Plan S Magazin für Sozialberufe - Sozialberufe Zürich
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Plan S – Magazin für Sozialberufe Ausgabe 2020 Inhalt Editorial 4 Mit Menschen 6 Tanja Elmiger: 10 Kenny Greber: arbeiten «Das Leben ist «Die Arbeit – Was braucht wie ein Spiel- mit Menschen es dafür? platz» beginnt bei sich selbst» Kompetenzen in Leitartikel von Simone Knutti und Barbara Porträt Teamleite- rin in sozialen und Porträt Sozialpäda- goge HF sozialen Berufen Gall, CAMINO sozialmedizinischen Institutionen FA Liebe Leserin, lieber Leser «Die Arbeit mit Menschen beginnt bei sich selbst.» 14 Meheret von 18 Valentin Hoyos: 22 «Die Lernen- Dieses Zitat aus dem Porträt von Kenny Greber be- Felten (Titel- «Sie können den von heu- schreibt eine wichtige Kompetenz jener Menschen, die bild): in sozialen Berufen arbeiten: Selbstreflexion. In allen dank unserer te bilden die Aus- und Weiterbildungen im Sozialbereich steht die «Mein Schick- Betreuung ihre Fachkräfte von Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und sal soll anderen Schwächen morgen aus» dem Verhalten in herausfordernden Situationen im helfen» überbrücken» Zentrum. Porträt Migrations- Porträt Fachmann Interview mit Ogulcan fachfrau FA Betreuung, Fach- Karakoyun, Leiter Die richtige Mischung aus sozialen und fachlichen richtung Betagtenbe- Bildung für die Kompetenzen ist entscheidend, um Menschen in spe- treuung Alterszentren der Stadt Zürich. zifischen Situationen professionell begleiten zu können. Eine Teamleiterin, ein Sozialpädagoge, eine Migrations- fachfrau und ein Fachmann Betreuung, Fachrichtung 24 Bildungswege 26 Verein SOZIAL- Liliane Ryser Betagtenbetreuung, erzählen in dieser Ausgabe, wel- im Sozialbe- BERUFE Präsidentin Verein che Kompetenzen sie sich in ihrer beruflichen Lauf- reich ZÜRICH SOZIALBERUFE ZÜRICH bahn angeeignet haben und wie sie diese im berufli- chen Alltag anwenden. Grafik Mitglieder stellen sich vor Beim Lesen dieser Ausgabe werden Sie eine weite- re Gemeinsamkeit bei den Porträtierten feststellen: der Wissensdurst. Mit jeder Weiterbildung eröffnen sich neue Chancen. Und dass der Bedarf an Sozialprofis steigt, ist an der wachsenden Bildungslandschaft er- kennbar. Steigen Sie ein, auf oder um – wir freuen uns auf Sie! 14 Auflage Fotografie Herausgeber 4600 Exemplare Daniel Thalmann Verein Fotografie GmbH SOZIALBERUFE ZÜRICH Redaktionsleitung danielthalmann.ch Geschäftsstelle Bea Linder c/o OdA Soziales Zürich Geschäftsleiterin Lektorat Förrlibuckstrasse 60 SOZIALBERUFE ZÜRICH Sylvia Müller 8005 Zürich muekomm.ch Telefon 044 501 51 68 Gestaltung info@sozialberufezuerich.ch Ornella Groebli Druck www.sozialberufezuerich.ch PLATZHALTER GmbH Horizonte platzhalter.ch Druckerzentrum, Thalwil Texte und Bilder dürfen nur mit schriftlicher Genehmi- gung der Redaktion und mit Quellenangabe weiterver- wendet werden. 2 3
Plan S – Magazin für Sozialberufe Ausgabe 2020 Mit Menschen arbeiten – Was braucht es dafür? In sozialen Berufen steht der Mensch im Mittelpunkt. Ob Kinder, Jugendliche, Menschen mit Beeinträchtigungen oder Migrations- erfahrung oder Menschen im Alter: In allen Arbeitsfeldern ist es das Ziel, die Ressourcen und Fähigkeiten der betreuten Menschen zu erhalten und zu fördern, um ihnen ein möglichst selbstbestimmtes Le- ben zu ermöglichen. Damit übernehmen Berufsleute im Sozialbereich eine essenziell verantwortungsvolle gesellschaftliche Aufgabe, für die hohe fachliche und soziale Kompetenzen verlangt werden. Freude und Interesse an der Arbeit mit den unter- Bei Auseinandersetzungen sachlich und geduldig schiedlichsten Menschen zeichnen die Grundmotiva- zu bleiben und die Kompetenz haben, Konflik- tion für das Wirkungsfeld Soziales aus. Menschen in te (etwa mit Eltern, Teamkolleginnen und -kolle- herausfordernden Situationen zu beraten, begleiten gen) im offenen Gespräch zu klären, ist förderlich. und zu betreuen, bedeutet, sich auf andere Lebens- welten – mitunter mit ganz anderen Werten und Nor- Soft Skills auf dem Stellenmarkt men – einlassen zu können und zu wollen. Deshalb ist Wie Auswertungen von Stelleninseraten auf es wichtig, ihnen mit Transparenz und Akzeptanz zu sozialinfo.ch1 zeigen, nehmen Soft Skills2 eine bedeu- Simone Knutti (links) und Barbara Gall (Foto: zVg) begegnen und eine eigene, klare und differenzierte tende Rolle ein. Bei der Besetzung von Stellen wird Haltung zu haben. Auch Abgrenzung ist ein wichtiges nicht nur auf die richtigen Ausbildungsabschlüsse Thema. Das Erfassen der Bedürfnisse sowie aktives geachtet, sondern auch auf die sozialen Kompe- und geduldiges Zuhören sind zentral, um die Men- tenzen, also Soft Skills. In fast der Hälfte der ausge- schen beim Umsetzen ihrer Lösungen und Vorstel- werteten Stelleninserate wurden Belastbarkeit und lungen gezielt unterstützen zu können und sie in ihrer Teamfähigkeit verlangt. Aber auch Selbstständigkeit, CAMINO Selbstwirksamkeit zu stärken. Die eigenen Themen Freude (z. B. an der Arbeit oder an Menschen) und Beratung und Orientierung für eine treten in der professionellen Rolle in den Hintergrund. Flexibilität gehören zu den besonders gefragten Laufbahn in der Arbeitswelt Soziales Der Weg zu sichtbaren und konkreten Resultaten ist Kompetenzen. ein Prozess – Veränderungen brauchen ihre Zeit. Fle- Seit 2017 bietet Agogis mit CAMINO umfas- xibilität ist hier eine grosse Stärke. Im Arbeitsalltag ist Die Freude am Beruf stärkt die Belastbarkeit und sende und von den Agogis-Bildungsange- vieles nicht genau im Voraus planbar, und so braucht fördert das eigene Engagement beziehungsweise die boten unabhängige Laufbahn- und Karriere- es in