HDTV in Deutschland: Fehlendes Innovationsmanagement führt zu Marktversagen

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HDTV in Deutschland:
                       Fehlendes Innovationsmanagement
                       führt zu Marktversagen
Georg Erber            Fernsehen in hochauflösender Qualität könnte           Hochauflösendes Fernsehen (High Definition
gerber@diw.de
                       jetzt vor dem Durchbruch in Deutschland stehen.        Television – HDTV) wurde bereits zu Beginn der
Sven Heitzler
sheitzler@diw.de
                       Leider blockieren sich derzeit im Bereich der priva-   90er Jahre als neue Technologie den Fernsehzu-
                       ten Free-TV Fernsehsender und der Netzbetreiber        schauern in Deutschland für die nahe Zukunft
                       die Akteure gegenseitig. Dabei sollen Verschlüsse-     in Aussicht gestellt, allerdings wurden die Ver-
                       lung und digitales Rechtemanagement die Basis          sprechungen dann doch nicht wie angekündigt
                       langfristig ertragreicher Erlösquellen bilden. Dies    und zum erwarteten Zeitpunkt realisiert.
                       geht potenziell zu Lasten der Fernsehzuschauer.
                       Trotz Beginn des Regelbetriebs von HDTV bei den        Stattdessen wurden in mehreren Teilschritten die
                       öffentlich-rechtlichen Sendern ist derzeit nur eine    Voraussetzungen für das nun in der Markteinfüh-
                       Minderheit der Zuschauer in der Lage, tatsächlich      rung befindliche hochauflösende Digitalfernsehen
                       hochauflösendes Fernsehen zu empfangen. Der            geschaffen, etwa durch schrittweise Umstellung
                       Staat sollte daher den derzeitigen Streit rasch be-    der Bildschirmdarstellung von 4 : 3 auf 16 : 9, von
                       enden helfen und eine effektive Wettbewerbskon-        analogem auf digitalen Empfang und durch Verbes-
                       trolle bei dem Einsatz des neuen Standards sicher-     serung der Bildauflösung im Zuge der Einführung
                       stellen.                                               von Flachbildschirmen in zwei Stufen (zu 1 280
                                                                              mal 720 und 1 920 mal 1 080 Bildpunkten).

                                                                              Weiterhin Probleme bei Übertragung
                                                                              und Empfang von HDTV

                                                                              Derzeit hat ein rapides Wachstum bei HDTV-
                                                                              fähigen Flachbildschirmen in Deutschland einge-
                                                                              setzt (Tabelle 1). Allerdings steht dem wachsenden
                                                                              Anteil von HDTV-fähigen Bildschirmen noch ein
                                                                              eher spärliches Angebot an Fernsehsendungen
                                                                              gegenüber und die Empfangsmöglichkeiten in
                                                                              den Haushalten sind wegen fehlender Empfangs-
                                                                              technik noch immer beschränkt.

                                                                              HDTV besteht aus einer Kette von Teilsegmenten,
                                                                              die miteinander für einen HDTV-Empfang ver-
                                                                              knüpft sein müssen (Abbildung 1). Zum Empfang
                                                                              der HDTV-Signale sind neben den Flachbildschir-
                                                                              men heute in der Regel auch noch HDTV-Emp-
                                                                              fänger (Receiver) erforderlich, die in der Regel
                                                                              nicht in die Bildschirme integriert sind, sodass
                                                                              sie zusätzlich erworben werden müssen.

                                                                              Seit dem Beginn der Olympischen Winterspiele
                                                                              am 12. Februar 2010 haben die beiden öffentlich-

                   2   Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 12/2010
Sieben Fragen an Georg Erber

