SÜDAFRIKA IM UNTERRICHT - Geographische Perspektiven auf ein gespaltenes Land - Misereor
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SÜDAFRIKA IM UNTERRICHT Geographische Perspektiven auf ein gespaltenes Land THEMA 1: Städtische Fragmentierung THEMA 3: L andwirtschaft unter Druck am Beispiel Johannesburg am Beispiel der Region Msinga THEMA 2: Kohleabbau und seine Folgen THEMA 4: Bildung als Entwicklungsfaktor am Beispiel Mpumalanga
MATERIAL SÜDAFRIKA INHALT Zur Konzeption der Unterrichtsmaterialien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 ine Metropole – viele Gesichter: E Sozialräumliche Fragmentierung in Johannesburg Rolleninterviews zu innerstädtischen Disparitäten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Wenn Kohle krank macht Ein Mystery über den südafrikanischen Steinkohlesektor. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 ine Region unter Druck: Landwirtschaft in Msinga in E Zeiten der Dürre Am „lebendigen Modell“ Risikofaktoren und Risikominimierung verstehen . . . . . . . . . . . . 30 Bildung als Schlüssel zur Entwicklung E benen der Entwicklungszusammenarbeit im Bildungssektor Südafrikas kennenlernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3
MATERIAL SÜDAFRIKA DURCH AUTHENTISCHE ERFAHRUNGEN GLOBALES LERNEN ERMÖGLICHEN Dorothea Wiktorin und Martin Gottsacker D as Leitziel der schulischen Aktivitäten von MISEREOR ist es, entwicklungspolitische The- men im Sinne des Globalen Lernens in den Schulall- Die vorliegende Unterrichtshilfe ist durch eine Exkursion mit Lehramtsstudierenden nach Südaf- rika entstanden. Die Studierenden haben durch tag zu integrieren. Globales Lernen bedeutet unter den Aufenthalt selbst Globales Lernen erfahren. Im anderem, ein grundlegendes Verständnis von kom- Anschluss entwickelten sie anhand ihrer Erlebnisse plexen globalen Zusammenhängen zu entwickeln authentische und aktivierende Materialien, die es er- und diese mit dem eigenen Leben zu verknüpfen. leichtern, das Globale Lernen und entwicklungspoli- Neben dieser globalen Weltsicht sind die Fähigkeit tische Themen im Unterricht umzusetzen. zum Perspektivwechsel, zur (Selbst-)Reflexion und Empathie unverzichtbare Elemente. Zur inhaltlichen und didaktischen Konzeption der Unterrichtsmaterialien D ie Inhalte des vorliegenden Bandes weisen viel- fältige Bezüge zu den Lehrplänen aller gesell- schaftswissenschaftlichen Fächer, insbesondere aber Im dritten Beitrag wird das Augenmerk auf die Le- bens- und Beschäftigungssituation in den ländlichen Regionen Südafrikas gelegt. Mit fortschreitendem des Faches Geographie auf. Sie sind für den Unter- Klimawandel und damit einhergehenden Dürrepe- richt in den Jahrgangsstufen 10 bis 13 geeignet, im rioden geraten viele von Landwirtschaft geprägte Einzelfall bzw. mit der entsprechenden didaktischen Regionen immer stärker unter Druck – nicht nur in Reduzierung können sie auch in der Mittelstufe ein- Südafrika, sondern in vielen Ländern des Globalen gesetzt werden. Südens. Am Raumbeispiel Msinga werden die Folgen der zunehmenden Dürre auf die landwirtschaftliche Themen Produktion sowie entsprechende Anpassungsstrate- Der Beitrag zur sozialräumlichen Struktur von Johan- gien der Bevölkerung erörtert. nesburg thematisiert die innerstädtischen Disparitä- ten der Metropole mit ihren gravierenden stadträum- Gleich zwei Aspekte stehen im Mittelpunkt des lichen und sozialen Folgen. An diesem Raumbeispiel vierten Unterrichtsmaterials: Zum einen wird die spe- wird so eines der zentralen Probleme des Landes auf- zifische Bedeutung des Bildungssektors für die Entwick- gearbeitet – schließlich führt Südafrika derzeit das lungszusammenarbeit herausgearbeitet und zum Ranking der Länder mit der größten Ungleichheit bei anderen werden der Aufbau und die Ebenen der Entwick- der Einkommensverteilung an. lungszusammenarbeit in Deutschland thematisiert. Der zweite Beitrag knüpft unmittelbar an die Bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Themen Kohle-Studie von MISEREOR an und thematisiert die wurde Wert darauf gelegt, sowohl die spezifischen räumlichen und sozialen Folgen des