PLANT BASED REVOLUTION #saveclimatenow forfuture - Ebner Stolz

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PLANT BASED REVOLUTION #saveclimatenow forfuture - Ebner Stolz
WHITEPAPER | 04 2022

PLANT BASED
REVOLUTION
CHANCEN ERKENNEN UND NUTZEN

          goveg                      #g o v e gan

                                         an
                                                enow
                                       #saveclimat
                                               forfuture

                               ism
                     #nospecies
                          ghts
                #animalri
                                             #fight

                                                      now

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Editorial                                                             3

PROTEIN-ARENA
Die Vielfalt im Einkaufskorb wächst                                   4

GLOBALE PROTEINVERSORGUNG
Alternative Proteine – neue Säulen der globalen Proteinversorgung?    8

WANDEL IM KONSUMVERHALTEN
Viele Verbraucher justieren ihren Ernährungs­kompass neu             11

PERSPEKTIVEN
Plant Food – ein Massenmarkt entwickelt sich                         14

INVESTITIONEN & WETTBEWERB
Goldgräberstimmung bei Investoren und Herstellern                    18

CHANCEN
Am Boom partizipieren – Ansatzpunkte entlang der
Wertschöpfungskette                                                  22

PRAXISBEISPIELE
Beispiele für Positionierung und Markteintritt ausgewählter
Unternehmen                                                          28

UNTERNEHMERISCHES ENGAGEMENT
Ausgewählte Prüf- und Klärungspunkte für Entscheider                 34

Ebner Stolz                                                          36

Ihre Ansprechpartner                                                 37

Impressum                                                            38
PLANT BASED REVOLUTION #saveclimatenow forfuture - Ebner Stolz
PLANT BASED REVOLUTION

Editorial

Jeder fünfte verkaufte Whopper bei Burger King ist bereits    Agrarkonzerne, aber auch mittelständische Player aus der
vegetarisch und eines Tages werde man mehr pflanzliche        Agrar- und Ernährungsindustrie sind „auf den Zug auf-
Alternativen verkaufen als Fleisch. Vor nicht allzu langer    gesprungen“. Pioniere wie Oatly oder Beyond Meat sind
Zeit hätte man diese Aussagen vermutlich als Aprilscherz      längst global agierende, börsennotierte Konzerne und
abgetan. Dass sie vom Deutschlandchef des zweitgröß-          innovative Start-ups und Grown-ups sammeln immer hö-
ten nationalen Systemgastronomie-Konzerns stammen,            here Summen bei den Investoren ein, um ihr Wachstum
zu dessen Unternehmens-DNA „über offener Flamme               voranzutreiben.
gegrilltes Rindfleisch“ gehört, verdeutlicht anschaulich,
was hier in Bewegung geraten ist.                             Trotz vieler Erfolgsgeschichten und bereits heute beein-
                                                              druckender Marktvolumina darf man sich nicht täuschen
Lange fristeten pflanzenbasierte Ersatzprodukte für tier­i­   lassen: noch ist der Markt für pflanzliche Ersatzpro­
sche Proteine ein Dasein in der Nische. Ihre Existenz war     dukte j­ung. Die gesamte Wertschöpfungskette – von der
nur wenigen bekannt, Sensorik und Geschmack steckten          pflanzlichen Rohstoffbasis und deren Verarbeitung über
noch in den Kinderschuhen und für ihren Erwerb musste         Zusatzstoffe und Rezepturen bis hin zur Herstellung der
man sich in den spezialisierten Lebensmitteleinzelhandel      Endprodukte – ist gerade erst dabei, sich von den Anfor-
begeben. Zahlreiche Start-ups glaubten jedoch an eine         derungen eines Nischenmarktes hin zu einer hoch ska-
größere Zukunft dieser Produkte, überzeugten Investo-         lierten, industriellen Wertschöpfung zu entwickeln. Sie
ren, entwickelten sie weiter, erweiterten ihre Produkt-       formiert sich neu, um den steigenden Anforderungen der
Portfolios und weckten die Neugier und das Interesse von      Verbraucher und des Massenmarktes gerecht zu werden.
immer mehr Verbrauchern. Sie trafen einen immer größer
werdenden Nerv, denn nachhaltige, klimafreundliche und        Insbesondere für Unternehmen aus der Agrar- und Er-
gesunde Ernährung ist, was immer mehr Konsumenten             nährungsindustrie ergeben sich daraus vielfältige Ansatz-
wollen. Insbesondere die jüngeren Generationen der            punkte, Herausforderungen und Chancen entlang der
„Millenials+“ sehen darin angesichts des Klimawandels,        Wertschöpfungskette, sich mit ihren spezifischen Fähig-
Umweltproblemen und den Herausforderungen der in-             keiten in dem Wachstumsmarkt zu positionieren. Zahl-
dustriellen Massentierhaltung einen Teil der Lösung.          reiche Beispiele zeigen, wie Unternehmen dies mit ganz
                                                              unterschiedlichen Ansätzen und Strategien erfolgreich
Durch den zunehmenden Erfolg pflanzlicher Ersatzpro-          umgesetzt haben. Und was es dabei zu beachten gilt.
dukte, die mittlerweile in den Regalen praktisch aller Su-
permärkte und Discounter zu finden sind, einem steilen        Klingt interessant? Dann folgen Sie uns auf dem Streifzug
Nachfragewachstum und ihrem immer offensichtlicher            durch einen Zukunftsmarkt und seine Möglichkeiten. Wir
werdenden Marktpotenzial ist eine ­Goldgräberstimmung         wünschen eine inspirierende Lektüre und freuen uns auf
ausgebrochen. Immer mehr etablierte Food Majors und           den Dialog mit Ihnen.

Christoph Havermann             Thorsten Schweizer            Klaus-Martin Fischer

                                                                                                                     3
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PLANT BASED REVOLUTION – PROTEIN-ARENA

Die Vielfalt im Einkaufskorb wächst

Fleisch, Fisch, Milch, Käse, Eier: Tierische Proteine sind seit langem ein wesent­licher
­Bestandteil der Ernährung. Doch die Konsumgewohnheiten wandeln sich. Pflanzen-
basierte Ersatzprodukte erleben einen regelrechten Boom und bewegen sich mit gro-
ßen Schritten aus ihrer Nische heraus.

Tofu und Tempeh aus fermentiertem Soja, Seitan aus        wurden über viele Generationen hinweg geprägt, da-
Weizengluten oder soja- und mandelbasierte Geträn-        her müssen auch alternative Produkte dort ansetzen,
ke: Solche Ersatzprodukte auf Basis etablierter pflanz-   wo die Verbraucher mit ihren Gewohnheiten und Ge-
licher Proteinrohstoffe stehen bei Vegetariern und        schmacksprofilen heute stehen. Das vegane Schnitzel
Veganern seit langem auf dem Speiseplan. Zumin-           muss also optisch, geschmacklich und hinsichtlich des
dest in der westlichen Welt fristeten sie damit lange     Bissgefühls dem fleischlichen Original entsprechen.
ein ­Nischendasein. Seit einigen Jahren jedoch stehen     Leichter gesagt als getan, denn der Weg dorthin ist eine
pflanzliche Ersatzprodukte der neuesten Generation        Wissenschaft für sich. Auf der Suche nach der perfekten
auch bei „klassischen“ Lebensmittelkunden immer           Imitation wird mit immer neuen pflanzlichen Protein-
höher im Kurs. Sie treffen den Zeitgeist, der auf eine    rohstoffen und deren Kombinationen experimentiert:
pflanzliche, gesunde und möglichst klimafreundliche       Mit Erbsen und Ackerbohnen, Kichererbsen, Lupinen
Ernährung setzt. Pflanzliche Alternativen zu tierischen   aber auch mit Reis, Hafer, Nüssen sowie mit Exoten wie
Produkten geben Kunden beim Kauf das gute Gefühl,         etwa Wasserlinsen oder den als Super Foods bekannten
ethisch, nachhaltig und ökologisch korrekt zu handeln.    Quinoa, Chia, Amaranth und Buchweizen.

Neue Rohstoffe für vertraute Geschmacks-                  Mikroorganismen, Insekten, Proteine aus der Luft
erlebnisse                                                und „zelluläre Landwirtschaft“
Die wachsende Nachfrage nach pflanzenbasierten Er-        Die Erweiterung der Proteinquellen bleibt jedoch
satzprodukten nährt das Angebot: Immer vielfältiger       nicht auf pflanzliche Rohstoffe beschränkt, son-
werden die Produkte aber auch die hierfür verwen-         dern bezieht auch Pilze, Mikroalgen und sogar
dete pflanzliche Protein-Rohstoffbasis. Um die breite     Bakterien mit ein. Diese Mikroorganismen wer-
Masse der Konsumenten zu erreichen, müssen pflanz-        den mittels Fermentation in Bioreaktoren direkt als
liche Alternativen im Vergleich zu tierischen Produkten   Proteinquellen genutzt. Start-ups wie Perfect Day
vertraute Geschmackserlebnisse, Texturen und Zube-        wiederum verwenden gentechnisch veränderte Mik-
reitungsarten bieten. Menschliche Essgewohnheiten         roorganismen zur gezielten Produktion von Proteinen.

