Positionspapier der BIO Deutschland Von Wissenschaft zu Wirtschaft Technologietransfer und Translation ausbauen 2021

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Positionspapier der BIO Deutschland
Von Wissenschaft zu Wirtschaft
Technologietransfer und Translation ausbauen - 2021
Berlin, 8. Dezember 2020

 Geschäftsstelle           Ansprechpartner:
 BIO Deutschland e. V.     Dr. Claudia Englbrecht
 Schützenstr. 6a           Tel: +49 30 2332164-32
 10117 Berlin              E-Mail: englbrecht@biodeutschland.org
Inhalt
1.            Zusammenfassung ............................................................................................................................. 3
2.            Einleitung ............................................................................................................................................ 5
3.            Wissens- und Technologietransfer in der Biotechnologie in Deutschland ......................................... 5
     3.1.     Status quo und Analyse ..................................................................................................................... 5
     3.2.     Handlungsempfehlungen ................................................................................................................... 7
4.            Gründungen im deutschen Biotechnologiesektor .............................................................................. 7
     4.1.     Status quo und Analyse ..................................................................................................................... 7
     4.1.1 Aktuelle Gründungsdynamik in der Biotechnologie .............................................................................. 7
     4.1.2 Politische Agenda, Strategie und Maßnahmen der Bundesregierung ................................................. 8
     4.1.3 Zugang zu Wagniskapital und Exit-Optionen für Investoren ................................................................ 8
     4.1.4 Gründungsökosysteme, Cluster und Inkubatoren ................................................................................ 9
     4.1.5 Gründungskultur, Gründungsfreundliche Universitäten, Wissenschaftseinrichtungen und
            Technologietransferorganisationen .................................................................................................... 9
     4.2.     Handlungsempfehlungen ................................................................................................................. 10
5.            Förderung, Förderanträge und Validierung in der Biotechnologie ................................................... 10
     5.1.     Status quo und Analyse ................................................................................................................... 10
     5.2.     Handlungsempfehlungen ................................................................................................................. 11

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1. Zusammenfassung
Bei der Lösung der globalen Herausforderungen hat die Biotechnologie in Bereichen wie Klima, Energie, Er-
nährung und nicht zuletzt bei der Gesundheit eine große Bedeutung. Die konsequente Umsetzung von For-
schungsergebnissen in konkrete Produkte und Dienstleistungen in diesen Bereichen wird Deutschland in Zu-
kunft noch stärker machen, um gesundheitliche und wirtschaftliche Bedrohungen zu bewältigen.

Die Corona-Pandemie führte jüngst zu einem dramatischen Einbruch der Wirtschaftsleistung in Deutschland.
Die enorme Innovationskraft der öffentlichen und privaten Forschung in der Biotechnologie leistet aber einen
wesentlichen Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie. Dies geschieht gleichermaßen über den Wissens- und
Technologietransfer zum Nutzen etablierter Unternehmen sowie durch die Gründung wissensbasierter Star-
tups1. Ergebnisse des Deutschen Biotechnologie-Reports 2020 der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY
in Kooperation mit BIO Deutschland zeigen, dass das Thema Translation in Deutschland immer wichtiger
wird bzw. einen höheren Stellenwert einnehmen sollte 2.

Das sich vielfach positiv abzeichnende Bild der Branche ist jedoch durch herausragende Einzelereignisse
geprägt (z. B. durch das Biotechnologieunternehmen BioNTech, das aus einer akademischen Translation
entstanden ist). Deutschland hat aber nach wie vor einen massiven Nachholbedarf gegenüber v. a. China
und den USA3. Steuerlich finanzierte (Grundlagen-)Forschung wird insgesamt nur sehr zögerlich und in sehr
geringem Umfang in Produkte und Dienstleistungen aus der Biotechnologie und Biomedizin überführt. Hinzu
kommt, dass die Wertschöpfung daraus oft durch nicht in Deutschland ansässige Unternehmen generiert
wird, welche die Technologien in einem frühen Stadium kostengünstig einkaufen.

Im vorliegenden Positionspapier werden daher konkrete Lösungsansätze zur Verbesserung der Transla-
tion in folgenden Bereichen aufgezeigt:

          Wissens- und Technologietransfer,
          Gründungen und
          Förderinstrumente

Aus den einzelnen Schwerpunktthemen stammen folgende wichtigste Handlungsempfehlungen, aus denen
eine klare politische Agenda zu Technologietransfer und Translation in der Biotechnologie abgeleitet werden
kann.

     1. Wissens- und Technologietransfer
Politische Agenda / Strategie
         Stärkung der politischen Agenda im Bereich der Biotechnologie mit klaren Umsetzungsperspektiven
         (u. a. Agenda „Von der Biologie zur Innovation“).
         Stärkung des Wissens- und Technologietransfers, damit sich dieser langfristig orientiert, entspre-
         chende Business Development Expertise und Kapazitäten aufbauen kann, u. a. auch um Gründun-
         gen unterstützen zu können.
         Förderung eines „Mindset-Change“ im Hinblick auf Biotechnologie und Innovation.
         Berücksichtigung erfolgreichen Technologietransfers bei der Bewertung im Rahmen von Exzellenz-
         strategien und entsprechende Ausrichtung zweck- bzw. projektgebundener Förderung.

1
  TransferAllianz: 5-Punkte-Plan für mehr Innovationen aus der öffentlichen Forschung. (2020, August 6). TransferAllianz, Deutscher
Verband für Wissens- und Technologietransfer, www.transferallianz.de/pressemitteilung/5753/
2
 „Good Translational Praxis“ EY- Deutscher Biotechnologiereport 2020, Kapital Biotech-Finanzierung in Europa, Seite 53
3
  „Europe’s start-up ecosystem: Heating up, but still facing challenges”, Baroudy K et al. representing views from McKinsey’s Technol-
ogy, Media, and Telecommunications Practice, www.mckinsey.com/industries/technology-media-and-telecommunications/our-in-
sights/europes-start-up-ecosystem-heating-up-but-still-facing-challenges

