Paratransit - neue Entwicklungen an der Peripherie des öffentlichen Verkehrs - Dr. Ing. Martin Schiefelbusch MA MSc - NVBW

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Paratransit - neue Entwicklungen an der Peripherie des öffentlichen Verkehrs - Dr. Ing. Martin Schiefelbusch MA MSc - NVBW
NVBW Schriftenreihe

Paratransit - neue Entwicklungen an der
    Peripherie des öffentlichen Verkehrs
                      Dr. Ing. Martin Schiefelbusch MA MSc

             Sonderdruck: Auszug aus DER NAHVERKEHR
                                   1-2/2015, 33. Jahrgang
Paratransit - neue Entwicklungen an der Peripherie des öffentlichen Verkehrs - Dr. Ing. Martin Schiefelbusch MA MSc - NVBW
Dr. Martin Schiefelbusch MA MSc, Stuttgart

                       Paratransit: Neue Entwicklungen an
                       der Peripherie des ÖPNV
                       Eindrücke von der Tagung Shaping the new future of paratransit [1]

                       Verkehrslösungen für Räume und Zeiten           te, um den ÖPNV in Richtung eines multimo-                         DER AUTOR
                       schwacher Nachfrage sind immer wieder           dalen Angebots weiterzuentwickeln (vgl. un-
                       Thema von Beiträgen dieser Zeitschrift          ten). So wären danach die sich zurzeit stark          Dr. Martin Schiefelbusch (44) betreut
                       [2] und seit langem Gegenstand von For-         entwickelnden Carsharing-Angebote (flexibel           nach längerer Tätigkeit am nexus Ins-
                       schungs- und Planungsprojekten. Dabei ist       wie stationsgebunden) ebenso Teil von Para-           titut und der TU Berlin seit April 2014
                       meist von flexiblen (manchmal auch alter-       transit wie jede Form der Mitfahrvermittlung.         das Kompetenzzentrum Innovative
                       nativen) Bedienformen oder vom bedarfs-                                                               Angebotsformen im ÖPNV bei der
                       gesteuerten ÖPNV die Rede, da die meis-         Anlässlich der ersten internationalen Fachta-         Nahverkehrsgesellschaft Baden-Würt-
                       ten Konzepte auf eine mehr oder weniger         gung seit 1997 zum Thema Paratransit soll             temberg. Er studierte Geografie und
                       nachfragegesteuerte Bedienung setzen, bei       mit dem folgenden Beitrag ein Einblick in die         Verkehrsplanung in Berlin und London
                       der zwar ein umfangreiches Fahrtenangebot       aktuelle Diskussion zu diesem Bereich ge-             und promovierte 2007 am Institut für
                       bereitgehalten, aber nur der Teil davon tat-    geben werden. Außerdem stellt der Aufsatz             Land- und Seeverkehr der TU Berlin.
                       sächlich erbracht wird, für den ein konkretes   einige Instrumente (Angebots- und Organi-             In der Mobilitätsforschung und -bera-
                       (angemeldetes) Bedürfnis besteht.               sationsformen) aus der US-amerikanischen              tung befasst Schiefelbusch sich vor al-
                                                                       Paratransit-Praxis vor, die möglicherweise            lem mit der Weiterentwicklung des öf-
                       Der englische beziehungsweise amerikani-        Anregungen für die Entwicklung neuer Mobi-            fentlichen Verkehrs und hat hier neben
                       sche Begriff des Paratransit ist hierzulande    litätsdienste in Europa leisten können.               Arbeiten zur ländlichen Mobilität unter
                       dagegen weitgehend unbekannt. Er enthält                                                              anderem Kundendienst und Fahrgast-
                       die eben genannten Ansätze, geht jedoch                                                               rechte, Verkehrspolitik und internatio-
                       inhaltlich darüber hinaus. Paratransit um-      Die Tagung                                            nale Zusammenarbeit behandelt.
                       fasst in seiner ursprünglichen Definition aus
                       den späten 1970er Jahren [3] gemeinsam
                       genutzte Fahrdienste, überwiegend mit flexi-    Die Fachtagung zur Zukunft des Paratransit [4]     len und regionalen Verkehrsbehörden, Ver-
                       blen oder dynamischen Elementen, die aus        fand vom 29. bis 31. Oktober 2014 in Monterey/     kehrsunternehmen, Beratungsfirmen und
                       nachfragegesteuertem öffentlichen Verkehr,      Kalifornien statt und wurde durch das Transpor-    Interessensverbänden. Entsprechend waren
                       organisierter Mitfahrvermittlung, geteiltem     tation Research Board der USA unterstützt. Die     rein wissenschaftliche Beiträge selten; es do-
                       Fahrzeugbesitz, Taxiverkehr und Varianten       etwa 150 Teilnehmer kamen zu gut 80 Prozent        minierten Vorträge mit eher praxisorientier-
                       davon bestehen können.                          aus Nordamerika, die übrigen vor allem aus         tem Charakter. Auch der örtliche Verkehrsbe-
                                                                       (West)Europa. Hier waren die Niederlande, Bel-     trieb Monterey Salinas Transit (MST) gab
                       Diese Definition enthält somit auch einige      gien, Schweden, Dänemark und Großbritannien        einen Überblick über seine Aktivitäten (Abb.
                       Elemente, die inzwischen nicht nur als Lö-      jeweils mit mehreren Personen und mindestens       1, Kasten S.63).
                       sung für den Umgang mit geringer Nachfrage      einem Vortrag vertreten. Institutionell stammten
                       gelten, sondern auch als notwendige Schrit-     die meisten der Anwesenden von kommuna-            Das Thema Paratransit wurde in vielfältiger
                                                                                                                          Form behandelt, wobei von den in der ge-
Foto: Tom Hicks, MST

