PRESS REVIEW Wednesday, May 26, 2021 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal
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PRESS REVIEW Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal Wednesday, May 26, 2021
PRESS REVIEW Wednesday, May 26, 2021 Berliner Zeitung Wie das Robert-Koch-Institut (RKI) am Morgen mitteilt, liegt die Sieben-Tage-Inzidenz in der Hauptstadt jetzt bei 39,3.Bundesweit sinkt der Wert unter 50 Süddeutsche Zeitung „Kein geregelter Betrieb möglich“ In einem internen Brief warnt der Bau-Chef des Berliner Humboldt- Forums eindringlich vor Sicherheitslücken Berliner Morgenpost „Eröffnung im Sommer durch Bauarbeiten nicht gefährdet“ Mängel in der Technik begleiten Humboldt Forum bis in den Juli rbbKultur "Berlin-Global" heißt die große Ausstellung, die im Sommer im Humboldt-Forum eröffnet werden soll. Auf rund 4.000 Quadratmetern wird gezeigt, wie sich die Stadt mit der Welt verbindet. Der Tagesspiegel Nicht mit einer klassischen Festschrift, sondern mit einer Graphic Novel wird das 200. Jubiläum des Berliner Konzerthauses am Gendarmenmarkt gefeiert. Frankfurter Allgemeine Zeitung Mit ihrer ersten Digital-Ausgabe will die lit.Cologne die Online-Ermüdeten überraschen: Der Festivalleiter Rainer Osnowski erklärt, worauf er dabei setzt und was er für die Zukunft erhofft.
Aktuelle RKI-Zahlen Corona in Berlin: Inzidenz am Mittwoch unter 40 gesunken Wie das Robert-Koch-Institut (RKI) am Morgen mitteilt, liegt die Sieben-Tage-Inzidenz in der Hauptstadt jetzt bei 39,3. Bundesweit sinkt der Wert unter 50. chg, 26.5.2021 aktualisiert 26.05.2021 - 09:49 Uhr Der Mauerpark in Berlin war in den letzten Tagen gut besucht. Berliner Zeitung/Markus Wächter Corona-Infektionsgeschehen nimmt weiter ab. Das Corona-Infektionsgeschehen geht in Berlin immer deutlicher zurück. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt am Mittwochmorgen bei 39,3. Das gab das Robert- Koch-Institut (RKI) heute Morgen auf seinem Dashboard bekannt. Damit liegt der Wert das erste Mal seit vielen Monaten unter der 40er-Marke. Somit stehen die Chancen gut, dass eine weitere Corona-Ampel in Berlin - die für die Inzidenz - in den nächsten Tagen von Rot auf Gelb springen könnte. Allerdings starben laut RKI-Angaben in den letzten 24 Stunden in der Hauptstadt 14 Menschen an oder mit dem Coronavirus.
„Kein geregelter Betrieb möglich“ In ei nem in ter nen Brief warnt der Bau-Chef des Ber li ner Hum boldt-Fo rums ein dring lich vor Si cher- heits lü cken VON J ÖR G H Ä N T Z S C H E L Seit ver gan ge nem Frei tag sind in Berlin die meis ten Mu se en wie der ge öff net. Vom Hum boldt-Fo rum aber hört man nichts – au ßer Be rich ten von schi ka nier ten Mit ar bei tern. Da bei soll te doch das Pu bli kum im „Früh jahr 2021“ laut Web sei te end lich die Berlin-Aus stel lung, das Hum boldt-La bor, ei ne Aus stel lung für Kin der und noch ei ni ges mehr be sich ti gen kön nen. We gen des Lockdowns ha be man war ten müs sen. Doch ge fragt, wann es denn nun so weit sei, ora kelt der Pres se spre cher: „Der Eröff nungs ter min fällt noch nicht in die nächs ten Wo chen.“ Liest man den Brief, den Hans-Die ter Heg ner, der Bau-Chef des Großpro jekts, am 14. Mai ge schrie ben hat, ver- steht man al lerdings, war um. Un ter der Überschrift „Gravie ren de Funk tions män gel und Sicher heits pro ble me im Hum boldt-Fo rum“ zeich net er ein be un ru hi gen des Bild vom Zu stand des Ge bäu des, ge nauer: sei ner Tech nik. Die Steuersys te me von Kli ma- und Alarm an la gen, Brand schutz, Be leuch tung und Auf zü gen seien „noch in ei- nem sehr schlech ten Zu stand“. „Wei te Be reiche der Elek tro an la ge“ funk tio nier ten „nicht oder ex trem man gel- haft“. Adres sa tin des Schrei bens, das der SZ vorliegt, ist Pe tra Wes se ler, die Prä si den tin des Bun des amts für Bauwe sen und Raum ord nung (BBR), das für die Bau aus füh rung zu stän dig ist. Heg ners Män gel lis te ist lang, obwohl er nur Bei spie le nennt. Im mer wie der kom me es zu „un ko ordi nier ten Ab - schal tun gen von Steckdo sen“ und „Zu- und Ab schal tun gen von Licht“. Die se mach