PLANT BASED REVOLUTION #saveclimatenow forfuture - Ebner Stolz
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
WHITEPAPER | 04 2022 PLANT BASED REVOLUTION CHANCEN ERKENNEN UND NUTZEN goveg #g o v e gan an enow #saveclimat forfuture ism #nospecies ghts #animalri #fight now now co
Editorial 3 PROTEIN-ARENA Die Vielfalt im Einkaufskorb wächst 4 GLOBALE PROTEINVERSORGUNG Alternative Proteine – neue Säulen der globalen Proteinversorgung? 8 WANDEL IM KONSUMVERHALTEN Viele Verbraucher justieren ihren Ernährungskompass neu 11 PERSPEKTIVEN Plant Food – ein Massenmarkt entwickelt sich 14 INVESTITIONEN & WETTBEWERB Goldgräberstimmung bei Investoren und Herstellern 18 CHANCEN Am Boom partizipieren – Ansatzpunkte entlang der Wertschöpfungskette 22 PRAXISBEISPIELE Beispiele für Positionierung und Markteintritt ausgewählter Unternehmen 28 UNTERNEHMERISCHES ENGAGEMENT Ausgewählte Prüf- und Klärungspunkte für Entscheider 34 Ebner Stolz 36 Ihre Ansprechpartner 37 Impressum 38
PLANT BASED REVOLUTION Editorial Jeder fünfte verkaufte Whopper bei Burger King ist bereits Agrarkonzerne, aber auch mittelständische Player aus der vegetarisch und eines Tages werde man mehr pflanzliche Agrar- und Ernährungsindustrie sind „auf den Zug auf- Alternativen verkaufen als Fleisch. Vor nicht allzu langer gesprungen“. Pioniere wie Oatly oder Beyond Meat sind Zeit hätte man diese Aussagen vermutlich als Aprilscherz längst global agierende, börsennotierte Konzerne und abgetan. Dass sie vom Deutschlandchef des zweitgröß- innovative Start-ups und Grown-ups sammeln immer hö- ten nationalen Systemgastronomie-Konzerns stammen, here Summen bei den Investoren ein, um ihr Wachstum zu dessen Unternehmens-DNA „über offener Flamme voranzutreiben. gegrilltes Rindfleisch“ gehört, verdeutlicht anschaulich, was hier in Bewegung geraten ist. Trotz vieler Erfolgsgeschichten und bereits heute beein- druckender Marktvolumina darf man sich nicht täuschen Lange fristeten pflanzenbasierte Ersatzprodukte für tieri lassen: noch ist der Markt für pflanzliche Ersatzpro sche Proteine ein Dasein in der Nische. Ihre Existenz war dukte jung. Die gesamte Wertschöpfungskette – von der nur wenigen bekannt, Sensorik und Geschmack steckten pflanzlichen Rohstoffbasis und deren Verarbeitung über noch in den Kinderschuhen und für ihren Erwerb musste Zusatzstoffe und Rezepturen bis hin zur Herstellung der man sich in den spezialisierten Lebensmitteleinzelhandel Endprodukte – ist gerade erst dabei, sich von den Anfor- begeben. Zahlreiche Start-ups glaubten jedoch an eine derungen eines Nischenmarktes hin zu einer hoch ska- größere Zukunft dieser Produkte, überzeugten Investo- lierten, industriellen Wertschöpfung zu entwickeln. Sie ren, entwickelten sie weiter, erweiterten ihre Produkt- formiert sich neu, um den steigenden Anforderungen der Portfolios und weckten die Neugier und das Interesse von Verbraucher und des Massenmarktes gerecht zu werden. immer mehr Verbrauchern. Sie trafen einen immer größer werdenden Nerv, denn nachhaltige, klimafreundliche und Insbesondere für Unternehmen aus der Agrar- und Er- gesunde Ernährung ist, was immer mehr Konsumenten nährungsindustrie ergeben sich daraus vielfältige Ansatz- wollen. Insbesondere die jüngeren Generationen der punkte, Herausforderungen und Chancen entlang der „Millenials+“ sehen darin angesichts des Klimawandels, Wertschöpfungskette, sich mit ihren spezifischen Fähig- Umweltproblemen und den Herausforderungen der in- keiten in dem Wachstumsmarkt zu positionieren. Zahl- dustriellen Massentierhaltung einen Teil der Lösung. reiche Beispiele zeigen, wie Unternehmen dies mit ganz unterschiedlichen Ansätzen und Strategien erfolgreich Durch den zunehmenden Erfolg pflanzlicher Ersatzpro- umgesetzt haben. Und was es dabei zu beachten gilt. dukte, die mittlerweile in den Regalen praktisch aller Su- permärkte und Discounter zu finden sind, einem steilen Klingt interessant? Dann folgen Sie uns auf dem Streifzug Nachfragewachstum und ihrem immer offensichtlicher durch einen Zukunftsmarkt und seine Möglichkeiten. Wir werdenden Marktpotenzial ist eine Goldgräberstimmung wünschen eine inspirierende Lektüre und freuen uns auf ausgebrochen. Immer mehr etablierte Food Majors und den Dialog mit Ihnen. Christoph Havermann Thorsten Schweizer Klaus-Martin Fischer 3
PLANT BASED REVOLUTION – PROTEIN-ARENA Die Vielfalt im Einkaufskorb wächst Fleisch, Fisch, Milch, Käse, Eier: Tierische Proteine sind seit langem ein wesentlicher Bestandteil der Ernährung. Doch die Konsumgewohnheiten wandeln sich. Pflanzen- basierte Ersatzprodukte erleben einen regelrechten Boom und bewegen sich mit gro- ßen Schritten aus ihrer Nische heraus. Tofu und Tempeh aus fermentiertem Soja, Seitan aus wurden über viele Generationen hinweg geprägt, da- Weizengluten oder soja- und mandelbasierte Geträn- her müssen auch alternative Produkte dort ansetzen, ke: Solche Ersatzprodukte auf Basis etablierter pflanz- wo die Verbraucher mit ihren Gewohnheiten und Ge- licher Proteinrohstoffe stehen bei Vegetariern und schmacksprofilen heute stehen. Das vegane Schnitzel Veganern seit langem auf dem Speiseplan. Zumin- muss also optisch, geschmacklich und hinsichtlich des dest in der westlichen Welt fristeten sie damit lange Bissgefühls dem fleischlichen Original entsprechen. ein Nischendasein. Seit einigen Jahren jedoch stehen Leichter gesagt als getan, denn der Weg dorthin ist eine pflanzliche Ersatzprodukte der neuesten Generation Wissenschaft für sich. Auf der Suche nach der perfekten auch bei „klassischen“ Lebensmittelkunden immer Imitation wird mit immer neuen pflanzlichen Protein- höher im Kurs. Sie treffen den Zeitgeist, der auf eine rohstoffen und deren Kombinationen experimentiert: pflanzliche, gesunde und möglichst klimafreundliche Mit Erbsen und Ackerbohnen, Kichererbsen, Lupinen Ernährung setzt. Pflanzliche Alternativen zu tierischen aber auch mit Reis, Hafer, Nüssen sowie mit Exoten wie Produkten geben Kunden beim Kauf das gute Gefühl, etwa Wasserlinsen oder den als Super Foods bekannten ethisch, nachhaltig und ökologisch korrekt zu handeln. Quinoa, Chia, Amaranth und Buchweizen. Neue Rohstoffe für vertraute Geschmacks- Mikroorganismen, Insekten, Proteine aus der Luft erlebnisse und „zelluläre Landwirtschaft“ Die wachsende Nachfrage nach pflanzenbasierten Er- Die Erweiterung der Proteinquellen bleibt jedoch satzprodukten nährt das Angebot: Immer vielfältiger nicht auf pflanzliche Rohstoffe beschränkt, son- werden die Produkte aber auch die hierfür verwen- dern bezieht auch Pilze, Mikroalgen und sogar dete pflanzliche Protein-Rohstoffbasis. Um die breite Bakterien mit ein. Diese Mikroorganismen wer- Masse der Konsumenten zu erreichen, müssen pflanz- den mittels Fermentation in Bioreaktoren direkt als liche Alternativen im Vergleich zu tierischen Produkten Proteinquellen genutzt. Start-ups wie Perfect Day vertraute Geschmackserlebnisse, Texturen und Zube- wiederum verwenden gentechnisch veränderte Mik- reitungsarten bieten. Menschliche Essgewohnheiten roorganismen zur gezielten Produktion von Proteinen. 4