                                                                                                                          nannten Definition enthaltenen Elementen
                                                                                                                          vor allem flexible öffentliche Verkehrsangebo-
                                                                                                                          te und gruppenspezifische Sonderverkehre
                                                                                                                          zur Sprache kamen. Carsharing und Mitfahr-
                                                                                                                          vermittlung spielten dagegen nur eine gerin-
                                                                                                                          ge Rolle. Entsprechend der Teilnehmerschaft
                                                                                                                          nahmen die meisten Beiträge Bezug auf den
                                                                                                                          nordamerikanischen Kontext. Aber auch die
                                                                                                                          europäischen Beispiele waren insofern in-
                                                                                                                          teressant als sie die sehr unterschiedlichen
                                                                                                                          Konzepte auch innerhalb Europas zeigten.
                                                                                                                          Vier Oberthemen lassen sich als sehr knap-
                                                                                                                          pe Zusammenfassung identifizieren:

                                                                                                                          – Randbedingungen für den Paratransit in
                                                                                                                            den USA,
                                                                                                                          – Mobilitätsmanagement mittels akteur-
                                                                                                                            sübergreifender Koordination,
                                                                                                                          – Paratransit-Konzepte aus Europa und an-
                                                                                                                            deren Ländern,
                                                                                                                          – neue Technologien und Geschäftsmodelle
                                                                                                                            als treibende Kräfte für neue Formen des
                       Abb. 1: MST-Midibus auf der touristischen Küstenlinie 24.                                            Paratransits.

                       2                                                                                                                        DER NAHVERKEHR   1-2/2015
Grafik: Schiefelbusch

                                                                        Elemente des Paratransit

                                                                                                                           Nicht-eiliger
                                     Fahrgemeinschaften                    flexible ÖPNV-Formen                          Krankentransport
                                          dynamische                     (Rufbus, Sammeltaxi u.a.)
                                       Mitfahrvermittlung                                                            Schülerspezialverkehre
                                                                                klassisches Taxi
                                             Carsharing                                                              Behindertenfahrdienste
                                                                                    Mietwagen
                                               Vanpools                           (nach PBefG)                            Flughafenshuttle

                                     bessere Auslastung                       kleinteiliger ÖPNV                     betreuungsintensive
                                          im MIV                                                                       Verkehrsdienste

                        Abb. 2: Mobilitätsdienste im Paratransit.

                        Paratransit und ÖPNV                           auch an der amtlichen Verwendung des          Zweitens kann jedoch auch diese Nischen-
                                                                       Begriffs in den USA Form des ADA Parat-       perspektive für Mobilitätsanbieter durchaus
                                                                       ransit liegen dürfte (vgl. Kasten S.62).      interessant sein, denn schließlich handelt es
                        Wie schon angedeutet ist der Begriff des                                                     sich bei solchen Sonderverkehren um teils
                        Paratransit zwar im ÖV-Kontext entstan-        Aus europäischer Sicht fällt bei dieser Be-   umfangreiche und regelmäßige Fahrten, de-
                        den, in seiner ursprünglichen Bedeutung        griffsverwendung zweierlei auf: Erstens       ren Anforderungen auch gut geschultes Per-
                        aber umfassender. Neben den flexiblen          wird mit Paratransit in noch stärkerem        sonal benötigen. Nötig wäre dafür allerdings
                        Bedienformen, die auch im europäischen         Maße als mit normalen ÖPNV ein Angebot        die Bereitschaft, sich intensiv mit den spe-
                        Fachdiskurs eindeutig zum ÖPNV gerech-         für Zwangsnutzer assoziiert. In den meis-     zifischen Kundenanforderungen auseinan-
                        net werden, sind zwei Arten von Mobilitäts-    ten Vorträgen war mit großer Selbstver-       derzusetzen, das Angebot entsprechend zu
                        diensten Teil des Paratransit, aber (noch?)    ständlichkeit von Senioren, Behinderten,      differenzieren und sich damit ein Stück weit
                        nicht Teil von ÖPNV (Abb. 2):                  Veteranen und anderen Mobilitätseinge-        vom traditionellen Verständnis eines Mas-
                                                                       schränkten die Rede, auf deren Bedürf-        senverkehrsmittels zu verabschieden.
                        – Maßnahmen zur gemeinsamen Nutzung            nisse die Angebote ausgerichtet werden.
                          und besseren Auslastung des privaten         Auch in den Förderprogrammen kommt
                          Individualverkehrs, die in verschiede-       diese (Selbst)beschränkung zum Teil zum       Hauptthemen der Tagung
                          nen Konstellationen sowohl von der Ba-       Ausdruck. Ambitionen, darüber hinaus an-
                          sis selbst organisiert als auch öffentlich   dere Kundengruppen zu erreichen, beste-
                          gefördert und koordiniert sein können,       hen offenbar nur in seltenen Ausnahmefäl-     Randbedingungen für die Organisation
                                                                       len. Umgekehrt entfallen nach der letzten     von Paratransit in den USA
                        – spezielle Verkehrsdienste, die der Sicher-   nationalen Verkehrserhebung US-weit 60
                          stellung einer Basismobilität für bestimm-   Prozent der von Senioren zurückgelegten       Auf Grundlage des im vorigen Abschnitt
                          te (benachteiligte) Gruppen dienen, mit      ÖV-Wege auf Paratransit und Fahrdienste       beschriebenen Verständnisses von Para-
                          weiteren sozialen Leistungen kombiniert      und nur 40 Prozent auf liniengebundenen       transit liegt eine Integration von flexiblem
                          sein können und als Aufgabe der Da-          Verkehr. Andererseits ist die Bereitschaft,   ÖPNV und speziellen Verkehrsdiensten
                          seinsvorsorge starker staatlicher Kont-      für ein solches Spezialangebot erhebli-       (mittlerer und rechter Teil von Abb. 2) eher
                          rolle und Subventionierung unterliegen.      che öffentliche Subventionen einzusetzen,     nahe. Die Umsetzung ist allerdings auch in
                                                                       durchaus beachtlich – um so mehr als die      Amerika ein schwieriger Prozess, der vor
                        Den Beiträgen der Tagung zufolge wird Pa-      USA im Allgemeinen nicht als ein Land gel-    Ort in sehr unterschiedlicher Form und in
                        ratransit inzwischen eher mit dem zweiten      ten, in dem der öffentliche Verkehr einen     unterschiedlichem Maß umgesetzt wird.
                        der genannten Bereiche assoziiert, was         hohen Stellenwert genießt.                    Zu beachten sind dabei mehrere sachliche