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2. Gründungen
Zugang zu Wagniskapital und Exit-Optionen für Investoren („Kapitalmarktökosystem“)
       Klares Bekenntnis der Politik, dass das Kapitalmarktökosystem zur nachhaltigen Finanzierung von
       Zukunftstechnologien wie der Biotechnologie genutzt wird.
       Prüfung und zügige Umsetzung von Modellen wie „1% für die Zukunft“ bzw. „Innovationsfinanzierung
       durch Chancenkapital“, die seit vielen Jahren vorgeschlagen werden.
       Rücknahme oder Abmilderung der Änderungen der Außenwirtschaftsverordnung (d. h. Verschärfung
       der Investitionskontrolle bei ausländischen Direktinvestitionen), die die Finanzierung von Biotechno-
       logie-Startups und Unternehmen in der Wachstumsphase in der aktuellen Form massiv gefährdet
       und zu einem großen Wettbewerbsnachteil für die Venture Capital finanzierte Hightech-Industrie in
       Deutschland wird.
Gründungsfreundliche Hochschulen und Gründungsfreundlicher Wissens- und Technologietransfer
      Förderung von Unternehmertum-unterstützenden Hochschulen; Gründungsfreundlichkeit sollte posi-
      tiv in Bewertung einfließen; Förderung von Industriekooperationen von Universitäten, insbesondere
      bei den nicht-technischen Universitäten; evtl. katalysiert über stärkere Zusammenarbeit mit Clustern.
      Förderung von neuen Life Science-Inkubatoren durch ein konkretes Förderprogramm.
Gründungskultur / „Mindset“
      Sichtbarmachung von Gründungs-Vorbildern in der Biotechnologie durch entsprechende Formate
      über die öffentlich-rechtlichen Sender
      Bereitstellung nationaler/föderaler Fördermaßnahmen für Unternehmensgründungen (Beispiel:
      HOCHSPRUNG, FLÜGGE (Bayern)); Konzept für neue Translationsinstrumente.

    3. Förderprogramme
Pre-Seed und Validierungsförderung
       Öffnung von Pre-Seed-Förderprogrammen wie z. B. die Programme EXIST und GO-Bio auch für
       gründungswillige Wissenschaftler, die die Patente selbst besitzen.
       Förderung von Validierungs- und Proof of Concept-Fonds mit überzeugenden Management- und Be-
       wertungskonzepten an Forschungseinrichtungen und Hochschulen.
       Verstärkte Förderung von herausragenden Biotechnologie-Leuchtturmprojekten, mit transparenter
       Entscheidungsgrundlage.
Verbesserte/verstärkte Förderung des Transfers von Forschungsergebnissen in die Wirtschaft
       Schnelle Wiederauflage von KMU Innovativ für die medizinische Biotechnologie; Ergänzung um För-
       derprogramme, die interdisziplinäre Ansätze zwischen den Lebenswissenschaften und digitalen
       Technologien stark fördern.
       Vereinfachung der Antragstellung durch Schaffung einer einheitlichen Antragsplattform wie z. B.
       dem Funding & Tenders-Portal der Europäischen Union.
       Erhöhung der Orientierung der Förderlandschaft an den Bedürfnissen der Unternehmen, z.B. durch
           o regelmäßige Befragung der Antragsteller in allen Förderprogrammen zu Aufwand und Nut-
               zen der Antragstellung.
           o Öffnung aller KMU-Programme für Mittelständler mit bis zu 1.000 Mitarbeitern analog zur
               neuen ZIM-Richtlinie.
           o Beibehaltung bzw. Intensivierung der Schaffung von weniger aufwändigen „Vorprogrammen“
               wie bspw. GO-Bio Initial.

        Einbeziehen von Cluster Management Organisationen in die Antragstellung (Koordination, inter-)
        nationale Partnervermittlung – besonders bei organisationsübergreifenden Ausschreibungen) und
        Umsetzung (Projektmanagement) der geförderten Projekte. Dies schließt auch die Möglichkeit der

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Finanzierung von beteiligten Clustern als Projektpartner innerhalb der Förderung ein, wie z.B. bei
         dem Förderinstrument KMU NetC.
         Mittel- bis langfristige Zusammenführung der zersplitterten deutschen Förderlandschaft in eine
         Dachorganisation, wie z. B. der schwedischen Innovationsagentur Vinnova, mit gezielter und koordi-
         nierter Förderung einer innovativen, ökonomisch attraktiven und risikoreichen Produkt- oder Dienst-
         leistungsidee bis zum Markteintritt.

2. Einleitung

Die Ausgangsbedingungen für Innovationen sind in Deutschland sehr gut: Die Ausgaben für die Forschung
und Entwicklung neuer Ideen sind im internationalen Vergleich hoch. Deutschland investiert hierfür über drei
Prozent des gesamten Bruttoinlandsprodukts.4
Die „Wissens- und Technologietransferlandschaft“ in Deutschland ist zum einen geprägt durch dafür zustän-
dige Abteilungen an Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen (so genannte Technolo-
gietransferstellen), zum anderen durch spezielle (mitunter überregional agierende) Technologietransfer-
bzw. Patentverwertungsorganisationen, die verwertbare Erfindungen identifizieren und dabei unterstützen,
die Erfindung zu schützen und in die Anwendung zu überführen. Auch Firmengründungen werden von die-
sen Einrichtungen begleitet.
Daneben gibt es sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene Innovationsförderprogramme, welche unter
anderem als Katalysator für Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft wirken sollen und somit
ebenfalls einen entscheidenden Beitrag zum Wissens- und Technologietransfer sowie zur Fachkräftegewin-
nung leisten.
Jedoch zeigt sich insbesondere in der Biotechnologie, dass die hohen Ausgaben für Forschung und Entwick-
lung nur sehr zögerlich in Wertschöpfung in Deutschland umgesetzt werden. Dies ist ein Indikator dafür,
dass das komplexe Innovationssystem mit unterschiedlichen Zuständigkeiten des Bundes und der Länder
verbessert werden sollte, um nicht international den Anschluss zu verpassen. Denn mit global steigendem
Innovationsdruck (wie beispielsweise durch die Corona-Pandemie hervorgerufen) wird die deutsche Biotech-
nologie-Branche zukünftig noch deutlich stärker auf einen funktionierenden Wissens- und Technologietrans-
fer angewiesen sein.
Das vorliegende Positionspapier analysiert die drei Bereiche Wissens- und Technologietransfer (1), Grün-
dungen (2) und Förderung, Förderanträge und Validierung (3) in der Biotechnologie und zeigt eine Reihe
von Möglichkeiten auf, um den Technologietransfer am Standort Deutschland zu optimieren.