Kohleabbaus am Besonderheiten der Raumbeispiele (idiographischer Raumbeispiel Mpumalanga. Außerdem werden die Zugang) als auch das Allgemeingültige (nomotheti- intensiven Handelsbeziehungen zwischen Deutsch- scher Zugang) herauszustellen. Jeder der vier Beiträ- land und Südafrika angesprochen. Damit rückt die ge ist wie folgt aufgebaut: Nach einem einleitenden Mitverantwortung der kohleimportierenden Länder Text für die Lehrperson, der das Thema vor dem ak- an der Situation in den Abbauregionen in das Blick- tuellen Forschungsstand kurz umreißt, werden Anre- feld der Schülerinnen und Schüler. gungen für die unterrichtliche Umsetzung bzw. die 4
MATERIAL SÜDAFRIKA einzelnen Unterrichtsphasen gegeben. Danach fol- Das Methodenspektrum reicht vom variierten gen vielfältige Materialien und Arbeitsblätter für die Gruppenpuzzle (Johannesburg und Entwicklungszu- Schülerinnen und Schüler, in denen auch die konkre- sammenarbeit) über das Mystery (Kohlesektor Mpu- te Aufgabenstellung enthalten ist. malanga) bis hin zum „lebendigen Modell“ (Land- wirtschaft Msinga). Bei allen Unterrichtsbausteinen Methodik und Didaktik wurde darauf geachtet, dass in den Aufgabenstel- Bei der Auswahl der methodisch-didaktischen Werk- lungen unterschiedliche Anforderungsniveaus sowie zeuge standen folgende Aspekte im Vordergrund: verschiedene Kompetenzbereiche (Fach-, Metho- Problemorientierung, Vielperspektivität, Schülerakti- den-, Urteilskompetenz) berücksichtigt sind. vität, kooperatives Lernen und Metakognition. Jedes Unterrichtsmaterial enthält Vorschläge für die Hin- Allen Unterrichtskonzepten gemein ist der An- führung auf eine problemorientierte Fragestellung, spruch, bei den Schülerinnen und Schülern eine re- die im Rahmen einer Lernaufgabe mit schüleraktivie- flektierte Grundhaltung bezüglich des eigenen Han- renden Methoden bearbeitet werden kann. delns zu fördern. ZUR ENTSTEHUNG DES MATERIALS Die Schwerpunktthemen der Exkursion spiegeln sich in diesen Unterrichtsmaterialien wider. Deren Erstellung war von vornherein geplant und als Chance gedacht, die indi- viduellen Erfahrungen vor Ort in Werkzeuge für die spätere Unterrichtspraxis umzusetzen. Nicht abzusehen war aller- dings, wie intensiv die Erlebnisse vor Ort auf die Studieren- Foto: Gottsacker/MISEREOR den wirken würden. Bereits in Südafrika war sich die Exkur- sionsgruppe einig, dass man auch daheim in Deutschland aktiv werden und eine Öffentlichkeit für die Probleme im Gastland herstellen wolle. Dies sollte Ausdruck dessen sein, dass man die Situation der Projektpartner und Menschen vor Ort wahr- und ernst nimmt. Neben dem Unterrichtsmaterial Damit entwicklungspolitische Themen in den Schulall- entstanden so Blogartikel, zahlreiche Masterarbeiten sowie tag einfließen können, legt MISEREOR großen Wert auf den zwei Fachartikel in den Zeitschriften Praxis Geographie und Austausch und die Zusammenarbeit mit Lehrerinnen und Geographische Rundschau. Darüber hinaus berichteten die Lehrern. Aber auch Lehramtsstudierende sind wichtige Mul- Studierenden im Rahmen diverser Veranstaltungen über die tiplikatoren. Exkursion und verbanden dies mit einem Spendenaufruf. Ei- nige entschlossen sich, ihre berufliche Planung neu auszu- Anlässlich der Veröffentlichung der MISEREOR-Kohle richten, um in dem Feld der Entwicklungszusammenarbeit studie „Wenn nur die Kohle zählt“ entstand die Idee, gemein- tätig zu werden. sam mit Geographie-Lehramtsstudierenden nach Südafrika zu reisen, um vor Ort die Erkenntnisse der Studie lebendig Die Exkursion wurde von allen Beteiligten als äußerst ge- werden zu lassen. Mit dem Geographischen Institut der Uni- winnbringend bewertet: Die Studierenden gewannen eine versität zu Köln konnte ein engagierter Kooperationspartner Innensicht auf Probleme im Globalen Süden, die in dieser gefunden werden. Gemeinsam wurde das Themenspektrum Form vielleicht einzigartig in ihrem Leben bleiben wird; das erweitert, die Reise als Exkursion in den Studienplan integ- Geographische Institut konnte eine Veranstaltung anbieten, riert und die weitere Planung insbesondere mithilfe der Part- die reich an authentischen Eindrücken und inhaltlicher Tiefe nerorganisationen vor Ort abgeschlossen. Im September war; MISEREOR hat ein Netzwerk an wichtigen Multiplikatoren 2016 fand schließlich die „Große Exkursion Südafrika“ mit aufbauen können und die Akteure vor Ort schließlich waren sechzehn Lehramts- und vier Master-of-Science-Studieren- sehr zufrieden, dass die Besuche weitere Aktivitäten nach sich den statt. zogen und ihre Anliegen so weitere Verbreitung finden. 5