PLANT BASED REVOLUTION – PROTEIN-ARENA Alternativen für Fleisch-, Fisch- und Molkereiprodukte, die auf Basis pflanzlicher Proteine hergestellt werden Plant based Plant based meat Heute In Zukunft Mikro- Cell based organismen Insekten In Bioreaktoren auf Basis Proteinbasierte Ersatzpro- Lebens- oder Futtermittel, tierischer Zellen erzeugtes/r dukte, die mittels (Präzisions-) die aus insektenbasierten Laborfleisch oder -fisch Fermentation aus Pilzen, Proteinen oder Ölen Bakterien oder Mikroalgen bestehen gewonnen werden 5
PLANT BASED REVOLUTION – PROTEIN-ARENA Durch diese Präzisions-Fermentation entstehen ech- sogenannte „zelluläre Landwirtschaft“. Hierbei wach- te Milchproteine (Molke & Kasein) ohne Kuh, auch sen echte, durch Biopsie gewonnene tierische Zellen „Animal-free Dairy“ genannt. Ebenfalls im Fokus von von Rind, Geflügel oder auch Fisch mit Hilfe eines Zell- Ernährungslaboren, aufgrund ihrer positiven ernäh- kultur-Nährmediums in Bioreaktoren zu „Laborfleisch“ rungsphysiologischen und ökologischen Eigenschaf- heran (auch „In-vitro-Fleisch“, „Cell Based Meat“, oder ten: Insektenproteine. Besonders futuristisch wirkt „Cultured Meat“). Werbewirksame Aussage: Für dieses der Ansatz des US-amerikanischen Unternehmens Fleisch stirbt kein Tier. AirProtein: Inspiriert von NASA-Forschungen arbeitet das Start-up an einer Fleischalternative auf Basis von Hypes mit Hürden aus der Luft gewonnenen Elementen: Kohlenstoffdi- Animal-free Dairy, Mikroalgen, Laborfleisch: Alle die- oxid, Sauerstoff und Stickstoff werden mit Hilfe von se Ansätze und Innovationen liefern Proteine für die Mikroben in Proteine umgewandelt, daraus entsteht Herstellung von Lebensmitteln – ohne die negativen dann das AirProtein-Fleisch. Einen ähnlichen Ansatz Effekte aus der Produktion konventioneller tierischer verfolgt auch das finnische Unternehmen Solar Foods Proteine. Trotz einer mitunter euphorischen Berichter- mit seinem „luftbasierten“ Protein Solein. Die bei stattung mit z. T. sehr optimistischen Prognosen hin- weitem größte mediale Aufmerksamkeit unter den sichtlich der Entwicklung und zukünftigen Bedeutung zukunftsweisenden Technologien erhält jedoch die solch innovativer Technologien zeigt ein genauer Blick: 6
PLANT BASED REVOLUTION – PROTEIN-ARENA Vieles davon ist noch Zu- kunftsmusik. So gibt es bei- spielsweise beim Laborfleisch trotz milliardenschwerer In- vestitionen sowie Jahren der Forschung und Entwicklung noch zahlreiche Hürden zu überwinden. Zu den größten technologischen Herausforderungen zählt die Formulierung eines effizienten und kosten- günstigen Zellkultur-Nährmediums, das frei von tieri- schem Material ist. Für diese hochkomplexe Mischung aus bis zu 100 verschiedenen Inhaltsstoffen wird heu- te meistens noch fetales Kälberserum eingesetzt, das nicht nur knapp und sehr teuer ist, sondern durch sei- WELTERFOLG AUF ERBSEN- UND nen Ursprung (getötete Kuhfeten) auch aus ethischen HAFERBASIS Erwägungen heraus ersetzt werden muss. Alternative, Kälberserum-freie Lösungen existieren zwar, sind mit Einige pflanzliche Newcomer hingegen haben knapp 400 USD pro Liter jedoch noch sehr teuer – sich als alternativer Proteinrohstoff bereits fest zumal für die Herstellung von einem Kilo Fleisch zwi- im Massenmarkt etabliert. So sind beispielsweise schen 50 und 350 Liter davon benötigt werden. Erbsenproteine insbesondere im Produktsegment Plant Meat sowie Hafer als Basis für Hafer-Drinks Auch die für die Skalierung der Produktion erforderli- heute in immer mehr Produkten zu finden. Auf chen Bioreaktoren mit Größen von 20.000 Litern oder diese Rohstoffe setzen auch zwei der weltweit mehr sind bis dato noch nicht am Markt verfügbar. führenden, mittlerweile börsennotierten Herstel- Aktuell im Einsatz befindliche Bioreaktoren besitzen ler pflanzlicher Ersatzprodukte: der US-amerika- eine Größe von gerade einmal 10 Litern. Damit ist La- nische Plant Meat Hersteller BeyondMeat sowie borfleisch noch weit von einer industriellen Marktreife der schwedische Plant Dairy-Spezialist Oatly. Der und Massenmarkt-tauglichen Preisen entfernt. Auch Erfolg von Erbsen und Hafer hat Gründe. Beide die Akzeptanzfrage seitens der Verbraucher ist noch sind in den wichtigen Absatzregionen Europa weitgehend offen. Entsprechend ist davon auszuge- und Nordamerika regional verfügbar, preislich hen, dass zellbasierte Produkte vor Ende dieser Dekade wettbewerbsfähig und es existieren etablierte noch keine nennenswerten Marktvolumina im Sinne Verarbeitungsprozesse. Zudem sind sie gesund, eines Massenmarktes erreichen werden. Gleiches gilt können nachhaltig produziert werden und pro- für Animal-free Dairy und Produkte aus Mikroalgen- fitieren damit von einer hohen Verbraucher-Ak- Proteinen. zeptanz. 7
PLANT BASED REVOLUTION – GLOBALE PROTEINVERSORGUNG Alternative Proteine – neue Säulen der globalen Proteinversorgung? 10 Milliarden Menschen ernähren sich allein der durchschnittliche Pro-Kopf-Konsum von Die Versorgung der Weltbevölkerung mit nachhaltig Fleisch in Brasilien seit 1990 bis heute verdoppelt, in produzierten Proteinen wird immer mehr zur globalen China sogar nahezu verdreifacht. Und diese Dynamik Herausforderung. Dies gilt umso mehr, als dass wach- ist ungebrochen. Wer ein höheres Einkommen besitzt, sender Wohlstand insbesondere in den großen Ent- leistet sich höherwertige Lebensmittel. Hierbei stehen wicklungs- und Schwellenländern wie China, Indien insbesondere tierische Proteine wie Fleisch und Fisch in oder Brasilien den globalen Konsum tierischer Proteine den Augen der meisten Konsumenten weltweit ganz auch zukünftig weiter steigern wird. Laut FAO hat oben im Ranking. 8
PLANT BASED REVOLUTION – GLOBALE PROTEINVERSORGUNG WACHSTUMSPERSPEKTIVE KONVENTIONELLER UND ALTERNATIVER PROTEINPRODUKTE 1 2020 2030e (Globaler Konsum in Millionen Tonnen) Konventionelle Alternative Protein-Produkte Protein-Produkte 574 13 65 708 + 23 % + 400 % 1) Ohne Insekten Quelle: US Department of Agriculture, Euromonitor, UBS, ING, Good Food Institute, Blue Horizon / BCG, YouGov, FAO, Ebner Stolz Research 9
