Monat - Österreichischer Behindertenrat

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Monat - Österreichischer Behindertenrat
monat
                                                                                                                                  Schwer
                                                                                                                                          punkt:
                                                                                                                                 Demo      der
                                                                                                                               Selbstv
         Ausgabe 4/2017

                                                                                                                                        ertrete
                                                                                                                                                  r

                          RUNDSCHAU DER DACHORGANISATION DER BEHINDERTENVERBÄNDE ÖSTERREICHS

                                                                     WEIHNACHTSFEIER
                                                                      IN DER HOFBURG
Foto: Peter Lechner/HBF

                           behindertenrat   • Aboservice Tel. 01 / 513 1 533 • www.behindertenrat.at • P.b.b. 1100 Wien • Abo: 24,00€/Ausland + Porto
Monat - Österreichischer Behindertenrat
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2   www.behindertenrat.at
Monat - Österreichischer Behindertenrat
Aus dem Inhalt                                                                                                       Ausgabe 4/2017

Editorial Herbert Pichler            4

Kolumne Angemerkt                    6

Österreichischer Behindertenrat
schreibt an die neue Regierung    11

Die europäische Säule
Sozialer Rechte                   14

Inklusionspreis 2017              15

Fachtagung "Wege zum
selbstbestimmten Leben"           20

Inhalte des Inklusionspakets      22
                                         Weihnachtsfeier mit Bundespräsident          Das 4. Europäische Parlament der Men-
Jugend-EU-Freiwilligeneinsatz für        Alexander Van der Bellen Foto: M. Janousek   schen mit Behinderungen Foto: G. Eigelsreiter
Menschen mit Behinderungen        24

UNIKATE Ideenwettbewerb:
Technik ermöglicht Teilhabe       28
                                         H   euer fand die traditionelle
                                             Weihnachtsfeier des Bundes-
                                         präsidenten für BürgerInnen mit
                                                                                      B   rüssel wurde am 6. Dezember
                                                                                          2017 zum Treffpunkt der euro-
                                                                                      päischen Behindertenbewegung.
                                         Behinderungen wieder in der Wiener           Bereits zum 6. Mal fand das Europä-
Lesestoff                         30     Hofburg statt: Feierlich, weihnacht-         ische Parlament der Menschen mit
                                         lich und natürlich auch politisch.           Behinderungen in Brüssel statt. Es
                                         Bundespräsident Alexander Van der            wurde vom Europäischen Behinder-
 Liebe Leserin,                          Bellen betonte in seiner Ansprache,          tenforum EDF organisiert, das heuer
 lieber Leser!                           dass alle Menschen das Recht auf             seit 20 Jahren besteht und sich un-
                                         ein selbstbestimmtes Leben haben.            ermüdlich für die Rechte von Men-
 Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim       Der Präsident des Behindertenra-             schen mit Behinderungen einsetzt.
 Lesen des neuen Heftes und freuen       tes, Herbert Pichler, sagte, es sei          Es ist daher an der Zeit, europäische
 uns über Ihre Rückmeldung.              notwendig, einen Inklusionsfonds             Werte wie Freiheit, Gleichheit und
                                         für Menschen mit Behinderungen               und Inklusion aller Mitglieder end-
 Bitte schreiben Sie uns an:
                                         einzurichten.                                lich auch in Taten umzusetzen.
 presse@behindertenrat.at

 monat                                   Einen ausführlichen Bericht lesen
                                         Sie auf den
                                                                                      Eine Delegation des Österreichi-
                                                                                      schen Behindertenrates nahm teil.
 erscheint wieder im April 2018
                                                          Seiten 8, 9 und 10                            Seiten 12 und 13

IMPRESSUM: Medieninhaber: Österreichischer Behindertenrat - Dachorganisation der Behindertenverbände
Österreichs · Herausgeber: Herbert Pichler · Chefredaktion: Dr.in Gabriele Sprengseis (gs) · Gestaltung: Die Medi-
enmacher GmbH · Adresse: 1100 Wien, Favoritenstraße 111/11 Tel.: 01 / 5131533, Fax: DW-150. Mail: presse@
behindertenrat.at · Website: www.behindertenrat.at · Offenlegung nach dem Mediengesetz: www.behindertenrat.
at/impressum · Druck: Die Medienmacher GmbH · Anzeigenverkauf und Layout: Die Medienmacher GmbH, 8151
Hitzendorf Filiale: 4800 Attnang-Puchheim, 07674 / 62 900, office@diemedienmacher.co.at, www.diemedien-
macher.co.at · Nachdruck nur nach ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung der Redaktion gestattet. · Nicht alle
Artikel entsprechen unbedingt der Meinung der Redaktion. Wir haben das Ziel, eine möglichst breite Diskussions-
basis für sozialpolitische Probleme und unterschiedliche Standpunkte zu schaffen. · Bankverbindung: easybank,
IBAN: AT85 1420 0200 1093 0600, BIC: EASYATW1 DVR 08 67594 · ZVR-Zahl: 413797266 · Erscheinungsort Wien

                                                                                               www.behindertenrat.at             3
Monat - Österreichischer Behindertenrat
Foto: Privat

                             Highlight 2017:
                             Das Inklusionspaket
editorial
                             M
                                   it sprichwörtlich vereinten Kräften haben wir das Inklusionspa-
                                   ket bekommen. Das sehe ich als Meilenstein in der österreichi-
                                   schen Behindertenpolitik. Das Inklusionspaket wurde am 12.
                             Oktober bei der Nationalratssitzung einstimmig beschlossen. Damit
                             sind wir dem Ziel einer inklusiven Gesellschaft wieder ein Stück näher
                             gekommen.

                             Es gibt jedoch noch viele unerfüllte Forderungen, für die wir uns 2017
                             eingesetzt haben, die uns aber auch 2018 noch begleiten werden.
                             Dazu gehört der Inklusionsfonds, denn Menschen mit Behinderungen
                             benötigen Geld, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können.
                             Dazu gehört das schwere Wort „De-Institutionalisierung“, das be-
                             deutet, dass jeder Mensch mit Behinderungen das Recht hat, so zu
                             leben wie er oder sie es wünscht. Dazu gehört Arbeit. Leider werden
                             Menschen mit Behinderungen immer noch zu häufig „beschäftigt“.
                             Beschäftigung ist jedoch das falsche Wort. Menschen mit Behinderung
                             en leisten gute „Arbeit“. Diese sollte auch so genannt und so be-
                             zahlt werden, inklusive der kompletten Sozialversicherung. Und dazu
                             gehört auch Bildung. Nachdem ich selbst die Sonderschule besucht
                             habe, weiß ich, was Ausgrenzung bedeutet und wie viel schlechter die
                             Chancen sind, eine passende Arbeitsstelle zu bekommen.

                             Schließlich schauen wir mit etwas Sorge ins neue Jahr. Was plant
                             die neue Regierung in Sachen Sozial- und Behindertenpolitik? Wir
                             waren proaktiv und haben der neuen Regierung und auch dem
                             Bundespräsidenten unsere dringlichsten Forderungen für Menschen
                             mit Behinderungen übergeben (siehe auch Bericht auf S. 11). Wir als
                             Behindertenrat setzen uns dafür ein, das Leben von Menschen mit
                             Behinderungen in Österreich weiterhin zu verbessern.
                             In diesem Sinne wünsche ich allen LeserInnen und ihren Angehörigen
                             ein friedvolles und fröhliches Weihnachtsfest und ein sehr gutes und
                             gesundes Neues Jahr.
                                                                               Euer Herbert Pichler

 4   www.behindertenrat.at
Monat - Österreichischer Behindertenrat
DAS ERSTE AUFZUG-NOTRUFSYSTEM
NACH DEM ZWEI-SINNE-PRINZIP…
DAS SICH SELBST BEZAHLT MACHT.
Ein wichtiger Grundsatz der barrierefreien Gestaltung von
Gebäuden und deren Ausstattung ist die Einhaltung des
„Zwei-Sinne-Prinzips“. Demnach müssen immer mindestens
zwei der drei Sinne „Hören, Sehen, Tasten“ angesprochen
werden. Informationen, die der Sicherheit und Orientierung
von Menschen mit einer Hörschädigung dienen, müssen in
Form des Zwei-Sinne-Prinzips zur Verfügung gestellt werden.

Das Fernnotruf-System KONE IntelliViewTM bietet den Vorteil,
dass auch Menschen, deren Hör-, Sprach- oder Sehleistung
eingeschränkt ist, den Aufzugnotruf - ohne fremde Hilfe -
benutzen können. Mit KONE IntelliViewTM können Personen im
Notfall über die Sprechverbindung und/ oder über das visuelle
Notruf-Protokoll in wenigen Schritten Hilfe anfordern.