ten ei nen „ge re gel ten Be trieb un mög lich und ge fährden das be reits ein ge brach te Kul tur gut“. Ge meint sind die vie len Tau send emp find lichen Ob jek te, die aus den Mu se en in Dah lem ins Schloss ge bracht wurden und durch zu viel Licht oder Kli ma schwan - kun gen Scha den neh men. Auch bei den Auf zü gen ge be es Stö run gen. Da die Not ruf funk tion häu fig aus fal le, müss ten sie im mer wie der au ßer Be trieb ge nom men werden. Nicht die ein zel nen An la gen seien da bei das Pro blem, son dern ih re Steue rung. Wie in al len mo der nen Ge bäu den werden hier sämt liche tech ni schen An la gen zen tral ge re gelt. Vie le Fir men, die für ein zel ne Be reiche wie Kli ma oder Licht zu stän dig wa ren, hät ten aber, wie Heg ners Leu te of fen bar erst kürz lich heraus fan den, auf ei ge ne Faust Un ter-Netz wer ke in stal liert, die mit dem zen tra len Steue rungs sys tem nicht so zu sam men spie len, wie sie sol len. „Be son ders gravie rend“ sei, dass es für die „IT-In fra struk tur“ kei ne über grei fen de „Sicher heits archi tek- tur“ ge be. So seien Da tenver bin dun gen „an der zen tra len Firewall vor bei“ in stal liert worden, für vie le Sys te me feh le die Do ku men ta tion. „Ei ne über grei fen de Ko ordi na tion und Steue rung der ein zel nen An forde run gen im Be reich der IT-Sicher heit ist nicht er folgt“, so Heg ner wei ter. Bei „mehr als 100“ IT-Sys te men, „dar un ter min des tens vier Win dows-10-Cli- ents, ei nem Win dows-Ser ver und min des tens 50“ Li nux-Sys te men, könn ten Ha cker-An grif fe und Malwa re wie der „Wan na-Cry-Vi rus“ „im Zwei fel nicht ab gewehrt werden und sind schluss end lich ein Ri si ko für das Kul tur- gut und die Be sucher“. Das Hum boldt-Fo rum sei des halb „nicht in der La ge … ei nen siche ren Be trieb zu gewähr- leis ten“. Heg ners Brief kommt über ra schend. Schließ lich hat te er im De zem ber, als das Hum boldt-Fo rum ei ne Eröff- nungs feier im Netz veran stal te te, al len am Bau Be tei lig ten ge dankt, auch dem BBR. Sie hät ten „al les un ter nom - men“, um „ein au ßer gewöhn liches Ge bäu de qua li täts ge recht zu er rich ten und am En de al le not wen di gen Prü- fun gen für die kom plexe Ge bäu de tech nik er folg reich ab zu schlie ßen“. Nun wirft er dem BBR vor, ge nau das ver- säumt zu ha ben. Wer ner Jensch, Pro fes sor für Ge bäu de tech nik an der Hoch schu le Mün chen, erlebt sol che Fäl le öf ter. „Man hat lau ter Sub sys te me ab ge nom men, aber die ge mein sa me Funk tio na li tät kann man nicht gewährleis ten. Es müss - te ei nen Pla ner, ei ne In sti tu tion ge ben, der die se Funk tio nen über grei fend ab nimmt, aber da fühlt sich kei ner zu stän dig.“ Doch das Pro blem sei nicht nur die Ab nah me. „Man hät te Kri te rien auf stel len müs sen, die in den
Sub sys te men er füllt werden müs sen. Ich weiß nicht, ob das pas siert ist. Ich be zweif le, dass es ein lo gi sches Si- cher heits kon zept gibt. Das hin ter her zu ma chen, ist schwie rig.“ Über vie le der Män gel aus Heg ners Brief strei ten die Verant wort lichen seit Wo chen. In in ter nen Mails, die der SZ vorlie gen, ist von Räu men die Re de, in de nen im mer mal wie der das Licht aus geht, von Kli ma schleu sen, durch die der Früh lings wind ins Mu se um bläst. Man che Tü ren las sen sich bis wei len nicht öff nen, kla gen die zu künf ti- gen Haus her ren, an de re nicht schlie ßen, man weiß nicht, war um. Die vor ge schrie be nen mo nat lichen Tests des Die sel ag gre gats kön nen nicht durch führt werden, und die „Au ßen haut“ des Ge bäu des lässt sich nicht über wa - chen, da die Vi deo über wa chungs an la ge „nicht voll stän dig funk tio niert“. Die Mit ar bei ter der Leit stel le kla gen, der „ge genwär ti ge Zu stand des Ge fah ren mel de sys tems“ sei ih nen „so nicht zu zu mu ten“. Acht Jah re nach Bau- be ginn ist die in stal lier te Hardware teils so veral tet, dass man nun versucht, sie auf die Schnel le noch vor der Eröff nung ge gen heu ti ge Tech nik aus zu tau schen. Und noch im mer gibt es grö ße re Zwi schen fäl le wie den vom 21. März, als we gen ei nes de fek ten Ven tils im drit ten Stock Was ser „über Stun den, wenn nicht Ta ge“ in Zwi schenwän de und Hohl bö den ge flos sen ist, in Tech nik räu- me ge lang te und ei nen Auf zug schacht ge flu tet hat. Die Verant wort lichen ma chen in ih ren Mails kei nen Hehl aus dem Druck, un ter dem sie ste hen: „Noch ha ben wir co ro nabe dingt ei nen Auf schub – wenn wir das Haus ir gendwann öff nen, wol len wir nicht am nächs ten Tag in der Zei tung ste hen, weil un se re Be sucher im Dun keln ste hen“, schreibt ei ner. Und Heg ner selbst: „Die Ter mi ne sind hier wie der mal al le ge ris sen.