PENSIONEN Alle Infos zu Voraussetzungen, Berechnungen und Leistungen - Aus der Broschürenserie Gewerkschaft GPA - Grundlagenabteilung
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PENSIONEN Alle Infos zu Voraussetzungen, Berechnungen und Leistungen Aus der Broschürenserie Gewerkschaft GPA – Grundlagenabteilung 1
IMPRESSUM: Herausgeber: Gewerkschaft GPA, 1030 Wien, Alfred-Dallinger-Platz 1 Redaktion: Alexander Pichler, Gewerkschaft GPA – Grundlagenabteilung Layout: Christina Schier, Gewerkschaft GPA – GB Organisierung und Marketing Bilder/Fotos: iStock, Daniel Novotny, Michael Mazohl ÖGB ZVR-Nr.: 576439352 Stand: Juni 2021
AUTORiNNEN © Daniel Novotny © Daniel Novotny Mag.a Isabel Koberwein Dr. David Mum arbeitet in der Grundlagenabteilung ist Mitglied der Bundesgeschäftsführung der Gewerkschaft GPA und beschäftigt und leitet die Grundlagenabteilung der sich schwerpunktmäßig mit den Themen Gewerkschaft GPA. Er ist vorrangig mit ArbeitnehmerInnenschutz, Arbeitszeit den Themen Sozialpolitik, Verteilungs- und Sozialpolitik. politik, Betriebliche Altersvorsorge und Politische Ökonomie befasst. Die Inhalte sind nach bestem Wissen erstellt und sorgfältig geprüft. Es besteht jedoch keine Haftung seitens der AutorInnen oder der Gewerkschaft GPA. Inhalte dürfen unter Angabe der AutorInnen weiterverbreitet werden (CC-Urheberrecht). 3
VORWORT 4 © MichaelMazohl
Seit jeher steht das Thema Pensionen immer wieder im Mittelpunkt oftmals hart geführter politischer Auseinander- setzungen. Den Antrieb liefern dabei nicht selten die Interessen jener, denen es nicht um die Weiterentwicklung und Absicherung des bestehenden Systems geht, sondern um seine Schwächung zugunsten der Forcierung der privaten Vorsorge. Das Krankreden und das systematische Erzeugen von Verunsicherung hinsichtlich des Weiterbestands unseres Pensionssystems, sind dabei eine oftmals angewandte Strategie. Der erste Teil unserer Broschüre setzt sich daher mit der Finanzierbarkeit und Zukunftsfähigkeit des bestehenden Systems auseinander, stellt die Auswirkun- gen des erfolgten Umstieges auf das Pensionskonto dar und nimmt dabei auch die Argumente und Gegenentwürfe mancher wirtschaftsnaher ExpertInnen näher unter die Lupe. Dass die türkis-grüne Bundesregierung in ihrem Programm ein Bekenntnis zum bestehenden Pensionssystem abgegeben und sich für Bemühungen ausgesprochen hat, um Lücken und Ungerechtigkeiten im Pensionssystem zu schließen, ist jedenfalls positiv. Zu begrüßen ist auch, dass die Stärkung der Gesundheit im Erwerbsleben als wichtiger Faktor gesehen wird und ein Fokus auf Prävention, Rehabilitation und Stärkung des Gesundheitssystems angekündigt wurde. Allerdings hat die Regierung in einer Blitzaktion per Initiativantrag die Möglichkeit abgeschafft, nach 45 Jahren abschlagsfrei in Pension gehen zu können. Dies wurde erst 2020 wieder eingeführt und bedeutet für die Betroffe- nen, die 45 Jahre in das System einbezahlt haben, deutlich geringere Pensionen. Zur Reduktion des Unterschieds zwischen Frauen- und Männerpensionen wird leider nicht auf eine bessere Bewertung der Kindererziehungs- zeiten gesetzt, sondern auf ein Pensionssplitting, bei dem die Pensionsansprüche zwischen Partnern geteilt werden. Das bringt aber nur jenen was, deren Partner viel verdient. Für die Gewerkschaft GPA gilt es vor diesem Hintergrund, die Umsetzungsschritte der Pensionspläne der türkis- grünen Bundesregierung genau zu beobachten und zu bewerten und daraus die entsprechende Informa- tions- und Sensibilisierungsarbeit abzuleiten. Einen Beitrag dazu leistet auch die vorliegende Broschüre, die in gewohnter Weise einen Überblick zu den verschiedenen Pensionsarten sowie zu Anspruchsvoraussetzungen und zur Berechnung der Pensionshöhe gibt. Alle Angaben basieren dabei auf den aktuellen Sozialversicherungswerten für 2020. Barbara Teiber, MA Vorsitzende 5
INHALT Das Pensionssystem im politischen Diskurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Finanzierbarkeit des Pensionssystems. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Ist das Pensionssystem zu teuer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Wird das Pensionssystem unfinanzierbar, weil der „Altenanteil“ immer mehr zumimmt. . 10 Bundeszuschüsse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 ASVG-Pensionen am besten durch Beiträge gedeckt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Erwerbsquote älterer ArbeitnehmerInnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Anstieg bei den Pensionsantritten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Verhältnis Pensionen zu Erwerbstätigen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Pensionskonto: Böses Erwachen? Welche Leistungen kann man erwarten? . . . . . . . . . . . 19 Österreichpension und Pensionskonto. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Österreichs Pensionssystem bringt im internationalen Vergleich gute Leistungen. . . . . . 20 Vorsicht bei Pensionslückenrechnern von Anbietern privater Pensions- zusatzprodukten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Mit welchen Annahmen wird eine Pensionslücke berechnet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Allgemeine Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Voraussetzungen und Antragstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Mindestversicherungszeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Regelpensionsalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Pensionskonto. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Versicherungszeiten, Beitragszeiten, Ersatzzeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Pensionsanpassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Ausgleichszulage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Nachkauf von Schul- und Studienzeiten.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Freiwillige Selbstversicherung und freiwillige Weiterversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Höherversicherung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 6