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PLANT BASED REVOLUTION #saveclimatenow forfuture - Ebner Stolz
PLANT BASED REVOLUTION – PROTEIN-ARENA

                                                                               Alternativen für Fleisch-,
                                                                               Fisch- und Molkereiprodukte,
                                                                               die auf Basis pflanzlicher
                                                                               Proteine hergestellt werden

   Plant                                                        based
       Plant based meat

                                                   Heute

                                                    In
                                                  Zukunft

                                      Mikro-
Cell based                            organismen                             Insekten

         In Bioreaktoren auf Basis        Proteinbasierte Ersatzpro-           Lebens- oder Futtermittel,
         tierischer Zellen erzeugtes/r    dukte, die mittels (Präzisions-)     die aus insektenbasierten
         Laborfleisch oder -fisch         Fermentation aus Pilzen,             Proteinen oder Ölen
                                          Bakterien oder Mikroalgen            bestehen
                                          gewonnen werden
                                                                                                            5
PLANT BASED REVOLUTION #saveclimatenow forfuture - Ebner Stolz
PLANT BASED REVOLUTION – PROTEIN-ARENA

Durch diese Präzisions-Fermentation entstehen ech-       ­sogenannte „zelluläre Landwirtschaft“. Hierbei wach-
te Milchproteine (Molke & Kasein) ohne Kuh, auch         sen echte, durch Biopsie gewonnene tierische Zellen
„Animal-free Dairy“ genannt. Ebenfalls im Fokus von      von Rind, Geflügel oder auch Fisch mit Hilfe eines Zell-
Ernährungslaboren, aufgrund ihrer positiven ernäh-       kultur-Nährmediums in Bioreaktoren zu „Laborfleisch“
rungsphysiologischen und ökologischen Eigenschaf-        heran (auch „In-vitro-Fleisch“, „Cell Based Meat“, oder
ten: Insektenproteine. Besonders futuristisch wirkt      „Cultured Meat“). Werbewirksame Aussage: Für dieses
der Ansatz des US-amerikanischen Unternehmens            Fleisch stirbt kein Tier.
AirProtein: Inspiriert von NASA-Forschungen arbeitet
das Start-up an einer Fleischalternative auf Basis von   Hypes mit Hürden
aus der Luft gewonnenen Elementen: Kohlenstoffdi-        Animal-free Dairy, Mikroalgen, Laborfleisch: Alle die-
oxid, Sauerstoff und Stickstoff werden mit Hilfe von     se Ansätze und Innovationen liefern Proteine für die
Mikroben in Proteine umgewandelt, daraus entsteht        Herstellung von Lebensmitteln – ohne die negativen
dann das AirProtein-Fleisch. Einen ähn­lichen Ansatz     Effekte aus der Produktion konventioneller tierischer
verfolgt auch das finnische Unternehmen Solar Foods      Proteine. Trotz einer mitunter euphorischen Berichter-
mit seinem „luftbasierten“ Protein Solein. Die bei       stattung mit z.  T. sehr optimistischen Prognosen hin-
weitem größte mediale Aufmerksamkeit unter den           sichtlich der Entwicklung und zukünftigen Bedeutung
zukunftsweisenden Technologien erhält jedoch die         solch innovativer Technologien zeigt ein genauer Blick:

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PLANT BASED REVOLUTION #saveclimatenow forfuture - Ebner Stolz
PLANT BASED REVOLUTION – PROTEIN-ARENA

Vieles davon ist noch Zu-
kunftsmusik. So gibt es bei-
spielsweise beim Laborfleisch
trotz milliardenschwerer In-
vestitionen sowie Jahren der
Forschung und Entwicklung
noch zahlreiche Hürden zu
überwinden.
    Zu den größten technologischen Herausforderungen
    zählt die Formulierung eines effizienten und kosten-
    günstigen Zellkultur-Nährmediums, das frei von tieri-
    schem Material ist. Für diese hochkomplexe Mischung
    aus bis zu 100 verschiedenen Inhaltsstoffen wird heu-
    te meistens noch fetales Kälberserum eingesetzt, das
    nicht nur knapp und sehr teuer ist, sondern durch sei-    WELTERFOLG AUF ERBSEN- UND
    nen Ursprung (getötete Kuhfeten) auch aus ethischen       HAFERBASIS
    Erwägungen heraus ersetzt werden muss. Alternative,
    Kälberserum-freie Lösungen existieren zwar, sind mit      Einige pflanzliche Newcomer hingegen haben
    knapp 400 USD pro Liter jedoch noch sehr teuer –­         sich als alternativer Proteinrohstoff bereits fest
    zumal für die Herstellung von einem Kilo Fleisch zwi-     im Massenmarkt etabliert. So sind beispielsweise
    schen 50 und 350 Liter davon benötigt werden.             Erbsenproteine insbesondere im Produktsegment
                                                              Plant Meat sowie Hafer als Basis für Hafer-Drinks
    Auch die für die Skalierung der Produktion erforderli-    heute in immer mehr Produkten zu finden. Auf
    chen Bio­reaktoren mit Größen von 20.000 Litern oder      diese Rohstoffe setzen auch zwei der weltweit
    mehr sind bis dato noch nicht am Markt verfügbar.         führenden, mittlerweile börsennotierten Herstel-
    Aktuell im Einsatz befindliche Bioreaktoren besitzen      ler pflanzlicher Ersatzprodukte: der US-amerika-
    eine Größe von gerade einmal 10 Litern. Damit ist La-     nische Plant Meat Hersteller BeyondMeat sowie
    borfleisch noch weit von einer industriellen Marktreife   der schwedische Plant Dairy-Spezialist Oatly. Der
    und Massenmarkt-tauglichen Preisen entfernt. Auch         Erfolg von Erbsen und Hafer hat Gründe. Beide
    die Akzeptanzfrage seitens der Verbraucher ist noch       sind in den wichtigen Absatzregionen Europa
    weitgehend offen. Entsprechend ist davon auszuge-         und Nordamerika regional verfügbar, preislich
    hen, dass zellbasierte Produkte vor Ende dieser Dekade    wettbewerbsfähig und es existieren etablierte
    noch keine nennenswerten Marktvolumina im Sinne           Verarbeitungsprozesse. Zudem sind sie gesund,
    eines Massenmarktes erreichen werden. Gleiches gilt       können nachhaltig produziert werden und pro-
    für Animal-free Dairy und Produkte aus Mikroalgen-        fitieren damit von einer hohen Verbraucher-Ak-
    Proteinen.                                                zeptanz.

                                                                                                             7
PLANT BASED REVOLUTION – GLOBALE PROTEINVERSORGUNG

Alternative Proteine – neue Säulen der
globalen Proteinversorgung?

10 Milliarden Menschen ernähren                          sich allein der durchschnittliche Pro-Kopf-Konsum von
Die Versorgung der Weltbevölkerung mit nachhaltig        Fleisch in Brasilien seit 1990 bis heute verdoppelt, in
produzierten Proteinen wird immer mehr zur globalen      China sogar nahezu verdreifacht. Und diese Dynamik
Herausforderung. Dies gilt umso mehr, als dass wach-     ist ungebrochen. Wer ein höheres Einkommen besitzt,
sender Wohlstand insbesondere in den großen Ent-         leistet sich höherwertige Lebensmittel. Hierbei stehen
wicklungs- und Schwellenländern wie China, Indien        insbesondere tierische Proteine wie Fleisch und Fisch in
oder Brasilien den globalen Konsum tierischer Proteine   den Augen der meisten Konsumenten weltweit ganz
auch zukünftig weiter steigern wird. Laut FAO hat        oben im Ranking.