MATERIAL SÜDAFRIKA EINE METROPOLE – VIELE GESICHTER: JOHANNESBURG EINE METROPOLE – VIELE GESICHTER: SOZIALRÄUMLICHE FRAGMENTIERUNG IN JOHANNESBURG Rolleninterviews zu innerstädtischen Disparitäten Lene Bürk, Sandra Goda, Bastian Hallen, Julia Müller Johannesburg ist eine der fortschrittlichsten Metropolen Afrikas und Motor für die gesamte wirtschaftliche Entwicklung Südafrikas. Die Stadt verfügt über eine hoch entwickelte Infra- struktur in den Bereichen Telekommunikation, Transport, Wasser und Elektrizität sowie über einige herausragende Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen. Sie bietet Arbeitspätze im Finanzsektor und in innovativen Branchen wie dem Technologiebereich. Jedoch haben nicht alle Bewohner(innen) der Stadt Zugang zu diesen Einrichtungen und Angeboten. Johannes- burg gilt hinsichtlich der Lebens-, Wohn- und Arbeitsverhältnisse sowie der verschiedenen Einkommens- und Bevölkerungsgruppen als Stadt der extremen Kontraste. I n vielen Großstädten der Welt hat das wirtschaft- liche Wachstum der letzten Jahrzehnte die Kluft zwischen den Einkommensschichten nicht etwa durch eine weiße Minderheit. In dieser Periode der Rassentrennung war es der schwarzen Bevölkerung nahezu unmöglich, ihre wirtschaftliche Situation verringert, sondern eher noch vergrößert. In Südaf- zu verbessern. Sie wurde jedoch nicht nur gesell- rika haben sich die Disparitäten zwischen Arm und schaftlich und wirtschaftlich ausgegrenzt, sondern Reich besonders zugespitzt. So gilt Johannesburg als auch räumlich separiert. So wurden Schwarze, aber die Stadt mit den größten sozio-ökonomischen Un- auch Inder und sogenannte „Coloureds“ aus inner- gleichheiten weltweit (vgl. UN-HABITAT 2013: S. 68 f.). städtischen Quartieren vertrieben und am Rand der Städte in spezielle Wohnsiedlungen, sogenannte SCHOLZ (2004: S. 217 ff.) beschreibt diesen Prozess Townships, umgesiedelt. Diese ethnische Segregati- als fragmentierende Entwicklung. Demnach hat nie on prägte seit den 1950er-Jahren das Stadtbild von die gesamte Bevölkerung eines Landes Anteil am glo- Johannesburg (HAFERBURG 2014: S. 32). balen Wettbewerb und seinen Wohlfahrtseffekten, sondern es profitieren immer nur bestimmte Bevöl- Obwohl mit dem Ende der Apartheid 1994 die kerungsgruppen. Durch die Konzentration n ational Hoffnung verbunden war, auch die räumliche Ras- und international bedeutender Unternehmen in aus- sentrennung zu überwinden, wurde diese durch die gewählten Metropolen entstehen zwar gut bezahlte nachfolgenden Prozesse noch weiter verstärkt. So ist Arbeitsplätze für Spezialist(inn)en auf der einen Seite. gerade das Zentrum der Post-Apartheid-Stadt von Die ärmere und arme Bevölkerung auf der anderen einem Invasions-Sukzessions-Zyklus geprägt, der Seite verbleibt jedoch in prekären Arbeitsverhältnis- einen Austausch weißer durch schwarzer Bevölke sen oder hat nur einen sehr eingeschränkten Zugang rungsgruppen zur Folge hat. Der Sukzessionspro- zum formellen Arbeitsmarkt. zess, bei dem sich aus einer anfänglichen Minderheit eine Mehrheit entwickelt, wird durch eine arbeits Diese fragmentierende Entwicklung steht in Süd- orientierte, häufig illegale Zuwanderung aus afrika- afrika nicht nur im Zusammenhang mit der Einbin- nischen Nachbarstaaten noch verstärkt (vgl. HEINE- dung in die Weltwirtschaft. Sie hat ihre Wurzeln in BERG 2017: S. 366 ff.). Während sich die wohlhabende der Apartheid, die Südafrika etwa zwischen 1940 – mehrheitlich weiße – Bevölkerung nach 1994 an und dem Beginn der 1990er-Jahre prägte. Der Begriff den Stadtrand in sogenannte Gated Communities Apartheid steht dabei für die systematische Unter- zurückzog, verblieb die arme – mehrheitlich schwar- drückung einer nicht weißen Bevölkerungsmehrheit ze – Bevölkerung häufig in innenstadtnahen infor- 6