Pensionssplitting. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Zuverdienst während der Pension. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Versicherungszeiten im Ausland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Pensionsberechnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Bemessungsgrundlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Aufwertungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Kontoprozentsatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Abschläge bei vorzeitigem Pensionsantritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Frühstarterbonus ab 2020. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Bonifikation bei späterem Pensionsantritt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Ermittlung der Pension am Pensionskonto. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Eigenpensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Alterspension zum Regelpensionsalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Langzeitversichertenregelung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Korridorpension. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Schwerarbeitspension. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Berufsunfähigkeits- bzw. Invaliditätspension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Exkurs: Teilpension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Hinterbliebenenpensionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Witwen-/Witwerpension. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Waisenpension. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Anspruchsvoraussetzungen und Abschläge im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Pensionsarten im Überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Pensionsrelevante Beträge in der Sozialversicherung 2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Wertvolle Tipps Zitat Beispielrechnung 7
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS FINANZIERBARKEIT DES PENSIONSSYSTEMS bedeutet, dass die Aufwertung der Beitragsgrundla- gen geringer ist, weil diese an die Einkommensent- Die Pensionsdiskussion ist ein innenpolitischer Dauer- wicklung gekoppelt ist. Und bei niedrigerem Wachstum brenner. ist meist auch die Inflation geringer, was sich auf die Bedeutet die steigende Lebenserwartung zwangsläufig, Pensionsanpassungen durchschlägt. dass das Pensionssystem finanziell unter Druck kommt und nicht finanzierbar ist? Nein, denn auf Basis der bisher beschlossenen Refor- IST DAS PENSIONSSYSTEM ZU TEUER? men, ist das Pensionssystem auf die geänderte Bevöl- kerungszusammensetzung vorbereitet. Die Ausgaben für das öffentliche Pensionssystem sind in den letzten Jahrzehnten moderat gestiegen. Sinn- Während der Anteil der über 65-Jährigen bis 2060 vollerweise misst man den Pensionsaufwand in Relati- von 19 % auf 30 % steigen wird (Anstieg um ca. 60 %), on zum BIP (Bruttoinlandsprodukt). Damit wird gemes- nimmt der Anteil der Wirtschaftsleistung (BIP), der für sen, welcher Anteil des Gesamteinkommens bzw. der Pensionen gezahlt werden wird, nur von ca. 14 % auf Gesamtproduktion den PensionistInnen zur Verfügung maximal 15 % zu. Das ist eine überschaubare und ab- gestellt wird. Logischerweise sollte dieser Anteil stei- solut machbare Steigerung. Selbstverständlich sind gen, wenn der Anteil der PensionistInnen an der Bevöl- Szenarioberechnungen über derart lange Zeiträume kerung zunimmt. mit Vorsicht zu genießen. Trotzdem sind diese Progno- Dabei fällt gleich auf: Der Anteil der Pensionen am BIP sen aber wertvolle Informationen, denn die Menschen, ist weitaus geringer als der Anteil der PensionistInnen um die es in den Szenarien geht, leben in der Regel an der Bevölkerung. Die PensionistInnen erhalten also schon. Die maßgeblichen Größen wie Bevölkerungs- keineswegs ein zu großes „Stück vom Kuchen“. entwicklung, Lebenserwartung, Beschäftigung und Wirtschaft unterliegen keinen abrupten Änderungen Die Ausgaben der gesetzlichen Pensionsversicherung wie etwa Börsenkursen auf den Finanzmärkten. Wenn (ohne BeamtInnen inklusive Ausgleichszulagen) lagen es gegenüber den Szenarioberechnungen zu deut- 1980 bei knapp 10 %, 1990 bei 10,5 % und 2015 bei lichen Abweichungen kommt, kann und wird man im 11,3 % des BIP. 2020 steigen die Pensionsausgaben System reagieren. auf 12,5 % des BIP. Das ist ein „Ausreißer“, weil 2020 im Zuge der Corona-Krise das BIP stark eingebrochen ist. Außerdem entwickeln sich maßgebliche Größen in die- Mit steigender Wertschöpfung wird dann in Folge das selbe Richtung. Wenn das Wachstum geringer ausfällt, Gesamteinkommen (BIP) zunächst wieder schneller steigen meist auch Löhne und Preise geringer. Das wachsen als die Pensionsaufwendungen (s. Abb. 1). 8
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS Abb. 1: GESAMTAUFWENDUNGEN DER PENSIONSVERSICHERUNG IN % DES BIP % 15 inkl. AZ ohne AZ 12,46 12,18 12 11,31 11,14 11,06 10,81 10,53 10,45 10,14 10,10 9,85 9,29 9 8,02 7,53 6 3 0 1970 1980 1990 2000 2010 2015 2020 Quelle: Gutachten gemäß Alterssicherungskommissions-Gesetz 131 f.; Nov. 2020, AZ = Ausgleichszulage 9
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS WIRD DAS PENSIONSSYSTEM erwartet für Österreich für die nächsten Jahrzehnten UNFINANZIERBAR, WEIL DER „ALTENANTEIL“ 1,3 % jährliches Wirtschaftswachstum. Das bedeutet, IMMER MEHR ZUNIMMT? dass die Erwerbstätigen jedes Jahr ein höheres Ge- samteinkommen erwirtschaften. Ein Teil des Zugewinns Es ist richtig, dass die Lebenserwartung momentan bzw. Wachstums kann und soll für die PensionistInnen weiter ansteigt und es immer mehr Menschen gibt, „reserviert“ werden. Es wäre absurd zu behaupten, die älter als 65 Jahre sind. Bedeutet dies, dass sich die dass sich eines der reichsten Länder der Welt seine Be- Pensionsfinanzierung nicht mehr „ausgehen“ kann? völkerung nicht „leisten“ kann. Nein, die Tatsache, dass die Menschen kontinuierlich älter werden, ist keineswegs neu. Dementsprechend Der Anteil der Pensionsausgaben am BIP entwickelt sich gibt es schon seit Jahrzehnten längst überholte Prog- nicht parallel zum Anteil der über 65-Jährigen, sondern nosen über den Kollaps des Pensionssystems. wesentlich langsamer. Das ist u. a. darauf zurückzufüh- ren, dass die BeamtInnenpensionen mit dem Pensions- Es steigt nicht nur der Anteil der PensionistInnen, son- recht der ArbeiterInnen und Angestellten harmonisiert dern auch die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft. werden und dass das Frauenpensionsalter an das der Für die Frage der Finanzierbarkeit des Pensionssystems Männer angeglichen wird (beginnend mit dem Jahr- kommt es nicht nur auf die Höhe der Pensionsausga- gang 1963, abgeschlossen mit dem Jahrgang 1968). ben an, sondern auch darauf, wie hoch das gesamte Die Pensionsberechnung trägt der längeren Lebens- volkswirtschaftliche Einkommen ist, aus dem die Pen- erwartung Rechnung: Die Pensionsberechnung orien- sionen finanziert werden müssen. Das Wirtschafts- tiert sich seit der Umstellung auf das Pensionskonto am wachstum hat sich 2019 nach hohen Werten 2016 Lebensdurchschnittseinkommen. bis 2018 eingetrübt und 2020 gab es sogar einen vo- rübergehenden erheblichen Rückgang. Langfristig Wenn man alle Pensionen inkl. jener der BeamtInnen wird mit positiven Wachstumsraten gerechnet. Die EU zusammen betrachtet, zeigt sich ein geringer Zuwachs: Abb. 2: LANGFRISTPROJEKTIONEN DER EU-KOMMISSION PENSIONSAUSGABEN IN % DES BIP PERSONEN AB 65 JAHREN IN % DER GESAMBEVÖLKERUNG % 35 65+ in % der Bevölkerung Basisszenario 30 29,3 in % der Bevölkerung 25 20 18,5 15 13,8 14,3 in % des BIP 10 2016 2020 2024 2028 2032 2036 2040 2044 2048 2052 2056 2060 2064 2068 2070 Quelle: EU-Kommission, Länderbericht für Österreich 2020; Eurostat; eigene Darstellung 10