„Im Bereich HDTV haben wir keinen
funktionsfähigen Wettbewerb mehr“

Herr Dr. Erber, Sie haben die Einführung des          hat man mit CI+
hochauflösenden Fernsehens (HDTV) in                  einen Zwischenstan-
Deutschland untersucht. Wie viele Menschen            dard geschaffen, der angeblich sicherer sein
in Deutschland können denn schon hochauf­             soll. CI+ dient aber auch dazu, das Anschauen
lösend fernsehen?                                     von Inhalten zu reglementieren, die Aufzeich-                Dr. Georg Eber,
Es gibt dazu bislang keine offiziellen Statistiken,   nungsmöglichkeiten zu beschränken und das                    Wissenschaftlicher
man muss aber davon ausgehen, dass es eine            Ausblenden von Werbeblöcken zu verhindern.                   Mitarbeiter in
verschwindend geringe Minderheit ist. Weniger         Die Wunschvorstellung der Anbieter ist, den                  der Abteilung
als ein Prozent sind eine realistische Schätzung.     Zuschauer in seinen bisherigen Gewohnheiten                  Informationsgesellschaft
                                                      deutlich einzuschränken und gleichzeitig höhe-               und Wettbewerb
Die Technik steht bereit, doch an der flächen­        re Einnahmen zu erzielen.                                    am DIW Berlin
deckenden Einführung hapert es. Wo liegen
die größten Hindernisse?                           Durch CI+ können einzelne Sendeinhalte kos­
Die Einspeisung von HDTV-Signalen in Kabel- tenpflichtig verkauft werden. Bedeutet das
netze ist vor allem bei den Free-TV-Sendern bis- das Ende des frei empfangbaren Privatfern­
her nicht erfolgt. Auch bei den öffentlich-recht- sehens?
lichen Fernsehanstalten wird nicht das ganze Die Tendenz ist ganz deutlich absehbar. Wie
Programm in HD-Qualität übertragen. Der zen- zum Beispiel die Übertragung von HDTV-Inhal-
trale Streitpunkt ist die Frage der Verschlüsse- ten über den Satelliten Astra gezeigt hat, ver-
lung, die den Kopierschutz von Fernseh- und sucht man bereits, eine zusätzliche Grundge-
Videoinhalten sichern soll.                                        bühr zu erheben. Das ist nur
Sie ist zwischen den beteilig-               Digitales             ein Einstieg in Modelle, die
ten Sendern, Netzbetreibern          Rechtemanagement              unter Umständen noch viel
und Inhalteanbietern bisher           soll die TV-Nutzung          detaillierter die Zuschauer
ungelöst.                        »  einschränken und den
                                                                   «
                                                                   zur Kasse bitten.
                                       Zuschauer zur Kasse
Was steht einer Einigung                                             Die Gerätehersteller verdie­
der verschiedenen Anbieter                   bitten.                 nen seit einigen Jahren viel
im Wege?                                                             Geld mit HD-fähigen Flach­
Die Gewinne müssen zwischen den Sendern, In- bildschirmen. Ist das nicht Betrug am Verbrau­
halteanbietern und den Netzbetreibern verteilt cher, wenn die Inhalte fehlen?
werden. Dabei versucht jeder für sich das Maxi- Es wird die Hoffnung verkauft, dass die Geräte,
mum herauszuschlagen. Da wir in all diesen Be- die man erwirbt, auch zukunftsfähig sind. Ob sich
reichen eine hohe Marktkonzentration haben das am Ende bewahrheitet, und welche zusätzli-
und es auf jeder Ebene marktmächtige Unter- chen Kosten für HD-Receiver und die Entschlüs-
nehmen gibt, die sich einer Entscheidung ver- selungsmodule noch entstehen werden, ist für
weigern können, haben wir keinen funktionsfä- den Verbraucher derzeit nicht überschaubar.
higen Wettbewerb mehr.
                                                  Welche medienpolitischen Entscheidungen
Was verbirgt sich hinter dem „digitalen Rechte­ sollten getroffen werden?
management“ (DRM)? Welche Folgen hat das Die Arbeitsgemeinschaft der Landesmedien-
für die Verbraucher?                              anstalten sollte Rahmenbedingungen schaffen,
Ursprünglich war vorgesehen, dass eine Schnitt- die die Einspeisung von Signalen aller Anbieter
stelle nach dem sogenannten CI-Standard (Com- zu diskriminierungsfreien Bedingungen ermög-                         Das Gespräch führte
mon Interface) dazu dienen sollte, die Fern- licht. Im Zweifelsfalle sollte der Gesetzgeber                        Erich Wittenberg.
sehdaten in geeigneter Form zu verschlüsseln, zumindest für einen überschaubaren Zeitraum                          Das vollständige
zu übertragen und dann am Endgerät zu ent- Investitionssicherheit für die Verbraucher schaf-                       ­Interview zum Anhören
schlüsseln. Es hat aber wegen Sicherheitsmän- fen, damit eine bestimmte Technologie nicht in-                       finden Sie auf
geln Kritik an der Schnittstelle gegeben. Jetzt nerhalb kürzester Zeit wieder obsolet wird.                         www.diw.de/interview

                                                                        Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 12/2010     3
HDTV in Deutschland: Fehlendes Innovationsmanagement führt zu Marktversagen

Tabelle                                                                                                   Die Übertragung mittels des digitalen terres­
Umsatz und Absatz von Flachbildschirmen in Deutschland                                                    trischen Fernsehens (DVB-T) ist wegen der in
                                                                                                          Deutschland etablierten Übertragungsinfrastruk-
                               Umsatz                                         Absatz
                                                                                                          tur im Gegensatz zu Frankreich nicht möglich.2
                          In Milliarden Euro                             In Millionen Stück
              Insgesamt         LCD            Plasma        Insgesamt         LCD            Plasma
                                                                                                          Die Deutsche Telekom, Vodafone sowie einige
2005             2,15           1,47            0,67            1,61           1,30            0,32
                                                                                                          andere Anbieter speisen darüber hinaus HDTV-
2006             3,70           2,87            0,83            3,04           2,57            0,47
2007             4,27           3,57            0,70            4,41           3,88            0,53
                                                                                                          Programme für ihre VDSL-Kunden in ihr Glas-
2008             5,44           4,72            0,72            6,64           5,90            0,74       fasernetz im Rahmen von speziellen kosten-
2009             5,60            –               –              7,70           7,00            0,70       pflichtigen Entertainment-Paketen ein. Da VDSL
2010              –              –               –              8,20           7,50            0,70       bisher nur in wenigen Städten verfügbar ist, bleibt
Quellen: GfK, EITO, BITKOM.                                                            DIW Berlin 2010    derzeit nur der Satellitenempfang über Astra als
                                                                                                          Möglichkeit, bundesweit HDTV-Sendungen zu
In den letzten fünf Jahren haben sich Umsätze mit LCD-Fernsehern mehr als verdop-                         empfangen.
pelt. Für die deutlich teureren Plasmafernseher lässt sich dies nicht feststellen.
                                                                                                          Legt man die Daten von TNS Infratest aus dem
                                                                                                          Digitalisierungsbericht 2009 über die Anteile
                                 Abbildung 1
                                                                                                          der verschiedenen Zugangsarten für Fernseh-
                                 Die vertikale Fernseh-Wertschöpfungskette                                empfang zugrunde (Abbildung 2), können mehr
                                                   Produktion von Inhalten durch
                                                                                                          als die Hälfte der Haushalte über ihren bishe-
                                                Film- und Fernsehproduktionsfirmen                        rigen Zugang nur eingeschränkt HDTV emp-
                                                                                                          fangen.3 Der Empfang per Satellit ist derzeit
                                                                                                          zwar grundsätzlich möglich, zunächst müssen
                                                 Zusammenstellung der Programme                           allerdings auch hier die rund 42 Prozent über
                                                     durch die Fernsehsender
                                                                                                          diese Technologie angeschlossenen Haushalte
                                                                                                          ihre Empfangstechnik, das heißt zumindest den
                                                  Übertragung der HDTV-Signale
                                                                                                          HDTV-Receiver aufrüsten, bevor HDTV-Empfang
                                                durch die Übertragungsnetzbetreiber                       stattfinden kann. Wegen der größeren Daten-
                                                                                                          menge bei HDTV können zudem ältere Satelli-
                                                                                                          tenanlagen (Satellitenantenne und Verkabelung
                                                   Empfang und Darstellung der                            sowie Signalverstärkung) ebenfalls hierfür nicht
                                                  Programme auf den Endgeräten
                                                                                                          ausreichend vorbereitet sein und weitere Aufrüs-
                                                                                                          tung erforderlich machen.
                                 Quelle: Darstellung des DIW Berlin.                   DIW Berlin 2010