“ „Ein sog. Vor zei ge pro jekt kann nicht vor ge zeigt werden.“ Heg ner setzt dem BBR nun ein Ul ti ma tum. Bis zum 15. Ju ni er war te er ein Kon zept, wie die Tech nik in den Griff ge bracht werden soll. Wie lan ge das dauern könn te? Jensch will kei ne Pro gno se ab ge ben. Ei ne Ka ta stro phe wie am BER sei unwahrschein lich. Den noch: „Was Heg ner be schreibt, ist schon mas siv, das ist kein gu tes Zeichen. So baut man ei gent lich nicht, das ent spricht nicht un se rem Be rufs ethos.“
KULTUR SEITE 9 | MITTWOCH 26. MAI 2021 „Eröffnung im Sommer durch Bauarbeiten nicht gefährdet“ Mängel in der Technik begleiten Humboldt Forum bis in den Juli Blickpunkt im Herzen Berlins: Das Humboldt-Forum auf dem Schloßplatz öffnet im Juli für Besucher. Jens Kalaene dpa Nach einem digitalen Vorspiel will das Berliner Humboldt Forum nun Mitte Juli seine Türen für Besucherinnen und Besucher öffnen. Das international ambitionierte Kulturprojekt kündigte am Dienstag eine Öffnung für den Sommer an. Der Corona-Lockdown hatte den im vergangenen Dezember vorgesehenen ersten Öffnungsschritt zu einem rein digitalen Vorgang werden lassen. Alarm-Brief des Bauvorstands an Bundesamt für Bauwesen
„Das Gebäude des Humboldt Forums in Berlin ist seit Dezember betriebsbereit“, hieß es. Damit reagierte das Forum auf eine Auflistung noch nicht beseitigter Mängel in dem Bau. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete über einen Brief von Bauvorstand Hans-Dieter Hegner an das für die Ausführung zuständige Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung. Die Mängel machten einen „geregelten Betrieb unmöglich und gefährden das bereits eingebrachte Kulturgut“, zitierte die Zeitung. Auch eine übergreifende Sicherheitsarchitektur für die IT-Infrastruktur werde vermisst. Die für Sommer geplante Eröffnung werde „durch teilweise noch laufende Arbeiten der Restmängelbeseitigung nicht gefährdet“, hieß es beim Humboldt Forum, dessen Eröffnung bereits mehrfach verschoben werden musste. In der zweiten Juni-Woche sollen nun die Innenhöfe mit Gastronomie und Shop zugänglich gemacht werden. Bauvorstand Hegner sagte laut Mitteilung: „Als Betreiber benötigen wir Anlagen, die in allen Belangen störungsfrei und reibungslos laufen. Einige Unzulänglichkeiten wurden erst durch den Regelbetrieb aufgedeckt und werden jetzt zügig abgearbeitet.“ Dabei sei ein genauer und kritischer Blick notwendig. Es gehe „aber nicht darum, dass der Betrieb für das Publikum, für unser Team oder für die Kunstwerke in irgendeiner Form nicht sicher wäre“.
Das rund 680 Millionen Euro teure Zentrum für Kultur, Kunst und Wissenschaft nutzen künftig zwei Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, das Land Berlin und die Humboldt- Universität. Gezeigt werden Exponate aus Asien, Afrika, Amerika und Ozeanien sowie Objekte zur Geschichte Berlins. Das rund 40.000 Quadratmeter umfassende Gebäude nach Plänen des italienischen Architekten Franco Stella steckt hinter der viel kritisierten rekonstruierten Fassade des Hohenzollernschlosses. Neben dem Bau selbst ist auch die geplante Präsentation von Benin-Bronzen umstritten, die als Raubgut aus kolonialen Zeiten gelten. Museen aus Deutschland und Nigeria sowie die politische Ebene verhandeln aktuell über Rückgaben vom kommenden Jahr an. „Uns ist es sehr ernst, wir wollen damit jetzt weiterkommen“, sagte der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger am Sonntag in Berlin. dpa Berliner Morgenpost: © Berliner Morgenpost 2021 - Alle Rechte vorbehalten.