hektischen Phasen einen kühlen Kopf und die intrinsische Motivation. Durch die unregelmässigen beratungen für den Sozialbereich an. Simone Übersicht. Arbeitszeiten, die in den sozialen Berufen verbreitet Knutti und Barbara Gall, Berufs-, Studien- sind, kann eine hohe Belastbarkeit sowohl in körperli- und Laufbahnberaterinnen, stehen Ihnen bei Welche Kompetenzen sind gefragt? cher als auch emotionaler und sozialer Hinsicht gefragt individuellen Fragen zu Bildung und Arbeit Vom Typ her spielen Offenheit und Kommunika- sein. In dieser Branche ist die Lebenserfahrung zudem im Sozialbereich zur Seite. tion eine wichtige Rolle, um Kontakt aufzunehmen eine wichtige Ressource. In sozialen Berufen ist es www.agogis.ch/camino und Zugang zu finden. Positive zwischenmensch- somit ein Vorteil, mit einigen Jahren Berufs- und Le- liche Beziehungen aufbauen und gestalten, fallen benserfahrung (quer)einzusteigen. einem leicht. Die Fähigkeit, sich selbst zu hinterfra- gen und realistisch, kritisch zu betrachten sowie sich gerne zu entwickeln und an der eigenen Persönlich- keit zu arbeiten, sind essenziell. Eine positive, auf- bauende Lebenshaltung und eine charakterliche 1 Ausgeglichenheit wirken unterstützend. In sozialen www.sozialinfo.ch > Stellenmarkt > Monitoring > Soft Skills auf dem Stellenmarkt Berufen hilft es einem, nicht alles sofort persönlich 2 «Weiche Faktoren» wie Charaktereigenschaften und Fähigkeiten, die mit der Persönlichkeit zu nehmen und auch mal eine Sache wegzustecken. und nicht mit dem Fachwissen einer Person in Verbindung stehen. 4 5
Plan S – Magazin für Sozialberufe Ausgabe 2020 «Das Leben ist wie ein Spielplatz» Tanja Elmiger wusste schon in der Ausbildung zur Fachfrau Betreuung (FaBe), Fachrichtung Kinderbetreuung, dass sie eine leitende Position anstrebt. Inzwischen hat sie dieses Ziel erreicht, viel in ihre Weiterbildung und persön- liche Entwicklung investiert und steckt immer noch voller Tatendrang für neue Herausforderungen. Eigentlich wollte Tanja Elmiger Basis- als Führungsperson Entscheide aushalten muss stufenlehrerin werden. Ein Inserat für eine und nicht alle damit zufrieden sein müssen.» Sie Praktikumsstelle in einer Kindertagesstätte liest viel Fachliteratur und reflektiert ihr Verhalten im ländlichen Luzern gewann aber ihre Auf- in einem Führungs- und Lerntagebuch. Letzte- merksamkeit. Die Arbeit mit den Kindern ge- res war Bestandteil eines bke-Moduls, und Tan- fiel ihr so gut, dass sie im gleichen Betrieb ihre ja Elmiger empfand die Aufgabe zu Beginn als Ausbildung zur Fachfrau Betreuung (FaBe), mühsam und zeitraubend. Selbstreflexion ist Fachrichtung Kinderbetreuung, absolvierte. für sie heute eine Schlüsselkompetenz, die am «Ich habe immer gerne Verantwortung über- bke geschärft wurde: nommen und wusste schon in der Lehre, dass ich eine leitende Position möchte.» Heute ist Tanja Elmiger 30 Jahre alt, Betriebsleiterin und Mitglied der Geschäftsleitung in der Kinderta- gesstätte Delfin im solothurnischen Bettlach. Persönliche und fachliche Kompeten- zen überzeugten Die Bewerbung für ihre aktuelle Stelle brachte sie 2014 – nach Ablauf der Bewer- bungsfrist – persönlich vorbei. Am nächsten Tag wurde Tanja Elmiger zum Vorstellungsge- spräch eingeladen und absolvierte ein Assess- ment. Sie war 24 Jahre jung, hatte zuvor noch kein Team geleitet – und bekam die Stelle. «Der damalige Kita-Präsident sah Potenzial in mir und gab mir die Chance, mich zu entfal- ten.» An die Stelle war die Bedingung zur Wei- terbildung als Teamleiterin geknüpft, welche sie am bke Bildungszentrum Kinderbetreuung in Zürich von 2014 bis 2018 absolvierte und mit der eidg. Berufsprüfung Teamleiterin in sozia- len und sozialmedizinischen Institutionen mit Bestnote abschloss. Schlaflose Nächte und eine Erkenntnis fürs Leben «In den ersten drei Monaten als Betriebs- leiterin habe ich wenig geschlafen», gibt Tanja Elmiger offen zu. Ihr Wunsch, es allen recht zu machen, zerriss sie innerlich. Die Mitarbeitenden Tanja Elmiger hat in ihren – von der Praktikantin bis zu Fachpersonen kurz «Wer sich selbst nicht reflektiert, 30 Jahren schon viel erreicht vor der Pensionierung – reagierten unterschied- kann andere nicht anleiten und und noch ebenso vieles vor. fördern.» Diese Grundhaltung lich auf die neue junge Chefin. Tanja Elmiger vermittelt Tanja Elmiger bald liess sich coachen und gewann dadurch wieder auch als Dozentin am bke Kinder- Selbstvertrauen. «Ich musste lernen, dass ich betreuung. 6 7
Plan S – Magazin für Sozialberufe Ausgabe 2020 Das Kind in sich und den Humor bewahren, sind zentral für Tanja Elmiger. «Wer sich selbst nicht reflektiert, kann andere nicht anleiten und fördern», ist sie überzeugt. Anpacken und umsetzen Der Arbeitstag beginnt für Tanja Elmiger meistens um 7 und endet um circa 18 Uhr. «Oft bin ich so in meine Arbeit vertieft, dass ich die Zeit vergesse.» Die Kindertagesstätte Delfin ist in einem renovierten Bauernhaus untergebracht, das für die Bedürfnisse einer Krippengruppe, Hortgruppe und einen Mittagstisch eingerichtet ist. Über die Woche verteilt betreuen Tanja Elmi- ger und ihre neun Mitarbeitenden rund 90 Kinder und Jugendliche. Ihr 90-%-Pensum ist verteilt auf 60 % Administratives und 30 % Betreu- ung. «Der persönliche Austausch mit meinen Mitarbeitenden, den Kindern und deren Eltern ist für mich zentral.» Tanja Elmiger wischt den Bo- den, putzt WC und wechselt Windeln genauso wie alle anderen Mitarbeitenden. Sie beschäftigt zwei Praktikantinnen, die sie überdurchschnitt- lich entlöhnt und mit konkreten Aufträgen und Zielvereinbarungen auf die FaBe-Lehre vorbe- reitet. 