Pr#ventionsforum 2020 - DOKUMENTATION - GKV-Spitzenverband
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WORKSHOPS 1 Pr#ventionsforum 2020 DOKUMENTATION Das Präventionsforum wird durchgeführt von der Die Träger der Nationalen Präventionskonferenz (NPK):
Impressum Herausgeber: Redaktionelle Bearbeitung: Die Träger der Nationalen Präventionskonferenz: Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung e. V. (BVPG) GKV-Spitzenverband Heilsbachstraße 30 Reinhardtstraße 28 53123 Bonn 10117 Berlin Telefon: 0228 987270 Telefon: 030 206288-0 E-Mail: info@bvpraevention.de E-Mail: kontakt@gkv-spitzenverband.de Internet: www.bvpraevention.de Internet: www.gkv-spitzenverband.de Gestaltung: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. BBGK Berliner Botschaft Spitzenverband Gesellschaft für Kommunikation mbH Glinkastraße 40 10117 Berlin Bildnachweis: Telefon: 030 13001-0 Tom Maelsa/tommaelsa.com E-Mail: info@dguv.de Internet: www.dguv.de Die Nationale Präventionskonferenz (NPK) wurde mit dem am 25. Juli 2015 in Kraft getretenen Gesetz Sozialversicherung für Landwirtschaft, zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Forsten und Gartenbau Prävention (Präventionsgesetz) eingeführt. Ihre Weißensteinstraße 70–72 Aufgabe ist es, eine nationale Präventionsstrategie 34131 Kassel zu entwickeln und fortzuschreiben (§§ 20d und Telefon: 0561 785-0 20e SGB V). Träger der NPK sind die gesetzliche E-Mail: 110_verbandskontakte@svlfg.de Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung sowie Internet: www.svlfg.de die soziale Pflegeversicherung, vertreten durch ihre Spitzenorganisationen: Deutsche Rentenversicherung Bund GKV-Spitzenverband als Spitzenverband Bund der Ruhrstraße 2 Kranken- und Pflegekassen, 10709 Berlin Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, Telefon: 030 865-0 Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten E-Mail: drv@drv-bund.de und Gartenbau sowie Internet: www.deutsche-rentenversicherung.de Deutsche Rentenversicherung Bund. Sie bilden die NPK als Arbeitsgemeinschaft nach sowie als stimmberechtigtes NPK-Mitglied: § 94 Absatz 1a SGB X. Verband der Privaten Krankenversicherung e. V. www.npk-info.de Heidestraße 40 10557 Berlin Telefon: 030 204589-0 E-Mail: kontakt@pkv.de Internet: www.pkv.de
Pr#ventionsforum 2020 DOKUMENTATION Das Präventionsforum wird durchgeführt von der Die Träger der Nationalen Präventionskonferenz (NPK):
4 INHALTSVERZEICHNIS Inhalt Einführung Präventionsforum 2020: Wie gelingt ein gesamtgesellschaftlicher und politikfeldübergreifender Aufbruch?........................................... 6 Begrüßung Das Präventionsforum erstmals als hybride Veranstaltung................................................................................. 7 Teil 1: Gesundheitsförderung und Prävention in der Pflege.................................................................... 8 Einführungsinterview Die Zukunft besser machen als die Gegenwart................................................................................................. 8 Fachvortrag Gesundheitsförderung und Prävention in der Pflege: Unsere Maßnahmen müssen schärfer werden!................................................................................................ 10 Diskussionsforum Gesunde Pflegekräfte und optimal versorgte Pflegebedürftige: Welchen Beitrag kann und sollte die NPK leisten?............................................................................................ 13 Fachforum Von der Theorie in die Praxis: Wie kann ein gesamtgesellschaftlicher und politikfeldübergreifender Aufbruch bei Gesundheitsförderung und Prävention in der Pflege gelingen? .................................................. 17 Ergebnisdiskussion Auch wenn es bisher Trippelschritte sind: Die Richtung stimmt...................................................................... 21
INHALTSVERZEICHNIS 5 Teil 2: Psychische Gesundheit im familiären Kontext .......................................................................... 24 Einführungsinterview Hilfen so aufeinander abstimmen, dass sie dort ankommen, wo sie nötig sind............................................. 24 Fachvortrag Psychische Gesundheit im familiären Kontext: Zwingend notwendig ist ein kommunales Gesamtkonzept............................................................................. 26 Diskussionsforum Was kann und sollte die NPK beitragen, um die Gesundheit von Kindern aus psychisch belasteten Familien zu stärken? .............................................................................................. 29 Fachforum Von der Theorie in die Praxis: Wie kann ein gesamtgesellschaftlicher und politikfeldübergreifender Aufbruch bei psychischer Gesundheit im familiären Kontext gelingen?........................................................... 33 Ergebnisdiskussion Mehr Zusammenarbeit für ein gesundes Aufwachsen...................................................................................... 36 Ausblick Wie weiter nach dem Präventionsforum?........................................................................................................ 38
6 EINFÜHRUNG Präventionsforum 2020: Wie gelingt ein gesamtgesellschaftlicher und politikfeldübergreifender Aufbruch? Das fünfte Präventionsforum am 23. September 2020 anstaltung statt.1 Moderierende, Referierende und hat gleich zwei politisch aktuelle Themen fokus- Diskutierende kamen in Berlin zusammen, während siert. Am Vormittag nahmen die Teilnehmenden die etwa 300 Teilnehmende das Forum per Live-Stream Gesundheitsförderung und Prävention in der Pflege verfolgten und die Möglichkeit hatten, sich per Chat in den Blick, am Nachmittag die psychische Gesund- und Meinungsumfrage2 zu beteiligen. Ein „Forums- heit im familiären Kontext. Dabei lautete die zentrale anwalt“ brachte die im Chat gestellten Fragen in die Frage jeweils: Wie gelingt ein gesamtgesellschaft Diskussionen vor Ort ein. licher und politikfeldübergreifender Aufbruch? Das Präventionsforum wird von der Bundesvereini- Die Teilnehmenden debattierten unter anderem gung Prävention und Gesundheitsförderung (BVPG) über die Fragen: Welche Herausforderungen stellen im Auftrag der NPK und des Verbands der Privaten sich bei der Gesundheitsförderung und Prävention Krankenversicherung durchgeführt. Als eine jährlich in der Pflege beziehungsweise bei der psychischen stattfindende Veranstaltung dient es dem fachlichen Gesundheit im familiären Kontext? Wie können Austausch der NPK mit Vertreterinnen und Vertretern diese Herausforderungen gesamtgesellschaftlich und der für die Gesundheitsförderung und Prävention politikfeldübergreifend gemeistert werden? Welchen maßgeblichen Organisationen und Verbände. Die Beitrag kann und sollte die Nationale Präventions- Veranstaltung greift wechselnde Schwerpunktthemen konferenz (NPK) leisten? auf. Dementsprechend wird der Kreis der Teilneh- menden jedes Jahr angepasst.3 Aufgrund der Coronavirus-Pandemie fand das Präventionsforum in diesem Jahr als hybride Ver- 1 Die Veranstaltung wurde aufgezeichnet und steht unter www.npk-info.de/die-npk/praeventionsforum/praeventionsforum-2020 als Video zur Verfügung. 2 Die Ergebnisse der Meinungsumfrage können unter folgendem Link abgerufen werden: www.praeventionsforum.org/2020/meinungs- umfragen.pdf 3 Eine Auflistung der teilnehmenden Organisationen am Präventionsforum 2020 steht Interessierten unter folgendem Link zur Verfü- gung: www.praeventionsforum.org/2020/teilnehmende_organisationen.pdf Ralf Schmitt, „Forumsanwalt“; Dr. Beate Grossmann, Bundesvereinigung Prävention und Gesundheits förderung e. V.