3. Wissens- und Technologietransfer in der Biotechnologie in Deutschland

     3.1. Status quo und Analyse

Auch fast 20 Jahre nach Änderung des § 42 Arbeitnehmererfindungsgesetz und dem Aufbau von Strukturen
für den Technologietransfer an Hochschulen bleibt die Debatte aktuell, wie der Transfer wissenschaftlicher
Forschungsergebnisse aus dem Hochschulbereich in private Unternehmen weiter optimiert werden kann.
Von den Hochschulen wird erwartet, dass sie Innovationsimpulse setzen und damit einen langfristigen, stabi-
len Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft leisten.
Während die Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) aufgrund ihrer Anwendungsausrichtung noch 39 % (568 Mio.
Euro) des Drittmittelbudgets aus der Wirtschaft bezogen hat5, betrug der Anteil bei der Helmholtz-Gemein-
schaft (HGF) 13 % (155 Mio. Euro), bei der Leibniz-Gemeinschaft (WGL) 9 % (40 Mio. Euro) und bei der
Max-Planck Gesellschaft (MPG) 2 % (4 Mio. Euro). Im Vergleich dazu summierten sich die Erträge aus
Schutzrechtsvereinbarungen und Lizenzen bei der FhG auf immerhin 143 Mio. Euro (9,85 % bezogen auf
das Drittmittelbudget), bei den anderen drei Großforschungseinrichtungen auf 20 Mio. Euro (9,25 %, MPG),

4
  Transferinitiative: Mehr Ideen - mehr Erfolge. (2020). Bundeswirtschaftsministerium. www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/transferiniti-
ative.html
5
  Gemeinsame Wissenschaftskonferenz GWK. (2018). Pakt für Forschung und Innovation Monitoring-Bericht 2018. www.gwk-
bonn.de/fileadmin/Redaktion/Dokumente/Papers/GWK-Heft-58_Monitoring-Bericht-2018.pdf

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14 Mio. Euro (1,15 %, HGF) und 7 Mio. Euro (1,65 %, WGL) – also ein relativ geringer Anteil, der bei den
Universitäten noch geringer ausfällt.

Als ein wesentlicher Grund, der auch und insbesondere für den akademischen Sektor in Deutschland Gültig-
keit besitzt, wird die unterschiedliche Erwartungshaltung der Akteure im Technologietransfer angesehen.
Man spricht dort vom „unbaked cake phenomenon“ welches bedeutet, dass Wissenschaftler den Technolo-
gietransfer-Offices (TTOs) ein „metaphorical bag of flour and a cup of sugar“ zeigen, während die Investoren
und potenziellen Industriepartner für eine Lizenz einen „fully baked cake“ erwarten 6.

Die Verwertung von Forschungsergebnissen setzt eine Übertragung in die Praxis voraus. Hier mangelt es
sehr häufig noch aufgrund fehlender Anreize für die Hochschulen oder bürokratischer/dienstrechtlicher Hür-
den. Ebenfalls diskutieren Fuhrland et al.7, dass die hauptsächlichen Innovationsbarrieren gering ausgebil-
dete Transferstrukturen, eine mangelnde Transferkultur an den Hochschulen oder fehlendes betriebliches
Innovationsmanagement vor allem im Bereich der KMU sind.

Die bisher verwendeten Messgrößen „Anzahl der Wissenschaftler“, „Publikationen“, „Patentanmeldun-
gen/Patente“ sagt nichts über die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Forschungsergebnisse aus oder, ob,
wann und wo die in einer Patentanmeldung formulierte Idee eine Chance auf wirtschaftliche Umsetzung hat,
oder darüber, ob verwertbare Ergebnisse auch wahrnehmbar in eine unternehmerische Praxis transferiert
werden.

TTOs erfüllen eine kritische Rolle bei der Initiierung und beim Management von Transferbeziehungen zwi-
schen Hochschulen/Forschungseinrichtungen und Unternehmen. Die Begleitung des Forschungsprozesses
durch die TTOs im Hinblick auf die Vorbereitung und Realisierung eines erfolgreichen Technologietransfers
muss jedoch wesentlich früher als in der bisherigen Praxis ansetzen, was einen entsprechenden Zeitauf-
wand bedeutet.

TTOs erfüllen darüber hinaus im Transferprozess vielfältige Aufgaben, die je nach Fokus der Forschungsein-
richtung variieren. Zur Kernaufgabe gehören die Bereitstellung von Informationen, Vermittlung von Kontak-
ten oder Beratungsangeboten, Unterstützung bei Förderanträgen, Unterstützung bei Ausgründungen sowie
Unterstützung und Anbahnung von Industriekooperationen, Technologiebewertung, Schutzrechtssicherung,
Marketing, Lizensierung sowie Training der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in all diesen Berei-
chen. Dabei hängt der Erfolg von Transferbeziehungen ganz wesentlich von den individuellen Fähigkeiten
der Akteure ab, solche Beziehungen zu initiieren bzw. zu führen.
Dazu kommt, dass die Anforderungen im Technologietransfer nicht erst seit der Stärkung des Urheberrechts
(in jüngsten Urteilen) und der Einführung des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (Gesch-
GehG) stetig gestiegen sind. Ein Gründer bzw. eine Gründerin ist beispielsweise nicht mehr nur an einem
Patentschutz interessiert, sondern möchte vermehrt Unterstützung bei der Beratung zu weiteren Schutzrech-
ten, wie z. B. Design, Marke und Schutz von Know-how. Aktuellstes und häufig nachgefragtes Beispiel ist
Kompetenz im Bereich der computerimplementierten Erfindungen für die Stärkung digitaler Innovationen.
Hier ist eine umfassende Qualifikation der Akteure im Technologietransfer erforderlich, deren Schaffung
nach wie vor den TTOs oder Patentvermarktungsagenturen selbst überlassen ist.

Um im Biotechnologiesektor erfolgreich zu sein, müssen TTOs die (finanzielle/personelle) Möglichkeit erhal-
ten, gezielt verwertungsrelevante Projekte zu identifizieren (Scouting) und deren Entwicklung hin zu einem
höheren „Technology Readiness Level“ zu beeinflussen (Projekt-Management), aber auch für die Aufgaben-
bereiche „Vermittlung von Industriekontakten“, „Verwertung“ und „Förderung von Ausgründungen“ erfahrene
Personen aus dem Business Development-Umfeld der Unternehmen zu akquirieren. Dies wird nur dann
möglich und erfolgreich sein, wenn die internen wie externen TTOs zumindest im Ansatz ein ähnlich attrakti-
ves Umfeld vorfinden und somit für erfahrene Personen aus dem Business Development ggf. eine Alterna-
tive zu einer Industrieanstellung bieten. Die TTOs müssen ganzheitlich arbeiten, im Institut anerkannt und
eingebunden sein.

