Inklusionsforschung zwischen Normativität und Empirie - Abgrenzungen und Brückenschläge - Arbeitstagung 2019 der AG Inklusionsforschung in der ...

Die Seite wird erstellt Laurin Hensel
 
WEITER LESEN
Inklusionsforschung zwischen Normativität und Empirie - Abgrenzungen und Brückenschläge - Arbeitstagung 2019 der AG Inklusionsforschung in der ...
Inklusionsforschung
zwischen Normativität und Empirie –
Abgrenzungen und Brückenschläge
Arbeitstagung 2019 der AG Inklusionsforschung in der DGfE am
28. und 29. Juni 2019 an der Pädagogischen Hochschule Freiburg i. Br.
Inklusionsforschung zwischen Normativität und Empirie - Abgrenzungen und Brückenschläge - Arbeitstagung 2019 der AG Inklusionsforschung in der ...
Die Arbeitsgemeinschaft Inklusionsforschung hat als Ziel, einen Ort zu schaffen, an
dem die Bedeutung von Inklusion in Forschung und Lehre über die teildisziplinären
Grenzen hinweg diskutiert werden kann.
Nach den beiden bisherigen Tagungen der AG „Differenz als Fokus der Inklusionsfor-
schung“ an der Universität zu Köln und „Erziehungswissenschaftliche Inklusionsfor-
schung. Norm – Behinderung – Gerechtigkeit“ an der Europa-Universität-Flensburg,
wird die kommende Tagung am 28./29. Juni 2019 an der Pädagogischen Hochschule
Freiburg ausgerichtet.
Im Zentrum steht hierbei die Frage nach einer Verhältnisbestimmung von Normativi-
tät und Empirie in Bezug auf Gegenstände der Inklusionsforschung.
Der Debatte um Inklusion wird oft ein ausgeprägt normativer Blick vorgeworfen. In
diesem Zusammenhang gibt es einen Ruf nach empirischen Studien, wobei aus me-
thodologischen Debatten bekannt ist, dass auch diese nicht vor der Reproduktion
normativer Annahmen gefeit sind.
Im Rahmen der Tagung sollen daher sowohl theoretische als auch methodologische
Beiträge Raum finden zu der Frage, inwiefern eine Normativität in der Inklusionsde-
batte problematisch oder auch sinnvoll ist und wie mit Normativität in empirischen
Studien umgegangen werden kann bzw. sollte.
Auch bei der Arbeitstagung 2019 in Freiburg werden diskursstarke und interaktive
Formate (Forschungswerkstätten, Impulsrunden, Themenforen) eine zentrale Rolle
spielen.
Wir freuen uns sehr, Sie in Freiburg zu begrüßen.

Kontakt: tagung_inklusion@ph-freiburg.de

Informationen und Anmeldung zur Tagung:
https://www.ph-freiburg.de/ew/tagungaginklusionsforschung2019.html

Organisation
Lokales Tagungsteam: Bettina Fritzsche (PH Freiburg), Andreas Köpfer (PH Freiburg),
Monika Wagner-Willi (PH FHNW)
Erweitertes Tagungsteam: Anselm Böhmer (PH Ludwigsburg), Hannah Nitschmann
(Universität zu Köln), Charlotte Rott-Fournier & Florian Weitkämper (PH Freiburg)
Inklusionsforschung zwischen Normativität und Empirie - Abgrenzungen und Brückenschläge - Arbeitstagung 2019 der AG Inklusionsforschung in der ...
Programmübersicht
Freitag, 28.06.2019
09.00-09.30 Uhr       Ankunft und Anmeldung (Raum KG 5, 103)
09.30-09.45 Uhr       Begrüßung durch Prof. Dr. Ulrich Druwe,
			                   Rektor der Pädagogischen Hochschule Freiburg (Raum KG 5, 103)
09.45-10.45 Uhr       Keynote I (Raum KG 5, 103)
Normativität und Beobachtung. Flucht/Migration als Gegenstand sozial- und
erziehungswissenschaftlicher In-/Exklusionsforschung
Marcus Emmerich (Universität Tübingen)
Ulrike Hormel (Pädagogische Hochschule Ludwigsburg)

11.00-12.30 Uhr       Themenforen I

Forum           Forum                        Symposium             Forum                 Forum
"Unterricht und "Zwischen                    "Zur Funktion         "Hochschule"          "Zwischen
Akteur*innen" Diskurs und                    von Kritik"           Moderation:           Diskurs und
Moderation:     Praxis I"                    Moderation:           Anna Großhauser       Praxis II"
Juliane Leuders       Moderation:            Florian Weitkämper                          Moderation:
                      Hanna Siegismund                                                   Anselm Böhmer
Raum KG 5, 013        Raum KA 209            Raum KG 5, 103        Raum KG 3, 003        Raum KG 3, 004
Formen der unter-     Normativität in        Zur Funktion von      Positionierungen      Die Zuschreibung
richtlichen Inklu-    Handreichungslite-     ‚Kritik‘ durch Wis-   im Studierenden-      von (In-) Kompe-
sion = Qualitäten     ratur zur Inklusi-     senschaft. Über       diskurs zu Inklu-     tenz in der früh-
der Inklusion?        ven Schule – Eine      das Verhältnis        sion. Ergebnisse      kindlichen Bildung
Daniel Goldmann       Rekonstruktion         von rekonstruk-       einer diskursana-     und Betreuung im
                      gegenstandstheo-       tiver Forschung       lytischen Studie      Kontext von Inklu-
                      retischer Prämis-      und normativen        Marian Laubner        sion
                      sen                    Ansprüchen an                               Sylvia Nienhaus
                      Vildan Aytekin,        inklusive Schulent-
                      Mareike Brunk &        wicklung
                      Ronja Giesen           Markus Dederich,
                                             Thorsten Merl &
Differenzpro-         Normativität schu-     Kerstin Rabenstein    „Homogenität wird     Machtsensible
duktion und           lischer Inklusion                            dann immer di-        qualitativ-empiri-
-bearbeitung in       – Ein Blick auf Dis-                         rekt kritisiert und   sche Forschungs-
inklusionsorien-      kurs und Empirie                             gesagt, ‚nein, wir    praxis im normati-
tierten Schulen       Bettina                                      müssen aber In-       ven Wissens- und
mit Schulassis-       Reiss-Semmler                                klusion machen‘“.     Handlungsfeld
tenz – Empirische,                                                 Diskurse von Lehr-    „inklusive digitale
methodische und                                                    amtsstudierenden      (Schul-) Entwick-
methodologische                                                    zu Inklusion und      lung“ – eine erste
Überlegungen zum                                                   der Be-Deutung        terrainsondierte
Umgang mit dop-                                                    von Normativität      Bestandsaufnah-
pelter Normativität                                                Susanne Gottuck       me
Katrin Ehrenberg                                                                         Christian Filk &
                                                                                         Ann-Kathrin
                                                                                         Stoltenhoff
Normen gegen                               (Hetero-)Norma-       Inklusionsver-
                     Visionen. Wie                              tivität aufbrechen    ständnisse von
                     Autismusratgeber                           – Perspektiven        pädagogischen
                     Inklusionsvorstel-                         von Dozierenden       Fachkräften und
                     lungen begrenzen                           auf Vielfalt in der   Expert*innen
                     Yannick Zobel                              Lehramtslehre         schulischer Inklu-
                                                                Hannah Becker,        sion in menschen-
                                                                Franziska             rechtlicher Pers-
                                                                Schreiter, Tammo      pektive
                                                                Varbelow & Carolin    Jürgen Gerdes,
                                                                Vierneisel            Lars Heinemann &
                                                                                      Uwe H. Bittling-
                                                                                      mayer