Das TÜV-geprüfte KONE IntelliViewTM System geht aktuell
als einziges System der Aufzugsindustrie auf Anforderungen
von schwerhörigen, gehörlosen oder sprachbeeinträchtigten
Personen ein und erfüllt die Anforderungen des Bundes-Behin-
dertengleichstellungsgesetzes.
                                                                              „Als Aufzugshersteller sehen wir unsere eigentliche Mission
„Menschen mit Hör- und Sprachbeeinträchtigung hatten                          darin, Menschen beim Überwinden von Barrieren zu helfen.“
aufgrund der auditiven Kommunikation in herkömmlichen                         erklärt Gernot Schöbitz, Geschäftsführer KONE Österreich.
Aufzugsanlagen bisher keine Verständigungsmöglichkeit.                        „Mit dem KONE IntelliViewTM System schaffen Betreiber die
Daher spreche ich mich sehr dafür aus, dass sich die Aufzugs-                 Voraussetzung, dass in ihrem Aufzug niemand behindert wird
hersteller und -betreiber intensiver damit auseinandersetzen. “               und alle gesetzlichen Voraussetzungen der ÖNORM B1600
meint dazu Dr. Erwin Buchinger, ehemaliger Österreichischer                   und des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes (BGStG)
Behindertenanwalt und Sozialminister.                                         erfüllt werden.“

                                    Darüber hinaus bietet KONE IntelliViewTM noch 3 weitere Zusatznutzen:
1. EIN PLUS AN SICHERHEIT                                                     Lassen Sie Ihr Notrufsystem durch Werbung sponsern
Kameragestützte Notfall-Erkennung                                             Sie haben die Wahl, ob Sie ausschließlich eigene Informationen über das
Ein zusätzliches Plus der Sicherheit ist die kameragestützte Notfall-Er-      KONE IntelliViewTM System ausspielen oder auch Werbebotschaften Dritter
kennung. Wenn sich nach Notruf-Auslösung keine Person meldet, kann            zulassen und so Ihre Betriebskosten sponsern lassen.
durch die Aktivierung der Kamera mittels Foto festgestellt werden, ob ein
Einschluss vorliegt, bei dem die eingeschlossene Person nicht in der Lage     Individuelle Tastenbelegung
ist zu kommunizieren. Da in diesem Fall „Gefahr im Verzug“ anzuneh-           Die großzügigen und robusten „YES“/“NO“-Tasten können über die
men ist, ist die anlassbezogene Kameraaktivierung datenschutzrechtlich        kostenlose VIEWAPP mit wenigen Clicks belegt werden. Sie entscheiden,
unbedenklich.                                                                 was die Personen im Aufzug sehen und können das Programm auch im
                                                                              Programmplaner für die Zukunft festlegen.
Technische und medizinische Hilfe
Im Anlassfall kann mithilfe dieser Funktion durch die KONE Notruf-Zent-       3. KOSTEN SPAREN
rale - neben der technischen - auch medizinische Hilfe veranlasst werden,     Reduktion der Fehlalarme
gezielt und ohne Zeitverlust. Gleichzeitig verringert die Notfall-Erkennung   Durch den Einbau eines KONE IntelliViewTM Systems können Sie neben
auch Fehlalarme und die damit verbundenen Kosten, die der Betreiber zu        den zahlreichen Vorteilen auch einfach Kosten sparen. KONE IntelliViewTM
tragen hätte.                                                                 verringert die Kosten für Fehlalarme durch kameragestützte Notfall-Erken-
                                                                              nung.
Batteriepufferung
Ihre KONE IntelliViewTM Einheit wird über eine vom Aufzug unabhängige         Lassen Sie sich die Betriebskosten durch Werbung sponsern
Pufferbatterie mit Strom versorgt und ermöglicht selbst bei Stromausfall      Mit Ihrem KONE IntelliViewTM System können Sie entscheiden, ob Ihr
die Anforderung von Notbefreiung und Hilfe.                                   Aufzug mit dem VIEWMEDIA Server verbunden wird. Die optionale An-
                                                                              bindung an den VIEWMEDIA Server beteiligt Sie - ohne Aufwand Ihrerseits
2. MEHRWERT DURCH INFORMATION                                                 - am Werbeumsatz ihres Aufzugs. Über den Bildschirm Ihres KONE Intelli-
Das traditionelle „Schwarze Brett“ wird bunt, multimedial und … reduziert     ViewTM werden ausschließlich geprüfte Werbebotschaften geschaltet.
die Betriebskosten.
                                                                              Verdienen Sie mit jeder Aufzugsfahrt
Über die kostenfreie VIEWAPP können Sie Ihre Displays mit Grafiken, Infor-    So können Sie im Idealfall ihre kompletten Notrufbereitschafts- und Tele-
mationen und wichtigen Hinweisen versorgen. Automatische Algorithmen          fongebühren kompensieren, vielleicht sogar mehr als das. Die tatsächli-
unterscheiden zwischen Auf- und Abwärtsfahrten. Medien werden nur             chen Werbeeinnahmen sind abhängig von der jeweiligen Fahrtenzahl, der
ausgegeben wenn Personen im Aufzug sind.                                      Anzahl der beförderten Personen und der Werbeauslastung.

Informationen ausspielen, Einblicke erhalten                                  Damit die Werbefläche für Sie eine Bereicherung bleibt, haben Sie die
Als mögliche Informationen können zum Beispiel Orientierungshilfen, Ser-      Möglichkeit mittels einer Kategorie-Sperre unpassende Inhalte (für Unter-
viceangebote oder aktuelle Nachrichten für Ihre Benutzer bereitgestellt       nehmen, zum Beispiel den Mitbewerb) von Ihrem Aufzug fern zu halten.
werden. Die App bietet Ihnen auch Einblicke in die Fahrtenzahlen und den
Status der Aufzüge.
                                                                                                                                                              Anzeige

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Monat - Österreichischer Behindertenrat
Nachrichten                                                                                                     Ausgabe 4/2017

                 ANGEMERKT               Forum Selbstvertretung
                  von
                  Gabriele Sprengseis    Forderungen wurden dem Behindertenanwalt
                                         Dr. Hansjörg Hofer übergeben.
    Rückblick 2017

F     ür die ÖAR war 2017 ein span-
      nendes Jahr. Aus der ÖAR ist
                                         A   m 11. Dezember 2017 war das
                                             Forum Selbstvertretung beim Be-
                                         hindertenanwalt Dr. Hansjörg Hofer.
    im Mai der Österreichische Behin-    Andreas Zehetner, der Sprecher-Stell-
    dertenrat geworden und Herbert       vertreter für das Forum überreichte
    Pichler ist unser neuer Präsident.   Forderungen zum selbstbestimmten
    Das Büro ist in den 10. Bezirk       Leben und Wohnen mit den gesam-
    übersiedelt. Auch die Homepage       melten Unterschriften. 665 Menschen
    hat eine neue Adresse: www.be-       unterstützen das.
    hindertenrat.at. Im Team gab es                                                 hindertenrechtskonvention“, betont
    einige Veränderungen und neue        „Die UN-Behindertenrechtskonven-           Andreas Zehetner.
    Besetzungen stehen noch an.          tion muss dringend in Österreich
                                         umgesetzt werden.                          Der Behindertenanwalt bedankt
    Im Frühjahr wurde Dr. Hansjörg       Selbstbestimmung ist für Menschen          sich beim Forum Selbstvertretung
    Hofer nach einem öffentlichen        mit Behinderungen sehr wichtig.            für seinen Einsatz. „Das sind sehr
    Hearing vom Sozialminister           Jeder Mensch darf selbst über sein         wichtige Forderungen,“ betont er ab-
    zum Bundesbehindertenanwalt          Leben bestimmen.                           schließend und verspricht, bei seinen
    bestellt. Weiters haben wir uns      Jeder Mensch darf selbst bestimmen,        Gesprächen mit den MinisterInnen
    mit vielen wichtigen Themen          wo und wie er wohnt!                       explizit auf die Forderungen des Fo-
    intensiv beschäftigt und einige      So steht es in Artikel 19 der UN-Be-       rum Selbstvertretung hinzuweisen.
    Veranstaltungen durchgeführt.

    Die neue Regierung bringt                                    Bild des monats
    neue Herausforderungen für
    Menschen mit Behinderungen.
    Die im Regierungsprogramm
    festgehaltene Garantie eines
    modernen Rechtschutzes und
    eine entsprechende Förderung
    werden wir einfordern, denn
    eine gleichberechtigte Teilhabe
    muss längst eine Selbstverständ-
    lichkeit in unserer Gesellschaft
    sein.

    Ich habe in meinem ersten Jahr
    sehr viele interessante Men-
    schen kennen gelernt, vielen
    Dank dafür - auch für die gute
    Zusammenarbeit mit allen.