BEGRÜSSUNG 7 Das Präventionsforum erstmals als hybride Veranstaltung Dieses Jahr ist geprägt durch die Coronavirus-Pan- derung und Prävention eben in allen Politikfeldern Ute Bertram, Präsidentin der demie, die uns vor große Herausforderungen stellt. berücksichtigt werden. Alle Verantwortlichen, die Bundesvereinigung Prävention und Sie wirkt sich auf viele Bereiche unseres Lebens aus, Einfluss auf gesundheitsrelevante Bedingungen ha- Gesundheits natürlich auch auf das Präventionsforum. Wie schon ben, müssen sich in ihrem Handeln abstimmen und förderung (BVPG), begrüßte, per Video in den letzten Jahren war das Präventionsforum Kooperationen aufbauen. zugeschaltet, die Teilnehmenden ursprünglich als eine Präsenzveranstaltung geplant. des diesjährigen Doch im April wurde uns klar, dass ein persönliches Das diesjährige Schwerpunktthema wollen wir Präventionsforums. Treffen in Berlin leider nicht möglich sein würde. anhand zweier Beispiele diskutieren. Der Vormittag Aber die moderne digitale Welt hat uns Alternativen widmet sich der Pflege. Dabei nehmen wir sowohl eröffnet. die Gesundheit von Pflegekräften als auch die von pflegenden Angehörigen und pflegebedürftigen In diesem Jahr findet das Präventionsforum erstmals Menschen in den Blick. Nachmittags folgt das zweite als hybride Veranstaltung statt. Das ist ein neues Thema, die Psychische Gesundheit. Vorgesehen ist, Format für uns alle und ich hoffe, dass die Technik die Gesundheit von Kindern aus psychisch belas- zu uns hält. Alle Vorträge und Diskussionen finden teten Familien, insbesondere der suchtbelasteten heute in Berlin statt. Alle Teilnehmenden sind in Familien, in den Fokus zu rücken. ihren Büros, zu Hause oder unterwegs und verfolgen die Veranstaltung über den Live-Stream. Wir möchten gemeinsam diskutieren, welche Herausforderungen es für die Gesundheits-, Sicher- Auf die Beteiligung der knapp 300 angemeldeten heits- und Teilhabeförderung sowie die Prävention Teilnehmenden können und wollen wir natürlich gibt. Und wir möchten Vorschläge und Ideen dafür nicht verzichten. Sie können sich über einen Chat sammeln, wie wir den Herausforderungen gesamt- an der Diskussion beteiligen. Später in der Pause gesellschaftlich und politikfeldübergreifend begeg- können Sie sich über eine Onlineplattform mit nen können. Bei den einzelnen Programmpunkten anderen Teilnehmenden vernetzen und austauschen. werden auch die derzeitigen und die zu erwartenden Dieses Veranstaltungsformat ist herausfordernd und Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie zur Spra- spannend – für uns alle. che kommen. In diesem Jahr liegt der Schwerpunkt des Präven- tionsforums auf der Gesundheitsförderung und Prävention als gesamtgesellschaftliche und politik feldübergreifende Aufgabe. Ich begrüße diese Schwerpunktsetzung sehr, weil sich die BVPG schon seit jeher der Ottawa-Charta verpflichtet fühlt und sich für die darin festgeschriebene gesundheitsför- dernde Gesamtpolitik einsetzt. Dem gesamtgesellschaftlichen Ansatz bzw. der Strategie „Health in All Policies“ liegt die Erkenntnis zugrunde, dass man die Gesundheit der gesamten Bevölkerung, insbesondere der sozial und gesund- heitlich benachteiligten Bevölkerungsgruppen, nur nachhaltig verbessern kann, wenn Gesundheitsför-
8 GESUNDHEITSFÖRDERUNG UND PRÄVENTION IN DER PFLEGE – EINFÜHRUNGSINTERVIEW Die Zukunft besser machen als die Gegenwart Wortbeiträge Gernot Kiefer, stellvertretender Vorstandsvorsit- Was bieten Sie den Beschäftigten ganz konkret wurden nachträglich zender des GKV-Spitzenverbandes und amtieren- an? redaktionell bearbeitet und der Vorsitzender der Nationalen Präventionskonfe- Wir bieten Beschäftigten beispielsweise Entspan- gekürzt. renz (NPK), erläuterte im Interview mit Moderator nungskurse an oder auch niedrigschwellige Bewe- Marco Seiffert, was er vom diesjährigen Präventi- gungsformate, die sie in ihren Arbeitsalltag einbauen onsforum erwartet, wie sich die Krankenkassen in können. Wir geben auch Hinweise zu der Frage, der Pflege engagieren und was er für entscheidend wie die Arbeit gestaltet werden muss, damit sie hält, damit Maßnahmen der Gesundheitsförderung den Rücken nicht zu stark belastet, oder wir zeigen und Prävention in der Pflege erfolgreich sind. Möglichkeiten auf, wie es gelingen kann, psychische Belastungen, die tagtäglich mit der Arbeit verbunden Herr Kiefer, welche Bedeutung hat für Sie das sind, besser zu verarbeiten. diesjährige Präventionsforum? Für mich ist das Präventionsforum immer eine Platt- Ist es leicht, diese Angebote in den form, um Erfahrungen aufzunehmen und Hinweise zu pflegerischen Arbeitsalltag zu integrieren? bekommen, was im Alltag funktioniert und was nicht. Mein Eindruck ist: Nein, das ist nicht leicht. Im Alltag Das ist mir ganz wichtig und auch meine zentrale einer Einrichtung sind die Herausforderungen in Erwartung an den heutigen Tag. Denn wir als Träger den Kernbereichen der Arbeit so massiv, dass die der NPK sind weit weg von den Orten, wo das Leben betriebliche Gesundheitsförderung immer wieder an wirklich spielt und die Herausforderungen liegen. die zweite, dritte und vierte Stelle rückt. Entschei- Wenn wir also richtige Rahmenbedingungen schaffen dend ist unserer Erfahrung nach, dass die Mitarbei- wollen, dann brauchen wir diese Erfahrungen, die tenden und insbesondere die Leitung den Sinn und wir beim Präventionsforum gerne einsammeln. Die die Notwendigkeit der Angebote verstehen und ihre heutige Diskussion zur Gesundheitsförderung und Prioritäten nicht nur abstrakt setzen, sondern auch Prävention in der Pflege – also für Pflegebedürftige, für konkret durchhalten. Wir kennen das auch von uns Beschäftigte in der Pflege und für pflegende Angehöri- selbst: Es reicht nicht, Dinge für wichtig zu halten, ge – halte ich für ganz zentral. man muss auch danach handeln. Wie sieht das Engagement der Krankenkassen Was erwarten Sie als Träger der NPK von den in der Pflege aus? anderen Akteuren in der Pflege? Die Krankenkassen engagieren sich in der Pflege Auf politischer Ebene haben wir häufig die Debat- mit Maßnahmen der betrieblichen Gesundheits- te, wie schwierig, schlimm und furchtbar alles ist. förderung. Mit diesen Maßnahmen, die sich an Stimmt, vieles ist schwierig. Doch wenn die Dinge Beschäftigte richten, erreichen wir inzwischen rund schwierig sind, dann ist es aus meiner Sicht umso 650 Pflegeeinrichtungen. Dabei sehen wir genau die wichtiger, Dinge positiv zu verändern. Es geht also damit verbundene Chance, aber auch das Problem, darum, Ansatzpunkte für positive Veränderungen zu das zu lösen ist: Viele der Einrichtungen sind davon finden und diese konkret und nachhaltig umzuset- überzeugt, dass betriebliche Gesundheitsförderung zen. Ich bin sehr an Lösungen interessiert, die die sinnvoll ist. Doch insbesondere jetzt in der Zeit der Zukunft besser machen, als die Gegenwart ist. Pandemie stehen sie vor der besonderen Herausfor- derung, diese Maßnahmen tatsächlich in den Alltag zu integrieren.