12.30-13.30 Uhr      Mittagessen
13.30-16.00 Uhr      Forschungswerkstätten

FoWe 1            FoWe 2             FoWe 3           FoWe 4            FoWe 5            FoWe 6
Moderation:       Moderation:        Moderation:      Moderation:       Moderation:       Moderation:
Monika            Katharina Papke    Tanja Sturm      Andrea Dlugosch   Argyro            Jürgen Budde
Wagner-Willi                                                            Panagiotopoulou
Raum KG 4, 011    Raum KA 102        Raum KG 3, 004   Raum KG 5, 013    Raum KG 5, 103    Raum KG 3, 003
Inklusive und     Inklusive Ord-     Machtvolles      Reflexive Nor-    Zur Norma-        „Nein, du bist
integrative       nungen sys-        Schüler/innen-   mativität re-     tivität päd-      noch kein Re-
Kindertages-      temtheoretisch     handeln – Zur    konstruktiver     agogischer        gelschüler…!“
betreuung als     beobachten         praktischen      Sozialforschung   Praktiken.        – Exkludierte
Prozess multi-    Jürgen Braun,      Bearbeitung      am Beispiel       Methodologi-      Inklusion von
professioneller   Karola             pädagogischer    eines Disser-     sche und me-      neuzugewan-
Zusammenar-       Cafantaris,        Ordnungen im     tationsprojekts   thodische Über-   derten Kindern
beit              Oliver Hollstein   Kontext In-      im teilhabezen-   legungen zur      und Jugendli-
Gabriele Müller   & Wolfgang         klusion durch    trierten Feld     Rekonstruktion    chen an einem
                  Meseth             Schüler/innen    Sozialer Arbeit   von Wertungen     Gymnasium in
                                     mit und ohne     mit Frauen in     Tilman Drope,     NRW
                                     Assistenz.       sozialpsychiat-   Kerstin           Lisa Rosen &
                                     Ursula Böing     rischen Wohn-     Rabenstein &      Fenna tom
                                                      heimen            Mark Schäffer     Dieck
                                                      Josephina
                                                      Schmidt
16.00-17.30 Uhr     Podiumsdiskussion (Raum KG 5, 103)
AG Inklusionsforschung – quo vadis?
Podiumsgäste:
Jürgen Budde (Europa-Universität Flensburg; Initiator/innengruppe der AG Inklusionsforschung)
Harm Kuper (Freie Universität Berlin, Vorsitzender Vorstand der DGfE)
Vera Moser (Humboldt Universität zu Berlin; DGfE Sektion Sonderpädagogik)
Sabine Hornberg (Technische Universität Dortmund; DGfE SIIVE)
Kerstin Rabenstein (Universität Göttingen; DGfE Sektion Schulpädagogik)
Anja Tervooren (Universität Duisburg-Essen; Allgemeine Pädagogik)
Michaela Vogt (Universität Bielefeld; DGfE Sektion Historische Bildungsforschung)
Moderation:
Uwe H. Bittlingmayer (Pädagogische Hochschule Freiburg)
17.45-18.45 Uhr     Postersession / Reflecting Teams (Raum KG 5, 103)
Ab 19.30 Uhr        Gemeinsames Abendessen im Adelhaus Restaurant

Samstag, 29.06.2019
09.00-10.30 Uhr Impulsrunde (Raum KG 5, 103)
Drei Kurzimpulse mit anschließender Diskussion im Plenum

„Inklusion im Spannungsfeld zwischen Normativität und Empirie“
Anja Hackbarth (Universität Mainz)
Wolfgang Meseth (Universität Marburg)
Michelle Proyer (Universität Wien)

10.45-12.15 Uhr     Themenforen II

FoWe             FoWe              Forum              Forum             Forum              Forum
„Raumtheo-       „Inklusive        „Partizipa-        „Methodolo-       „Normativi-        „Theoreti-
retische Per-    Berufsbera-       tive               gische            tät im             sche
spektiven“       tung?“            Forschung“         Fragen“           Fokus“             Fragen“
Moderation:      Moderation:       Moderation:        Moderation:       Moderation:        Moderation:
Monika           Lisa Rosen        Charlotte          Hannah            Yannick Zobel      Stephanie
Wagner-Willi                       Rott-Fournier      Nitschmann                           Warkentin
Raum KG 4, 011   Raum KA 209       Raum KG 5, 013     Raum KA 211       Raum KG 5, 103     Raum KG 3, 003
Frau Kessels     Inklusive Be-     Rekonstruktiv      Systemthe-        Normativität,      Die Orientie-
Burschen.        rufsberatung?     und partizipativ   oretische         Normalität         rungsfunktion
Raumtheoreti-    Eine Analy-       forschen           Analyseoptio-     und Normalis-      des Norma-
sche Perspek-    se zu Macht,      Sebastian          nen vor dem       mus. Vorzüge       tiven. Zur
tiven auf das    Empowerment       Hempel, Anna       Hintergrund       begrifflicher      bildungsthe-
Zusammenspiel    und Selbstbe-     Nutz &             empirischer       Differenzierung    oretischen
von Männlich-    stimmung von      Matthias Otten     Fragestellungen   für die Inklusi-   Grundlegung
keit und dis_    Jugendlichen                         im Kontext des    onsdebatte         von Empirie in
ability          mit sog. „Be-                        Inklusionsdis-    Miklas Schulz      der Inklusions-
Tobias Buchner   hinderung“ am                        kurses                               forschung
                 Übergang von                         Martina Kaack                        Anke Redecker
                 SEK I in (Aus-)
                 Bildung
                 Simone Engler
                 & Helga
                 Fasching
Implikationen     Grenzbeziehun-    Inklusion als      Theorie schuli-
                              bei Inklusions-   gen und Grenz-    Feld von bil-      scher Inklusion.
                              forschungspro-    bearbeitung       dungspoliti-       Vorstellung ei-
                              zessen            als mögliche      scher Normati-     nes Vorschlags
                              Erich Otto Graf   Erweiterung       vität              Jennifer
                                                der Inklusions-   Jürgen Budde       Lambrecht
                                                forschung
                                                Bianca Baßler &
                                                Kathrin Leipold
                              Erfahrungen                         Der Capabili-
                              einer                               ties-Ansatz als
                              inklusiven For-                     normativ-theo-
                              schungsgruppe                       retischer Metrik
                              Forschungs-                         für Inklusion
                              gruppe Kreativ-                     am Beispiel der
                              werkstatt                           SGB VIII-
                                                                  Reformdebatte
                                                                  Benedikt
                                                                  Hopmann

12.15-12.45 Uhr   Mittagspause / Snack
12.45-13.30 Uhr   Keynote II (Raum KG 5, 103)
Problemdefinitionen und Konzepte von Diskriminierung in der Bildungsforschung:
Spannungen zwischen Menschenrechtsansatz und Wirksamkeitsorientierung
Mechtild Gomolla (Helmut Schmidt Universität Hamburg)
13.30-14.00 Uhr   Abschlussdiskussion / Ausblick (Raum KG 5, 103)
14.00 Uhr 		      Abschluss / Abreise
Keynotes

Marcus Emmerich & Ulrike Hormel
Normativität und Beobachtung. Flucht/Migration als Gegenstand sozial- und
erziehungswissenschaftlicher In-/Exklusionsforschung
Der Vortrag wird Normativität als eine (Selbst-)Beobachtungsweise konturieren, die in
sachlicher, sozialer und zeitlicher Hinsicht zwischen Sein und Sollen unterscheidet und
daraus Reflexionsoptionen gewinnt. Wissenschaftliche Normativitätsthematisierungen
können daher auch Hinweise auf methodisch-methodologische Beobachtungsprobleme
geben: Die Schwierigkeiten, ‚Inklusion‘ nicht nur als pädagogische und politische
Programmatik, sondern auch als empirischen Gegenstand zu begründen, resultieren
womöglich aus dem Umstand, Zukunft (Sollen) zwar beschreiben, aber nicht als
Phänomen (Sein) beobachten zu können. Faktisch, so die These, weicht die
Inklusionsforschung      in     der   Gegenwart      deshalb    auf    personenbezogene
Exklusionsforschung aus.
Die      erkenntnislogisch     begründete     (normative!)     Forderung,    ‚von      der
Migrant*innenforschung zur Migrationsforschung‘ übergehen zu müssen, markiert ein
ähnlich gelagertes Beobachtungsproblem: Um den Gegenstand ‚Migration‘ als
gesellschaftlich konstituiertes Phänomen verstehen zu können, muss empirisch von einer
Personenbeschreibung im Modus politischer und moralischer Normativität auf die
Beobachtung      der    strukturgenerierenden    In-/Exklusions-Praxis  gesellschaftlicher
Institutionen, Systeme und Organisationen umgestellt werden. Am Beispiel eines eigenen
Forschungsprojekts zur Inklusion neu migrierter Schüler*innen in und durch kommunale
Bildungssysteme werden die theoretischen und empirischen Implikationen dieser
Perspektivverschiebung skizziert und zur Diskussion gestellt.