                                                                                                          Daraus folgt, dass ein großer Teil der Fernsehzu-
                                                                                                          schauer derzeit wegen der eingeschränkten Zu-
                                                                                                          gangsmöglichkeiten und der technischen Anforde-
                                 rechtlichen Fernsehanstalten den (unverschlüs-                           rungen an die installierten Geräte noch überhaupt
                                 selten) HDTV-Regelbetrieb begonnen. Auch die                             kein HDTV empfangen kann, und die Gesamtzahl
                                 Spiele der Fußballweltmeisterschaft im Juni und                          der Kunden, die tatsächlich HDTV-Sendungen
                                 Juli werden in HD ausgestrahlt. Daneben sendet                           in höchstmöglicher Qualität empfangen können,
                                 auch Arte teilweise in HD. Insgesamt soll das                            noch verschwindend gering sein dürfte.
                                 Angebot an HDTV-Sendungen schrittweise aus-
                                 geweitet werden.
                                                                                                          Copyright, Digitale Rechteverwaltung
                                 Die HDTV-Übertragung erfolgt derzeit in                                  und Verteilungskämpfe
                                 Deutschland im Wesentlichen durch den Rund-
                                 funksatelliten Astra. In die Fernsehkabelnetze                           Die Einführung von HDTV wird zusätzlich er-
                                 werden HD-Signale im Bereich von Pay-TV ein-                             schwert durch Streitigkeiten und Unsicherheiten
                                 gespeist, und es wurde Ende Januar 2010 von
                                 Kabel Deutschland – dem größten TV-Kabel-                                2 In Frankreich läuft bereits seit 2008 auch die terrestrische
                                                                                                          Übertragung von HDTV. Mit dem offiziellen Sendestart versorgten 27
                                 netzbetreiber – die unverschlüsselte Einspeisung                         Transmitter rund 40 Prozent der französischen Bevölkerung mit HDTV-
                                 der öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramme in                           Inhalten. Ab Ende Mai 2009 sollen bereits 60 Prozent der Bevölkerung
                                                                                                          das HD-Bouquet empfangen können. Dieses besteht aus den HDTV-
                                 hierfür geeignete digitale TV-Kabelnetze des Un-                         Sendern TF1 HD, France 2 HD, Arte HD, M6 HD sowie Canal+ HD, für
                                 ternehmens vereinbart.1                                                  das ein Abonnement notwendig ist. Die französische Medienanstalt
                                                                                                          CSA hat einen Zeitplan für die Einführung des digitalen terrestrischen
                                                                                                          Fernsehens in HDTV festgelegt. Bis Ende 2011 sollen 90 Prozent aller
                                 1 In Deutschland gibt es zur Zeit folgende große Anbieter: Unity­        Franzosen terrestrisches HDTV-Fernsehen empfangen können. Bis zum
                                 media (Hessen und Nordrhein-Westfalen), Kabel BW (Baden-Württem-         Ende des ersten Quartals 2012 sollen es 95 Prozent sein.
                                 berg), Kabel Deutschland (übrige 13 Bundesländer), Tele Columbus         3 Ecke, O., Deck, R.: Digitalisierungsbericht 2009: Daten und Fakten.
                                 und Primacom.                                                            TNS Infratest, ALM, ZAK, München, Juli 2009.

                          4      Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 12/2010
HDTV in Deutschland: Fehlendes Innovationsmanagement führt zu Marktversagen