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS Die gesamten öffentlichen Pensionsausgaben lagen nimmt der Pensionsaufwand am BIP bei stark steigen- 2016 bei knapp 13,8 % des BIP und steigen bis Mit- der Lebenserwartung nur von 14 % auf maximal knapp te der 2030er Jahre auf knapp 15 % des BIP.1 Danach 15,4 % zu. sinkt der Anteil wieder bis auf 14,3 % (s. Abb. 2). Dies als Bei dem Szenario der automatischen Anbindung des unfinanzierbar darzustellen, wäre geradezu lächerlich. Regelpensionsalters an die steigende Lebenserwartung Insbesondere wenn man sich vor Augen führt, dass das sinken die Pensionsausgaben am BIP bis auf 12,8 % BIP ja ein höheres ist. Bildlich gesprochen wird ein mi- (2070) deutlich unter das derzeitige Niveau. D. h. ein nimal größeres Stück eines deutlich größeren Kuchens höherer Anteil älterer Menschen müsste sich mit einem den PensionistInnen zur Verfügung gestellt. Klar ist: deutlich kleineren Anteil am Wohlstand begnügen. Das Der verbleibende Kuchen für die NichtpensionistInnen macht keinen Sinn. ist deutlich höher als derzeit! Wenn das jährliche Wirt- schaftswachstum 1,3 % beträgt, dann steigt das BIP 2020 bis 2040 um 29,5 %. Das BIP nach Abzug der Pen- sionsausgaben steigt dann um 29,0 %.2 Und das fällt Erik Türk zur Pensionsautomatik: nach den Projektionen in den Zeitraum mit den annä- „Die heute Jüngeren müssten demnach künf- hernd höchsten relativen Pensionsausgaben. Dass der tig trotz deutlich späteren Pensionsantritts mit Anteil der Pensionsausgaben am BIP zunehmen wird, ist erheblich niedrigeren Leistungen auskommen, notwendig und sinnvoll. Es ist aus Gründen der Genera- ohne dass es hierfür irgendeine „Notwendigkeit“ tionengerechtigkeit richtig, einen höheren Anteil am BIP gäbe. Die Darstellung eines solchen Vorschlags für Pensionen auszugeben, wenn der Anteil der Pensio- als sinnvolle Antwort auf die demografische Ent- nistInnen an der Bevölkerung steigt (s. Abb. 3). wicklung oder gar als Beitrag zur „Sicherung der Pensionen der heute Jüngeren“ kann nur als Un- Im Basisszenario der EU Kommission steigt das Pensi- sinn bezeichnet werden.“3 onsantrittsalter insgesamt um 0,9 Jahre. Und trotzdem Abb. 3: Z UNAHME DES BIP UND DES BIP NACH PENSIONEN % 35 29,5 29,0 30 25 20 2020–2040 15 BEI 1,3 % WIRTSCHAFTSWACHSTUM 10 5 0 Anstieg BIP Anstieg BIP abzüglich Pensionen Quelle: Ageing Report 2021, eigene Berechnung 1 https://www.awblog.at/langfristprojektionen-der-eu-kommission/ (9.3.2018) 2 Die Annahme von 1,3 % Wirtschaftswachstum wurde auch den Berechnungen im Ageing Report 2021 der EU-Kommission für Österreich zugrunde gelegt. 3 https://www.awblog.at/langfristprojektionen-der-eu-kommission/ (9.3.2018) 11
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS BUNDESZUSCHÜSSE Der Bundesbeitrag ist seit Beschlussfassung des ASVG ein zentraler Bestandteil der Pensionsfinanzierung. Neben den zweckgebundenen Pensionsversicherungs- Dass es einen Zuschuss aus dem Budget gibt, ist also beiträgen der ArbeitnehmerInnen und Arbeitgebe- nicht einem Pensionsloch oder einem Defizit geschul- rInnen werden die Pensionen zu einem Teil auch aus det, sondern ist seit Anfang des Pensionssystems vor- Steuermitteln finanziert (Bundesbeitrag). Mit den Pen- gesehen. Die Interpretation des Bundeszuschusses als sionsausgaben insgesamt sind auch diese Bundeszu- „ungewollte Defizitabdeckung“ ist daher eine Verdre- schüsse gestiegen. hung der Tatsachen. Von Anfang an war konzipiert, dass das Pensionssystem Die teilweise Steuerfinanzierung hat mehrere Grün- gemischt finanziert wird: durch zweckgebundene Bei- de: Zum einen gibt es viele Leistungen der Pensions- träge und durch Steuermittel. Kommt die Rede auf die versicherung, bei denen eine Steuerfinanzierung die Mittel aus dem Steueraufkommen bei den Pensionen, sachlich adäquate Finanzierungsart darstellt. Dies wird oft von einem „Pensionsloch“ oder einem „Defizit“ sind etwa die Ausgleichszulagen als Element der Ar- gesprochen. Das ist aber irreführend und falsch. mutsvermeidung für PensionistInnen, die Berücksich- tigung von Kindererziehungszeiten oder Präsenz- und Der Bundesbeitrag lag in den 2010er Jahren meist Zivildienst bei der Pensionshöhe, Gesundheitsvorsorge knapp über 2,5 % des BIPs, 2018 bis 2019 sank dieses und Rehabilitation oder die Krankenversicherung von wegen Sonderfaktoren und dem hohen Wirtschafts- PensionistInnen. wachstum auf 2,1 bis 2,2 % des BIPs.4 Der Bundesbeitrag aus Steuermitteln deckt die Diffe- Die Höhe des Bundesbeitrags ist auch stark von der renz zwischen den Beitragseinnahmen und den Pen- wirtschaftlichen Entwicklung geprägt, was den deutli- sionsausgaben. Es macht aber wenig Sinn, von der chen Anstieg 2020 erklärt (s. Abb. 4). Abdeckung eines „Defizits“ zu sprechen. Denn sowohl Abb. 4: BUNDESBEITRAG (AUSFALLHAFTUNG) IN % DES BIP % 3,0 2,69 2,67 2,72 2,71 2,63 2,60 2,54 2,51 2,5 2,11 2,18 2,16 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Quelle: Gutachten gem. Alterssicherungskommissions-Gesetz, Nov. 2020 4 Quelle: Gutachten gem. Alterssicherungskommissions-Gesetz, Nov. 2020 12
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS Pensionsversicherungsbeiträge als auch Steuern sind ASVG-PENSIONEN AM BESTEN DURCH öffentliche Abgaben. Man könnte den Bundeszuschuss BEITRÄGE GEDECKT reduzieren, indem man die Pensionsversicherungsbei- träge erhöht. Aber das wäre nicht sinnvoll. Steuermittel decken etwa ein Fünftel der Pensions- ausgaben. Anders gesagt: Die Pensionen sind zu 4/5 Die PV-Beiträge werden von den Arbeitseinkommen durch die Pensionsversicherungsbeiträge gedeckt. eingehoben, während Steuern auch bei anderen Ein- Am höchsten ist der Eigenfinanzierungsgrad bei den kommensquellen (Kapitalertragssteuer), oder etwa am ArbeiterInnen und Angestellten. Deutlich geringere Vermögen und Konsum ansetzen können. Außerdem Deckungsquoten haben die Systeme der Bauern und werden Sozialversicherungsbeiträge maximal bis zur Selbständigen. Bei diesen wird der Pensionsaufwand Höchstbeitragsgrundlage entrichtet (2021: EUR 5.550,–) daher wesentlich stärker aus dem Steueraufkommen während Steuern auch von hohen Einkommen entrich- mitfinanziert (s. Abb. 5). tet werden. ● Bei den ArbeiterInnen und Angestellten (ASVG- Die Diskreditierung des Bundesbeitrages in der öffent- Bereich) sind fast 90 % des Aufwands bei- lichen Diskussion als Zuschuss zu einem „defizitären tragsfinanziert System“ geht damit an der Realität vorbei. Durch die ● Bei den Selbstständigen (GSVG) sind es 55,4 % und Einbeziehung von Steuermitteln erfolgt eine bewusste bei den Bauern 24,1 % Verbreiterung der Finanzierungsbasis. Durch die Ausge- staltung des Bundesbeitrages als Ausfallshaftung wird darüber hinaus klargestellt, dass die Verantwortung für die Finanzierung der Pensionszahlungen aus dem öffentlichen System eine gesamtgesellschaftliche ist. Abb. 5: BEITRAGSDECKUNGSQUOTEN 2019 (OHNE AUSGLEICHSZULAGE) % ASVG GSVG/FSVG BSVG 89,4 55,4 24,1 82,9 insgesamt beitragsfinanziert finanziert durch Steuermittel Quelle: BMSGPK endgültige Gebarungsergebnisse PV bzw. HV vlfg. GE Stand Mai 2020 13