Ausstellungskritik | "Berlin-Global" im Humboldt-Forum Auf den Spuren der Weltmusik 22.05.21 | 13:41 Uhr "Berlin-Global" heißt die große Ausstellung, die im Sommer im Humboldt-Forum eröffnet werden soll. Auf rund 4.000 Quadratmetern wird gezeigt, wie sich die Stadt mit der Welt verbindet. Hans Ackermann ist vorab in eine Welt aus Kugeln und Klang eingetaucht. "Was verbindet man in der Welt mit Berlin - auf jeden Fall doch wohl die Vergnügungskultur und die Musik!", sagt der Historiker und Kurator Daniel Morat, der für die Ausstellung "Berlin-Global" im Humboldt-Forum verantwortlich ist. "Unsere Grundüberlegung ist, dass die moderne Welt eine global vernetzte Welt ist und Großstädte wie Berlin Knotenpunkte in diesen Netzwerken sind. Die Vergnügungskultur und speziell die Musik sind ein Feld, auf dem man solche globalen Vernetzungen sehr schön verfolgen kann." Kugeln und Knotenpunkte "Dein ist mein ganzes Herz" schallt es aus dem Lautsprecher. Es läuft eine Aufnahme von 1929, mit der sich der Tenor Richard Tauber auf einer Schellackplatte für alle Zeiten verewigt hat. Auf einem echten alten Grammophon abgespielt, geht der Sänger dabei im Rauschen allerdings fast unter. Natürlich hätte man die Musik auch digital filtern können, meint Daniel Morat. "Aber wir wollten dieses Knistern mit dabei haben, damit man das Gefühl einer alten Schellack-Platte auch hören kann." Das alte Koffer-Grammphon ist in der Mitte einer großen begehbaren Kugel aufgestellt. Die "Lindström- Kugel," wie der Kurator die Installation nennt. "Der Effekt dieser Kugel ist sehr schön, weil man den Sound eben nicht auf dem Kopfhörer hat, sondern als Raumsound in dieser Kugel hört. Ein Raumklang, der durch diese geschlossene Kugel eine ganz besondere Akustik bietet." Aufnahme-Expeditionen in alle Welt Ab 1904 hatte der schwedische Einwanderer Carl Lindström in Berlin mit der Herstellung von Grammophonen begonnen. In wenigen Jahren entstand daraus mit der Lindström-AG der größte europäische Musikkonzern der Vorkriegszeit. Und so sieht man auf der Innenwand der Kugel eine Weltkarte, die sich aus Hunderten von runden Aufklebern zusammensetzt - Papierlabel aus der Mitte von Schellackplatten, die von Firmen wie "Odeon", "Beka" oder "Parlophon" hergestellt und auf Lindberg- Grammophonen in aller Welt abgespielt wurden. Das Unternehmen hat dafür auch internationale "Aufnahme-Expeditionen" finanziert, erzählt Daniel Morat: "Das waren 'Musik-Scouts' wie Heinrich Bumb, der darüber auch einen Reisebericht geschrieben hat, "Unsere Reise um die Welt" heißt das Buch, in dem er von diesen Aufnahmen berichtet". Bumb hatte in Berlin mit seinem "Institut für moderne Erfindungen" ebenfalls Phonographen entwickelt und sich auf dem schnell wachsenden Schallplattenmarkt etabliert. 1917 hat Carl Lindström das Beka-Label gekauft - ein Beispiel für frühe Konzentrationsprozesse in der Musikindustrie. Globale Zirkulation von Musik Lindström hat seine "Scouts" auch nach Argentinien geschickt und so kann man auf dem alten Grammophon auch "Yira, Yira" auswählen und sich das "Orchestre Argentin Bachica" anhören. "Der Bandleader Bachica", erzählt Morat, "war ein Argentinier, der in den 1920er-Jahren nach Paris gekommen ist und dort Aufnahmen gemacht hat. Lindström hatte auch einen Standort in Paris und dort ein eigenes Presswerk. Da sieht man diese transnationale Verflechtung: Ein Argentinier in Paris, der für ein deutsches Label einen Tango aufgenommen hat."
"Der Tango" , sagt Daniel Morat, "ist ein tolles Beispiel für diese globale Zirkulation von Musik, für dieses Hin- und Her über den Atlantik. Man kann zurückverfolgen, wie der Tango in Buenos Aires zu einer Nationalmusik aufgestiegen ist - nachdem man gemerkt hat, die Leute in Europa finden unsere Musik ganz toll." Gesang aus aller Welt Von den insgesamt sechzehn Klangbeispielen in der Lindström-Kugel stammt rund die Hälfte aus dem kommerziellen Vergnügungsbereich. Tangos oder Schlager wie "Ein Lied geht um die Welt" von Joseph Schmidt oder Kurt Mühlhardts "Schöner Gigolo" von 1929. Im Auftrag von Universitäten und Museen hat Lindström seine Toningenieure aber auch nach Ägypten und Syrien geschickt. Dort entstanden 1908 die ältesten Aufnahmen der Ausstellung - unter anderem mit dem Gesang von Salama Hijazi, ein 1864 geborener Pionier des ägyptischen Musiktheaters. Lindströms internationale Aufnahme-Expeditionen haben auch den Fernen Osten bereist. Die Klangprobe aus der Peking-Oper von 1931 gehört dabei zu den akustischen Höhepunkten in der Lindström-Kugel. Denn mit Mei Lanfang gestaltet hier einer der berühmtesten Peking-Oper-Darsteller seine Rolle in den höchsten Tönen. "Das Interessante an dieser Platte ist, dass sie gar nicht primär für den deutschen Markt bestimmt war, sondern für den chinesischen Markt", erklärt Daniel Morat. Die Aufnahme aus China stammt aus den