Abbildung 2                                                              casting-Projekt (DVB-Project) bereits 1997 ver-
                                                                         abschiedet wurde und seither den üblichen
Zugang zum Fernsehen in Deutschland
Anteile in Prozent
                                                                         Standard bei der geschützten Fernsehübertra-
                                                                         gung (Pay-TV) darstellt. Allerdings erfüllt der
                                                                         CI-Standard nicht mehr alle Anforderungen an
                                                                         Sicherheit und Funktionalität, weswegen das
                                                                         DVB-Konsortium seit mehreren Jahren an der
                               Satellit 42,1                             Nachfolgespezifikation CI 2.0 arbeitet. Da diese
                                                                         Arbeiten jedoch bisher nicht dazu geführt haben,
                                                                         den Nachfolgestandard festzulegen, hat sich eine
                                                                         Gruppe von Unternehmen 2007 zum CI-Plus-
                                                            DSL-TV 0,1   Forum zusammengeschlossen und im Januar
                                          Terrestrik 11,3                2008 eine Spezifikation für CI-Plus veröffent-
                 TV-Kabel 52,8
                                                                         licht.6 Im November 2008 wurde schließlich das
                                                                         CI-Plus-Forum aufgelöst und als Nachfolgeorga-
                                                                         nisation die CI-Plus Limited Liability Partnership
                                                                         (CI Plus LLP) gegründet, um CI-Plus am Markt
                                                                         zu etablieren und die Lizenzierung angebotener
                                                                         Komponenten zu übernehmen.
Quellen: tns Infratest; ALM; ZAK.                     DIW Berlin 2010
                                                                         Rundfunksender und Netzbetreiber müssen
Etwa die Hälfte aller Fernsehzuschauer verfügt über                      und wollen aufrüsten
einen Kabelanschluss, über den der Empfang von HDTV
nur eingeschränkt möglich ist; für Satellitennutzer ist der              Dadurch, dass die wichtigsten Inhalteprodu-
Empfang theoretisch möglich, erfordert aber eine Aufrüs-                 zenten die Forderung nach dem Einsatz solcher
tung der Empfangstechnik.                                                verbesserter DRM-Technologie mit der Drohung
                                                                         durchsetzen können, ihre Inhalte nur noch bei
                                                                         Einsatz eines solchen Systems zur Ausstrahlung
                                                                         zu lizenzieren, stehen die Rundfunksender unter
hinsichtlich des eingesetzten Standards für den                          Druck, CI-Plus einzuführen.
Kopierschutz und die digitale Rechteverwaltung
(Digital Rights Management, DRM).                                        Allerdings bieten sich durch die Einführung eines
                                                                         solchen DRM-Systems auch zusätzliche Möglich-
Inhalteproduzenten pochen auf                                            keiten für neue Gebühren und Geschäftsmodelle.
Urheberrechtsschutz mittels CI-Plus                                      Beim bisherigen privaten Free-TV in Deutschland
                                                                         wurde das Sendeangebot ausschließlich durch
Insbesondere die großen internationalen Film-                            Fernsehwerbung finanziert. Zusätzliche Nut-
und Fernsehgesellschaften als wichtigste Inhalte­                        zungs- oder Empfangsgebühren fielen nicht an.
produzenten, deren Spielfilme und Fernsehserien
unerlässlich für ein attraktives Sendeangebot                            Während die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstal-
sind, legen großen Wert auf die Sicherung ihrer                          ten beabsichtigen, ihre Sendungen weiterhin un-
Medieninhalte vor unerwünschten Aufzeichnun-                             verschlüsselt auszustrahlen, planen die kommer-
gen, die durch die HDTV-Sendungen in hoher                               ziellen Free-TV-Sender dagegen, ihre Sendungen
Qualität erstellt werden könnten.4 Sie versuchen                         ebenso wie die Pay-TV-Sender zu verschlüsseln.
daher durch eine End-to-End-Kontrolle der Fern-                          Sie werden dabei von den Kabelnetzbetreibern
sehübertragung (von der Aufzeichnung bis zur                             und deren Interessenverband ANGA unterstützt.7
Wiedergabe) zu verhindern, dass ihre Medien-                             Auch der Satellitenbetreiber SES Astra plant, die
inhalte digital dupliziert werden können.5
                                                                         6 Bei den Gründungsunternehmen handelte es sich um Neotion,
                                                                         Panasonic, Philips, Samsung, SmarDTV und Sony. CI-Plus ist in der
Dazu wurde aufbauend auf Verschlüsselungs-                               derzeitigen Fassung kein offizieller Standard, sodass ein Risiko hin-
technik ein DRM entwickelt, das als Common                               sichtlich weiterer Änderungen bestehen bleibt, bis diese Fassung als
                                                                         offizieller Standard verabschiedet werden kann.
Interface (CI) Standard vom Digital Video Broad-                         7 ANGA – Verband Deutscher Kabelnetzbetreiber e.V. Die ANGA
                                                                         vertritt die Interessen von mehr als 120 führenden Unternehmen der
                                                                         deutschen Breitbandkabelbranche, darunter Kabel Deutschland,
4 Zu den wichtigsten Inhalteproduzenten zählen: Fox Entertainment        Unitymedia Group, Tele Columbus, Kabel Baden-Württemberg,
Group, Paramount Motion Pictures Group, Dreamworks SKG, Sony Pic-        PrimaCom, NetCologne, EWE TEL, Marienfeld und wilhelm tel.
tures Entertainment, MGM Holdings Inc., NBC Universal, Time Warner       Verbandsmitglieder sind zudem bedeutsame Netzbetreiber wie
und Walt Disney Motion Pictures Group.                                   HanseNet/Alice, UPC Austria, M-net und Colt Telecom. Die Kabelnetz-
5 Damit wiederholen sich hier die Auseinandersetzungen, die auch         betreiber der ANGA versorgen direkt oder indirekt mehr als 18 Mil-
beim Musikdownload eine zentrale Rolle gespielt haben. Erber, G.:        lionen der rund 19 Millionen Kabelkunden in Deutschland. Ende Juni
Musik-Downloads: Anbieterspezifischer Kopierschutz wettbewerbs-          2009 nutzten rund zwei Millionen Haushalte ihren Kabelanschluss
widrig. Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 11/2007.                        auch als breitbandigen Internetzugang und für Telefonie.

                                                                                                    Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 12/2010     5
HDTV in Deutschland: Fehlendes Innovationsmanagement führt zu Marktversagen