Mechtild Gomolla
Problemdefinitionen   und   Konzepte    von              Diskriminierung  in         der
Bildungsforschung:   Spannungen   zwischen              Menschenrechtsansatz         und
Wirksamkeitsorientierung

Vor dem Hintergrund rechtlicher Änderungen (u.a. AGG, BRK) werden auch in
Deutschland seit einiger Zeit normative schulpolitische Ziele der Inklusion, gerechten
Teilhabe    und   Nicht-Diskriminierung in  neue     Verfahren    der   Output-    und
Wettbewerbssteuerung integriert. Besonders ausgeprägt ist diese Tendenz im schulischen
Umgang mit ‚Behinderung‘ sowie im Kontext von Migration und sozialer Ungleichheit. In
beiden Diskurszusammenhängen soll eine v.a. empirisch-quantitativ ausgerichtete
pädagogische Wirksamkeitsforschung auf methodisch abgesichertem Weg politisches und
pädagogisches Handeln orientieren und Wissen generieren, ob und in welchem Maße
Interventionen wirken.

Der Vortrag untersucht das Verhältnis von Normativität und Empirie innerhalb
gegenwärtig    vorherrschender    Ansätze   der   Wirksamkeitsforschung     aus   einer
metatheoretischen Perspektive. Aus dem Blickwinkel der Erkenntnispolitik wird die Frage
verfolgt, wie Aspekte der Gerechtigkeit und Diskriminierung in gegenwärtig dominanten
Ansätzen der pädagogischen Wirksamkeitsforschung inkorporiert, verzerrt oder
ausgeschlossen werden und welche Folgen daraus für Bildungsprozesse und -verläufe der
Schüler_innen resultieren sowie der Möglichkeiten von Lehrkräften u.a. Akteuren,
inklusive Entwicklungen zu gestalten. Auf der Basis von Literatur- und Diskursanalysen
wird nachgezeichnet, wie mit der Inkorporierung von Erfordernissen der Inklusion und
migrationsbedingten Heterogenität in die Output- und Wettbewerbssteuerung ein Abzug
der Aufmerksamkeit von sozialen Exklusions- und Ungleichheitsverhältnissen –
insbesondere von Fragen sozialer Macht – als strukturelle Barrieren des Schulerfolgs aber
auch als Gegenstand politischer Bildungsprozesse einhergeht, während organisationale,
technische und betriebswirtschaftliche Belange in den Vordergrund gerückt werden.

Im Schlussteil stelle ich in Anlehnung an Nancy Frasers Theorie der demokratischen
Gerechtigkeit ein alternatives Konzept sozialer Effektivität vor. Dabei sollen auch
Anknüpfungspunkte für die empirische Erforschung der Wirkung (oder auch Nicht-
Wirkung) von Schule identifiziert werden, welche als Wissensgrundlage für
transformierende Politiken der Gerechtigkeit dienen können.

Symposium

Markus Dederich, Thorsten Merl & Kerstin Rabenstein
Zur Funktion von ‚Kritik‘ durch Wissenschaft. Über das Verhältnis von
rekonstruktiver       Forschung      und   normativen     Ansprüchen    an   inklusive
Schulentwicklung
Eine rekonstruktive Forschung, die in Bezug auf das, was in Schulen im Zeichen der
Reformagenda Inklusion implementiert wird, neue theoretische Perspektiven generieren
möchte, steht einer Gegenstandsbestimmung skeptisch gegenüber, die sich sehr nah an
pädagogisch präskriptiven Inklusionskonzepten orientiert (vgl. Rabenstein 2016: 240;
Merl 2019: 49ff). Dies deshalb, weil eine solche Gegenstandsbestimmung den
Forschungsfokus vor allem dahingehend eingrenzt, das Ge- oder Misslingen einer Praxis
empirisch zu analysieren (Meseth 2011: 178). Es wird also eher evaluiert und nicht neue
theoretische Perspektiven generiert. Das Anliegen der Theoriegenerierung bzw. des
Verstehens des Reformprozesses erscheint wiederum aus der Perspektive einer
rekonstruktiven Inklusionsforschung, die sich an normativen Bestimmungen des
Gegenstandes orientiert und infolgedessen auch der Kritik nicht enthält, unzureichend
(Dederich i.E.): Zwar werde so methodisch abgesichert neues Wissen generiert, nicht
aber der gesellschaftliche bzw. pädagogische Prozess der Schulentwicklung auch kritisch
begleitet; es fehle schlicht der Maßstab.
Die Ergebnisse – so die Kritik – einer ja immer auch anwendungsbezogenen
pädagogischen Forschung liefen ins Leere, wenn kein Beitrag zur Verbesserung
pädagogischer Praxis angestrebt würde. Das Themenforum geht dem Verhältnis von
Kritik und Wissenschaft mit zwei Impulsvorträgen nach. Es will Raum zur Diskussion
möglicher Positionsbestimmungen und Begründungen bezüglich der Frage nach den
Möglichkeiten und Grenzen einer ‚kritischen‘ Wissenschaft im Feld der Reformagenda
Inklusion bieten. In einem ersten Beitrag wird Markus Dederich die These entwickeln,
dass die rekonstruktive Inklusionsforschung, will sie sich kritisch zu ihrem
Forschungsgegenstand verhalten, eine zumindest minimal-normative Theorie der
Inklusion bzw. der ‚Inklusivität’ pädagogischer Prozesse benötigt.
Hierbei ist der Gedanke zentral, dass begründete Kriterien der Kritik nicht dem
beobachteten Feld entnommen werden können.
In einem zweiten Beitrag werden Thorsten Merl und Kerstin Rabenstein in
diskurstheoretischer Perspektive vorliegende empirisch-rekonstruktive Studien zu
Inklusion daraufhin befragen, wie jeweils der Forschungsgegenstand mithilfe welcher
Problematisierungen konstruiert wird und wie welche Maßstäbe für Kritik im
Forschungsprozess gewonnen und wie legitimiert werden. Der Beitrag diskutiert, wie
kritische Positionen in der Forschung entstehen und mit welchen Effekten diese kritischen
Positionen verbunden sind.

Literatur
Dederich, M. (i.E.): Rekonstruktion und Kritik. Eine Rückfrage an die rekonstruktive
   Inklusionsforschung. In: Wagner-Willi, M; Budde, J.; Dlugosch, A.; Herzmann, P.;
   Rosen, L.; Panagiotopoulou, A.; Sturm, T. (Hg.): Inklusionsforschung im
   Spannungsfeld von Erziehungswissenschaft und Bildungspolitik. Leverkusen: Budrich.
Merl, T. (2019): un/genügend fähig. Zur Herstellung von Differenz im Unterricht
   inklusiver Schulklassen. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Meseth, W. (2011): Erziehungswissenschaft – Systemtheorie – Empirische Forschung.
Methodologische Überlegungen         zur empirischen      Rekonstruktion    pädagogischer
   Ordnungen. In:Zeitschrift für Qualitative Forschung, Jg. 12, H. 2, S. 177-197.
Rabenstein, K. (2016): Methodologische Fragen einer qualitativen Erforschung inklusiven
   Unterrichts.Herausforderungen       einer     empirisch     fundierten     didaktischen
   Theoriebildung. In: Musenberg, O.; Riegert, J. (Hg.): Didaktik und Differenz. Bad
   Heilbrunn: Klinkhardt, S. 233-244.