                        1-2/2015   DER NAHVERKEHR                                                                                                               3
Tabelle 1:Bundes-Finanzierungsprogramme der USA für Paratransit, Senioren- und Behindertenfahrdienste (Quelle: [6], modifiziert)

                                                                                                                         ungefährer Umfang (Mio. US $),
    Träger                            Name des Programms                    Gegenstand
                                                                                                                         2011
    (Kommunen)                        Americans with Disabilities Act       ADA-Paratransit (vgl. Kasten 1)              kommunal (Teil des ÖPNV-Budgets)
    Administration for Community                                            Titel III B u.a. für medizinische und
                                      Older Americans Act                                                                72 (Jahr 2010)
    Living                                                                  andere Verkehrsdienste
    Centers for Medicare & Medicaid   Medicaid Non-Emergency Medi-          Nicht-dringender Krankentransport für
                                                                                                                         ca 2 000
    (öff. Gesundheitsversicherung)    cal Transport                         Medicaid-Empfänger
                                      Sect. 1915c, häusliche/lokale        ergänzende Fürsorgeleistungen, inkl.
                                                                                                                         41 (Jahr 2008)
                                      Assistenzleistungen                  ggf. Verkehr
    Federal Transit Administration    Elderly Individuals + Disabilites    Investitionszuschüsse für Paratransit in
                                                                                                                         203
    (Bundesbehörde für den ÖV)        Program                              Ergänzung des ÖPNV
                                                                           Paratransit-Angebote jenseits der
                                      New Freedom Program                                                                80
                                                                           ADA-Pflichtleistungen
                                      Veteran Transport and Communi-       gruppenspezifische Koordination von
                                                                                                                         35
                                      ty Living Initiative                 Diensten
                                                                           Subjektförderung für Fahrtkosten zu
    Department for Veterans Affairs   Veterans Medical Care                                                              824
                                                                           medizinischer Behandlung u.ä.
                                      Automobiles and Adaptive             Subjektförderung für Anschaffung ange-
                                                                                                                         78
                                      Equipment                            passter Fahrzeuge