Sammlungen des Ethnologischen Museums Berlin, wo es noch viele solcher "Schätze" geben würde, sagt der Kurator. Anfänge der Weltmusik Der Begriff der Weltmusik wurde lange Zeit vor allem mit afrikanischen Klängen gleichgesetzt. Mit "Kakano Buli Kintu" findet sich unter den knisternden Grammophonaufnahmen tatsächlich auch ein Beispiel aus der afrikanischen Musikkultur. Das Lied aus Uganda ist eine Hymne, die an jene Chöre erinnert, die vor Jahrzehnten von Paul Simon oder Peter Gabriel für die westliche Popmusik "entdeckt" wurden. "Der Begriff der Weltmusik", sagt Daniel Morat, "wird ja erst seit den 1970er-Jahren verwendet. Aber wenn man sich mit der globalen Zirkulation von Musikstilen beschäftigt, stellt man fest, dass das schon viel früher angefangen und mit den Schallplatten eine neue Qualität bekommen hat." Die Schallplattenindustrie, meint der Historiker, sei der Motor dieser globalen Vernetzung von Musikstilen gewesen. "Mit der Lindström-AG haben wir ein Berliner Beispiel, wie die Schallplattenindustrie zur globalen Zirkulation von Musik beigetragen hat. Das ist das, was wir mit der Kugel erzählen wollen." 1932 ist Carl Lindström in Berlin gestorben, das von ihm begründete Unternehmen war im Jahr zuvor nach London verkauft worden und wurde dort Teil des EMI-Konzerns. Ein Schallplattengigant, der vor einigen Jahren aber auch wieder in eine andere, noch größere Firma aufgelöst wurde - womit der Name Lindström wohl endgültig aus dem Musikbetrieb verschwunden ist, aber immerhin im Humboldt-Forum in einer begehbaren Kugel weiterlebt. Sendung: rbb-Kultur, 22.05.2021, 08:25 Uhr Beitrag von Hans Ackermann
Mittwoch, 26.05.2021, Tagesspiegel / Kultur Monument mal Nicht mit einer klassischen Festschrift, sondern mit einer Graphic Novel wird das 200. Jubiläum des Berliner Konzerthauses am Gendarmenmarkt gefeiert. Felix Pestemer hat sie gezeichnet Von Ralph Trommer Alles nur Theater. Felix Pestemer hat wichtige Augenblicke in der Geschichte des Hauses nachgezeichnet. Wie die Wolfsschlucht-Szene aus Webers Oper „Der Freischütz“. Das Konzerthaus am Gendarmenmarkt wollte 2021 ganz groß sein 200-jähriges Bestehen feiern. Doch dann mussten alle Projekte verschoben oder in den Stream verlagert werden, wie die für den 18. Juni angesetzte Aufführung der Oper „Der Freischütz“ in der Inszenierung der katalanischen Kompagnie La Fura del Baus. Zur Überbrückung der Durststrecke kann nun eine im Berliner Avant Verlag erschienene Graphic Novel dienen, die der Künstler Felix
Pestemer zum Jubiläum gezeichnet hat. Der Band bietet Klassik-Neulingen und allen Interessierten einen guten Einstieg in die Geschichte des 1821 eröffneten Baus, kann aber auch Kenner der Historie mit manch kurioser Anekdote überraschen. Der aktuelle Wartezustand erscheint etwa im Vergleich zum Kriegsende geradezu als Sonntagsspaziergang. Nachdem noch im April 1945, zur Zeit des Ansturms der Roten Armee auf Berlin, Liederabende mit Arien aus Pucinis „Tosca“ oder Rossinis „Barbier von Sevilla“ im damaligen Schauspielhaus gegeben wurden, sorgten Bombenhagel, Feuer und Fassadenkämpfe kurz darauf für starke Beschädigungen, der reguläre Spielbetrieb war bereits im Herbst 1944 eingestellt worden. In kultureller Beziehung passierte dann lange nichts mehr am Gendarmenmarkt (der 1950 in „Platz der Akademie“ umbenannt wurde), das Schauspielhaus blieb jahrzehntelang eine Ruine. Erst nach dem Wiederaufbau von 1977 bis 1984, konnte das Kulturleben an diesem Ort wieder aufgenommen werden. Das Haus beherbergte nun mehrere Konzertsäle und diente nicht länger als Schauspielbühne. Im Eröffnungskonzert wurde die DDR- Nationalhymne „Auferstanden aus Ruinen“ gespielt. Der 1974 geborene Berliner Comiczeichner und Illustrator Felix Pestemer hat bereits 2019 mit „Im Auge des Betrachters“ (Avant Verlag) eine grafische Erzählung über die Alte Nationalgalerie Berlin und deren herausragende Kunstwerke geschaffen. Auch diesmal gelingt ihm – zusammen mit Annette Zerpner und Jörg Zägel – auf anschauliche Weise, die Geschichte des Gebäudes darzustellen. Seine illustrierte Chronik konzentriert sich auf wesentliche Daten und porträtiert zugleich einige Persönlichkeiten, die das Kulturleben prägten. Das können realistisch und detailliert gezeichnete Einzelbilder sein, die manchen unvergesslichen Moment festhalten, wie etwa die Wolfsschlucht- Szene während der Uraufführung von Carl Maria von Webers romantischer Oper „Der Freischütz“ im Eröffnungsjahr des Hauses 1821, begleitet von knappen Begleittexten zur Entstehung. Die spektakulären Auftritte des „Teufelsgeigers“ Niccolò Paganini dürfen nicht fehlen, wie auch Marlene Dietrichs laszives Debüt (bereits im eleganten Hosenanzug) im Stück „Duell am Lido“ 1925, das den späteren „Blauen Engel“- Erfolg bereits vorwegnahm, bis hin zu Leonard Bernsteins Auftritt im Großen Saal kurz nach dem Mauerfall.