Forschungswerkstätten

Ursula Böing
Machtvolles Schüler/innenhandeln - Zur praktischen Bearbeitung pädagogischer
Ordnungen im Kontext Inklusion durch Schüler/innen mit und ohne Assistenz.
Rekonstruktionen aus der Studie – ‚Assistenz aus Schüler/innenperspektive‘
(ASP)
In der geplanten Forschungswerkstatt werden ausgewählte Sequenzen aus der qualitativ-
praxeologisch     angelegten     Studie    „Assistenz   aus  Schüler/innenperspektive     –
Orientierungen     von     Kindern    und     Jugendlichen  in   schulisch-unterrichtlichen
Handlungssituationen mit Assistenz in ausgewählten Schulen“ (ASP; Böing & Köpfer)
vorgestellt, diskutiert und interpretiert.
Assistenz gilt als paraprofessionelle Rolle, die im Kontext eines als ‚Inklusion‘
bezeichneten Schulentwicklungsprozesses verstärkt als Differenzierungsmaßnahme für
Kinder und Jugendliche mit zugewiesenem Förderbedarf an Allgemeinen Schulen
vorgehalten wird (vgl. u.a. Laubner et al. 2017).
Die Studie untersucht Praktiken von Kindern und Jugendlichen in schulisch-
unterrichtlichen Situationen mit Assistenz und fragt danach, wie diese in ihrer Rolle als
Schüler/innen im Handlungsfeld Schule und in „diskursiver Verstrickung“ (vgl. Machold
2013) mit den darin eingelagerten formalen Regulierungen, Steuerungen und
machtbesetzten Ordnungen Differenzen herstellen und bearbeiten.
Konkret können im Rahmen der Forschungswerkstatt entlang des Materials folgende
Fragen fokussiert werden:
    • Wie bearbeiten die Kinder und Jugendlichen pädagogische Ordnungen im Kontext
       der formalen Differenzierungsmaßnahme „Assistenz“?
    • Wie konstruieren Kinder und Jugendliche in diesem Kontext Raum?
Wie wird unter diesen Bedingungen in den Praktiken der Kinder und Jugendlichen
Behinderung hervorgebracht?
Methodologisch basiert die Studie auf der Dokumentarischen Methode, die im Anschluss
an die Praxeologische Wissenssoziologie von Karl Mannheim das Soziale als interaktiv
erzeugt, d.h. als sprachlich und körperlich-räumlich, performativ hervorgebracht
betrachtet (vgl. Bohnsack 2014; Sturm 2015). Methodisch wurden in Anlehnung an
Nentwig-Gesemann (2017) fotobasierte Schulführungen durchgeführt und durch
videogestützte Gruppendiskussionen (vgl. Loos et al. 2001) ergänzt.
Abschließend werden die Erkenntnisse entlang möglicher normativer Implikationen
eingeordnet und reflektiert.
Literatur
Bohnsack, R. (2014): Rekonstruktive Sozialforschung. Eine Einführung in qualitative
   Methode (9. Aufl.). Opladen u.a.: Verlag Barbara Budrich.
Laubner, M.; Lindmeier, B.; & Lübeck, A. (2017) (Hrsg.): Schulbegleitung – ein
   Arbeitsbuch für Theorie und inklusive Praxis. Weinheim: Beltz, 11-27
Loos, P. & Schäffer, B. (2001): Das Gruppendiskussionsverfahren. Theoretische
   Grundlagen und empirische Anwendung. Opladen: Leske + Budrich.
Machold, C. (2013): Kinder und Differenz. Eine ethnografische Studie im
   elementarpädagogischen Kontext. Wiesbaden: Springer VS
Nentwig-Gesemann, I.; Walther, B.; Thedinga, M. (2017): Kita-Qualität aus Kindersicht.
   Eine Studie des DESI-Instituts im Auftrag der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung.
   Abschlussbericht.      Online       unter:        https://www.qualitaet-vor-ort.org/wp-
   content/uploads/2017/10/171026_Quaki_Abschlussbericht_WEB.pdf.              Entnahme:
   20.01.2019
Sturm, T. (2015): Rekonstruktiv-praxeologische Schul- und Unterrichtsforschung im
   Kontext von Inklusion. Inklusion online 9, Nr. 4.

Jürgen Braun, Karola Cafantaris, Oliver Hollstein & Wolfgang Meseth
Inklusive Ordnungen systemtheoretisch beobachten
Im Unterschied zu geläufigen pädagogischen und bildungspolitischen Vorverständnissen
des Inklusionsbegriffs, die zumeist eng mit normativen Kategorien wie „Partizipation“,
„Teilhabe“ oder „Integration“ verbunden sind, bezeichnet ein systemtheoretisches
Verständnis von Inklusion keinen Mechanismus, durch den Menschen gleichsam
topographisch in „Räume“, „Bereiche“ oder „Gruppen“ eingeschlossen werden (sollen),
sondern zunächst – je nach Systemebene – die operative Relevanzsetzung von Personen
in einem Kommunikationszusammenhang (vgl. Nassehi 2011, S. 171ff.).
Auf der Ebene der Gesellschaft wird die normative Erwartung auf Vollinklusion in das
Erziehungssystem entlang der Idee der Bildsamkeit formuliert (vgl. Tenorth 2013). Auf
der Ebene der Organisation vollzieht sich Inklusion qua institutioneller Entscheidung über
Mitgliedschaft, die sich in Deutschland traditionell durch Differenzierung (mehrgliedriges
Schulsystem) realisiert. Schließlich bezieht sich Inklusion auf der Ebene der Interaktion
auf die in einem sozialen System sich immer wieder neu vollziehende, ereignishafte
kommunikative Adressierung (vgl. Kade 2004). Die jeweiligen Adressierungen im
Klassenzimmer       lassen    sich   hinsichtlich    unterschiedlicher   Abstraktionsgrade
unterscheiden, die sich entlang der Begriffe „Person“ und „Rolle“ sowie unterschiedlicher
Formen der Selbstthematisierung von „Wir-Gruppen“ differenzieren lassen. Damit legt die
Verwendungsweise von Inklusion noch nicht fest, in welchen sprunghaften und selektiven
Modi    sich   die    Adressierungen    von    je   unterschiedlichen   Schüler*innen    in
Unterrichtsinteraktionen ereignen.
Im Rahmen der Forschungswerkstatt möchten wir am Beispiel von empirischem Material
aus dem laufenden Forschungsprojekt „Von der Förderschule zur inklusiven Regelschule“
die Leistungsfähigkeit einer solchen systemtheoretischen re-description zur Diskussion
stellen.1 Anhand von Beobachtungsprotokollen, transkribierten Audioaufzeichnungen und
videographierten Unterrichtsszenen geht das Projekt der Frage nach, wie sich im sozialen
System Schulunterricht inklusive Ordnungen durch unterschiedliche Adressierungen
herausbilden und verfestigen (vgl. Meseth/Proske/Radtke 2011). Gegenstand der
sequenzanalytischen und mikroethnographischen Analysen des empirischen Materials
sind die normativen Erwartungen, die in der Form von Rollenordnungen und höher
aggregierten   Selbstthematisierungen     durch    eine   reflexive  Rückwendung      der
Kommunikation auf sich selbst festgelegt und somit empirisch greifbar werden (Wir/Sie-
Unterscheidungen,      inhaltlich-thematische     Zielsetzungen,     Etablierung      von
Verhaltenserwartungen und zeitliche Verfügungen).
Durch diesen systemtheoretischen Zugriff soll das Verhältnis von Inklusionsforschung
und Normativität aus zwei Perspektiven thematisiert werden. Zum einen soll der
erziehungswissenschaftliche      Mehrwert    einer     systemtheoretisch    distanzierten
Forschungsperspektive auf das normativ geladene Feld der „Inklusion“ ausgelotet
werden. Zum anderen geht es darum, den Wiedereintritt jener Normativität in das
Forschungsdesign (Reifizierungsproblem) in den Blick zu nehmen, der im Vollzug der
eigenen Forschung unbeobachtbar bleiben muss.

Literatur
Kade, Jochen (2004): Erziehung als pädagogische Kommunikation. In: Lenzen, D.
   (Hrsg.): Irritationen des Erziehungssystems. Pädagogische Resonanzen auf die
   Systemtheorie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 199-232.
Meseth, Wolfgang/ Proske, Matthias/ Radtke, Frank-Olaf (2011): „Was leistet eine
   kommunikationstheoretische Modellierung des Gegenstandes Unterricht‘?“. In:
   Meseth, W./Proske, M./Radtke, F.-O. (Hrsg.): Unterrichtstheorien in Forschung und
   Lehre. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 223-40.
Nassehi, Armin (2011): Gesellschaft der Gegenwarten. Studien zur Theorie der modernen
   Gesellschaft II. Berlin: Suhrkamp.
Tenorth, Heinz-Elmar (2013): Inklusion – Prämissen und Problemzonen eines
   kontroversen Themas. In: Baumert, J./Masuhr, V./Möller, J./ Riecke-Baulecke,
   T./Tenorth, H.-E./Werning, R. (Hg.): Inklusion. Forschungsergebnisse und
   Perspektiven. München: Oldenbourg, S. 6–14.
1
  Das Schulbegleitprojekt untersucht eine ehemalige Förderschule mit dem Schwerpunkt
Blindheit und Seheinschränkung, die nun im Zuge einer sogenannten „umgedrehten
Inklusion“    blinde, seheingeschränkte und sehende Schüler*innen gemeinsam
unterrichtet.

