnmedizinischen      und die Mundgesundheit weiter zu verbessern.
    Versorgung hat Deutschland insgesamt einen hohen Ver-
    sorgungsgrad erreicht. Für diese Erfolgsgeschichte gibt es       Parodontitis ist neben Karies die zweite große Volkskrank-
    einen Grund: Konsequenter als in anderen Gesundheits-            heit, die unbehandelt zu Zahnverlust fortschreiten kann,
    bereichen wird auf Prävention gesetzt.                           verbunden mit Problemen beim Essen und Sprechen.
                                                                     Selbstvertrauen und Lebensqualität sind beeinträchtigt.
    Die Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V) zeigt          Hinzu kommt, dass die Parodontitis keine lokal auf die
    bei Parodontalerkrankungen zwei zentrale Ergebnisse:             Mundhöhle begrenzte Infektion ist. Es bestehen Wechsel-
    Auf der einen Seite nimmt die Zahl der Menschen mit              beziehungen zwischen Mundgesundheit und Allgemein-
    Parodontalerkrankungen in Deutschland ab. Die schweren           gesundheit. Parodontitis steht in Verbindung mit Typ-2-
    Parodontalerkrankungen haben sich bei den jüngeren Er-           Diabetes, kardiovaskulären Erkrankungen und anderen
    wachsenen (35- bis 44-Jährige) halbiert. Bei den jüngeren        chronischen Leiden. Eine Verbesserung der parodontalen
    Senioren (65- bis 74-Jährige) gibt es einen rückläufigen         Gesundheit würde zur Vorbeugung und Kontrolle dieser
    Trend bei der Parodontitis trotz mehr erhaltener Zähne.          Erkrankungen beitragen.
    Auf der anderen Seite weist jeder zweite jüngere Senior
    eine parodontale Erkrankung auf. Insgesamt hat fast jeder        Der Aufklärung der Bevölkerung über parodontale Gesund-
    Zweite in dieser Altersgruppe eine moderate und jeder            heit und der Prävention kommen ähnlich wie bei der Karies-
    Fünfte eine schwere Parodontitis. Bei den älteren Senioren       prävention eine zentrale Bedeutung bei der Vermeidung
    – also den 75- bis 100-Jährigen – verstärkt sich dieser Trend.   von Parodontitis zu. Zähne können durch eine gezielte
    Hier weisen sogar neun von zehn Menschen eine moderate           Vorsorge bis ins hohe Alter erhalten bleiben. Die gezielte
    bzw. schwere Parodontitis auf. Damit zeigt die DMS V auf,        Mitarbeit des informierten und motivierten Patienten
    dass der versorgungspolitische Handlungsbedarf bei der           durch eine intensive Mundhygiene beugt in vielen Fällen
    Bekämpfung der Parodontitis liegt.                               erfolgreich der Entstehung oder auch der Progression einer
                                                                     Parodontitis vor.

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Da es sich bei der Parodontitis um eine chronische Erkran-             Wir verstehen das vorliegende PAR-Versorgungskonzept als
kung handelt, ist zur Behandlung und Verhinderung einer                möglichen Lösungsweg und als Angebot an die Gesund-
weiteren Verschlimmerung dieser multifaktoriell, vor allem             heitspolitik und die Krankenkassen. Wir würden uns wün-
bakteriell bedingten, entzündlichen Veränderung des                    schen, dass die Vorschläge eine konstruktive Diskussion
Zahnhalteapparates ein nachhaltiges Therapiekonzept er-                über die zukünftige Gestaltung der Parodontitistherapie
forderlich.                                                            im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung ansto-
                                                                       ßen, um den gesetzlich krankenversicherten Patienten eine
Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand                dem Stand der Wissenschaft entsprechende Therapie an-
gehören zu einer fachgerechten Parodontitistherapie auch               bieten zu können.
das ärztliche Gespräch, die Reevaluation und eine struktu-
rierte Nachsorge in Form der unterstützenden Parodon-                  Ganz ausdrücklich bedanken möchten wir uns für die wis-
titistherapie (UPT). Diese Leistungen fehlen im aktuellen              senschaftliche Begleitung durch Herrn Professor Dr. Peter
GKV-Leistungskatalog. Eine unterstützende Parodontitis-                Eickholz, Direktor der Poliklinik für Parodontologie an der
therapie ist notwendig, um Behandlungserfolge langfristig              Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main.
zu sichern. Versorgungspolitisch halten wir es für notwen-
dig, über ein Bonussystem Anreize zur regelmäßigen Teil-
nahme an der Nachsorge zu setzen.

               Dr. Wolfgang Eßer                              Dr. Peter Engel                     Prof. Dr. Christof Dörfer
                Vorsitzender                                     Präsident                              Präsident
          des Vorstandes der KZBV                       der Bundeszahnärztekammer                      der DG PARO