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PLANT BASED REVOLUTION – GLOBALE PROTEINVERSORGUNG

WACHSTUMSPERSPEKTIVE KONVENTIONELLER UND ALTERNATIVER PROTEINPRODUKTE 1

           2020               2030e    (Globaler Konsum in Millionen Tonnen)

                           Konventionelle                                                   Alternative
                          Protein-Produkte                                               Protein-Produkte

                                    574                                                             13

                                                                                                                 65

                                                             708

                   + 23 %                                                      + 400 %
1) Ohne Insekten
Quelle: US Department of Agriculture, Euromonitor, UBS, ING, Good Food Institute, Blue Horizon / BCG, YouGov, FAO, Ebner Stolz Research

                                                                                                                                          9
PLANT BASED REVOLUTION – GLOBALE PROTEINVERSORGUNG

Um die stetig steigende Nachfrage bedienen zu kön-         bis zum Jahr 2030 nur rund 9 % des Volumens tier­ischer
nen, wird die Produktion tierischer Proteine zu Land       Proteine erreichen. Es kommt also mittelfristig nicht zu
und im Wasser stetig ausgebaut – mit allen bekann-         einer Disruption der konventionellen Proteinmärkte.
ten negativen Effekten. Steigender Ressourcenver-
brauch von Land (für Viehhaltung und Futtermittel)         Vielmehr bleiben tierische
und Wasser, Verlust von Biodiversität durch Rodungen
und Futterpflanzen-Monokulturen, klimaschädliche
                                                           ­Pro­teine auf absehbare Zeit ein
Methan-Emissionen der Nutztiere sowie Schadstoffbe-         ­zentraler Pfeiler der mensch-
lastungen von Küsten und Flüssen im Bereich großer
                                                             lichen Proteinversorgung. Sie
Aquakulturen. Aber auch Themen wie Massentierhal-
tung und Tierwohl sowie die negativen gesundheit-            werden jedoch durch einen
lichen Effekte übermäßigen Fleischkonsums werden
                                                             wachsenden Anteil alternativer,
dadurch weiter verschärft.
                                                             insbesondere pflanzlicher Pro­
Natürlich zeigen sich beim Konsum regional auch ge-          teine ergänzt.
genläufige Entwicklungsmuster. Dass sich der durch-
schnittliche Pro-Kopf-Fleischkonsum in der Europäi-
schen Union, vor allem in Frankreich und Deutschland,      Vielfältige Chancen für Unternehmen jeder Art und
seit etwa drei Dekaden rückläufig entwickelt, fällt glo-   Größe
bal jedoch nicht ins Gewicht. Zu gering ist der Effekt     Der noch junge und stark wachsende Plant Food-
angesichts der Entwicklungen in den bevölkerungs-          Markt bietet bereits heute vielfältige Chancen für ein
reichsten Ländern der Welt. Prognosen gehen daher          unternehmerisches Engagement. Dies gilt nicht nur
davon aus, dass der globale Konsum tierischer Protei-      für Start-ups und Plant-Based-Pure-Player, sondern
ne bis 2030 um weitere 23 % wachsen wird, was einer        grundsätzlich auch für Unternehmen aus der Agrar-
durchschnittlichen jährlichen Zunahme von rund 2 %         und Ernährungsindustrie. Dass sich auch konventio-
entspricht.                                                nelle Fleischverarbeiter und Molkereien erfolgreich
                                                           in diesem Segment positionieren können, haben be-
Tierisch oder alternativ? Beides!                          reits zahlreiche Unternehmen mit der Entwicklung
Zwar wächst laut aktuellen Prognosen die weltweit          und Produktion eines eigenen Plant-based-Portfolios
konsumierte Menge pflanzlicher und neuartiger Prote-       bewiesen. Sie zeigen, dass eine Koexistenz zwischen
ine sehr viel schneller als der Konsum konventioneller     tierischem und pflanzlichem Produktportfolio auch
tierischer Proteine, dies geht jedoch von einem deutlich   innerhalb eines Unternehmens kein Widerspruch ist,
kleineren Ausgangsniveau aus. Trotz rasanten Wachs-        sondern funktionieren kann, um an der Wachstums­
tums wird die konsumierte Menge alternativer Proteine      dynamik des Marktes zu partizipieren.

10
PLANT BASED REVOLUTION – WANDEL IM KONSUMVERHALTEN

Viele Verbraucher justieren ihren
Ernährungskompass neu

Im Fokus: Gesundheit, Klima, Ressourcenverbrauch           produktion auf Ressourcen wie Ackerfläche, Wasser
und Tierwohl                                               und Energie sowie auf Umwelt und Klima verglichen
Insbesondere in den westlichen Industrieländern            zur Bilanz der Produktion pflanzlicher Ersatzprodukte
wächst das Problembewusstsein zur industriellen Pro-       eher ungünstiger ausfällt. Auch das Thema „Tierwohl“
duktion tierischer Erzeugnisse. In Wissenschaft, Politik   rückt immer stärker in den Fokus der Öffentlichkeit,
und Gesellschaft besteht weitgehend Konsens darüber,       wobei die bisherige Massentierhaltung zunehmend in
dass die Auswirkungen der konventionellen Fleisch-         Frage gestellt wird.

                                                                                                              11
PLANT BASED REVOLUTION – WANDEL IM KONSUMVERHALTEN

Im Rahmen der Diskussion um Gesundheit und eine                                  auch die Konsumgewohnheiten der Verbraucher ha-
ausgewogene Ernährung werden zudem mögliche                                      ben sich gewandelt. So wird eine ausgewogene Ernäh-
negative gesundheitliche Folgen übermäßigen Fleisch-                             rung mit einem geringeren Anteil tierischer Produkte
konsums regelmäßig thematisiert. Allerdings ist auch                             von immer mehr Verbrauchern als gesund sowie als
der gesundheitliche Mehrwert pflanzlicher Ersatzpro-                             ethisch und ökologisch erstrebenswert gesehen.
dukte immer wieder Gegenstand von Diskussionen.
Etwa bei der Frage, ob hochindustriell verarbeitete                              Zwar steigt der Anteil an Vegetariern und Veganern
pflanzliche Ersatzprodukte mit ihrer z. T. langen Liste                          unter den Verbrauchern wichtiger Ländermärkte, er
an Zusatzstoffen und Aromen im Vergleich zu echtem                               bleibt jedoch insgesamt vergleichsweise gering und
Fleisch und Milch tatsächlich auch einen gesundheitli-                           ist daher nicht die treibende Kraft für den Wandel
chen Mehrwert besitzen.                                                          des Konsumverhaltens. Vielmehr ist es die wachsende
                                                                                 Zahl der „Flexitarier“, die zu einer immer wichtigeren
Im Wandel: das Konsumverhalten der                                               Zielgruppe werden: Menschen, die den Konsum tie-
Verbraucher                                                                      rischer Nahrungsmittel einschränken und stattdessen
Nicht nur die Sicht auf Produktion und Verzehr tieri-                            vermehrt pflanzliche Ersatzprodukte kaufen. D
                                                                                                                             ­ er Eu-
scher Proteine hat sich im Laufe der Jahre geändert,                             romonitor Health and Nutrition Survey von 2020 zeigt,

ANTEIL FLEXITARIER [%]
„Ich schränke meinen Verzehr von tierischen Produkten ein“ 1

                           29 % weltweit
                                                                                                               DEUTSCHLAND
                                            FRANKREICH

                                                                                                                             AUSTRALIEN
                KANADA

                                                           ITALIEN

                                                                         CHINA
                              JAPAN

                                                                                                    USA
                                                                                          UK

             15 %           17 %          24 %           30 %          30 %             34 %       36 %       36 %           45 %

1) Befragung vom Februar 2020 (n = 21.739); jeweilige Zustimmungsrate zur gestellten Frage
Quelle: Euromonitor Health and Nutrition Survey 2020, Presse

12
PLANT BASED REVOLUTION – WANDEL IM KONSUMVERHALTEN

     dass der Flexitarier-Anteil in westlichen Industrie­       rationen, die eine Schlüssel­rolle für den Wandel des
     nationen wie den USA, Deutschland oder UK, aber            Konsumver­
                                                                         haltens spielen. Der Konsum pflanzlicher
     auch in China bereits heute bei rund einem Drittel der     ­Ersatzprodukte ist in ihren Alterskohorten besonders
     repräsentativ befragten Bevölkerung liegt. Die Gründe      weit verbreitet und genießt eine sehr hohe Akzeptanz.
     hierfür spiegeln direkt die Relevanz der neuen „Koordi-
     naten des Ernährungskompasses“ wider: Flexitarier tun      Dies geht soweit, dass für viele
     dies vor allem aus gesundheitlichen Gründen, wobei
     die Corona-Pandemie das Bewusstsein für Gesundheit
                                                                von ihnen konventionell erzeugte
     nochmals forciert hat. Aber auch die Themen Nachhal-       Milch- und Fleischprodukte
     tigkeit und Tierwohl spielen eine wichtige Rolle für die
                                                                gar nicht mehr zum „Relevant
     Änderung ihres Konsumverhaltens.
                                                                Set“ der Ernährungs-Optionen
     Von besonderer Bedeutung: Kaufentscheidungen               gehören.
     der jüngeren Generationen
     Das Kaufverhalten der „Millenials+“, also die nach dem
     Jahr 2000 Geborenen, ist weniger fixiert und „einge-       Wachstumsimpulse durch Weiterentwicklung des
     schliffen“, als das Konsummuster älterer Generationen.     Angebots
     Es gibt eine größere Offenheit für Neues, mehr Experi-     Auch die Weiterentwicklung der Angebots­seite ist ein
     mentierfreude – und damit bessere Chancen für neu­         wichtiger Treiber der Nachfrage. Immer mehr Player aus
     artige Lebensmittel.                                       der Lebensmittelindustrie reagieren auf den Konsum-
                                                                trend. Nicht nur die Anbieter-, auch die Produktvielfalt
Gleichzeitig ist das Problembe-                                 pflanzlicher Alternativen sind dadurch massiv gewach-