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS ERWERBSQUOTE ÄLTERER lag unter dem EU-Schnitt: In Österreich betrug ARBEITNEHMERINNEN sie 2020 54,7 % (EU Schnitt: 59,6 %)6 (s. Abb. 7). Aber in Österreich stieg die Beschäftigungsquo- Die Erwerbsquote Älterer ist in Österreich im inter- te der älteren ArbeitnehmerInnen seit 2000 konti- nationalen Vergleich noch unterdurchschnittlich, aber nuierlich an. 2000 waren 28 % der 55- bis 64-Jährigen sie ist in den letzten 15 Jahren kontinuierlich und deut- erwerbstätig, 2020 waren es 54,7 %. Deutlich geringer lich gestiegen. Die Erwerbsquote misst den Anteil der als im EU-Schnitt ist in Österreich hingegen die Jugend- Erwerbstätigen an einer Altersgruppe. arbeitslosigkeit und die Langzeitarbeitslosigkeit. Für die Finanzierbarkeit des Sozialsystems kommt es Die Erwerbsanreize im Pensionssystem sind im neuen auf die Beschäftigungsquote insgesamt über alle Pensionskontorecht sehr hoch. Es bedarf aber auch Altersgruppen an. Diese beeinflusst das Verhältnis von ausreichender und altersgerechter Arbeitsplätze. BeitragszahlerInnen zu LeistungsbezieherInnen. Bei der Gesamtbeschäftigungsquote der 20- bis 64-Jährigen 2014 traten viele Maßnahmen in Kraft, die das faktische liegt Österreich 2020 deutlich über EU Schnitt. 75,5 % Pensionsalter erhöhen: die Umstellung auf das Pensi- der 20- bis 64-Jährigen waren beschäftigt. Das ist deut- onskonto und die Abschaffung der befristeten Berufs- lich höher als der EU Schnitt von 72,4 %.5 (s. Abb. 6) unfähigkeits- bzw. Invaliditätspensionen für Jahrgän- ge ab 1964. Bei der Langzeitversichertenregelung Die Erwerbsquote der Älteren (55- bis 64-Jährigen) wurde das Mindestalter angehoben. Abb. 6: ERWERBSQUOTE DER 20- BIS 64-JÄHRIGEN (2020), IN % % 100 20- bis 64- Jährige 75,5 72,4 80 Deutschland (bis 1990 früheres Gebiet der BRD) 60 Europäische Union – 27 Länder (ab 2020) Euroraum – 19 Länder (ab 2015) 40 Nordmazedonien Griechenland 20 Niederlande Luxemburg Tschechien Frankreich Dänemark Österreich Norwegen Schweden Rumänien Slowenien Bulgarien Finnland Slowakei Portugal Kroatien Spanien Lettland Schweiz Ungarn Serbien Belgien Litauen Estland Zypern Italien Island Irland Türkei Malta Polen 0 Quelle: https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/t2020_10/default/table?lang=de, 31.05.2021 5 Quelle: https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/t2020_10/default/table?lang=de, 31.05.2021 6 Quelle: https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/tesem050/default/table?lang=de, 31.05.2021 14
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS Abb. 7: ERWERBSQUOTE DER 55- BIS 64-JÄHRIGEN (2020), IN % % 100 55- bis 64- 80 Jährige 59,6 54,7 Deutschland (bis 1990 früheres Gebiet der BRD) 60 Europäische Union – 27 Länder (ab 2020) 40 Euroraum – 19 Länder (ab 2015) Frankreich (metropolitanes) Nordmazedonien 20 Griechenland Niederlande Luxemburg Tschechien Frankreich Dänemark Österreich Norwegen Schweden Rumänien Slowenien Bulgarien Finnland Slowakei Portugal Kroatien Spanien Lettland Schweiz Ungarn Serbien Belgien Litauen Estland Zypern Italien Island Irland Türkei Malta Polen 0 Quelle: https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/tesem050/default/table?lang=de, 31.05.2021 Abb. 8: 55- BIS 64-JÄHRIGE ERWERBSTÄTIGE IN ÖSTERREICH in 1.000 Personen 800 zusammen 55–59-Jährige 687,8 700 60–64-Jährige 600 514,3 500 400 300 253,3 205,2 173,5 200 100 48,1 0 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 Quelle: Statistik Austria 18.05.2021 15
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS ANSTIEG BEI DEN PENSIONSANTRITTEN Jahren bei Frauen, in Pension gegangen. Auch der ZUM REGELPENSIONSALTER Zugang bei den vorzeitigen Pensionsantritten ist in den letzten zwei Jahren leicht gestiegen. Letztere sind jene In den letzten Jahren sind bei den neu zuerkannten Pensionen, bei denen man bei Vorliegen ausreichen- Alterspensionen immer mehr Menschen zum Regel- der Versicherungsjahre schon etwas vor dem Regel- pensionsalter von 65 Jahren bzw. derzeit noch 60 pensionsalter die Pension antreten kann (s. Abb. 9). Abb. 9: ENTWICKLUNG DER PENSIONSNEUZUERKENNUNGEN ZUM REGELPENSIONSALTER UND DER VORZEITIGEN ALTERSPENSION in Personen 60000 vorzeitige Alterspension davon normale Alterspension (im Regelpensionsalter) 50000 40000 30000 20000 2010 2011 2012 2013 2014 BMSGPK, Quelle: 2015 2016 Dachverband 2017 der österreichischen 2018 2019 Sozialversicherungsträger Abb. 10: PENSIONSANTRITTSALTER ALTERSPENSION in Jahren 61,7 61,7 61,7 61,7 61,6 61,6 61,6 61,5 61,4 61,3 61,2 61,2 61,1 61 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Quelle: Dachverband der österreichischen Sozialversicherungsträger 16
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DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS VERHÄLTNIS PENSIONEN ZU ERWERBSTÄTIGEN Wie man anhand der Grafik sieht (s. Abb. 11), ist die Zahl der über 60-Jährigen auf jeweils 1.000 15- bis In der öffentlichen Debatte zum Pensionssystem steht 59-Jährigen (Demographisch Belastungsquote) seit meist das Verhältnis der über 60 bis 65-Jährigen zum 2000 deutlich gestiegen (von 325 auf 412: +26,8 %). Rest der Bevölkerung im Mittelpunkt. Entscheidend ist Demgegenüber ist die Pensionsbelastungsquote (An- aber für das Pensionssystem die Relation der Anzahl zahl der Pensionen je 1.000 Versicherte) gesunken: von der BeitragszahlerInnen zu den Leistungsempfänge- 619 auf 576. Darin spiegelt sich die gestiegene Be- rInnen („Pensionsbelastungsquote“). Diese Relation schäftigung wider. Bei einer hohen Beschäftigung ist hängt auch ganz stark von der Entwicklung der Be- das Pensionssystem auch bei einem steigenden Alten- schäftigung ab. Die beiden Größen unterschieden anteil gut finanzierbar. sich sehr deutlich. Die Pensionsbelastungsquote misst Der Schlüssel zur Sicherstellung der Finanzierbarkeit die Anzahl an Pensionen, die je 1.000 Pensionsversi- des Pensionssystems liegt nicht in einem automatisch cherten anfallen. Diese ist seit 2019 geringer als vor steigenden Regelpensionsalter, sondern in steigender 20 Jahren. Beschäftigung (s. Abb. 11). Abb. 11: PENSIONSBELASTUNGSQUOTE UND ALTERSABHÄNGIGENQUOTE 800 PBQ alle PV Träger 60+ je 1000 15-59-Jährige 700 620 619 619 621 624 624 624 625 621 621 623 620 616 617 615 615 615 614 607 606 593 601 597 600 585 582 586 589 579 576 500 412 404 396 400 376 379 382 385 388 389 371 360 376 348 351 354 351 354 346 336 322 320 318 325 317 316 315 314 314 315 300 200 100 0 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 Quelle: Statistik Austria, Dachverband der österreichischen Sozialversicherungsträger 18