Doppelseitige Tafeln stellen wichtige historische Ereignisse als Panoramen da, wie die Eröffnung 1821, bei der der Architekt Karl Friedrich Schinkel sich beim Eintreffen der Hohenzollern klammheimlich davon stiehlt. Bei der Darstellung der Aufbahrung der Märzgefallenen nach der Revolution von 1848 orientierte sich Pestemer unter anderem am berühmten Gemälde von Adolph Menzel, während die Neueröffnung des Baus 1984 durch Erich Honecker augenzwinkernd in nebelig-trübem Licht dargestellt wird. Am vergnüglichsten sind jedoch die insgesamt vier Comicteile, die ganz unterschiedliche narrative Akzente setzen. In drei der Episoden stehen bekannte Persönlichkeiten im Mittelpunkt. E. T. A. Hoffmann, Meister des phantastischen Erzählens und Komponist der Oper „Undine“, erlebt 1817 von seiner benachbarten Wohnung in der Charlottenstraße aus mit, wie der Vorgängerbau, das Königliche Nationaltheater, den Flammen zum Opfer fällt, und lässt sich von aufgewirbelten Perücken zu einer grotesken Erzählung inspirieren. Die Episode ist nicht erfunden, sondern fußt auf einem Brief Hoffmanns an einen Freund. Auf den Grundmauern der Ruine erbaute Schinkel sein Schauspielhaus. Die zweite Comicepisode handelt von Theodor Fontanes Wirken, denn er prägte das Berliner Theaterleben ab 1870 zwei Jahrzehnte lang durch seine Tätigkeit als Kritiker und war bei darstellenden Künstlern berüchtigt für seine scharfen Verrisse. Über die Schauspielerin Marie Barkany als Jungfrau von Orléans urteilte er von seinem Stammplatz 23 im Parkett aus: „Sie kann einfach nicht sprechen, sie kaut alle Wörter“. Aber auch Inszenierungen von Dichterkoryphäen wie Goethe („uninteressant“) oder Shakespeare („stellenweise langweilig“) fielen bei dem „Scheusal“ durch, wie sich Fontane selbst nannte. Den Schauspieler Gustaf Gründgens wiederum zeigt Felix Pestemer in der Mephisto-Maske in einem ambivalenten Moment seiner Karriere, nämlich 1933, als Hermann Göring ihn in seiner Garderobe besucht und ihm die Intendanz des Schauspielhauses neben weiteren Ehrenämtern anträgt. Für Gründgens wohl ein „Angebot, was er nicht ablehnen konnte“ – auch wenn er wegen seiner Homosexualität erst zögerte. Felix Pestemer zeichnet ganz klassisch mit Bleistift und Tuschepinsel (für die Graustufen) auf Papier, legt akribisch Wert auf die Authentizität seiner Dekors und Kostüme wie auf architektonische Details. Koloriert wurden seine Bilder mit ausgewählten Farben am Computer vom Grafiker Thomas Gilke.
Die letzte, humorige Comicepisode ist dann den „schinkelnden“ Ost-Berliner Architekten, Restauratoren und Handwerkern gewidmet, die das Schauspielhaus hoch motiviert wiederaufbauten, mit begrenzten sozialistischen Mitteln, aber doch ganz getreu dem Klassizismus, wie ihn Karl Friedrich Schinkel einst im Sinn gehabt hatte. Felix Pestemer und seinen Koautoren gelingt es auf unterhaltsame und pointierte Weise, die wechselhafte Geschichte einer zentralen Berliner Kulturinstitution auf halb dokumentarische, halb fiktionale Weise nachzuerzählen. 200 Jahre deutsche Geschichte werden dabei locker gestreift. Alles bleibt anders. Das Konzerthaus Berlin und seine Geschichte(n) von Felix Pestemer, mit Annette Zerpner und Jörg Zägel. Avant Verlag, 88 S., farbig, 25 € Alles nur Theater. Felix Pestemer hat wichtige Augenblicke in der Geschichte des Hauses nachgezeichnet. Wie die Wolfsschlucht-Szene aus Webers Oper „Der Freischütz“.