Tobias Buchner
Frau Kessels Burschen. Raumtheoretische Perspektiven auf das Zusammenspiel
von Männlichkeit und dis_ability
Im Forschungsprojekt ‚Inclusive Spaces 3: Differenz, Raum und Schule‘ wird über ein
methodenplurales Vorgehen das Zusammenspiel von Differenz(en) und Raum in als
inklusiv intendierten, schulischen Bildungssettings untersucht. Der heuristische Rahmen
der Studie setzt sich aus raumsoziologischen, macht- und differenztheoretischen
Überlegungen sowie einer fähigkeitskritischen Perspektive auf die Produktion von
dis_ability zusammen.
Das Projekt ist als Längsschnittstudie angelegt. So finden vom Schuljahr 2017/2018 –
2020/2021 in jährlichen Abständen Erhebungen an fünf Neuen Mittelschulen in Wien
(Sekundarstufe I) statt. Im Zuge der ersten Welle von Feldforschung wurden 60
problemzentrierte Interviews mit Schüler*innen und 21 problemzentrierte Interviews mit
Lehrer*innen geführt. Alle an den Interviews teilnehmenden Schüler*innen fertigten
zudem eine soziale Landkarte ihrer Schule an. Auf Basis teilnehmender Beobachtungen
an Unterrichtsstunden sowie Pausen wurden 234 ethnographische Stundenprotokolle und
122 Feldnotizen angefertigt.
Das empirische Material, das bei der angedachten Forschungswerkstatt präsentiert und
gemeinsam analysiert werden soll, wurde im Rahmen der Untersuchung einer
Integrationsklasse der 5. Schulstufe an einer Neuen Mittelschule produziert. Diese Klasse
wurde von verschiedenen Professionist*innen an der Schule als leistungsschwach und
‚schwer zu führen‘ beschrieben. Vor allem den Jungen der Klasse wurde ein störendes
Verhalten attestiert, was von den Lehrkräften mit einer Eingrenzung der Pausenräume
und weiteren Disziplinierungspraktiken beantwortet wurde. Über diese sollen die
Jugendlichen laut der Klassenlehrerin jene Fähigkeiten erlernen, die sie am Ende der
Sekundarstufe I ‚jobready‘ machen: höflich grüßen, aufmerksam sein, aufzeigen, still
sitzen, etc.
Auffallend ist zudem, dass die Klasse durch eine strikte Zweiteilung der
Schüler*innenschaft in mit und ohne Sonderpädagogischen Förderbedarf (SPF) geprägt
ist, die sich unter anderem in einer getrennten Unterrichtung in den Hauptfächern
manifestiert. Letztere Gruppe, also jene, die mit der Zuschreibung SPF versehen ist,
besteht ausschließlich aus Jungen und wurde von verschiedenen Akteur*innen als ‚Frau
Kessels Burschen‘ adressiert. Diese unterrichtet die Schüler mit SPF in den getrennten
Lehreinheiten. Dabei ließ sich neben den bereits erwähnten Disziplinierungspraktiken
auch das beobachten, was als Beschäftigungspraktiken bezeichnet werden könnte:
Praktiken, über die verringerte Fähigkeitserwartungen transportiert und gleichzeitig eine
schulisch sinnvolle Beschäftigung der Schüler ermöglicht werden soll.
Als Teil einer ethnographischen Fallstudie werden die während der getrennten
Lehreinheiten von den Schülern mit SPF aufgeführten Praktiken, die zwischen
Widerspenstigkeit und marginalisierter Männlichkeit oszillieren, in den Blick genommen.
In der Forschungswerkstatt sollen dazu Sequenzen aus Unterrichtsprotokollen sowie
Interviews mit den Jugendlichen präsentiert werden. Anhand der gemeinsamen Analyse
der Daten soll diskutiert werden, welche Raumkonstruktionen über die Praktiken der
Schüler (re-)produziert werden bzw. aufgrund welcher Raumkonfigurationen diese
überhaupt erst vollzogen werden können. Zudem soll untersucht werden, welche
Fähigkeiten von den Schülern gegenüber den schulischen Fähigkeitserwartungen als
relevant gesetzt werden.

Tilman Drope, Kerstin Rabenstein & Mark Schäffer
Zur Normativität pädagogischer Praktiken. Methodologische und methodische
Überlegungen zur Rekonstruktion von Wertungen
Die qualitative Forschung beansprucht (in Teilen), statt aus einer an die ‚Praxis‘
herangetragenen Normativität, die Normativität der Praxis empirisch zu untersuchen. Die
Diskussion, wie theoretisch begründet wird, die Normativität pädagogischer Praxis zu
rekonstruieren, ist immer mal wieder geführt worden, aber in Bezug auf den Gegenstand
Inklusion hat sie sich intensiviert. In dem Forschungsforum soll für die Untersuchung von
Subjektivierung in Praktiken der Frage nach den Möglichkeiten (und Grenzen) der
Rekonstruktion der Normativität in den Bezugnahmen von Subjekten aufeinander (und
auf Dinge) nachgegangen werden und das Vorgehen an Datenmaterial ausprobiert und
diskutiert werden.
Die     Subjektivierungsforschung        hat    im    Kontext     der     Forschung     zu
Differenzaktualisierungen in einem Unterricht im Anspruch an Inklusion in den letzten
Jahren an Relevanz zugenommen. In den mittlerweile entwickelten theoretisch ähnlich
begründeten Operationalisierungen für die Erforschung von Subjektivierungsprozessen
z.B. als Positionierungen in diskursiven Praktiken (Wrana 2015) bzw. Re-Adressierungen
in pädagogischen Praktiken (Reh/Ricken 2012) ist die Frage nach den in Praktiken
vorgenommenen Wertungen stets wichtig. Aber es wird nicht weiter diskutiert, wie
Wertungen (Wrana 2015) bzw. ‚Valuation‘ (Reh/Ricken 2012) begründet rekonstruiert
werden. Wir schlagen vor, die emotional-affektive Dimension von Praktiken stärker in die
Beobachtung aufzunehmen. Dabei nehmen wir Bezug auf z.B. Schatzkis Herausstellen
eines   teleo-affektiven   Moments    in   Praktiken    (Schatzki  2016,    33f.),   um
Subjektivierungsprozesse im Zusammenhang mit dem Herausbilden bestimmter
„Zwecke, Zielorientierungen und entsprechende[r] affektive[r] Lagen“ im Vollzug von
Praktiken zu verstehen (Ricken 2019, 37).
An ethnographischem Datenmaterial aus einer laufenden Beobachtung zur Konstitution
von Schulklassen als Schulklassen in einer sich inklusiv verstehenden Gesamtschule
wollen wir den Zugang forschungspraktisch ausprobieren und diskutieren. In diesem
2018 begonnenen ethnographischen Projekt untersuchen wir von Beginn des fünften
Schuljahres den Prozess der Klassenbildung und darin Praktiken der Subjektivierung als
Mitglieder einer (bestimmten) Schulklasse bzw. Differenzordnung.

Literatur
Reh, S./Ricken, N. (2012): Das Konzept der Adressierung. Zur Methodologie einer
   qualitativempirischen Erforschung von Subjektivation. In Miethe, I./Müller, H.-R.
   (Hg.): Qualitative Bildungsforschung und Bildungstheorie. Opladen & Farmington Hills:
   Barbara Budrich, 35-56.
Ricken, N. (2019): Aspekte einer Praxeologik. Beiträge zu einem Gespräch. In
   Berdelmann, K./Fritzsche, B./Rabenstein, K./Scholz, J. (Hg.): Transformationen von
   Schule, Unterricht und Profession. Wiesbaden: Springer VS, 29-48.
Schatzki, R. T. (2016): Praxistheorie als flache Ontologie. In Schäfer, H. (Hg.):
   Praxistheorie. Ein soziologisches Forschungsprogramm. Bielefeld: transcript, 29-44.
Wrana, D. (2015): Zur Analyse von Positionierungen in diskursiven Praktiken.
   Methodologische Reflexionen anhand von zwei Studien. In Fegter, S./Kessl, F./Langer,
   A./Ott, M./Rothe, D./Wrana, D. (Hg.): Erziehungswissenschaftliche Diskursforschung.
   Wiesbaden: Springer VS, 123-142.