PLANT BASED REVOLUTION – GLOBALE PROTEINVERSORGUNG Um die stetig steigende Nachfrage bedienen zu kön- bis zum Jahr 2030 nur rund 9 % des Volumens tierischer nen, wird die Produktion tierischer Proteine zu Land Proteine erreichen. Es kommt also mittelfristig nicht zu und im Wasser stetig ausgebaut – mit allen bekann- einer Disruption der konventionellen Proteinmärkte. ten negativen Effekten. Steigender Ressourcenver- brauch von Land (für Viehhaltung und Futtermittel) Vielmehr bleiben tierische und Wasser, Verlust von Biodiversität durch Rodungen und Futterpflanzen-Monokulturen, klimaschädliche Proteine auf absehbare Zeit ein Methan-Emissionen der Nutztiere sowie Schadstoffbe- zentraler Pfeiler der mensch- lastungen von Küsten und Flüssen im Bereich großer lichen Proteinversorgung. Sie Aquakulturen. Aber auch Themen wie Massentierhal- tung und Tierwohl sowie die negativen gesundheit- werden jedoch durch einen lichen Effekte übermäßigen Fleischkonsums werden wachsenden Anteil alternativer, dadurch weiter verschärft. insbesondere pflanzlicher Pro Natürlich zeigen sich beim Konsum regional auch ge- teine ergänzt. genläufige Entwicklungsmuster. Dass sich der durch- schnittliche Pro-Kopf-Fleischkonsum in der Europäi- schen Union, vor allem in Frankreich und Deutschland, Vielfältige Chancen für Unternehmen jeder Art und seit etwa drei Dekaden rückläufig entwickelt, fällt glo- Größe bal jedoch nicht ins Gewicht. Zu gering ist der Effekt Der noch junge und stark wachsende Plant Food- angesichts der Entwicklungen in den bevölkerungs- Markt bietet bereits heute vielfältige Chancen für ein reichsten Ländern der Welt. Prognosen gehen daher unternehmerisches Engagement. Dies gilt nicht nur davon aus, dass der globale Konsum tierischer Protei- für Start-ups und Plant-Based-Pure-Player, sondern ne bis 2030 um weitere 23 % wachsen wird, was einer grundsätzlich auch für Unternehmen aus der Agrar- durchschnittlichen jährlichen Zunahme von rund 2 % und Ernährungsindustrie. Dass sich auch konventio- entspricht. nelle Fleischverarbeiter und Molkereien erfolgreich in diesem Segment positionieren können, haben be- Tierisch oder alternativ? Beides! reits zahlreiche Unternehmen mit der Entwicklung Zwar wächst laut aktuellen Prognosen die weltweit und Produktion eines eigenen Plant-based-Portfolios konsumierte Menge pflanzlicher und neuartiger Prote- bewiesen. Sie zeigen, dass eine Koexistenz zwischen ine sehr viel schneller als der Konsum konventioneller tierischem und pflanzlichem Produktportfolio auch tierischer Proteine, dies geht jedoch von einem deutlich innerhalb eines Unternehmens kein Widerspruch ist, kleineren Ausgangsniveau aus. Trotz rasanten Wachs- sondern funktionieren kann, um an der Wachstums tums wird die konsumierte Menge alternativer Proteine dynamik des Marktes zu partizipieren. 10
PLANT BASED REVOLUTION – WANDEL IM KONSUMVERHALTEN Viele Verbraucher justieren ihren Ernährungskompass neu Im Fokus: Gesundheit, Klima, Ressourcenverbrauch produktion auf Ressourcen wie Ackerfläche, Wasser und Tierwohl und Energie sowie auf Umwelt und Klima verglichen Insbesondere in den westlichen Industrieländern zur Bilanz der Produktion pflanzlicher Ersatzprodukte wächst das Problembewusstsein zur industriellen Pro- eher ungünstiger ausfällt. Auch das Thema „Tierwohl“ duktion tierischer Erzeugnisse. In Wissenschaft, Politik rückt immer stärker in den Fokus der Öffentlichkeit, und Gesellschaft besteht weitgehend Konsens darüber, wobei die bisherige Massentierhaltung zunehmend in dass die Auswirkungen der konventionellen Fleisch- Frage gestellt wird. 11
PLANT BASED REVOLUTION – WANDEL IM KONSUMVERHALTEN Im Rahmen der Diskussion um Gesundheit und eine auch die Konsumgewohnheiten der Verbraucher ha- ausgewogene Ernährung werden zudem mögliche ben sich gewandelt. So wird eine ausgewogene Ernäh- negative gesundheitliche Folgen übermäßigen Fleisch- rung mit einem geringeren Anteil tierischer Produkte konsums regelmäßig thematisiert. Allerdings ist auch von immer mehr Verbrauchern als gesund sowie als der gesundheitliche Mehrwert pflanzlicher Ersatzpro- ethisch und ökologisch erstrebenswert gesehen. dukte immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Etwa bei der Frage, ob hochindustriell verarbeitete Zwar steigt der Anteil an Vegetariern und Veganern pflanzliche Ersatzprodukte mit ihrer z. T. langen Liste unter den Verbrauchern wichtiger Ländermärkte, er an Zusatzstoffen und Aromen im Vergleich zu echtem bleibt jedoch insgesamt vergleichsweise gering und Fleisch und Milch tatsächlich auch einen gesundheitli- ist daher nicht die treibende Kraft für den Wandel chen Mehrwert besitzen. des Konsumverhaltens. Vielmehr ist es die wachsende Zahl der „Flexitarier“, die zu einer immer wichtigeren Im Wandel: das Konsumverhalten der Zielgruppe werden: Menschen, die den Konsum tie- Verbraucher rischer Nahrungsmittel einschränken und stattdessen Nicht nur die Sicht auf Produktion und Verzehr tieri- vermehrt pflanzliche Ersatzprodukte kaufen. D er Eu- scher Proteine hat sich im Laufe der Jahre geändert, romonitor Health and Nutrition Survey von 2020 zeigt, ANTEIL FLEXITARIER [%] „Ich schränke meinen Verzehr von tierischen Produkten ein“ 1 29 % weltweit DEUTSCHLAND FRANKREICH AUSTRALIEN KANADA ITALIEN CHINA JAPAN USA UK 15 % 17 % 24 % 30 % 30 % 34 % 36 % 36 % 45 % 1) Befragung vom Februar 2020 (n = 21.739); jeweilige Zustimmungsrate zur gestellten Frage Quelle: Euromonitor Health and Nutrition Survey 2020, Presse 12
PLANT BASED REVOLUTION – WANDEL IM KONSUMVERHALTEN dass der Flexitarier-Anteil in westlichen Industrie rationen, die eine Schlüsselrolle für den Wandel des nationen wie den USA, Deutschland oder UK, aber Konsumver haltens spielen. Der Konsum pflanzlicher auch in China bereits heute bei rund einem Drittel der Ersatzprodukte ist in ihren Alterskohorten besonders repräsentativ befragten Bevölkerung liegt. Die Gründe weit verbreitet und genießt eine sehr hohe Akzeptanz. hierfür spiegeln direkt die Relevanz der neuen „Koordi- naten des Ernährungskompasses“ wider: Flexitarier tun Dies geht soweit, dass für viele dies vor allem aus gesundheitlichen Gründen, wobei die Corona-Pandemie das Bewusstsein für Gesundheit von ihnen konventionell erzeugte nochmals forciert hat. Aber auch die Themen Nachhal- Milch- und Fleischprodukte tigkeit und Tierwohl spielen eine wichtige Rolle für die gar nicht mehr zum „Relevant Änderung ihres Konsumverhaltens. Set“ der Ernährungs-Optionen Von besonderer Bedeutung: Kaufentscheidungen gehören. der jüngeren Generationen Das Kaufverhalten der „Millenials+“, also die nach dem Jahr 2000 Geborenen, ist weniger fixiert und „einge- Wachstumsimpulse durch Weiterentwicklung des schliffen“, als das Konsummuster älterer Generationen. Angebots Es gibt eine größere Offenheit für Neues, mehr Experi- Auch die Weiterentwicklung der Angebotsseite ist ein mentierfreude – und damit bessere Chancen für neu wichtiger Treiber der Nachfrage. Immer mehr Player aus artige Lebensmittel. der Lebensmittelindustrie reagieren auf den Konsum- trend. Nicht nur die Anbieter-, auch die Produktvielfalt Gleichzeitig ist das Problembe- pflanzlicher