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Problemaufriss

    Was ist Parodontitis?                                          Das Risiko, an einer Parodontitis zu erkranken, steigt mit
                                                                   zunehmendem Lebensalter an (Immunoseneszenz). Neben
    Parodontitis, im Volksmund oft als „Parodontose“ bezeich-      dem dentalen Biofilm wird die Erkrankung auch durch wei-
    net, ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des Zahn-      tere modifizierbare Risikofaktoren wie Stress, Rauchen und
    halteapparates, des Parodonts. Bakterielle Zahnbeläge,         Übergewicht begünstigt. Daneben sind nicht modifizier-
    auch dentaler Biofilm genannt, lösen eine entzündliche         bare systemische oder genetische Risikofaktoren bekannt,
    Reaktion des Zahnfleisches, der Gingiva, aus; die Gingivitis   die vor allem die Infektabwehr betreffen (Loos 2015, Schä-
    entsteht. Verändert sich die Zusammensetzung des Bio-          fer 2015). Bevölkerungsgruppen mit niedrigem Bildungs-
    films ungünstig oder ist die betroffene Person anfällig für    niveau und schwachem sozialen Hintergrund scheinen
    eine Entgleisung der Entzündungsreaktion, greift der Ent-      stärker betroffen zu sein.
    zündungsprozess auf alle Gewebe des Parodonts über und
    zerstört sie. Die Parodontitis beginnt mit einer akuten Ent-   Parodontitis und Allgemeingesundheit
    zündung des Zahnfleisches. Etabliert sich die Entzündung,
    entstehen Zahnfleischtaschen, die die Ansiedlung von           Die Parodontitis ist keine lokal auf die Mundhöhle be-
    Bakterien weiter begünstigen. Die andauernde bakterielle       grenzte Infektion. Die Bakterien und Entzündungsstoffe
    Infektion führt zu einer Abwehrreaktion des Körpers, die zu    bei Parodontitis gelangen über das Parodontium in den
    einem Verlust der Gewebe führen kann, die den Zahn im          Blutkreislauf und können so auch topographisch von der
    Kieferknochen verankern. Hier sprechen die Fachleute von       Mundhöhle entfernt in anderen Organen pathologisch
    parodontalem Attachmentverlust und Knochenabbau. Am            wirken. Es bestehen Zusammenhänge zwischen Mund-
    Ende des meist über Jahre andauernden Prozesses steht          gesundheit und Allgemeingesundheit. Wissenschaftliche
    ohne Therapie oft der Zahnverlust. Um diesen Verlust zu        Untersuchungen belegen zunehmend Wechselbeziehun-
    verhindern, sind regelmäßige Termine beim Zahnarzt und         gen zu systemischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus
    eine dauerhaft effektive Mundhygiene erforderlich.             (EFP 2016) und rheumatoide Erkrankungen (Detert 2010)
                                                                   sowie zu chronischen Atemwegserkrankungen. Parodon-
    Parodontitis kann an einzelnen Zähnen lokalisiert auftre-      talerkrankungen gehen mit einem erhöhten Risiko einher
    ten oder das Gebiss in großem Umfang, das heißt genera-        für kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinfarkt bzw.
    lisiert, angreifen. Dabei wechseln sich aktive und inaktive    Schlaganfall sowie für Schwangerschaftskomplikationen
    Phasen ab.                                                     (DG PARO 2010). Wissenschaftliche Studien belegen, dass
                                                                   die Verbesserung der parodontalen Gesundheit dazu bei-
    Parodontitis verläuft für den Patienten zunächst fast im-      tragen kann, Diabetes besser zu kontrollieren (Sanz 2017)
    mer ohne spürbare Beeinträchtigungen oder Schmerzen.           und sogar mit der Erkrankung einhergehende Komplikatio-
    Sie gilt daher als „stille“ Erkrankung (silent disease). Ein   nen zu vermindern (Artese 2015). Es gibt zudem Hinweise
    Hinweis ist häufiges Zahnfleischbluten, das aber für den       darauf, dass eine erfolgreiche Parodontitistherapie zu ver-
    Patienten keine Unterscheidung zur Gingivitis ermöglicht,      besserten kardiovaskulären Werten führen kann (Tonetti
    bei der es noch nicht zu irreversiblen Schäden gekommen        2013).
    ist. Erst im fortgeschrittenen Zustand, wenn das Zahn-
    fleisch zurückweicht und die Zähne beweglich werden, be-       Eine gute Mundhygiene, das Erkennen der Symptome und
    merkt der Patient selbst, dass er Parodontitis hat. Nur der    regelmäßige Zahnarztbesuche fördern die Mundgesund-
    Zahnarzt kann die Erkrankung durch die allgemeine Unter-       heit und können auch die Behandlung anderer Krankheiten
    suchung des Mundraums frühzeitig feststellen. Hilfreich        unterstützen.
    ist eine Screening-Untersuchung, zum Beispiel nach dem
    Parodontalen Screening Index (PSI) (Meyle & Jepsen 2000,       Häufigkeit der Parodontitis und
    Mombelli 2013), bei der mit Hilfe einer Sonde die Tiefe der    derzeitige Versorgungslage
    Zahnfleischtaschen gemessen wird. Patienten, die Sondie-
    rungstiefen von 3,5 mm oder mehr aufweisen (PSI-Codes 3        Obwohl die Zahl der Menschen mit Parodontalerkrankun-
    und 4) bedürfen einer gezielten weiteren Diagnostik und        gen in Deutschland abnimmt, ist für die Zukunft aufgrund
    zumeist einer Parodontitistherapie. Weiteren Aufschluss        der demografischen Entwicklung und der Verlagerung
    über den parodontalen Zustand ergeben Röntgenuntersu-          chronischer Munderkrankungen in ein höheres Lebensal-
    chungen und gegebenenfalls weiterführende diagnosti-           ter ein steigender Behandlungsbedarf zu prognostizieren.
    sche Tests (z. B. mikrobiologische Tests).

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Nach der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie                         liegt eine moderate Parodontitis vor. Etwa 44 % der älteren
(DMS V) (Jordan & Micheelis 2016) weisen 51 % der jünge-                 Senioren haben eine schwere Parodontitis.
ren Erwachsenen (35- bis 44-Jährige) in Deutschland eine
Parodontalerkrankung auf.                                                Die Ergebnisse der DMS V zeigen, dass sich die chronischen
                                                                         Erkrankungen Karies und Parodontitis im höheren Lebens-
Bei 43 % der jüngeren Erwachsenen liegt eine moderate                    alter verdichten. Man spricht hier von einer sogenannten
Parodontitis vor (mindestens zwei Zähne mit einem                        Morbiditätskompression. Morbiditätskompression, zu-
Attachmentverlust ≥ 4 mm oder mindestens zwei Zähne                      nehmende Zahnerhaltung und die Prognose, dass sich die
mit Sondierungstiefen ≥ 5 mm). Etwa 8 % der jüngeren Er-                 Bevölkerungszusammensetzung in den kommenden Jahr-
wachsenen haben eine schwere Parodontitis (mindestens                    zehnten zugunsten älterer Bevölkerungsgruppen verschie-
zwei Zähne mit einem Attachmentverlust ≥ 6 mm und                        ben wird, lassen erwarten, dass zukünftig ein Großteil der
mindestens ein Zahn mit einer Sondierungstiefe ≥ 5 mm).                  Behandlungslasten in die älteren Bevölkerungsgruppen
                                                                         verschoben wird. Dies wird sich bei der Parodontitis beson-
65 % der jüngeren Senioren (65- bis 74-Jährige) weisen eine              ders auswirken.
Parodontalerkrankung auf. Bei 45 % der jüngeren Senioren
liegt eine moderate Parodontitis vor. Etwa 20 % der jünge-               Die Tatsache, dass nur rund eine Million systematische
ren Senioren haben eine schwere Parodontitis.                            Parodontitistherapien pro Jahr über die Gesetzliche Kran-
                                                                         kenversicherung (GKV) abgerechnet werden, offenbart,
90 % der älteren Senioren (75- bis 100-Jährige) weisen eine              dass man aktuell (KZBV 2016) von einer deutlichen Unter-
Parodontalerkrankung auf. Bei 46 % der älteren Senioren                  versorgung beim Thema Parodontitis ausgehen muss. Dies

    Parodontalerkrankungen1 bei jüngeren Erwachsenen

                                 29,0 %                 keine/milde
                                                        Parodontitis
                                                                                        48,4 %

                                                                                                              2,7 Zähne sind
                                                         moderate                                             laut DMS V
                                                        Parodontitis                                          durchschnittlich
                                 53,6 %
                                                                                                              parodontal erkrankt

                                                                                        43,4 %

                                                          schwere
                                                        Parodontitis
                                 17,4 %
                                                                                         8,2 %

                         DMS IV (2005)                                              DMS V (2014)

    1
        CDC/AAP-Fallklassifikation        ■ Schwere Parodontalerkrankungen bei jüngeren Erwachsenen (35- bis 44-Jährige) halbiert

Abb. 1: Parodontalerkrankungen bei jüngeren Erwachsenen

                                                                                                                                       9
steht im Gegensatz zur nach wie vor hohen Prävalenz der                 logischen Fachgesellschaften (EFP) deshalb im April 2016
     Parodontitis und verdeutlicht den dringenden Handlungs-                 eine Aufklärungskampagne über diese „stille“ Erkrankung
     bedarf.                                                                 gestartet (EFP 2016). Ziel dieser Kampagne ist es, darüber
                                                                             aufzuklären, welche Bedeutung parodontale Gesundheit
     Herausforderungen bei der Versorgung                                    und Erkrankung bei der Vorbeugung, Erkennung und Kon-
     parodontaler Erkrankungen                                               trolle bestimmter chronischer Krankheiten haben. In diesem
                                                                             Rahmen wurden fachliche Handlungsempfehlungen veröf-
     Auf der einen Seite steht die Aufklärung der Bevölkerung                fentlicht, die als Goldstandard der europäischen Fachleute
     über parodontale Gesundheit. Eine parodontale Erkran-                   bezeichnet werden können (EFP 2014). Aktuell wurde
     kung verursacht normalerweise keine Schmerzen oder                      im Jahr 2017 seitens der EFP ein Aufruf vorgestellt, der
     starkes Unbehagen. Deshalb bemerken viele Menschen                      sich für weltweites Handeln für parodontale Gesundheit
     die Entwicklung gar nicht. Das am häufigsten auftretende                ausspricht und von Berufsorganisationen aus aller Welt
     Symptom ist Zahnfleischbluten. Parodontitis ist eine weit-              unterstützt wird (EFP 2017, Tonetti 2017). Dieser nimmt
     verbreitete chronische Entzündung und neben Karies eine                 Stellung zur Auswirkung der globalen Parodontitislast auf
     der Hauptursachen von Zahnverlust. Sie beeinträchtigt die               Gesundheit, Ernährung und Wohlbefinden des Menschen.
     Ernährung, das Sprechen, das Selbstbewusstsein und das                  Parodontitis ist die Hauptursache für Zahnverlust bei
     Wohlbefinden der Patienten. Es bestehen Zusammenhän-                    Erwachsenen weltweit. Die Erkrankung birgt die Gefahr für
     ge zwischen Parodontitis und Allgemeinerkrankungen. Un-                 die Entwicklung von multiplem Zahnverlust, Zahnlosigkeit
     ter dem Motto „Parodontale Gesundheit für ein besseres                  und Störungen des Kauapparates. Mit den Folgeauswir-
     Leben“ hat der Europäische Dachverband der Parodonto-                   kungen auf Ernährung, Lebensqualität und Selbstwert-