6
  Think universities are making lots of money from inventions? Think again. (2020, Januar 17). The Hechinger Report, https://heching-
erreport.org/think-universities-are-making-lots-of-money-from-inventions-think-again/
7
  Fuhrland, M. et al. (2017). Indikatorik zum forschungsbasierten Transfer von Know-how und Technologie. Wissenschaftsmanagement,
2, 24–31, www.wissenschaftsmanagement.de/dateien/dateien/archiv/downloaddateien/wima_02_2017_0.pdf

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Als Ergänzung zur vorstehenden Analyse des Technologietransfers in Deutschland möchten wir abschlie-
ßend noch auf das kürzlich von der BIO Deutschland e.V. publizierte „Leitbild Technologietransfer“8 hinwei-
sen, das kompakt die Ausrichtung und Ziele des Technologietransfers beleuchtet. Gemäß dem Leitbild sind
Lehre, Forschung und Wissens- und Technologietransfer gleichwertige Aufgaben der Universitäten und
Hochschulen. Dies setzt eine Kontinuität in den Aktivitäten des Wissens- und Technologietransfers voraus,
wobei auch Anreize für den gezielten Technologietransfer aus den einzelnen Einrichtungen heraus geschaf-
fen werden sollten, z. B. durch die Verteilung zusätzlicher Haushaltsmittel an Institute oder Abteilungen. Eine
optimale Verzahnung der einzelnen Akteure (z. B. Erfinder, Rechtsabteilung, Drittmittelabteilung, Technolo-
gietransferstelle, Patentverwertungsagentur, Gründerberatung/Wirtschaftsförderung) ist ebenfalls eine zent-
rale Forderung des Leitbilds.

       3.2. Handlungsempfehlungen

Politische Agenda / Strategie
         Stärkung der politischen Agenda im Bereich der Biotechnologie mit klaren Umsetzungsperspektiven
         (u. a. Agenda „Von der Biologie zur Innovation“).
         Stärkung des Wissens- und Technologietransfers, damit sich dieser langfristig orientiert, entspre-
         chende Business Development Expertise und Kapazitäten aufbauen kann, um das Lizenzgeschäft
         professionell zu betreiben und Gründungen unterstützen zu können.
         Förderung eines „Mindset-Change“ im Hinblick auf Biotechnologie und Innovation.
         Berücksichtigung eines erfolgreichen Technologietransfers bei der Bewertung im Rahmen von Ex-
         zellenzstrategien und eine darauf ausgerichtete zweck- bzw. projektgebundene Förderung.
         Etablierung von Anreizen für Akademia bzw. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zur Beteili-
         gung am Technologietransfer, z. B. durch Einfließen von Industriekollaborationen, Lizenzierungen
         und Gründungen in die Bewertung einer Abteilung oder einer Gruppe.
         Ausrichtung des Technologietransferleitbilds auf Unterstützung zur Ausgründung und Verwertung
         von Forschungsergebnissen und stärkere Berücksichtigung der langfristigen Erlöse im Gegensatz zu
         einer kurzfristigen Profitrealisierung.
         Integration der TTOs in den „Pakt für Forschung und Innovation“ (PAKT IV 2021-2030).
         Ausweitung des WIPANO-Programms bzw. Entwicklung eines neuen Konzepts.
         Verbesserung der nationalen und internationalen Zusammenarbeit im Technologietransfer (Trans-
         ferAllianz, ASTP, AUTM), Ausbau regionaler Transferplattformen (Beispiel: „Innovation Hub 13 – fast
         track to transfer“).

4. Gründungen im deutschen Biotechnologiesektor

       4.1. Status quo und Analyse

          4.1.1 Aktuelle Gründungsdynamik in der Biotechnologie

Unternehmensneugründungen waren und sind für die Entwicklung des Biotechnologie-Sektors in Deutsch-
land maßgeblich. Biotech-Start-ups sind unerlässliche „Kraftwerke“ für die Translation wissenschaftlicher
Forschungsergebnisse in echte Innovationen, und für die Gesamtbranche ist eine bestimmte Erneuerungs-
rate entscheidend für weiteres Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit. Auch in Bezug auf die internationale
Sichtbarkeit des deutschen Biotechnologie-Sektors und die Attraktivität für Investoren und Industriepartner
ist eine kritische Masse an innovativen Neugründungen vonnöten. Nach 20 Neugründungen im Jahr 2018
wurden laut Deutschem Biotechnologiereport 2020 im Jahr 2019 immerhin 29 Biotech-Start-ups in Deutsch-

8
    BIO Deutschland, 2020, Leitbild Technologietransfer, www.biodeutschland.org/de/positionspapiere/leitbild-technologietransfer.html

                                                                                                                            Seite 7/13
land gegründet, d. h. ein negativer Trend konnte vorläufig gestoppt werden. Auch die Zahl der Therapieent-
wickler konnte wieder auf 41 % gesteigert werden. Dennoch ist dies kein Grund, sich zurückzulehnen. Be-
trachtet man neben der reinen Anzahl an Gründungen als alternativen Indikator die Anzahl an Startup-Deals,
d. h. das erste Mal, das ein biomedizinisches Unternehmen Seed- oder Startup Venture Capital eingeworben
hat, landet Deutschland im Europäischen Vergleich erst auf dem 13. Platz 9.

       4.1.2 Politische Agenda, Strategie und Maßnahmen der Bundesregierung

Die aktuelle Hightech-Strategie 2025 der Bundesregierung sieht zwar das Potenzial biologischer und lebens-
wissenschaftlicher Erkenntnisse und Verfahren (sowie digitaler Technologie als Querschnittstechnologie) als
zentrale Treiber für den Fortschritt. Vor der Corona-Pandemie stand aber in Bezug auf die Lebenswissen-
schaften vor allem das Thema der Bioökonomie und nachhaltiges Wirtschaften für Klima, Energie und Er-
nährung auf der politischen Agenda; dies ist wichtig, jedoch muss das Thema der Biotechnologie für unsere
Gesundheit auch nach der Pandemie ebenso im Fokus bleiben.