Ebenen, von denen schon jede für sich ver-              Die wesentlichen Programme, die für die               Insgesamt gibt es verschiedene Möglichkeiten,
schiedene Aspekte umfasst:                              Finanzierung herangezogen werden kön-                 die einzelnen Aufgaben (Auftragsannahme, Di-
                                                        nen, sind in Tabelle 1 genannt – wobei                sposition, Umsetzung, Abrechnung) intern oder
    Administrativ fallen die einzelnen Leistun-         sich die Darstellung auf die Bundesebe-               extern, gebietsweit oder regional aufgeteilt zu
    gen unter verschiedene Regelungen und               ne beschränkt. Insgesamt bestehen ver-                vergeben. Die tägliche Koordination der Mobili-
    Zuständigkeiten: So liegt die Zuständigkeit         schiedenen     Tagungsbeiträgen     zufolge           tätsdienste wird im Fachjargon als Mobility Ma-
    für ADA-Paratransit (Kasten S.62) bei den           über 100 Programme unterschiedlicher                  nagement oder Mobility Brokerage (etwa mit
    ÖPNV-Aufgabenträgern, für nicht-dringen-            Größe US-weit, über die Mobilitätsleistun-            Mobilitätsmakler übersetzbar) bezeichnet. Ad-
    den Patiententransport je nach Zielgrup-            gen organisiert und (teil-)finanziert wer-            ressaten hierfür sind die Kommunen, die dazu
    pe bei der staatlichen Versicherung für             den können. Zum Teil handelt es sich um               eigene Büros aufbauen (vgl. Kasten S.61) oder
    Einkommensschwache (Medicaid) oder                  Regelungen von eng begrenztem Anwen-                  diese Leistung an spezialisierte Beratungsbüros
    Unterstützungsprogramme für Kriegsve-               dungsbereich, etwa den Heimtransport                  vergeben können. Unabhängig von den einzel-
    teranen. Daneben bestehen diverse Förder-           nach stationären Krankenhausaufenthalten.             nen Modellen der Aufgabenzuordnung, die hier
    programme für Seniorenmobilität und ÖPNV.                                                                 nicht im Detail wiedergegeben werden können,
                                                      Diese Vielfalt legt zunächst eine hohe Frag-            erscheinen folgende Erfahrungen interessant:
    Auf der persönlichen           Ebene sind         mentierung der Verkehrsleistungen nahe; die
    die      unterschiedlichen      Mobilitätsbe-     jedoch dadurch reduziert wird, dass die Umset-            Die für das Mobilitätsmanagement zustän-
    dürfnisse und -einschränkungen der                zung vieler Programme auf der kommunalen                  digen Einrichtungen befassen sich auch
    Fahrgäste      zu     berücksichtigen,    die     Ebene (County, vergleichbar einem Landkreis,              mit dem Prüfen der Anspruchsberechti-
    spezielle Hilfestellungen erfordern und an-       oder Teilräume davon) erfolgt und sie sich an             gung. Daher schlägt eine unterschiedlich
    dere Restriktionen nach sich ziehen können.       eine begrenzte Zahl fachlich zuständiger Stel-            strenge Auslegung der Regularien ebenso
                                                      len richten. Trotzdem bleibt das Risiko einer in-         auf die Nutzerzahlen durch wie die (poli-
    Für die Umsetzung kommen verschiedene             effizienten Parallelvergabe ähnlicher Verkehre            tisch bestimmte) mehr oder weniger groß-
    Anbieter in Betracht, die unterschiedliche        ebenso bestehen wie ein hoher Aufwand, um                 zügige Gestaltung der Programme selbst.
    Kostenstrukturen, Leistungsumfang und             die Leistungen jeweils entsprechend der einzel-
    Einsatzbedingungen haben. Neben ÖV-Un-            nen Programme zu bestellen und abzurechnen.               Für Dokumentation und Abrechnung ist eine
    ternehmen,      spezialisierten   Paratransit-                                                              Vielzahl programmspezifischer Vorgaben zu
    Diensten gehören etwa auch Taxen und              Mobilitätsmanagement als programm-                        beachten. Dies gilt für die akzeptierten Kos-
    Freiwillige dazu. Es gibt etwa sechs US-weit      und akteursübergreifende Koordination                     tensätze wie für die formalen Anforderungen.
    aktive Unternehmen, hinzu kommt jeweils                                                                     Wichtig ist dabei auch, nachvollziehbare Me-
    eine Reihe lokaler und regionaler Anbieter.       Um hier zu einem effizienten Einsatz der öffentli-        thoden für die Zuordnung der Kosten zu den
                                                      chen Mittel zu kommen, besteht in der Mehrzahl            einzelnen Transportvorgängen zur Verfügung
    Die Finanzierung ist durch das Neben-             der Staaten (derzeit 31) auf Grundlage einzel-            zu haben, da die verschiedenen Programme
    einander der verschiedenen Förderpro-             staatlicher Gesetze oder Programme eine Ver-              und Kostenträger angehalten sind, sparsam
    gramme kompliziert. Hinzu kommt, dass             pflichtung zur Koordination von Fahrtaufträgen            zu wirtschaften und keine Leistungen zu fi-
    Programme auf Bundesebene in der                  und Mobilitätsangeboten. Die Staaten haben                nanzieren, für die sie nicht zuständig sind.
    Regel eine Kofinanzierung der Bundes-             dazu in der Regel ein Koordinationsbüro einge-            Hierfür wurden angepasste Softwarelösun-
    staaten und/oder Kommunen erfordern,              richtet, das die lokalen Koordinatoren (s.u.) über-       gen teils sogar von den zuständigen Agentu-
    deren Existenz (oder Fehlen) über den             wacht und begleitet. Der Begriff Koordination be-         ren selbst entwickelt (vgl. Kasten S.61).
    Umfang der vor Ort jeweils angebotenen            zieht sich dabei auf die Disposition der Verkehre;        Trotzdem bleibt das Mobilitätsmanagement
    Leistungen entscheidet (vgl. Kasten S.            er bedeutet nicht, dass diese nur durch ein Un-           eine Aufgabe, die nur in Kombination von
    64).                                              ternehmen durchgeführt werden müssen.                     Technik mit menschlichem Verstand und

4                                                                                                                                    DER NAHVERKEHR   1-2/2015
Kommunikationsvermögen gut zu bewäl-                wicklungsländern. Als Gemeinsamkeiten          Aus Sicht der amerikanischen Teilnehmer
  tigen ist. Es hat sich etwa bewährt, bei den        sind im europäischen Vorgehen erkennbar:       erschienen die europäischen Beispiele so-
  oft längeren Vorbestellfristen Erinnerungs-         Es fehlt ein dem ADA-Paratransit entspre-      mit einerseits fremd, andererseits wurde in
  anrufe am Fahrtag durchzuführen, um Ver-            chendes Pflichtangebot vergleichbarer          mehreren Beiträgen der Nutzen eines tran-
  spätungen und Fehlfahrten zu reduzieren.            räumlich-zeitlicher Abdeckung. Paratran-       satlantischen Ideentransfers betont, da die
                                                      sit-Leistungen werden als Teil oder Erwei-     stärker strukturierten (auf Nachfragebün-
  Wichtig für den Erfolg des Mobilitätsmanage-        terung des ÖPNV verstanden (mittlerer Teil     delung zielenden), mit mehr Engagement
  ments ist dessen Zugriff auf eine Bandbreite        von Abb. 2). Als solche werden sie zum ei-     betriebenen und besser abgestimmten eu-
  an Dienstleistungen. Selbst für die typische        nen auf Räume und Zeiten konzentriert, in      ropäischen Konzepte größeren Kundenzu-
  Paratransit-Klientel gilt, dass der weit überwie-   denen ihr Einsatz sinnvoll erscheint, zum      spruch und eine bessere Effizienz erwarten
  gende Teil der Fahrgäste (80 bis 90 Prozent)        anderen weit mehr mit dem Ziel eines für       lassen.
  noch mindestens kurze Strecken gehen kann,          die Allgemeinheit attraktiven Angebots ver-
  also kein (teures) Rollstuhlfahrzeug benötigt.      bunden.                                        Neue Technologien und Geschäftsmodelle