         Parodontalerkrankungen1 bei jüngeren Senioren

                                          8,0 %
                                                           keine/milde
                                                           Parodontitis                     35,3 %

                                      47,9 %
                                                                                                                  3,1 Zähne sind
                                                            moderate                                              laut DMS V
                                                           Parodontitis                                           durchschnittlich
                                                                                            44,8 %                parodontal erkrankt

                                      44,1 %
                                                             schwere
                                                           Parodontitis
                                                                                            19,8 %

                              DMS IV (2005)                                            DMS V (2014)

         1
             CDC/AAP-Fallklassifikation           ■ Schwere Parodontalerkrankungen bei jüngeren Senioren (65- bis 74-Jährige) halbiert

     Abb. 2: Parodontalerkrankungen bei jüngeren Senioren

10
gefühl der Betroffenen hat die Parodontitis ausgeprägte                                                            Auf der anderen Seite müssen die Rahmenbedingungen
sozioökonomische Folgen und verursacht hohe Kosten                                                                 für eine moderne Parodontitistherapie im Rahmen der
im Gesundheitswesen. In dem Aufruf wird zukünftiger                                                                gesetzlichen Krankenversicherung gestaltet werden. Die
Handlungsbedarf an die nationalen Gesundheitssysteme                                                               moderne Gesundheitsversorgung von Parodontitis setzt
adressiert, um die globale Erkrankungslast der Parodonti-                                                          sich aus Elementen der Prävention, Diagnostik, Therapie
tis einzudämmen. Die dazu eingeforderte – und weltweit                                                             und strukturierter Nachsorge zusammen. Dabei kommt
konsentierte – zeitgemäße Behandlungsstrecke deckt sich                                                            der Prävention eine besondere Bedeutung zu. Sie beinhal-
mit der vorgeschlagenen Behandlungsstrecke im vorlie-                                                              tet professionelle Maßnahmen, aber auch die Mitarbeit
genden Versorgungskonzept. Auch im Aufruf der EFP wird                                                             des Patienten zur Verbesserung der Mundhygiene und Ver-
die Bedeutung der strukturierten Nachsorge durch die                                                               meidung von parodontitisfördernden Gewohnheiten, wie
unterstützende Parodontitistherapie (UPT) als ein ent-                                                             beispielsweise das Rauchen. Eine Gingivitis kann dadurch
scheidender Therapieschritt für den Langzeiterfolg der                                                             vollständig ausgeheilt, eine Parodontitis heute zum Still-
Behandlung herausgestellt.                                                                                         stand gebracht oder doch zumindest im Verlauf erheblich
                                                                                                                   verlangsamt werden.
Zähne können durch eine gezielte Vorsorge bis ins hohe
Alter erhalten bleiben. Die gezielte Mitarbeit des infor-                                                          Prävention, Therapie und Nachsorge gehen zum Teil eng
mierten und motivierten Patienten durch eine intensive                                                             ineinander über. So ist zum Beispiel die Therapie der Gingi-
Mundhygiene beugt in vielen Fällen erfolgreich der Entste-                                                         vitis zugleich Teil der Prävention vor Parodontitis, die Nach-
hung einer Parodontitis vor. Maßnahmen des Zahnarztes                                                              sorge nach einer Parodontitistherapie dient der Sicherung
ergänzen dies.                                                                                                     des Behandlungserfolgs und der Prävention vor weiterem
                                                                                                                   Fortschreiten der Erkrankung gleichermaßen.

    Prognostizierter parodontaler Behandlungsbedarf
    durch demografischen Wandel
    Parodontalerkrankungen sind altersassoziiert. Im Jahr 2030 werden der Großteil der Bevölkerung Senioren sein.
    Trotz abnehmender Prävalenzen ist daher derzeit mit einer Zunahme des parodontalen Behandlungsbedarfs zu rechnen.

                                                      Alter                                                                                                            Alter
                                                    in Jahren                                                                                                        in Jahren

                      Männlich                           100                    Weiblich                                               Männlich                           100                    Weiblich
                      2015                                                                                                             2030
                                                         90
                                                                                                                                                                          90

                                                         80                                                                                                               80

                                                         70                                                                                                               70

                                                         60                                                                                                               60

                                                         50                                                                                                               50

                                                         40                                                                                                               40

                                                         30                                                                                                               30

                                                         20                                                                                                               20

                                                         10                                                                                                               10

                                                         0                                                                                                                0
    800   700   600   500   400   300   200   100    0         0   100   200   300   400   500   600   700   800     800   700   600   500   400   300   200   100    0         0   100   200   300   400   500   600   700   800

                                               Tausend je Altersjahr                                                                                            Tausend je Altersjahr

Abb. 3: Prognostizierter parodontaler Behandlungsbedarf durch demografischen Wandel                                                                                             (Quelle: KZBV-Jahrbuch 2016)

                                                                                                                                                                                                                                    11
Weil das Risiko, an Parodontitis zu erkranken, und auch     Der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversiche-
     der Verlauf der Erkrankung bei jedem Menschen unter-        rung ist auf diese Anforderungen an eine zeitgemäße,
     schiedlich ist, sind heute individuell auf den Patienten    präventionsorientierte Therapie der Parodontitis nicht aus-
     zugeschnittene Präventions- und Behandlungskonzepte         gerichtet. Schlüssel zum Erfolg sind die Bewältigung von
     erforderlich. Dazu gehören die Erfassung des jeweiligen     Risikofaktoren und eine Verhaltensänderung des Patien-
     Befundes, die individuelle Aufklärung des Patienten darü-   ten. Dabei kommt der Eigenverantwortung des Patienten
     ber sowie die Beratung, Unterweisung und Instruktion zur    für seine Mundgesundheit eine zentrale Bedeutung zu. Vor
     Optimierung der individuellen Mundhygiene. Regelmäßige      dem Hintergrund der demografischen Entwicklung ist von
     Präventionssitzungen dienen der Kontrolle und Motivation,   einer weiteren Zunahme der Parodontitislast bei älteren
     die hierbei vorgenommenen professionellen Mundhygiene-      Menschen auszugehen. Damit steht das zahnmedizini-
     maßnahmen der Unterstützung des Patienten.                  sche Versorgungssystem vor großen Herausforderungen,
                                                                 die ohne eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedin-
                                                                 gungen in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu
                                                                 bewältigen sind.