GESUNDHEITSFÖRDERUNG UND PRÄVENTION IN DER PFLEGE – EINFÜHRUNGSINTERVIEW 9 (v.l.n.r.) Marco Seiffert, Moderator Gernot Kiefer, GKV-Spitzenverband
10 GESUNDHEITSFÖRDERUNG UND PRÄVENTION IN DER PFLEGE – FACHVORTRAG Gesundheitsförderung und Prävention in der Pflege: Unsere Maßnahmen müssen schärfer werden! Prof. Dr. Adelheid Kuhlmey, Charité – Universitäts- erwartung nicht. Daher müssen unsere Maßnahmen medizin Berlin, beleuchtete aus wissenschaftlicher in Gesundheitsförderung und Prävention schärfer Perspektive, was die größten Herausforderun- werden. Solange wir diesen Aufholwettbewerb nicht gen in der Pflege sind und wie diese gemeistert schaffen, dürfte die größte Herausforderung also die werden können. Dabei ging sie sowohl auf die zunehmende Zahl an Pflegebedürftigen sein. Situation von pflegebedürftigen Menschen ein als Aber nicht nur die zunehmende Zahl an pflege- auch auf die von Pflegekräften und pflegenden bedürftigen Menschen fordert uns heraus, auch Angehörigen.1 bestimmte belastende Krankheitsidentitäten, die die Pflege besonders erschweren. Demenzerkrankungen Die größte Errungenschaft von Gesundheitsförde- korrelieren beispielsweise mit einem wesentlich rung und Prävention wird gleichzeitig zur größten höheren Pflegegrad als andere Erkrankungen, die zu Herausforderung für das Pflegesystem: das Errei- Pflegebedürftigkeit führen können. chen eines hohen Alters und die Tatsache, dass jene, die schon alt geworden sind, immer länger 13 Millionen Babyboomer leben. Natürlich haben Prävention, Rehabilitation Die Quantität wird gepusht von 13 Millionen Baby- und Gesundheitsförderung dazu geführt, dass die boomern, also Menschen, die zwischen den Jahren absolute Anzahl der Jahre ohne Pflegebedarf stetig 1955 und 1965 geboren wurden. Sie mögen heute gestiegen ist, jedoch in einem geringeren Maß als größtenteils pflegende Angehörige sein, aber in den die Lebenserwartung. Daher haben wir es gerade in Jahren zwischen 2035 und 2050 werden sie selbst den letzten Jahren leider wieder damit zu tun, dass möglicherweise Hilfe- und Pflegebedarf haben. der Anteil der Jahre mit Pflegebedarf steigt. Diese Daten sind eindeutig. Auch der Fachkräftemangel fordert uns heraus. Das Bundesinstitut für Berufsbildung errechnete Zahl der Pflegebedürftigen steigt erst kürzlich, dass bis zum Jahr 2035 mehr als eine Wir schaffen bislang den Aufholwettbewerb Viertelmillion Frauen und Männer in Pflege- und Ge- zwischen einerseits Gesundheitsförderung und sundheitsberufen fehlen werden. Zudem paart sich Prävention und andererseits der steigenden Lebens- die angespannte Personalsituation in der Pflege mit ganz bestimmten Arbeitsbelastungen. Dazu gehören 1 Die Präsentation steht Interessierten unter folgendem Link zur Verfügung: www.praeventionsforum.org/2020/kuhlmey.pdf psychische und physische Belastungen, manch- mal schwere körperliche Arbeit, häufig atypische Arbeitszeiten und noch immer der Tatbestand, für die Arbeit nicht ausreichend gratifiziert zu werden. Diese Tatsachen und Herausforderungen machen die Pflegenden selbst zu einer sehr wichtigen Zielgruppe von Gesundheitsförderung und Prävention. Etwa fünf Millionen pflegende Angehörige Die 3,6 Millionen pflegebedürftigen Menschen werden aber nicht nur von professionell Pflegenden, sondern auch von etwa fünf Millionen pflegenden Angehörigen versorgt. Der größte Pflegedienst sind noch immer die Familien selbst. Auch von den pfle- genden Angehörigen wissen wir, dass pflegerische
GESUNDHEITSFÖRDERUNG UND PRÄVENTION IN DER PFLEGE – FACHVORTRAG 11 Arbeit sehr belastet. Im Vergleich zu Nicht-Pflegen- lität zu stärken. Durch diese Arbeit ist ein weiterer den haben pflegende Angehörige stärkere körper- Verlust an Ressourcen zu verhindern. liche Beschwerden. Studien zeigen, dass sie eine reduzierte subjektive Schlafqualität haben und an Pflegebedarf vermeiden, Ressourcen erhalten, psychosomatischen Beschwerden leiden. Und so Versorgung präventiv ausrichten wird auch die Gruppe der pflegenden Angehörigen Für diese Herausforderungen gibt es verschiedene zu einer Zielgruppe von Gesundheitsförderung und Lösungsansätze: Prävention, erst recht in diesen Zeiten der Pande- 1. Pflegebedarf ist zu vermeiden, hinauszuzögern, mie. Einer aktuellen Studie zufolge hat sich aus der zu mildern: Untersuchungen zeigen, dass soziale Sicht von 41 Prozent der Befragten, die Angehörige Aktivitäten im höheren Lebensalter ein Baustein mit einer Demenz versorgen, die ohnehin schwierige sind, um Demenzen vorzubeugen. Wer zum Pflegesituation noch einmal verschlechtert. Dazu Beispiel täglich Kontakt zu Freundinnen und gehören natürlich das Wegfallen bestimmter Dienst- Freunden hat, wird zu 12 Prozent weniger wahr- leistungen, aber auch psychische und emotionale scheinlich an einer Demenz im Alter erkranken. Komponenten wie Gefühle von Hilflosigkeit. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Studien, die die Wirksamkeit von Ernährung und Bewegung Herausforderungen für Gesundheitsförderung und nachweisen. Das sind seit Jahren die präventi- Prävention ven Komponenten, die nachweislich für weniger Wenn wir über die Herausforderungen für Gesund- Pflegebedarf sorgen. heitsförderung und Prävention in der Pflege spre- 2. Das Pflegesystem ist rigoros auf den Erhalt von chen, heißt das: Ressourcen auszurichten: Aktuell ist die Gesetzge- 1. Die gesundheitliche Vulnerabilität nimmt zu, und bung nahezu exklusiv auf die Versorgung von De- die Verletzlichkeit der Betroffenen im Altersgang fiziten pflegebedürftiger Menschen ausgerichtet. steigt. 3. Die Versorgung ist konsequent präventiv auszu- 2. Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen steigt, richten: Schmerzmedikation und Schmerzprä- und die pflegerischen Versorgungsnotwendigkei- vention bei pflegebedürftigen Menschen müssen ten werden komplexer. sowohl in der Häuslichkeit als auch in Pflegeein- 3. Die Arbeitsbelastung der Pflegekräfte und der richtungen ausreichend genutzt werden, um so pflegenden Angehörigen steigt. z. B. die soziale Teilhabe zu ermöglichen. Natürlich ist das Ziel von Gesundheitsförderung und Gesundheitsförderung, Prävention und Rehabilitation Prävention in der Pflege, Gesundheit im Lebensver- müssen zu starken Komponenten des pflegerischen lauf und die Gesundheit der Helfendengruppen zu Versorgungssystems werden, auch bei bereits einge- erhalten, auch wenn das nicht die völlige Abwesen- schränkter Gesundheit. heit von Einschränkungen und Krankheitsprozessen bis zum 100. Lebensjahr bedeuten kann. Damit Ein kleiner Denkanstoß: Wenn wir auf Konferenzen sind wesentliche Ansatzpunkte von Gesundheitsför- über Gesundheitsförderung und Prävention reden, derung und Prävention in der Pflege beschrieben: schauen wir oft in die Zukunft. Dabei ist immer daran Aus Sicht der Pflege sind vorhandene physische, zu denken, dass sich Bedingungen ändern, Krank- psychische und soziale Ressourcen einer beson- heits- und Gesundheitsprozesse sich nicht einfach ders vulnerablen Zielgruppe zu identifizieren und fortschreiben und Betroffene andere Orientierungen mit Blick auf den Erhalt von Selbstständigkeit und und Eigenschaften haben. Zum Beispiel werden die Selbstbestimmung, Wohlbefinden und Lebensqua- 13 Millionen Babyboomer andere Pflegebedürftige
12 GESUNDHEITSFÖRDERUNG UND PRÄVENTION IN DER PFLEGE – FACHVORTRAG sein als die heute 80- bis 100-Jährigen. Und es Frage aus dem Chat: Sie beschreiben die verändern sich natürlich auch die Bedürfnisse der großen Herausforderungen, die mit der alternden Pflegenden und die Lebensentwürfe pflegender Gesellschaft, dem erhöhten Bedarf an Pflegeper- Angehöriger. sonal und den belasteten Angehörigen auf uns zukommen werden. Sehen Sie denn ein Licht am Digitalisierung – ein Lösungsansatz? Ende des Tunnels? Sind Sie guter Hoffnung, dass Auch die Digitalisierung könnte ein Lösungsansatz wir das werden meistern können? für mehr Gesundheitsförderung und Prävention in der Pflege sein. Immerhin wären laut Forsa-Umfrage Gesundheitsförderung und Prävention zu ermögli- 83 Prozent der Menschen in Deutschland bereit, chen ist mehr, als einen pflegerischen Versorgungs- technische Hilfsmittel im Haushalt zu benutzen, auftrag zu erfüllen. Es geht um die lebensweltliche wenn sie mit solchen Hilfen länger zu Hause woh- Herausforderung der alt werdenden Gesellschaft. nen könnten. Also muss alles, was aus pflegerischer Wir brauchen einerseits ein gutes System, anderer- Sicht gut ist an Digitalisierung, diesen gesundheits- seits müssen wir aber auch konsequent etwas dafür förderlichen Aspekten entsprechen – also mehr tun, dass wir länger selbstständig bleiben und der Selbstbestimmung, längerer Verbleib in der Woh- Anteil der gesunden Lebensjahre wächst. Nur dann nung und weniger Pflegebedarf. wird es uns gelingen, die Herausforderungen in der Pflege zu bewältigen.
GESUNDHEITSFÖRDERUNG UND PRÄVENTION IN DER PFLEGE – DISKUSSIONSFORUM 13 Gesunde Pflegekräfte und optimal versorgte Pflegebedürftige: Welchen Beitrag kann und sollte die NPK leisten? Prof. Dr. Adelheid Kuhlmey, Rudolf Herweck und Frage aus dem Chat: Brauchen sorgende Wortbeiträge wurden Andreas Westerfellhaus diskutierten unter der und pflegende Angehörige nicht einen eigenen nachträglich redaktionell Moderation von Marco Seiffert darüber, welche Anspruch auf Pflegeberatung mit der Zielsetzung bearbeitet und Anstrengungen nötig sind, damit pflegebedürf- „Prävention“? gekürzt. tige Menschen optimal versorgt werden und Pflegende gesund bleiben. Seiffert fragte die drei Wir fordern schon lange, pflegenden Angehörigen unter anderem, welche Fortschritte sie in Sachen einen eigenen Anspruch auf Pflegeberatung mit dem Gesundheitsförderung und Prävention bereits Ziel der Prävention zukommen zu lassen. Denn diese wahrnehmen, welchen Stellenwert das Thema in Gruppe hat andere Bedürfnisse als die pflegebedürf- den politischen Ressorts einnehme und welchen tigen Menschen. Pflegende Angehörige haben unter (v.l.n.r.) Rudolf Herweck, Beitrag die NPK leisten sollte. Umständen Familie, einen Beruf, einen Arbeitsplatz Bundesarbeits- gemeinschaft und müssen mit der Pflege ihres Angehörigen ganz der Senioren Rudolf Herweck, Bundesarbeitsgemeinschaft andere Interessen unter einen Hut bringen. organisationen; Marco Seiffert, der Seniorenorganisationen (BAGSO) Moderator; Prof. Dr. Adelheid Ich denke schon, dass die Entwicklung in der Pflege Denkbar wäre, dass Krankenkassen und Kommunen Kuhlmey, insgesamt vorangeschritten ist. Wir haben inzwi- zusammenarbeiten und pflegende Angehörige, die Charité- Universitäts schen zum Beispiel neue Berufsausbildungen in der oft schleichend in eine schwere Pflegesituation hin- klinikum Berlin; Andreas Pflege, in denen die präventiven Anteile wie Ernäh- einrutschen, von Anfang an beratend unterstützen, Westerfellhaus, rung und Bewegungsförderung eine größere Rolle beispielsweise in von der Kommune organisierten Pflegebevoll mächtigter der spielen. Gesprächskreisen. Bundesregierung
14 GESUNDHEITSFÖRDERUNG UND PRÄVENTION IN DER PFLEGE – DISKUSSIONSFORUM Mein Eindruck ist, dass das Thema Pflege in vielen in den Lebenswelten findet. Auf diese Art und Weise Kommunen politikfeldübergreifend angekommen könnte auch die Zusammenarbeit zwischen Kranken- ist. Weitgehend wird dort die Strategie „Health in kassen und Kommunen viel besser funktionieren, All Policies“ gelebt. In ganz vielen gut geführten weil alle Beteiligten viel konkreter kommunizieren Kommunen arbeiten viele Ressorts zusammen, und agieren könnten. wenn es um neue Projekte geht. Prof. Dr. Adelheid Kuhlmey, Eine unserer Forderungen ist es, jede Pflegeeinrich- Charité – Universitätsmedizin Berlin tung mit WLAN auszustatten. Idealerweise sollten In der Pflegeausbildung sehe ich seit vielen Jahren, alle Bewohnenden einen Internetzugang haben, um dass Gesundheitsförderung und Prävention in die die soziale Teilhabe in Pflegeeinrichtungen gewähr- Konzeptentwicklung Eingang gefunden haben. Die leisten zu können. Auch muss das Personal in den Profession hat einen Sprung gemacht, anders zu Einrichtungen in die Lage versetzt werden und die denken und zu wirken. Über aktivierende Pflege zum Fähigkeiten haben, die älteren Menschen in diese Beispiel hat vor 50 Jahren noch keiner gesprochen. Techniken einzuweisen. Wir bräuchten also Digita- lisierungsbeauftragte