       4.1.3 Zugang zu Wagniskapital und Exit-Optionen für Investoren

Beim Zugang zu Wagniskapital gibt es seit 2017 keine nennenswerten Fortschritte: Der schon für 2018 ge-
plante Tech Growth Fund existiert bisher nicht. Die 2018 gegründete KfW Capital GmbH & Co. KG investiert
ohne Branchenfokus in Venture Capital- und Venture Debt-Fonds, die Biotech-VC-Investitionen in Deutsch-
land lagen in den Jahren 2016 bis 2019 ziemlich stabil bei durchschnittlich knapp 210 Mio. Euro/Jahr, wenn
man die beiden Ausnahmefinanzierungsrunden der BioNTech (2018: 228,8 Mio. Euro; 2019: 290,3 Mio.
Euro) herausrechnet. Beim IPO, dem Königsweg des Exits, hinkt Deutschland weiter hinterher.
Nach einer Nullnummer im Jahr 2018 gab es 2019 mit BioNTech und Centogene zwei IPOs, 2020 bisher
ebenfalls zwei mit CureVac und Immatics, die an der NASDAQ stattfanden. Der deutsche Kapitalmarkt bleibt
für Biotechs unattraktiv. Zum Vergleich: In Europa betrugen die Biotech-VC-Investitionen 2019 3,1 Mrd.
Euro, die 11 IPOs fanden mit wenigen Ausnahmen über lokale Börsen auch überwiegend an der NASDAQ
statt.
Dagegen besteht in den USA ein konstant sehr viel höheres Niveau und dies ist der Schlüssel zu einem
funktionsfähigen Biotech-Sektor. Allein im Jahr 2019 betrugen die VC-Investitionen dort 14,9 Mrd. USD$ und
es kam zu 46 IPOs10.Die Bundesregierung hat sich zwar die „Prüfung der Einführung steuerlicher Anreize
zur Mobilisierung von privatem Wagniskapital über die bisherigen Maßnahmen hinaus“ auf die Fahnen ge-
schrieben. Konkrete Fortschritte hierzu gibt es aber leider bislang nicht.

Durch das in Europa übliche Altersversorgungssystem auf Umlagebasis fehlt eine wesentliche Basis der Ka-
pitalakkumulation, die vor allem in den USA die Grundlage für ein sehr produktives Ökosystem der Chancen-
kapitalfinanzierung11 bildet. Das betrifft das klassische VC-Kapital in der Frühphase und institutionelle Inves-
toren, die bei börsennotierten Unternehmen in innovative Entwicklung investieren. Diese eröffnen den in der
Frühphase aktiven VC Investoren die Möglichkeit, die eingesetzten Mittel über den Börsengang mit Gewinn
zurückzuholen und bieten den Wachstumsunternehmen an der Börse die Finanzierung bis zur Marktreife
oder Marktdurchdringung. In Deutschland bedarf es dagegen staatlicher Flankierung, um private Investitio-
nen in Chancenkapital attraktiver werden zu lassen.

Eine weitere negative Entwicklung für das Kapitalmarktökosystem in der Biotechnologie ist die im Juli 2020
erfolgte Änderung der Außenwirtschaftsverordnung. Für Beteiligungen durch ausländische Investoren be-
steht mit der Änderung nun eine Prüfungserfordernis durch das BMWi bei Beteiligung von mindestens 10 %
an Unternehmen im Gesundheitssektor, was auch die meisten Biotech Start-ups und KMU betrifft. Durch die

9
  van Wilgenburg B. et al., Nature Biotechnology, „Mapping the European Startup Landscape“, Volume 37, pages345–349(2019), für die
Jahre 2013-2017, bezogen auf die Einwohnerzahl: die Schweiz, Dänemark und Irland landen auf den ersten drei Plätzen, danach fol-
gen Großbritannien, Schweden, Finnland, Niederlande, Belgien, Portugal, Frankreich, Österreich, Spanien und Deutschland,
https://www.nature.com/articles/s41587-019-0076-4
10
   EY. (2020, April). „Good Translational Praxis“ EY- Deutscher Biotechnologiereport 2020. Ernst & -Young GmbH. https://as-
sets.ey.com/content/dam/ey-sites/ey-com/de_de/news/2020/04/ey-deutscher-biotech-report-2020.pdf, S. 53
11
   BIO Deutschland, Mai 2019, Positionspapier zum Thema Innovationsfinanzierung mit Chancenkapital, www.biodeutsch-
land.org/de/positionspapiere/positionspapier-zum-thema-innovationsfinanzierung-mit-chancenkapital.html

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neuen Vorschriften bei der Beteiligung ausländischer Investoren wurde die Möglichkeit für Venture Capital
Fonds, in innovative Life Science Unternehmen in Deutschland zu investieren, erheblich erschwert.

     4.1.4 Gründungsökosysteme, Cluster und Inkubatoren

Bei der Unterstützung von Gründungen in der Biotechnologie spielen die regionalen Biotechnologie-„Cluster“
als Ansprech- und Vernetzungspartner in sogenannten „Gründungs-Ökosystemen“ in Deutschland eine zent-
rale Rolle. Mit der 2019 ausgeschriebenen „Zukunftscluster-Initiative“ fördert der Bund eher wissenschaftlich
ausgerichtete Innovationsnetzwerke, Gründungs-Ökosysteme stehen hier nicht ausdrücklich im Fokus.
Zunehmend spielen in den lokalen Gründungs-Ökosystemen auch spezialisierte Infrastrukturen und Pro-
gramme, sogenannte „Inkubatoren“ oder „Acceleratoren“ eine entscheidende Rolle bei der Translation von
Forschungsergebnissen in erfolgreiche Ausgründungen. Eine Vorreiterrolle nehmen hier Strukturen in den
USA, wie das Lab Central in Boston oder die MBC Biolabs in San Francisco ein. Da biotechnologische Inno-
vationen immer weniger in Großunternehmen, sondern vielmehr im akademischen Umfeld und in Startups
entstehen, gibt es auch zunehmend Initiativen großer Pharmaunternehmen („Corporate Inkubatoren“), sich
bei der Unterstützung von Start-ups zu engagieren.
In der aktuellen Hightech-Strategie der Bundesregierung gibt es zwar erfreulicherweise die Zielsetzung, sol-
che Strukturen fördern zu wollen12 und im Bereich der Raumfahrt werden auch bereits Strukturen geför-
dert13, aber im Bereich der Life Sciences gibt es noch keine konkrete Fördermaßnahme des Bundes. Ein be-
sonderes Format zur Erschließung des Zugangs zu internationalen Investoren und Märkten ist der 2015 von
der Bundesregierung gestartete „German Accelerator Life Sciences“ (GALS), der jungen Biotechnologie-Un-
ternehmen bislang sehr erfolgreich Büroräumlichkeiten in Boston, USA, und Unterstützung beim Netzwerk-
zugang zu möglichen Partnern und Investoren in einem der führenden U.S. Biotech Cluster bietet.