12
Start und Ziel der Therapie

Ab wann besteht Behandlungsbedarf?                             Zusätzlich wird unterschieden, ob eine lokalisierte (maxi-
                                                               mal 30 % der Zahnflächen betroffen) oder eine generali-
Aus klinischer Sicht                                           sierte (mehr als 30 % der Zahnflächen betroffen) Ausprä-
Entzündliche Erkrankungen des Zahnhalteapparates ha-           gungsform vorliegt.
ben eine multifaktorielle Ursache, bei der es primär ne-
ben der Anwesenheit pathogener Keime (Dysbiose) in den         Weil die Sondierungstiefen den jeweiligen Entzündungs-
Zahnbelägen (Biofilm) entscheidend auch auf ein für die        zustand reflektieren und deshalb den Behandlungsbedarf
Vermehrung dieser Keime günstiges Milieu (z. B. anaerobe       determinieren, orientieren sich daran der Community Peri-
Nische, veränderte Wirtsabwehr) in der Mundhöhle an-           odontal Index (CPI) und der von ihm abgeleitete Periodon-
kommt. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang das             tal Screening Index (PSI). Beide Indizes wurden in den 80er
Wechselspiel zwischen Bakterienangriff und Wirtsabwehr,        Jahren vom Community Periodontal Index of Treatment
das das Ausmaß der Entzündungsreaktion bestimmt und            Needs (CPITN) abgeleitet, der ursprünglich entwickelt
entsprechend zur Destruktion des Parodonts beiträgt.           wurde, um den erforderlichen Behandlungsbedarf und die
                                                               hierfür erforderlichen Berufsgruppen zu bestimmen. Be-
Die Wirtsabwehr wird durch eine Reihe von Faktoren be-         reits eine Messstelle mit PSI-Code 4 erfordert eine umfang-
einflusst, die im Bereich der genetischen Disposition, der     reiche parodontale Diagnostik, um die Notwendigkeit einer
sozioökonomischen Stellung, verschiedener systemischer         strukturierten Parodontitistherapie festzustellen. Der Ein-
Erkrankungen, psychosomatischer Einflüsse (z. B. Stress)       satz des CPI zur Bestimmung der Prävalenz parodontaler
und gesundheitsriskanter Verhaltensweisen (z. B. Rauchen)      Erkrankungen hat daher das Problem, dass er bei jüngeren
anzusiedeln sind (s. o.). Eine ausgedehnte Parodontitis,       Probanden zur Überschätzung und bei älteren zur Unter-
die nicht therapiert wird, erhöht signifikant das Risiko für   schätzung des parodontalen Erkrankungsgrads führt. Der
Zahnlockerung bzw. letztlich Zahnverlust und führt zu den      PSI wird nur sextantenweise erhoben, so dass keine detail-
beschriebenen Wechselwirkungen mit Allgemeinerkran-            lierte Beschreibung des Ausmaßes der Erkrankung möglich
kungen. Die Beurteilung der Behandlungsbedürftigkeit ei-       ist.
ner Parodontitis ist grundsätzlich komplex und richtet sich
vor allem nach den sondierbaren Attachmentverlusten            Parodontaler Behandlungsbedarf ist bei folgenden PSI-
(probing attachment loss [PAL]; Verlust des zahnhaltenden      Codes zu erwarten:
Gewebes, gemessen von der Schmelz-Zement-Grenze/Res-
taurationsrand zum Taschenboden), dem röntgenologisch          PSI-Code 3: ST ≥ 3,5–5,5 mm
feststellbaren Knochenabbau und den Sondierungstiefen          PSI-Code 4: ST > 5,5 mm
(ST; gemessen vom Gingivarand zum Taschenboden) der
Zahnfleischtaschen. Dabei charakterisieren der PAL und         Die Klassifikation der Parodontalerkrankungen (Armitage
röntgenologisch feststellbarer Knochenverlust das Aus-         1999, Kocher 2013) erfasst Schweregrad (leicht, mittel,
maß der parodontalen Zerstörung bzw. die Summe der             schwer) und Ausdehnung (lokalisiert, generalisiert), lässt
parodontalen Zerstörung über die Jahre hinweg auch nach        aber keine unmittelbare Aussage zum Behandlungsbedarf
Ausheilung der chronischen Entzündung, während Sondie-         zu. Der PSI stellt auf eine Betrachtung von Maximalwerten
rungstiefen und Sondierungsblutung (bleeding on probing        ab: Entscheidend für die Fallzuordnung ist, dass mindes-
[BOP]) die Ausprägung der Entzündung darstellen und da-        tens an einer Messstelle der Zahnflächen die geforderten
mit Schlussfolgerungen über den gegenwärtigen Behand-          klinischen Werte erreicht bzw. überschritten werden. Eine
lungsbedarf zulassen.                                          Diagnose allein mit den PSI-Codes ist unmöglich. Ein PSI-
                                                               Code 3 kann durch eine moderate Parodontitis (Attach-
Nach der Klassifikation der American Academy of Periodon-      mentverlust) oder durch eine Gingivawucherung (kein
tology (AAP) wird im Hinblick auf den Typus der „Chroni-       Attachmentverlust) oder durch eine Kombination beider
schen Parodontitis“ (der häufigsten Form von Parodontitis)     verursacht sein. Aus diesem Grund lösen die PSI-Codes 3
zwischen folgenden Schweregraden unterschieden (Armi-          und 4 zwingend weiterführende Diagnostik mit der Erhe-
tage 1999, Kocher 2013):                                       bung von Sondierungstiefen, PAL/Rezessionen und Furka-
                                                               tionsbeteiligung aus. Die so erhobenen zusätzlichen Infor-
Leicht: PAL = 1–2 mm                                           mationen erlauben dann eine Diagnose.
Mittel: PAL = 3–4 mm
Schwer: PAL ≥ 5 mm

                                                                                                                             13
Aus klinischer Sicht liegt eine behandlungsbedürftige Pa-    ST > 5,5 mm vorliegen, ist in einem 2. Schritt ein offenes
     rodontopathie vor, wenn als klinischer Leitbefund eine       chirurgisches Vorgehen indiziert.
     „Sondierungstiefe von 3,5 mm und mehr“ an einem Zahn
     festgestellt werden kann.                                    Bei den oben dargestellten Definitionen bleibt allerdings
                                                                  offen, unter welchen klinischen Bedingungen eine Paro-
     Behandlungsbedürftig bedeutet, dass als erster Schritt       dontitis überhaupt erfolgreich behandelt werden kann.
     im Rahmen der Antiinfektiösen Therapie (AIT) ein supra-      Wie bereits ausgeführt, kann eine Reihe von Faktoren (z.
     und subgingivales Debridement ohne chirurgische Lap-         B. Rauchen, ineffektive individuelle Mundhygiene) die Er-
     penbildung (geschlossenes Vorgehen) erfolgt. Unter De-       folgswahrscheinlichkeit einer Parodontitistherapie erheb-
     bridement versteht man eine Entfernung von Plaque und        lich negativ beeinflussen. So kann zum Beispiel eine extre-
     Konkrementen von der Wurzeloberfläche. Bei einer Son-        me Zahnlockerung durch fortgeschrittenen Knochenabbau
     dierungstiefe bis zu 3 mm führt eine subgingivale Instru-    die Prognose derart verschlechtern, dass der Zahn mögli-
     mentierung zu geringen Attachmentverlusten, aber keiner      cherweise als nicht mehr erhaltungsfähig eingestuft wird
     Reduktion der Sondierungstiefe. Ab einer Sondierungstiefe    und entsprechend als Therapieoption die Zahnextraktion
     von 4 mm resultiert das geschlossene Vorgehen in sub-        sinnvoll erscheint (Behandlungsrichtlinie: Zahnbeweglich-
     stantiellen Sondierungstiefe-Reduktionen und Attachment-     keit Grad III und Knochenabbau ≥ 75 %). Allerdings sollten
     gewinnen (Hung & Douglass 2002, siehe Tab. 1). Der in        im Interesse der Wirtschaftlichkeit die Chancen für einen
     der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses             Zahnerhalt durch parodontale Therapie (geschlossenes
     (G-BA) für eine ausreichende, zweckmäßige und wirt-          Vorgehen) insbesondere bei bisher geschlossener Zahn-
     schaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Behand-        reihe ggf. in Kombination mit semipermanenter Schienung
     lungsrichtlinie) angegebene Schwellenwert von Sondie-        gegen die hohen Kosten für Zahnersatz insbesondere im
     rungstiefe ≥ 3,5 lässt sich demnach gut begründen. Sollten   ästhetisch relevanten Bereich abgewogen werden.
     nach geschlossenem Vorgehen (bei Reevaluation 1) noch