in den Einrichtungen, die sich Studien zeigen eindeutig, dass heute die Kinder der den Überblick verschaffen über das, was technisch Hochbetagten, die in eine Pflegesituation kommen, insgesamt möglich ist. überlegen, wie sie diese herausfordernde Situation absichern können. Doch eine Gesellschaft, die so alt In der Coronavirus-Krise haben wir gelernt, wie wird, sollte sich künftig im Vorhinein überlegen, wie wichtig soziale Teilhabe ist und wie wichtig Kon- sie diesen Abschnitt gestalten will. Jede und jeder takte sind. So hat sich der Gesundheitszustand sollte sich im Sinne von Prävention einer solchen vieler Bewohnender durch die Besuchsverbote und Situation mit diesem Thema beschäftigen und mit fehlenden Kontakte verschlechtert. Mir ist klar, dass den Kindern darüber reden. Auch gibt es zahlreiche wir bei dieser Aufgabe nicht um die Ehrenamtlichen andere Möglichkeiten, zum Beispiel eine Patienten- herumkommen. Die BAGSO betreut viele Projekte, verfügung. Wir brauchen auch ganz viele präventive auch in Pflegeeinrichtungen, in denen Ehrenamtliche Ansätze. Alten-WGs sind beispielsweise ein Ansatz älteren Menschen helfen, mit dem Internet zurecht- der Prävention par excellence. zukommen. In größeren Betrieben ist das Thema Pflege auf jeden Von der NPK fordern wir, die Zielgruppen, die in den Fall ressortübergreifend angekommen. Wer sich Bundesrahmenempfehlungen (BRE) benannt sind, um die älter werdenden Beschäftigten kümmert, stärker auszudifferenzieren. Dort kommen nur „Per- muss die pflegenden Angehörigen und jene, die in sonen nach der Erwerbsphase in Kommunen“ und Familienzeit gehen, immer mit bedenken. „Bewohner von stationären Pflegeeinrichtungen“ vor. Hinzukommen müssten einerseits pflegebedürftige Frage aus dem Chat: Gesundheitsförderung Menschen, die zu Hause gepflegt werden und ande- und Prävention enden häufig an der Tür der sta- rerseits pflegende Angehörige sowie erwerbstätige tionären Einrichtungen. Wo sehen Sie hier einen pflegende Angehörige. Mit dieser Ausdifferenzierung Bedarf und Handlungsansätze? würde es einen Weg zu mehr Bedarfsgerechtigkeit und Passgenauigkeit geben. Denn dann könnte man Fast eine Million Menschen werden in den Pflege- weiter differenzieren, welche Zielgruppe jeweils einrichtungen versorgt. Dort sehe ich einen großen welchen Bedarf hat oder wo man diese Zielgruppe Bedarf, was die Schmerzprävention angeht. Auch
GESUNDHEITSFÖRDERUNG UND PRÄVENTION IN DER PFLEGE – DISKUSSIONSFORUM 15 fehlen wirklich gute Mobilitätskonzepte. Beide Frage aus dem Chat: Stichwort angespannte Ansätze müssen viel mehr in den Pflegeeinrichtun- Pflegesituation – Wie können wir den Zusatzauf- gen verankert werden. Gesundheitsförderung und wand für Prävention und Gesundheitsförderung Prävention fallen in der Tat oft der Ausstattung mit nicht zu einer weiteren Belastung vor allem auf Pflegepersonal zum Opfer. Dabei könnte man gerade Mitarbeitenden-Ebene werden lassen? dort so viel erreichen. Dreh- und Angelpunkt ist der Faktor Zeit. Wir brau- Frage aus dem Chat: Welchen Beitrag kann chen natürlich mehr Menschen, die in der Pflege eine ausgewogene Ernährung in Pflegeeinrichtun- arbeiten. Darüber hinaus ist aber auch die Qualität gen für die Gesundheit der Bewohnenden sowie wichtig und die Frage, wer eigentlich was macht in der Beschäftigten leisten? diesem System. Da sehe ich im neuen Pflegeberufe- gesetz die richtigen Ansätze. Auch brauchen wir ein Wir können über Ernährung so viel regeln. Doch ha- Zusammenspiel unterschiedlicher Strukturen und ben wir noch viel zu wenig Wissen, was Ernährung Kompetenzen, auch innerhalb der Pflege. In der Kon- gerade bei Pflegebedürftigkeit leisten könnte. Ich zertierten Aktion Pflege (KAP) haben dazu drei Minis- wünsche mir eine gute, wissenschaftlich fundierte terien einen umfangreichen Katalog an Arbeitspake- Ernährung in den Heimen. Nötig sind dafür Studien, ten erstellt, gegliedert nach den fünf Themen: die uns mehr Auskunft darüber geben. Zudem ist 1. Ausbildungsoffensive Pflege Ernährung auch Esskultur und schafft Begegnungs- 2. Personalmanagement, Arbeitsschutz und Gesund- möglichkeiten – auch das ist ganz wichtig. heitsförderung 3. Innovative Versorgungsansätze und Digitalisierung Aus der Coronavirus-Krise habe ich gelernt, dass wir 4. Pflegekräfte aus dem Ausland die 14.000 Pflegeeinrichtungen in Deutschland wirk- 5. Entlohnungsbedingungen in der Pflege lich verändern müssen. Das sind keine Stätten, in denen lustiges Bewohnerleben stattfindet, sondern Die Politik alleine kann und wird es jedoch nicht Stätten, in denen in der Regel hochbetagte und sehr schaffen, den Pflegenotstand zu bewältigen. Alle kranke Menschen versorgt werden. Wir brauchen Beteiligten in der Pflege müssen jetzt zeigen, dass unbedingt einen Ansatz, der es ermöglicht, dass sie es ernst meinen und die in der KAP verbindlich diese Menschen dort auch in Krisensituationen in gemachten Zusagen auch in die Praxis umsetzen. Sicherheit leben können. Wenn Pflegebedürftigkeit plötzlich auftritt, sind viele Andreas Westerfellhaus, Betroffene überfordert und wissen nicht, wer genau Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung für was zuständig ist oder welche Hilfen es eigentlich Eine positive Entwicklung in der Pflege ist sicherlich, gibt – trotz aller Angebote, die wir haben. Sie fühlen dass die Einführung des betrieblichen Gesund- sich oft mit dieser neuen Herausforderung allein, weil heitsmanagements (BGM) inzwischen einen großen sie nicht wissen, worauf sie zurückgreifen können. Stellenwert bekommen hat. Viele Ausbildungsstätten Daher plädiere ich für einen sogenannten Ko-Piloten, haben BGM als Thema erkannt. Insgesamt positiv ähnlich der bekannten und bewährten Beratung und ist auch, dass wir heute eine ganz anders gestaltete Betreuung frischgebackener Eltern durch Hebammen. Diskussion über das Thema Pflege haben als noch Diese Person soll den Betroffenen insbesondere zu vor Jahren. Heute reden wir nicht mehr nur über Beginn einer Pflegesituation helfen, den Dschungel an Skandale, sondern über Lösungen. verschiedenen Angeboten zu durchleuchten, und sie kompetent und vertrauensvoll begleiten.