2019 führte Tanja Elmiger den Betrieb erfolgreich zur Auszeichnung als Quali-Kita. Teamleiter/in in sozialen und Für die Qualitätssicherung in ihrer Branche will sozialmedizinischen Institutionen sich Tanja Elmiger künftig noch stärken enga- (eidg. Fachausweis) gieren und macht eine Ausbildung, um selbst Auditorin zu werden. «Unsere Branche braucht Ziel: Als Teamleiter/in setzen Sie sich mit mehr Anerkennung. Dafür müssen wir aber auch Ihrer Rolle, Ihrem Führungsverständnis und mehr aus uns und unseren Betrieben rausholen -verhalten auseinander, führen Ihr Team und uns nicht mit wenig zufriedengeben.» zielorientiert, Sie planen und organisieren die Arbeit Ihres Teams. Zudem entwickeln Zurück als Dozentin Sie das Team weiter und sichern dadurch An ihre Weiterbildungszeit am bke denkt die Team- wie Arbeitsqualität. Tanja Elmiger gerne zurück. Die vermittelten Art: berufsbegleitender Führungslehrgang Kompetenzen für Mitarbeiterbeurteilungen, Dauer: 5 Module, 25 Tage Projekt- und Qualitätsmanagement setzt sie im Abschluss: Der Lehrgang bereitet auf die Alltag genauso ein wie das Eisenhower- oder eidg. Berufsprüfung vor Pareto-Modell für das Selbstmanagement. Infos: www.bke.ch Nach dem letzten Modul an der bke erkundigte sich Tanja Elmiger, was es braucht, um Dozen- tin werden zu können. Der unter anderem er- forderliche SVEB-Kurs, um Erwachsene auszu- bilden folgte, und schliesslich kam die erhoffte Anfrage vom bke. Ab Herbst 2020 unterrichtet sie im Führungslehrgang «Teamleiter/in in so- zialen und sozialmedizinischen Institutionen» in überbetrieblichen Kursen für FaBe. Trotz das Modul Grundlagen der Teamentwicklung den vielfältigen Tätigkeiten findet Tanja Elmi- und Zusammenarbeit sowie das Modul Planung, ger noch Zeit für ihre Hobbys Krav Maga (eine Durchführung und Evaluation von Führungs- Kampfsportart) und das Pistolenschiessen aufgaben. Dafür reduziert sie ihr Pensum in als Sportschützin. der Kindertagesstätte Delfin auf 80 % und gibt Das Kind in sich und den Humor bewah- ihre Unterrichtstätigkeit an der Berufsschule ren, sind zentral für sie: «Das Leben ist wie ein auf. Einige Tage pro Jahr unterrichtet sie auch Spielplatz, den es sich lohnt zu entdecken.» 8 9
Plan S – Magazin für Sozialberufe Ausgabe 2020 «Die Arbeit mit Menschen beginnt bei sich selbst» Kenny Greber ist Friedensrichter und leitet als Sozialpädagoge den Fachbereich Betreuung in einer Schule in der Stadt Zürich. Durch seine Aus- und Weiterbildungen hat er gelernt, dass Konflikte Beziehungen stärken können. Das geplante Intervenieren in herausfordernden Situationen sieht er heute als Schlüsselkom- petenz in seinem Berufsfeld. Kenny Greber, 39 Jahre alt, bringt zwei Teilzeitjobs, Familie und Weiterbildung unter einen Hut. 10
Plan S – Magazin für Sozialberufe Ausgabe 2020 Sozialpädagoge/in (eidg. Diplom HF) Ziel: Mit analytischer, systemischer Denkweise und der Verwurzelung in der Praxis unterstützen Sozialpäda- gogen/-innen die Entwicklung und Integration von Menschen, deren selb- ständige Lebensgestaltung erschwert oder gefährdet ist. Art: Zur Hälfte in anerkanntem Aus- Unverhofft zum Friedens- mehr prozesshaftes Arbeiten ge- bildungsbetrieb und an der Höheren richter fragt. Fachschule für Sozialpädagogik Ohne grosse Erwartungen Als Friedensrichter muss er Dauer: 2 oder 3 Jahre (Vollzeit) je nach bewarb sich Kenny Greber 2018 Strukturen einhalten, organisie- Vorbildung für das Friedensrichteramt an ren, Gespräche korrekt leiten und Kenny Greber: «Dieses Bewusst- Abschluss: dipl. Sozialpädagoge/in HF seinem Wohnort Weinfelden – genau abwägen, wann er wie et- sein für Diversität Infos: www.agogis.ch und wurde gewählt. Das neue was sagt. Zudem muss er sich ist zentral als So- 50-Prozent-Pensum liess sich immer wieder mit seinen eigenen zialpädagoge.» nicht mehr mit seiner Arbeit in Vorurteilen auseinandersetzen, der Wohngruppe vereinbaren. Er fair und unparteilich handeln. schaute sich nach einer zweiten Gerade bei der Personalführung Teilzeitstelle mit Führungsan- in der Schule kann er von diesen teil um. In der Schule in der Ey, Kompetenzen profitieren. Seinen nahe beim Zürcher Stadtspital Hortleitungen steht er bei Kon- Triemli, wurde er fündig. Seit flikten beratend zur Seite, lässt Ende 2018 leitet er den Fach- sie diese, wenn möglich, aber bereich Betreuung und führt allein lösen. 25 Mitarbeitende mit 50 Stel- Als Leiter des Fach- lenprozent. «Das geht nur mit Kompetenzen für die täg- bereichs Betreuung sehr strukturierten Tagen und liche Arbeit führt Kenny Greber Mit einer KV-Lehre bei der dung mit dem stärkeren Praxis- kompetenten Mitarbeitenden.» Mit der Agogis ist Kenny 25 Mitarbeitende in der Schule in Post begann Kenny Greber sei- bezug. Im Jahr 2012 startete er Kenny Greber führte Ressorts Greber bis heute verbunden. der Ey. nen Einstieg ins Berufsleben. Es und machte eine für ihn zent- ein, um seine fünf Hortleitungen Zusammen mit zwei weiteren folgten zehn weitere Jahre, die rale Erfahrung – er bestand die mehr zu stärken und sich selbst ehemaligen Studierenden ge- ihn aber nie wirklich glücklich erste Prüfung nicht. Etwas, das in der Verantwortung als Fach- hört er zu «Alumni Potential» machten, und er liebäugelte im- er aus seiner Schulzeit nicht leiter zu positionieren. Ein Puffer – ein neues Programm, um Ehe- mer wieder mit einem sozialen kannte. «Mir wurde klar, dass hat er jeweils für Tagesaktuelles malige einzubinden. Während Beruf. Mit der Vorstellung, die ich eine andere Ambition für eingeplant, und die Mitarbeiten- zwei Jahren verpflichtet sich Welt verändern zu können und das Sozialpädagogik-Studium den wissen, dass er auf E-Mails Kenny Greber zu 150 