  Das Ziel der Koordination zur effizienten           Jenseits davon ist aber auch die Vielfalt      Während die bisher genannten Themen
  Gestaltung der Mobilitätsdienste steht              der Strategien innerhalb Europas bemer-        doch mehr oder weniger stark die beste-
  mitunter im Widerspruch zum Bestreben               kenswert (wobei längst nicht alle Länder       henden Formen von Paratransit und flexi-
  einzelner Programm- beziehungsweise                 im Programm vertreten waren). Das Spek-        blem ÖPNV als Grundlage hatten, gab es
  Kostenträger, ihre jeweiligen Leistungen            trum reicht vom teilflexiblen Linienverkehr    auch einige Beiträge, die sich anderen Kon-
  zu optimieren. Somit kann es sein, dass             (Service- und Flexlinien in Schweden) über     zepten widmeten. Im Mittelpunkt standen
  Fahrdienste aus einem solchen Interesse             lokal gestaltete ÖPNV-Ergänzungsformen         dabei die Möglichkeiten durch mobile elekt-
  heraus auch (wieder) unter eigener Regie            (Deutschland, Irland, Großbritannien) hin      ronische Kommunikation, insbesondere via
  dieser Träger erbracht werden.                      zu großräumig organisierten Rufbus- und        Smartphone-Apps. Mehr noch als in Euro-
und                                                   Sammeltaxiangeboten (Flandern, Nieder-         pa scheinen diese als zentrales Element
und                                                   lande, Dänemark). Die Integration von flexi-   einer neuen Mobilitätskultur gesehen zu
Paratransit-Konzepte aus Europa und                   blem ÖPNV und sozialen Verkehrsdiensten        werden. Ihr Nutzen wird – angesichts der
anderen Ländern                                       (mittlerer und rechter Teil von Abb. 2) wird   ererbten MIV-Dominanz – weniger in einer
                                                      besonders in Dänemark und den Nieder-          Unterstützung „intelligenter“ multimodaler
Etwa ein Dutzend Beiträge befassten sich              landen verfolgt – mit unterschiedlichen Kon-   Verkehrsmittelwahl erwartet als in der Mög-
mit Beispielen aus Europa und einige weni-            zepten, die einer näheren Betrachtung an       lichkeit, Fahrgemeinschaften und spontane
ge mit der Situation in Schwellen- und Ent-           anderer Stelle durchaus wert sind.             Mitfahrgelegenheiten in Privat-Pkw zu ver-
                                                                                                     mitteln. Hierzu wurden auch Beispiele vor-
                                                                                                     gestellt, die etwa dem deutschen Flinc-Mo-
                                                                                                     dell vergleichbar sind.

                        Mobility Brokerage:                                                          Hauptthema war jedoch die Rolle der so
                                                                                                     genannten Transportation Network Compa-
                        ACCESS Pittsburgh                                                            ny (TNC), deren prominentester Vertreter
                                                                                                     das inzwischen auch im deutschsprachigen
                                                                                                     Raum präsente Unternehmen Uber ist. Die-
                                                                                                     se bieten sowohl die Vermittlung von Mit-
   Die    kommunale       Mobilitätsmanage-             Über eine Kunden- und Fahrtendaten-          fahrgelegenheiten in ohnehin stattfinden-
   ment-Agentur ACCESS in Allegheny                     bank wird außerdem die fahrtspezifi-         den Pkw-Fahrten an (ridesharing) als auch
   County     koordiniert   Fahrdienstleis-             sche Prüfung der Anspruchsberechti-          das – für die Kritik an diesem Geschäftsmo-
   tungen für ein Gebiet von 2019 km²                   gung unterstützt, über die aber weiter       dell wesentliche – Vermitteln von Fahrten
   mit 1,3 Mio Einwohnern und ist da-                   ein ACCESS-Angestellter entscheidet.         an freiberufliche Chauffeure (rideselling). In
   mit bezogen auf Umfang und Vielfalt                  Fahrgelder werden nicht mehr bar im          der Praxis ist eine genaue Unterscheidung
   der vermittelten Leistungen einer der                Fahrzeug kassiert, sondern von den           zwischen diesen beiden Aktivitäten aber oft
   größten Mobility Broker. Pro Tag wer-                ohnehin registrierten Kunden in ein          nicht möglich.
   den etwa 6000 Personenfahrten ab-                    persönliches Konto eingezahlt. Zu
   solviert, bei denen es sich um reine                 Fahrtantritt erfolgt nur noch die Iden-      In der kontroversen Debatte wurden die
   Fahrdienstfahrten, in geringem Umfang                tifizierung über eine dazugehörige           TNC einerseits (dem europäischen Diskurs
   aber auch um Zubringer zum Linien-                   Chipkarte.                                   vergleichbar) als Bedrohung der Taxibran-
   ÖPNV handelt.                                                                                     che gesehen, von ihren Befürwortern da-
                                                                                                     gegen als dringend nötiger Impuls für eine
   Zur Unterstützung der verschiedenen                Insgesamt werden von 35 Personen               Modernisierung dieses Gewerbes begrüßt.
   Prozesse wurden verschiedene Soft-                 Leistungen für 145 einzelne Kostenträ-         TNCs zählen nach der eingangs zitierten
   warelösungen entwickelt, die auf Basis             ger koordiniert. Die wichtigsten Bestel-       Definition eindeutig zum Paratransit; ihre
   üblicher Windows-Komponenten mit                   ler beziehungsweise Geldquellen sind           Aktivitäten haben aber auch eine Reihe von
   einer Förderung im Rahmen des New                  der ADA-Paratransit, Sozialdienste,            – bisher noch eher theoretischen – Auswir-
   Freedom-Programms der FTA (vgl. Ta-                Lotteriemittel, Seniorenhilfsdienste und       kungen auf herkömmliche Paratransit-An-
   belle 1) finanziert wurden:                        Arbeitsfördermaßnahmen. Die Leistun-           gebote. Wenn Taxiunternehmen durch die
                                                      gen werden von sieben regionalen An-           neue Konkurrenz aufgeben müssen, ste-
      Das Dispositionssystem Infinity fasst           bietern mit 400 Fahrzeugen erbracht.           hen sie auch nicht mehr für den Paratransit
      Auftragsannahme und Abwicklung                  Die genannten EDV-Lösungen ermög-              zur Verfügung. Umgekehrt könnte Paratran-
      in der Mobilitätszentrale bis hin zur           lichten eine Personaleinsparung im Ver-        sit eine Chance für Betriebe sein, die sich
      Abrechnung der Leistungen bei den               waltungsbereich von sieben Vollzeitstel-       von der eher einfachen Personenbeförde-
      verschiedenen Trägern entsprechend              len bei ACCESS und weiteren bei den            rung zu Anbietern anspruchsvollerer Diens-
      deren Anforderungen zusammen.                   Verkehrsunternehmen.                           te entwickeln wollen. Manche Kostenträger
                                                                                                     sehen die TNC auch als Chance, sich von