    *   g.sprengseis@behindertenrat.at    Ohne gute Plakate ist eine Demo witzlos. Das Foto wurde bei der Demo des Netz-
                                          werks Selbstvertretung Österreich aufgenommen (s. Seiten 16-18) Foto: Felix Egger

6           www.behindertenrat.at
Monat - Österreichischer Behindertenrat
Intern                                                                                                       Ausgabe 4/2017

Neu im Team: Emil Benesch
S   eit Anfang Oktober verstärkt
    DI Emil Benesch das Team des
Österreichischen Behindertenrates.
                                         Durch sein bisheriges Engagement
                                         zieht sich ein klarer roter Faden. „Ich
                                         setze mich immer ein, wenn wichtige
                                                                                   Brasiliani-
                                                                                   sche Kultur,
                                                                                   österreichi-
Eine seiner ersten Aufgaben war es       Anliegen unter den Tisch fallen“, be-     sche Ge-
heuer den Weihnachtsempfang von          tont Emil. „Für eine selbstbestimmte      schichte sowie Zeitung lesen zählen
Bundespräsident Van der Bellen           Gemeindepolitik, für biologische          zu seinen Hobbies.
für Menschen mit Behinderungen           Vielfalt und den Schutz von Natur-
in der Wiener Hofburg seitens des        räumen, für die Rechte indigener          Ein besonderes Anliegen ist es ihm,
Behindertenrates zu organisieren.        Völker Amazoniens als Hüter des           dass Bevölkerungsgruppen und The-
Zu seinen weiteren Aufgaben zählen       Regenwaldes, für Klimaschutz, für die     men nicht gegeneinander ausgespielt
die Projekte UNIKATE und FAIR FÜR        Einhaltung der Menschenrechte und         werden. Ob im Naturschutz, in der
ALLE. Emil Benesch ist in Wien Favo-     ökologische Standards beim Import         Entwicklungszusammenarbeit, beim
riten geboren, hat Landschaftspla-       von Ressourcen.“ Zuletzt hat er an        Klimaschutz oder im Engagement für
nung studiert und einige Jahre beim      der Einführung von „fairem Gold“ in       Menschen mit Behinderungen, wir
WWF Österreich und dem Klimabünd-        Österreich mitgearbeitet.                 brauchen in allen Bereichen Zusam-
nis Österreich gearbeitet. Begleitend                                              menarbeit, Lösungen und Fortschrit-
hat er eine Bürgerinitiative gegen       Emil Benesch lebt in einer brasilia-      te. Nach dem Motto: Gemeinsam für
einen Konzern und einen Verein für       nisch-wienerischen Familie, engagiert     ein gutes Leben für alle.
Ökopädagogik namens „Frohnatur“          sich in einem Gemeinschafts-Gar-
gegründet.                               tenprojekt und spielt gerne Fußball.      e.benesch@behindertenrat.at

Ausgezeichnete Texte über
gefangene Gedanken
Literaturpreis Ohrenschmaus 2017 für Menschen mit
Lernbehinderungen zum 11. Mal vergeben.

„M      anchmal lässt du die Ge-
        danken frei und manch-
mal sperrst du sie ein. Gefangene
                                         schriftstellerisches Potential haben.
                                         „Der Literaturpreis Ohrenschmaus
                                         zeichnet daher ganz bewusst
                                                                                   In ihrem Text „Langsam werden“
                                                                                   schreibt die im Waldviertel lebende
                                                                                   Melanie Koller vom Glück, an dem
Gedanken sind in deinem Kopf,            Literatur von Menschen mit Lernbe-        wir in unserer Schnelllebigkeit vor-
doch irgendwann werden sie zie-          hinderungen aus“, so der Initiator        beihasten und das sich oft erst im
hen. Irgendwann werden sie ziehen        Franz-Joseph Huainigg.                    Langsam-Werden entfaltet. Ohren-
und dann sind sie frei“, so beginnt                                                schmaus Schirmherr Felix Mitterer
der Text „Gefangene Gedanken“,           Weitere PreisträgerInnen sind Me-         bedankt sich bei Melanie Koller für
des jungen Schreibtalents David          lanie Koller und Christoph Dietrich.      ihre Worte: „Das können wir uns
Tritscher. Der 18-Jährige wurde am       In „De guade blaue Schmierfettn“          alle zu Herzen nehmen. Wie sind wir
4.12.2017 mit dem Literaturpreis         führt Christoph Dietrich „mit sehr        doch viel zu schnell und hektisch.
Ohrenschmaus ausgezeichnet.              knappen, klaren und doch sehr lako-
David Tritschers Text zeigt, dass sich   nischen Worten [...] in die Schmier-      Alle Texte können unter
Menschen mit Lernbehinderungen           fettlehre ein“, so Jury-Mitglied Eva      www.ohrenschmaus.net
viele Gedanken machen und großes         Jancak in ihrer Laudatio.                 nachgelesen werden.

                                                                                          www.behindertenrat.at          7
Monat - Österreichischer Behindertenrat
Weihnachtsempfang

                                                                                                alle Fotos: Michael Janousek (8)

Alle Jahre wieder in
der Wiener Hofburg
Erste Weihnachtsfeier mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen

H
       euer fand die traditionelle      Behinderungen, Angehörige, Assis-      erste gemeinsame Weihnachtsfeier
       Weihnachtsfeier des Bundes-      tentInnen und Funktionäre der Sozi-    und möchte diese Tradition gerne
       präsidenten wieder in der Wie-   al- und Behindertenorganisationen      fortsetzen. Initiiert wurde diese vor
ner Hofburg statt. Viele Doppelluster   aus ganz Österreich nahmen an der      vielen Jahren von Dr. Klaus Voget,
aus Kristallglas erstrahlten den        Weihnachtsfeier teil. Als Ehrengäste   Ehrenpräsident des Österreichischen
Zeremoniensaal, ehemaliger Thron        wurden Bundesminister Alois Stö-       Behindertenrates und Präsident des
saal der Habsburger. Der Weg dort-      ger, Weihbischof Dr. Franz Scharl,     ÖZIV. In seiner Ansprache erzählt
hin ist mit roten Teppichen ausge-      Superintendent Mag. Hansjörg Lein,     der Bundespräsident von seinem
legt. Im Maria-Theresien-Zimmer,        Behindertenanwalt Dr. Hansjörg         kürzlichen Besuch bei Papst Franzis-
das der Bundespräsident als offizi-     Hofer und die Behinderten- und         kus in Rom. Er hat ihm ein Geschenk
ellen Raum für Regierungsangelo-        SozialsprecherInnen der Parteien       mitgebracht und zwar ein spezielles
bungen und Staatsbesuche nutzt,         begrüßt sowie der Präsident des        Brot aus seiner Heimat, „Tiroggl“
können so manche Gäste nicht            Österreichischen Behindertenrates      genannt. Dieses Brot lag in einer
wiederstehen und lassen sich vor        Herbert Pichler.                       Brotdose aus Zirbenholz, die wiede-
dem lebensgroßen Porträt von Maria                                             rum im integrativen Betrieb VOMP
Theresia fotografieren.                 Von VOMP zum Papst                     hergestellt worden war. „Dort wird
                                                                               das gelebt, was wir alle hier meinen:
Rund 220 Menschen waren der             Bundespräsident Alexander Van der      Inklusion, Chancengerechtigkeit,
Einladung gefolgt. Menschen mit         Bellen freut sich sehr über diese      Fairness, Gemeinsamkeit auf Au-

8        www.behindertenrat.at
Monat - Österreichischer Behindertenrat
Ausgabe 4/2017

Edel über roten Teppich rollten viele   Herbert Pichler, Alexander Van der Bellen   Bundespräsident Alexander Van der
TeilnehmerInnen in den Festsaal.        und seine Ehefrau Doris Schmidauer.         Bellen bei seiner Weihnachtsansprache.

genhöhe.“ Er möchte jedoch nicht        chisch kranke Menschen Persönliche
unter den Teppich kehren, dass          Assistenz bekommen und gehörlose
noch viel zu tun ist und fordert dazu   Menschen auch für den privaten
auf, gemeinsam daran zu arbeiten,       Bereich Gebärdensprach-Dolmetsch
weiter Barrieren zu überwinden.         erhalten. Herbert Pichler: „Wir
„An konkreten Orten genauso wie in      hätten das Inklusionspaket nicht
unseren Köpfen. Im 21. Jahrhundert      geschafft, wenn wir nicht gemein-
haben die Menschen das Recht auf        sam zusammengearbeitet hätten.“
ein selbstbestimmtes Leben, auf die     Er habe ganz, ganz stark gespürt,
Anerkennung ihrer Fähigkeiten und       was diese Gemeinsamkeit bedeutet.
auf die Wertschätzung ihrer Per-        Der Minister und die Beamten des
sönlichkeit und Würde“. Mit einem       Sozialministeriums genauso wie die
herzlichen Dankeschön an alle been-     unterschiedlichsten Behindertenver-
det Bundespräsident Van der Bellen      bände und auch die Selbstbestimmt
seine Rede.                             Leben Bewegung, die nicht Mitglied
                                        im Behindertenrat ist, haben ge-
Gelungene Gemeinsamkeit!                meinsam an diesem Ziel gearbeitet.          Lächeln fürs Foto.