Stunden zu wollen, trat er mit 29 Jahren brauchte.» Weg vom reinen innerhalb von 48 Stunden re- Dozenten-Arbeit, besucht je- ein zweijähriges Praktikum in Auswendiglernen, setzte er agiert. Am Anfang habe er jeden weils samstags den Kurs SVEB einer Wohngruppe für verhal- sich vertieft mit sich selbst und Tag für die Schule gearbeitet, 1 zum Erwachsenenbildner und tensauffällige Jugendliche im den vermittelten Themen aus- was aber irgendwann nicht mehr nimmt an Fixpunkten im Agogis- Thurgau an: «Ich brauchte die- einander. Er spürte, dass er im ging. Auch Whats-App-Chat hat Jahresprogramm teil. se Zeit, um mir sicher zu sein, richtigen Berufsfeld angekom- er abgeschafft. Fiel beispielwei- Von den erlernten Kompe- das ich am richtigen Ort bin. men war und hängte kurz nach se eine Betreuerin aus, wurde tenzen im Sozialpädagogik-Stu- Diese Arbeit braucht eine tiefe Ausbildungsabschluss 2015 den via Chat nach einem Ersatz ge- dium profitiert er noch heute. Überzeugung.» Er blieb beina- CAS Beratungstraining an einer sucht – an sieben Tagen die Wo- «Das geplante Intervenieren, he zehn Jahre dort und durch- Fachhochschule an. «Um den che, auch abends. «Das löste Diversität und Selbstreflektion lief verschiedene Stufen, bis er persönlichen Knacks zu be- im sonst schon dynamischen wurden an der Agogis wunder- schliesslich stellvertretender heben», ergänzt er mit einem Schulumfeld enormen Druck bar angeleitet», sagt Kenny Gre- Institutionsleiter wurde. Schmunzeln. Es folgte die Wei- auf alle aus.» Eine Situation auch ber. Die Schule in der Ey unter- terbildung zum Praxisausbild- mal aushalten zu können, habe richtet und betreut Kinder von Studium mit Vorurteilen ner und der zweite CAS Media- die Schulkultur weitergebracht. Akademikern, sozial schwachen Kenny Greber wollte So- tion. Ein dritter CAS würde ihn Auch seine bis anhin sehr be- Familien, verhaltensauffällige zialpädagogik studieren und zum MAS in psychosozialer Be- dürfnisorientierte Reaktions- und Kinder und solche mit körperli- meldete sich für ein Studium ratung führen, er schiebt diesen Kommunikationsart musste er chen Beeinträchtigungen. «Die- an einer Fachhochschule an. aber vor sich hin. Der 39-Jährige umgestalten. ses Bewusstsein für Diversität «Ich dachte, dass ein Studium ist nämlich kürzlich zum zwei- Die Jobs als Friedensrichter ist zentral als Sozialpädagoge», an der Fachhochschule mehr ten Mal Vater geworden und und Leiter Betreuung befruchten ist Kenny Greber überzeugt und: Wert hat.» Gleichzeitig bestand hat zwei anspruchsvolle Jobs. sich gegenseitig. Während die «Wenn mich heute etwas triggert, er aber auch die Aufnahme- Ausserdem liest er gerne Fach- Arbeit als Friedensrichter haupt- schaue ich zuerst in mich hinein. prüfung an der Agogis und und Philosophie-Bücher, kocht sächlich aus abschliessenden Auf- Die Arbeit mit Menschen beginnt entschied sich für die Ausbil- und pflegt den Garten. gaben besteht, ist in der Schule bei sich selbst.» 12
«Mein Schicksal soll anderen helfen» Der berufliche und persönliche Weg von Meheret von Felten ist alles andere als einfach und gradlinig. Geflüchtet vom Krieg in Eritrea, gestaltete sich der Start in der Schweiz sehr schwierig. Sechzehn Jahre später ist Meheret von Felten Fachfrau Betreuung (FaBe), Fachrichtung Kinderbetreuung, Übersetze- rin und bald Migrationsfachfrau. Ihre eigene Ge- schichte bildet die Grundlage für ihre anspruchs- volle Arbeit mit Migrantinnen und Migranten. Meheret von Felten, 42 Jahre, hat trotz schwerem Rucksack ihr Lachen nicht verloren. 14
Plan S – Magazin für Sozialberufe Ausgabe 2020 Workshops für Menschen mit Migrationshintergrund. «Ich habe inzwischen bestimmt 18 oder 19 Zertifikate», erzählt Meheret von Felten lachend. Parallel zu ihrer Arbeit in einem Hort begann sie für die Organisation «National Coalition Building Institute (NCBI) Schweiz, eine Art «Brückenbauer- Institut» zu arbeiten. In dessen Auftrag besucht sie etwa acht Stunden wöchentlich Flüchtlinge in Durchgangszent- ren, begleitet sie bei Behördenbesuchen, unterstützt bei Ge- sprächen auf Fachstellen und bei Behörden, hilft Formulare auszufüllen und spricht mit jungen Flüchtlingen, die zu viel Alkohol trinken. «Den Rucksack, den diese Menschen mit sich herumtragen, ist erstaunlich», findet sie. Belastende Situatio- nen gebe es auch und oft werde sie gefragt, wie sie trotz ihrem eigenen Leidensweg so viel Mut weitergeben kann. Meheret von Felten hat in der Schweiz vier Jahre Psycho- therapie hinter sich. Die Psychologin attestierte ihr, dass man an einer solchen Lebensgeschichte zerbricht oder stärker wird. «Ich gehöre zur zweiten Sorte. Mein Lebensmotto lau- tet ‹Um Gold zu formen, muss man es im Feuer schmelzen lassen›» Spezialisiert auf Migrationsthemen Als Migrations- fachfrau begleitet Letztes Jahr hat Meheret von Felten den Lehrgang Migra- Lebensmotto von Meheret von Felten tionsfachperson an der Schule für Sozialbegleitung absolviert Meheret von Felten: Menschen aus an- – zur Vorbereitung auf die Berufsprüfung zum eidgenössischen «Um Gold zu formen, deren Kulturen beim Fachausweis. Einiges war für sie aufgrund ihrer Lebenserfahrung muss man es im Feuer Integrationsprozess schmelzen lassen.» in der Schweiz. und FaBe-Ausbildung eine Vertiefung, anderes eine Wieder- holung. Enorm profitiert hat sie von den vermittelten Kompe- tenzen fürs Berichte verfassen oder den Rechtsgrundlagen. Migrationsfachpersonen müssen den Durchblick haben im schweizerischen Migrationsgesetz und die Verfahrenswege kennen. Seit 1. März 2019 gilt das neue beschleunigte Asylver- fahren und Meheret von Felten muss sich tief in die Materie