    Free-TV-Signale der kommerziellen Sender nur                          Setzt sich die Industrie mit der Forderung nach
    noch verschlüsselt mittels CI-Plus (unter dem                         dem zwingenden Einsatz von CI-Plus durch, wä-
    Markennamen HD+) auszustrahlen. Allerdings                            ren neue Receiver oder kostspielige Umrüstun-
    wird damit dem Prinzip des Free-TV, das für die                       gen auch bei den Kunden erforderlich, die bereits
    Fernsehzuschauer gebührenfrei ausgestrahlt wer-                       HDTV-Technik besitzen, die nur das bisherige
    den soll, grundsätzlich widersprochen.                                CI verarbeiten kann. Allerdings verbauen vie-
                                                                          le Hersteller derzeit schon CI-Plus-Technologie
    Sowohl die Fernsehsender als auch die Übertra-                        in ihren Endgeräten, um diese entweder bereits
    gungsnetzbetreiber erhoffen sich dadurch zu-                          heute CI-Plus-fähig zu gestalten oder die zusätz-
    sätzliche Einnahmen in Form von monatlichen                           lichen Funktionen durch eine Aktualisierung der
    Gebühren. Jeder von ihnen möchte mittel- bis                          Gerätesoftware nachträglich bereitzustellen.8
    langfristig neue und lukrativere Erlösmodelle als
    bisher implementieren können, die durch eine                          Kleine Endgerätehersteller im Nachteil
    striktere Nutzungskontrolle mehr Differenzie-
    rungsmöglichkeiten und damit höhere Erlöse                            Neben diesen direkten Auswirkungen auf die
    erwarten lassen. Dabei können die Netzbetreiber                       Verbraucher lassen sich weitere (indirekte) Nach-
    grundsätzlich Gebühren sowohl von den Zuschau-                        teile erwarten, etwa durch eine eingeschränkte
    ern (für die Bereitstellung des HDTV-Signals) als                     Auswahl an verfügbaren Endgeräten durch die
    auch von den Sendern (für die Durchleitung von                        technischen Voraussetzungen, die für eine Lizen-
    HDTV) erheben, die diese Gebühren dann wieder­                        zierung für CI-Plus erfüllt werden müssen.
    um in ihre Preise einkalkulieren müssen.
                                                                          Die Einschränkungen in der Vielfalt ergeben sich
    Damit unterscheidet sich das Geschäftsmodell                          dabei aus den technischen Anforderungen an
    der privaten Anbieter für HDTV in einigen we-                         die Übertragungssicherung, die nur mit relativ
    sentlichen Elementen vom bisher üblichen pri-                         hohem Aufwand in Fernsehempfängern für Com-
    vaten Free-TV, das eine solche Differenzierung                        puter oder Spielekonsolen zu implementieren
    des Medienangebots nicht zuließ.                                      sind und zusätzlich aus unsicherheitsbedingt
                                                                          reduzierter Nachfrage. Darüber hinaus werden
    Konsumenten potenziell benachteiligt                                  relativ hohe Kosten für die Zertifizierung und
                                                                          Lizenzierung der Geräte und Software wie auch
    Für die Konsumenten ergeben sich aus der Ein-                         für digitale Zertifikate kritisiert, die tendenziell
    führung dieser neuen Technologie Konsequenzen                         kleinere Hersteller benachteiligen.9
    sowohl hinsichtlich ihrer Kosten für zusätzliche
    Gebühren für den Empfang von HDTV privater                            Keine Einigung aller Akteure zu erwarten
    Sender und den Erwerb entsprechender End-
    geräte als auch hinsichtlich ihrer zukünftigen                        Es verwundert daher nicht, dass es vorrangig um
    Nutzungsmöglichkeiten.                                                langfristige strategische Zielsetzungen bei der
                                                                          Einführung von HDTV insbesondere bei den
    Die bisher weitreichenden Nutzungsmöglichkei-                         kommerziellen Fernsehsendern geht, die über
    ten auch bei kommerziellem Free-TV werden in                          den reinen Kopierschutz weit hinausreichen.
    der bisherigen Form von den privaten Fernseh-                         Da sich Produzenten, Sender und Netzbetrei-
    sendern, den Film- und Fernsehproduzenten und                         ber jeweils einen möglichst großen Anteil des
    den Netzwerkbetreibern in Frage gestellt. Ist es                      Medienumsatzes sichern möchten, ist ein ko-
    bisher juristisch erlaubt und technisch möglich,                      operatives Gleichgewicht, also eine Lösung der
    Sendungen aufzuzeichnen, für private Zwecke zu                        alle zustimmen wollen, wegen der oligopolisti-
    kopieren, zu bearbeiten (zum Beispiel die Wer-                        schen Marktstrukturen schwer erreichbar, wenn
    beblöcke bei einem Spielfilm zu entfernen) und                        nicht ganz unmöglich. Dies verhindert jedoch
    auf hierfür geeigneten Endgeräten jederzeit und                       aufgrund des Koordinationsversagens bei den
    in beliebiger Häufigkeit abzuspielen, so können                       Verhandlungen der verschiedenen Akteure eine
    diese Möglichkeiten mit CI-Plus technisch erheb-                      rasche Einführung, universellen Sendebetrieb
    lich eingeschränkt werden.
                                                                          8 So haben einige Hersteller entsprechende Software-updates bereits
    Damit dient die Verschlüsselung nicht nur der                         angekündigt beziehungsweise setzen in ihren Modellreihen auf die
                                                                          neue Technik, ohne dies in Katalogen und ähnlichen Publikationen zu
    Sicherung des Medieninhalts vor unerlaubtem                           erwähnen.
    Kopieren, sondern auch der systematischen Er-                         9 „Für [...] kleine und mittelständische Unternehmen mit eigener
                                                                          Entwicklung wie Dream Multimedia oder MASCOM (Alphacrypt) be-
    weiterung der Nutzungskontrolle mit dem Ziel,                         deutet dies einen gehörigen Batzen an zusätzlicher Investition.“ Vgl.:
    durch die Gewährung spezieller Nutzungsrechte                         hardware.magnus.de/desktop-server/artikel/digital-tv-in-ketten-
                                                                          neue-schnittstelle-ci-sperrt-nutzer-aus.2.html; und CI-Plus-Debatte:
    gegen Bezahlung Konsumentenrenten besser als                          Zertifizierungs- und Lizenzkosten im fünfstelligen Bereich. www.
    bisher abschöpfen zu können.                                          infosat.de/Meldungen/?msgID=52057.