EINE METROPOLE – VIELE GESICHTER: JOHANNESBURG MATERIAL SÜDAFRIKA Foto: Gottsacker/MISEREOR Abb. 1: So nah und doch so fern? Auf den ersten Blick wirkt das Foto von Johannesburg wie der Inbegriff von sozialräumlicher Fragmentierung: die informelle Siedlung im Vordergrund im Kontrast zum modernen Central Business District (CBD) im Hinter- grund. Gegenwärtig sind allerdings Teile des CBDs nicht von hochwertigen Dienstleistungen, sondern von prekären Wohnverhält- nissen, Armut, Illegalität und Kriminalität geprägt und einst prunkvolle Hochhäuser zu sogenannten Bad Buildings verkommen. mellen Siedlungen oder sogenannten Bad Buildings, Letztlich sehen sich alle Städte des Globalen S üdens leer gefallenen Büro- und Wohnhochhäusern in mit dem Phänomen der städtischen Fragmentierung Downtown. Diese soziale Fragmentierung lässt Teil- konfrontiert. Im Falle Südafrikas überlagern sich je- räume entstehen, die aufgrund ihres Erscheinungs- doch die Nachwirkungen der Apartheid mit aktuellen bildes und des sozioökonomischen Status ihrer Prozessen infolge von Globalisierung. Dies führt dort Bewohner(innen) kaum mehr eine Beziehung zuein- zu einer der stärksten Formen sozialräumlicher Frag- ander aufweisen (SCHOLZ 2004: S. 217). Verbunden mentierung weltweit. Somit ist Johannesburg ein be- damit sind meist ein Anstieg sozialer Konflikte und sonders geeignetes Anschauungsbeispiel für dieses eine hohe Kriminalitätsrate. Thema im Unterricht. Merkmale Gated Communities für Öffentlichkeit nicht zugängliche Quartiere (ummauert bzw. umzäunt, mit Wachper- sonal), meist Einfamilienhäuser mit hohem Wohnstandard (teilweise mit Gärten), oberen Einkommensschichten vorbehalten, entstehen häufig aus dem Bedürfnis nach Rückzug und Exklusivität sowie aus der Angst vor Kriminalität Townships Siedlungen zur Rassentrennung, wurden zu Zeiten der Apartheid per Gesetz angelegt, kleinere und einfache Wohnhäuser, einfache Infrastruktur vorhanden, aufgrund der un- terschiedlichen Bevölkerungsgruppen der Bewohner(innen) kann es zu gesellschaftlichen Spannungen und Gewalt kommen Informelle Siedlungen illegale, häufig spontan errichtete Siedlungen, teilweise auch innerhalb der Townships, sowohl auf öffentlichem als auch privatem Land möglich, häufig ohne Strom- und Wasser- versorgung, häufig Zuzugsgebiet von Migrant(inn)en aus afrikanischen Nachbarländern, Arbeitslosigkeit extrem hoch, Bewohner(innen) müssen sich häufig aufgrund ihrer Lebens- umstände kriminalisieren, häufig Alkohol- und Drogenmissbrauch, hohe HIV-Rate Bad Buildings illegal besetzte Gebäude im Stadtzentrum, ursprünglich als Büro- oder Wohngebäude genutzt, inzwischen häufig ohne Strom- und Wasserversorgung und andere öffentliche Dienste, häufig bewohnt von Migrant(inn)en aus afrikanischen Nachbarländern, Arbeits losigkeit extrem hoch, Bewohner(innen) müssen sich häufig aufgrund ihrer Lebensum stände kriminalisieren, häufig Alkohol- und Drogenmissbrauch, hohe HIV-Rate Tabelle 1: Extreme Formen sozialräumlicher Fragmentierung in Johannesburg (Quelle: eigene Darstellung nach Landman 2006, Wilhelm-Salomon 2016, Huchzermeyer/Karam 2006, Jürgens et al. 2013.) 7
MATERIAL SÜDAFRIKA EINE METROPOLE – VIELE GESICHTER: JOHANNESBURG Bevölke- rungs- Black African Coloured White Asian/ Indian Sonstige gruppe Individu- elles mo- Bezogen Bezogen Bezogen Bezogen Bezogen natliches in % auf Bev. in % auf Bev. in % auf Bev. in % auf Bev. in % auf Bev. Einkom- men ZA in % ZA in % ZA in % ZA in % ZA in % in Rand Kein 40,71 31,11 40,18 2,24 24,57 3,02 34,25 1,67 36,57 0,31 Einkom- men 1–1600 20,29 15,51 12,05 0,67 4,23 3,20 6,23 0,30 13,63 0,12 1601– 17,40 13,30 10,52 0,59 8,98 1,10 9,82 0,48 14,75 0,12 6400 6401– 6,16 4,71 13,92 0,78 26,61 3, 27 21,84 1,06 12,12 0,10 25.600 25.601– 1,38 1,06 3,44 0,19 17,20 2,11 10,08 0,49 5,17 0,04 102.400 102.401 0,20 0,16 0,41 0,02 2,76 0,33 1,15 0,06 0,96 0,01 u. m. Unbe- 13,85 10,59 19,48 1,09 15,64 1,92 16,63 0,81 16,80 0,14 stimmt Summe 100,00 76,42 100,00 5,58 100,00 