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS PENSIONSKONTO: BÖSES ERWACHEN? 2018 lag die Ersatzraten für die Neuzugänge bei WELCHE LEISTUNGEN KANN MAN ERWARTEN? den Pensionen (ohne Hinterbliebenenpensionen) bei ca. 78 %. Die Zahlen beziehen sich sowohl auf Alters- Die Pensionsansprüche aller Versicherten ab Jahrgang pensionen als auch auf Invaliditätspensionen. 1955 sind bei der Pensionsversicherung in einem Pen- sionskonto gutgeschrieben. Das Pensionskonto zeigt ● Nettoersatzrate: 78,3 % (Männer 80,4 %, Frauen den aufgrund der vorliegenden Versicherungszeiten 76,6 %) bereits erworbenen Pensionsanspruch zum Regelpen- ● Bruttoersatzrate: 65,6 % (Männer 66,9 %, Frauen sionsalter. 64,4 % Der Pensionsanspruch wird aufgrund einer einfachen Betrachtet man nur die Alterspensionen, so lag die Formel ermittelt: Pro Versicherungsjahr erwirbt man ei- Nettoersatzrate bei Männern bei 82,7 % und bei nen Pensionsanspruch von 1,78 % des Einkommens in Frauen bei 77,4 %.7 diesem Jahr. Dieser Anspruch wird jährlich im Ausmaß Man sieht daher: Eine reine Betrachtung der Brutto- der durchschnittlichen Lohnsteigerung aufgewertet. pension und ein Vergleich zum Bruttoeinkommen un- Wenn man beispielsweise in einem Jahr EUR 2.000,– terschätzt die Absicherung im Alter. brutto verdient, erwirbt man dadurch in diesem Jahr einen Pensionsanspruch von EUR 35,60 (1,78 % von EUR 2.000,–). Würde man 40 Jahre EUR 2.000,– brutto ver- ÖSTERREICHPENSION UND PENSIONSKONTO dienen, erwirbt man einen Pensionsanspruch von EUR 1.424,– brutto (40* EUR 35,60). Das wären dann 71,2 % Das derzeitige Pensionssystem mit dem leistungs- des Aktiveinkommens. definierten Pensionskonto beruht nicht auf der ge- planten Schüsselreform, die massive Pensionskürzun- gen zum Ziel hatte und 2003 durch gewerkschaftliche Proteste weitgehend verhindert werden konnte. Beispiel Angestellter, 40 Versicherungsjahre: Das Pensionskonto wurde hingegen 2004 im Zuge der Pensionsharmonisierung verschiedener öffentlicher Bruttomonatsverdienst: EUR 2.000,–, das ent- Pensionssysteme als Umsetzung des neuen langfristig spricht EUR 1.522,96 netto (bzw. Jahresbezug: und nachhaltig ausgerichteten Pensionssystems mit EUR 28.000,– brutto, EUR 21.466,69 netto). einem Leistungsziel beschlossen. Das Leistungsziel be- In Pension: EUR 1.424,– brutto laufend, EUR ruht auf dem Modell der Österreichpension des ÖGB. 1.314,44 netto (bzw. Jahresbezug: EUR 19.936,– Die auf der Lebensdurchrechnung basierenden Bei- brutto, EUR 18.351,08 netto) tragsgrundlagen werden im Ausmaß der Lohnentwick- Das Verhältnis der Bruttopension zum Bruttoar- lung aufgewertet. Damit wurde die Aufwertung massiv beitseinkommen beträgt 71,2 %. verbessert und wir haben als einziges Land der Welt ein Das Verhältnis von laufender Nettopension zum leistungsdefiniertes Pensionskonto umsetzen können. Nettoarbeitseinkommen liegt aber wesentlich höher und beträgt 87,6 %! Anderen Länder sowie Schweden und Italien haben Auf dem Pensionskonto ist immer der Anspruch beitragsdefinierte Konten, mit hohen impliziten Ab- auf die Bruttopension angeführt. Da man in der schlägen bei früherem Antritt. Die schwarz-blaue Re- Pension aber weniger Abgaben als im Erwerbs- gierung unter Schüssel wollte – unterstützt von IV und leben zahlt, ist die Relation von Nettopension WKO – auch ein eine rein „beitragsorientierte“ Be- zum Nettoeinkommen deutlich besser. Arbeit- stimmung der Pension. D. h. es gäbe keine Leistungs- nehmerInnen zahlen Sozialversicherungsbei- zusage und Anspruch auf eine konkrete Pensionshöhe, träge von etwa 18 %, als PensionistIn zahlt man sondern die Pension wäre so berechnet worden, dass hingegen nur 5,1 % Krankenversicherungsbei- die Summe der eingezahlten Beiträge auf die Lebens- trag. Hinzu kommt bei beiden die Lohnsteuer. erwartung aufgeteilt worden wären. 7 Quelle: BMSGPK, https://www.dnet.at/opis/Pensionsversicherung.aspx, 27.05.2021 19
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS Demgegenüber gibt unser Pensionskonto jedes Jahr rate für den Durchschnittsverdienst liegt in den OECD Auskunft über die Höhe der bereits erworbenen Pen- Simulationen bei 89,9 % und damit auch deutlich hö- sionsansprüche. Das bringt eine Bestandssicherheit her als im OECD-Schnitt von 58,6 %.8 und Transparenz. Zur Interpretation: Das sind natürlich keine Echtdaten, Die Tatsache, dass die bereits erworbenen Leistungs- sondern Berechnungen wie viel jemand, der durch- ansprüche auf den individuellen Pensionskonten aus- schnittlich viel verdient, an Pension bekommt, wenn gewiesen sind, bringt eine hohe Bestandssicherheit. er nach 45 Jahren zum Regelpensionsalter in Pension Kürzungen bereits erworbenen Anwartschaften sind geht. Auch das ist natürlich nicht repräsentativ. Aber im Pensionskonto-Recht kaum durchsetzbar. Die jähr- da die Berechnung bei den verschiedenen Pensions- liche Erhöhung der Gutschrift um die neu erworbenen systemen immer denselben Einkommensverlauf unter- Leistungsansprüche auf individuellen Pensionskonten stellt, sieht man gut die Unterschiede in der Leistungs- bringt ein hohes Maß an Transparenz und ist leicht höhe der verschiedenen Pensionssysteme. nachvollziehbar Das heißt, das Pensionssystem bietet auch für all jene, die neu auf den Arbeitsmarkt kommen, eine vergleichs- Das österreichische Leistungskonto bietet eine ver- weise gute finanzielle Absicherung im Alter. Und das gleichsweise gute Leistungshöhe: 1,78 % Leistungs- Pensionskonto stabilisiert das öffentliche System. Re- gutschrift pro Jahr in Verbindung mit fairer Aufwer- gierungen sollten sich davor hüten, rückwirkend in er- tung, ergibt bei durchschnittlichem Erwerbsverlauf worbene Ansprüche der Versicherten einzugreifen. Das auch für die heute Jüngeren einen