Alternativen sind dadurch massiv gewach- wusstsein der jüngeren Gene- sen. Zudem wurde die Produktqualität (Geschmack, Textur) durch stetige Weiterentwicklung von Rezep- rationen i. d. R. ausgeprägter als turen und Verarbeitungsprozessen verglichen zu den bei ihren Eltern und Großeltern: Anfängen deutlich verbessert, was die Verbraucherak- zeptanz für Ersatzprodukte weiter gesteigert hat. Gesundheit, Klima, Umwelt und Nachhaltigkeit spielen bei ih- Waren pflanzliche Ersatzprodukte anfangs nur bei spe- zialisierten Händlern wie Reformhäusern oder Bioläden nen eine bedeutende Rolle bei erhältlich, so sind sie mittlerweile praktisch überall im der Kaufentscheidung. konventionellen Lebensmitteleinzelhandel und im Dis- count gelistet. Dort erreichen sie ein Millionenpublikum. Die „Millenials+“ haben verstanden, dass sie stärker Ergänzt um eine wachsende Verwendung in der (Sys- von den negativen Folgen einer konventionellen Pro- tem-)Gastronomie (z. B. Burger King, McDonalds, Star- teinproduktion betroffen sind, auch weil sie länger mit bucks) und dem Food Service hat sich die Verfügbarkeit den Folgen leben müssen, als die Generationen vor pflanzlicher Ersatzprodukte damit deutlich erhöht und ihnen. Es sind daher insbesondere die jüngeren Gene- so für zusätzliche Wachstumsimpulse gesorgt. 13
PLANT BASED REVOLUTION – PERSPEKTIVEN Plant Food – ein Massenmarkt entwickelt sich Plant Food weltweit: Wachstumstrend bleibt intakt Jüngste Kurs-Turbulenzen börsennotierter Plant-Food- intakten Wachstumstrend. Die gemittelten globalen Hersteller wie Oatly oder Beyond Meat sollten nicht Wachstumsprognosen bis 2030 zeigen einen durch- missinterpretiert werden. Der Plant-Food-Trend ist kein schnittlich zweistelligen jährlichen Zuwachs auf ein kurzfristiges Phänomen, das zeigen die Prognosen Marktvolumen von rund 136 Md. USD. Plant Dairy und zahlreicher Analysten. Zwar sind deren Prognosespan- Plant Meat sind dabei die mit Abstand größten Markt- nen für den noch jungen Markt bis Ende dieser Deka- segmente mit bereits heute relevanten Marktvolumina de noch breit gefächert, alle erwarten jedoch einen und perspektivisch weiterem Wachstumspotenzial. GLOBALES MARKTVOLUMEN & WACHSTUMSPROGNOSEN FÜR PLANT BASED FOOD 2020–2030E [MILLIARDEN USD] 2030e 195 (Blue Horizon / BCG) 1 8% 162 (Bloomberg Intelligence) 8 –1 143 (Credit Suisse) 2 GR Ø 136 CA 104 (Research + Markets) 2020 77 (EY Parthenon) 3 36 1) Berechnet auf Basis Produkt-Volumen 2030 i. H. v. 65 Mio. t (inkl. Mikroorganismen) multipliziert mit Ø 3 USD Umsatz / kg 2) Best Case-Szenario Plant Milk & Plant Meat 3) Base Case-Szenario Quelle: Bloomberg Intelligence, Credit Suisse, Research + Markets, Blue Horizon / BCG, EY Parthenon 14
PLANT BASED REVOLUTION – PERSPEKTIVEN Plant Dairy: Revolution im Kühlregal land mit deutlichem Abstand vor Spanien und Italien Im Segment pflanzenbasierter Substitute für Mol- der europäische Leitmarkt für Plant Dairy-Produkte. kereiprodukte (Plant Dairy) sind Ersatzprodukte für Angezogen von dem Boom engagieren sich mittler- Trinkmilch die mit Abstand umsatzstärkste Produktka- weile zahlreiche europäische Molkereien und globale tegorie. Asien, vor allem China, ist aufgrund der Lak- Food Majors in dem Markt und rufen zum Teil ambi- toseintoleranz weiter Teile der Bevölkerung mit einem tionierte Wachstumsziele aus. Danone beispielsweise traditionell hohen Anteil an sojabasierten Getränken kündigte jüngst eine Verdoppelung seines globalen weltweit größter Markt. Aber auch in den USA und Plant-Dairy-Segmentumsatzes an: von 2,5 Md. EUR im Europa vollzieht sich eine „Revolution im Kühlregal“. Jahr 2020 auf 5 Md. EUR in 2025. Sprachen Soja-, Mandel- oder Hafer-Drinks anfangs nur wenige Konsumenten an, greifen heute immer Veganer Käse: Der „heilige Gral“ mehr Verbraucher zu den pflanzlichen Alternativen, Und der Plant-Dairy-Markt hat noch mehr „Pfeile im angetrieben durch den Wunsch zu gesünderem, Köcher“: Neben den dominanten Milchalternativen nachhaltigerem Konsum, mehr Tierwohl und in Teilen sind veganer Joghurt und Eiscreme weitere Produkt auch durch negative Imageeffekte konventioneller segmente, die sich im Markt etablieren. Als besonders Milch. Vor allem haferbasierte Produkte schreiben in vielversprechend gelten jedoch vegane Käsealterna- Europa und in anderen Regionen der Welt eine er- tiven. Zwar werden aktuelle Produkte auf Basis von staunliche Erfolgsgeschichte. Nüssen oder Erbsen der komplexen Sensorik und dem Geschmack des Originals noch nicht gerecht. Es gibt In Europa ist Plant Dairy mit jedoch zahlreiche Unternehmen – vom Start-up bis zum Molkereikonzern – welche die Produktentwick- einem Marktvolumen von rund lung hier intensiv vorantreiben. Wenn sie Erfolg haben, 2,6 Md. USD (2020) bereits das werden die Märkte in westlichen Ländern, allen voran Europa, von deutlichen Wachstumsimpulsen aus der größte Marktsegment inner- veganen „gelben Linie“ profitieren. halb der „neuen Proteinwelt“. Auch die Wachstumsperspek Wettbewerbsintensität und Margendruck Neben soliden Wachstumsprognosen ist der Plant- tive ist vielversprechend: Dairy-Markt jedoch auch durch einige Herausforde- rungen charakterisiert. So nimmt die Wettbewerbs- Die bis 2030 hochgerechneten Prognosen etablierter intensität im Segment pflanzlicher Milchalternativen Analysehäuser (Euromonitor, Jefferies, RBC Capital durch niedrige Markteintrittsbarrieren und eine schnell Markets) erwarten einen durchschnittlichen Anstieg wachsende Anzahl von Anbietern und Produkten stetig um den Faktor 4 auf etwa 9,7 Md. USD. zu. Wettbewerb, Preiserwartungen von LEH, Discount und den Verbrauchern, aber auch die zunehmende Noch ist dieses Marktvolumen laut den Marktzahlen Bedeutung von Handelsmarken werden perspektivisch von Nielsen für den LEH aufgrund stark divergierender die in Teilen heute noch erzielten „Premium-Preise“ Konsummuster in den europäischen Kernmärkten un- und Margen der Hersteller unter Druck setzen. Dies gleich verteilt. Mit einem Marktvolumen von 635 Mio. gilt umso mehr, als dass aktuell auch die Kosten auf der EUR (2020) und damit einem Anteil von rund 30 % der Rohstoffseite bzw. der vorgelagerten Wertschöpfung 11 analysierten europäischen Kernmärkte, ist Deutsch- in der Landwirtschaft z. B. für Treibstoffe, Dünger und 15