12,28 100, 00 4,88 100,00 0,85 Tabelle 2: Einkommensverteilung in Johannesburg nach Bevölkerungsgruppen (1 Euro entspricht je nach Wechselkurs ca. 15 Rand; Quelle: eigene Darstellung nach City of Johannesburg 2014: S. 19.) Literaturverzeichnis City of Johannesburg (Hrsg.) (2014): 2012/16 Integrated Jürgens, U., Donaldson, R., Rule, S., Bähr, J. (2013): Townships Development Plan: 2013/14 Review (Daten: Zensus in South African cities – Literature review and research 2011), Johannesburg. perspectives, in: Habitat International 39, S. 256–260. Haferburg, C., Oßenbrügge, J. (2009): Die neue Corporate Landman, K. (2006): Privatising public space in post-apart- Geography in den Global Cities des Südens: Das Beispiel heid South African cities through neighbourhood enclo- Johannesburg, in: Altrock, U., Kunze, R., Pahl-Weber, E., sures, in: GeoJournal, 66 (1–2), S. 133–146. Petz, U. von, Schubert, D. (Hrsg.): Jahrbuch Stadterneue- Scholz, F. (2004): Geographische Entwicklungsforschung: rung 2009. Schwerpunkt „Megacities und Stadterneue- Methoden und Theorien, Stuttgart. rung“. Berlin: Universitätsverlag der TU Berlin. S. 29–46. UN-Habitat (2013): State of the world´s cities 2012/13. Haferburg, C. (2013): Townships of To-Morrow? Cosmo City Prosperity of cities, Nairobi. and inclusive visions for post-apartheid urban futures, in: Habitat International 39, S. 261–268. Wilhelm&Solomon, M. (2016): Decoding dispossession: Eviction and urban regeneration in Johannesburg‘s dark Haferburg, C., Jacobsen, I. (2014): Integrierende Stadtpla- buildings, in: Singapore Journal of Tropical Geography, nung in Südafrika: das Beispiel Cosmo City, in: Geogra- 37 (3), S. 378–395. phische Rundschau 66 (5), S. 32–38. Heineberg, H. (2017): Stadtgeographie, Paderborn. Huchzermeyer, M., Karam, A. (2006): Informal settlements – A perpetual challenge? Cape Town: UCT Press. 8
EINE METROPOLE – VIELE GESICHTER: JOHANNESBURG MATERIAL SÜDAFRIKA Unterrichtliche Umsetzung In der folgenden Erarbeitungsphase II geht es da- Zeitbedarf: 2–3 Unterrichtsstunden rum, neben der eigenen Rolle weitere Fragmente der Lehrplanbezüge: Aspekte innerer Differen- Stadt kennenzulernen. Die Schülerinnen und Schüler zierung von Städten, Gliederung städtischer verteilen sich im Klassenraum und suchen sich ei- Räume nach sozioökonomischen Merkmalen ne(n) Interviewpartner(in), die bzw. der eine andere Zusätzliches Material: Diercke Weltatlas 2015, Rolle vertritt. Mithilfe des Interviewbogens (siehe S. 152/3 und 4 Material) befragen sich die Schülerinnen und Schüler gegenseitig und notieren ihre Ergebnisse. Alternativ könnten die Interviewfragen (in den Gruppen) auch D er Einstieg erfolgt über einen stummen Bildim- puls mittels der è Abbildung 1 (Seite 7). Auf den ersten Blick suggeriert das Foto eine sozialräumliche selbst entwickelt werden. Nach der Interviewphase sollten in jeder Expertengruppe Ergebnisse zu jeder Rolle vorliegen. Zweiteilung der Stadt in informelle Siedlung und moderne Downtown. Dies soll auf die problem In der Sicherungsphase werden alle sozialräum orientierte Fragestellung nach Ausprägung und Fol- lichen Fragmente innerhalb der Expertengruppen gen der Fragmentierung innerhalb der südafrikani- präsentiert und charakterisiert (Share). Danach schen Metropole hinleiten. werden die Wohnorte der einzelnen Rollen auf der Atlaskarte von Johannesburg verortet und die Frag- In der anschließenden Erarbeitungsphase I wer- mentierung Johannesburgs mit ihren Auswirkungen den vier Expertengruppen zu den vier Stadtfragmen- diskutiert. ten Johannesburgs gebildet: Gated Communities (A), Townships (B), Informelle Siedlungen (C) und Zum Abschluss kann das Einstiegsfoto nochmals Bad Buildings (D). Die dazugehörigen Rollenkarten in der Gesamtgruppe präsentiert und vor dem Hinter stellen jeweils eine Person und ihre Lebens-, Wohn- grund der neu gewonnenen Erkenntnisse interpre- und Arbeitssituation im Fragment dar. In den einzel- tiert werden. Auch bietet es sich hier an, die allgemei- nen Expertengruppen sichten die Schülerinnen und ne Aussagekraft von Bildern kritisch zu reflektieren. Schüler das Material zuerst in Einzelarbeit (Think), tauschen sich danach mit ihren Gruppenmitgliedern Optional können in einer Folgestunde mögliche aus (Pair) und analysieren dann gemeinsam die Lösungsansätze für die extreme Polarisierung der Charakteristika der vorgegebenen Rolle. Stadtbevölkerung diskutiert werden. Ein interes- santer Ansatz ist das Beispiel von Cosmo City, eines neuen Vorortes von Johannesburg, entstanden durch Public-Private-Partnership und angetreten mit dem Anspruch, Wohnstandort zu werden „for peop- le across class, social and racial lines“ (HAFERBURG 2013: S. 264). 9