einlesen, um die Fragen ihrer Landsleute beantworten zu Migrationsfachmann/frau können. Auch welche Fachstellen in welcher Situation und (eidg. Fachausweis) wie unterstützen können, muss eine Migrationsfachperson Ziel: Migrationsfachpersonen beraten und wissen: «Zum Glück gibt es heute viel mehr Angebote als bei begleiten Menschen mit Migrationshinter- meiner Ankunft.» Im Lehrgang wurden zahlreiche Praxisbei- grund. Sie beraten in rechtlichen sowie spiele besprochen, beispielsweise wie ein Familiennachzug sozialen Fragen und geben Unterstützung funktioniert. Eine Migrationsfachperson weiss somit auch, wie bei der Eingliederung in gesellschaftliche Meheret von Felten ist in Asmara, der Hauptstadt von kenntnis, es als inzwischen alleinerziehende Mutter und selb- sich länderspezifische Rahmenbedingungen auf Menschen Strukturen. Eritrea, zusammen mit sechs Geschwistern und ihren Eltern ständige Künstlerin nicht weit bringen zu können, begann sie auswirken und kann gezielt die Perspektiven der Betroffenen Art: Lehrgang, praxisbegleitend, mind. 50 % aufgewachsen. Noch vor dem Abitur hat sie eine Kunst- und ein Praktikum in einer Kinderkrippe. Gleichzeitig absolvierte einnehmen und sie beim Integrationsprozess begleiten. Anstellung Schauspielschule besucht, wirkte als Schauspielerin in Thea- sie eine Ausbildung zur Dolmetscherin und Übersetzerin für Dauer: 5 Module, 34 Tage, 1 Jahr terstücken und Filmen mit. Abrupt unterbrochen wurde ihr ihre Muttersprachen Tirginya und Amharisch ins Deutsche Ein Buch, das erklären soll Abschluss: Der Lehrgang bereitet auf den bis dahin gutes Leben von der Pflicht, mit 19 Jahren Militär- bei Medios, ein Angebot der Asylorganisation Zürich (AOZ), Aktuell bereitet Meheret von Felten sich auf die eidg. Be- eidg. Fachausweis vor dienst leisten zu müssen. «Ich musste mit der Angst leben, die als Fachorganisation der Stadt Zürich Dienstleistungen rufsprüfung zur Migrationsfachperson vor, die aufgrund der Infos: www.sozialbegleitung.ch jeden Moment erschossen zu werden», erzählt die inzwi- im Migrations- und Integrationsbereich anbietet. Noch heu- Corona-Pandemie im August statt im Frühling stattfindet. schen 42-Jährige. Fünfeinhalb Jahre ihres Lebens verlor sie te arbeitet sie stundenweise als Übersetzerin und Kulturver- Ihren Job im Hort hat sie Anfang 2020 gekündigt, um genug im Krieg und unter Folter im Gefängnis. Danach kamen rund mittlerin für die Organisation. Zeit für die Prüfungsvorbereitung, ihre Familie – zwei Töchter drei Jahre Flucht durch die Sahara, durch den Sudan und mit Meheret von Felten absolvierte zwei Praktika und in und ein Mann – und ihr Buchprojekt zu haben. Halb Biografie, einem überfüllten Boot über das Mittelmeer, bis sie 2004 die beiden erhielt sie den versprochenen Ausbildungsplatz zur halb Fiktion hat Meheret von Felten in ihrer Muttersprache Schweiz erreichte. Es folgte ein beschwerlicher Neustart – Fachfrau Betreuung, Fachrichtung Kinderbetreuung, nicht. über das Leiden der eritreischen Flüchtlinge geschrieben. umso bemerkenswerter, was Meheret von Felten seither er- «Der erneute Zeitverlust machte mich wütend und entfern- Besonders den Schweizerinnen und Schweizern möchte reicht hat. te mich vom Ziel, nicht mehr vom Sozialamt abhängig sein sie erklären, wie das Leben in Eritrea ist und wieso die Men- zu müssen.» Für sich und ihre kleine Tochter mussten 1400 schen flüchten. Für die Veröffentlichung arbeitet sie mit einer Was ihr damals fehlte… Franken pro Monat für Kleider, Essen und Freizeit reichen. Schweizerin mit deutscher Muttersprache zusammen. Im Durchgangszentrum für Flüchtlinge angekommen, Auch eine nächste Weiterbildung – ein Studium in Sozial- konnte Meheret von Felten kein Wort Deutsch, niemand war …gibt sie heute unermüdlich anderen pädagogik – hat Meheret von Felten im Blick. Auf jeden Fall da, der ihre Möglichkeiten aufzeigte und ihre vielen Fragen Schliesslich konnte sie 2011 mit 33 Jahren die verkürzte möchte sie in einem Durchganszentrum oder in einer Fach- beantworten konnte. Sie sprach zwei von über 50 in Eritrea zweijährige Lehre in einer Kita beginnen. Es folgten zahlrei- stelle arbeiten, die Frauen mit Migrationshintergrund unter- und Äthiopien beheimaten Sprachen sowie Englisch und che Kurse, beispielsweise für den Umgang mit verhaltens- stützt: «Es braucht mich dort.» begann intensiv die deutsche Sprache zu lernen. Mit der Er- auffälligen Kindern oder für das Leiten und Gestalten von 16 17
Plan S – Magazin für Sozialberufe Ausgabe 2020 Valentin Hoyos, 26 Jahre alt, Fachmann Betreuung, Fach- richtung Betagtenbetreuung. «Sie können dank unserer Betreuung ihre Schwächen überbrücken» 18 19
Plan S – Magazin für Sozialberufe Ausgabe 2020 «In der Betreuung von Menschen muss man Valentin Hoyos ist Fachmann Betreuung, Fachrichtung Be- alles sofort erledigen, tagtenbetreuung, in einem Alterszentrum in der Stadt Zürich. auf Morgen verschieben geht nicht.» Die Dankbarkeit und Wertschätzung der älteren Menschen sind die Antriebskraft für seine tägliche Arbeit. Sowohl von der eigenen Branche als auch von der Gesellschaft wünscht er sich mehr Anerkennung für seinen anspruchsvollen Beruf. Der 26-jährige Valentin Hoyos gehörte in seinem Valentin Hoyos stört sich daran, dass FaBe und noch jungen Berufsleben schon zu den Schwierigen, FaGe im Betagtenbereich nicht differenzierter wahr- Ersten und Besten. Mit 6 Jahren wanderte seine Fa- genommen und eingesetzt werden. In Bezug auf milie in das Heimatland seines Vaters, Spanien, aus. die Medizinaltechnik hat er als FaBe drei Kompetenz- Mit 14 Jahren kehrte er mit seiner Mutter und seiner unterschiede, darf