     4.1.5 Gründungskultur, Gründungsfreundliche Universitäten, Wissenschaftseinrichtungen und
     Technologietransferorganisationen

Der Fundort des Nibelungenschatzes ist bekannt. Das Heben des Schatzes gestaltet sich aus mehreren
Gründen aber weiterhin schwierig:
Deutschland hat im internationalen Vergleich eine geringe Gründungsquote von 7,6 %, bei 33 Ländern mit
vergleichbar hohem Einkommen ist das Rang 28, also der fünftletzte Platz mit großem Rückstand gegen-
über USA, Kanada und Chile14.
Begrüßenswert sind vom Bund unterstützte Programme wie „JUGEND GRÜNDET“, das mit der Thematik
bereits in den Schulen ansetzt oder das Programm „Young Entrepreneurs in Science“. Ziel dieses Pro-
gramms ist es, hochqualifizierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern schon während oder kurz nach
ihrer Promotion neue Karriere- und Entwicklungsperspektiven zu eröffnen und durch Kontakt zu Gründern
und Gründerinnen eine praxisnahe Auseinandersetzung mit den Chancen und Herausforderungen des Un-
ternehmertums zu ermöglichen15.
Insgesamt fehlen standardisierte, gründungsfreundliche Modelle, wie man sie bei führenden Transfereinrich-
tungen im Ausland findet. Die Max-Planck-Innovation GmbH hat hier inzwischen Defizite erkannt und arbei-
tet als eine der wenigen deutschen Transferorganisationen an standardisierten und gründungsfreundlichen
Konditionen bzw. Standardverträgen, die vorbildhaft werden könnten.

12
   „Potenziellen Unternehmensgründungen mit guten Ideen fehlt es häufig am Zugang zum notwendigen technischen Equipment, zur
etablierten Wirtschaft und zu den passenden Netzwerken. Wesentlicher Bestandteil unserer Technologieförderung ist daher die Stär-
kung von Startup-Ökosystemen durch die Förderung von Gründungsinkubatoren, die Schaffung von Experimentierräumen und Testla-
boren sowie die Entwicklung von Technologie-Bausteinen für den niederschwelligen Einstieg. Damit wollen wir auch die Maker-Bewe-
gung stärken und ihre Potenziale für das Innovationsgeschehen heben“, aus der Hightech Strategie 2025 der Bundesregierung, S. 52
13
   ESA Business Incubation Centres, www.hightech-strategie.de/de/massnahme.php?D=498
14
   R. Sternberg et al, “Global Entrepreneurship Monitor 2019/2020”, /www.rkw-kompetenzzentrum.de/gruendung/studie/global-entrepre-
neurship-monitor-20192020
15
   „Young Entrepreneurs in Science”, https://youngentrepreneursinscience.com/

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4.2.     Handlungsempfehlungen

Zugang zu Wagniskapital und Exit-Optionen für Investoren („Kapitalmarktökosystem“)
       Klares Bekenntnis der Politik, dass das Kapitalmarktökosystem zur nachhaltigen Finanzierung von
       Zukunftstechnologien wie der Biotechnologie genutzt wird.
       Prüfung und zügige Umsetzung von Modellen wie „1% für die Zukunft“16 bzw. „Innovationsfinanzie-
       rung durch Chancenkapital“17, die seit vielen Jahren vorgeschlagen werden.
       Rücknahme oder Abmilderung der Änderungen der Außenwirtschaftsverordnung ( = Verschärfung
       der Investitionskontrolle bei ausländischen Direktinvestitionen), die die Finanzierung von Biotechno-
       logie-Start-ups und Unternehmen in der Wachstumsphase in der aktuellen Form massiv gefährdet
       und zu einem großen Wettbewerbsnachteil für die Venture Kapital finanzierte Hightech-Industrie in
       Deutschland wird18.
Gründungsfreundliche Hochschulen und gründungsfreundlicher Wissens- und Technologietransfer
      Förderung von Unternehmertum unterstützenden Hochschulen; Gründungsfreundlichkeit sollte posi-
      tiv in die Bewertung einfließen; Förderung von Industriekooperationen von Universitäten, insbeson-
      dere bei den nicht-technischen Universitäten; evtl. katalysiert über stärkere Zusammenarbeit mit
      Clustern.
      Förderung von neuen Life Science Inkubatoren durch ein konkretes Förderprogramm.
Gründungskultur/„Mindset“
       Sichtbarmachung von Gründungs-Vorbildern in der Biotechnologie durch entsprechende Formate
       über die öffentlich-rechtlichen Sender.
       Bereitstellung nationaler/föderaler Fördermaßnahmen für Unternehmensgründungen (Beispiel:
       HOCHSPRUNG, FLÜGGE (Bayern)); Konzept für neue Translationsinstrumente.
Weiteres
       Ausschreibung eines nationalen Gründungscluster-Wettbewerbs und Förderung der strategischen
       Weiterentwicklung bestehender Cluster (aufbauend auf der Spitzenclusterförderung; v. a. Förderung
       der interdisziplinären Ausrichtung im Hinblick auf Digitalisierung/Deep Tech und im Hinblick auf die
       Schaffung herausragender Gründungs-Ökosysteme.
       Transparente und effiziente Erstellung von Vertragswerken von Transfereinrichtungen bei der Ausli-
       zensierung/Anteilsübernahme bei Ausgründungen; Gründungsfreundliche Konditionen.
       Intensivierte Förderung von unternehmerischem Denken bereits an den Schulen; Aufnahme von
       Entrepreneurship im Lehrplan für das Fach Wirtschaft und Recht, in naturwissenschaftlichen Fä-
       chern, Förderung von Wettbewerben, Auszeichnung von „Unternehmerischen Schulen“.
       Fortsetzung der Förderung von Programmen zur Förderung von unternehmerischem Denken bei
       Wissenschaftlern, z. B. des Austausches zwischen Hochschul- und Industrieprofessoren (sabbatical
       oder langfristig).