MATERIAL SÜDAFRIKA EINE METROPOLE – VIELE GESICHTER: JOHANNESBURG Rollenkarte A: Fragment „Gated Community“ Ich bin Ivie Veenstra, 35 Jahre alt und habe ein ab- SECURITY geschlossenes Architekturstudium. Derzeit arbeitet The Estate is access controlled and visitors are pre- jedoch nur mein Mann, da ich mich um unsere kleine cleared from the entrances. At the Security Control Tochter kümmere. Ich wohne im Bezirk Sandton Room, the electric fence along the perimeter, access and im Norden von Johannesburg innerhalb einer egress as well as house alarms are electronically moni- gesicherten Wohnanlage – nur so kann man sich hier tored on a 24 hour basis. The Estate is also p atrolled by ja schließlich sicher fühlen! Security personal on a 24 hour basis. DEVELOPMENT […] Over and above the residential stands within Four- ways Gardens Residential Estate, there are two large areas which have been developed for recreational pur- poses (parks). The parks are equipped with playground equipment and jungle gyms. The Clubhouse on the dam is used for various functions, events and get-to- gethers. The tennis courts and basketball court are situ- ated close to the Clubhouse. […] SURROUNDING DEVELOPMENT Within a radius of approximately 4 kms around Four- ways Gardens Residential Estate one would find the following: Agora Shopping Centre M 1: Satellitenaufnahme der Gated Community Four- Broadacres Shopping Centre ways Gardens in Sandton (Quelle: Google Maps 2017) Fourways Crossing Shopping Centre Fourways Mall Leaping Frog Shopping Centre Douglasdale Police Station Golf course and golf driving range Life Hospital Olievedale Clinic White 49,8 % Primary and Secondary private and government Indian/Asian schools 11,1 % pre-cleared – vorher überprüft, genehmigt; Coloured 2,5 % perimeter – Grenze; recreational – Erholungs-, Freizeit; Black African 34,7 % purpose – Zweck, Absicht, Nutzen Other 1,9 % M 2: Anteile der Bevölkerungsgruppen in Sandton M 4: Auszug aus der offiziellen Website von Four- (Quelle: Statistics South Africa, Zensus 2011) ways Gardens (Internetquelle: Fourways Gardens 2017) Provinz Deutsch- Bundes- Südafrika Gauteng* land land NRW Mord, Totschlag 67 69 3 3 Sexualdelikte 105 81 9 56 Raubüberfälle, Geiselnahmen, 1 098 1 446 56 76 Entführungen Diebstähle 1 608 2 067 3 051 3 937 M 5: Anzeige zum Erwerb einer Immobilie in Four- * Provinz, in der Johannesburg liegt (ca. 12,5 Mio. Einwohner) ways Gardens (Internetquelle: Property24 2017) M 3: Anzahl der Verbrechen pro 100.000 Einwoh- ner(innen) im Jahr 2015 (ausgewählte Kategorien) M 6: Fourways (Johannesburg) – Fragmentierung – Vergleich mit Deutschland Siehe Diercke Weltatlas 2015, S.152/3. (Quelle: eigene Berechnungen nach Kriminalitäts statistiken vom Landeskriminalamt NRW o. J., Bundesministerium des Inneren 2016 und South African Police Service 2016) 10
EINE METROPOLE – VIELE GESICHTER: JOHANNESBURG MATERIAL SÜDAFRIKA Rollenkarte B: Fragment „Township“ Einwohner(innen) Soweto: 1.271.628 Ich bin Hope Jabulile, 33 und wohne in (98,5 % Black African) einem k leinen Haus in Diepkloof, einer Bildungsstand ehemaligen Township in Soweto. Meine No schooling 3,1 % Eltern wurden während der Apartheidzeit Some Primary* 7,9 % zwangsweise hierher umgesiedelt und wir Completed Primary 3,7 % sind bis heute geblieben. Ich habe an der Some Secondary** 37,5 % University of Johannesburg studiert und Matric*** 38,3 % danach zum Glück hier in Soweto eine Stelle Higher Education 9,3 % als Lehrerin gefunden, bei der ich rund * Grundschule (6 