Präsident Herbert Pichler greift den
Faden, dass es noch viel zu tun gibt,
auf. Er betont in seiner Festrede die
Notwendigkeit der Errichtung eines
Inklusionsfonds für Menschen mit
Behinderungen in Österreich. Dieser
soll ähnlich wie der Pflegefonds,
gespeist von Bund und Ländern,
Mittel für Menschen mit Behinde-
rungen zur Verfügung stellen. Er
soll bundeseinheitlich sein und
für wesentlich mehr Zielgruppen
gelten. So könnten auch Menschen
mit Lernschwierigkeiten und psy-        Sozialminister Alois Stöger (links) neben Präsident Herbert Pichler (rechts).

                                                                                             www.behindertenrat.at         9
Monat - Österreichischer Behindertenrat
Weihnachtsempfang                                                                                           Ausgabe 4/2017

                                                                                   rensemble der Gardemusik Wien.
                                                                                   Vier Weihnachtslieder des Kam-
                                                                                   merchors der Oberstufe des Gym-
                                                                                   nasiums der Wiener Sängerknaben
                                                                                   folgten. Sie sangen das „Abendlied“
                                                                                   opus 9/3 von Josef Gabriel Ritter
                                                                                   von Rheinberger, das Lied „Carol of
                                                                                   the bells“, eine Melodie aus dem 15.
                                                                                   Jahrhundert „Es kommt ein Schiff,
                                                                                   geladen“ und das bekannte Ad-
                                                                                   ventslied „Maria durch ein´ Dorn-
                                                                                   wald ging“. Es war eine großartige
                                                                                   Darbietung der jungen Sängerinnen
Maria Happel und Gregor Seberg haben nicht nur Weihnachtsgeschichten vorgelesen.   und Sänger.

Als weiteres Beispiel einer jüngst        Sinne der Gemeinsamkeit wünscht          Schließlich wurden Kaffee, heiße
gelungenen Gemeinsamkeit erwähnt          Präsident Herbert Pichler allen ein      Schokolade und Tee gereicht. Wäh-
Präsident Pichler den Zusammen-           schönes Weihnachtsfest und ein           rend der Weihnachtsjause gingen
schluss der fünf großen Dachver-          gutes Gelingen im Jahr 2018.             Bundespräsident Alexander Van der
bände der Sozial- und Pflegeein-                                                   Bellen und seine Frau Mag.a Doris
richtungen im Kontext der neuen           Singen mit der SOKO Donau                Schmidauer von Tisch zu Tisch, um
Vergaberechtsrichtlinie der EU. Das                                                mit den Gästen zu plaudern und
sind neben dem Österreichischen           Es folgten zwei Lesungen. Kammer-        schöne Weihnachten zu wünschen.
Behindertenrat, dabei-austria – der       schauspielerin Maria Happel liest        Die Fotografen hatten zu tun.
Dachverband berufliche Integration        die fröhliche Weihnachtsgeschichte       Die Fotos sind auf der www.bun-
Austria, arbeit plus – soziale Unter-     „Engel Fidor rettet Weihnachten“         despraesident.at/nc/aktivitaeten/
nehmen Österreich, die BAG – Bun-         von Andrea Schober. Mit „Eine            fotogalerie/ und auf der Homepage
desarbeitsgemeinschaft Freie Wohl-        kleine Weihnachtsgeschichte vom          des Behindertenrates www.behin-
fahrt und die SWÖ – Sozialwirtschaft      René“, erfreute Gregor Seberg, alias     dertenrat.at anzusehen.
Österreich. Vor kurzem gab es eine        Oberstleutnant Helmuth Nowak von         Die Gebärdensprachdolmetsche-
Presskonferenz mit gemeinsamen            der SOKO Donau, die Gäste. Beide         rinnen Melanie Zapletal und Eva
Zielen. „Man darf nicht vergessen,        forderten im Anschluss zum ge-           Böhm dolmetschten das gesamte
diese fünf Dachorganisationen ver-        meinsamen Singen von „O Tannen-          Weihnachtsfest, auch die Lieder des
treten in Österreich gemeinsam 716        baum“ auf. Das kam für alle etwas        Chors.
Organisationen. Dafür bin ich dank-       überraschend, aber nach der ersten
bar, dass wir in Zukunft auch weiter      Strophe war die Scheu überwunden.        Es war eine gelungene Weihnachts-
gemeinsam arbeiten werden.“ Im            Begleitet wurde das Lied vom Bläse-      feier, herzlichen Dank! (gs)

Der Kammerchor der Oberstufe des Gymnasiums der Wiener Sängerknaben bot weihnachtlichen Hörgenuss.

10       www.behindertenrat.at
Forderungen                                                                                              Ausgabe 4/2017

Österreichischer Behindertenrat
schreibt an neue Regierung
                                                                                                  Österreichischer
Das sind unsere Forderungen!                                                                      Behindertenrat

D
      er Österreichische Behinder-     alle Menschen mit Behinderungen         barung zwischen Bund und Ländern
      tenrat vertritt als Dachorga-    in Beruf und Freizeit österreichweit    langfristig abzusichern. Eine jährli-
      nisation 80 Mitgliedsorgani-     garantieren.                            che Valorisierung des Pflegegeldes
sationen in Österreich, über welche                                            ist gesetzlich festzuschreiben.
mehr als 400.000 Menschen mit          Bildung                                 Der Österreichische Behindertenrat
Behinderungen organisiert sind. Er                                             steht für eine umfassende parti-
vertritt die Interessen und Rechte     Schaffung eines inklusiven Bil-         zipative Beteiligung weiterhin zur
von Menschen mit Behinderungen.        dungssystems österreichweit mit         Verfügung und wir freuen uns auf
                                       ausreichend finanziellen Mitteln u.a.   eine konstruktive Zusammenarbeit
Umfassende Barrierefreiheit ist die    zur Gewährung der individuell benö-     im Sinne der Menschen mit Behinde-
Grundvoraussetzung für ein gleich-     tigten Unterstützungsleistungen in      rungen in Österreich.
berechtigtes und selbstbestimmtes      allen Bereichen – von frühkindlicher
Leben von Menschen mit Behinde-        Bildung bis zur Erwachsenenbil-         Umfassende Rehabilitation
rungen. Diese umfasst physische,       dung. Damit können Sonderformen
kommunikative, soziale, intellektu-    schrittweise abgeschafft werden.        Im Bereich der medizinischen,
elle, ökonomische, institutionelle                                             beruflichen und sozialen Rehabilita-
und digitale Barrierefreiheit. Eine    Arbeit und                              tion soll ein durchgängiger Rechts-
weitgehend barrierefreie Umwelt        Existenzsicherung                       anspruch auf Leistungen und eine
kommt allen Menschen zugute. Sie                                               klare Regelung der Zuständigkeiten
ist für Menschen mit Behinderun-       Verwirklichung voller Inklusion am      geschaffen werden. Dadurch will
gen Grundvoraussetzung und für         Arbeitsmarkt. Für die Arbeitsfähig-     man erreichen, dass insbesondere
Menschen ohne Behinderungen eine       keit soll der Unterstützungsbedarf      Menschen mit Behinderungen im
Erleichterung ihres Alltags. Daher     erhoben werden, damit ein men-          Erwerbsleben integriert werden bzw.
hat das Vorliegen von Barrierefrei-    schenrechtliches Modell von Behin-      verbleiben können und auch ihre
heit eine zwingende Voraussetzung      derung zur Anwendung kommt. Um          Bildungschancen wahrnehmen kön-
für öffentliche Förderungen zu sein    der nach wie vor stark steigenden       nen. Denn sie sollen im Sinne der
und ist in allen Lebensbereichen       Arbeitslosigkeit von Menschen mit       UN-Behindertenrechtskonvention in
miteinzubeziehen.                      Behinderungen entgegenzuwir-            die Lage versetzt werden, ein mög-
                                       ken, sollen nach dem Motto „För-        lichst selbstbestimmtes Leben in der
Inklusionsfonds                        dern statt strafen“ Anreizsysteme       Gesellschaft führen zu können.
                                       für UnternehmerInnen, verstärkt
Es soll ein ausreichend finanzier-     Menschen mit Behinderungen zu           Hilfsmittel
ter Inklusionsfonds geschaffen         beschäftigen“ nachhaltig und unbü-
werden, damit ein angemessener         rokratisch implementiert werden.        Die Hilfsmittelfinanzierung und –
Lebensstandard und sozialer Schutz                                             ausgabe muss durch die Schaffung
für Menschen mit Behinderun-           Nachhaltige Absicherung                 neuer gesetzlicher Rahmenbedingun-
gen gewährt ist. Es braucht einen      des Pflegesystems                       gen sichergestellt und vereinheitlicht
Rechtsanspruch auf Leistungen zur                                              werden. Die Pensionsversicherungs-
Existenzsicherung.                     Pflegebedürftigkeit nicht nur von       anstalt soll als alleiniger Träger für
Der Inklusionsfonds soll jedenfalls    Menschen mit Behinderungen ist als      Hilfsmittel zuständig sein.
Maßnahmen für ein selbstbestimm-       finanzielles Lebensrisiko gesetzlich
tes Leben, wie Persönliche Assistenz   abzusichern. Die nachhaltige Pfle-                             Herbert Pichler
und Unterstützungsleistungen für       gevorsorge ist mittels einer Verein-                                Präsident