25.05.2021 - Aktualisiert: 26.05.2021, 09:28 Uhr https://www.faz.net/-hp7-ac1b7 Rainer Osnowski im Gespräch Die Aufmerksamkeit für Kultur ist gewachsen Mit ihrer ersten Digital-Ausgabe will die lit.Cologne die Online-Ermüdeten überraschen: Der Festivalleiter Rainer Osnowski erklärt, worauf er dabei setzt und was er für die Zukunft erhofft. Von OLIVER JUNGEN © Picture-Alliance Nochmal digital: Werbung für die 21. lit.Cologne, die vom 26. Mai bis 13. Juni stattfinden soll. Die lit.Cologne, eines der größten Literatur-Festivals des Landes, wurde von der Pandemie hart erwischt. Die Jubiläums-ausgabe – zwanzig Jahre – musste im März 2020 am Tag der Eröffnung komplett abgesagt werden. Die Existenz des Festivals schien akut gefährdet. Auch alle Nachholtermine im Herbst wurden storniert. Von heute an bis zum 12. Juni findet nun die lit.Cologne 2021 statt, und das erstmals komplett digital, nachdem sie zunächst wieder als Live-Veranstaltung geplant war. In 54 Veranstaltungen sind Bestsellerautoren wie Isabel Allende, Sebastian Fitzek, Elke Heidenreich oder Frank Schätzing ebenso zu erleben wie literarisch anspruchsvolle Schriftsteller wie Leïla Slimani, Ulrich Peltzer, Ingo Schulze, Judith Hermann oder T.C. Boyle, dazu Politiker, Wissenschaftler, Aktivisten. Es geht wieder los mit dem großen Kölner Literaturfestival. Wie erleichtert sind Sie? Riesig. Die Pressekonferenz zur Programmvorstellung, die bei uns ja immer im Schulterschluss mit Politik und Sponsoren stattfindet, fühlte sich tatsächlich wie ein großes Stück Normalität an. Ist es nicht etwas bitter, dass Sie nun genau zu dem Zeitpunkt mit einer reinen Digitalausgabe starten, an dem überall – auch in NRW – von Lockerungen bei Live-Events die Rede ist? Das ist die Ironie des Schicksals. Aber es wird ja nur kleine, vorsichtige Öffnungen geben. Ich finde das viel zu langsam, aber wir müssen uns natürlich an die offiziellen Richtlinien halten. Wir hätten selbst in vier Wochen wohl keine dreißig Spielstätten in der Weise bespielen können, wie wir das geplant hatten. Wir finden jetzt mit aller Power im Digitalen statt.
Haben Sie keine Angst, dass die Menschen nach einem Jahr Dauer-Zoom allmählich bildschirmmüde geworden sind? Das geht uns sicher allen so, dass wir uns danach sehnen, wieder rauszukommen, ins Theater, zu Lesungen. Ich habe eben mit einem sehr guten Freund in Berlin telefoniert, der heute wieder in ein richtiges Restaurant geht: mit Bedienung, ohne Plastikverpackungen. Das ist ja kaum mehr vorstellbar. Aber es ist eben eine Zwischenzeit. Vielleicht geht man nun zuerst ins Restaurant und besucht danach noch digital die lit.Cologne. Das kann ja auch einen Reiz haben. War die lit.Cologne 2021 zunächst als reines Publikumsfestival geplant? Wir hatten von Beginn an hybrid gedacht, zumindest da, wo es geht. Geplant war ein üblicher Umfang: 104 Veranstaltungen für Erwachsene und mehr als achtzig Veranstaltungen für Kinder und Schulen. Das Schulprogramm wurde früh auf den Herbst verschoben. Anfang April mussten wir uns dann entscheiden, ganz aufs Digitale zu setzen. Hatten Sie da schon Säle gebucht? Die waren natürlich reserviert. Aber mit einer Option zum Ausstieg. © Boris Breuer Sieht optimistisch in die Zukunft, und das nicht nur für die aktuelle Ausgabe seines Festivals: Rainer Osnowski, Gründer und Leiter der lit.Cologne. Es fehlt auch jenseits des Schulprogramms etwa die Hälfte. Was wurde aussortiert und warum? Wir haben das Programm Punkt für Punkt durchgesehen. Einige wenige Autoren fühlen sich mit einer rein digitalen Form eher unwohl, somit fielen diese raus. Die Themenabende und Porträts zu Unrecht vergessener Autoren haben wir aufs nächste Festival im Frühjahr verlegt. Wie werden die Veranstaltungen denn nun aussehen? Und ist alles live? Wir wollen eine lebendige, professionelle Bildgestaltung liefern, also nicht das, was wir aus Zoom-Konferenzen kennen. Wir haben einen unserer größten und liebsten Veranstaltungsorte, das Theater am Tanzbrunnen, zum Produktions- und Streamingort ausgestattet. Zwei Drittel der Veranstaltungen werden dort live stattfinden; die Umsetzung haben wir mit Bühnenbauern und Regisseuren geplant. Bei den ausländischen Gästen sind es Aufzeichnungen. Das hat den Vorteil, dass wir das bildlich optimieren und untertiteln können. Da haben wir eine Kooperation mit dem Berliner Digitalfestival re:publica geschlossen.
Vom Live-Charakter abzugehen ist aber eine Grundentscheidung, oder? Es wäre ja etwas anderes, wüsste man, dass T.C. Boyle oder Isabel Allende in diesem Moment vor der Kamera sitzen. Das wird Ihnen vorkommen wie eine Live-Schaltung. Wir werden das auch für die Zukunft des Festivals nicht ausschließen. Das Digitale verstehen wir als Erweiterung unseres Spektrums und wollen weiterhin einzelne Veranstaltungen hybrid anbieten. Aber natürlich wird die lit.Cologne ein Live-Festival bleiben. Mit Publikum im Saal und für Publikum im Saal. © dpa 2019 war sie das letzte Mal auf der lit.Cologen, jetzt kehrt sie zurück: Isabel Allende. Wird denn auch vorgelesen werden? Ja, aber tatsächlich etwas weniger. Lange Autorenlesungen sind nach unserer Analyse im Netz nicht so gefragt. Wir legen deshalb den Fokus auf das Gespräch. Es sind in diesem Frühjahr nur wenige Gäste dabei, die schon 2020 eingeladen waren, und wenn, dann mit neuen Büchern. Waren Sie nicht versucht, einigen Titeln der Vorsaison, die ja wenig Aufmerksamkeit hatten, eine Bühne zu geben? Das Programm von 2020 ist leider komplett der Pandemie zum Opfer gefallen. Es bleibt ein Dilemma: Wir haben viele unserer Lieblingsbücher nicht präsentieren können, aber es sind so viele schon wieder nachgekommen, dass wir selbst da nicht alles nehmen konnten. Wir überlegen allerdings, ob es in Zukunft eine Reihe zu den „ausgefallenen“ Büchern aus dem Jahr 2020 geben kann. Es sind wieder viele Bestsellerautoren am Start. Eher komplizierte Schriftsteller, für die sonst vielleicht Restkarten gekauft wurden, finden sich weniger. Muss man im Digitalen lauter trommeln? Nein, daran haben wir gar nicht gedacht. In den analogen Jahren gab es aber möglicherweise noch mehr zu entdecken.