Simone Engler & Helga Fasching
Inklusive Berufsberatung? Eine Analyse zu Macht, Empowerment und
Selbstbestimmung von Jugendlichen mit sog. „Behinderung“ am Übergang von
SEK I in (Aus-)Bildung
Der Übergang von SEK I (Pflichtschule) in (Aus-)Bildung oder Beschäftigung, stellt für
Jugendliche mit sog. „Behinderung“ im Vergleich zu nichtbehindert markierten
Jugendlichen, eine intensiviere Herausforderung dar. Insbesondere intersektional
wirkmächtige Differenzkategorien (sozio-kultureller Status, Geschlecht, Herkunft, Körper)
erweitern soziale Ungleichheit und bilden Grenzen zu inklusiven Le(h)rnräumen und
Entwicklungsmöglichkeiten für Individuen. Innerhalb des pädagogischen Diskurses wird
partizipative Kooperation als Schlüssel einer inklusiven Bildung betrachtet. Voraussetzung
dafür ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteur*innen und
Machtreflexionen.
Inklusionsbezogene Forschung: Das vom österreichischen Wissenschaftsfond (FWF)
geförderte Forschungsprojekt „Kooperation für Inklusion in Bildungsübergängen“
(Projektnummer: P-29291; Laufzeit: 01.10.2016–30.09.2021; Leitung: Helga Fasching;
http://kooperation-fuer-inklusion.univie.ac.at/), ist auf eine längsschnittliche Betrachtung
partizipativer Kooperation im Übergangsplanungsprozess bei Jugendlichen mit sog.
„Behinderung“ ausgerichtet und der explorativen Grundlagenforschung zuzuordnen. Es
fragt nach Kooperationserfahrungen Jugendlicher und deren Eltern/Familien mit
verschiedenen professionellen Unterstützer*innen.
Methodologisch-methodischer Zugang: Methodologisch wird nach der konstruktivistischen
Grounded Theory (Charmaz 2014) vorgegangen, methodisch werden „Intensive
interviews“ (Charmaz 2014) und Reflecting-Teams (Andersen 1992, 2011) genutzt. Eine
intersektionale Perspektive (Winker/Degele 2007, 2009) fokussiert die einreichende
Dissertantin.
Forschungswerkstatt: Interviewmaterial + mögliche Analysefragen: Welche subjektiven
Erfahrungen in Bezug auf Äußerungen und Umsetzungen von Berufs-/Lebenswünschen
benennt die jugendliche Person mit sog. „Behinderung“ am Übergang? Wie lassen sich
diese Erfahrungen und Normative reflexiv intersektional deuten?

Literatur zum methodologischen und methodischen Rahmen
Andersen, T. (1992): Reflections on reflecting with families. In: McNamee, S./Gergen, K.
   J. (eds.): Therapy as Social Construction. London: Sage, 55-68.
Andersen, T. (2011): The Reflektierende Team: Dialoge und Dialoge über Dialoge.
   Dortmund: Verlag modernes lernen.
Charmaz, K. (2014): Constructing Grounded Theory. 2nd Edition. Thousand Oaks: Sage.
Degele, N. /Winker, G. (2007): Intersektionalität als Mehrebenenanalyse. URL:
   https://www.soziologie.uni-freiburg.de/personen/degele/dokumente-
   publikationen/intersektionalitaet-mehrebenen.pdf (09.01.2019)
Winker, G./Degele, N. (2009): Intersektionalität. Zur Analyse sozialer Ungleichheiten.
   Bielefeld: transcript Verlag.

Gabriele Müller
Dissertationsprojekt       –     Arbeitstitel:      „Inklusive     und      integrative
Kindertagesbetreuung als Prozess multiprofessioneller Zusammenarbeit“
Projektskizze:
Auf dem Hintergrund zunehmend diversifizierender Anforderungen an das Handlungsfeld
der Kindertageseinrichtungen im Zuge gesellschaftlicher Modernisierungsprozesse,
stehen     Forderungen     nach     organisationsstrukturellen   und     konzeptionellen
Weiterentwicklungen im Zentrum fachpolitischer Diskurse. Das Leitbild inklusiver Bildung
als Teilhabeversprechen für alle, verbunden mit dem Anspruch nach mehr
Chancengerechtigkeit, steht dabei derzeit im Zentrum (vgl. z.B. Cloos 2015). Hierbei
werden „multiprofessionelle Teams als qualitäts- und zukunftsorientierte Antwort auf die
Veränderungen und Herausforderungen institutioneller Bildung, Betreuung und Erziehung
(Autorengruppe Fachkräftebarometer 2017, S. 72)“ bewertet. In der Bewältigung von
Inklusion als komplexe Herausforderung wird multiprofessionelles Arbeiten zudem als
Standard definiert (vgl. z.B. Heimlich und Üffing 2018; Prengel 2014). Bisher liegen
jedoch wenig empirische Erkenntnisse darüber vor, wie Multiprofessionalität unter dem
Anspruch inklusiven Handelns in Kindertageseinrichtungen hergestellt wird.
Ziel des Forschungsvorhabens ist es, ein vertieftes Verständnis über die Ressourcen und
Potentiale von Multiprofessionalität für eine inklusive Arbeit mit Kindern und ihren
Familien zu gewinnen. Im Zentrum des Forschungsvorhabens steht die Untersuchung
sprachlicher Performanz über Erfahrungen aus der Praxis aus der Perspektive der
Fachkräfte.
Forschungsfragen: Welches Verständnis von Zusammenarbeit wird unter der Prämisse
von Inklusion im Team sprachlich hergestellt? Welche Rolle nehmen hierbei
organisationsstrukturelle Bedingungen, institutionalisierte Normen und habituelle
Orientierungen ein?
Der Forschungsfrage nähere ich mich mit einer praxeologisch-rekonstruktiven
Perspektive (vgl. Bohnsack 2018). Ich arbeite mit der Methode der Gruppendiskussion
und interessiere mich insbesondere für die kommunikative Bewältigung gemeinsamer
Erfahrungen und die Möglichkeit der Aktualisierung von atheoretischen oder impliziten
kollektiven Wissensbeständen und Strukturen. Karl Mannheim hat dies als „konjunktive
Erfahrungsräume“ bezeichnet. (vgl. Mannheim 2003). In der Analyse arbeite ich mit der
Dokumentarischen Methode, mit der durch die Rekonstruktion der Diskursorganisation
die Entstehung und Entwicklung eines Themas ebenso erfasst werden kann wie deren
kollektive Rahmung (vgl. Loos und Schäffer 2001).
Informationen zum vorgesehenen Datenmaterial:
Für die Forschungswerkstatt möchte ich gerne einen Ausschnitt aus einer
Gruppendiskussion mit einem Teil eines Teams aus einem inklusiven Kinderhaus
einbringen. Die ausgewählte Passage mit dem Thema „Inklusive Kita als Beitrag zu einer
besseren Welt“ ist durch eine hohe interaktive Dichte mit selbstläufigen Gesprächsphasen
gekennzeichnet. Für die Forschungswerkstatt möchte ich das erste Oberthema der
Passage „Keine etikettierenden Strukturen“ einbringen (knapp 4 Minuten) und mit der
Gruppe auf Basis der Dokumentarischen Methode interpretieren.

Literatur
Loos, Peter; Schäffer, Burkhard (2001): Das Gruppendiskussionsverfahren.
   Theoretische Grundlagen und empirische Anwendung. Wiesbaden: VS Verlag für
   Sozialwissenschaften
Mannheim, Karl (2003): Strukturen des Denkens. Herausgegeben von David Kettler,
   Volker Meja und Nico Stehr. [Nachdr.]. Frankfurt am Main: Suhrkamp.Prengel 2014
Heimlich,     Ulrich;    Üffing,     Claudia   (2018):     Leitfaden     für    inklusive
   Kindertageseinrichtungen.           Bestandsaufnahme         und         Entwicklung:
   Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte, WiFF Exp ertisen, Band 51.
   München
Cloos,     Peter    (2015):      Diversität   und    Inklusion    in    der    aktuellen
   kindheitspädagogischen      Professions-und    Professionalisierungsforschung.     In:
   Christin Haude (Hg.): Diversity Education in der Ausbildung frühpädagogischer
   Fachkräfte. 1. Aufl. Weinheim: Beltz Juventa, S. 47–71
Autorengruppe Fachkräftebarometer (2017): Fachkräftebarometer Frühe Bildung
   2017. Hg. v. Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte. DJI. München
Bohnsack, Ralf (2018): Die Dokumentarische Methode und ihre praxeologischen und
   praxistheoretischen Grundlagen. In: Zeitschrift für Soziologie der Erziehung &
   Sozialisation; Vol. 38 Issue 1, p103-111. In: Zeitschrift für Soziologie der
   Erziehung & Sozialisation 38 (1), S. 103–111.