                                                                                      www.behindertenrat.at       11
Europa

Das 4. Europäische Parlament der
Menschen mit Behinderungen
Brüssel wird zum Treffpunkt der europäischen
Behindertenrechtsbewegung.                                                                                Von Gudrun Eigelsreiter

                                                                                            Europäische Parlament der Menschen
                                                                                            mit Behinderungen bietet nicht nur
                                                                                            hierfür die perfekte Plattform, son-
                                                                                            dern auch für den Austausch unter
                                                                                            den verschiedenen europäischen
                                                                                            Behindertenorganisationen. Auch das
                                                                                            Recht zu wählen wurde von Yannis
                                                                                            Yardakastani thematisiert. Menschen
                                                                                            mit Behinderungen sind in vielen
                                                                                            EU-Ländern vom Recht zu wählen
                                                                                            ausgeschlossen – die Barrieren müs-
                                                                                            sen auch hier abgebaut werden um
                                                                                            die vollen Bürgerrechte von ALLEN zu
                                                                                            gewährleisten. Menschen mit Behin-
                                                                                            derungen müssen am demokratischen
Ein Thema im Plenarsaal waren inklusive und barrierefreie Wahlen.   Foto: G. Eigelsreiter   Prozess teilhaben können.

A
      m 6. Dezember dieses Jahres          Rede, in der er vor allem das Recht              Politische Partizipation war auch
      fand zum vierten Mal das Euro-       auf ein selbstbestimmtes Leben                   Thema des EDF-Manifests zu den
      päische Parlament der Men-           unterstrich. Die Verbesserung des Le-            Europäischen Wahlen 2019. Über
schen mit Behinderungen im Plenar-         bensstandards von Menschen mit Be-               dieses Manifest wurde beim Euro-
saal des Europäischen Parlaments in        hinderungen ist in den europäischen              päischen Parlament der Menschen
Brüssel statt. Mehr als 600 Menschen       Werten – wie Freiheit, Gleichheit und            mit Behinderungen abgestimmt – es
mit Behinderungen, EU-Repräsentan-         Inklusion ALLER Mitglieder unse-                 wurde von allen Delegierten ein-
ten und Personen aus Organisationen        rer Gesellschaft – begründet. Jene               stimmig angenommen. Hierbei geht
für Menschen mit Behinderungen             Werte müssen auch endlich in Taten               es darum allen Menschen inklusive
nahmen daran teil. Dieses Event wur-       umgesetzt werden. In einer inklusi-              und barrierefreie Wahlen zu ermög-
de vom Europäischen Behinderten-           ven Europäischen Union soll jeder in             lichen. Dies ist in einigen EU-Mit-
forum (EDF) in Abstimmung mit der          seinen Fähigkeiten bestärkt werden               gliedsstaaten noch immer nicht
Disability Intergroup des EU-Parla-        und faire Chancen am Arbeitsmarkt                gegeben. An politischen Wahlen
ments (Arbeitsgruppe Behinderung)          haben: „Arbeit bedeutet Würde und                teilzuhaben – sowohl als WählerIn,
organisiert – eine der größten und         Arbeit bedeutet Freiheit“.                       als auch als Abgeordnete/r – ist
ältesten Gruppen des EU-Parlaments.                                                         ein Recht, das ALLEN BürgerInnen
Gleichzeitig wurde das 20-jährige          Der Präsident des Europäischen                   zusteht und kein Privileg sein soll.
Bestehen des EDFs gefeiert und sein        Behindertenforums (EDF) Yannis                   Im Artikel 29 der UN-Behinderten-
unermüdlicher Einsatz für die Rechte       Yardakastani sprach in seiner Rede               rechtskonvention (UN-BRK) „Teilha-
von Menschen mit Behinderungen             von der Wichtigkeit des Dialogs                  be am politischen und öffentlichen
auf europäischer Ebene.                    zwischen EU-Parlamentariern und                  Leben“ – zu deren Umsetzung sich
                                           Menschen mit Behinderungen – da-                 die EU mit ihrer Unterschrift ver-
Der Präsident des EU-Parlaments            mit ihre Stimmen bis in die Entschei-            pflichtet hat – ist dieses Recht auch
Antonio Tajani hielt eine einleitende      dungszentren der EU reichen. Das                 schriftlich verbrieft.

12        www.behindertenrat.at
Ausgabe 4/2017

Ein weiterer Programmpunkt bestand                                                       Pichler – der für unsere Delegation
in der EDF-Resolution über die                                                           sprach – dieses Thema zum Aus-
Europäische Behindertenstrategie                                                         gangspunkt seiner Rede.
2020-2030. Auch diese wurde ein-
stimmig angenommen. Die Strategie                                                        Unsere Delegation wurde auch von
soll die Implementierung der UN-BRK                                                      Othmar Karas – österreichischer
innerhalb der Europäischen Union                                                         Abgeordneter des EU-Parlaments
weiterführen und unter anderem                                                           – eingeladen. Nach einer kurzen
folgende Punkte enthalten:                                                               Führung durch das EU-Parlament
• sie sollte alle Regelungen der                                                         hatten wir die Möglichkeit ein span-
     UN-BRK abdecken,                                                                    nendes Gespräch mit Othmar Karas
• ein eigenes Budget zu ihrer                                                            zu führen. Er hat großes Interesse
     Implementierung zur Verfügung                                                       an behindertenpolitischen Themen.
     stellen und                                                                         Neben Bildung, individuellen Un-
• einen gut ausgestatteten Monito-                                                       terstützungsangeboten und vielem
     ring-Mechanismus beinhalten,                                                        mehr, ging es unter anderem auch
• sollte in die Europäische Be-         Herbert Pichler (Mitte)    Foto: G. Sprengseis   um die dringende Notwendigkeit von
     hindertenstrategie für kluges,                                                      Barrierefreiheit in Europa – sowohl
     nachhaltiges und inklusives        tigen EU-Kommission beschlossen                  bauliche, als auch kommunikative
     Wachstum und in die Europäische    werden sollte. Die UN-BRK, die                   und jene von Transportmitteln und
     Säule Sozialer Rechte integriert   Europäische Säule sozialer Rechte                Webseiten. Allein in Brüssel – der
     werden,                            und die nachhaltigen UN-Entwick-                 EU-Hauptstadt – waren wir mit
• sollte in Einklang mit der 2030       lungsziele müssen zukünftig auch in              zahlreichen baulichen Barrieren
     Agenda für nachhaltige Ent-        Taten umgesetzt werden.                          konfrontiert. Auch das Erfordernis
     wicklung und den nachhaltigen                                                       eines starken Richtlinienentwurfs zur
     UN-Entwicklungsziele sein,         In den nachhaltigen UN-Entwick-                  Barrierefreiheit („European Accessi-
• die abschließenden Bemer-             lungszielen werden Menschen mit                  bility Act“) wurde thematisiert.
     kungen des UN-BRK-Komitees         Behinderungen mehrmals erwähnt.
     berücksichtigen,                   Unter anderem auch im 4. Ziel                    Das Europäische Parlament stand
• das Jahr 2021 soll das neue           „Inklusive Bildung“. Da Zugang zu                im Zeichen des Austausches und der
     europäische Jahr der Menschen      inklusiver Bildung der Schlüssel zu              Verbundenheit – der einleitende Satz
     mit Behinderungen werden (2003     mehr Chancengerechtigkeit und für                von Marianne Thyssens Rede „Wir
     war das vorherige Jahr der Men-    gesellschaftliche Teilhabe ist, nahm             können nur gemeinsam die Barrieren
     schen mit Behinderungen)           auch der Präsident des österrei-                 in Europa überwinden“ fand hierin
                                        chischen Behindertenrats Herbert                 seinen Widerhall.
Sowohl bei der Resolution als auch
beim Manifest handelt es sich um
Forderungen des EDFs beziehungs-
weise der Europäischen Behinder-
tenbewegung an die politischen
Entscheidungsträger.