6   Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 12/2010
HDTV in Deutschland: Fehlendes Innovationsmanagement führt zu Marktversagen

und breite Nutzung von HDTV in Deutschland,                             Anbieter angekündigt, Beschwerde beim Bundes-
auch wenn die notwendige Technik grundsätzlich                          kartellamt einzulegen.
verfügbar ist.10
                                                                        Diese Anreize unterliegen nicht nur der Kontrolle
Durch die Verteilung der unterschiedlichen Ei-                          nach allgemeinem Wettbewerbsrecht, sondern
gentumsrechte auf die verschiedenen heteroge-                           darüber hinaus weiteren Anforderungen hinsicht-
nen Marktteilnehmer tritt ein Marktversagen bei                         lich des Zugangs zu wesentlichen nicht duplizier-
der Einführung systemischer Innovationen derart                         baren Einrichtungen (TKG) und der Interopera-
ein, dass die Gesamtwohlfahrt aller Beteiligten                         bilität der einzelnen Netze und Endgeräte durch
darunter leidet, weil eine kooperative Lösung der                       Sicherstellung der Verwendung einheitlicher
Verteilung der Innovationsrenten an den indi-                           Standards (Rundfunkstaatsvertrag – RStV, Inter-
viduellen Optimierungskalkülen der einzelnen                            operabilitätsrichtlinie der EU).
Marktteilnehmer scheitert. Es droht so zu einem
Fall der Tragödie der Anticommons zu werden,                            Die Wichtigkeit von CI-Plus ist dabei auf unter-
wie diese Situation in der Wirtschaftstheorie be-                       schiedlichen Teilmärkten unterschiedlich zu
zeichnet wird.11                                                        bewerten. Während auf Spielfilm-Märkten Aus-
                                                                        weichmöglichkeiten für die Verbraucher be-
Marktabschottungs- und                                                  stehen (indem sie zum Beispiel Videotheken
Verdrängungsstrategien möglich                                          und Online-Videodienste in Anspruch nehmen
                                                                        oder eine DVD erwerben), bestehen kaum (nach-
Im Kern geht es also bei der Auseinandersetzung                         frageseitige) Substitutionsmöglichkeiten bei ak-
um CI-Plus aus ökonomischer Perspektive um                              tuellen Ereignissen, beispielsweise Sport. Wird
die Frage, wie weit vertikale Integration unter                         etwa eine bestimmte Sportart ausschließlich über
Einbezug der Endgeräte annehmbar ist und um                             einen einzigen Fernsehsender und über einen
die Verteilung der Renten und die Offenheit der                         festgelegten Infrastrukturpartner übertragen, so
eingesetzten Schnittstellen. Dabei können die                           entstehen erhebliche Nachteile für die Konsu-
Endgeräte Komponenten einer verteilten Infra-                           menten durch eine solche Monopolisierung der
struktur enthalten. Diese können beispielsweise                         Plattformen mittels eines exklusiven nichtsub­
ermöglichen, eine bestimmte Mindestübertra-                             stituierbaren Programms.
gungsqualität anzufordern oder auch die Ver-
schlüsselung der Übertragung und die digitale                           Da neben Kabel- nur Satellitenübertragung und
Rechteverwaltung bis zum Bildschirm auszu-                              teilweise sehr breitbandige Internetzugänge die
dehnen.12                                                               erforderlichen Ressourcen für die Übertragung
                                                                        bereitstellen können, sind insbesondere vertikale
Sofern auf allen Stufen der Wertschöpfungsket-                          Exklusivvereinbarungen zwischen den Übertra-
te hinreichender Wettbewerb herrschen würde,                            gungsnetzbetreibern und anderen Marktteilneh-
blieben Verdrängungs- und Ausschlussstrate­                             mern vom Bundeskartellamt kritisch zu prüfen.
gien unerheblich. Dies ändert sich grundlegend,
wenn von unterschiedlich großen Netzanbietern                           Bisherige Nutzungsmöglichkeiten
mit teilweise marktmächtigen Positionen aus-                            in Frage gestellt
gegangen wird. Insbesondere durch Netzeffekte
würden dann die Möglichkeiten und Anreize zur                           Bisher sollte die Finanzierung von privatem Free-
Übertragung von Marktmacht auf andere Märkte                            TV ausschließlich mittels Werbeeinnahmen fi-
begünstigt.13 Entsprechend haben bereits kleine                         nanziert werden. Allerdings sind diese Finanzie-
                                                                        rungsmöglichkeiten weitgehend ausgeschöpft.14
                                                                        Von daher überrascht es nicht, dass die privaten
10 Heller, M.: The Gridlock Economy: How Too Much Ownership             Free-TV-Fernsehsender sich nach neuen Einnah-
Wrecks Markets, Stops Innovation, and Costs Lives. New York 2008.
11 Heller, M.: The Tragedy of the Anticommons. In: Harvard Law
                                                                        mequellen umsehen.
Review, Vol. 111, 1998, 621–688.
12 Insofern weist die Debatte um CI-Plus Parallelen mit der Debatte
um Net Neutrality (NN) auf. Bei NN wurde allerdings die Diskriminie-
                                                                        Schrittweise ließe sich das private Free-TV suk-
rung von Anwendungen befürchtet, bei CI-Plus ist es die Diskrimi-       zessive analog zu den Pay-TV Nutzungsmodellen
nierung von Fernsehsendern und Endgeräteherstellern durch die
Inhalteproduzenten und die Übertragungsnetzbetreiber.
                                                                        verändern. Damit wäre jedoch das duale Rund-
13 Besteht innerhalb der Distributionskette ein Nadelöhr im Sinne       funksystem in eines aus öffentlich-rechtlichem
geringer Ausweichmöglichkeiten (Kabelnetz oder Satellit sind für die
Ausstrahlung derzeit unumgänglich), so führen die Funktionalitäten
                                                                        Free-TV und kommerziellem Pay-TV überführt.
dazu, dass Gewinne von Inhalteanbietern (Rundfunksendern) abge-         Ob sich eine solche Entwicklung mit den bisheri-
schöpft und damit Innovationsanreize reduziert werden können, Preis-
diskriminierungen gegenüber Konsumenten besser durchsetzbar sind
und wettbewerbsbehinderndes Verhalten gegenüber Konkurrenten
vereinfacht wird. Vgl. auch Baake, P., Heitzler, S.: „Next Generation   14 Erber,G., Mundelius, M.: Online-Werbung: Wettbewerb und
Networks“ – Neue Herausforderung für Regulierung. Wochenbericht         Verbraucherschutz kommen zu kurz. Wochenbericht des DIW Berlin
des DIW Berlin Nr. 26/2007.                                             Nr. 9/2008.