Lisa Rosen & Fenna tom Dieck
„Nein, du bist noch kein Regelschüler...!“ – Exkludierte Inklusion von
neuzugewanderten Kindern und Jugendlichen an einem Gymnasium in NRW
Kritik an der separierenden Beschulung von neuzugewanderten Kinder und Jugendlichen
ist bereits im Zuge der sogenannten Gastarbeiter*innenmigration in den 1960- und 70-er
Jahren aus Sicht der Interkulturellen Pädagogik geäußert worden (Neumann 1981,
Radtke 1996) und wird aktuell erneuert (Karakayali et al. 2016; Schroeder & Seukwa
2017). Im Zusammenhang mit der Realisierung der UN-Behindertenrechtskonvention
(UN-BRK) wird – wie auch im internationalen Diskurs – aufgezeigt, dass „introductory
classes are obviously not in agreement with the ideal of inclusive education“ (Hilt 2017:
586) und darüber hinaus problematisiert, dass „the education offered in introductory
classes is based on a construction of newly arrived students as deviant from the
mainstream“ (ebd.: 599). Als ein Beispiel für eine solche Konstruktion gilt in Deutschland
das Label „Seiteneinsteiger“, das für neuzugewanderte Schüler*innen in Deutschland
bereits in den 1980-er Jahren etabliert wurde (vgl. Mecheril & Shure 2015: 113) und
auch im Kontext des aktuellen bildungspolitischen Diskurses neben Bezeichnungen wie
„Deutsch-als-Zweitsprache-Schüler*innen“, „Vorbereitungsklassen-Schüler*innen“ und
häufiger auch dem Sammelbegriff „Flüchtlinge“ für die Gesamtgruppe neuzugewanderter
Schüler*innen wieder an Prominenz gewonnen hat. Durch derartige Bezeichnungen
werden vermeintliche Gruppen von Schüler*innen „mit“ und „ohne besondere Bedarfe“
und somit machtvolle Verhältnisse von Normalität und Abweichung konstruiert werden
(vgl. dies.: 109).
An den ethnographischen Forschungsstand zu Differenzkonstruktionen und Othering-
Prozessen      entlang von     Sprache(n)    und   Mehrsprachigkeit (Khakpour 2016,
Panagiotopoulou, Rosen & Karduck 2018; Panagiotopoulou, Rosen & Strzykala 2018;
Panagiotopoulou       &   Rosen   2018)    in  separierenden    Beschulungsformen    für
neuzugewanderte Kinder und Jugendliche anknüpfend möchten wir in der
Forschungswerkstatt den Blick auf Beobachtungsprotokolle richten, die in einer
sogenannter teilintegrativen Beschulungsform an einem Gymnasium in NRW (Köln) im
vergangenen Schuljahr über einen Zeitraum von vier Monaten (April-Juli 2018) im
Rahmen einer sog. Sprachfördermaßnahme erhoben worden sind. Bei dieser
Beschulungsform werden neuzugewanderte Schüler*innen teilweise in Regelklassen und
teilweise    in    separierten  Klassen   im    Rahmen    spezifischer  Sprachförderung
jahrgangsübergreifend unterrichtet. Die insgesamt neun Feldaufenthalte sind von Fenna
tom Dieck durchgeführt worden sind, die bereits ihre Masterarbeit in einem
vergleichbaren Untersuchungsfeld in Niedersachsen absolviert hat (tom Dieck 2017) und
im Rahmen ihres Dissertationsvorhabens eine international vergleichende Ethnographie
in Italien und in Deutschland durchführt.
Literatur
Hilt, L. (2017). Education without a shared language: dynamics of inclusion and exclusion
   in Norwegian introductory classes for newly arrived minority language students.
   International Journal of Inclusive Education, 21(6), 585-601.
Karakayali,     J.   et   al.    (2016).   Mit    Segregation    zur   Inklusion?     URL:
   https://www.bim.huberlin.de/media/Expertise_Willkommensklassen.pdf
Khakpour, N. (2016). Zugehörigkeitskonstruktionen im Kontext von Schulbesuch und
   Seiteneinstieg. In C. Benholz, M. Frank & C. Niederhaus (Hg.), Neu zugewanderte
   Schüler*innen und Schüler (pp. 151–170). Münster: Waxmann.
Mecheril, P., & Shure, S. (2015). Natio-ethnokulturelle Zugehörigkeitsordnungen – über
   die Unterscheidungspraxis „Seiteneinsteiger“. In K. Bräu & C. Schlickum (Hg.), Soziale
   Konstruktionen in Schule und Unterricht (pp. 109–121). Opladen: Budrich.
Neumann, U. (1981). Sozialisation ausländischer Kinder in der Grundschule. Lernen in
   Deutschland, 6, 34-39.
Panagiotopoulou, A., & Rosen, L. (2018). Denied inclusion of migration-related
   multilingualism: an ethnographic approach to a preparatory class for newly arrived
   children in Germany. Language and Education, 32(5), 394-409.
Panagiotopoulou, A., Rosen, L., & Karduck, St. (2018). Exklusion durch institutionalisierte
   Barrieren. In R. Ceylan, M. Ottersbach & P. Wiedemann (Hg.), Neue Mobilitäts- und
   Migrationsprozesse und sozialräumliche Segregation (115-131). Wiesbaden: Springer
   VS.
Panagiotopoulou, A., Rosen, L., & Stryzkala, J. (2018). Inklusion von neuzugewanderten
   Schüler*innen durch mehrsprachige Lehrkräfte aus zugewanderten Familien?
   Deutschförderung unter den Bedingungen von (Flucht-)Migration. In: İ. Dirim & A.
Wegner (Hg.), Normative Grundlagen und reflexive Verortungen im Feld DaF und DaZ
   (210-227). Leverkusen & Berlin: Verlag Barbara Budrich,.
Radtke, F.-O. (1996). Seiteneinsteiger – Über eine fragwürdige Ikone der Schulpolitik. In
  G. Auernheimer & P. Gstettner (Hg.), Pädagogik in multikulturellen Gesellschaften (pp.
  49–63). Peter Lang.
Schroeder, J., & Seukwa, L. (2017). Access to Education in Germany. In A. Korntheuer,
  P. Pritchard & D. Maehler (Ed.), Structural Context of Refugee Integration in Canada
  and Germany. Köln: Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften.
tom Dieck, F. (2017). Processes of Inclusion and Exclusion in the Social Space of Schools
  from the Perspective of Newly Arrvied Students (Unpublished master’s thesis).
  Osnabrück.