Marianne Thyssen die EU-Kommis-
sarin für Beschäftigung und Sozia-
les sprach von der Pflicht der EU ein
Europa zu schaffen, das niemanden
                                        Klaus Höckner (Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen), Stefan Wied-
zurücklässt. Dafür braucht die EU
                                        lroither (Forum Usher Syndrom), Gabriele Sprengseis (Behindertenrat), Christina
vor allem eine robuste Europäische      Wurzinger (Behindertenrat und Österreichischer Monitoring Ausschuss), Mathias
Behindertenstrategie 2020-2030, die     Dietrich (Assistent Herbert Pichler), Herbert Pichler (Behindertenrat), Othmar Karas
möglichst bald von der gegenwär-        (Mitglied des EU-Parlaments), Gudrun Eigelsreiter (Behindertenrat). Foto: Behindertenrat

                                                                                                www.behindertenrat.at       13
Europa                                                                                                            Ausgabe 4/2017

Die Europäische Säule
Sozialer Rechte                                                                                      Von Gudrun Eigelsreiter

D
      ie Europäische Säule Sozia-
      ler Rechte wurde erstmals im
      September 2015 vom EU-Kom-
missions-Präsidenten Jean-Claude
Juncker in seiner Rede zur „Lage
der Europäischen Union“ angekün-
digt. Sie soll die soziale Dimension
der Europäischen Union stärken –
also höhere soziale Standards und
höheren sozialen Schutz innerhalb
der gesamten Europäischen Union
sicherstellen. Im November 2017
wurde sie schließlich von den EU-Re-
gierungschefs beim „Social Summit“
in Göteborg unterschrieben. In drei
Kapiteln – „Chancengleichheit und
Arbeitsmarktzugang“, „Faire Arbeits-    Bei sozialen Standards ist die EU Spitze, die Rechte von Menschen mit Behinderun-
bedingungen“, „Sozialschutz und         gen kommen jedoch zu kurz.                                                Foto: Pixabay

soziale Inklusion“ werden 20 soziale
Grundsätze festgeschrieben.             Menschen mit Behinderungen werden            14 Indikatoren – wie beispielsweise
                                        innerhalb der Sozialen Säule nur             „Anzahl der frühen Schulabgänger“,
Weltweit gesehen ist die EU auf dem     einmal angesprochen, nämlich im              „Einkommensungleichheiten“, „Ge-
Gebiet der sozialen Standards Spit-     Grundsatz 17 „Inklusion von Men-             schlechtsspezifisches Gefälle bei der
zenreiter. Allerdings geht es nicht     schen mit Behinderungen“. Themen             Beschäftigung“, „Arbeitslosenquote“
nur um eine Verbesserung des Status     dieses Grundsatzes betreffen aus-            etc. – soll sich laut Angaben der
Quo, sondern auch um den Erhalt         schließlich den Arbeitsmarkt sowie           EU-Kommission „gesellschaftlicher
der sozialen Rechte für die Genera-     den Zugang zu Begünstigungen. Dies           Fortschritt“ messen lassen. Erschre-
tionen von europäischen Bürgern         bildet die Rechte von Menschen mit           ckender Weise gibt es aber keinen
und Bürgerinnen lange gekämpft          Behinderungen und ihre gesellschaft-         einzigen Indikator für Menschen
haben. Außerdem sollen die sozialen     liche Inklusion sowie politische Par-        mit Behinderungen – dies wäre aber
Standards zwischen den EU-Staaten       tizipation natürlich nicht vollständig       dringend notwendig. Die gesamtheit-
angeglichen werden.                     ab – ein Ankurbeln von „Disability           liche, soziale Inklusion von Menschen
                                        Mainstreaming“, also der Gleichstel-         mit Behinderungen – wie sie auch in
Leider keine Rechte                     lung von Menschen mit Behinde-               der UN-Behindertenrechtskonvention
sondern Empfehlungen                    rungen auf allen gesellschaftlichen          (UN-CRPD) gefordert wird und zu
                                        Ebenen – ist innerhalb der gesamten          deren Implementierung sich die EU
Leider handelt es sich bei den Grund-   sozialen Säule dringend von Nöten.           mit ihrer Unterzeichnung verpflichtet
sätzen der Europäischen Säule sozi-                                                  hat – stellt selbstverständlich einen
aler Rechte um Großteils unverbind-     Das „Sozialpolitische Scoreboard“            Teil jenes angesprochenen, gesell-
liche Empfehlungen. Die Umsetzung       begleitet die Soziale Säule. Es              schaftlichen Fortschritts dar. Neben
der Sozialen Säule – also wie und in    handelt sich hierbei um Indikatoren          den Indikatoren des sozialpolitischen
welchem Umfang ihre Grundsätze          für die Kernziele. Indikatoren sind          Scoreboards bräuchte es außerdem
implementiert werden – obliegt dem      Kennzahlen anhand derer sich gesell-         auch eine Übersicht konkreter, poli-
Ermessen der Mitgliedsstaaten.          schaftliche Bedingungen und Ent-             tischer Maßnahmen durch welche die
                                        wicklungen messen lassen. Mit jenen          EU diese Ziele erreichen möchte.

14       www.behindertenrat.at
Inklusion                                                                                                             Ausgabe 4/2017

Inklusionspreis 2017
geht an „einfach informiert“
Der Gewinner ist: Österreichs erste Zeitung in einfacher Sprache.

Z
     um 2. Mal prämierte die Lebenshilfe am 16.11.2017
     inklusive Projekte, die Selbstbestimmung und
     Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in der
Gesellschaft fördern. “Mit dem Österreichischen Inklusi-
onspreis werden Projekte von Menschen ausgezeichnet,
die Inklusion in Österreich leben. Die Inklusionspreisträ-
gerInnen 2017 dienen als aktuelle Umsetzungsbeispiele          Alle PreisträgerInnen des Inklusionspreises wurden im
für Inklusion in Österreich, die Menschen mit intellektu-      Studio 44 ausgezeichnet.                    Foto: Antina Zlatkova

ellen, körperlichen, psychischen oder sinnesbedingten
Behinderungen ein chancengleiches Leben ermöglichen”,          Am 16. November wurden alle diesjährigen Inklusions-
so Germain Weber, Präsident der Lebenshilfe Österreich.        preisträgerInnen mit einer Jury-Lobrede und dem Inklusi-
Die Lebenshilfe hat den Preis in Kooperation mit den           ons-Award ausgezeichnet. Außerdem erhielt jeder Preis-
Österreichischen Lotterien vergeben.                           träger ein Kunstwerk von Menschen mit Behinderungen,
                                                               die von der Lebenshilfe unterstützt werden.
Inklusion durch einfache Sprache
                                                               Einmalig waren die Tanzeinlagen der „Ich bin O.K. Dan-
Der Österreich-Sieger des Inklusionspreis 2017 ist: „ein-      cecompany“ und außergewöhnlich die musikalischen
fach informiert“. Das ist eine Zeitung, die alle 2 Monate      Auftritte der „All Stars inclusive“. Sie sind die inklusive
erscheint. Formuliert wird in einfacher Sprache. Die           Musikband der Musikuniversität Wien und die diesjährigen
Zeitung orientiert sich an den Bedürfnissen von Menschen       PreisträgerInnen aus Wien.
mit Behinderungen. Sie berichtet über alltägliche Lebens-
bereiche. So wird der soziale Austausch und die Teilhabe        Webtipps
an der Gesellschaft gefördert. „einfach informiert“ ist eine    www.einfach-informiert.at
Privatinitiative von drei Ein-Personen-Unternehmen der          Alle Infos und Fotos von der Preisverleihung:
Kommunikations- und Werbebranche aus Tirol. Das Projekt         www.inklusionspreis.at
hat auch den diesjährigen Förderpreis erhalten.

Ohne Barrieren die Natur erleben!
„Inklusive Transalp“ startet im Jänner.