                                                                                                 Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 12/2010   7
HDTV in Deutschland: Fehlendes Innovationsmanagement führt zu Marktversagen

    gen Lizenzverträgen der privaten Free-TV-Sender                           durch Zuteilung und Einschränkung der einzel-
    mit den Landesmedienanstalten und dem derzeit                             nen Eigentumsrechte letztendlich im Interesse
    gültigen Rundfunkstaatsvertrag vereinbaren lässt,                         des Gemeinwohls aufzulösen. Indem der Staat
    erscheint jedoch zweifelhaft.15 Eine Rückgabe der                         die freie Gestaltung der Nutzungsrechte durch
    Lizenzen und eine Neuvergabe unter geänderten                             einzelne Akteure einschränkt oder die Verbrau-
    Lizenzbedingungen könnten unter Umständen                                 cherrechte stärkt, könnte eine bessere Lösung
    notwendig sein. Eine einfache Wandlung der Li-                            erreicht werden als ohne die helfende Hand des
    zenzverträge mit den derzeitigen Lizenznehmern                            Staates.18 Ohne eine aktive Gestaltung sind wei-
    würde potenzielle Wettbewerber um eine solche                             tere Verzögerungen der Einführung von HDTV
    Pay-TV-Lizenz vom Markt ausschließen, sodass,                             und erhebliche Nachteile für die Verbraucher in
    ähnlich wie bei der Vergabe von Funkfrequenzen                            Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern
    durch die Bundesnetzagentur mittels Lizenzauk-                            zu befürchten.
    tionen, potenzielle neue Interessenten nicht be-
    nachteiligt werden sollten.
                                                                              Fazit
    Um den genannten möglichen negativen Auswir-
    kungen von Erweiterungen bestehender digitaler                            Die Einführung von HDTV-Fernsehen in Deutsch-
    Plattformen auf die Verbraucher rechtzeitig zu                            land ist bereits in der Vergangenheit an eine Fülle
    begegnen, könnten auch Änderungen des be-                                 von Hindernissen gestoßen, weil einzelne Akteu-
    stehenden Rechtsrahmens sinnvoll sein. So hat                             re nicht bereit waren, ihre spezifischen Interessen
    beispielsweise die amerikanische Regulierungs-                            mit dem Gesamtziel einer breiten Einführung
    behörde FCC im Zusammenhang mit der Debat-                                dieser Technologie in Einklang zu bringen. Dies
    te um Netzneutralität (Net Neutrality) vier neue                          führt insgesamt zu erheblichen Wohlfahrtsverlus-
    Verbraucherrechte eingeführt. Diese umfassen                              ten, da eine marktreife Technologie aufgrund von
    das Recht auf freien Zugang zu allen Inhalten,                            Koordinationsversagen nicht eingeführt wird.
    Anwendungen und Diensten sowie das Recht,
    beliebige Endgeräte verwenden zu dürfen.16                                Den Schaden haben derzeit insbesondere die
                                                                              Verbraucher, die im Vertrauen auf die Ankün-
    Einigung der Akteure forcieren                                            digung von HDTV im Regelbetrieb erwarteten,
                                                                              dass diese technische Innovation flächendeckend,
    Der Versuch der Film- und Fernsehindustrie, zu-                           das heißt sukzessive in allen Sendungen aller
    sammen mit den Sendern und Betreibern von                                 Sender sowie über sämtliche derzeit verfügbaren
    Fernsehübertragungstechnologien eine mit allen                            Übertragungswege, das heißt wenn schon nicht
    Interessen einschließlich der Verbraucherinter-                           über terrestrischen Rundfunk, dann zumindest
    essen einvernehmliche Lösung zu erzielen, ist                             über Satellit und TV-Kabel zugänglich gemacht
    bisher gescheitert, und eine Einigung ist auch                            werden würde.
    nicht in naher Zukunft absehbar. Versuche, durch
    Koalitionsbildung eine Lösung herbeizuführen                              Zwar hat man die Erwartungen der Verbrau-
    und durchzusetzen, stoßen zugleich auf kartell-                           cher geschürt und sie durch Werbung zum Kauf
    rechtliche Bedenken.17                                                    entsprechender Flachbildschirme angeregt, es
                                                                              fehlt aber an der Bereitschaft, HDTV ohne Be-
    Daher sollte die Möglichkeit regulierender                                schränkungen der Nutzungsmöglichkeiten und
    Eingriffe geprüft werden, um dieses Dilemma                               Einführung neuer Geschäftsmodelle seitens der
                                                                              kommerziellen Free-TV-Anbieter auch verfügbar
                                                                              zu machen.
    15 Am 30. Oktober 2009 hat die Konferenz der Ministerpräsidenten
    der Länder den 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag beschlossen.
    Durch den 9. Rundfunkänderungsstaatsvertrag wurde bereits mit             Zudem verändert eine Ausweitung der Kon­
    Wirkung vom März 2007 dessen Vorläufer in Staatsvertrag für Rund-
    funk und Telemedien (RStV) umbenannt, da durch die Konvergenz
                                                                              trolle der Nutzungsmöglichkeiten mittels CI-
    der Medien für die Verbreitung von Medieninhalten durch Rundfunk,         Plus durch die privaten Free-TV-Sender auch
    Fernsehen, Internet eine einheitliche Rechtsgrundlage für alle Verbrei-
    tungswege geschaffen werden sollte.
                                                                              die Rechtslage der Verbraucher grundlegend,
    16 Vgl .FCC: Federal Communications Commission Policy Statement           insbesondere hinsichtlich der Möglichkeit einer
    FCC 05–151, 2005.
    17 Siehe hierzu das Verbot des Bundeskartellamts einer Verschlüs-
                                                                              legalen Privatkopie. Während CI-Plus den Inhal-
    selung der ProSieben-, Sat1-Signale über den Astra-Fernsehsatelliten      teproduzenten, Rundfunksendern und Über-
    aus dem Jahr 2006, die den bisherigen kostenlosen Empfang dieser
    Free-TV-Fernsehkanäle beendet hätte. Der Fernsehsender wollte
                                                                              tragungsnetzbetreibern durch eine feinere
    gemeinsam mit dem Satellitenbetreiber SES Astra eine monatliche           Rechtekontrolle neue Erlösmöglichkeiten bie-
    zusätzliche Empfangsgebühr von 3,50 Euro beim Endkunden für den
    bisher kostenlosen Empfang dieser Free-TV-Fernsehkanäle erheben.
                                                                              tet, befürchten Kritiker, dass die Verbraucher in
    Ebenfalls strittig ist die sogenannte Grundverschlüsselung im
    Kabelfernsehen durch Settop-Boxen, die gleichfalls den bisher freien
    Zugang zu Free-TV-Fernsehkanälen einschließlich der öffentlich-           18 Thaler, R. H., Sunstein, C. R.: Nudge: Improving Decisions about
    rechtlichen Fernsehanstalten verhindern möchte.                           Health, Wealth, and Happiness. 2008.