            Sondierungstiefen       N     ST-Reduktion            P-Wert*           Attachment-            P-Wert*
              vor Therapie                                                            gewinn

                                                                    6 Monate nach Therapie

                   1 – 3 mm         102     0,04 mm                0,28              -0,15 mm                0,01

                   4 – 6 mm         102     1,07 mm               0,0001              0,6 mm                0,0001

                     ≥ 7 mm         100     1,97 mm               0,0001              1,21 mm               0,0001

                                                                    12 Monate nach Therapie

                   1 – 3 mm         244     0,21 mm               0,0002             -0,23 mm                0,33

                   4 – 6 mm         244     1,16 mm               0,0001              0,52 mm                0,001

                     ≥ 7 mm         183     2,20 mm               0,0001              1,42 mm               0,0001

     Tab. 1: Reduktion der Sondierungstiefen (ST) und Attachmentgewinne 6 und 12 Monate nach nichtchirurgischer
     Therapie (supra- und subgingivales Debridement, geschlossenes Vorgehen) differenziert nach Sondierungstiefen
     vor Therapie (eigene Darstellung nach Hung & Douglass 2002).

     * Signifikanzniveau α = 0,05

14
Nach den Bestimmungen der GKV                                                         - Zahnlockerung5:
Aus der Behandlungsrichtlinie des G-BA für die vertrags-                                Grad I = gering horizontal (0,2 mm - 1 mm),
zahnärztliche Versorgung ergibt sich, wann eine behand-                                 Grad II = moderat horizontal (mehr als 1 mm),
lungsbedürftige Parodontalerkrankung vorliegt.                                          Grad III = ausgeprägt horizontal (mehr als 2 mm)
                                                                                        und in vertikaler6 Richtung
In Abschnitt B. V. „Systematische Behandlung von Parodon-
topathien (Par-Behandlung)“ der Richtlinie heißt es dazu:                             Zu der Tatsache, dass es sich bei Parodontitis um eine
                                                                                      chronische Erkrankung bzw. Manifestation einer System-
Eine behandlungsbedürftige Parodontopathie liegt vor,                                 erkrankung handelt, wird in der Richtlinie ausgeführt:
wenn ein Parodontaler Screening-Index (PSI)-Wert von
Code 3 oder 4 (Anlage)1 erhoben wird oder wenn eine der fol-                          Parodontitiden sind multifaktorielle Erkrankungen. Sie wer-
genden Diagnosen gestellt wird und dabei eine Sondiertiefe                            den durch parodontopathogene Mikroorganismen verur-
von 3,5 mm und mehr vorliegt:                                                         sacht. Ihre Progredienz wird durch endogene und exogene
                                                                                      Risikofaktoren beeinflusst. Das Ziel der Behandlung von Par-
- Chronische Parodontitis                                                             odontitiden ist, entzündliche Erscheinungen zum Abklingen
- Aggressive Parodontitis                                                             zu bringen, ein Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern
- Parodontitis als Manifestation von Systemerkrankungen                               und einem weiteren Alveolarknochenverlust und damit
- nekrotisierende Parodontalerkrankungen                                              Zahnverlust vorzubeugen.
- Parodontalabszess
- Parodontitis im Zusammenhang mit endodontalen                                       Auch aus den Ausführungen in der Richtlinie zur beson-
  Läsionen                                                                            deren Bedeutung der aktiven Mitarbeit des Patienten und
- folgende entwicklungsbedingte oder erworbene                                        zur regelmäßigen Nachsorge für eine günstige Prognose
  Deformitäten oder Zustände:                                                         erkennt man, dass es sich bei Parodontitis um eine chroni-
  - Gingivale Vergrößerungen                                                          sche Erkrankung handelt, die der permanenten Betreuung
  - Gingiva- und Weichgewebswucherungen                                               bedarf und sich nicht durch eine einmalige oder kurzfristi-
[…]                                                                                   ge Behandlung heilen lässt:

Grundlage für die Therapie sind die Anamnese, der klinische                           Die Prognose ist für das gesamte Gebiss oder für einzelne
Befund (Parodontalstatus) und Röntgenaufnahmen. […]                                   Parodontien ungünstig bei weit fortgeschrittenem Knochen-
Die Anamnese umfasst:                                                                 abbau von über 75 % oder einem Furkationsbefall von Grad 3.
                                                                                      Die Prognose für die Therapie lokaler oder generalisierter
- Allgemeine Anamnese (darunter Risikofaktoren für                                    Parodontopathien wird zusätzlich durch folgende Faktoren
  Parodontitis wie Diabetes mellitus, Tabakkonsum,                                    ungünstig beeinflusst:
  HIV-Infektion im fortgeschrittenen Stadium, Behandlung
  mit immunsuppressiven Medikamenten, Osteoporose)                                    - Vorliegen systemischer Risikofaktoren (z. B. schlecht ein-
- Familienanamnese im Hinblick auf Parodontal-                                          gestellter Diabetes, HIV im fortgeschrittenen Stadium,
  erkrankungen                                                                          Therapie mit immunsuppressiven Medikamenten,
- Spezielle Anamnese (Schmerzen/Vorbehandlungen).                                       Osteoporose)
                                                                                      - Vorliegen exogener Risikofaktoren (z. B. Nikotinkonsum,
Die Dokumentation des klinischen Befunds (Parodontal-                                   Alkoholabusus)
status) umfasst:                                                                      - unzureichende Mitwirkung des Patienten
- Taschentiefen2 und Blutung der Zahnfleischtaschen auf
  Sondieren                                                                           In Abschnitt V Nummer 7 der Richtlinie heißt es weiter:
- parodontale Rezessionen, um einen Ausgangswert für
  die Beurteilung einer möglichen Progression der Paro-                               Maßnahmen zur Sicherung des Behandlungserfolges:
  dontitis zu erheben; fakultativ und alternativ kann auch                            Die regelmäßige Untersuchung des Patienten nach Abschluss
  der klinische Attachmentverlust3 aufgezeichnet werden.                              einer systematischen Behandlung von Parodontopathien ist
- Furkationsbefall4:                                                                  wegen der Gefahr einer bakteriellen Wiederbesiedlung der
  Grad 1 = bis 3 mm in horizontaler Richtung,                                         Taschen erforderlich. […]
  Grad 2 = mehr als 3 mm in horizontaler Richtung,
  Grad 3 = durchgängig

1
    Aus der Anlage zur Richtlinie ergibt sich: Code 3 = Sondiertiefe 3,5 bis 5,5 mm   5
                                                                                          Anm. der Red.: Lindhe & Nyman 1977
    (schwarzes Band der WHO-Sonde teilweise sichtbar), Code 4 = Sondiertiefe 6 mm     6
                                                                                          Anm. der Red.: axialer
    oder mehr (schwarzes Band der WHO-Sonde nicht mehr sichtbar)
    Anm. der Red.: Sondierungstiefen (ST)
                                                                                                                                                     15
2