© dpa Dauergast bei der lt.Cologne, denn als Kölner ist er dem Festival besonders verpflichtet: Frank Schätzing. Sie setzen weiterhin politische Schwerpunkte: Klimawandel, Flüchtlingsschicksale, Bundestagswahl. Wie unterscheiden sich Diskussionsrunden mit Wolfgang Schäuble, Luisa Neubauer, Robert Habeck und Maya Göpel denn von allabendlichen Talkshows? Wir entwickeln ein Thema meist in eine Richtung und wollen kein künstliches, unbefriedigendes Pro und Contra herstellen wie in den Talkshows. Die Tatsache, dass es so viel Politik in einem Literaturfestival gibt, zeigt dabei, dass für uns Kultur auch politisch sein muss. Blicken wir noch einmal zurück: Wie schwierig war es, zumal als neuerdings ja alleiniger Geschäftsführer des Festivals, nicht den Glauben an dessen Zukunft zu verlieren? Wie akut war die Gefahr einer Insolvenz? Den Moment gab es eigentlich nicht. Wir hatten immer Rückendeckung, auch und besonders durch das engagierte Team. Wir sind noch mehr zusammengewachsen. Die Mitwirkenden, die Sponsoren und die Menschen, die ihre Tickets aus Solidarität nicht zurückgegeben haben, haben uns einen Spielraum für die ersten Monate gegeben. Und dann kam der Beschluss des Rates der Stadt Köln, dass man uns mit bis zu 500.000 Euro dabei unterstützt, die lit.Cologne in die Zukunft zu führen. Dazu gehört auch die Erstellung einer Audiomediathek mit Live-Mitschnitten des Festivals, die wir gemeinsam mit dem Digitalvertrieb Zebralution auf unserer Homepage und bei allen Streaming- und Downloadplattformen anbieten. Lassen sich die 2020 nicht zurückgegebenen Tickets beziffern? Das ist schwierig, aber Schätzungen deuten bei uns auf 35 bis vierzig Prozent. Eine öffentliche Förderung... ... wollen wir nicht dauerhaft, auch wenn wir dankbar für die aktuellen coronabedingten Hilfen sind. Die lit.Cologne soll aber eine der ganz wenigen privatwirtschaftlichen Kultureinrichtungen in Deutschland bleiben. Der beliebte 24-Stunden-Literaturmarathon im WDR wurde offenbar dauerhaft gestrichen. Der Programmchef von WDR 3 und WDR 5, Matthias Kremin, begründet das mit Sparzwängen. Was sagen Sie dazu? Ich finde, dass der WDR für seine Reformen im Kulturbereich zu Unrecht in diesem Maße kritisiert wird. Man schichtet dort viel um und kommt weg von wirklich verstaubten Formaten. Was den Literaturmarathon angeht, so fände ich den Wegfall allerdings schade,
denn das Format erfreute sich beim Publikum höchster Beliebtheit. Aber es wird in Zukunft eine andere, ähnliche Form geben. Da sind wir in sehr konstruktiven Gesprächen mit dem WDR. © dpa Stargast aus den Vereinigten Staaten bei der diesjährigen lit.Cologne: T. C. Boyle Technik ist teuer. Sind Digitalveranstaltungen gar nicht preiswerter als Live- Events? Je professioneller die technische Umsetzung, desto kostspieliger. Schon die Umsetzung einer digitalen Pressekonferenz erinnerte teilweise an eine Fernsehaufzeichnung. Wir stemmen das unter anderem mit den Projektgeldern der Stadt. Und wir hoffen auf viel Publikum. Wie viele Ticketverkäufe erwarten Sie denn? Wir hoffen, dass wir in eine fünfstellige Region kommen, nicht nur, was den günstigen Festivalpass angeht, sondern auch bei Einzelzugriffen. Das wäre eine große Erfolgsmeldung. Glauben Sie, der Literaturstandort Köln wird die Corona-Pandemie ohne langfristige Schäden überstehen? Vieles wird nachwirken. Es wird zu einer Straffung führen, zu Neudefinitionen, aber auch zu neuen Formaten. Köln als Literaturstadt wird aus der Krise keinesfalls geschwächt hervorgehen. Die Aufmerksamkeit für Kultur ist gewachsen, das Kulturdezernat wird neu besetzt. Die Zeichen könnten durchaus auch auf Aufbruch stehen. Quelle: F.A.Z. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH 2001–2021 Alle Rechte vorbehalten.
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