beispielsweise kein Blut entneh- Schwester zurück in die Schweiz und hatte Mühe, sich men. Damit FaBe im Betagtenbereich ihre Position zu integrieren. Da er zusätzlich noch mit einer Leg- stärken könnten, würde Valentin Hoyos die Einsatz- asthenie, Dyskalkulie und ADHS kämpfte, wurde ein bereiche klarer aufteilen. Sekundarabschluss unmöglich. Er kam im Rahmen eines Integrationsprojekts zu einem Praktikum in einer Potenzial in jungen Menschen erkennen Küche, wo es ihm aber nicht gefiel. Ein Berufsvorbe- Valentin Hoyos ist rückblickend überzeugt, dass er reitungsjahr signalisierte den Wendepunkt in seinem den Sprung in die FaBe-Ausbildung auch direkt nach Leben. Valentin Hoyos erhielt eine Praktikumsstelle dem Berufsvorbereitungsjahr geschafft hätte. «Ich in einem Alterszentrum und konnte 2011 im gleichen bewerte den persönlichen Willen und das Interesse Betrieb die zweijährige neue Ausbildung zum Assis- am Beruf höher als gute Schulnoten.» Er wünscht sich, tenten Gesundheit und Soziales (AGS) absolvieren. dass die Personal- und Ausbildungsverantwortlichen Die Ausbildung war für ihn Segen und Fluch zugleich: in den Betrieben mehr auf dieses Potenzial in den jun- «Es war toll, dass ich zu den Ersten gehörte, die die- gen Leuten eingehen würden. se neue Ausbildung absolvieren durften. Schwierig Valentin Hoyos kann sich gut vorstellen, dass er war aber, dass die Betriebe die neuen Fachkräfte und zu einem späteren Zeitpunkt in eine Weiterbildung ihre Kompetenzen noch nicht einordnen konnten.» Er tet und unterstützt er die betagten Bewohnerinnen investiert, beispielsweise in ein Sozialpädagogik- schrieb über 30 Bewerbungen – ohne Erfolg. und Bewohner in ihrem möglichst selbstbestimmten Studium. Aktuell geniesst er aber seinen finanziellen Alltag. Während am Vormittag eher die Körperpflege Spielraum mit Wohnung, Auto und Motorrad, bereist Aufgeben ist keine Option im Vordergrund steht, geniesst Valentin Hoyos die Europa und spart für einen Camper: «Wild campen in Valentin Hoyos informierte sich über die Ausbildung Spaziergänge, Gespräche und Aktivierungsangebote Schottland, das ist mein Traum.» zum Fachmann Betreuung, weil ihn die psychosozialen mit den Betagten am Nachmittag. «Sie können dank Themen und das Betreuen von Menschen allgemein unserer Betreuung ihre Schwächen überbrücken. interessierte. In Frage kamen die Fachrichtungen Be- Wenn sie zufrieden sind, bin ich es auch.» Die Dank- hinderten- und Betagtenbetreuung. Es klappte mit barkeit für seine Arbeit lassen ihn die Bewohnerinnen einem Ausbildungsplatz in einer Pflegewohnung, und Bewohner oft spüren. Er sieht einen Grund darin, wo er die verkürzte zweijährige Lehre starten konnte. dass die betagten Menschen in der Nachkriegszeit «Leider nahm der Betrieb seine Ausbildungsfunktion bescheiden leben mussten und es die professionel- überhaupt nicht wahr», erzählt der junge Mann, auch le Betreuung in Alterszentrum für ihre Eltern damals Fachmann/-frau Betreuung, nach einigen Jahren noch spürbar frustriert. Ihm wur- noch nicht gab. «Nie vergessen werde ich die alte Fachrichtung Betagtenbetreuung de klar, dass er für das zweite Ausbildungsjahr einen Frau, die mir von ihrem letzten selbständigen Ausflug (Eidg. Fähigkeitszeugnis) anderen Betrieb suchen musste, wenn er erfolgreich in die Migros ein Stück Käse mitbrachte.» abschliessen wollte. Er erinnerte sich an seinen AGS- Ziel: Fachpersonen Betreuung, Fachrichtung Ausbildungsbetrieb, das Alterszentrum Bürgerasyl- Betagtenbetreuung, arbeiten in Alterszen- Pfrundhaus in Zürich. «Mein ehemaliger Vorgesetzter Auf Morgen verschieben geht nicht tren, Pflegeinstitutionen und Alterswohn- war immer zufrieden mit mir und versprach Unterstüt- Organisieren und schnell reagieren können, Ge- gruppen. Sie unterstützen die Menschen zung, sollte ich mal nicht mehr weiterwissen.» Dieser duld und Durchhaltewillen haben, belastbar sein, im Alltag mit dem Ziel, ihre Selbständigkeit hielt Wort. Obwohl der Betrieb nur Fachfrauen/-män- sind für Valentin Hoyos – nebst den psychosozialen und ihr Wohlbefinden zu erhalten. In Zusam- ner Gesundheit (FaGe) ausbildete, nahm die dortige – zentrale Kompetenzen als FaBe. «In der Betreu- menarbeit mit Angehörigen und Bekannten Berufsbildnerin Valentin Hoyos unter ihre Fittiche und ung von Menschen muss man alles sofort erledi- begleiten sie die Menschen auch beim befasste sich intensiv mit den für FaBe spezifischen gen, auf Morgen verschieben geht nicht.» Als FaBe Sterben. Ausbildungsziele. Er schloss 2015 ab und war Jahr- darf er medizinaltechnische Tätigkeiten ausführen Art: Berufliche Grundbildung gangsbester in seiner Fachrichtung Betagtenbetreu- wie Insulin spritzen, Blutzucker messen oder einen Dauer: 2 oder 3 Jahre (je nach Alter und Vor- ung. Wundverband wechseln. Auch das Medikamenten- bildung) Valentin Hoyos wünscht sich, management muss eine FaBe beherrschen. Alles Abschluss: Eidg. Fähigkeitszeugnis Eine dankbare Generation dass die Personal- und Aus- Kompetenzen, die er als AGS noch nicht hatte. Fünf Infos: www.bfs-winterthur.ch und bildungsverantwortlichen in www.oda-soziales-zh.ch Seit fünf Jahren arbeitet Valentin Hoyos im Alters- Jahre nach seinem FaBe-Abschluss schätzt er seine den Betrieben mehr Potenzial zentrum Mathysweg, das wegen eines Neubaus in in den jungen Leuten sehen. Erfahrungen, die ihm ein noch besseres Verständnis Albisrieden im temporären Alterszentrum Triemli ein- für die Bedürfnisse betagter Menschen und solcher gemietet ist. In drei verschiedenen Schichten beglei- mit Demenz ermöglichen. 20 21