A   lpenüberquerung im Rollstuhl,
    Natur auch mit Behinderung
erleben, Abenteuercamps ohne Be-
                                          über die Alpen wandern, rollen und
                                          radeln. Denn im Team kann man die
                                          größten Hindernisse überwinden
rührungsängste! Die Alpenvereinsju-       und über sich hinauswachsen.
gend ist überzeugt, dass Inklusion
überall möglich ist und startet zum       Bis 15. Jänner können sich Interes-          Die Projektleiterin Andrea Szabadi-
Beweis erneut ein außergewöhnli-          sierte noch für das Team „Inklusive          Heine ist selbst nach einem Unfall
ches Projekt: 2018 werden sieben          Transalp“ bewerben.                          querschnittsgelähmt. Sie meint, eine
                                                                                       Behinderung sollte kein Grund sein,
Menschen mit und sieben Menschen          Details unter www.alpenverein.at/
                                                                                       sich nicht in die Berge zu begeben.
ohne Behinderung gemeinsam                inklusion.                                                                  Foto: Alpenverein

                                                                                                www.behindertenrat.at            15
Selbstvertretung

Selbstbestimmt Leben:
                                                                                                       Fotos: Felix Egger (9)

Große Demo in Wien
H
      allo, ich bin Andreas Zehetner. Ich bin seit 2017     Webtipp
      im Präsidium des Behindertenrats Österreichs aktiv    Wer mehr wissen will, kann sich auf der Internetseite
      und auch im Netzwerk Selbstvertretung Österreich.     www.wibs-tirol.at anschauen, was wir machen.
Wir sind über 100 Menschen mit Lernbehinderungen und
vertreten uns selbst. Daher der Name „Selbstvertretung“.
Wir haben uns vom 20. bis zum 22. Oktober in Wien im
Kardinal König Haus getroffen bei der 10. Selbstvertreter
Tagung. Die Tagung hat das Netzwerk Selbstvertretung
Österreich organisiert. Es gab wie jedes Jahr eine große
Demonstration, heuer in Wien und nicht in Matrei (Tirol)
wie die Jahre zuvor.

Leider hat es bei der Demo geregnet. Aber wir haben uns
die Laune nicht verderben lassen. Bei der Demo machten
wir uns stark für unsere Rechte. Um unserer Forderungen
allen zu zeigen, haben wir vorher bei der Tagung die
Plakate mit unseren Forderungen gemalt. Mein Thema ist
Bildung für Alle. Menschen mit und ohne Behinderungen
sollen gleich viel und gemeinsam lernen. Ich erzähle
Euch jetzt anhand der Fotos mehr von der Demo und
erkläre unsere Forderungen.

16       www.behindertenrat.at
Ausgabe 4/2017

Auf dem Plakat auf dem Foto steht, wer
wir sind und was wir wollen! Die Frau
mit Megafon hat laut gerufen: „Wir sind
Menschen mit Lernschwierigkeiten“.
Wir wollen Inklusion, also die gleich-
berechtigte Teilhabe aller Menschen am
gesellschaftlichen Leben. Dies steht
auch im Artikel 19 der UN-Behinderten-
rechts-Konvention.

Nicht nur Bildung ist wichtig, sondern auch Arbeit! Wir wollen Arbeit und auch eine   Heiraten, dazu sage ich: „Gleiches
„richtige“ Bezahlung dafür.                                                           Recht“ für alle!

                                                                                              www.behindertenrat.at        17
Selbstvertretung                                                                                          Ausgabe 4/2017

                                                           Oben: Wir waren knapp 200 Menschen und sind von der Pest-
                                                           säule am Graben zum Minoritenplatz gegangen. Es sind auch
                                                           viele Menschen mitgegangen, die gar nichts mit uns zu tun
                                                           hatten. Das hat uns gut gefallen.

                                                           Links: Die Trommelgruppe hat das Selbstvertreterzentrum
                                                           organisiert, damit die Politiker vor Ort munter werden und
                                                           damit was weiter geht. Die Gruppe hat uns mit einem Trom-
                                                           melwirbel begrüßt, als wir auf den Minoritenplatz gekommen
                                                           sind. Das war sehr berührend.

Der eine Mensch braucht mehr Hilfe, der andere weniger –   Wenn wir im Parlament reden dürfen, dann wäre die UN-Kon-
aber das kann morgen auch schon wieder anders sein. Und    vention umgesetzt und wie müssten nicht mehr auf die Straße
auch wir können helfen.                                    gehen. Bis dahin ist es noch ein langer Weg!

18        www.behindertenrat.at
Veranstaltung                                                                                                       Ausgabe 4/2017

Zukunft Inklusion: ConSozial 2017
Bewusst sein – Bewusst denken – Bewusst planen                                               Von Elisabeth Rapp, dabei-austria

                                                                                          schen. Wesentlich dabei ist es, sich
                                                                                          dessen von Anfang an bewusst zu
                                                                                          sein, bewusst zu denken und bewusst
                                                                                          zu planen. Besonderes Augenmerkt
                                                                                          legte Bentele zudem auch auf eine
                                                                                          umfassende Barrierefreiheit.

                                                                                          Barrierefreiheit gesetzlich
                                                                                          verankern
Wichtig ist auch die Barrierfreiheit, so der Tenor bei der Pressekonferenz.   Foto: zVg   Sie forderte, die Verpflichtung zur
                                                                                          Barrierefreiheit gesetzlich zu ver-

D
      ie 19. ConSozial in Nürnberg,          mit Behinderungen immer noch                 ankern. Ebenso spricht sie sich für
      die größte KongressMesse für           „zunehmend nicht im Blick der Öf-            eine Stärkung der Zivilgesellschaft
      den Sozialmarkt im deutsch-            fentlichkeit“ sind. Entwicklung kann         und einer besseren Unterstützung
sprachigen Raum, fand in diesem              nur weiter funktionieren, wenn sich          zivilgesellschaftlicher Organisatio-
Jahr unter dem Motto „Zukunft Inklu-         die Haltung der Menschen ändert und          nen aus: „Jeder der eine innovative
sion“ statt. Die Veranstaltung zeigte        Barrieren im Kopf abgebaut werden:           Idee oder eine Vision hat, trägt mit
mit Fachvorträgen und Best Practice          „Selbstverständlichkeiten müssen             Sicherheit allein durch die Bewegung
Beispielen aktuelle Entwicklungen in         sich verbreiten“.                            der Gedanken und durch das Abrei-
den Bereichen: Kinder- und Jugend-                                                        ßen von Barrieren in den Köpfen, viel
hilfe, Teilhabe von Menschen mit             Verena Bentele, Behindertenbeauf-            zu Inklusion bei“.
Behinderungen, Migration und Arbeit          tragte der deutschen Bundesregie-
sowie Pflege und Sozialpolitik oder          rung, machte ebenso deutlich, dass           Im Rahmen der Fachvorträge durch
Organisationsentwicklung.                    noch viel mehr getan werden kann             Expertinnen und Experten wurden
                                             und auch Nischen besetzt werden              diese und weitere Themenbereiche
Der erste Kongresstag startete mit           müssen. Eine Aufgabe sah sie darin,          vertieft. Dieser Beitrag stellt nur
einer Podiumsdiskussion unter dem            diese zu finden und dadurch Jobs             einen kleinen Einblick in die große
Motto „Zukunft Inklusion“. Bezogen           zu schaffen. In der „Vorsortierung“          Veranstaltung dar.
auf den Arbeitsmarkt wurden schon            bzw. einer Spezialisierung - wie von
hier erste Stimmen laut, das Fach-           Stephan Reinhold, dem Geschäfts-              Webtipp
kräftepersonal verstärkt zu nutzen.          führer von CEWE München, angespro-
Versteckte Potenziale können in              chen – sieht sie ein Problem für die          Präsentationen einzelner Vor-
jedem Fall zu einer Win-Win-Situation        Inklusion. Sie ist der Überzeugung,           träge stehen auf der ConSozi-
führen, wenn sie genutzt werden. Al-         dass in einer inklusiven Gesell-              al-Website zum Download zur
len Menschen muss gesellschaftliche          schaft der Anspruch bestehen muss,            Verfügung. Unter anderem kann
                                                                                           die erwähnte Podiumsdiskussion
Teilhabe ermöglicht werden.                  Menschen Möglichkeiten zu geben.
                                                                                           nachgehört werden:
                                             Wenn das nicht passiert, besteht die
                                                                                           www.consozial.de/kongressdo-
Ulrich Maly, der Nürnberger Ober-            Gefahr, dass Inklusion doch in einem
                                                                                           kumentation-2017.html
bürgermeister, sprach sich in der            Schubladen-Denken endet.
Diskussion gegen die Weiterführung
einer „fürsorglichen Belagerung“ von         In einer anschließenden Presse-               Save the date
Menschen mit Behinderungen aus. Er           konferenz greift sie diesen Punkt             20. ConSozial 2018:
betonte unter anderem, dass Ände-            nochmals auf. Sie ist sicher, es gibt         7.-8. November 2018 in Nürnberg
rungen zwar sichtbar, aber Menschen          vielfältige Aufgaben für alle Men-

                                                                                                 www.behindertenrat.at       19
Fachtagung

                                                                                                       Foto: Michael Janousek

Wege zum selbstbestimmten Leben –
Fachtagung war ein voller Erfolg!
In den Arbeitsgruppen haben Menschen mit Behinderungen erzählt,
wie sie den Weg in die Unabhängigkeit geschafft haben. Von Carola Göring

E
    in selbstbestimmtes Leben ist eine wichtige Forde-
    rung von Menschen mit Behinderungen in Öster-
    reich. Das fordern sie schon fast 30 Jahre. Wie es
mit der Erfüllung dieser Forderung tatsächlich aussieht
war auf einer Fachkonferenz am 10. November 2017 in
Wien zu erfahren. Diese wurde gemeinsam vom Österrei-
chischen Behindertenrat, der Behindertenanwaltschaft
und den Bundesländern Oberösterreich, Steiermark und
Wien organisiert und veranstaltet. Die Fachtagung fand
in den Räumlichkeiten des ÖGB im Veranstaltungszent-
rum Catamaran in Wien statt. Dabei wurden Beispiele für    Es gibt viele Wege zum selbstbestimmten Leben.
gelungene Inklusion im Bereich Wohnen aus Europa und
Österreich vorgestellt.