guten Einkom- würden alle durch eine Verschlechterung ihres Pensi- mensersatz (Nettopension relativ zu vorherigem onsanspruches am Pensionskonto merken. Nettoeinkommen). Das Pensionskonto schafft Transparenz und zeigt, wie Zum Vergleich: Die jährliche Leistungsgutschrift be- sich die Pensionshöhe je nach Antrittsalter unterschei- trägt in Deutschland nicht 1,78 %, sondern nur etwa det. Wenn man statt mit 62 mit 65 Jahren in Pension 1 % und wird in Zukunft sogar noch weiter sinken. geht, hat das erhebliche Auswirkungen auf die Pensi- onshöhe. ÖSTERREICHS PENSIONSSYSTEM BRINGT Für jedes Monat, das man vor dem Regelpensionsalter IM INTERNATIONALEN VERGLEICH in Pension geht, gibt es Abschläge: GUTE LEISTUNGEN ● 4,2 % pro Jahr bei der Langzeitversichertenrege- Mit dem Pensionskonto und seiner Berechnungsformel lung; 5,1 % pro Jahr in der Korridorpension. bleibt Österreich ein Land mit einem guten öffentlichen ● Jedes zusätzliche Versicherungsmonat erhöht den Pensionssystem. Das zeigen u. a. Vergleichsberechnun- Pensionsanspruch (pro Jahr 1,78 % des versicher- gen der OECD für Menschen die neu auf den Arbeits- ten Einkommens). markt kommen. ● Beide Effekte bewirken, dass sich die Pensionshöhe um ca. 8 % pro Jahr des verschobenen Pensionsan- Die OECD simuliert die Pensionshöhe eines Erwerbs- tritts erhöht. Wer also mit 65 Jahren statt mit 62 in tätigen, der 2018 im Alter von 22 Jahren auf den Pension geht, hat eine Pension, die ca. um ein Vier- Arbeitsmarkt kommt und ohne Unterbrechung bis tel höher ist. zum jeweiligen zukünftigen Regelpensionsalter ar- ● Das bedeutet, dass im Pensionskonto die Erwerbsan- beitet. Die Bruttoersatzrate liegt dann in Öster- reize im Pensionssystem außerordentlich hoch sind. reich bei 76,5 % und damit deutlich über dem OECD Jetzt muss es darum gehen, es den Menschen zu er- Schnitt von 49 %. Die österreichische Nettoersatz- möglichen bis 65 Jahre arbeiten zu können. 8 OECD „Pensions at a glance 2019“. Dass die Ersatzrate 76,5 % beträgt und nicht 80,1 % (45*1,78), liegt vermutlich daran, dass die Ansprüche im letzten Jahr vor dem Pensionsantritt nicht aufgewertet werden, während das Erwerbseinkommen möglicherweise aber noch ansteigt. Die bereits erworbenen Pensionsanwartschaften werden grundsätzlich jedes Jahr am Pensionskonto mit der Aufwertungszahl valorisiert. Außer im Jahr des Pensionsantritts selbst, da wird die aus den vergangenen Jahren erworbene Gutschrift nicht mehr aufgewertet. Wenn man aber unterjährig vor Pensionsantritt noch eine Einkom- menserhöhung hat, führt das zu einer leicht geringeren Ersatzrate. In ihren Berechnungen geht die OECD von folgenden Annahmen aus: Realeinkom- menssteigerung 1,25 %, Inflation 2 %, Diskontrate 2 %. 20
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS © iStock ● Abschläge bei vorzeitigem Pensionsantritt berück- zu erwartenden Pension machen. Von Versicherungen sichtigen, dass man bei früherem Pensionsantritt und Banken werden dazu Pensionslückenrechner an- einige Monate/Jahre länger Pension bezieht und geboten, die relativ hohe Pensionslücken errechnen. Es eine längere Pensionsbezugsdauer aufweist. Die ist ratsam auch den diesbezüglichen Rechner der Ar- Abschläge dürfen aber nicht mehr ausmachen als beiterkammer zu verwenden9, um abzusehen, wie sehr die längere Bezugsdauer zu kompensieren. die Ergebnisse unter verschiedenen Annahmen ausei- nandergehen. Für viele Menschen bietet die Pensions- versicherung eine gute Altersabsicherung. VORSICHT BEI PENSIONSLÜCKENRECHNERN Auch wird der bereits erworbene Pensionsanspruch VON ANBIETERN PRIVATER PENSIONSZUSATZ- jährlich im Ausmaß der gesamtwirtschaftlichen Lohn- PRODUKTEN steigerungen erhöht. Die Pensionsansprüche werden jährlich mit der sogenannten „Aufwertungszahl“ va- Zweifellos kann es für viele Menschen sinnvoll sein, lorisiert. Diese errechnet sich aus der Entwicklung der eine zusätzliche Vorsorge im Alter zu haben. Davor durchschnittlichen Beitragsgrundlage in der Sozial- sollte man sich ein realistisches Bild über die Höhe der versicherung. 9 http://pensionsrechner.arbeiterkammer.at 21
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS Wie hoch wird die Pensionslücke? Wer derzeit Vollzeit arbeitet und auf Teilzeit wechselt, hat ein geringeres Einkommen und erwirbt daher für Anbieter von Pensionszusatzvorsorgeprodukten wie jedes zusätzliche Versicherungsjahr geringere An- Banken, Versicherungen und Vermögensberater wer- sprüche als bei Fortsetzung der Vollzeitbeschäftigung. den Ihnen anhand der aktuellen Ansprüche laut dem Andererseits wird auch das Letzteinkommen geringer Pensionskonto anbieten, ihre Pensionslücke zu berech- sein. Man hat also eine geringere Pensionslücke und nen und zu schließen. Mit Pensionslücke ist die Differenz eine geringere Pension! zwischen der zu erwartenden Pension und dem Letztein- kommen gemeint. Nachdem beide Werte noch nicht Wer die Beschäftigung verliert, ist zwar weiter pensi- feststehen, kann man mit verschiedenen Annahmen onsversichert, erwirbt aber in der Arbeitslosigkeit für eine große oder eine kleine Pensionslücke errechnen. jedes Versicherungsjahr um 30 % geringere Pensions- ansprüche als bei Fortsetzung des Dienstverhältnis- Wovon hängt die Pensionslücke ab? ses. Es erfolgen Gutschriften in der Höhe von 70 % des Einkommens vor Eintritt der Arbeitslosigkeit. Bei einem Wer von jetzt bis zum Regelpensionsalter weiterarbeitet Jahr der Arbeitslosigkeit ist der Unterschied in Bezug und erst zum Regelpensionsalter in Pension geht, hat si- auf die Gesamtpension gering, wer lange arbeitslos cher eine kleinere Pensionslücke als jemand, der vorzei- bleibt, wird größere Einbußen haben. Wer seine Arbeit tig in Pension gehen wird und für jedes Monat vor dem verliert, wird sich aber sehr schwer tun, laufend für ein Regelpensionsalter Abschläge in Kauf nehmen muss. Altersvorsorgeprodukt einzuzahlen. Abb. 12: ENTWICKLUNG DER TARIFLÖHNE, DER PREISE UND DER AUFWERTUNGSZAHL 200 Aufwertungszahl 190 Tariflohnindex Inflation VPI 180 170 160 150 140 130 120 110 100 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Quelle: Eigene Berechnungen; Statistik Austria und Dachverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, 2021 22