5. Förderung, Förderanträge und Validierung in der Biotechnologie

       5.1. Status quo und Analyse
Staatlich geförderte Kooperationsprojekte von Hochschulen bzw. Forschungseinrichtungen mit Unterneh-
men, insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), stellen eine der wichtigsten Säulen des Wis-
sens- und Technologietransfers dar. Die Förderung von Verbundprojekten senkt Entwicklungsrisiken für
kleine und mittlere Unternehmen, schafft Anreize zum Ausschöpfen des Innovationspotenzials am Standort

16
  EY April 2019, „Zahlensprünge“ - EY Deutscher Biotechnologiereport 2019, Seiten.19-24
17
   BIO Deutschland, Mai 2020, Positionspapier zum Thema Innovationsfinanzierung mit Chancenkapital, www.biodeutsch-
land.org/de/positionspapiere/positionspapier-zum-thema-innovationsfinanzierung-mit-chancenkapital.html
18
   Startup-Verband befürchtet Schwächung des Gründungsstandortes durch Verschärfungen im Außenwirtschaftsrecht. (2020, Mai 13).
Bundesverband Deutscher Startups. https://deutschestartups.org/2020/05/13/startup-verband-befuerchtet-schwaechung-des-gruen-
dungsstandortes-durch-verschaerfungen-im-aussenwirtschaftsrecht

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und unterstützt so langfristig die Wettbewerbsfähigkeit. Daneben gibt es seit 2020 erstmalig die Möglichkeit
der steuerlichen Förderung von Forschungs- und Entwicklungsarbeiten (Forschungszulagengesetz).
Hauptmerkmal des deutschen Innovationsfördersystems ist eine starke Fragmentierung der Programme zwi-
schen einer Vielzahl von Ministerien und Projektträgern, die es insbesondere kleinen und mittelständischen
Unternehmen schwer macht, hier den Überblick zu behalten. Während manche Programme wie ZIM oder
KMU Innovativ bereits über einen längeren Zeitraum bestehen und durch diese Kontinuität zur Erfolgsge-
schichten geworden sind, werden andere, für gezielten Technologietransfer wichtige Themen nur einmalig
ausgeschrieben, und dies oft sehr kurzfristig (drei bis vier Monate Vorlauf), wodurch ein Mangel an Planbar-
keit entsteht. Selbst bei den gut etablierten Programmen ergeben sich immer wieder Lücken, z. B. durch
Richtlinienwechsel.
Zudem sind beim bestehenden System der projektbezogenen Zuschuss-Förderung Aufwand und Nutzen oft
unausgewogen – unter anderem vor dem Hintergrund:
       komplexer und zwischen den einzelnen Förderprogrammen sehr unterschiedlich gestalteter Aus-
       schreibungsverfahren,
       einer hohen Überzeichnung einzelner Ausschreibungen durch sehr offene Themenstellungen,
       sehr langer Begutachtungszeiten (mitunter neun Monate und mehr), bis ein erstes Ergebnis an die
       Antragsteller kommuniziert wird,
       der Schwierigkeit, die notwendigen Informationen zu bekommen, da die Projektträger mit Blick auf
       „Kundenorientierung“ sehr unterschiedlich agieren.
Der Aufwand wurde in den letzten Jahren durch verkürzte Varianten mancher Programme deutlich verein-
facht, z. B. GO-Bio Initial, KMU NetC, die Machbarkeitsstudien in der neuen ZIM-Richtlinie oder das Ein-
stiegsmodul von KMU Innovativ; diese Herangehensweise wird im Sinne eines effizienten Technologietrans-
fers sehr begrüßt.
Cluster und Netzwerke stellen einen wichtigen Motor für Translation in den Lebenswissenschaften dar, da
sie Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft gezielt zusammenbringen. Diese werden meist mithilfe einer
öffentlichen Förderung aufgebaut und müssen sich dann im Verlauf mehrerer Jahre eigene Finanzierungs-
quellen erschließen. Gleichzeitig wird über immer neue Förderprogramme zur Erzeugung cluster-ähnlicher
Strukturen wie z. B. die Innovationsräume Bioökonomie, die ZIM-Netzwerke oder auf Zukunftsclusterinitiative
des BMBF die Gründung immer neuer Cluster forciert, die dann in Konkurrenz zu bereits etablierten Clustern
und Netzwerken stehen. So werden oft auf kleinem Raum unnötige Doppelstrukturen aufgebaut.
Um deutsche Forschungsergebnisse in erfolgreiche Produkte und Dienstleistungen zu überführen, ist oft
eine Kooperation mit ausländischen Partnern nötig und auch seitens der Fördermittelgeber ausdrücklich ge-
wünscht. Die deutsche Förderlandschaft bietet zwar Möglichkeiten, die deutschen Projektpartner entspre-
chend zu unterstützen, doch auf der ausländischen Seite sind die entsprechenden Mittel oft nicht vorhanden,
und es bleibt im Wesentlichen den Antragstellern überlassen, nach Finanzierungsquellen für die Arbeiten der
Kooperationspartner zu suchen. Dies ist gegenläufig zur gewünschten, erfolgreichen und sich gegenseitig
befruchteten internationalen Kooperation.

    5.2. Handlungsempfehlungen
Pre-Seed und Validierungsförderung
       Öffnung von Pre-Seed-Förderprogrammen wie bspw. die Programme EXIST und GO-Bio auch für
       gründungswillige Wissenschaftler, die die Patente selbst besitzen.
       Förderung von Validierungs- und Proof of Concept-Fonds mit überzeugenden Management- und Be-
       wertungskonzepten an Forschungseinrichtungen und Hochschulen.
       Verstärkte Förderung von herausragenden Biotechnologie-Leuchtturmprojekten, mit transparenter
       Entscheidungsgrundlage.