Die Mitglieder des Forums Selbstvertretung fragten die
VeranstalterInnen, was sie bereits getan haben, bzw.
noch tun werden, um ein selbstbestimmtes Leben zu
ermöglichen.
Hansjörg Hofer (Anwalt für Gleichbehandlungsfragen für
Menschen mit Behinderungen) plädierte für ein selbst-
bestimmtes Wohnen von Menschen mit Behinderungen:
"Selbst zu entscheiden, wo und mit wem ich wohne, ist
eine Selbstverständlichkeit. Nicht aber für Menschen mit
Behinderungen! Diese sind auch in Österreich noch sehr
häufig gezwungen, besondere Wohnformen zu nutzen.
                                                           Diese Werte stehen hinter der UN-Behindertenkonvention.
Das muss sich ändern!"                                                                               Zeichnungen: Petra Plicka

20       www.behindertenrat.at
Ausgabe 4/2017

Wir in Oberösterreich setzen uns
stark für die De-Institutionalisie-
rung ein, berichtete Renate Pilz
(Land Oberösterreich, Abteilung
Soziales). Ziel ist es, dass Men-
schen mit Behinderungen nicht
mehr in großen Einrichtungen
leben und arbeiten müssen.

Wie Regina Geiger (Land Steier-
mark, Fachabteilung Soziales und
Arbeit) betonte, wird in der Steier-
mark viel getan, um für die Rechte
von Menschen mit Behinderungen
zu sensibilisieren. Wir wollen, dass
Menschen mit Behinderungen mit-
reden dürfen. In schwerer Sprache
ausgedrückt, ermöglicht das Land
Steiermark Projekte, die perso-
nenzentriert an der Partizipation
arbeiten.

In Wien werden neue Wohnformen
in kleineren Wohneinheiten mit
Teilbetreuung ermöglicht, erläuter-      Dieser Ausschnitt aus dem Programm stellt sehr anschaulich die sieben Arbeitsgrup-
te Robert Bachler (Fonds Soziales        pen mit den ErzählerInnen und ihren Geschichten vor.
Wien). Weiter setzen wir uns stark
für Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen ein.          Familien und lokalen Gemeinschaften für Kinder, Men-
                                                               schen mit Behinderungen, Personen mit psychischen
Die europäische Sicht                                          Problemen und älteren Menschen in Europa gestaltet
                                                               werden kann.
Wie Franz Wolfmayr vom Europäischen Dachverband
von Dienstleistungsanbietern für Personen mit Be-              „Erfolgsgeschichten“
hinderungen (EASPD) referierte, sind im Prinzip alle
europäischen Länder dabei, die Kriterien der UN-Be-            In den Arbeitskreisen wurden sechs Erfolgsgeschichten
hindertenrechtskonvention für ein selbstbestimmtes             präsentiert. Die Selbstvertreterinnen und Selbstvertre-
Leben umzusetzen. Dabei müsse man bedenken, dass               ter berichteten in den Arbeitskreisen über ihre per-
die Menschen sehr unterschiedlich sind, die Unterstüt-         sönlichen Wege und Umwege in ein Selbstbestimmtes
zung müsse es daher auch sein. Dabei verwies er auch           Leben. Wichtig war der Austausch der Erfahrungen mit
auf ein Handbuch, das kostenlos zum Download bereit            den TeilnehmerInnen.
steht – leider nur auf englisch – (www.deinstitutionali-
sationguide.eu). Es ist ein Leitfaden, wie der Übergang
von institutioneller Betreuung hin zu Betreuung in

                                                                 Webtipp
                       Gefördert von
                                                                 Ein fünfminütiges Video „Sendung ohne Barrieren“
                                                                 fasst die Fachtagung zusammen. Es kann über diesen
                                                                 Link bei YouTube angeschaut werden:
                                                                 youtu.be/u1PB5omaU9o

                                                                                            www.behindertenrat.at       21
Gesetz                                                                                                      Ausgabe 4/2017

Die Inhalte des Inklusionspakets
Ein Meilenstein in der österreichischen Behindertenpolitik wurde
kurz vor der Nationalratswahl erreicht.      Von Carola Göring und Gabriele Sprengseis

A
       m 12. Oktober wurde das Inklusionspaket als           3. Der Monitoring-Ausschuss, der die Einhaltung der
       Initiativantrag von der SPÖ Abgeordneten Ulrike          UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit
       Königsberger-Ludwig einstimmig im Parlament              Behinderungen überwacht, ist gestärkt worden. Er
beschlossen und einige Tage später dann auch vom                sorgt dafür, dass die UN- Behindertenrechtskonven-
Bundesrat. Das 155. Bundesgesetz, ausgegeben am 13.             tion eingehalten wird. Es wird ein eigener Verein als
November 2017, betrifft die Änderung des Behinderte-            Unterstützungsstruktur gegründet, der mit budgetären
neinstellungsgesetzes, des Bundes-Behindertengleich-            Mitteln in Höhe von 320.000 Euro ausgestattet wird.
stellungsgesetzes und des                                                               4. Der Behindertenanwalt
Bundesbehindertengesetzes.                                                                    hat jährlich einen
Es tritt mit 1. Jänner 2018 in                                                                Bericht an den Sozial-
Kraft und soll die Gleichstel-                                                                minister vorzulegen.
lung von Menschen mit Behin-                                                                  Dieser wiederum legt den
derungen und ihre Teilhabe an                                                                 Bericht dem Parlament
beruflichen und gesellschaftli-                                                               vor. Diese Berichtspflicht
chen Leben weiter stärken. Mit                                                                sorgt dafür, dass die Be-
dem Beschluss des Inklusions-                                                                 lange der Menschen mit
pakets sind wir dem Ziel einer                                                                Behinderungen im Sinne
inklusiven Gesellschaft ein                                                                   eines vermehrten gesell-
Stück näher gekommen, sagte                                                                   schaftlichen Diskurses
Herbert Pichler, Präsident des                                                                künftig im Nationalrat
Österreichischen Behinderten-                                                                 behandelt werden.
rats im Zuge der Pressemittei-
lung.                                                                                    Würde und Respekt!
                                                                   Foto: Pixabay
Packen wir’s aus!                                                                        Bundesminister Alois Stöger
                                                                                         hat in seiner Rede im Na-
Das Inklusionspaket enthält unter anderem Folgendes:         tionalrat den Respekt und die Würde für Menschen mit
1. Nach wie vor sind Menschen mit Behinderungen              Behinderungen eingemahnt. Zustandekommen konnte das
    überproportional von Arbeitslosigkeit betroffen und      Inklusionspaket nur aufgrund eines gemeinsamen, beharr-
    sie sind deutlich länger arbeitslos als Menschen ohne    lichen Vorgehens der Zivilgesellschaft. Die stetige Über-
    Behinderungen. 90 Millionen Euro werden ab 2018          zeugungsarbeit bei den Abgeordneten aller Parteien hat
    jährlich für die berufliche Inklusion von Menschen mit   Früchte gebracht. Das Inklusionspaket ist ein Highlight,
    Behinderungen ausgegeben, das ist eine Verdopplung       das für rund 1,3 Millionen Menschen mit Behinderungen
    des bisherigen Betrages. Vorgesehen ist auch eine        wesentliche Verbesserungen bringen wird.
    jährliche Valorisierung dieses Betrages ab 2019.
2. Dem Behindertenanwalt und dem Klagsverband zur             Webtipp
    Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern        Die Freude war groß, als der Nationalrat und da-
    werden neben dem Österreichischen Behindertenrat          nach der Bundesrat im Oktober 2017 Änderungen im
    die Befugnis zur Einbringung einer allgemeinen Ver-       Behinderteneinstellungsgesetz, Bundes-Behinderten-
    bandsklage eingeräumt. Damit soll ein verbesserter        gleichstellungsgesetz und Bundesbehindertengesetz
    Rechtsschutz geschaffen werden. Unterlassung und          beschlossen haben. Sehen Sie dazu das Video:
    Beseitigung einer Diskriminierung wegen einer Behin-      www.youtube.com/watch?v=NbFd6bzS-c0
    derung können so erreicht werden.

22       www.behindertenrat.at
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