wusstsein der jüngeren Gene-                                    sen. Zudem wurde die Produktqualität (Geschmack,
                                                                Textur) durch stetige Weiterentwicklung von Rezep-
rationen i. d. R. ausgeprägter als                              turen und Verarbeitungsprozessen ver­glichen zu den

bei ihren Eltern und Großeltern:                                Anfängen deutlich verbessert, was die Verbraucherak-
                                                                zeptanz für Ersatzprodukte weiter gesteigert hat.
Gesundheit, Klima, Umwelt und
Nachhaltigkeit spielen bei ih-                                  Waren pflanzliche Ersatzprodukte anfangs nur bei spe-
                                                                zialisierten Händlern wie Reformhäusern oder Bioläden
nen eine bedeutende Rolle bei                                   erhältlich, so sind sie mittlerweile praktisch überall im

der Kaufentscheidung.                                           konventionellen Lebens­mitteleinzelhandel und im Dis-
                                                                count gelistet. Dort erreichen sie ein Millionenpublikum.
     Die „Millenials+“ haben verstanden, dass sie stärker       Ergänzt um eine wachsende Verwendung in der (Sys-
     von den negativen Folgen einer konventionellen Pro-        tem-)Gastronomie (z. B. Burger King, McDonalds, Star-
     teinproduktion betroffen sind, auch weil sie länger mit    bucks) und dem Food Service hat sich die Verfügbarkeit
     den Folgen leben müssen, als die Generationen vor          pflanzlicher Ersatzprodukte damit deutlich erhöht und
     ihnen. Es sind daher insbesondere die jüngeren Gene-       so für zusätzliche Wachstums­impulse gesorgt.

                                                                                                                      13
PLANT BASED REVOLUTION – PERSPEKTIVEN

Plant Food – ein Massenmarkt
entwickelt sich

Plant Food weltweit: Wachstumstrend bleibt intakt
Jüngste Kurs-Turbulenzen börsennotierter Plant-Food-                          intakten Wachstumstrend. Die gemittelten globalen
Hersteller wie Oatly oder Beyond Meat sollten nicht                           Wachstumsprognosen bis 2030 zeigen einen durch-
missinterpretiert werden. Der Plant-Food-Trend ist kein                       schnittlich zweistelligen jährlichen Zuwachs auf ein
kurzfristiges Phänomen, das zeigen die Prognosen                              Marktvolumen von rund 136 Md. USD. Plant Dairy und
zahlreicher Analysten. Zwar sind deren Prognosespan-                          Plant Meat sind dabei die mit Abstand größten Markt-
nen für den noch jungen Markt bis Ende dieser Deka-                           segmente mit bereits heute relevanten Marktvolumina
de noch breit gefächert, alle erwarten jedoch einen                           und perspek­tivisch weiterem Wachstumspotenzial.

GLOBALES MARKTVOLUMEN & WACHSTUMSPROGNOSEN FÜR PLANT BASED FOOD
2020–2030E [MILLIARDEN USD]

                                                                         2030e

                                                                                                               195 (Blue Horizon / BCG) 1
                                                                   8%

                                                                                                               162 (Bloomberg Intelligence)
                                                                 8 –1

                                                                                                               143 (Credit Suisse) 2
                                                               GR

                                                                                                               Ø 136
                                                             CA

                                                                                                               104 (Research + Markets)

                                               2020                                                             77 (EY Parthenon) 3
                                                  36

1) Berechnet auf Basis Produkt-Volumen 2030 i. H. v. 65 Mio. t (inkl. Mikroorganismen) multipliziert mit Ø 3 USD Umsatz / kg
2) Best Case-Szenario Plant Milk & Plant Meat
3) Base Case-Szenario
Quelle: Bloomberg Intelligence, Credit Suisse, Research + Markets, Blue Horizon / BCG, EY Parthenon

14
PLANT BASED REVOLUTION – PERSPEKTIVEN

    Plant Dairy: Revolution im Kühlregal                     land mit deutlichem Abstand vor Spanien und Italien
    Im Segment pflanzenbasierter Substitute für Mol-         der europäische Leitmarkt für Plant Dairy-Produkte.
    kereiprodukte (Plant Dairy) sind Ersatzprodukte für      Angezogen von dem Boom engagieren sich mittler-
    Trinkmilch die mit Abstand umsatzstärkste Produktka-     weile zahlreiche europäische Molkereien und globale
    tegorie. Asien, vor allem China, ist aufgrund der Lak-   Food Majors in dem Markt und rufen zum Teil ambi-
    toseintoleranz weiter Teile der Bevölkerung mit einem    tionierte Wachstumsziele aus. Danone beispielsweise
    traditionell hohen Anteil an sojabasierten Getränken     kündigte jüngst eine Verdoppelung seines globalen
    weltweit größter Markt. Aber auch in den USA und         Plant-Dairy-Segmentumsatzes an: von 2,5 Md. EUR im
    Europa vollzieht sich eine „Revolution im Kühlregal“.    Jahr 2020 auf 5 Md. EUR in 2025.
    Sprachen Soja-, Mandel- oder Hafer-Drinks anfangs
    nur wenige Konsumenten an, greifen heute immer           Veganer Käse: Der „heilige Gral“
    mehr Verbraucher zu den pflanzlichen Alternativen,       Und der Plant-Dairy-Markt hat noch mehr „Pfeile im­
    angetrieben durch den Wunsch zu gesünderem,              Köcher“: Neben den dominanten Milchalternativen
    nachhaltigerem Konsum, mehr Tierwohl und in Teilen       sind veganer Joghurt und Eiscreme weitere Produkt­
    auch durch negative Imageeffekte konventioneller         segmente, die sich im Markt etablieren. Als besonders
    Milch. Vor allem haferbasierte Produkte schreiben in     vielversprechend gelten jedoch vegane Käsealterna-
    Europa und in anderen Regionen der Welt eine er-         tiven. Zwar werden aktuelle Produkte auf Basis von
    staunliche Erfolgsgeschichte.                            Nüssen oder Erbsen der komplexen Sensorik und dem
                                                             Geschmack des Originals noch nicht gerecht. Es gibt

In Europa ist Plant Dairy mit                                jedoch zahlreiche Unternehmen – vom Start-up bis
                                                             zum Molkereikonzern – welche die Produktentwick-
einem Marktvolumen von rund                                  lung hier intensiv vorantreiben. Wenn sie Erfolg haben,
2,6 Md. USD (2020) bereits das                               werden die Märkte in westlichen Ländern, allen voran
                                                             Europa, von deutlichen Wachstumsimpulsen aus der
größte Marktsegment inner-                                   veganen „gelben Linie“ profitieren.
halb der „neuen Proteinwelt“.
Auch die Wachstumsperspek­                                   Wettbewerbsintensität und Margendruck
                                                             Neben soliden Wachstumsprognosen ist der Plant-
tive ist vielversprechend:                                   Dairy-Markt jedoch auch durch einige Herausforde-
                                                             rungen charakterisiert. So nimmt die Wettbewerbs-
    Die bis 2030 hochgerechneten Prognosen etablierter       intensität im Segment pflanzlicher Milchalterna­tiven
    Analysehäuser (Euromonitor, Jefferies, RBC Capital       durch niedrige Markteintrittsbarrieren und eine schnell
    Markets) erwarten einen durchschnittlichen Anstieg       wachsende Anzahl von Anbietern und Produkten stetig
    um den Faktor 4 auf etwa 9,7 Md. USD.                    zu. Wettbewerb, Preiserwartungen von LEH, Discount
                                                             und den Verbrauchern, aber auch die zunehmende
    Noch ist dieses Marktvolumen laut den Marktzahlen        Bedeutung von Handelsmarken werden perspektivisch
    von Nielsen für den LEH aufgrund stark divergierender    die in Teilen heute noch erzielten „Premium-Preise“
    Konsummuster in den europäischen Kernmärkten un-         und Margen der Hersteller unter Druck setzen. Dies
    gleich verteilt. Mit einem Marktvolumen von 635 Mio.     gilt umso mehr, als dass aktuell auch die Kosten auf der
    EUR (2020) und damit einem Anteil von rund 30 % der      Rohstoffseite bzw. der vorgelagerten Wertschöpfung
    11 analysierten europäischen Kernmärkte, ist Deutsch-    in der Landwirtschaft z. B. für Treibstoffe, Dünger und

                                                                                                                  15
PLANT BASED REVOLUTION – PERSPEKTIVEN

PROGNOSE GLOBALES WACHSTUM UND MARKTVOLUMEN RELEVANTER MARKTSEGMENTE

Marktvolumen 2030e
[Milliarden USD]

     80

                                                         Plant Dairy 1,3

     60

                                                                                                       Plant Meat 2,3

     40

     20                            Plant Protein
                                   Supplements

                                                   Vegan Dessert

                       Plant Egg                                    Vegan                   Plant Seafood
                                                                   Chocolate                                                        CAGR
                                                                                                                                    Marktvolumen
                                              10 %                               20 %                              30 %             2020–2030e