3
    Anm. der Red.: PAL
4
    Anm. der Red.: Hamp 1975
Was ist das Behandlungsziel?                                  - Im Prinzip Reduktion der Sondierungstiefen unter
                                                                     5 mm. Minimale Persistenz vereinzelter Sondierungs-
     Das übergeordnete Ziel allgemein zahnärztlicher und da-         tiefen über 4 mm
     mit auch parodontaler Therapie ist die langfristige Erhal-    - Keine harten Konkremente auf der Wurzeloberfläche
     tung natürlicher Zähne in einem gesunden, funktionellen,      - Abwesenheit von Hindernissen für die Plaque-
     ästhetisch akzeptablen und schmerzfreien Zustand. Der           entfernung (Füllungs- und Kronenrandüberschüsse)
     Zahnerhalt stellt nicht nur aus Sicht der Zahnärzte das       - Keine Zunahme der Zahnbeweglichkeit
     ultimative Ziel zahnärztlicher Therapie dar, er wird auch     - Gesicherte Mitarbeit des Patienten und Beteiligung
     von den Patienten mit höchster Priorität eingestuft. Das        am Recall
     hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Ge-
     sundheitswesen in einer Präferenzanalyse herausgearbei-       In der Behandlungsrichtlinie heißt es dazu:
     tet (IQWiG 2016). Konkret wird als Therapieziel angestrebt
     (Mombelli 2014):                                              Das Ziel der Behandlung von Parodontitiden ist, entzünd-
                                                                   liche Erscheinungen zum Abklingen zu bringen, ein Fort-
     - Substantielle Plaquereduktion                               schreiten der Erkrankung zu verhindern und einem weiteren
     - Kein Eiterfluss aus dem Sulcus                              Alveolarknochenverlust und damit Zahnverlust vorzubeu-
     - Gesunde Gingiva, wesentliche Reduktion des Blutens          gen.
       auf Sondieren (BOP)

16
Versorgungsdefizite in der GKV

Rechtslage nach SGB V                                        P203), aber nicht – auch bis heute nicht – den fachlichen Er-
                                                             kenntnissen gemäß erweitert. Auch der Richtlinienentwurf
Gesetzlich Krankenversicherte haben gemäß § 27 Abs. 1        wurde um weite Teile „abgespeckt“ und am 24.09.2003 in
Satz 2 Nr. 2 SGB V Anspruch auf zahnärztliche Behandlung.    seiner noch heute gültigen Form als Abschnitt B. V. („Syste-
Diese beinhaltet nach § 28 Abs. 2 Satz 1 SGB V „die Tätig-   matische Behandlung von Parodontopathien“) der Behand-
keit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung        lungsrichtlinie verabschiedet.
und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten
nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend         Dabei bestand jedoch unter allen Beteiligten die Einsicht,
und zweckmäßig ist“. Von diesem Leistungsanspruch um-        dass die beschlossene Fassung der Richtlinie und des BEMA
fasst ist auch die Behandlung parodontaler Erkrankungen.     aufgrund der finanziellen Zwänge und Engpässe in der
§ 2 SGB V gibt vor, dass Leistungen dem allgemein aner-      GKV die Möglichkeiten der Parodontitistherapie nach dem
kannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entspre-     Stand der Wissenschaft zur Behandlung bei Weitem nicht
chen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen    abdeckte und nicht abdecken konnte.
haben.
                                                             Nach der Behandlungsrichtlinie umfasst die systematische
Gemäß § 12 Abs. 1 SGB V müssen Leistungen zulasten der       Parodontitistherapie folgende Maßnahmen im Rahmen
GKV „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein;        der vertragszahnärztlichen Versorgung:
sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.
Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich        a) Geschlossenes Vorgehen
sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die      Bei Zahnfleischtaschen mit einer Sondiertiefe von 3,5 mm
Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen      und mehr, wobei alle supragingivalen und klinisch erreich-
nicht bewilligen.“                                           baren subgingivalen weichen und harten Beläge – Biofilm
                                                             und Zahnstein – nach Möglichkeit innerhalb von 4 Wochen
Vorgaben in Richtlinien und BEMA                             entfernt werden.
nicht mehr zeitgemäß
                                                             b) Offenes Vorgehen
In den Jahren 2002 und 2003 hat sich der seinerzeitige       Bei Sondiertiefen von mehr als 5,5 mm kann das geschlos-
Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen mit          sene Vorgehen vor dem offenen Vorgehen durchgeführt
der Überarbeitung der seit 1974 bestehenden Richtlinie       werden. Nach dem geschlossenen Vorgehen ist zu prüfen,
zur Behandlung von Parodontopathien befasst, die damals      ob an einzelnen Parodontien ein offenes Vorgehen zusätz-
schon Teil der allgemeinen Behandlungsrichtlinie war. Aus    lich durchzuführen ist.
wissenschaftlicher Sicht bestand dringender Handlungs-       In Ausnahmefällen kann das offene Vorgehen auch ohne
bedarf, da sich in kaum einem anderen zahnärztlichen         vorheriges geschlossenes Vorgehen erfolgen.
Leistungsbereich so wesentliche neue Therapiestandards
entwickelt hatten wie im Bereich der Behandlung von Pa-      […]
rodontopathien. Die Überarbeitung der Richtlinie erfolgte    Bei besonders schweren Formen der Parodontitis, die mit
deshalb zunächst unter rein wissenschaftlichen Gesichts-     einem raschen Attachmentverlust einhergehen, können
punkten in enger Zusammenarbeit mit Vertretern der           systemisch wirkende Antibiotika im zeitlichen Zusammen-
Wissenschaft. Im Ergebnis wurde ein Richtlinienentwurf       hang mit der Parodontitistherapie verordnet werden. Dies
vorgelegt, der dem Stand der zahnmedizinischen Wissen-       kann in der Regel direkt nach Abschluss des supra- und
schaft zur Parodontologie entsprach.                         subgingivalen Debridements erfolgen.

Bei den zeitgleich geführten Beratungen zur Änderung         […]
des BEMA im Rahmen seiner Umrelationierung stellte sich      Eine mikrobiologische Diagnostik sowie die lokale Antibio-
heraus, dass die angestrebten Leistungen zur Parodontitis-   tikatherapie sind dabei grundsätzlich nicht Bestandteil der
therapie den finanziellen Rahmen der GKV für die vertrags-   vertragszahnärztlichen Versorgung.
zahnärztliche Versorgung sprengen würden. In der Folge
wurden die im BEMA enthaltenen Leistungen zur Behand-        […]
lung von Parodontopathien zwar neu strukturiert (P200 –      Die regelmäßige Untersuchung des Patienten nach Abschluss
                                                             einer systematischen Behandlung von Parodontopathien ist

                                                                                                                             17
wegen der Gefahr einer bakteriellen Wiederbesiedlung der                                  abgebildet ist, nicht mehr die Anforderungen an eine zahn-
     Taschen erforderlich.                                                                     ärztliche Behandlung im Sinne des § 28 Abs. 2 SGB V, die
                                                                                               zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-,
     […]                                                                                       Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahn-
     Die erste Untersuchung sollte bei geschlossenem Vorgehen                                  ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig sein muss.
     nach 6 Monaten und nach offenem Vorgehen spätestens                                       Der Gesetzgeber fordert in der Regelung des § 2 Abs. 1 Satz
     nach 3 Monaten erfolgen.                                                                  3 SGB V, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem
                                                                                               allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkennt-
     Die Richtlinien werden mit den in der Tab. 2 aufgeführten                                 nisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt
     Leistungen des BEMA umgesetzt.                                                            zu berücksichtigen haben. Die Lücken, die im Vergleich zu
                                                                                               einer zeitgemäßen, wissenschaftlich adäquaten Parodon-
     Vor dem dargestellten Hintergrund erfüllt die Parodonti-                                  titistherapie bestehen, werden mit nachfolgendem Versor-
     tistherapie, wie sie heute innerhalb der GKV immer noch                                   gungskonzept aufgezeigt.