DAS PENSIONSSYSTEM IM POLITISCHEN DISKURS Pensionskonto: Die „Verzinsung“ kann sich In einem anderen Fall wurden die Pension und die sehen lassen Pensionslücke in heutigen Geldwerten gerechnet und danach auf den Pensionszeitpunkt hochgerechnet. Die Ansprüche am Pensionskonto werden jährlich ent- Die Pension ist aber zu gering angegeben, da sie so sprechend der gesamtwirtschaftlichen Lohn- und Ge- berechnet wird als entspräche die Aufwertungszahl haltsentwicklung aufgewertet. Wie man anhand der immer genau der Preissteigerung. Wie wir in Abb. 12 Grafik deutlich sieht, entwickelte sich die Aufwertungs- gesehen haben, lag die Aufwertungszahl in den letzten zahl seit 1995 sehr ähnlich wie der Tariflohnindex, der Jahren deutlich über der Inflationsrate. Würde dieser die Entwicklung der kollektivvertraglichen Mindestlöh- Effekt berücksichtigt werden, so würde dies die Pen- ne und -gehälter darstellt. Beide stiegen deutlich stär- sionslücke verkleinern, weil sich eine höhere Pension ker als die Preise. ergäbe. Während die Preise von 1995 bis 2020 um 55,6 % ge- stiegen sind, stiegen die Kollektivvertrags-Löhne um Gegencheck mit AK Pensionsrechner 79,4 % und die Aufwertungszahl um 83,7 %. Die Pen- sionsansprüche werden daher nicht nur gegen die Die Arbeiterkammer bietet einen guten Pensionsrech- Teuerung abgesichert, sondern steigen immer dann ner an, der zum Ziel hat, dass man sich ein realistisches höher als die Inflation, wenn die Bruttolöhne und Bild über die zu erwartende Pension machen kann. Die -gehälter stärker steigen als die Preise. Man wird also AK hat kein Eigeninteresse ihnen ein Vorsorgeprodukt mit der jährlichen Aufwertung der Pensionsansprüche verkaufen zu wollen. Daher sollte man sich mit diesem am Wohlstandszugewinn beteiligt. Die Aufwertungs- Rechner verschiedene Szenarien durchrechnen. zahl betrug 1995 bis 2020 durchschnittlich 2,5 % pro Jahr, die Inflation 1,8 %. Die Ansprüche am Pensions- Der Rechner zeigt ihnen die zu erwartende Pension in konto werden daher auch deutlich besser „verzinst“ als drei Ausprägungen: ihre Geldguthaben auf einem Sparbuch! (s. Abb. 12) ● Heutig: Pension zu heutigen Preisen und Kaufkraft ● Real: zeigt ihnen die Kaufkraft der Pension in heu- MIT WELCHEN ANNAHMEN WIRD EINE tigen Preisen. Da die Ansprüche am Pensionskonto PENSIONSLÜCKE BERECHNET? mit der Lohnentwicklung und nicht der Preisent- wicklung valorisiert werden, gewinnt man an Kauf- Man sollte vorsichtig sein, wenn BeraterInnen von kraft. Banken, Versicherungen oder Vermögensberater eine ● Nominal: Pensionshöhe im Jahr des Pensionsan- hohe Pensionslücke berechnen und Ihnen zum Kauf tritts zu den hochgerechneten Werten von Vorsorgeprodukten raten. Vergleichen Sie deren Ergebnisse mit dem Pensionsrechner der AK. Man kann einen Karrierefaktor eingeben, der simu- liert, wie sich Einkommen, Pension und die Ersatzraten Diesen finden Sie unter entwickeln, wenn das individuelle Einkommen stärker http://pensionsrechner.arbeiterkammer.at steigt, als das Durchschnittseinkommen. Da Prognoserechnungen von vielen Annahmen abhängen, ist das Ergebnis immer einigermaßen „gestaltbar“. Beim Test von Onlinerechnern haben wir festgestellt, dass bei Hochrechnungen die Pensionen deutlich geringer hochgerechnet werden als die Einkommen. Das ergibt dann eine deutliche Erhöhung der Pensi- onslücke! 23
ALLGEMEINE GRUNDLAGEN P ensionen zählen zu den wichtigsten Leistungen Gesetzlich geregelt sind die Pensionen einerseits im des Sozialstaats. Sie ermöglichen die finanzielle ASVG (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz) bzw. und materielle Absicherung nach dem Ende GSVG (Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz) und des Erwerbslebens. Zu den Leistungen der Pensions- BSVG (Sozialversicherungsgesetz der BäuerInnen) so- versicherung zählen die Alterspensionen, die man ab wie andererseits im Allgemeinen Pensionsgesetz (APG), Erreichen des Pensionsalters beziehen kann, ebenso das mit 01.01.2005 in Kraft getreten ist und die Grund- wie Rehabilitationen oder krankheitsbedingte Pensio- lage für die Pensionsharmonisierung darstellt. nierungen, wenn man krankheitsbedingt seinen Beruf nicht mehr ausüben kann. Damit im Todesfall einer be- Mit 2014 erfolgte die Umstellung ins neue Pensions- schäftigten Person die Angehörigen abgesichert sind, recht. Alle bis dahin bestehenden Pensionsansprüche gibt es die Hinterbliebenenpensionen (Witwen-/Wit- wurden abgerechnet und ins Pensionskonto über- wer- und Waisenpensionen). tragen. Die Ermittlung der Pensionshöhe ist damit nicht nur wesentlich vereinfacht, sondern für die/den In der Pensionsversicherung wird zwischen Eigenpensi- einzelne/n Versicherte/n auch weitaus besser nach- onen und Hinterbliebenenpensionen unterschieden. Zu vollziehbar und transparenter geworden. Vom Umstieg Ersteren gehören die Alterspension, die vorzeitige Alter- ins neue Pensionsrecht und der Beendigung der bis spension bei langer Versicherungsdauer, die Langzeit- 2013 angewandten Parallelrechnung sind alle Versi- versichertenregelung („Hacklerregelung“) sowie die cherten betroffen, die ab 01.01.1955 geboren wurden. Korridorpension und die Schwerarbeitspension. Für vor 1955 geborene Versicherte war der Umstieg von keiner Relevanz. Ihre Pensionshöhe wurde weiter- Alle diese Pensionsarten setzen jeweils die Erreichung hin ausschließlich nach den Bestimmungen des ASVG einer bestimmten, gesetzlich vorgesehenen Alters- ermittelt. grenze voraus. Krankheitsbedingte Pensionen, die unterschieden werden in Berufsunfähigkeitspension (Angestellte) und Invaliditätspension (ArbeiterInnen), VORAUSSETZUNGEN UND ANTRAGSTELLUNG zählen ebenfalls zu den Eigenpensionen. Bei Tod eines/einer Versicherten existieren für die Hinterblie- Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf eine Pension, benen Leistungen in Form der Witwen-/Witwerpension wenn ein bestimmtes Lebensalter erreicht ist (Eintritt sowie der Waisenpension. Genauere Erläuterungen des Versicherungsfalles), wenn eine Mindestanzahl von zu den einzelnen Pensionsarten folgen in den Kapiteln Versicherungsmonaten vorliegt (Erfüllung der Warte- „Eigenpensionen“ (Seite 38 ff.) und „Hinterbliebenen- zeit) bzw. wenn bestimmte Anspruchsvoraussetzungen pensionen“ (Seite 51 ff.). erfüllt sind. Über die unterschiedlichen Anspruchsvo- 24