1) Inkl. sojabasierter Getränke 2) Ohne Tofu, Tempeh und Seitan 3) CAGR auf Basis des arithmetischen Mittels der Prognosewerte
Quelle: Good Food Institute, Euromonitor, Rabobank, Meticulous Research, Barclays, UBS, JP Morgan, Markets & Markets, Bloomberg Intelligence

Saatgut deutlich steigen, was wiederum die pflanz-                             national agierender Konzern geworden; die Anzahl
lichen Proteinrohstoffe verteuert. Themen wie Ska-                             der Anbieter sowie die Produktvielfalt pflanzlicher Flei-
lierung der Produktion, operative Exzellenz und eine                           schersatzprodukte sind international explodiert.
wettbewerbsfähige Kostenstruktur werden daher für
die Hersteller zukünftig an Bedeutung gewinnen.                                Neben den Pionieren von einst haben sich mittlerweile
                                                                               auch zahlreiche klassische mittelständische sowie
Plant Meat: Von der Nische zum Massenmarkt                                     große Fleischverarbeiter und Food Majors im Markt
Jenseits altbekannter Produkte wie Tofu erlebt pflanz-                         positioniert. Auch der Lebensmitteleinzelhandel hat
licher Fleischersatz der neuen Generation einen bei-                           die Chance erkannt. Zur Profilierung der eigenen
spiellosen Boom. Vorangetrieben durch innovative,                              Leistungsfähigkeit, insbesondere auch gegenüber
hoch kapitalisierte Pioniere wie BeyondMeat oder                               jüngeren Konsumenten, setzen praktisch alle Ver-
Impossible Foods hat sich die Produktkategorie, deren                          triebsschienen des europäischen LEHs auf pflanzliche
Kernzielgruppe die weltweit wachsende Anzahl von                               Fleischersatzprodukte. Sie bauen ihre entsprechenden
Flexitariern ist, stark weiterentwickelt. Geschmack, Ge-                       Sortimente im Ultrafrische- und im TK-Bereich deutlich
ruch und Textur – praktisch alle für Konsumenten rele-                         aus. Und die Verbraucher nehmen das Angebot an.
vante Qualitätskriterien wurden stetig verbessert und                          Die junge Produktkategorie ist gerade dabei, sich aus
die Imitation von echten Fleischprodukten optimiert.                           der veganen Nische hin zu einem Massenmarkt zu ent-
Längst ist aus BeyondMeat ein börsennotierter, inter-                          wickeln. Bereits heute hat sich das stetig wachsende

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PLANT BASED REVOLUTION – PERSPEKTIVEN

Angebot als Ergänzung zu klassischen Fleisch- und         Verwendung in Plant-Meat-Produkten der neuen Ge-
Wurstwaren fest im LEH-Regal etabliert. Laut Progno-      neration besonders geeignet sind. Entsprechend hat
sen von Euromonitor und RBC Capital Markets dürfte        sich die Erbse als Proteinrohstoff hier fest etabliert.
sich das europäische Marktvolumen von aktuell 1,6 Md.     Mittlerweile basieren etwa 24 % der im US-Markt ver-
USD (2020) bis 2030 auf durchschnittlich rund 7,5 Md.     kauften, wichtigsten Plant-Meat-Produkte auf Erbsen-
USD nahezu verfünffachen. Damit würde sich Europa         protein bzw. einer Proteinmischung aus Erbsen und
nach den USA und China zur drittgrößten Absatz­region     Kichererbsen. Durch den in Europa traditionell beson-
weltweit entwickeln. Europäischer Retail-Leitmarkt ist    ders kritischen Blick auf Import-Soja erscheint ein noch
mit 502 Mio. EUR kumuliertem Umsatzvolumen (Ok-           höherer Anteil von Erbsenprotein in Plant-Meat-Pro-
tober 2019 bis September 2020) Großbritannien, ge-        dukten hier durchaus plausibel.
folgt von Deutschland mit 357 Mio. EUR. Mit einem
Retail-Umsatzplus im September 2020 gegenüber dem         Herausforderungen auf dem Weg zum
Vorjahreszeitraum von rund 76 % wuchs laut Nielsen        „Mainstream“
zuletzt kein europäischer Markt schneller als Deutsch-    Die Entwicklung des Plant-Meat-Segments in Richtung
land. Dieses exorbitante Wachstum ist jedoch auch vor     Massenmarkt birgt jedoch auch zahlreiche Herausfor-
dem Hintergrund des Corona-Effekts (u. a. geschlosse-     derungen. Sei es durch schwache Ernten oder schlicht
ne Gastronomie) zu sehen.                                 durch fehlende Anbau- oder Verarbeitungskapazitä-
                                                          ten: mangelnde Verfügbarkeit und z. T. hohe Preise re-
Plant Meat Rohstoffbasis: Soja bleibt                     levanter pflanzlicher Proteinrohstoffe bereiten Herstel-
dominant, Erbse holt auf                                  lern vor dem Hintergrund stark wachsender Nachfrage
Die wichtigsten Proteinrohstoffe für Plant Meat-Pro-      immer wieder Schwierigkeiten. Auch der zunehmende
dukte weltweit sind Soja und Weizen. Laut Good Food       Wettbewerb mit einer wachsenden Anzahl von Anbie-
Institut sind sie die Proteinbasis für rund 76 % der 75   tern, Produkten, aber auch Handelsmarken setzt v. a.
umsatzstärksten 2020 im US-Markt verkauften pflanz-       weniger wettbewerbsfähige (Marken-)Hersteller unter
lichen Fleischersatzprodukte. Auch zukünftig werden       Druck.
sie aufgrund ihrer hohen Verfügbarkeit und vergleichs-
weise niedriger Rohstoffkosten ihre global dominante      Auf dem Weg zum Mainstream wachsen zudem die
Position behalten, es kommt jedoch Bewegung in            Anforderungen der Verbraucher in Bezug auf Rezep-
die Rohstoffbasis. Nachhaltigkeit als immer wichtiger     turen, Geschmack und Verfügbarkeit. Auch deren
werdender Konsumententrend wirft ein zunehmend            Preiserwartungen an die in Supermärkten und Dis-
schlechtes Licht auf Soja, das immer noch überwie-        countern gelisteten Produkte werden anspruchsvoller.
gend aus nord- und südamerikanischen „Monokultu-          Dem daraus resultierenden, perspektivisch wachsen-
ren“ nach Europa importiert wird.                         den Druck auf die Margen müssen die Hersteller z. B.
                                                          mit einer starken Marke, die attraktive Produkte und
Der Shooting-Star Erbse hingegen punktet gleich           Neuheiten bietet sowie einer effizienten Supply Chain
in mehreren Kategorien. So gelten Erbsen auch we-         und schlanken Strukturen begegnen. Auch der Fokus
gen des regionalen Anbaus als nachhaltig und sind         auf Bio-Produkte kann, analog zum Markt konventio-
gentechnik- und allergenfrei, was ihr positives Image     neller Proteinprodukte, eine margenträchtige Nische
und eine hohe Verbraucherakzeptanz begründet. Ihr         sein. Nicht zuletzt ist auch davon auszugehen, dass die
Amino­säureprofil ist vergleichbar mit Soja, zudem be-    mitunter exorbitanten Wachstumsraten mit zuneh-
sitzen Erbsen funktionale Eigenschaften, die für die      mender Marktreife perspektivisch abflachen werden.

                                                                                                               17
PLANT BASED REVOLUTION – INVESTITIONEN & WETTBEWERB

Goldgräberstimmung bei Investoren
und Herstellern

Allen Herausforderungen zum Trotz: Die entstehenden Milliardenmärkte mit dynami-
scher Wachstumsperspektive rund um Plant based Food locken immer mehr Unter-
nehmen in den Markt. Es herrscht eine regelrechte Goldgräberstimmung.

Zu Beginn sind es v. a. agile und innovative Start-ups,                 stand beim Kapitalzufluss in die Unternehmen der jun-
die das Marktpotenzial erkannt und mit ihren weiter-                    gen Branche registriert. Die Gesamtsumme aus den Fi-
entwickelten pflanzlichen Ersatzprodukten neuester                      nanzierungsrunden des Vorjahres wurde um mehr als
Generation einen Verbrauchernerv getroffen haben.                       das Dreifache übertroffen. Knapp 75 % dieses „Geld­
Glänzende Perspektiven sehen auch führende Risiko-                      regens“ entfielen auf lediglich fünf Unternehmen, die
kapital-Geber wie Sequoia Capital, Google Ventures                      sich größtenteils Finanzierungssummen im dreistelli-
oder Blue Horizon Ventures sowie potente Investo-                       gen Millionenbereich sichern konnten. Der US-ameri-
ren à la Bill Gates und Jeff Bezos. Sie platzieren „große               kanische Plant-Meat-Pionier Impossible Foods sicherte
Wetten“ auf innovative Start-ups weltweit. Die dabei                    sich mit rund 700 Mio. USD den Löwen­anteil. Auch
investierten Summen erreichen immer neue Rekorde.                       LIVEKINDLEY sowie die Plant-Dairy-Spezi­alisten Oatly
So wurde 2020 mit rund 2,1 Md. USD erneut ein Höchst-                   und Califia Farms gehören in diese Spitzengruppe.