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Verbesserte/verstärkte Förderung des Transfers von Forschungsergebnissen in die Wirtschaft
       Schnelle Wiederauflage von KMU Innovativ für die medizinische Biotechnologie; Ergänzung um För-
       derprogramme, die interdisziplinäre Ansätze zwischen den Lebenswissenschaften und digitalen
       Technologien stark fördern.
       Vereinfachung der Antragstellung durch Schaffung einer einheitlichen Antragsplattform wie z. B.
       dem Funding & Tenders-Portal der Europäischen Union.
       Erhöhung Orientierung der Förderlandschaft an den Bedürfnissen der Unternehmen, z. B. durch
            o regelmäßige Befragung der Antragsteller in allen Förderprogrammen zu Aufwand und Nut-
                zen der Antragstellung,
            o Öffnung aller KMU-Programme für Mittelständler mit bis zu 1.000 Mitarbeitern analog zur
                neuen ZIM-Richtlinie,
            o Beibehaltung bzw. Intensivierung der Schaffung von weniger aufwändigen „Vorprogrammen“
                wie z. B. GO-Bio Initial.
       Verbesserung der Planbarkeit für die Antragsteller durch
            o jährliche Veröffentlichung eines gesamtdeutschen Innovationsprogramms in Analogie zu
                den „Work Programmes“ der Europäischen Union für Horizon 2020
            o verpflichtende Angabe einer Zeitspanne in der Ausschreibung, binnen derer die Antragstel-
                ler mit einer Rückmeldung rechnen können, sowie das regelmäßige Monitoring, ob diese
                Zeitspanne auch eingehalten wurde. Dies sollte unter anderem eine Grundlage für die Be-
                wertung der Arbeit der Projektträger sein.
            o ausreichende Ausstattung der Projektträger mit Ressourcen, um lange Bearbeitungszeiten
                zu vermeiden.
            o Abschaffung von Deadlines bei Programmen, die über einen längeren Zeitraum laufen (z. B.
                KMU Innovativ); im Programm ZIM ist bereits jetzt eine kontinuierliche Antragstellung mög-
                lich.
       Weitere Senkung von Zugangshürden zu Förderprogrammen insbesondere für sehr junge innovative
       Unternehmen und Startups (wie z. B. schon bei ZIM2020 erfolgt)
            o Einführung klarer Eskalationsstufen für Antragsteller, die ein Anliegen vorbringen möchten.
            o Einführung eines partizipativen Prozesses bei der Gestaltung der Ausschreibungen analog
                zu den „Surveys“ der Europäischen Kommission.
            o Reduzierung des Aufwands für die Datenbereitstellung an die Begleitforschung großer Rah-
                menprogramme.
            o Konstitution eines Advisory Boards für die Lebenswissenschaften.
            o Höchstmögliche Flexibilisierung von Kostenarten innerhalb laufender Projekte.
            o Intensivierung von Förderprogrammen, bei denen Cluster- und Netzwerkorganisationen als
                vorgeschaltete Einheit Projektideen sondieren, welche für die in der Region ansässigen
                Partner als besonders wichtig einschätzen; diese sollten dann mit Unterstützung der Cluster-
                bzw. Netzwerkorganisation gezielt in eine Antragstellung mit hohen Erfolgsaussichten ge-
                bracht werden (Erfolgsbeispiel ist hier KMU-NetC).
       Einbeziehen von Cluster Management Organisationen in die Antragstellung (Koordination,
       (inter-)nationale Partnervermittlung – besonders bei organisationsübergreifenden Ausschreibungen)
       und Umsetzung (Projektmanagement) der geförderten Projekte. Dies schließt auch die Möglichkeit
       der Finanzierung von beteiligten Clustern als Projektpartner innerhalb der Förderung ein, wie z. B.
       bei dem Förderinstrument KMU NetC.
       Mittel- bis langfristige Zusammenführung der zersplitterten deutschen Förderlandschaft in eine
       Dachorganisation, wie z. B. der schwedischen Innovationsagentur Vinnova, mit gezielter Förderung
       einer innovativen, ökonomisch attraktiven und risikoreichen Produkt- oder Dienstleistungsidee bis
       zum Markteintritt.

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Die Stellungnahme wurde von der Arbeitsgruppe Technologietransfer der BIO Deutschland erarbeitet.
Die Arbeitsgruppe „Technologietransfer“, BIO Deutschland e.V.:

Dr. Isabell Schwenkert, Innos GmbH, und Prof. Dr. Heike Wieland, Sanofi Deutschland GmbH, leiten die Arbeitsgruppe „Technologie-
transfer“ mit Vertreterinnen und Vertretern folgender Organisationen: Ascenion GmbH, Bayer AG, Bayerische Patentallianz GmbH,
bbCell GmbH, BCNP Consultants GmbH, Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH, BioM Biotech Cluster Development
GmbH , BioPark Regensburg GmbH , BioRN Network e. V., biosaxony e. V., BMD Life Sciences GmbH, CMS Hasche Sigle Partner-
schaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern mbB, Deutsches Krebsforschungszentrum, EMBLEM Technology Transfer GmbH,
Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V., Innos GmbH, Innovations- und Gründerzentrum Würzburg ,
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Max-Planck-Innovation GmbH, Patentanwälte Isenbruck Bösl Hörschler PartG mbB, PRO-
vendis GmbH, Sanofi Aventis Deutschland GmbH, Sino German Hi-Tech Park Holding GmbH & Co. KG, Technische Universität Mün-
chen, Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene, Technologiepark Heidelberg GmbH ,Technology Transfer Hei-
delberg GmbH, Weitnauer Partnerschaft mbB, Rechtsanwälte Steuerberater

Die Biotechnologie-Industrie-Organisation Deutschland e. V. (BIO Deutschland) hat sich mit ihren mehr als 340 Mitgliedsfirmen zum Ziel
gesetzt, in Deutschland die Entwicklung eines innovativen Wirtschaftszweiges auf Basis der modernen Biowissenschaften zu unterstüt-
zen und zu fördern. Oliver Schacht, PhD ist Vorstandsvorsitzender der BIO Deutschland.

Fördermitglieder der BIO Deutschland und Branchenpartner sind:
AGC Biologics, Avia, Baker Tilly, Bayer, BioSpring, Boehringer Ingelheim, Centogene, Clariant, CMS Hasche Sigle, Deutsche Bank,
EBD Group, Ernst & Young, Evotec, Exyte Central Europe, Isenbruck, Bösl, Hörschler, Janssen-Cilag, KPMG, Merck, Miltenyi Biotec,
MorphoSys, Novartis, Pfizer, Phenex Pharmaceuticals, PricewaterhouseCoopers, QIAGEN, Roche Diagnostics, Sanofi Aventis
Deutschland, SAP, Thermo Fisher Scientific, TVM Capital, Vertex Pharmaceuticals.
.

         Kontakt
Weitere Informationen zur Tätigkeit der BIO Deutschland erhalten Sie gerne auf Anfrage bei der Geschäfts-
stelle des Verbandes oder unter www.biodeutschland.org.

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Tel.: 030-2332164 30
Fax: 030-2332164 38
E-Mail: info@biodeutschland.org
Web: www.biodeutschland.org

                                                                                                                        Seite 13/13
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