PLANT BASED REVOLUTION – PERSPEKTIVEN PROGNOSE GLOBALES WACHSTUM UND MARKTVOLUMEN RELEVANTER MARKTSEGMENTE Marktvolumen 2030e [Milliarden USD] 80 Plant Dairy 1,3 60 Plant Meat 2,3 40 20 Plant Protein Supplements Vegan Dessert Plant Egg Vegan Plant Seafood Chocolate CAGR Marktvolumen 10 % 20 % 30 % 2020–2030e 1) Inkl. sojabasierter Getränke 2) Ohne Tofu, Tempeh und Seitan 3) CAGR auf Basis des arithmetischen Mittels der Prognosewerte Quelle: Good Food Institute, Euromonitor, Rabobank, Meticulous Research, Barclays, UBS, JP Morgan, Markets & Markets, Bloomberg Intelligence Saatgut deutlich steigen, was wiederum die pflanz- national agierender Konzern geworden; die Anzahl lichen Proteinrohstoffe verteuert. Themen wie Ska- der Anbieter sowie die Produktvielfalt pflanzlicher Flei- lierung der Produktion, operative Exzellenz und eine schersatzprodukte sind international explodiert. wettbewerbsfähige Kostenstruktur werden daher für die Hersteller zukünftig an Bedeutung gewinnen. Neben den Pionieren von einst haben sich mittlerweile auch zahlreiche klassische mittelständische sowie Plant Meat: Von der Nische zum Massenmarkt große Fleischverarbeiter und Food Majors im Markt Jenseits altbekannter Produkte wie Tofu erlebt pflanz- positioniert. Auch der Lebensmitteleinzelhandel hat licher Fleischersatz der neuen Generation einen bei- die Chance erkannt. Zur Profilierung der eigenen spiellosen Boom. Vorangetrieben durch innovative, Leistungsfähigkeit, insbesondere auch gegenüber hoch kapitalisierte Pioniere wie BeyondMeat oder jüngeren Konsumenten, setzen praktisch alle Ver- Impossible Foods hat sich die Produktkategorie, deren triebsschienen des europäischen LEHs auf pflanzliche Kernzielgruppe die weltweit wachsende Anzahl von Fleischersatzprodukte. Sie bauen ihre entsprechenden Flexitariern ist, stark weiterentwickelt. Geschmack, Ge- Sortimente im Ultrafrische- und im TK-Bereich deutlich ruch und Textur – praktisch alle für Konsumenten rele- aus. Und die Verbraucher nehmen das Angebot an. vante Qualitätskriterien wurden stetig verbessert und Die junge Produktkategorie ist gerade dabei, sich aus die Imitation von echten Fleischprodukten optimiert. der veganen Nische hin zu einem Massenmarkt zu ent- Längst ist aus BeyondMeat ein börsennotierter, inter- wickeln. Bereits heute hat sich das stetig wachsende 16
PLANT BASED REVOLUTION – PERSPEKTIVEN Angebot als Ergänzung zu klassischen Fleisch- und Verwendung in Plant-Meat-Produkten der neuen Ge- Wurstwaren fest im LEH-Regal etabliert. Laut Progno- neration besonders geeignet sind. Entsprechend hat sen von Euromonitor und RBC Capital Markets dürfte sich die Erbse als Proteinrohstoff hier fest etabliert. sich das europäische Marktvolumen von aktuell 1,6 Md. Mittlerweile basieren etwa 24 % der im US-Markt ver- USD (2020) bis 2030 auf durchschnittlich rund 7,5 Md. kauften, wichtigsten Plant-Meat-Produkte auf Erbsen- USD nahezu verfünffachen. Damit würde sich Europa protein bzw. einer Proteinmischung aus Erbsen und nach den USA und China zur drittgrößten Absatzregion Kichererbsen. Durch den in Europa traditionell beson- weltweit entwickeln. Europäischer Retail-Leitmarkt ist ders kritischen Blick auf Import-Soja erscheint ein noch mit 502 Mio. EUR kumuliertem Umsatzvolumen (Ok- höherer Anteil von Erbsenprotein in Plant-Meat-Pro- tober 2019 bis September 2020) Großbritannien, ge- dukten hier durchaus plausibel. folgt von Deutschland mit 357 Mio. EUR. Mit einem Retail-Umsatzplus im September 2020 gegenüber dem Herausforderungen auf dem Weg zum Vorjahreszeitraum von rund 76 % wuchs laut Nielsen „Mainstream“ zuletzt kein europäischer Markt schneller als Deutsch- Die Entwicklung des Plant-Meat-Segments in Richtung land. Dieses exorbitante Wachstum ist jedoch auch vor Massenmarkt birgt jedoch auch zahlreiche Herausfor- dem Hintergrund des Corona-Effekts (u. a. geschlosse- derungen. Sei es durch schwache Ernten oder schlicht ne Gastronomie) zu sehen. durch fehlende Anbau- oder Verarbeitungskapazitä- ten: mangelnde Verfügbarkeit und z. T. hohe Preise re- Plant Meat Rohstoffbasis: Soja bleibt levanter pflanzlicher Proteinrohstoffe bereiten Herstel- dominant, Erbse holt auf lern vor dem Hintergrund stark wachsender Nachfrage Die wichtigsten Proteinrohstoffe für Plant Meat-Pro- immer wieder Schwierigkeiten. Auch der zunehmende dukte weltweit sind Soja und Weizen. Laut Good Food Wettbewerb mit einer wachsenden Anzahl von Anbie- Institut sind sie die Proteinbasis für rund 76 % der 75 tern, Produkten, aber auch Handelsmarken setzt v. a. umsatzstärksten 2020 im US-Markt verkauften pflanz- weniger wettbewerbsfähige (Marken-)Hersteller unter lichen Fleischersatzprodukte. Auch zukünftig werden Druck. sie aufgrund ihrer hohen Verfügbarkeit und vergleichs- weise niedriger Rohstoffkosten ihre global dominante Auf dem Weg zum Mainstream wachsen zudem die Position behalten, es kommt jedoch Bewegung in Anforderungen der Verbraucher in Bezug auf Rezep- die Rohstoffbasis. Nachhaltigkeit als immer wichtiger turen, Geschmack und Verfügbarkeit. Auch deren werdender Konsumententrend wirft ein zunehmend Preiserwartungen an die in Supermärkten und Dis- schlechtes Licht auf Soja, das immer noch überwie- countern gelisteten Produkte werden anspruchsvoller. gend aus nord- und südamerikanischen „Monokultu- Dem daraus resultierenden, perspektivisch wachsen- ren“ nach Europa importiert wird. den Druck auf die Margen müssen die Hersteller z. B. mit einer starken Marke, die attraktive Produkte und Der Shooting-Star Erbse hingegen punktet gleich Neuheiten bietet sowie einer effizienten Supply Chain in mehreren Kategorien. So gelten Erbsen auch we- und schlanken Strukturen begegnen. Auch der Fokus gen des regionalen Anbaus als nachhaltig und sind auf Bio-Produkte kann, analog zum Markt konventio- gentechnik- und allergenfrei, was ihr positives Image neller Proteinprodukte, eine margenträchtige Nische und eine hohe Verbraucherakzeptanz begründet. Ihr sein. Nicht zuletzt ist auch davon auszugehen, dass die Aminosäureprofil ist vergleichbar mit Soja, zudem be- mitunter exorbitanten Wachstumsraten mit zuneh- sitzen Erbsen funktionale Eigenschaften, die für die mender Marktreife perspektivisch abflachen werden. 17
PLANT BASED REVOLUTION – INVESTITIONEN & WETTBEWERB Goldgräberstimmung bei Investoren und Herstellern Allen Herausforderungen zum Trotz: Die entstehenden Milliardenmärkte mit dynami- scher Wachstumsperspektive rund um Plant based Food locken immer mehr Unter- nehmen in den Markt. Es herrscht eine regelrechte Goldgräberstimmung. Zu Beginn sind es v. a. agile und innovative Start-ups, stand beim Kapitalzufluss in die Unternehmen der jun- die das Marktpotenzial erkannt und mit ihren weiter- gen Branche registriert. Die Gesamtsumme aus den Fi- entwickelten pflanzlichen Ersatzprodukten neuester nanzierungsrunden des Vorjahres wurde um mehr als Generation einen Verbrauchernerv getroffen haben. das Dreifache übertroffen. Knapp 75 % dieses „Geld Glänzende Perspektiven sehen auch führende Risiko- regens“ entfielen auf lediglich fünf Unternehmen, die kapital-Geber wie Sequoia Capital, Google Ventures sich größtenteils Finanzierungssummen im dreistelli- oder Blue Horizon Ventures sowie potente Investo- gen Millionenbereich sichern konnten. Der US-ameri- ren à la Bill Gates und Jeff Bezos. Sie platzieren „große kanische Plant-Meat-Pionier Impossible Foods sicherte Wetten“ auf innovative Start-ups weltweit. Die dabei sich mit rund 700 Mio. USD den Löwenanteil. Auch investierten Summen erreichen immer neue Rekorde. LIVEKINDLEY sowie die Plant-Dairy-Spezialisten Oatly So wurde 2020 mit rund 2,1 Md. USD erneut ein Höchst- und Califia Farms gehören in diese Spitzengruppe. ENTWICKLUNG FUNDING-VOLUMEN FÜR PLANT-BASED-UNTERNEHMEN 1 [MILLIONEN USD] UND ANZAHL DER TRANSAKTIONEN Anzahl Transaktionen 2 Funding-Volumen 170 2.146 25 4 298 20 2010 2015 2020 1) Unternehmen aus den Segmenten Plant Meat, Plant Dairy und Plant Egg 2) Anzahl Transaktionen inkl. Unternehmen aus den Segmenten „Cell based meat“ und „Fermentierte Proteine“ Quelle: Good Food Institute, PitchBook 18