ENTWICKLUNG FUNDING-VOLUMEN FÜR PLANT-BASED-UNTERNEHMEN 1 [MILLIONEN USD]
UND ANZAHL DER TRANSAKTIONEN

       Anzahl Transaktionen 2             Funding-Volumen
                                                                                                                170

                                                                                                               2.146

                                                                  25
                     4

                                                                  298
                    20
                  2010                                           2015                                          2020

1) Unternehmen aus den Segmenten Plant Meat, Plant Dairy und Plant Egg 2) Anzahl Transaktionen inkl. Unternehmen aus den Segmenten
„Cell based meat“ und „Fermentierte Proteine“ Quelle: Good Food Institute, PitchBook

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PLANT BASED REVOLUTION – INVESTITIONEN & WETTBEWERB

„Wir werden unsere Range an
vegetarischen Fleischersatzprodukten
weiter deutlich ausbauen.“
Heike Miéville-Müller, Director Business Unit Garden Gourmet (Nestlé), Oktober 2021

 „Alternative Proteinprodukte laufen
gut und kommen hervorragend im
Markt an.“
Florian Schattenmann, CTO und Vice President for Innovation and Research & Development bei Cargill, September 2020

„Wir sehen seit ein, zwei Jahren einen
Paradigmenwechsel. Der Markt ist
aktuell mitten in einer Übergangs-
phase: raus aus der veganen Nische
und rein in den Massenmarkt.“
Marcus Keitzer, Vorstand für alternative Proteinquellen PHW-Gruppe, Februar 2020

                                                                                                               19
PLANT BASED REVOLUTION – INVESTITIONEN & WETTBEWERB

„Jedes fünfte Danone-Produkt in
Deutschland wird bis 2025 pflanz-
lich sein.“
Richard Trechmann, Deutschlandchef Danone, April 2021

„Innovation im Bereich pflanzlicher
Milchalternativen ist von enormer
strategischer Bedeutung für unser
Produktportfolio.“
Mark Schneider, CEO Nestle, September 2020

„Das ist keine Mode, das ist
ein Trend, den man nicht einfach
ignorieren kann“
Andreas Schneider, Geschäftsführer Schwarzwaldmilch, Dezember 2019

20
PLANT BASED REVOLUTION – INVESTITIONEN & WETTBEWERB

Wie ein Seismograf verdeutlicht der massive Anstieg        nur immer mehr pflanzenbasierte Produkte innovati-
von Transaktionen und Funding-Volumina die steigen-        ver Markenhersteller in ihre Sortimente ein, sondern
den Erwartungen an die Zukunftsaussichten dieses           platzieren auch zunehmend ihre eigenen Handels-
Marktes.                                                   marken, vor allem in den Segmenten Plant Meat und
                                                           Plant Dairy. Bekannte Beispiele aus Deutschland sind
Dass auch Staatsfonds, wie z. B. Temasek aus Singa-        die Veggie-Burger von Aldi und Lidl sowie die Hafer-
pur, mittlerweile in den Plant-based-Markt investieren,    Drinks von REWE, Edeka und der Drogeriekette dm. Bei
zeigt nicht nur dessen aus Investoren-Sicht hohe At-       Hafer-Drinks liegt der geschätzte Marktanteil von Han-
traktivität. Es unterstreicht auch das wachsende Inter­    delsmarken im deutschen Lebensmitteleinzelhandel
esse eher konservativerer, institutioneller Investoren     mittlerweile zwischen 20 und 30 % – mit weiter stei-
an klimafreundlichen Investments sowie die insgesamt       gender Tendenz. Ihre niedrigeren Preise setzen Mar-
steigende Bedeutung von Nachhaltigkeitskriterien bei       kenprodukte, die heute vielfach noch ein deutliches
den Investitionsstrategien weltweit führender Kapital-     Preis-Premium erzielen, unter Druck und tragen damit
geber.                                                     zur Intensivierung des Wettbewerbs bei. Die stetig
                                                           wachsende Anzahl von Anbietern pflanzlicher Ersatz-
Auch immer mehr multinationale Nahrungsmittelkon-          produkte verstärkt dies noch.
zerne sowie mittelständische Hersteller konventionel-
ler Fleisch- und Molkereiprodukte positionieren sich in    Es formiert sich eine immer diversifiziertere Wettbe-
dem Markt. Etablierte Top Player der Agrar- und Ernäh-     werbsarena aus etablierten Plant Based Pure Playern,
rungsindustrie sind von den hervorragenden Markt-          Start-ups, multinationalen Nahrungsmittel- und Agrar-
perspektiven pflanzlicher Ersatzprodukte überzeugt.        konzernen sowie zunehmend auch klassischen mittel-
                                                           ständischen sowie großen „Fleischadressen“ und Mol-
Als strategische Investoren partizipieren sie an dem       kereien. Eine Analyse des Good Food Institute kommt
Zukunftsmarkt, indem sie sich direkt oder über eigene      für 2020 weltweit bereits auf mehr als 800 Unterneh-
Venture-Kapital-Gesellschaften an innovativen Start-       men und Marken, die entweder primär auf pflanzliche
ups beteiligen. Andere, wie Nestlé, Danone, Tyson          Lebensmittel, die tierische Produkte direkt ersetzen,
Foods oder Cargill, haben ihr Geschäftsmodell darauf-      ausgerichtet sind oder aber einen Geschäftsbereich
hin justiert und steigen mit eigenen, in Teilen auch zu-   bzw. eine Produktlinie besitzen, die solche Produkte
gekauften Produktangeboten, direkt in den Markt ein.       fokussiert. Was all diese Akteure vereint: die hohen Er-
                                                           wartungen an die Märkte für Plant Based Food und die
Das Marktpotenzial wollen längst auch die großen Le-       damit verbundenen Chancen, neue Wachstums- und
bensmitteleinzelhändler ausschöpfen. Sie listen nicht      Erlösquellen zu erschließen.

                                                                                                                21
PLANT BASED REVOLUTION – CHANCEN

Am Boom partizipieren – Ansatzpunkte
entlang der Wertschöpfungskette

Die Konsumgewohnheiten wandeln sich. Und die Lebensmittelindustrie reagiert auf
den Trend. Die Anzahl der Anbieter und die Produktvielfalt pflanzlicher Ersatzprodukte­
sind förmlich explodiert. Über ihre Listung in LEH und Discount erreichen sie heute ein
­Millionenpublikum. Längst haben sich veganer Fleischersatz und Molkereiprodukte
fest im Regal etabliert und zeigen seit Jahren dynamisch wachsende Umsätze. Und
ein Ende des Booms ist nicht in Sicht. Sie sind auf dem Weg von der Nische zum Milli-
ardenmarkt.

Eine Wertschöpfungskette formiert sich neu
Nicht nur in den Regalen vollzieht sich dieser Wandel.   rungsgrad der Akteure. Die Produktion pflanzlicher Er-
Gepusht durch boomende Nachfrage und Milliarden­         satzprodukte hingegen erfolgte bisher überwiegend
investitionen ist die gesamte Wertschöpfungskette –      in den Mengen eines Nischenmarktes. Die Wertschöp-
von der pflanzlichen Rohstoffbasis und deren Verar-      fungskette für eine hoch skalierte, industrielle Massen-
beitung über Zusatzstoffe und Rezepturen bis hin zur     produktion ist gerade erst dabei sich zu entwickeln.
Herstellung der Endprodukte – in Bewegung und for-       Zwar hat dieser Prozess in den letzten Jahren enorm an
miert sich neu. Es gilt der Nische zu entwachsen, um     Tempo gewonnen, durch das frühe Entwicklungsstadi-
den steigenden Anforderungen der Verbraucher und         um ist das weitere Entwicklungs- und Optimierungspo-
des Massenmarktes gerecht zu werden.                     tenzial entlang der Wertschöpfungskette jedoch noch
                                                         groß. Gerade dies birgt für Unternehmen aus der Ag-
Die industriellen Wertschöpfungsketten tierischer Pro-   rar- und Ernährungsindustrie vielfältige Ansatzpunkte
dukte konnten über Generationen hinweg entwickelt        und Chancen, sich mit ihren spezifischen Kompetenzen
und optimiert werden. Sie sind charakterisiert durch     und Ressourcen in dem attraktiven Wachstumsmarkt
höchste Effizienz und einen sehr hohen Spezialisie-      zu positionieren.