Plan S – Magazin für Sozialberufe Ausgabe 2020 «Die Lernenden von heute bilden die Fachkräfte von morgen aus» Aus- und Weiterbildungen sind für das Entwickeln von sozialen und fachlichen Kompetenzen zentral. Eine wichtige Rolle dabei spielen die Betriebe, die ihre Mitarbeitenden nicht nur für die eigenen Zwecke fördern, sondern ihr Engagement als Investition in die Branche mit ihren längerfristig benötigten Fachkräften betrachten. Ein Gespräch mit Ogulcan Karakoyun, Leiter Bildung für die Alterszentren der Stadt Zürich. Als Leiter Bildung koordinieren Sie sämtli- Welche Berufe werden in einem Alterszent- che Aus- und Weiterbildungsthemen in den rum ausgebildet? Stadtzürcher Alterszentren. Wie funktioniert In jedem Bereich, für den wir Mitarbeitende be- dies konkret? schäftigen: Betreuung, Pflege, Aktivierung, Hotellerie Ich habe diese neu geschaffene Funktion – davor (Hauswirtschaft/Gastronomie), Technischer Dienst und war ich Verantwortlicher Berufsbildung – 2019 an- Administration. Insgesamt werden 15 Berufe ausgebil- getreten und habe mittlerweile zwei Mitarbeitende. det (EBA, EFZ und HF). Einer kümmert sich um die Administration sowie das interne Weiterbildungsangebot und die andere ist Wie hat sich der Stellenwert von Aus- und Ansprechperson für die tertiären Pflegeberufe. Für Weiterbildung verändert, seit Ihre Funktion 23 Alterszentren bin ich die übergeordnete Anlauf- geschaffen wurde? stelle, beispielsweise bei schwierigen Lehrverhält- Er ist extrem steil gestiegen und wird es weiter tun nissen. Pro Alterszentrum haben wir eine Person als – auf jeder Stufe und in jedem Berufsfeld. Wir legen Berufsbildungskoordinator/in und in jedem Beruf im den Fokus auch auf die bestehenden Mitarbeiten- Alterszentrum eine/n Berufsbildungsverantwortli- den. Die Lernenden von heute bilden die Fachkräfte che/n. Ich prüfe, ob deren Wissensstand den aktu- von morgen aus. Ein Unternehmen unserer Grösse ellen Anforderungen entspricht. In diesem Zusam- hat auch eine Verantwortung gegenüber der Branche. menhang habe ich auch ein Ausbildungskonzept Wenn wir beispielsweise Assistenten/-innen Gesund- für unsere Mitarbeitenden erarbeitet. Zum Beispiel, heit und Soziales ausbilden, muss unser Ziel sein, sie welche berufserfahrenen Erwachsenen wir bei einem anschliessend in eine EFZ-Ausbildung und HF-Ausbil- Lehrabschluss begleiten können. dung zu begleiten. Jeder Entwicklungsschritt ist wich- tig für unsere Branche, auch vermeintlich kleine. Alterszentren Stadt Zürich Welches Thema beschäftigt Sie gerade? Ab Sommer 2020 wird der Rekrutierungsprozess Wie hat sich das Spezifizieren auf Sozial- und 1150 Mitarbeitende (43 % arbeiten in Gesund- bei den Lernenden digitalisiert und dadurch verein- Gesundheitsberufe auf die Praxis ausgewirkt? heits- und Sozialberufen) und 300 Lernende, facht. Bis anhin hat jedes Zentrum die Lernenden Die professionelle Betreuung hat an Bedeutung Ogulcan Karakoyun (Foto: zVg) Praktikanten/-innen und Studierende in 23 selbst gesucht, inklusive aller damit verbunden ad- gewonnen, weil betagte Menschen oft einsam sind. Alterszentren ministrativen Prozesse. Die Jugendlichen auf der Unsere Berufsbildenden sind beispielsweise angewie- Davon: anderen Seite müssen sich neu nur noch einmal für sen, AGS-Lernende sowohl als FaBe als auch als FaGe 60 Assistenten/-innen Gesundheit und Sozia- eine Lehrstelle in ihrem Wunschberuf bewerben. Der schnuppern lassen zu dürfen. Die Anforderungen sind les (AGS) und weitere Auswahlprozess findet dann aber in den ein- gleich, aber die Aufgaben und Fähigkeiten unterschei- 30 AGS-Lernende zelnen Zentren statt. Zurzeit wird eine einheitliche den sich. In den städtischen Alterszentren heissen sie Einführungs-Checkliste für die ersten Wochen ge- nach der Ausbildung Fachpersonen Gesundheit und 130 Fachpersonen Betreuung und Gesundheit prüft und aufgegleist. Der gemeinsame Starttag für Betreuung. Das Thema FaBe in der Langzeitpflege 14 Lernende Fachfrau/mann Betreuung alle Lehrberufe hat sich bewährt, um den sozialen wird auch immer wieder in unseren internen Fachaus- (FaBe), Fachrichtung Betagtenbetreuung Auftrag für unsere Bewohnerinnen und Bewohner zu tauschen diskutiert. verinnerlichen. www.stadt-zuerich.ch/alterszentren 22 23
24 Bildungswege im Sozialbereich Höhere Berufsbildung Hochschulen HÖHERE FACHPRÜFUNGEN HÖHERE FACHSCHULEN HF FACHHOCHSCHULEN FH UNIVERSITÄT oder ETH (eidg. Diplom) (eidg. Diplom HF) z.B. Soziale Arbeit Diverse Studiengänge • Institutionsleiter/in im • Kindererzieher/in sozialen und sozial- • Sozialpädagoge/in medizinischen Bereich • Leiter/in Arbeitsagogik • Blindenführhunde- • Gemeindeanimator/in instruktor/in • Spezialist/in für die Rehabilitation von blinden und seh- PASSERELLE behinderten Menschen • Supervisor/in-Coach resp. Organisationsberater/in BERUFSPRÜFUNGEN (eidg. Fachausweis) Tertiärstufe • Sozialbegleiter/in • Teamleiter/in in sozialen und sozialmedizinischen Institutionen • Migrationsfachmann/frau Plan S – Magazin für Sozialberufe • Fachmann/frau Langzeit- pflege und -betreuung • Spezialist/in für die Beglei- tung von Menschen mit Beeinträchtigung • Arbeitsagoge/-in* • Fachmann/-frau in Ausgabe 2020 psychiatrischer Pflege und Betreuung* • Job Coach* BERUFSMATURITÄT FACHMATURITÄT GYMNASIALE MATURITÄT EIDG. BERUFSATTEST EIDG. FÄHIGKEITSZEUGNIS FACHMITTELSCHULE MITTELSCHULE Assistent/in Gesundheit Fachmann/frau Betreuung z. B. Soziale Arbeit Sekundarstufe II und Soziales FaBe Berufliche Grundbildung Allgemeinbildende Schulen Obligatorische Schulzeit *Neue Berufe, Prüfungsordnungen voraussichtlich im Herbst 2020 in Kraft Für einige Abschlüsse der Höheren Berufsbildung werden auch branchenfremde EFZ als Grundzulassung akzeptiert. 25