16 GESUNDHEITSFÖRDERUNG UND PRÄVENTION IN DER PFLEGE – DISKUSSIONSFORUM Pflegebedürftigkeit ist nicht nur eine Frage des Frage aus dem Chat: Gesundheitsförderung Alters. Das Thema muss insgesamt ein ganz anderes und Prävention enden häufig an der Tür der sta- Bewusstsein in unserem Leben erhalten. Deswe- tionären Einrichtungen. Wo sehen Sie hier einen gen müssen wir gesamtgesellschaftlich über Pflege Bedarf und Handlungsansätze? reden, dann werden wir auch Lösungen finden. In Sachen Gesundheitsförderung und Prävention in Frage aus dem Chat: Neue Lösungen sollten stationären Einrichtungen haben wir einen guten die Dinge einfacher machen und nicht kompli- Schritt getan hin zu den Pflegegraden und zur Res- zierter. Wie können einfache Lösungen durch den sourcenorientierung. In diese Richtung müssen aber Gesetzgeber favorisiert werden und nicht immer auch entsprechende Anreize gesetzt werden. Wenn kompliziertere? es beispielsweise eine pflegebedürftige Person mit Pflegegrad 3 schafft, durch gezielte Maßnahmen der Bei all dem, was der Gesetzgeber neu auf den Gesundheitsförderung und Prävention, wie Physio- Weg bringt, muss er sich an den Bedürfnissen der therapie, Logopädie oder Ergotherapie, in Pflege- Menschen orientieren. Neues muss einfach und grad 2 zurückgestuft zu werden, muss das auch aner- individuell gestaltet sein – ohne zu viele Normen und kannt werden. Der Schlüssel ist, die richtigen Anreize Kontrollmechanismen. zu setzen und die Einrichtungen oder Pflegenden für ihre gute Arbeit zu belohnen. In der Coronavirus-Pandemie habe ich das erste Mal erlebt und gelernt, dass Institutionen und Partner, die sich sonst nicht immer so richtig „grün“ sind und jeden Satz mit „Aber“ anfangen, sehr pragma- tisch miteinander arbeiten können. Ich würde mir wünschen, dass wir diese Form der Zusammenar- beit beibehalten und uns darauf besinnen, welches gemeinsame Ziel wir haben.
GESUNDHEITSFÖRDERUNG UND PRÄVENTION IN DER PFLEGE – FACHFORUM 17 Von der Theorie in die Praxis: Wie kann ein gesamtgesellschaftlicher und politikfeldübergreifender Aufbruch bei Gesundheitsförderung und Prävention in der Pflege gelingen? Prof. Dr. Corinna Petersen-Ewert, Prof. Dr. Günter Ich finde es äußerst schwierig, die Frage der Prio- Wortbeiträge wurden Meyer, Bernd Tews und Marika Lazar richteten risierung nach Handlungsfeldern zu gliedern. Wir nachträglich redaktionell den Blick auf die Praxis. Unter der Moderation von denken Gesundheit ganzheitlich. Daher muss man bearbeitet und Prof. Dr. Martina Hasseler, Ostfalia Hochschule aus den Bedarfen der Bewohnenden heraus argu- gekürzt. für angewandte Wissenschaften, diskutierten sie mentieren. Diese können nicht getrennt voneinander über die Herausforderungen, vor denen Pflegekräf- abgearbeitet werden. Das ist ein Denken, das in der te im Arbeitsalltag stehen. Hasseler fragte unter Realität der Einrichtungen niemals umgesetzt würde. anderem nach politischen Maßnahmen, die nötig sind, damit Pflegekräfte Gesundheitsförderung und Die Zukunft einer bedarfsgerechten Gesundheitsför- Prävention im Arbeitsalltag nicht als Belastung, derung und Prävention, die die präventiven Potenzi- sondern als Bereicherung erleben. ale der pflegerischen Berufsgruppen integriert, stelle ich mir so vor, dass die Kompetenzen und die Poten- Prof. Dr. Corinna Petersen-Ewert, Hochschule ziale in Bezug auf eine Verantwortungsübernahme für Angewandte Wissenschaften Hamburg der Pflegenden endlich anerkannt werden. Pflegende Gesundheitsförderung und Prävention sollten sollten ein zentraler Ansprechpartner sein, nicht nur wichtige zentrale Bestandteile der Pflege sein. Diese in den entsprechenden Einrichtungen, sondern in Aufgabe sollte nicht an Dritte abgegeben werden. den Lebenswelten insgesamt und dort dann auch die Allerdings müssen dazu auch entsprechende Kompe- Verantwortung für die Gestaltung gesundheitsförder- tenzen vorhanden sein. Daher müssen die Rahmen- licher Maßnahmen übernehmen. bedingungen es auch zulassen, in diesem Sinne zu handeln. Und sie müssen einen Handlungsspielraum Prof. Dr. Günter Meyer, Deutscher Pflegerat dafür schaffen, dass die Pflegenden auch Verantwor- Wichtig ist mir, insbesondere auf die Arbeitsbedin- tung übernehmen dürfen und können. gungen der Pflegekräfte einzugehen, die desaströs sind. Es gilt radikale Veränderungsprozesse einzulei- Ich plädiere für die Akademisierung der Pflege, um ten, damit wir diese Bedingungen in der Praxis ver- entsprechende Kompetenzen auch für den Bereich bessern können. Denn momentan ist es schwierig, der Gesundheitsförderung und Prävention entwickeln überhaupt über Gesundheitsförderung und Präventi- zu können. Doch mangelt es noch an politischem on nachzudenken, weil es kaum Möglichkeiten gibt, Willen. Oft heißt es, das sei viel zu komplex oder diese Strategien in der Praxis umzusetzen. nicht realistisch in Anbetracht des Mangels an Pflegefachkräften. Aus meiner Sicht müssten wir im Frage aus dem Chat: Was kann Politik oder Bereich Gesundheitsförderung und Prävention auf was können alle Beteiligten tun, damit die in der der Verhältnisebene anfangen und die Rahmenbe- Konzertierten Aktion Pflege (KAP) entwickelten dingungen ändern. Wir brauchen eine Rückbesin- Maßnahmen keine Papiertiger bleiben? Bis jetzt nung darauf, was der Kern der Pflege ist und wie sie tut sich noch viel zu wenig. sich beispielsweise auch im Quartier verankern lässt. Für bessere Arbeitsbedingungen brauchen wir auf Frage aus dem Chat: Stichwort Dilemma der obersten Ebene zunächst den politischen Wil- Pflegeprävention: Welche Ansätze gibt es be- len. Verantwortung der Politik ist es beispielsweise, züglich einer möglichen Priorisierung in den ganz schnell etwas an der Vergütungsstruktur zu Einrichtungen, zum Beispiel Ernährung, Hygiene, ändern, damit die Berufe attraktiver werden. Auch Kontakt? die Kostenträger haben eine große Verantwortung. Wenn sie in den Vergütungsverhandlungen bei-
18 GESUNDHEITSFÖRDERUNG UND PRÄVENTION IN DER PFLEGE – FACHFORUM spielsweise Angebote für Lohnsteigerungen von Gerade in der ambulanten Pflege gibt es eine große 1,9 Prozent machen, ist das lächerlich. Zudem Misstrauenskultur. In Gesprächen mit den Kostenträ- stehen die Kostenträger in der Verantwortung, mit gern geht es immer darum, Pflegekräfte mit neuen uns über eine noch breitere Entbürokratisierung bürokratischen Hürden stärker zu kontrollieren, (v.l.n.r.) Prof. Dr. Corinna zu sprechen, um zu einer Arbeitsentlastung zu anstatt sie zu entlasten. Ansätze dafür gibt es viele, Petersen-Ewert, Hochschule für kommen, die Stressoren im Alltag abbaut. Auch zum Beispiel das Thema digitale Abrechnung. Angewandte appelliere ich an die Verantwortung der Arbeit- Wissenschaften Hamburg; geber, die Arbeitsplätze so zu gestalten, dass sie Für eine bedarfsgerechte Gesundheitsförderung Prof. Dr. Günter Meyer, Deutscher attraktiver werden, damit wir Pflegekräfte für uns und Prävention ist es nötig, dass die Pflegekräfte in Pflegerat; gewinnen können. einem multiprofessionellen Setting auf Augenhöhe Prof. Dr. Martina Hasseler, Ostfalia mit den anderen Professionen diskutieren. Dafür Hochschule für angewandte brauchen die professionell Pflegenden nicht nur Wissenschaften, Frage aus dem Chat: In der ambulanten und mehr Selbstverständnis und Selbstbewusstsein, son- Moderatorin; Bernd Tews, stationären Pflege haben wir einen riesigen dern auch mehr Akzeptanz von der Gesellschaft und Bundesverband privater Anbieter Bürokratie-Apparat und einen Kontrollaufwand, den anderen Professionen. Darüber hinaus kann ich sozialer Dienste; Marika Lazar, der komplett übertrieben ist. Wie kann man an mir vorstellen, dass man den Pflegekräften auch die Diakonisches die Stelle von Misstrauen und Kontrolle Vertrauen Kompetenz einräumt, mit den dafür nötigen Freiräu- Bildungszentrum Lobetal setzen? men neue Konzepte zu realisieren.