22
PLANT BASED REVOLUTION – CHANCEN

  WERTSCHÖPFUNGSKETTEN PLANT MEAT UND PLANT MILK
  (VEREINFACHTE DARSTELLUNG)

                                                                                                                           1

                                                                      Plant meat          Saatgut (Soja, Erbse,…)
                                                                                                                                                          R

                                                                                                                                                          oh
                                                                      Plant milk 1             Saatgut Hafer                   R oh w

                                                                                                                                                          wa
                                                                                                                                     ar

                                                                                                                                                            ren
                                                                                                                                      en

                                                                                                                                                               anbau und -bes
                                                                                                                                         anbau und -bes
                                                                 4                         3                   2
                                                                                                                               ch

                                                                                                                                                                             c
                                                                                                                                 aff

                                                                                                                                                                               h
                                                                                                                                    ung

                                                                                                                                                                                 aff
                                                      Funktionale Ingredients              Erstverarbeitung Hafer
                                                                                           Erstverarbeitung Hafer

                                                                                                                                                                                     un
                                                                                                                                                                                       g
                       te
                  uk

                                              dukte   Funktionale Ingredients        Protein-Extraktion && Texturierung
                                                                                                            Texturierung
               od

                                                                                     Protein-Extraktion
                                         ro
            dpr

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                       Produktion E

                                                 5
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                                      Rezep            Marketing & Vertrieb
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                                                       Marketing & Vertrieb

   1) Am Beispiel von Hafer-Drinks
   Quelle: Ebner Stolz

                                                                                                                                                                                           23
PLANT BASED REVOLUTION – CHANCEN

             Pflanzliche Rohstoffbasis                       nationalen ­Eiweißstrategie hat die Politik hier bereits
         1
             Wichtige Proteinrohstoffe, wie Soja oder Erb-   erste Schritte unternommen. Insbesondere die neue
    sen, werden in Europa bis heute überwiegend als Fut-     Bundesregierung zeigt sich in ihrem Koalitionsvertrag
    termittel angebaut. Ihre Optimierung für eine Verwen-    entschlossen, die Attraktivität des Anbaus von Legumi-
    dung in pflanzenbasierten Lebensmitteln steht noch       nosen durch die Weiterentwicklung der nationalen Ei-
    am Anfang. Entsprechend eröffnet ein Vorantreiben        weißpflanzenstrategie zu erhöhen, um die Eiweißver-
    des Züchtungsfortschritts wichtiger proteinliefernder    sorgung aus heimischer Produktion zu steigern. Neben
    Kulturen Chancen für Saatgutzüchter. Deren mög­          finanzieller Förderung der Leguminosen-Forschung zur
    liche Ansatzpunkte sind vielfältig: von höheren Erträ-   Vergrößerung des pflanzenbaulichen Know-hows ist
    gen und Proteingehalten über eine Optimierung der        dabei vor allem die monetäre Förderung einer um Legu-
    Widerstandsfähigkeit gegen Witterungseinflüsse und       minosen diversifizierten Fruchtfolge mit ihren positiven
    Schädlinge, bis hin zur Verbesserung des Geschmacks­     Umweltwirkungen (Steigerung Biodiversität, Verrin-
    profils der Proteinpflanzen. So wird zum Beispiel das    gerung Düngemittel- und Pestizideinsatz) ein wich-
    Potenzial für die züchterische Steigerung des Protein-   tiger Hebel in Richtung Landwirte. Auch langfristige
    gehalts bei Erbsen als sehr hoch eingestuft.             Abnahmeverträge und Preisgarantien für die Erzeu-
                                                             ger können gezielte Anreize setzen, um den Anbau

Auch die Verfügbarkeit immer                                 protein­liefernder Kulturen zu forcieren.

größerer Mengen pflanzlicher                                 Der Agrarhandel besitzt mit seiner Schnittstellenfunk-

Proteinrohstoffe ist angesichts                              tion in diesem Teil der Wertschöpfungskette zahlreiche
                                                             relevante Anknüpfungspunkte: direkter Zugang zu Er-
der boomenden Nachfrage von                                  zeugern, umfangreiches pflanzenbauliches Know-how,
hoher Relevanz.                                              Kapazitäten bei Erfassung, Lagerung und Logistik ag-
                                                             rarischer Rohstoffe sowie Erfahrung mit deren Handel
    Hierbei spielen die Weiterentwicklung und Professio-     und Vertrieb an industrielle Weiterverarbeiter.
    nalisierung des Pflanzenbaus eine zentrale Rolle. Über
    Forschungsprojekte und Anbauversuche muss ermit-                Verarbeitung/Fraktionierung der Rohwaren
                                                              2
    telt werden, welche proteinliefernden Feldfrüchte               Die Extraktion und Anreicherung pflanzlicher
    in Europa und auch in Deutschland ertragsstark und       Proteine ist ein zentraler Prozessschritt in der Wert-
    wettbewerbsfähig angebaut werden können und wie          schöpfungskette für pflanzliche Ersatzprodukte. Die
    sich deren Anbau weiter optimieren lässt. Zudem muss     dabei gewonnenen Proteinkonzentrate und -isolate
    Erzeugern das notwendige pflanzenbauliche Know-          sind das Schlüssel-Ingredient zahlreicher Produkt­typen
    how vermittelt werden.                                   - von Plant Meat und Plant Seafood über vegane Nah-
                                                             rungsergänzungsmittel, wie Proteinpulver, Protein-
    Der Anbau von proteinliefernden Kulturen muss sich       Snacks und Ready-to-Drink-Produkten bis hin zu vega-
    für die Erzeuger auch wirtschaftlich rechnen. Nur dann   nen Desserts und Plant-Dairy-Produkten.
    werden sie die notwendigen Investitionen in größere
    Anbauflächen, Produktionsmengen und -technik wa-         Mit schnell wachsender, groß-
    gen. Hierfür braucht es eine mehrjährige Planungs-
    sicherheit. Die entsteht durch die richtigen Anreize
                                                             volumiger Nachfrage wird die
    und Rahmenbedingungen. Mit dem Entwurf einer             Skalierung der Protein-Extraktion
    24
PLANT BASED REVOLUTION – CHANCEN

und die weitere Optimierung                                    der Lebensmittel-, Pharma- oder Pet Food-Industrie.

der Extraktions-Prozesse sowohl                                Auch F&E-Kompetenz zur Erschließung gänzlich neu-
                                                               er Einsatzspektren für anfallende Koppelprodukte ist
für die Erhöhung des Outputs                                   relevant, da diese insbesondere bei neueren protein-

als auch zur Verbesserung der                                  liefernden Rohstoffen (z. B. Erbse, Ackerbohne) heute
                                                               i. d. R. noch begrenzt sind.
Kosteneffizienz zu einem er-
folgskritischen Faktor für die                                 Insbesondere für diejenigen Unternehmen aus der Ag-
                                                               rar- und Lebensmittelindustrie, die über Ressourcen
Entwicklung von der Nische zum                                 und Kompetenzen bei der industriellen Verarbeitung

Massenmarkt.                                                   agrarischer Rohstoffe, der Verwertung anfallender
                                                               Koppelprodukte sowie über F&E- und Anwendungs-
    Gerade bei den immer beliebteren Erbsen gelten feh-        Know-how für Ingredients verfügen, ergeben sich in
    lende Verarbeitungskapazitäten zur Produktion ange-        der Proteinproduktion vielfältige Chancen und Ansatz-
    reicherter Erbsenproteine mittelfristig als ein wesent­    punkte.
    licher „Flaschenhals“.
                                                                 3    Extrusion/Texturierung
    Die Gewinnung von Proteinisolaten mit einem Pro-
    teingehalt von bis zu 90 %, z. B. für den Einsatz in hö-
    herwertigen Fleischersatzprodukten mittels der sog.
                                                               Durch den Prozess der thermo-
    Nassfraktionierung, ist ein komplexer Prozess: Er ist      plastischen Extrusion entstehen
    wasser- und energieintensiv, benötigt Chemikalien
    und erfordert umfangreiches Know-how sowie die Be-
                                                               aus protein­haltigen Mischungen
    herrschung vielfältiger Prozess-Parameter. Neben dem       sog. Texturate mit einer fleisch­
    reinen Aufbau von Verarbeitungskapazitäten zielen
                                                               ähnlichen Struktur. Sie bilden die
    Optimierungen v. a. auf die Steigerung der Protein-
    ausbeute, die Qualitätsverbesserung der Proteine (z. B.    Grundlage praktisch aller pflanz-
    Reduzierung des bitteren Eigengeschmacks bei Erbsen
                                                               lichen Fleischersatz­produkte.
    und Bohnen), aber auch auf die Reduzierung des Che-
    mikalien- und Wasser­
                        bedarfs. Prozess-Innovationen          Mittels der bereits in den 1960er Jahren eingeführten,
    zur Verbesserung der Proteinausbeute gelten z. B. bei      heute weit verbreiteten „Low-Moisture-Extrusion“ im
    der Erbsenverarbeitung als ein wichtiger Stellhebel zur    Einwellenextruder werden kleinteilige Texturate in
    Erhöhung der verfügbaren Proteinmengen.                    Form von Granulat, Flocken oder Streusel produziert.
                                                               Sie kommen v. a. in pflanzlichen Fleischersatzproduk-
    Damit ein Verarbeitungskonzept erfolgreich wird,           ten wie Würstchen, Burger-Patties, Fleischbällchen,
    müssen zudem die beim Extraktionsprozess anfallen-         aber auch als sog. Fleisch-Extender zum Einsatz. Mit
    den Koppelprodukte wie Stärke und Fasern werthaltig        der moderneren, weit weniger verbreiteten „High-
    verwertet werden. Hierfür braucht es neben der Tech-       Moisture-Extrusion“ im Doppelwellenextruder werden
    nologie und dem Know-how für deren Aufbereitung            größere strukturierte pflanzliche Proteine in Form von
    und Veredelung ein gutes Verständnis über mögli-           sog. Fetzen oder Scheiben hergestellt. D
                                                                                                      ­ iese imitie-
    che Anwendungsbereiche und Absatzmärkte, z. B. in          ren Struktur und Textur von konventionellem Fleisch