PLANT BASED REVOLUTION – INVESTITIONEN & WETTBEWERB „Wir werden unsere Range an vegetarischen Fleischersatzprodukten weiter deutlich ausbauen.“ Heike Miéville-Müller, Director Business Unit Garden Gourmet (Nestlé), Oktober 2021 „Alternative Proteinprodukte laufen gut und kommen hervorragend im Markt an.“ Florian Schattenmann, CTO und Vice President for Innovation and Research & Development bei Cargill, September 2020 „Wir sehen seit ein, zwei Jahren einen Paradigmenwechsel. Der Markt ist aktuell mitten in einer Übergangs- phase: raus aus der veganen Nische und rein in den Massenmarkt.“ Marcus Keitzer, Vorstand für alternative Proteinquellen PHW-Gruppe, Februar 2020 19
PLANT BASED REVOLUTION – INVESTITIONEN & WETTBEWERB „Jedes fünfte Danone-Produkt in Deutschland wird bis 2025 pflanz- lich sein.“ Richard Trechmann, Deutschlandchef Danone, April 2021 „Innovation im Bereich pflanzlicher Milchalternativen ist von enormer strategischer Bedeutung für unser Produktportfolio.“ Mark Schneider, CEO Nestle, September 2020 „Das ist keine Mode, das ist ein Trend, den man nicht einfach ignorieren kann“ Andreas Schneider, Geschäftsführer Schwarzwaldmilch, Dezember 2019 20
PLANT BASED REVOLUTION – INVESTITIONEN & WETTBEWERB Wie ein Seismograf verdeutlicht der massive Anstieg nur immer mehr pflanzenbasierte Produkte innovati- von Transaktionen und Funding-Volumina die steigen- ver Markenhersteller in ihre Sortimente ein, sondern den Erwartungen an die Zukunftsaussichten dieses platzieren auch zunehmend ihre eigenen Handels- Marktes. marken, vor allem in den Segmenten Plant Meat und Plant Dairy. Bekannte Beispiele aus Deutschland sind Dass auch Staatsfonds, wie z. B. Temasek aus Singa- die Veggie-Burger von Aldi und Lidl sowie die Hafer- pur, mittlerweile in den Plant-based-Markt investieren, Drinks von REWE, Edeka und der Drogeriekette dm. Bei zeigt nicht nur dessen aus Investoren-Sicht hohe At- Hafer-Drinks liegt der geschätzte Marktanteil von Han- traktivität. Es unterstreicht auch das wachsende Inter delsmarken im deutschen Lebensmitteleinzelhandel esse eher konservativerer, institutioneller Investoren mittlerweile zwischen 20 und 30 % – mit weiter stei- an klimafreundlichen Investments sowie die insgesamt gender Tendenz. Ihre niedrigeren Preise setzen Mar- steigende Bedeutung von Nachhaltigkeitskriterien bei kenprodukte, die heute vielfach noch ein deutliches den Investitionsstrategien weltweit führender Kapital- Preis-Premium erzielen, unter Druck und tragen damit geber. zur Intensivierung des Wettbewerbs bei. Die stetig wachsende Anzahl von Anbietern pflanzlicher Ersatz- Auch immer mehr multinationale Nahrungsmittelkon- produkte verstärkt dies noch. zerne sowie mittelständische Hersteller konventionel- ler Fleisch- und Molkereiprodukte positionieren sich in Es formiert sich eine immer diversifiziertere Wettbe- dem Markt. Etablierte Top Player der Agrar- und Ernäh- werbsarena aus etablierten Plant Based Pure Playern, rungsindustrie sind von den hervorragenden Markt- Start-ups, multinationalen Nahrungsmittel- und Agrar- perspektiven pflanzlicher Ersatzprodukte überzeugt. konzernen sowie zunehmend auch klassischen mittel- ständischen sowie großen „Fleischadressen“ und Mol- Als strategische Investoren partizipieren sie an dem kereien. Eine Analyse des Good Food Institute kommt Zukunftsmarkt, indem sie sich direkt oder über eigene für 2020 weltweit bereits auf mehr als 800 Unterneh- Venture-Kapital-Gesellschaften an innovativen Start- men und Marken, die entweder primär auf pflanzliche ups beteiligen. Andere, wie Nestlé, Danone, Tyson Lebensmittel, die tierische Produkte direkt ersetzen, Foods oder Cargill, haben ihr Geschäftsmodell darauf- ausgerichtet sind oder aber einen Geschäftsbereich hin justiert und steigen mit eigenen, in Teilen auch zu- bzw. eine Produktlinie besitzen, die solche Produkte gekauften Produktangeboten, direkt in den Markt ein. fokussiert. Was all diese Akteure vereint: die hohen Er- wartungen an die Märkte für Plant Based Food und die Das Marktpotenzial wollen längst auch die großen Le- damit verbundenen Chancen, neue Wachstums- und bensmitteleinzelhändler ausschöpfen. Sie listen nicht Erlösquellen zu erschließen. 21
PLANT BASED REVOLUTION – CHANCEN Am Boom partizipieren – Ansatzpunkte entlang der Wertschöpfungskette Die Konsumgewohnheiten wandeln sich. Und die Lebensmittelindustrie reagiert auf den Trend. Die Anzahl der Anbieter und die Produktvielfalt pflanzlicher Ersatzprodukte sind förmlich explodiert. Über ihre Listung in LEH und Discount erreichen sie heute ein Millionenpublikum. Längst haben sich veganer Fleischersatz und Molkereiprodukte fest im Regal etabliert und zeigen seit Jahren dynamisch wachsende Umsätze. Und ein Ende des Booms ist nicht in Sicht. Sie sind auf dem Weg von der Nische zum Milli- ardenmarkt. Eine Wertschöpfungskette formiert sich neu Nicht nur in den Regalen vollzieht sich dieser Wandel. rungsgrad der Akteure. Die Produktion pflanzlicher Er- Gepusht durch boomende Nachfrage und Milliarden satzprodukte hingegen erfolgte bisher überwiegend investitionen ist die gesamte Wertschöpfungskette – in den Mengen eines Nischenmarktes. Die Wertschöp- von der pflanzlichen Rohstoffbasis und deren Verar- fungskette für eine hoch skalierte, industrielle Massen- beitung über Zusatzstoffe und Rezepturen bis hin zur produktion ist gerade erst dabei sich zu entwickeln. Herstellung der Endprodukte – in Bewegung und for- Zwar hat dieser Prozess in den letzten Jahren enorm an miert sich neu. Es gilt der Nische zu entwachsen, um Tempo gewonnen, durch das frühe Entwicklungsstadi- den steigenden Anforderungen der Verbraucher und um ist das weitere Entwicklungs- und Optimierungspo- des Massenmarktes gerecht zu werden. tenzial entlang der Wertschöpfungskette jedoch noch groß. Gerade dies birgt für Unternehmen aus der Ag- Die industriellen Wertschöpfungsketten tierischer Pro- rar- und Ernährungsindustrie vielfältige Ansatzpunkte dukte konnten über Generationen hinweg entwickelt und Chancen, sich mit ihren spezifischen Kompetenzen und optimiert werden. Sie sind charakterisiert durch und Ressourcen in dem attraktiven Wachstumsmarkt höchste Effizienz und einen sehr hohen Spezialisie- zu positionieren. 22