Josephina Schmidt
Reflexive Normativität rekonstruktiver Sozialforschung am Beispiel eines
Dissertationsprojekts im teilhabezentrierten Feld Sozialer Arbeit mit Frauen in
sozialpsychiatrischen Wohnheimen
Werden herrschende Normen und das Verständnis von Normativität verstanden als „als
konstitutive Elemente bürgerlich kapitalistischer, patriarchaler Herrschaft“ (Maihofer
2013: 169) ist es die Aufgabe rekonstruktiver Sozialwissenschaft nicht nur die
Verständigung zwischen Subjekten über Normen zu untersuchen, sondern auch
gesellschaftliche Bedingungen dieser Verständigung zu reflektieren, die durch
Forschungspraxis selbst hergestellte Differenzkonstruktion bzw. die durch privilegierte
Forscher*innen vorgenommene Unterdrückung der Stimmen der Repräsentierten
offenzulegen (vgl. do Mar Castro/Dhawan 2015: 200) und die geteilten Erfahrungen von
an Forschung beteiligten Subjekten in Solidarität anzuerkennen (vgl. Hark et al 2015:
99).
Normen und Normativität spielen im der rekonstruktiven Sozialforschung zuzuordnenden
Dissertationsprojekt „Frauen in sozialpsychiatrischen Wohnheimen“, welches sich mit der
Frage beschäftigt, wie Frauen dort zu langjährigen Fällen werden, für die ein Leben
außerhalb der Einrichtung derzeit von allen Beteiligten nicht vorstellbar ist, sowohl
bezogen auf den Forschungsgegenstand als auch auf methodologischer Ebene eine große
Rolle. Während in der Sozialpsychiatrie Teilhabe bzw. Inklusion von Psychiatrieerfahrenen
spätestens seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention eine rechtliche und
professionelle Norm ist, welche die eingeschränkte Teilhabe von Menschen in ihren
(besonders stationären) Institutionen in den Fokus nehmen lässt (z.B. Daum et al 2017;
Bliemetsrieder et al 2018) drängt sich methodologisch die Frage nach der Normativität
hinter der Konstruktion und dem Blick auf die Verschränkung der die Gesellschaft
strukturierenden Kategorien „Geschlecht“ und „Behinderung“ des intersektionalen
Forschungszugangs auf (Schildmann/Schramme 2017, Peter/Waldschmidt 2017).
In der Forschungswerkstatt werden Sequenzen zum Thema „Frausein in der Psychiatrie“
aus biografischen Interviews mit langjährig in sozialpsychiatrischen Wohnheimen
lebenden Frauen anhand der Methode der Objektiven Hermeneutik (Oevermann 2002)
mit folgenden Fragestellungen konfrontiert:
   • Wie kann mit der Objektiven Hermeneutik eine Intersektionalitätsforschung in Form
      einer        Mehrebenen-Analyse          (gesamtgesellschaftliche        strukturelle
      Herrschaftsverhältnisse,       symbolische      Repräsentationen,        individuelle
      Identitätskonstruktionen (Winker/Degele 2009)) in Bezug auf die Praxis der
      Fallherstellung vorgenommen werden bzw. wie kann diese Analyse mit dem
      Bedingungsverhältnis von Allgemeinem und Besonderem (z.B. Kraimer 2000; Garz
      2015) zusammengedacht werden?
   • Wie notwendig bzw. problematisch ist die Positionierung einer auf Frauen
      bezogenen emanzipatorischen Forschung, vor dem Hintergrund, dass Frauen mit
      psychischer Erkrankung in mehrfacher Hinsicht eine besonders vulnerable Gruppe
sind (z.B. BMFSFJ 2014; Krumm et al 2018: 70) bzw. wie kann die dem
    Dissertationsprojekt zugrundeliegende Normativität expliziert werden, um mit
    dieser Selbstkritik dem Forschungsgegenstand eine empirisch angemessene
    dialektische Analyse unterziehen zu können?
  • Welche normativen Grundlagen hat die marginalisierte sozialwissenschaftliche
    Perspektive (z.B. Salize 2017) in vorwiegend bio-medizinisch geprägten
    Forschungsdiskursen in der Psychiatrie und welche Herausforderungen sind damit
    verbunden?
Literatur
Bliemetsrieder, Sandro; Maar, Katja; Schmidt, Josephina; Tsirikiotis, Athanasios (Hg.)
   (2018): Partizipation in sozialpsychiatrischen Handlungsfeldern. Reflexionen und
   Forschungsbericht.              Verfügbar             unter:          https://hses.bsz-
   bw.de/frontdoor/index/index/docId/612.
BMFSFJ - Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2014):
   Gewalterfahrungen von in Einrichtungen lebenden Frauen mit Behinderungen –
   Ausmaß, Risikofaktoren, Prävention.
Daum, Marcel; Höptner, Anja; Speck, Andreas; Steinhart, Ingmar (2017): Teilhabe für
   chronisch psychisch kranke Menschen in Deutschland oder Die Sozialpsychiatrie und
   die Soziale Gerechtigkeit. In: Psychiatrische Praxis 2017(2), S. 108-110.
Do Mar Castro Varela, María; Dhawan, Nikita (2015): Postkoloniale Theorie. Eine
   kritische Einführung. 2., komplett überarbeitete und erweiterte Auflage. Bielefeld:
   Transcipt Verlag.
Garz, Detlef (2015): Theorie der Lebenspraxis. Einführung in das Werk Ulrich
   Oevermanns. Wiesbaden: Springer VS.
Hark, Sabine; Jaeggi, Rahel; Kerner, Ina; Meißner, Hanna; Saar, Martin (2015): Das
   umkämpfte Allgemeine und das neue Gemeinsame. Solidarität ohne Identität. In:
   Feministische Studien 33 (1), S. 99–103.
Krumm, Silvia; Checchia, Carmen; Kilian, Reinhold; Becker, Thomas (2018):
   Viktimisierung im Erwachsenenalter von Personen mit Psychiatrieerfahrung. Eine
   Übersichtsarbeit zu Prävalenzen, Risikofaktoren und Offenlegung. In: Psychiatrische
   Praxis (45), S. 66–77.
Maihofer, Andrea (2013) Überlegungen zu einem materialistisch-(de)konstruktivistischen
   Verständnis von Normativität. In: Jaeggi, Rahel; Loick, Daniel (Hg.): Nach Marx.
   Philosophie, Kritik, Praxis. Suhrkamp-Verlag: Berlin, S. 164-191.
Oevermann, Ulrich (2002): Klinische Soziologie auf der Basis der Methodologie der
   objektiven Hermeneutik –Manifest der objektiv hermeneutischen Sozialforschung.
Salize, Hans Joachim (2017): Welche Aufgaben hat sozialpsychiatrische Forschung im
   galoppierenden sozialstrukturellen Wandel? In: Sozialpsychiatrische Informationen
   (2), 3–7.
Schildmann, Ulrike; Schramme, Sabrina (2017): Behinderung: Verortung einer sozialen
   Kategorie in der Geschlechterforschung und Intersektionalitätsforschung. In: Beate
   Kortendiek, Birgit Riegraf und Katja Sabisch (Hg.): Handbuch interdisziplinäre
   Geschlechterforschung. Wiesbaden: Springer, S. 1-9.
Peter, Tobias; Waldschmidt, Anne (2017): Inklusion. Genealogie und Dispositivanalyse
   eines Leitbegriffs der Gegenwart. In: SUG 2017; 14 (1): 29–52.
Winker, Gabriele; Degele, Nina (2009): Intersektionalität. Zur Analyse sozialer
   Ungleichheiten. Bielefeld: Transcript.
Themenforen

Vildan Aytekin, Mareike Brunk & Ronja Giesen:
Normativität in Handreichungsliteratur zur Inklusiven Schule – Eine
Rekonstruktion gegenstandstheoretischer Prämissen (Forum "Zwischen Diskurs
und Praxis I")
Die Leitidee der inklusiven Schule selbst beruht bereits auf normativen Prämissen und
Entscheidungen, aber auch deren Entwicklung setzt für die Einzelschule eine Vielzahl von
Entscheidungen voraus. Dabei werden sowohl Fragen bezüglich der Ebene der Interaktion
als auch der der Organisation virulent (vgl. Wischer 2019).
Zu den Optionen einer inklusiven Schulentwicklung ist innerhalb der Schulpädagogik eine
Bandbreite an sog. Handreichungsliteratur (vgl. z.B. Werning 2013; Klauß & Sliwka 2013)
entstanden, die sich im Spannungsfeld der doppelten Erwartungsstruktur an die
Erziehungswissenschaft bewegt (vgl. Meseth 2014): Die Beiträge sind auf der einen Seite
Teil des wissenschaftlichen Diskurses, tragen also zur Bestimmung ihres Gegenstandes
bei. Zugleich richten sie sich an die schulische Praxis mit dem Versprechen,
Entwicklungsmaßnahmen für eine inklusive Schule aufzuzeigen.
Bei diesem Spannungsfeld setzt der Beitrag an: Es wird zunächst rekonstruiert, wie die
inklusive Schule und ihre Entwicklung unter diesen Vorzeichen innerhalb der
Handreichungsliteratur modelliert und konstituiert werden. Dabei sollen präskriptive
Aussagen und implizite Prämissen zur inklusiven Schule herausgearbeitet und so die
Normativität des Diskurses zugänglich gemacht werden. Ein besonderer Fokus liegt also
auf      gegenstandstheoretischen       Prämissen,      die      im   Anschluss      mit
organisationstheoretischen Perspektiven konfrontiert und kritisch eingeordnet werden
sollen. Dabei geht es darum, mögliche Verkürzungen, „blinde Flecken“ und
Folgeprobleme einer schulpädagogisch-normativen Perspektive auf Inklusion sichtbar zu
machen. Ausgehend von diesen vorgestellten Analysen soll aber im Kern die Frage
diskutiert   werden,     ob   und     wie    die    unterschiedlichen Funktionen     der
erziehungswissenschaftlichen Reflexion ausbalanciert werden können.

Literatur
Klauß, T. & Sliwka, A. (2013): Schulen entwickeln sich in Richtung Inklusion. Wie kann
die Wissenschaft sie unterstützen? In: Klauß, T. & Terfloth, K. (Hg.): Besser gemeinsam
lernen! Inklusive Schulentwicklung. Heidelberg: Universitätsverlag, 29-53.
Meseth, W. (2014); Erziehungswissenschaft als sozialwissenschaftliche Disziplin.
Überlegungen zur Normativität in der empirischen Forschung. In: Ricken, N. et al. (Hg.):
Die Idee der Universität – revisited. Wiesbaden: Springer Fachmedien, 249-268.
Werning, R. (2013): Inklusive Schulentwicklung. In: Moser, V. (Hg.): Die inklusive
Schule. Standards für die Umsetzung. Stuttgart: Kohlhammer, 51-63.
Wischer,    B.   (2019):     Heterogenität   als  Grundprinzip     der   Schulgestaltung.
Herausforderungen und Probleme schulpädagogischer Reformideen. In: Westphal, M. &
Wansing, G. (Hg.): Migration, Flucht und Behinderung. Herausforderungen für Politik,
Bildung und psychosoziale Dienste. Wiesbaden: Springer VS, 281-300.

Bianca Baßler & Kathrin Leipold
Grenzbeziehungen und Grenzbearbeitung als mögliche Erweiterung der
Inklusionsforschung (Forum „Methodologische Fragen“)
In unserem Beitrag, den wir gerne im Rahmen eines Themenforums vorstellen möchten,
gehen wir der Frage nach, inwiefern eine bewusste Positionierung im Forschungsprozess
Sie können auch lesen