                                                                                                                   25
PLANT BASED REVOLUTION – CHANCEN

    noch überzeugender, kommen bis dato jedoch erst             durchschnittlichen jährlichen Kapazität von 30.000 t
    in wenigen, hochwertigen pflanzlichen Fleischersatz-        ­strukturierter pflanzlicher Proteine bzw. Texturate be-
    produkten, wie z. B. von BeyondMeat oder denen des          nötigt, um den bis dahin erwarteten Bedarf des globa-
    erfolgreichen Schweizer Start-ups Planted Foods zum         len Plant-Meat-Marktes decken zu können. Der Kapi-
    Einsatz.                                                    talbedarf für Aufbau und Betrieb dieser Kapazitäten
                                                                wird auf rund 27 Md. USD geschätzt.
    Bei diesem komplexen Verarbeitungsschritt, der häu-
    fig direkt durch die Proteinhersteller erfolgt, muss eine   Auch wenn diese Schätzung explizit nur als Nähe-
    Vielzahl von Prozess-Parametern (Druck, Temperatur,         rungswert zu verstehen ist, so wird doch deutlich, dass
    Feuchtegrad etc.) beherrscht und optimal aufeinan-          der perspektivische Bedarf an Extrusionskapazitäten
    der abgestimmt werden. Doch nicht nur der Extrusi-          im globalen Markt enorm groß ist. Dies eröffnet Chan-
    onsprozess selbst ist komplex. Bereits die Komposition      cen für Unternehmen, die z. B. aus ihrem Kerngeschäft
    der Ausgangsmischung ist eine Wissenschaft für sich.        bereits über Extrusions-Kompetenz verfügen, wie etwa
    Sie beinhaltet i. d. R. verschiedene pflanzliche Protein­   Snackhersteller oder Cerealien-Spezialisten sowie
    typen, Bestandteile wie Stärke und Fasern sowie weite-      Mühlen oder Hersteller von Frühstückscerealien.
    re Zusatzstoffe. Neben den Prozess-Parametern ist die
    Rezeptur das Schlüssel-Know-how der Hersteller.                    Aromen, funktionale Zusatzstoffe &
                                                                 4
                                                                       Ingredient-Systeme
                                                                Neben der passenden Proteinbasis brauchen pflanz-
Durch stark wachsende Nach-                                     liche Ersatzprodukte die optimale Sensorik bei Ge-
frage und zunehmende Pro-                                       schmack, Textur und Farbe. Dafür werden in diesen
                                                                hochverarbeiteten Lebensmitteln zahlreiche funktio-
duktvielfalt pflanzlicher Flei-                                 nale Zusatzstoffe eingesetzt. Die lange Liste beinhaltet
schersatzprodukte wird die                                      bei Fleischersatzprodukten neben Geschmacks-, Aro-
                                                                ma- und Farbstoffen auch Texturgeber, Stabilisatoren
Verfügbarkeit kostengünstiger                                   und Bindemittel; bei Hafer-Drinks kommen Enzyme für
und für spezifische Produkte                                    die Aufspaltung der Haferstärke sowie Öle, Fette und

optimierter Texturate in großen                                 z. T. auch Vitamin- und Mineralzusätze zum Einsatz.

Mengen immer wichtiger.                                         Längst haben sich hier große, international agierende
                                                                Ingredients-Hersteller wie ADM oder Kerry sowie Her-
    Doch die zur Verfügung stehenden Extrusionskapa­            steller von Duft- und Geschmacksstoffen wie Symrise,
    zitäten sind begrenzt. Jüngsten Schätzungen des             IFF oder Firmenich als Lieferanten im Markt positio-
    Good Food Instituts zufolge werden bis 2030 welt-           niert. Aber auch mittelständische Ingredient-Spezia-
    weit mindestens 810 Produktionsstandorte mit einer          listen wie Döhler oder die zur Stern-Wywiol Gruppe

    26
PLANT BASED REVOLUTION – CHANCEN

    gehörende Planteneers haben ihr Know-how genutzt,
                                                               Doch auch immer mehr mittel-
    um mit speziell auf die Bedürfnisse des Plant based-
    Marktes zugeschnittenen Produktangeboten an dem            ständische Player aus der Ernäh-
    Wachstumsmarkt zu partizipieren.                           rungsindustrie haben erkannt,
                                                               dass sie Ressourcen und Kompe-
Die Nachfrage nach Innova­                                     tenzen aus ihrem Kerngeschäft
tionen ist groß. Dies liegt auch                               auch für die Produktion und
daran, dass die lange Liste                                    Vermarktung pflanzlicher Ersatz-
an Zusatzstoffen in direktem                                   produkte nutzen können.
­Gegensatz zum gesunden Image
 von pflanzenbasierten Produk-                                 Etablierte Fleischverarbeiter, Molkereien oder Cerea­

 ten und zu Verbrauchertrends                                  lien-Hersteller können i. d. R. direkt auf einen großen
                                                               Teil bereits vorhandener Ressourcen und Kompetenzen
 wie Clean Label steht.                                        aufbauen und müssen diese nicht, wie z. B. Start-ups,
                                                               erst langwierig entwickeln. Hierzu zählen vorhande-
    Innovationen zielen aber nicht nur auf eine Reduzie-       ne F&E-Kapazitäten sowie Erfahrung und Know-how
    rung der Zusatzstoff-Komplexität und Substitution          in der Produktentwicklung, die auch für Entwicklung
    künstlicher Zusatzstoffe: Es geht immer auch um die        von Plant-Meat- oder Plant-Dairy-Produkten genutzt
    Optimierung von Geschmack, Textur und Nährwert, so-        werden können. Auch bestehende Fähigkeiten in der
    wie die Entwicklung individuell auf die Kundenbedürf-      Verarbeitung spezifischer Proteinrohstoffe, wie z. B.
    nisse zugeschnittener Inhaltsstoffe. Hierzu gehört auch    Hafer, kommen zur Anwendung: So produzieren heute
    die Entwicklung sog. Ingredient-Systeme, mit deren         zum Beispiel einige Cerealien-Herstellern nicht nur ihre
    Hilfe sich Kunden schnell und einfach eine Rezeptur        klassischen Hafer-Müslis sondern auch eigene Hafer-
    „wie aus dem Baukasten“ modular zusammenstellen            Drinks. Hierbei müssen nicht immer nur die fertigen
    können. Dies erleichtert den Markteintritt neuer Player    Endprodukte vermarktet werden. Auch Hafer-Drink-
    erheblich, da die ansonsten kosten- und zeitaufwän-        Konzentrate können als Halbfertigprodukte an indus-
    dige Eigenformulierung ganzer Rezepturen hierdurch         trielle Weiterverarbeiter verkauft werden, die daraus
    wesentlich vereinfacht wird.                               schnell und einfach eigene Hafer-Drinks herstellen
                                                               können.
           Herstellung und Vermarktung End-
      5
           produkte                                            Ein weiteres „Pfund“ vieler Unternehmen sind deren
    Nachdem die Entwicklung und Produktion von Plant-          Produktionsanlagen, die oft auch für die Produktion
    Based-Endprodukten lange von den Pionieren domi­           pflanzlicher Ersatzprodukte eingesetzt werden kön-
    niert wurde, haben immer mehr Food Majors den              nen. Gleiches gilt für das Vertriebsnetzwerk zu Kunden
    Markt für sich entdeckt und massiv investiert: in Zukäu-   aus LEH und Food Service. Auch das Renommee bereits
    fe, Produktionskapazitäten, Marken, Produktinnovati-       im Markt etablierter Marken sowie Erfahrungen in
    onen und -portfolios sowie Vermarktung.                    Markenaufbau und -führung zählen hierzu.

                                                                                                                    27
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