PLANT BASED REVOLUTION – CHANCEN WERTSCHÖPFUNGSKETTEN PLANT MEAT UND PLANT MILK (VEREINFACHTE DARSTELLUNG) 1 Plant meat Saatgut (Soja, Erbse,…) R oh Plant milk 1 Saatgut Hafer R oh w wa ar ren en anbau und -bes anbau und -bes 4 3 2 ch c aff h ung aff Funktionale Ingredients Erstverarbeitung Hafer Erstverarbeitung Hafer un g te uk dukte Funktionale Ingredients Protein-Extraktion && Texturierung Texturierung od Protein-Extraktion ro dpr dp roduktion En n Produktion E 5 P d und un tur ur Rezep Marketing & Vertrieb pt ze Re Marketing & Vertrieb 1) Am Beispiel von Hafer-Drinks Quelle: Ebner Stolz 23
PLANT BASED REVOLUTION – CHANCEN Pflanzliche Rohstoffbasis nationalen Eiweißstrategie hat die Politik hier bereits 1 Wichtige Proteinrohstoffe, wie Soja oder Erb- erste Schritte unternommen. Insbesondere die neue sen, werden in Europa bis heute überwiegend als Fut- Bundesregierung zeigt sich in ihrem Koalitionsvertrag termittel angebaut. Ihre Optimierung für eine Verwen- entschlossen, die Attraktivität des Anbaus von Legumi- dung in pflanzenbasierten Lebensmitteln steht noch nosen durch die Weiterentwicklung der nationalen Ei- am Anfang. Entsprechend eröffnet ein Vorantreiben weißpflanzenstrategie zu erhöhen, um die Eiweißver- des Züchtungsfortschritts wichtiger proteinliefernder sorgung aus heimischer Produktion zu steigern. Neben Kulturen Chancen für Saatgutzüchter. Deren mög finanzieller Förderung der Leguminosen-Forschung zur liche Ansatzpunkte sind vielfältig: von höheren Erträ- Vergrößerung des pflanzenbaulichen Know-hows ist gen und Proteingehalten über eine Optimierung der dabei vor allem die monetäre Förderung einer um Legu- Widerstandsfähigkeit gegen Witterungseinflüsse und minosen diversifizierten Fruchtfolge mit ihren positiven Schädlinge, bis hin zur Verbesserung des Geschmacks Umweltwirkungen (Steigerung Biodiversität, Verrin- profils der Proteinpflanzen. So wird zum Beispiel das gerung Düngemittel- und Pestizideinsatz) ein wich- Potenzial für die züchterische Steigerung des Protein- tiger Hebel in Richtung Landwirte. Auch langfristige gehalts bei Erbsen als sehr hoch eingestuft. Abnahmeverträge und Preisgarantien für die Erzeu- ger können gezielte Anreize setzen, um den Anbau Auch die Verfügbarkeit immer proteinliefernder Kulturen zu forcieren. größerer Mengen pflanzlicher Der Agrarhandel besitzt mit seiner Schnittstellenfunk- Proteinrohstoffe ist angesichts tion in diesem Teil der Wertschöpfungskette zahlreiche relevante Anknüpfungspunkte: direkter Zugang zu Er- der boomenden Nachfrage von zeugern, umfangreiches pflanzenbauliches Know-how, hoher Relevanz. Kapazitäten bei Erfassung, Lagerung und Logistik ag- rarischer Rohstoffe sowie Erfahrung mit deren Handel Hierbei spielen die Weiterentwicklung und Professio- und Vertrieb an industrielle Weiterverarbeiter. nalisierung des Pflanzenbaus eine zentrale Rolle. Über Forschungsprojekte und Anbauversuche muss ermit- Verarbeitung/Fraktionierung der Rohwaren 2 telt werden, welche proteinliefernden Feldfrüchte Die Extraktion und Anreicherung pflanzlicher in Europa und auch in Deutschland ertragsstark und Proteine ist ein zentraler Prozessschritt in der Wert- wettbewerbsfähig angebaut werden können und wie schöpfungskette für pflanzliche Ersatzprodukte. Die sich deren Anbau weiter optimieren lässt. Zudem muss dabei gewonnenen Proteinkonzentrate und -isolate Erzeugern das notwendige pflanzenbauliche Know- sind das Schlüssel-Ingredient zahlreicher Produkttypen how vermittelt werden. - von Plant Meat und Plant Seafood über vegane Nah- rungsergänzungsmittel, wie Proteinpulver, Protein- Der Anbau von proteinliefernden Kulturen muss sich Snacks und Ready-to-Drink-Produkten bis hin zu vega- für die Erzeuger auch wirtschaftlich rechnen. Nur dann nen Desserts und Plant-Dairy-Produkten. werden sie die notwendigen Investitionen in größere Anbauflächen, Produktionsmengen und -technik wa- Mit schnell wachsender, groß- gen. Hierfür braucht es eine mehrjährige Planungs- sicherheit. Die entsteht durch die richtigen Anreize volumiger Nachfrage wird die und Rahmenbedingungen. Mit dem Entwurf einer Skalierung der Protein-Extraktion 24
PLANT BASED REVOLUTION – CHANCEN und die weitere Optimierung der Lebensmittel-, Pharma- oder Pet Food-Industrie. der Extraktions-Prozesse sowohl Auch F&E-Kompetenz zur Erschließung gänzlich neu- er Einsatzspektren für anfallende Koppelprodukte ist für die Erhöhung des Outputs relevant, da diese insbesondere bei neueren protein- als auch zur Verbesserung der liefernden Rohstoffen (z. B. Erbse, Ackerbohne) heute i. d. R. noch begrenzt sind. Kosteneffizienz zu einem er- folgskritischen Faktor für die Insbesondere für diejenigen Unternehmen aus der Ag- rar- und Lebensmittelindustrie, die über Ressourcen Entwicklung von der Nische zum und Kompetenzen bei der industriellen Verarbeitung Massenmarkt. agrarischer Rohstoffe, der Verwertung anfallender Koppelprodukte sowie über F&E- und Anwendungs- Gerade bei den immer beliebteren Erbsen gelten feh- Know-how für Ingredients verfügen, ergeben sich in lende Verarbeitungskapazitäten zur Produktion ange- der Proteinproduktion vielfältige Chancen und Ansatz- reicherter Erbsenproteine mittelfristig als ein wesent punkte. licher „Flaschenhals“. 3 Extrusion/Texturierung Die Gewinnung von Proteinisolaten mit einem Pro- teingehalt von bis zu 90 %, z. B. für den Einsatz in hö- herwertigen Fleischersatzprodukten mittels der sog. Durch den Prozess der thermo- Nassfraktionierung, ist ein komplexer Prozess: Er ist plastischen Extrusion entstehen wasser- und energieintensiv, benötigt Chemikalien und erfordert umfangreiches Know-how sowie die Be- aus proteinhaltigen Mischungen herrschung vielfältiger Prozess-Parameter. Neben dem sog. Texturate mit einer fleisch reinen Aufbau von Verarbeitungskapazitäten zielen ähnlichen Struktur. Sie bilden die Optimierungen v. a. auf die Steigerung der Protein- ausbeute, die Qualitätsverbesserung der Proteine (z. B. Grundlage praktisch aller pflanz- Reduzierung des bitteren Eigengeschmacks bei Erbsen lichen Fleischersatzprodukte. und Bohnen), aber auch auf die Reduzierung des Che- mikalien- und Wasser bedarfs. Prozess-Innovationen Mittels der bereits in den 1960er Jahren eingeführten, zur Verbesserung der Proteinausbeute gelten z. B. bei heute weit verbreiteten „Low-Moisture-Extrusion“ im der Erbsenverarbeitung als ein wichtiger Stellhebel zur Einwellenextruder werden kleinteilige Texturate in Erhöhung der verfügbaren Proteinmengen. Form von Granulat, Flocken oder Streusel produziert. Sie kommen v. a. in pflanzlichen Fleischersatzproduk- Damit ein Verarbeitungskonzept erfolgreich wird, ten wie Würstchen, Burger-Patties, Fleischbällchen, müssen zudem die beim Extraktionsprozess anfallen- aber auch als sog. Fleisch-Extender zum Einsatz. Mit den Koppelprodukte wie Stärke und Fasern werthaltig der moderneren, weit weniger verbreiteten „High- verwertet werden. Hierfür braucht es neben der Tech- Moisture-Extrusion“ im Doppelwellenextruder werden nologie und dem Know-how für deren Aufbereitung größere strukturierte pflanzliche Proteine in Form von und Veredelung ein gutes Verständnis über mögli- sog. Fetzen oder Scheiben hergestellt. D iese imitie- che Anwendungsbereiche und Absatzmärkte, z. B. in ren Struktur und Textur von konventionellem Fleisch 25