         BEMA-Position             Leistungsbeschreibung

         4                         Befundaufnahme und Erstellen eines Heil- und Kostenplanes bei Erkrankungen der Mund-
                                   schleimhaut und des Parodontiums

         P200                      Systematische Behandlung von Parodontopathien (Supra- und subgingivales Debridement),
                                   geschlossenes Vorgehen je behandeltem einwurzeligen Zahn

         P201                      Systematische Behandlung von Parodontopathien (Supra- und subgingivales Debridement),
                                   geschlossenes Vorgehen je behandeltem mehrwurzeligen Zahn

         P202                      Systematische Behandlung von Parodontopathien (Chirurgische Therapie), offenes Vorgehen
                                   je behandeltem einwurzeligen Zahn

         P203                      Systematische Behandlung von Parodontopathien (Chirurgische Therapie), offenes Vorgehen
                                   je behandeltem mehrwurzeligen Zahn

                                   Die Leistungen nach den Nm. P202 und P203 setzen chirurgische Maßnahmen der systemati-
                                   schen Behandlung der Parodontopathien voraus. Diese umfassen die Lappenoperation
                                   (einschließlich Naht und/oder Schleimhautverbände) sowie das supra- und subgingivale
                                   Debridement.
                                   […] Mit der Bewertungszahl sind alle Sitzungen abgegolten. Die Anästhesie ist zusätzlich
                                   abrechnungsfähig.

         108                       Einschleifen des natürlichen Gebisses zum Kauebenenausgleich und zur Entlastung, je Sitzung

         111*                      Nachbehandlung im Rahmen der systematischen Behandlung von Parodontopathien, je Sitzung

     Tab. 2:      Im BEMA derzeit abgebildete Leistungen zur Behandlung von Parodontopathien

     * Die Nachbehandlung nach Nr. 111 bezieht sich im Wesentlichen auf das Entfernen von Fäden und das Beseitigen verbliebener lokaler Reizfaktoren bzw. die Behandlung von
       Wundheilungsstörungen. Folgerichtig sind sie Teil der systematischen Behandlung von Parodontopathien und vor Abschluss und Abrechnung dieser Leistungen mit dem
       Kostenträger zu erbringen.

18
PAR-Versorgungskonzept

Leistungen entsprechend State of the Art                       Das Verhalten des Patienten beeinflusst die Pathogenese
                                                               der Parodontitis (DMS V 2016). Die Motivation des Pati-
Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft gilt:                 enten und die Information über die Ergebnisse der Re-
                                                               evaluation und das weitere Vorgehen nach jedem aktiven
Zähne können durch eine gezielte Vorsorge bis ins hohe         Therapieschritt in Form der „Ärztlichen Gespräche“ zeigt
Alter erhalten bleiben. Die gezielte Mitarbeit des infor-      die Notwendigkeit des Einbezugs der sprechenden Zahn-
mierten und motivierten Patienten durch eine intensive         medizin (Newton 2015).
Mundhygiene beugt in vielen Fällen erfolgreich der Entste-
hung einer Parodontitis vor. Maßnahmen des Zahnarztes          Wesentlich und unverzichtbar in der Therapie der Paro-
ergänzen dies.                                                 dontitis ist anschließend eine regelmäßige Unterstüt-
                                                               zende Parodontitistherapie (UPT), die die Ergebnisse der
Nach ausführlicher Befundung, Diagnose und Therapie-           antiinfektiösen Therapie und möglicher zusätzlicher par-
planung ist erster Therapieschritt einer zeitgemäßen sys-      odontalchirurgischer Maßnahmen sichert und über Jahre
tematischen Parodontitistherapie die Antiinfektiöse The-       stabilisiert (Kocher 2000, König 2001, Eickholz 2008, Matu-
rapie (AlT) mit dem Ziel der Elimination der parodontalen      liene 2008, Pretzl 2008, Tsami 2009, Miyamoto 2010, NG
Entzündung und der Reduktion der Sondierungstiefen, ggf.       2011, Costa 2014, Kim 2014, Seirafi 2014, Lee 2015). Im
gefolgt von einer chirurgischen Intervention an in der Regel   Leistungskatalog der GKV sind Maßnahmen der UPT nicht
einzelnen Parodontien.                                         vorgesehen (siehe Tab. 2). Damit „fehlt“ das fachlich inter-
                                                               national anerkannte „2. Standbein“ einer wirkungsvollen
Beide Therapieschritte ziehen je eine Reevaluation zur Kon-    und Rezidiven zumindest in hohem Maße vorbeugenden
trolle des Therapieergebnisses nach sich. Die Erhebung des     Parodontitistherapie.
Parodontalstatus zur Reevaluation 1 (nach geschlossenem
Vorgehen) sollte frühestens nach 3 Monaten, die zur Re-        Unter Berücksichtigung dieses derzeitigen Wissensstan-
evaluation 2 (nach offenem Vorgehen) nach 3 bis 6 Mona-        des über Ätiologie, Diagnostik, Therapie der Parodontitis
ten erfolgen.                                                  und Erhaltung des Behandlungsergebnisses sowie unter

    Schema „Behandlungsstrecke“

   ■ Leistungen PAR-Strecke BEMA
   ■ zusätzliche Leistungen PAR-Strecke neu

Abb. 4: Schema „Behandlungsstrecke“

                                                                                                                              19
Berücksichtigung international gültiger und eingeführter      Um Therapieverlauf und -erfolg der späteren AlT, möglicher
     Behandlungs- und Betreuungskonzepte wird das folgende         zusätzlicher CPT-Maßnahmen sowie der nachsorgenden
     Behandlungskonzept empfohlen:                                 UPT sachgerecht feststellen und vergleichbar dokumentie-
                                                                   ren zu können, sollte der Parodontalstatus wiederkehrend
     1. Erstkontakt (PSI-Befund, 01-Befund, Akutbefund)            bei Reevaluation 1 und 2 sowie während der UPT mindes-
     2. ausführlicher parodontaler Basisbefund, Diagnose, 		       tens 1-mal pro Jahr erhoben werden.
        Prognose, Therapieplanung
     3. Ärztliches Gespräch (ÄG)                                   Aktuell ist die wiederkehrende Erhebung des Parodontal-
     4. Antiinfektiöse Therapie (AlT)                              status bei Reevaluation 1 und 2 sowie während der UPT
     5. Reevaluation 1 und Ärztliches Gespräch (ÄG)                in der Behandlungsrichtlinie und den bestehenden Leis-
     6. evtl. weiterführende chirurgische Parodontitistherapie     tungsbeschreibungen nicht abgebildet.
        (CPT) mit
     7. anschl. Reevaluation 2 und Ärztliches Gespräch (ÄG)        Zu 3.
     8. Unterstützende Parodontitistherapie (UPT)                  Ärztliches Gespräch (ÄG)
                                                                   Das Ärztliche Gespräch im Anschluss an Befunderhebung,
     Zu 1.                                                         Diagnose, Prognose und Therapieplanung ist ein eigener
     Erstkontakt (PSI-Befund, 01-Befund, Akutbefund)               Therapieschritt und beinhaltet:
     Die im Rahmen des Erstkontaktes bzw. der Routineuntersu-
     chung erhobenen Befunde dienen der Feststellung, ob An-         - die Information über Befund, Diagnose, Therapie-
     zeichen einer parodontalen Erkrankung vorliegen, die eine     		 alternativen und deren Bedeutung
     gezielte Diagnostik erfordern.                                  - die Information über und die gemeinsame Entschei-
                                                                   		 dungsfindung für die daraus folgende Therapie
     Aktuell sind Leistungen für den Erstkontakt in den beste-       - die Information über die gegebenenfalls anfallenden
     henden Leistungsbeschreibungen bereits abgebildet (zum        		Kosten
     Beispiel BEMA-Positionen Nr. 04, Nr. 01, Nr. Ä1).               - die Information über die Bedeutung von gesundheits-
                                                                   		 bewusstem Verhalten
     Zu 2.                                                           - die Information über Wechselwirkungen mit anderen
     Ausführlicher parodontaler Basisbefund, Diagnose,             		Erkrankungen
     Prognose, Therapieplanung
     Mit der Erhebung des ausführlichen parodontalen Basis-        Aktuell ist das Ärztliche Gespräch in der Behandlungsricht-
     befundes („Parodontalstatus“) erhält der Behandler alle In-   linie und den bestehenden Leistungsbeschreibungen nicht
     formationen, die er für die Planung und Durchführung der      abgebildet.
     weiteren Schritte benötigt. Art und Umfang der Befund-
     erhebung ergeben sich aus der Behandlungsrichtlinie des       Zu 4.
     G-BA, ebenso die Dokumentation des Befundes, die durch        Antiinfektiöse Therapie (AlT)
     das im Bundesmantelvertrag enthaltene Formular „Paro-         Die AlT hat die Beseitigung der entzündlichen Prozesse und
     dontalstatus“ konkretisiert wird.                             Reizfaktoren, welche eine Entzündung unterhalten oder
                                                                   auslösen können, zum Ziel; Blutung bzw. Suppuration auf
     Aktuell sind für die Planung der systematischen Behand-       Sondierung sollen weitgehend eliminiert werden. Weiteres
     lung von Parodontopathien die Leistungen zur Befundauf-       Ziel ist die Reduktion der sondierbaren Taschentiefen (ST)
     nahme und zum Erstellen eines Heil- und Kostenplanes in       in einen Bereich ≤ 5 mm. Die AlT erfolgt im Rahmen eines
     der bestehenden Leistungsbeschreibung bereits abgebil-        geschlossenen Vorgehens.
     det (BEMA-Position Nr. 4).
                                                                   Aktuell ist die Antiinfektiöse Therapie in der Behandlungs-
     Zu den wichtigsten Befundparametern zählen:                   richtlinie und den bestehenden Leistungsbeschreibun-
     - Sondierungstiefe (ST)                                       gen bereits abgebildet (BEMA-Positionen P200, P201 und
     - Klinischer Attachmentverlust (PAL)                          Nr. 111).
     - Bluten auf Sondieren (BOP)