GESUNDHEITSFÖRDERUNG UND PRÄVENTION IN DER PFLEGE – FACHFORUM 19 Bernd Tews, Bundesverband privater Anbieter das jetzt zu einer Auseinandersetzung darüber, wie sozialer Dienste man bestimmte Maßnahmen in das Leistungs- und Aus unserer Sicht spielen bei dem Thema Gesund- Vergütungsgeschehen aufnehmen kann. Parallel heitsförderung und Prävention die KAP und die dazu berücksichtigt die neue Ausbildungsreform dort vereinbarten Maßnahmen für die Praxis eine erstmals Ansätze der Gesundheitsförderung und zentrale Rolle. Die KAP hat die unterschiedlichsten Prävention durch und für Pflegekräfte. Beides sind Akteure zusammengeführt, einen Konsens erarbeitet Schritte in die richtige Richtung. Als logische Konse- und diesen in konkrete Maßnahmen überführt. Alle quenz wollen die Auszubildenden und Studierenden Beteiligten sind Verpflichtungen eingegangen, um diese Kenntnisse auch anwenden. Dafür bedarf beispielsweise die erforderlichen Rahmenbedingun- es logischerweise auch eines Leistungsangebots. gen zu schaffen und die Finanzierung zu sichern und Insbesondere im ambulanten Setting haben wir die Einrichtungen in die Lage zu versetzen, Gesund- viele Möglichkeiten, den Verbleib in der Häuslichkeit heitsförderung und Prävention nicht als zusätzliche weiter zu stärken. Politik und Gesetzgeber sind also Belastung, sondern als Entlastung zu erfahren. Der gefordert, ein entsprechendes Leistungsangebot Maßnahmenkatalog verknüpft Gesundheitsförderung in das Leistungsrecht, als Anspruch der jeweiligen für die Pflegebedürftigen mit den Herausforderun- Versicherten bei vorliegenden Voraussetzungen, zu gen für pflegende Angehörige und Pflegekräfte. Aus implementieren. unserer Sicht sind diese Maßnahmen daher ziel- führend und eine Art Roadmap, die es jetzt konkret Für eine bedarfsgerechte Prävention und Gesund- umzusetzen gilt. heitsförderung, die sowohl die Pflegekräfte als Ziel- gruppe als auch die präventiven Potenziale der Pfle- Wir als Verband sehen im Moment eine zentrale geeinrichtungen und pflegerischen Berufsgruppen im Herausforderung in den psychischen Belastungen Fokus hat, brauchen wir das Zusammenwirken aller der Pflegekräfte, auch resultierend aus der Versor- Akteure und die Bereitschaft des Gesetzgebers, für gung von Demenzkranken mit herausforderndem die erforderlichen Maßnahmen entsprechende Rah- Verhalten und den damit einhergehenden Anforde- menbedingungen und leistungsrechtliche Regelun- rungen. Zum Thema psychische Belastungen hat die gen zu schaffen. Letztlich müssen die Einrichtungen Universität München für uns eine groß angelegte und die Pflegekräfte von der Gesundheitsförderung Befragung mit dem Ziel durchgeführt, Stressfaktoren als Instrument zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit herauszufinden. Daraus haben wir Maßnahmen ab- profitieren können und zudem – sowohl von ihrer geleitet und ein Konzept entwickelt, um Pflegekräfte Qualifikation als auch von den gesetzlichen und verhaltenspräventiv in die Lage zu versetzen, mit die- finanziellen Möglichkeiten her – in die Lage versetzt sen Herausforderungen besser umgehen zu können. werden, die Prävention als Regelangebot von Pflege- Dieses Maßnahmenpaket nennt sich PFLEGEprevent leistungen anbieten zu können. und wurde in einem Pilotprojekt in Bayern zusam- men mit dem Heilbäderverband umgesetzt, wissen- Marika Lazar, Diakonisches Bildungszentrum schaftlich evaluiert und befindet sich gegenwärtig in Lobetal/Altenpflegeschule der Zertifizierung. Ich sehe das Thema Gesundheitsförderung und Prävention in der Pflege aus zwei Perspektiven. Institutionell hat die Einführung des neuen Pfle- Vor meiner Tätigkeit als Schulleitung arbeitete ich gebedürftigkeitsbegriffs den reduzierten Blick des in einem Projekt, in dem wir Gesundheitsförde- SGB XI auf Prävention und Gesundheitsförderung in rung und Prävention in der stationären Altenpflege der Pflege geöffnet und geweitet. In der Praxis führt implementiert haben. Die Schwierigkeit dabei war,
20 GESUNDHEITSFÖRDERUNG UND PRÄVENTION IN DER PFLEGE – FACHFORUM die Einrichtungen erst einmal davon zu überzeugen, Frage aus dem Chat: Stichwort Dilemma Pfle- bei diesem Projekt mitzumachen. Doch haben wir geprävention – Welche Ansätze gibt es bezüglich entsprechende Wege gefunden, inzwischen gibt es einer möglichen Priorisierung in den Einrichtungen, auch schon die ersten Ergebnisse. zum Beispiel Ernährung, Hygiene, Kontakt? Als Schulleitung einer Pflegeschule habe ich im April In dem Projekt, in dem wir Gesundheitsförderung dieses Jahres mit der generalistischen Pflegeausbil- und Prävention in der stationären Altenpflege imple- dung begonnen. In dieser Ausbildung sind Gesund- mentiert haben, war zum Beispiel die Prävention von heitsförderung und Prävention ein ganz großes Gewalt ein großes Thema. Das erworbene Wissen Thema. Wir haben das neue Schulcurriculum so können die Auszubildenden später in den Einrich- gestaltet, dass Gesundheitsförderung und Prävention tungen, in denen sie arbeiten, nutzen. vom ersten Theorieblock an thematisiert werden. Nun stehe ich vor der Herausforderung, diese Inhalte Um die präventiven Potenziale der pflegerischen auf der einen Seite in der betrieblichen Gesundheits- Berufsgruppen künftig in eine bedarfsgerechte förderung in Bezug auf die Mitarbeitenden einzu- Gesundheitsförderung und Prävention integrieren führen und auf der anderen Seite auch direkt den zu können, bedarf es auch entsprechender Stellen. Pflegeauszubildenden näherzubringen. Gesundheitsförderung und Prävention als Arbeitsbe- reich zu definieren, würde ich wichtig finden. Ich denke schon, dass die Kompetenzen der Auszu- bildenden für Gesundheitsförderung und Prävention inzwischen in den Pflegeeinrichtungen abgefragt werden. Meine Erfahrung aus dem oben genann- ten Projekt ist, dass Gesundheitsförderung dann positiv aufgenommen und umgesetzt wird, wenn beide Seiten involviert sind, also Mitarbeitende und Bewohnende.