8   Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 12/2010
HDTV in Deutschland: Fehlendes Innovationsmanagement führt zu Marktversagen

ihren Möglichkeiten willkürlich eingeschränkt,                        Regulierung die Verbreitung von HDTV be-
Gebühren für bisher kostenlose Dienste erhoben                        schleunigen.
und die Auswahl an verfügbaren Endgeräten
eingeschränkt werden.                                                 Sollten die Sender tatsächlich ihre Geschäfts-
                                                                      modelle dahingehend ändern, dass monatliche
In einer solchen Kette bestehen zusätzlich bei                        Gebühren für den Empfang von HDTV berech-
vertikaler Integration für die jeweils dominanten                     net werden, so sollte geprüft werden, ob dies mit
Anbieter auf den jeweiligen Stufen erhebliche                         den aktuellen Sendelizenzen vereinbar ist und
Diskriminierungs- und Verdrängungsanreize,                            ob möglicherweise eine Neuvergabe der Sende-
die einer wettbewerbspolitischen Aufsicht und                         lizenzen notwendig oder sinnvoll ist.
Kontrolle unterliegen müssen.
                                                                      Im laufenden Einsatz ist zudem eine regelmäßige
Die Wahl des Standards, der Preise und Zu-                            Wettbewerbsaufsicht erforderlich, um möglichen
gangsbedingungen für Anwender, Entwickler                             wettbewerbswidrigen Einsatz der neuen Technik
und Diensteanbieter sowie die Vereinbarkeit des                       schnell beenden und ahnden zu können.
Standards mit den wettbewerbs-, telekommuni-
kations- und medienrechtlichen Anforderungen                          Weiterhin könnten durch ein besseres Innova­
sollte daher von der Arbeitsgemeinschaft der Lan-                     tionsmanagement des Staates solche Entwicklun-                 JEL Classification:
                                                                                                                                     L15, L51, L82
desmedienanstalten und dem Bundeskartellamt                           gen zukünftig vermieden und Planungssicherheit
kritisch geprüft werden.                                              für alle Beteiligten besser als derzeit gewährleistet          Keywords:
                                                                      werden. Insbesondere auf innovativen Märkten                   HDTV,
                                                                                                                                     Innovation
Um das Problem der Rentenaufteilung zu lö-                            mit vertikal integrierten Wertschöpfungsketten                 Management,
sen, könnte eine Regulierung der Einspeisebe-                         sind regulatorische Eingriffe häufig geeignet,                 Tragedy of the
dingungen oder die Androhung einer solchen                            hohe Wohlfahrtsverluste zu vermeiden.                          Anti-Commons

                                                                                          Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 12/2010   9
Wochenbericht Nr. 12/2010 vom 24. März 2010

                                              Impressum

                                              DIW Berlin
                                              Mohrenstraße 58
                                              10117 Berlin
                                              Tel. +49-30-897 89-0
                                              Fax +49-30-897 89-200

                                              Herausgeber
                                              Prof. Dr. Klaus F.  Zimmermann
                                              (Präsident)
                                              Prof. Dr. Tilman Brück
                                              Prof. Dr. Christian Dreger
                                              Prof. Dr. Claudia Kemfert
                                              Prof. Dr. Alexander Kritikos
                                              Prof. Dr. Viktor Steiner
                                              Prof. Dr. Gert G. Wagner
                                              Prof. Dr. Christian Wey

                                              Chefredaktion
                                              Dr. Kurt Geppert
                                              Carel Mohn

                                              Redaktion
                                              Tobias Hanraths
                                              PD Dr. Elke Holst
                                              Susanne Marcus
                                              Manfred Schmidt

                                              Lektorat
                                              Alexander Eickelpasch
                                              Peter Haan

                                              Pressestelle
                                              Renate Bogdanovic
                                              Tel. +49 – 30 – 89789–249
                                              presse@diw.de

                                              Vertrieb
                                              DIW Berlin Leserservice
                                              Postfach 7477649
                                              Offenburg
                                              leserservice@diw.de
                                              Tel. 01805 –19 88 88, 14 Cent/min.
                                              Reklamationen können nur innerhalb
                                              von vier Wochen nach Erscheinen des
                                              Wochenberichts angenommen werden;
                                              danach wird der Heftpreis berechnet.

                                              Bezugspreis
                                              Jahrgang Euro 180,–
                                              Einzelheft Euro 7,–
                                              (jeweils inkl. Mehrwertsteuer
                                              und Versandkosten)
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                                              ISSN 0012-1304
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                                              Satz
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                                              USE gGmbH, Berlin

                                              Nachdruck und sonstige Verbreitung –
                                              auch auszugsweise – nur mit
                                              Quellenangabe und unter Zusendung
                                              eines Belegexemplars an die Stabs­
                                              abteilung Kommunikation des DIW
                                              Berlin (Kundenservice@diw.de)
                                              zulässig.

                                              Gedruckt auf
                                              100 Prozent Recyclingpapier.

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