Jahre) 190.000 Rand (13.000 €) im Jahr verdiene. ** weiterführende Schule Mein Mann arbeitet in Sandton bei einem *** Schulabschluss der weiterführenden Schule Wachdienst und braucht jeden Morgen knapp zwei Stunden zur Arbeit. M 3: Bildungsstand der Einwohner(innen) Sowetos (Quelle: Statistics South Africa, Zensus 2011) Refrigerator 77,6 % Electric/Gas-Stove 89,5 % Computer 20,2 % Satellite Television 24,4 % Motor Car 23,6 % Television 85,9 % Radio 74,2 % Foto: K.G. Schneider Landline/Telephone 14,5 % Cellphone 93,4 % 0 20 40 60 80 100 M 4: Ausstattung von Haushalten in Soweto M 1: Typische Bebauung von Soweto (Quelle: Statistics South Africa, Zensus 2011) Unzufriedenheit Fahrgäste Fahrgäste Fahrgäste mit … Bahn Bus* Taxi Townships sind Wohngebiete in südafrikanischen Kosten 20 % 32 % 48 % Städten, die während der Apartheidzeit (1950– Distanz zur nächsten 48 % 30 % 22 % 1994) für Nicht-Weiße angelegt wurden. Die Haltestelle damalige Rassentrennung von schwarzer, weißer Fahrtzeit 35 % 25 % 40 % und farbiger Bevölkerung umfasste auch eine Kriminalität an den 51 % 10 % 39 % wohnräumliche Trennung der einzelnen Gruppen. Stationen Die damalige Apartheid-Regierung errichtete Kriminalität in Bahn/ 65 % 10 % 25 % Bus/Taxi Townships für die Schwarzen und Farbigen an der Peripherie der Städte, während die Weißen im Gewalttaten zwischen Taxi – – 49 % Stadtzentrum wohnten. Soweto (= SOuth-WEs- unternehmen** tern-TOwnships) ist ein Stadtteil Johannesburgs, Verkehrssicherheit 19 % 15 % 66 % der aus rund 30 einzelnen Township-Siedlungen Taktung zur besteht. Charakteristisch für die Bebauung sind Rushhour 38 % 24 % 38 % Einfamilien-Reihenhäuser in Massenbauweise. Taktung außerhalb Bis heute prägen die kleinen 4-Raum-Häuser auf 46 % 42 % 12 % der Rushhour Niedrigkostenbasis das Stadtbild (vgl. M 1). Seit Insgesamt 34 % 20 % 43 % dem offiziellen Ende der Apartheid 1994 gibt es die * Seit 2010 verbindet ein neues Schnellbussystem namens Rea Vaya Soweto räumliche Rassentrennung gesetzlich nicht mehr, mit dem CBD Johannesburgs. doch die baulichen Strukturen haben sich erhalten. ** D er sog. Taxikrieg bezeichnet gewalttägige Konflikte zwischen verfein- deten Minibus-/Taxiunternehmern um Haltestellen, Passagierzahlen und Routen, bei denen oft auch Unbeteiligte verletzt werden. M 2: Was ist eine Township? (Quelle: nach Heineberg 2017: S. 364–369) M 5: Probleme der Transportsysteme aus Sicht der Einwohner(innen) Sowetos (Quelle: nach Chakwizira et al. 2011: S. 743) 11
MATERIAL SÜDAFRIKA EINE METROPOLE – VIELE GESICHTER: JOHANNESBURG Rollenkarte C: Fragment „Informelle Siedlung“ Ich heiße Emmanuel Botha und bin 25 Jahre alt. Ich bin in einer ländlichen Region in Südafrikas Provinz KwaZulu-Natal aufgewachsen. Weil ich Miete 41,2 % hoffte, Arbeit zu finden, zog ich vor fünf Jahren nach Besitz, vollständig Johannesburg. Zusammen mit anderen Familien abbezahlt 23,8 % haben wir uns hier mitten in Sandton in einem Park- Besitz, noch nicht stück niedergelassen. Die meisten von uns arbeiten abbezalt 16,5 % hier vor Ort als Wachleute, Haushaltshilfen, Gärtner Mietfrei besetzt oder Müllsammler. Zurzeit werden wir hier zwar 15,9 % geduldet, aber keiner weiß, was die Zukunft bringt! Anderes 2,72 % M 4: Wohnstatus der Einwohner(innen) in Johannes- burg (Quelle: Statistics South Africa, Zenus 2011) Foto: Wiktorin Foto: Gottsacker/MISEREOR M 1: Informelle Siedlung in Sandton “ … Our children need a place to feel secure and call Das Sammeln von Abfallstoffen ist neben dem their home but this cannot be possible in a shack and Straßenhandel, Transport- und Reparaturdiensten on piece of land that belongs to somebody else. ” sowie dem Betrieb von Garküchen ein typisches Beschäftigungsfeld des informellen Sektors, in dem “… My friend how can you have secure tenure in a in Johannesburg 16 % der Beschäftigten arbeiten. shack? How can you have secure tenure when the overnment keeps on evicting when you think now g you can settle on this land? It is fear all the time be- Verdienstmöglichkeiten (2010): cause you don’t know when you will be evicted. ” Kategorie Preis Verkäufe in Verkäufe in