1-2/2015   DER NAHVERKEHR                                                                                                                        5
ADA-Paratransit
                             In § 23 des Americans with Disabilities         Die Verkehrsunternehmen können die Fahr-          Grundkonzepts nur schwer verbessert wer-
                             Act (ADA) von 1990 wurden Anbieter von          leistungen selbst erbringen oder an Unter-        den kann. Zur Kostensenkung setzen manche
                             ÖPNV-Leistungen verpflichtet, einen barrie-     auftragnehmer vergeben. Für den ADA-Pa-           Kommunen auch Taxen ein, wenn die Anforde-
                             refreien Ersatzverkehr für die Personen ein-    ratransit kommen meist mit Rollstuhllift und      rungen des Fahrgasts dies erlauben. Weitere
                             zurichten, die wegen einer Behinderung den      anderen Hilfseinrichtungen ausgestattete          Ansätze sind die Koordination mit anderen Mo-
                             normalen Linienverkehr nicht nutzen können.     Kleinbusse zum Einsatz (Abb. 3). Pro Bedie-       bilitätsdiensten (vgl. Kasten 2) einschließlich
                             ADA-Paratransit ist eine Pflichtleistung, die   nungsgebiet kommen zwischen 10 und über           der Kombination mit flexiblen Bedienformen,
                             aber räumlich nur einen Bereich von 0,75 Mei-   200 Fahrzeuge zum Einsatz, die EDV-gestützt       die als Zubringer zum Linien-ÖPNV einge-
                             len (etwa 1 km) beiderseits bestehender Bus-    disponiert werden. Obwohl kein Anspruch auf       setzt werden. Dies wird derzeit nur sehr selten
                             linien abdeckt und auf die Bedienungszeiten     individuelle Beförderung besteht, sind die er-    praktiziert, da die meisten städtischen Betriebe
                             des normalen ÖPNV beschränkt ist. Einige        zielten Bündlungsgrade in der Praxis gering.      keine flexiblen Bedienformen einsetzen. Dage-
                             Qualitätsmerkmale sind im Gesetz verbindlich    Für die Nutzung des ADA-Paratransit werden        gen finden sich in ländlichen Räumen häufiger
                             festgelegt [5], darunter das Recht zur unbe-    meist Fahrpreise in Höhe der ortsüblichen         Kombinationen von ADA und allgemein zu-
                             grenzten Nutzungshäufigkeit, Anspruch auf       ÖPNV-Tarife erhoben; das Gesetz erlaubt Tari-     gänglichem ÖPNV in einem flexiblen Angebot.
                             Beförderung innerhalb einer Stunde vor/nach     fe bis zur doppelten Höhe des Linienverkehrs.     Ein anderer Ansatz ist die Erweiterung des
                             der gewünschten Zeit und die Pflicht zur Be-    Da es sich um eine Pflichtaufgabe handelt,        Angebots auf eine größere Kundengruppe und
                             stellung am Vortag der Fahrt.                   versuchen offenbar manche anderen Kosten-         zu besseren Konditionen, um mehr Nachfrage
                                                                             träger, eigentlich in ihrer Verantwortung ste-    zu generieren – dies quasi als Umkehrung der
                             Die Berechtigung zur Nutzung des Dienstes       hende Aufträge auf den ADA-Fahrdienst abzu-       in den 1980er Jahren einsetzenden Bestre-
                             wird auf Antrag durch Auswertung medizini-      schieben.                                         bungen, den Subventionsaufwand durch rest-
                             scher Unterlagen und gegebenenfalls eige-                                                         riktivere Nutzungsbedingungen zu begrenzen.
                             ne Untersuchungen festgestellt, die die Ver-    Infolge dieser Randbedingungen ist ADA-Pa-        Letztere Strategie wird seit 2010 unter dem
                             kehrsunternehmen oder von ihnen beauftragte     ratransit eine teure Dienstleistung – auf der     New Freedom-Programm zur Integrations-
                             Büros durchführen. Die Nutzungsberechtigung     Tagung war von Kosten pro Fahrgastfahrt von       förderung durch die Bundesbehörde für den
                             kann auf eine bestimmte Zeit oder bestimmte     25 $ (20 €) als typischer Durchschnitt die Rede   öffentlichen Verkehr (Federal Transit Administ-
                             Wegearten beschränkt werden.                    –, deren Effizienz aber ohne Änderungen des       ration, FTA) gefördert, ist aber bisher freiwillig.
Foto: Martin Schiefelbusch

                             Abb. 3: Paratransit-Kleinbus aus New York mit konventionellem Einstieg im vorderen Teil der Kabine und separater Tür für Rollstuhllift im
                             hinteren Bereich des Fahrzeugs