20
Zu 5.                                                          Zu 8.
Reevaluation 1 und Ärztliches Gespräch (ÄG)                    Unterstützende Parodontitistherapie (UPT)
Etwa drei bis sechs Monate nach der AIT erfolgt die erste      Nachdem 3-6 Monate nach Abschluss der AlT bzw. der CPT
Reevaluation der parodontalen Befunde. Dazu sind die auf       mit Reevaluation 1 bzw. Reevaluation 2 parodontal stabile
dem Formular „Parodontalstatus“ aufgeführten Befunde           Verhältnisse festgestellt wurden, beginnt die UPT. Sie be-
erneut zu erheben und zu dokumentieren. Der Vergleich          steht aus folgenden Elementen (Eickholz 2007a):
mit den Befunddaten vor der AIT erlaubt die zielgenaue
Planung des weiteren Vorgehens.                                  - Kontrolle der individuellen Mundhygiene (Plaque- und
                                                               		Entzündungsindex)
Das anschließend zu führende Ärztliche Gespräch um-              - Mundhygienemotivation und -instruktion
fasst die Information des Patienten über die Ergebnisse der      - mindestens einmal pro Jahr Parodontalstatus (siehe 2.)
Reevaluation und das weitere Vorgehen inklusive der ggf.         - erneute vollständige supra- und subgingivale Reinigung
anstehenden chirurgischen Therapie. Soweit kein chirurgi-      		 aller Zähne von anhaftenden Biofilmen und Belägen
scher Eingriff notwendig ist, erfolgt eine                       - subgingivale Instrumentierung an Zähnen mit
                                                               		 ST = 4 mm und BOP und allen Stellen mit ST ≥ 5 mm
  -   Aufklärung über die UPT
  -   Aufklärung über die dadurch entstehenden Kosten          Die UPT erfolgt regelhaft im Abstand eines halben Jahres,
  -   Remotivierung des Patienten durch Krankheits-            mithin zweimal pro Kalenderjahr.
		    aufklärung und Verhaltensinstruktion
                                                               Bei der UPT-Sitzung sind grundsätzlich alle oben aufge-
Aktuell sind die Reevaluation 1 und das Ärztliche Gespräch     führten Maßnahmen angezeigt. Abweichend davon kann
in der Behandlungsrichtlinie und den bestehenden Leis-         die halbjährliche Erhebung des Parodontalstatus entfallen.
tungsbeschreibungen nicht abgebildet.                          Ein Parodontalstatus mit Angaben zum Attachmentverlust
                                                               bzw. zu Rezessionen und zur Sondierungstiefe soll jedoch
Zu 6.                                                          mindestens einmal jährlich erhoben werden, um Vergleiche
Evtl. weiterführende chirurgische Parodontitistherapie (CPT)   mit dem Ausgangsbefund und dem Behandlungsergebnis
In vielen Fällen ist die nichtchirurgische Therapie aus-       nach AlT (und evtl. CPT) zu ermöglichen.
reichend. Je nach Ergebnis der ersten Reevaluation kann
jedoch ein chirurgischer Eingriff erforderlich werden, zum     Die Wirksamkeit der UPT ist durch zahlreiche Studien und
Beispiel bei noch bestehenden größeren Taschentiefen           Übersichtsarbeiten belegt (Eickholz 2008, Tsami 2009, Ma-
(ST > 5,5 mm). Die CPT umfasst Leistungen der bisherigen       tuliene 2010, Miyamoto 2010, Ng 2010, Costa 2014, Kim
BEMA-Positionen P202, P203 und Nr. 111.                        2014, Seirafi 2014, Lee 2015). Die UPT ist international an-
                                                               erkannt ein unverzichtbarer Bestandteil der Therapie von
Zu 7.                                                          Parodontitis; eine AlT ohne nachfolgende UPT erreicht nur
Reevaluation 2 und Ärztliches Gespräch (ÄG)                    eine vorübergehende Reduktion der parodontalen Krank-
Drei bis sechs Monate nach einer chirurgischen Therapie        heitsaktivität und hat gegenüber regelmäßiger UPT ein er-
bedarf es einer erneuten Reevaluation und eines weiteren       höhtes Risiko für ein Rezidiv und langfristig für Zahnverlust
Ärztlichen Gesprächs mit dem Patienten. Zu den Inhalten        (König 2001, Eickholz 2008, Pretzl 2008). Die Vermeidung
von Reevaluation und Gespräch siehe „Zu 5.“                    von Zahnverlust hat auch für die Patienten die höchste
                                                               Priorität (IQWiG 2016). Im Vergleich zu den Kosten für den
Aktuell sind die Reeavaluation 2 und das Ärztliche Gespräch    Zahnersatz, der erforderlich wird, wenn Zahnverlust ein-
in der Behandlungsrichtlinie und den bestehenden Leis-         tritt, ist die UPT sehr wirtschaftlich (Pretzl 2009). Die UPT
tungsbeschreibungen nicht abgebildet.                          ist nicht nur Bestandteil einer „Erkrankungstherapie“, sie
                                                               ist zugleich ein wesentliches Element der Sekundär- und
                                                               Tertiärprävention.

                                                               Aktuell ist die unterstützende Parodontitistherapie (UPT) in
                                                               der Behandlungsrichtlinie und den bestehenden Leistungs-
                                                               beschreibungen nicht abgebildet.

                                                                                                                               21
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