GESUNDHEITSFÖRDERUNG UND PRÄVENTION IN DER PFLEGE – ERGEBNISDISKUSSION 21 Auch wenn es bisher Trippelschritte sind: Die Richtung stimmt Gernot Kiefer, Dr. Stefan Hussy und Andreas Be- halten. Wahrzunehmen ist, dass sich einiges bewegt. Wortbeiträge wurden sche reflektierten unter der Moderation von Marco Dies verdeutlichen die folgenden Beispiele: nachträglich redaktionell Seiffert die vorherigen Diskussionen. Dabei ging bearbeitet und es auch um die Frage, wie zuversichtlich die drei Das Bundeskabinett hat soeben beschlossen, gekürzt. stimmberechtigten NPK-Mitglieder sind, dass der 20.000 zusätzliche Pflegehilfsstellen zu schaffen. gesamtgesellschaftliche und politikfeldübergrei- Die Pflegeversicherung wird diese Stellen finanzie- fende Aufbruch in der Pflege tatsächlich gelingt. ren, ohne die Eigenanteile der Betroffenen zu erhöhen. Gernot Kiefer, GKV-Spitzenverband In den ersten beiden Jahrzehnten haben sich Zuversicht kann man durchaus haben, auch wenn es die Kommunen aufgrund der Pflegeversicherung stimmt, dass das eine oder andere nicht läuft, dass vielfach aus ihrer Verantwortung zurückgezogen. (v.l.n.r.) es schwierig ist und auch in den nächsten Jahren Dieser Fehler wird zunehmend erkannt und von Gernot Kiefer, GKV-Spitzen schwierig bleiben wird. den Kommunen auch korrigiert. Der Irrtum, die verband; Marco Seiffert, Pflegeversicherung werde es schon richten, ist Moderator; Die inhaltliche Diskussion über das Thema Gesund- gesellschaftlich auf dem Rückmarsch. Dr. Stefan Hussy, Deutsche heitsförderung und Prävention in der Pflege gehört In den politischen Konzepten aller Parteien steht Gesetzliche Unfallversicherung; für mich in einen gesellschaftlichen Kontext: Die das Thema Pflege ganz oben. Auch die Debatte Andreas Besche, Pflege hat in Deutschland zunehmend inhaltliche, zur angemessenen Vergütung von Pflegekräften Verband der Privaten Kranken politische und gesellschaftliche Aufmerksamkeit er- wird geführt und führt zu Konsequenzen. versicherung
22 GESUNDHEITSFÖRDERUNG UND PRÄVENTION IN DER PFLEGE – ERGEBNISDISKUSSION Das sind zwar alles Trippelschritte, aber sie gehen Ausbildung und bei den jungen Menschen an, das in die richtige Richtung. Insofern appelliere ich sehr Thema Prävention zu implementieren – angefangen daran, nach vorne zu blicken und, anstatt Defizite zu von Hautschutz über psychische Belastung bis hin zu beschreiben, den Fokus auf das Gestalten zu legen. richtigem Heben und Tragen. Dr. Stefan Hussy, Deutsche Gesetzliche Die pflegenden Angehörigen wiederum sind für uns Unfallversicherung (DGUV) als Unfallversicherung nur schwer zu erreichen, und Wir sollten positiv in die Zukunft schauen, auch hier brauchen wir die Vernetzung mit den Kranken- wenn für ein gesamtgesellschaftliches Handeln in und Pflegekassen und auch mit den Kommunen, der Pflege im Kontext Prävention noch wichtige damit wir für unsere Angebote überhaupt einen Akteure fehlen. Der Kreis der Sozialversicherungen Zugang zu dieser Zielgruppe erhalten. Auch ist noch arbeitet bei der Gesundheitsförderung und Präven- einiges zu tun, damit unsere Leistungen für pflegen- tion in der Pflege bereits sehr viel und intensiver de Angehörige und überhaupt die Leistungen der zusammen. Hier nehme ich durchaus einen Auf- verschiedenen Akteure bekannt sind. Hier sollten wir bruch wahr. noch viel mehr die Möglichkeiten der Digitalisierung angehen. Frage aus dem Chat: Was ist mit dem Aufbruch in der Pflege gemeint? Bis jetzt reden wir aus- Was die Zielgruppe der zu Pflegenden angeht, kön- schließlich über politische Entscheidungen in der nen wir als Unfallversicherung allein relativ wenig Pflege und wenig über die realen Bedingungen. tun. Eine „gute und gesunde“ Pflege sowohl für Pfle- gekräfte als auch für zu Pflegende bekommen wir Wir haben uns inzwischen deutlich stärker unter nur gemeinsam mit den Pflegekassen und weiteren einander vernetzt und Verständnis für die Belange Akteuren hin. der anderen entwickelt. Als gesetzliche Unfallver- sicherung verfolgen wir die Zusammenarbeit mit Wenn man sich die Situation in Deutschland an- anderen Sozialversicherungsträgern auch als ein schaut, gibt es inzwischen schon ganz viele Netz- strategisches Ziel, damit die verschiedenen Hand- werke im Bereich der Pflege. In jedem Bundesland lungsansätze ineinandergreifen. Aber die Situationen gibt es zahlreiche kommunale Aktivitäten, die alle sind komplexer. Betroffenen zusammenbringen. Das müssen wir weiter ausbauen und voranbringen. Und das sind Was die Zielgruppe der Pflegekräfte betrifft, können vielleicht nur Trippelschritte, aber ich gehe lieber wir über unseren Zugang zu den Pflegeeinrichtungen mit kleinen Schritten in die richtige Richtung, als gar einiges regeln bzw. anstoßen, aber einiges auch nicht voranzukommen. nicht. Wir können zum Beispiel nicht für höhere Löh- ne sorgen, sehr wohl aber bei der Arbeitsgestaltung, Frage aus dem Chat: Was ist unserer Gesell- im Rahmen eines betrieblichen Gesundheitsma- schaft gute Pflege wert? Eine gesamtgesellschaft nagements oder der Qualifizierung von betrieblichen liche Betrachtung findet nicht statt. Die Reduzie- Akteuren aktiv werden. Wir gehen in die Betriebe rung auf die Sozialversicherung ist ungenügend. und beraten Führungskräfte über Arbeitsbedingun- Pflege ist als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gen und wie sie gestaltet werden können. Inzwi- umzusetzen. schen bieten wir auch den Pflegekräften viel mehr Schulungen rund um die Themen Sicherheit und Aus meiner Sicht hat sich in der Pandemie die Gesundheit an und fangen schon im Rahmen der Wahrnehmung der Gesellschaft für das Thema Pflege
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