6                                                                                                                                                         DER NAHVERKEHR    1-2/2015
„einfacheren“ Fahrten zu entlasten. Die TNC      kehrs, sie leisten aber einen wesentlichen       das aus Europa bekannte Problem absoluten
selbst bieten dafür allerdings bisher noch       Beitrag dazu, dass Menschen auch bei ein-        Bevölkerungsrückgangs, die Alterung wird
keine ausreichende Verfügbarkeit und Qua-        geschränkter Mobilität in ihrem häuslichen       aber mindestens genauso wirksam werden.
lität – die Fahrzeuge sind nicht barrierefrei,   Umfeld bleiben und ihren gewohnten Ak-           Die Versorgung der ausgedehnten, dünnbe-
und Sicherheits- oder Ausbildungsstandards       tivitäten nachgehen können. Dies ist zum         siedelten Wohngebiete des Pkw-Zeitalters ist
werden nicht garantiert. Es ist jedoch zu er-    einen meist Wunsch der Betroffenen. Zum          hier eher noch schwerer zu bewältigen als in
warten, dass die TNC versuchen werden,           anderen ist ein solcher Dienst aber auch         Europa und vermutlich nur mit massivem Ein-
durch spezielle Angebote (etwa eine sepa-        aus volkswirtschaftlicher Sicht durchaus         satz flexibler Verkehrsangebote machbar.
rate Vermittlung von Rollstuhltaxen oder Bu-     interessant, da so erheblich höhere Kosten
chungsportale für Großkunden) auch solche        für eine mobile Versorgung oder Heimun-          Dabei passt das Konzept des Paratransits
Marktsegmente zu bedienen. Auch spezielle        terbringung vermieden werden können.             auch zu den gesellschaftlichen Megat-
Community-Angebote (Senioren fahren Seni-                                                         rends zunehmend dynamischer, variabler
oren) scheinen denkbar.                          Hier zeigt die amerikanische Situation ei-       Verhaltensmuster und der Neubewertung
                                                 nerseits ein größeres Bewusstsein für die        des Alters als einer Zeit der aktiven Selbst-
                                                 soziale Dimension dieser Dienste. Ande-          verwirklichung. Diese Trends werden durch
Schluss                                          rerseits ist an der Vielfalt der Programme,      technische     Entwicklungen       (Stichwort
                                                 Kostenträger, Anbieter und Kooperati-            Smartphone, verkehrsträgerübergreifende
                                                 onsformen zu erkennen, dass eine über-           Mobilitäts-Apps) unterstützt. Selbst wenn
In der Auseinandersetzung mit dem Thema          greifende Zusammenarbeit dabei eine              (heutige) Seniorengenerationen diese Mit-
Paratransit wird die soziale Bedeutung von       schwierige Aufgabe ist, bei der sicher noch      tel noch weniger nutzen als jüngere Al-
Mobilitätsdiensten deutlich. Für den ame-        manches besser gelöst werden kann.               tersgruppen, so sind sie den meisten doch
rikanischen Kontext gilt dies (angesichts                                                         nicht ganz fremd. Auch die Nutzersicht
des weniger entwickelten „großen“ ÖPNV)          Die Bedeutung von Paratransit wird im Zuge       spricht demnach dafür, Paratransit bewusst
in besonderem Maß. Paratransit-Dienste           des demografischen Wandels wachsen – dies        als Baustein moderner Mobilitätsangebote
sind zwar eine teure Form öffentlichen Ver-      gilt auch für Amerika. Hier besteht zwar nicht   einzusetzen.

                             Mobilitäts- und Serviceleistungen:
                                 Monterey Salinas Transit
   Der am Ort der Tagung tätige Verkehrsbe-         Abhängigkeit vom ADA-Paratransit zu

                                                                                                                                               Foto: Tom Hicks
   trieb Monterey Salinas Transit bedient mit       reduzieren),
   104 Fahrzeugen ein Gebiet von 725 km²          – Begleitdienst    für     Mobilitätseinge-
   mit 426 000 Einwohnern, davon 150 000            schränkte und Gruppen im Linienver-
   in Salinas und 28 000 in Monterey. Der           kehr, die durch Freiwillige erbracht wer-
   Betrieb hat neben klassischem Linien-            den (Abb. 4),
   verkehr (Stadt- und Regionallinien) und        – über die ADA-Verpflichtung hinausge-
   den zwingenden Leistungen im ADA-Pa-             hender Fahrdienst für Mobilitätseinge-
   ratransit folgende Aktivitäten im Bereich        schränkte, der durch Taxiunternehmen
   des Mobilitätsmanagements entwickelt:            erbracht wird und bevorzugt für Wege
                                                    von/zur Bushaltestelle angeboten wird,        Abb.4: Hilfe beim Einsteigen in den Lini-
   – Aufbau einer Reihe teilöffentlicher oder     – dazu Beschaffung von neun rollstuhlge-        enbus von MST.
     geschlossener Linienverkehre zur Be-           rechten Taxen (Abb. 5), die an örtliche
     dienung der Militärstandorte der Re-           Taxiunternehmen vermietet werden,
                                                                                                                                               Foto: MTA New York