PLANT BASED REVOLUTION – CHANCEN noch überzeugender, kommen bis dato jedoch erst durchschnittlichen jährlichen Kapazität von 30.000 t in wenigen, hochwertigen pflanzlichen Fleischersatz- strukturierter pflanzlicher Proteine bzw. Texturate be- produkten, wie z. B. von BeyondMeat oder denen des nötigt, um den bis dahin erwarteten Bedarf des globa- erfolgreichen Schweizer Start-ups Planted Foods zum len Plant-Meat-Marktes decken zu können. Der Kapi- Einsatz. talbedarf für Aufbau und Betrieb dieser Kapazitäten wird auf rund 27 Md. USD geschätzt. Bei diesem komplexen Verarbeitungsschritt, der häu- fig direkt durch die Proteinhersteller erfolgt, muss eine Auch wenn diese Schätzung explizit nur als Nähe- Vielzahl von Prozess-Parametern (Druck, Temperatur, rungswert zu verstehen ist, so wird doch deutlich, dass Feuchtegrad etc.) beherrscht und optimal aufeinan- der perspektivische Bedarf an Extrusionskapazitäten der abgestimmt werden. Doch nicht nur der Extrusi- im globalen Markt enorm groß ist. Dies eröffnet Chan- onsprozess selbst ist komplex. Bereits die Komposition cen für Unternehmen, die z. B. aus ihrem Kerngeschäft der Ausgangsmischung ist eine Wissenschaft für sich. bereits über Extrusions-Kompetenz verfügen, wie etwa Sie beinhaltet i. d. R. verschiedene pflanzliche Protein Snackhersteller oder Cerealien-Spezialisten sowie typen, Bestandteile wie Stärke und Fasern sowie weite- Mühlen oder Hersteller von Frühstückscerealien. re Zusatzstoffe. Neben den Prozess-Parametern ist die Rezeptur das Schlüssel-Know-how der Hersteller. Aromen, funktionale Zusatzstoffe & 4 Ingredient-Systeme Neben der passenden Proteinbasis brauchen pflanz- Durch stark wachsende Nach- liche Ersatzprodukte die optimale Sensorik bei Ge- frage und zunehmende Pro- schmack, Textur und Farbe. Dafür werden in diesen hochverarbeiteten Lebensmitteln zahlreiche funktio- duktvielfalt pflanzlicher Flei- nale Zusatzstoffe eingesetzt. Die lange Liste beinhaltet schersatzprodukte wird die bei Fleischersatzprodukten neben Geschmacks-, Aro- ma- und Farbstoffen auch Texturgeber, Stabilisatoren Verfügbarkeit kostengünstiger und Bindemittel; bei Hafer-Drinks kommen Enzyme für und für spezifische Produkte die Aufspaltung der Haferstärke sowie Öle, Fette und optimierter Texturate in großen z. T. auch Vitamin- und Mineralzusätze zum Einsatz. Mengen immer wichtiger. Längst haben sich hier große, international agierende Ingredients-Hersteller wie ADM oder Kerry sowie Her- Doch die zur Verfügung stehenden Extrusionskapa steller von Duft- und Geschmacksstoffen wie Symrise, zitäten sind begrenzt. Jüngsten Schätzungen des IFF oder Firmenich als Lieferanten im Markt positio- Good Food Instituts zufolge werden bis 2030 welt- niert. Aber auch mittelständische Ingredient-Spezia- weit mindestens 810 Produktionsstandorte mit einer listen wie Döhler oder die zur Stern-Wywiol Gruppe 26
PLANT BASED REVOLUTION – CHANCEN gehörende Planteneers haben ihr Know-how genutzt, Doch auch immer mehr mittel- um mit speziell auf die Bedürfnisse des Plant based- Marktes zugeschnittenen Produktangeboten an dem ständische Player aus der Ernäh- Wachstumsmarkt zu partizipieren. rungsindustrie haben erkannt, dass sie Ressourcen und Kompe- Die Nachfrage nach Innova tenzen aus ihrem Kerngeschäft tionen ist groß. Dies liegt auch auch für die Produktion und daran, dass die lange Liste Vermarktung pflanzlicher Ersatz- an Zusatzstoffen in direktem produkte nutzen können. Gegensatz zum gesunden Image von pflanzenbasierten Produk- Etablierte Fleischverarbeiter, Molkereien oder Cerea ten und zu Verbrauchertrends lien-Hersteller können i. d. R. direkt auf einen großen Teil bereits vorhandener Ressourcen und Kompetenzen wie Clean Label steht. aufbauen und müssen diese nicht, wie z. B. Start-ups, erst langwierig entwickeln. Hierzu zählen vorhande- Innovationen zielen aber nicht nur auf eine Reduzie- ne F&E-Kapazitäten sowie Erfahrung und Know-how rung der Zusatzstoff-Komplexität und Substitution in der Produktentwicklung, die auch für Entwicklung künstlicher Zusatzstoffe: Es geht immer auch um die von Plant-Meat- oder Plant-Dairy-Produkten genutzt Optimierung von Geschmack, Textur und Nährwert, so- werden können. Auch bestehende Fähigkeiten in der wie die Entwicklung individuell auf die Kundenbedürf- Verarbeitung spezifischer Proteinrohstoffe, wie z. B. nisse zugeschnittener Inhaltsstoffe. Hierzu gehört auch Hafer, kommen zur Anwendung: So produzieren heute die Entwicklung sog. Ingredient-Systeme, mit deren zum Beispiel einige Cerealien-Herstellern nicht nur ihre Hilfe sich Kunden schnell und einfach eine Rezeptur klassischen Hafer-Müslis sondern auch eigene Hafer- „wie aus dem Baukasten“ modular zusammenstellen Drinks. Hierbei müssen nicht immer nur die fertigen können. Dies erleichtert den Markteintritt neuer Player Endprodukte vermarktet werden. Auch Hafer-Drink- erheblich, da die ansonsten kosten- und zeitaufwän- Konzentrate können als Halbfertigprodukte an indus- dige Eigenformulierung ganzer Rezepturen hierdurch trielle Weiterverarbeiter verkauft werden, die daraus wesentlich vereinfacht wird. schnell und einfach eigene Hafer-Drinks herstellen können. Herstellung und Vermarktung End- 5 produkte Ein weiteres „Pfund“ vieler Unternehmen sind deren Nachdem die Entwicklung und Produktion von Plant- Produktionsanlagen, die oft auch für die Produktion Based-Endprodukten lange von den Pionieren domi pflanzlicher Ersatzprodukte eingesetzt werden kön- niert wurde, haben immer mehr Food Majors den nen. Gleiches gilt für das Vertriebsnetzwerk zu Kunden Markt für sich entdeckt und massiv investiert: in Zukäu- aus LEH und Food Service. Auch das Renommee bereits fe, Produktionskapazitäten, Marken, Produktinnovati- im Markt etablierter Marken sowie Erfahrungen in onen und -portfolios sowie Vermarktung. Markenaufbau und -führung zählen hierzu. 27
Sie können auch lesen