Plan S – Magazin für Sozialberufe Ausgabe 2020 Verein SOZIALBERUFE bke Bildungszentrum Kinderbetreuung OdA Soziales Zürich ZÜRICH Die OdA Soziales Zürich ist der Branchenverband für Berufsbildung im Sozialbereich des Kantons Zürich. Das bke Bildungszentrum Kinderbetreuung ist Sie beteiligt sich an Revisionen und Vernehmlassun- spezialisiert auf Aus- und Weiterbildungen für das gen, die das Berufsfeld von der Grundbildung bis zur gesamte Spektrum der familien- und schulergänzen- Höheren Berufsbildung weiterentwickeln. Es ist nicht immer einfach, sich im grossen Angebot der Aus- und Weiterbildungen den Betreuung. Im Bereich der Grundbildung verantwortet sie die in den Sozialberufen zurechtzufinden. Für mehr Übersicht sorgt der im Herbst Das Angebot umfasst ein Berufsvorbereitungsjahr für Überbetrieblichen Kurse (ÜK) für die Fachfrauen und Praktikantinnen und Praktikanten, die Nachholbildung Fachmänner Betreuung (FaBe) in allen drei Fachrich- 2018 gegründete Verein SOZIALBERUFE ZÜRICH: Unter dieser Dachmarke haben Fachperson Betreuung, Fachrichtung Kinderbetreu- tungen. Für die zweijährige Ausbildung Assistent/in sich vier Bildungsinstitutionen und die OdA Soziales Zürich zusammengefunden. ung, für Erwachsene mit Berufserfahrung sowie eine Gesundheit und Soziales (AGS) ist sie mitverantwortlich. Sie decken das gesamte Spektrum des Berufsfeldes ab - von der Grundbildung breite Palette an pädagogischen und berufsorien- Mit Marketing- und Kommunikationsaktivitäten fördert bis zur höheren Berufsbildung. Der Verein unterstützt die zu eidgenössischen tierten Kursen und Führungsweiterbildungen, die zu die OdA Soziales Zürich die positive Wahrnehmung der eidg. anerkannten Abschlüssen führen. sozialen Berufe in der breiten Öffentlichkeit. Abschlüssen führenden Bildungsangebote und die berufsorientierten Weiterbil- Für die Berufsbildner*innen, Fach- und Führungs- dungsangebote des Berufsfeldes Soziales, zeigt Bildungswege auf und stärkt die personen bietet sie Weiterbildungen und Fachaustau- verschiedenen Profile des Berufsfeldes Soziales. Informieren Sie sich an unserem sche an und berät diese in Bildungsfragen. Stand an der Berufsmesse Zürich und auf www.sozialberufezuerich.ch. Ein Parcours an der Berufsmesse Schule für Agogis Zürich lädt dazu ein, die sozialen Berufe zu entdecken. Sozialbegleitung Agogis ist die in der Deutschschweiz führende Bildungsorganisation für Höhere Berufsbildung und Die Schule für Sozialbegleitung bietet Erwachse- Weiterbildung im Sozialbereich. Im Zentrum stehen nen, die ihr soziales Engagement zum Beruf machen Studiengänge der Höheren Fachschule (Sozialpäd- wollen, und Quereinsteigenden eine fundierte berufs- agogik HF, Kindererziehung HF), Vorbereitungslehr- begleitende und praxisnahe Ausbildung zur Sozialbe- gänge auf Berufsprüfungen und Höhere Fachprüfun- gleiterin/zum Sozialbegleiter mit Zertifikatsabschluss. gen mit eidg. Diplomen (Arbeitsagogik, Teamleitung, Sie werden befähigt, Menschen in schwierigen Spezialist/in für die Begleitung von Menschen mit Lebenssituationen zu begleiten sowie zu Hause, in Beeinträchtigung) sowie berufsorientierte Weiter- der Freizeit oder bei der Arbeit zu unterstützen. Fach- bildungen: Praxisausbildner/in, Berufsbildner/in, Job personen Betreuung (FaBe) und Fachpersonen Coaching, verschiedene Kurse speziell für Angehörige Gesundheit (FaGe) können die dreijährige Ausbil- von Sozialberufen, zu Konzepten und Methoden, zur dung verkürzt absolvieren. Die Ausbildung bereitet Begleitung im Alltag und zur Begleitung in herausfor- auf die Berufsprüfung zum eidg. Fachausweis dernden Situationen. Sozialbegleiterin/Sozialbegleiter vor (Abschluss in der höheren Berufsbildung, Tertiärstufe B). Berufsfachschule Seit 2019 finden an der Schule Lehrgänge für Migrationsfachpersonen zur Vorbereitung auf den eidg. Fachausweis Migrationsfachfrau/-fachmann statt. In Winterthur Ergänzung zur Ausbildung und zum Vorbereitungs- lehrgang bietet die Schule Lehrgänge für Pflegeeltern Als kantonale Berufsfachschule bildet die BFS und andere Weiterbildungen an. Winterthur Lernende aus verschiedenen Berufsfel- dern aus. Nebst anderen Branchen deckt sie auch einen Teil des Berufsfelds Gesundheit und Soziales ab Wir reflektieren (Fachperson Betreuung EFZ – FaBe, Dentalassistent/ Sind Sie in einem sozialen Beruf im Kanton Zürich in EFZ und Assistent/in Gesundheit und Soziales EBA). tätig und stolz darauf? Genial! Gerne schicken wir Als Kompetenzzentrum für die ihr zugewiesenen Be- Ihnen einen reflektierenden Nadel-Button, den Sie an rufsgruppen führt sie – auch in Zusammenarbeit mit einer Tasche oder Jacke befestigen können. privaten Institutionen – Bildungsangebote, die den Bestellung: info@sozialberufezuerich.ch Einstieg ins Berufsfeld erleichtern, der Professiona- lisierung im Berufsfeld dienen oder Qualifikationen über das eigene Berufsfeld hinaus ermöglichen. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit bietet Agogis in den Räumlichkeiten der kantonalen Berufsfachschule Angebote der Stufe HF an. Aktuell sind das Kinder- erziehung HF und Sozialpädagogik HF, wobei Absol- ventinnen und Absolventen der FaBe-Grundbildung die zweijährige Anschluss-HF besuchen; für Querein- steigende wird die dreijährige Regel-HF angeboten. 26 27
Weitere Porträts auf www.sozialberufezuerich.ch Verein SOZIALBERUFE ZÜRICH www.sozialberufezuerich.ch Agogis www.agogis.ch Berufsfachschule Winterthur www.bfs-winterthur.ch bke Bildungszentrum Kinderbetreuung AG www.bke.ch OdA Soziales Zürich www.oda-soziales-zh.ch Schule für Sozialbegleitung www.sozialbegleitung.ch
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