     gion (interne Verkehre, Pendlerlinien,       – monatliche Sonderfahrten zu den wich-
     Freizeitfahrten),                              tigsten Spezialkliniken in den angren-
   – „garantierte Heimfahrt“-Programm für           zenden Regionen (für alle Einwohner
     Teilnehmer an Fahrgemeinschaften               nutzbar).
     oder ÖPNV-Nutzer, die wegen plötzli-         Das Mobilitätsmanagement von MST be-
     cher Terminänderungen ihre eigentli-         müht sich außerdem um die Berücksichti-
     che Heimkehrmöglichkeit nicht nutzen         gung der Anforderungen mobilitätseinge-
     können,                                      schränkter Personen bei der Gestaltung
   – Jobticket-Angebote für Unternehmen,          von Verkehrsanlagen.
   – allgemein zugängliche Rufbusverkehre
     in zwei Gebieten,                            Im Geschäftsjahr 2013 wurden 4,1 Mio            Abb. 5: Rollstuhltaxi mit seitlicher Rampe
   – Orientierung weiterer Linien auf Ver-        Fahrgastfahrten erbracht (davon 105 000         Modell MV-1.
     kehre zu und zwischen den Hochschul-         im ADA-Paratransit) und die Betriebs-
     standorten der Region,                       kosten zu knapp 24 Prozent aus Fahr-            initiiert, nach dessen Annahme künftig
   – allgemeine und kundenspezifische Trai-       geldeinnahmen gedeckt. Da einige Bun-           eine Umsatzsteuer von 0,125 Cent pro
     ningsprogramme, um Kenntnisse der            desförderprogramme künftig entfallen,           Dollar zweckgebunden für den ÖPNV er-
     ÖPNV-Nutzung zu vermitteln (und die          wurde auch hier ein lokales Referendum          hoben wird.

1-2/2015   DER NAHVERKEHR                                                                                                                                           7
Literatur                                                        transit - An international conference on Demand
                                                                     Responsive Transit. Die Präsentationen der Tagung
                                                                     sind unter http://onlinepubs.trb.org/onlinepubs/Con-
    [1] Der Autor dankt den Tagungsorganisatoren Roger Teal          ferences/2014/Paratransit/Agenda.pdf abrufbar.
        und Tom Hicks sowie Richard Weiner, Karen Hoesch,         [5] Code of Federal Regulations (49 CFR 37), Abschnitt
        Jana Lynott, Phil McGuire für die Unterstützung und           37,121ff
        ergänzenden Auskünfte für die Vorbereitung dieses
                                                                  [6] J. Lynott u.a.: Weaving It together: A Tapestry of Trans-
        Beitrags.
                                                                       portation Funding for Older Adults. AARP Public Policy
    [2] Siehe etwa die Beiträge in DER NAHVERKEHR                      Institute Research Report, Washington 2013
        7-8/2014.
                                                                  [7] Alameda County Transportation Commission: 2014
    [3] Ronald F Kirby u.a.: Paratransit: neglected options for       Transportation Expenditure Plan (http://www.acgov.
        urban mobility, Urban Institute 1974                          org/rov/elections/20141104/documents/Measu-
    [4] Vollständiger Titel Shaping the new future of para-           reBB-v5.pdf)

                       ÖPNV-Finanzierung durch
                        lokale Umsatzsteuern:
                       Beispiel Alameda County
       Die Finanzierung von ÖPNV-Leistungen                       – Erhöhung der bestehenden Steuer von
       geschieht auch in den USA zum großen                         0,5 auf 1 Prozent,
       Teil über öffentliche Mittel – der Eigenfi-                – Verlängerung des Erhebungszeitraums
       nanzierungsgrad aus Fahrgeldeinnahmen                        vom 31.3.2022 bis 31.3.2045,
       liegt meist sogar deutlich unter den in                    – Erwartetes Mittelaufkommen 7,85 Mrd $,
       Mitteleuropa erreichten Werten. Subventi-                  – Verwendung gemäß einer in der Be-
       onen werden vor allem durch die Bundes-                      schlussvorlage definierten Mittelauftei-
       staaten bereitgestellt. Daneben spielen                      lung auf die Verkehrsträger (Tabelle 2),
       aber lokale Umsatzsteuern eine wichtige                      für die in den meisten Bereichen auch
       Rolle. Über diese stimmt die Bevölkerung                     bereits konkrete Projekte benannt sind,
       im Rahmen örtlicher Referenden ab. Als                     – Überwachung des Mitteleinsatzes u.a.
       Beispiel eines solchen Verfahrens umfasst                    durch jährliche Berichterstattung und
       das als Maßnahme BB im November 2014                         einen zu diesem Zweck eingesetzten
       angenommene Paket für Alameda Coun-                          Bürgerbeirat.
       ty (Randbereich des Ballungsraums San
       Francisco, u.a. mit Berkeley und Oakland):

    Tabelle 2: Verwendung des Mittelaufkommens der ÖPNV-Mittel aus der Umsatzsteuer
    in Alameda County
                                                                                                      % der Mittel
     Verkehrsträger                     Ausgabenbereich
                                                                                                      (gerundet)
                                        Betriebskostenzuschüsse und Ausgleich für
     ÖPNV                                                                                             24
                                        Jugendtarife
                                        Fahrdienste für Senioren und Behinderte                       10
                                        Busbeschleunigungsmaßnahmen                                   14
                                        Ausbau- und Modernisierungsinvestitionen Schie-
                                        nenverkehr, Trassensicherung, Bahnhofsbauten
                                        Ausbau und Erhalt überörtlicher Straßen (in
     Straßennetz                                                                                      10
                                        Zuständigkeit des County)
                                        Straßenbaumaßnahmen der Kommunen                              20
     Verkehrsmanagement                 Einzelmaßnahmen zur Verbesserung des Ver-
                                                                                                      9
     MIV                                kehrsflusses
                                        spezielle Maßnahmen für den Güterverkehr                      1
                                        Ausbau div. überregionaler Verbindungen, Zuwei-
     Fuß- und Radwege                                                                                 8
                                        sungen an Kommunen für lokale Maßnahmen
                                        Unterstützung ÖPNV-affiner Siedlungsentwick-
     Städtebau                          lung und städtebauliche Integration von ÖP-                   4
                                        NV-Schnittstellen
     Technologieförderung               Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen                         1

8                                                                                              DER NAHVERKEHR        1-2/2015
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