ALLGEMEINE GRUNDLAGEN KAPITELTITEL © iStock raussetzungen je nach Pensionsart wird im Anhang MINDESTVERSICHERUNGSZEIT unter „Pensionsarten im Überblick (Seite 55) informiert. Neben der Erfüllung des Pensionsantrittsalters ist ein Im alten wie im neuen Pensionsrecht ist die Höhe der Anspruch auf eine Alterspension an folgende Mindest- Pension abhängig von der Anzahl der Versicherungs- versicherungszeiten geknüpft: monate, vom jeweiligen Pensionsantrittsalter sowie vom versicherten Einkommen (Bemessungsgrundlage). Für Personen, die vor dem 01.01.1955 geboren wurden: Voraussetzung für die Leistungserbringung bzw. die Durchführung eines Pensionsfeststellungsverfahrens ist ● mindestens 180 Beitragsmonate der Pflichtver- die Antragstellung beim Pensionsversicherungsträger. sicherung (dazu zählen pro Kind auch bis zu 24 Mo- nate des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld) oder Der Antragstag löst den Pensionsstichtag aus, der auf freiwilligen Versicherung zum Stichtag den jeweils folgenden Monatsersten nach dem Tag der ● oder mindestens 300 Versicherungsmonate (Ersatz- Antragstellung fällt. Zu diesem wird festgestellt, ob der monate vor dem 01.01.1956 ausgenommen) zum Versicherungsfall eingetreten ist und die Pensionsvor- Stichtag aussetzungen erfüllt sind, wie hoch die Leistung ist und ● oder mindestens 180 Versicherungsmonate in den welche Versicherungsanstalt sie auszahlt. letzten 360 Kalendermonaten vor dem Stichtag Erfolgt die Antragstellung an einem Monatsersten, so ist dieser Tag auch der Pensionsstichtag. Bei Anträgen Für Personen, die ab dem 01.01.1955 geboren wurden: auf eine Leistung aus dem Versicherungsfall des Todes ist der Stichtag der Todestag, wenn dieser auf einen ● mindestens 180 Versicherungsmonate, davon min- Monatsersten fällt, sonst der dem Todestag folgende destens 84 Monate auf Grund einer Erwerbstätig- Monatserste. keit, vor dem Stichtag. 25
ALLGEMEINE GRUNDLAGEN Den Versicherungszeiten auf Grund einer Erwerbs- Wenn auch Monate einer Selbstversicherung (§16a tätigkeit sind folgende Zeiten gleichgestellt: ASVG) erworben wurden, zählen höchstens 12 davon für die Erfüllung der Mindestversicherungszeit. ● Zeiten einer Selbstversicherung wegen Pflege eines behinderten Kindes ● Zeiten einer Selbstversicherung wegen Pflege eines REGELPENSIONSALTER nahen Angehörigen ● Zeiten einer beitragsbegünstigten Weiterversiche- Das Regelpensionsalter für die Alterspension beträgt rung für pflegende Angehörige 65 Jahre. Für Frauen gilt noch ein niedrigeres Regel- ● Zeiten einer Familienhospizkarenz pensionsalter von 60 Jahren. Dieses wird ab 2024 in ● Zeiten des Bezuges von aliquotem Pflegekarenz- Halbjahresschritten an das der Männer angeglichen. geld bei Pflegeteilzeit. Demnach wird für alle Frauen, die ab dem 02.06.1968 geboren wurden, ein Pensionsantrittsalter von 65 Jah- ren gelten. ANHEBUNG FRAUENPENSIONSALTER Kalenderjahr Antrittsalter Weibliche Versicherte, geboren bis: 2023 60. Lebensjahr 01.12.1963 2024 60. Lebensjahr + 6 Monate 01.06.1964 2025 61. Lebensjahr 01.12.1964 2026 61. Lebensjahr + 6 Monate 01.06.1965 2027 62. Lebensjahr 01.12.1965 2028 62. Lebensjahr + 6 Monate 01.06.1966 2029 63. Lebensjahr 01.12.1966 2030 63. Lebensjahr + 6 Monate 01.06.1967 2031 64. Lebensjahr 01.12.1967 2032 64. Lebensjahr + 6 Monate 01.06.1968 2033 65. Lebensjahr für alle ab dem 02.06.1968 geborene Versicherte 26
ALLGEMEINE GRUNDLAGEN PENSIONSKONTO Seit 2005 werden die verschiedenen öffentlichen Pen- sionssysteme schrittweise vereinheitlicht. Grundlage Ein vereinfachtes Beispiel: bildet das 2005 in Kraft getretene Allgemeine Pensi- Wenn jemand monatlich EUR 1.000,– verdient, onsgesetz (APG). Durch das APG wurde ein leistungs- dann erhält er am Ende des Jahres EUR 17,80 orientiertes Pensionskonto eingerichtet. Damit wurden (1,78 % der Bemessungsgrundlage) als künfti- weitgehend die von ÖGB und AK entwickelten Grund- ge Monatspension gutgeschrieben. Dieser Be- sätze umgesetzt. trag wird jährlich fair mit der Lohnentwicklung aufgewertet, und es kommen die Beträge der Das „Pensionskonto“ zeigt den Versicherten, welchen Folgejahre hinzu. 45 Jahre mal EUR 17,80 ergibt Pensionsanspruch sie bislang erworben haben, wenn EUR 800,–, also eine Ersatzrate von 80 %. sie mit den bereits erworbenen Versicherungszeiten zum Regelpensionsalter in Pension gehen würden. Es sieht bei einem Pensionsantritt mit 65 Lebensjahren Dieses leistungsdefinierte Pensionskonto stellt die und 45 Versicherungsjahren 80 % des Lebensdurch- Pensionsansprüche im neuen Recht dar und enthält schnittseinkommens vor. Das Konto gewährleistet die seit 2014 auch die übertragenen Ansprüche aus dem Ausfallshaftung des Bundes und Transparenz für die Altrecht. Für vor dem 01.01.1955 geboren Versicherte Versicherten. In bereits erworbene Ansprüche kann wurde kein Pensionskonto geführt, ihre Pension wurde rückwirkend nicht mehr eingegriffen werden. nur nach der modifizierten Pensionsreform 2003 aus- gerechnet. Durch die Beendigung der Parallelrechnung ab 2014 Die Aufwertung zurückliegender Versicherungs-/ wurden alle zuvor erworbenen Ansprüche auf dem Beitragsjahre ist im Vergleich zu den vor der Harmo- Pensionskonto gutgeschrieben, die laufenden Leis- nisierung geltenden Regelungen verbessert: Im har- tungsansprüche werden regelmäßig vermerkt. Das monisierten Recht werden die jährlichen Beitrags- Konto wird bis zu jenem Kalenderjahr geführt, in dem grundlagen (auch für die Vergangenheit) mit der der Stichtag der (vorzeitigen) Alterspension bzw. der Lohnentwicklung, und damit wesentlich besser als im Tod des/der Versicherten liegt. Altrecht, aufgewertet. Mit dem Stichtag kommt es zur Zuerkennung der Pen- sion und eine weitere Führung des Pensionskontos ist hinfällig. Die Pensionshöhe ergibt sich aus dem „Kon- VERSICHERUNGSZEITEN, BEITRAGSZEITEN, tostand“ des Pensionskontos. Während einer Invalidi- ERSATZZEITEN tätspension oder Berufsunfähigkeitspension wird das Pensionskonto weitergeführt. Im APG gibt es nur mehr Versicherungszeiten. Diese untergliedern sich in Versicherungszeiten auf Grund- Das Konto weist Folgendes aus: lage einer Erwerbstätigkeit, Zeiten einer Teilversiche- rung in der Pensionsversicherung (dazu zählen Zeiten ● Das (versicherte) Erwerbseinkommen bzw. die Bei- der Kindererziehung, Familienhospizkarenz, Bezug tragsgrundlage bei „Ersatzzeiten“, von Arbeitslosengeld und Notstandhilfe, von Kranken-, ● die jährliche Gutschrift (1,78 % der Summe der Bei- Wochen-, Übergangs- und Rehabilitationsgeld, Zivil- tragsgrundlagen), oder Präsenzdienst) sowie Zeiten einer freiwilligen Ver- ● die aufgewerteten Gutschriften der Vorjahre, sicherung in der Pensionsversicherung. ● die Gesamtgutschrift und die Im Altrecht (ASVG) wurden Versicherungszeiten in Bei- ● bereits erworbene monatliche Pensionshöhe. tragszeiten und Ersatzzeiten unterteilt. Beitragszeiten entstanden durch Zeiten einer Pflichtversicherung Ein Pensionskonto ist nicht mit einem Bankkonto ver- („Erwerbsarbeitszeiten“) und einer freiwilligen Versi- gleichbar. Es bedeutet nicht, dass die Gelder auf dem cherung. Ersatzzeiten waren Versicherungszeiten, die Kapitalmarkt veranlagt werden. Das Konto ist auch ohne Bezahlung von Beiträgen in der Pensionsversi- nicht „jederzeit behebbar“. Man kann es vielmehr als cherung berücksichtigt wurden, wie etwa Kinderer- einen „Beitrags- bzw. Leistungsausweis“ ansehen. ziehungszeiten. 27
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