M 2: Meinungen zwangsumgesiedelter Einwoh- pro einer schlechten einer guten kg Woche Woche ner(innen) Johannesburgs (Quelle: Ouflemi 2004: S. 14) Kunststoffbe- R2 66 kg = R 132 130 kg = R 260 hälter Informelle Siedlungen sind Wohngebiete: Plastikflaschen R3 120 kg = R 360 149 kg = R 447 1. in denen die Bewohner keine Rechtssicherheit für das Milchflaschen, R 0,80 50 kg = R 40 80 kg = R 64 Land oder die Unterkunft haben, die sie bewohnen. Joghurtbecher 2. in denen es in der Regel an städtischen Basisdienst Plastiktüten R 1,30 62 kg = R 80 107 kg = R 139 leistungen wie Wasserver- und -entsorgung, Glasflaschen 27 Flaschen = R 0,70 2 Flaschen = R 1,40 Müllentsorgung und Elektrizität fehlt. R18,90 3. i n denen die Unterkünfte gegen bestehende Weißes Papier R2 80 kg = R 160 140 kg = R 280 Planungs- und Bauvorschriften verstoßen oder Summe R 773,4 = € 52 R 1208,9 = € 80 die in Gefahrengebieten liegen. (15 Rand = 1 €) Bevölkerungs- und Kriminalitätsdichte sind häufig sehr hoch. M 5: Müllsammeln in Johannesburg (Internetquelle: The South African Informal City 2017) M 3: Was ist eine informelle Siedlung? (Quelle: UN-Habitat 2015: S. 1) 12
EINE METROPOLE – VIELE GESICHTER: JOHANNESBURG MATERIAL SÜDAFRIKA Rollenkarte D: Fragment „Bad Building“ Herkunft 2001 2011 Ich bin Bahru Zewede, 20 Jahre alt und kom- Südafrika 97,1 % 84,6 % me aus Mozambique. Ich lebe in einem besetz- Southern African Develop- ten Gebäude im Bezirk Hillbrow, sozusagen in ment Community (SADC)* 1,7 % 7,5 % „Downtown“-Johannesburg. Mein Zimmer ist mit Restliches Afrika 0,3 % 0,7 % Pappe und Sperrholz zu den Nachbarn neben mir Restliche Kontinente 0,9 % 1,1 % abgegrenzt und gerade so groß, dass ein Bett und Unbestimmt – 6,2 % meine wenigen persönlichen Gegenstände hinein- passen. Der einzige Wasserhahn für alle Bewohner * SADC = Entwicklungsgemeinschaft aus 15 Staaten des südlichen Afrikas (u. a. Malawi, Mosambik, Simbabwe, Botswana, Namibia …) ist unten auf dem Hof und auch die Küche nutzen wir alle gemeinsam. Da ich illegal eingewandert M 3: Herkunft der Einwohner(innen) Johannesburgs bin, habe ich große Probleme, Arbeit zu finden. (Quelle: Statistics South Africa, Zensus 2011) MARCH AGAINST EVICTIONS The Inner City Resource Centre is inviting you to JOIN a march against illegal evictions and violation of human rights. Join the march to demand housing, water, electricity and other basic services. Foto: Gottsacker/MISEREOR UNITED WE STAND, DIVIDED GATHERING AT PIETER ROOS PARK, PARKTOWN. WE FALL therefore lets UNITE, TIME: 9.00 AM BAHLALI! DATE: 20 NOVEMBER * eviction – Zwangsräumung 2015 M 4: Aufruf einer NGO, die sich für Bewohner(in- nen) von Bad Buildings einsetzt M 1: Küche in einem Bad Building (Internetquelle: Inner City Ressource Centre 2017) Bad Buildings sind Gebäude, die bezogen auf ihren 1975 – Eröffnung als höchstes Wohnhaus der Südhalbkugel und baulichen Zustand, die Gebäudeverwaltung und die Stolz der Apartheid-Architektur im Nutzung bis in die 1980er-Jahre intakt waren, aber damals begehrten Szeneviertel der seither zunehmend verfallen und eine oder mehrere Weißen; extrem teure Apartments Foto: Geoffrey Hancock) Funktionen verloren haben. Sie werden häufig illegal auf 54 Stockwerken mit Sauna, bewohnt, unter anderem von Einwanderern ohne ge- Swimmingpool und Sportstudio klärten Rechtsstatus. Das äußere Erscheinungsbild eines ab Mitte 1980er – Investitionsstopp Gebäudes allein lässt keinen Schluss zu, ob es sich um der Stadtregierung; alle Bewoh- ein „good building“ oder ein „bad building“ handelt. ner(innen) der Ober- und Mittel- schicht ziehen nach und nach aus Bad Buildings sind für die Bewohner(innen) proble- der Innenstadt in die Vororte von Johannesburg; Zuzug matisch: Die unzureichende Infrastruktur, der marode von Migrant(inn)en anderer afrikanischer Staaten; schlei- Zustand und die extrem hohe Belegung beeinträchti- chender Verfall des Gebäudes gen die Gesundheit und Sicherheit. In vielen Gebäu- 2002 – Ponte City wird aufgrund von massiven Proble- den werden Bewohner(innen) gezwungen, Mieten men mit Armut, Drogen, Prostitution und Kriminalität als das gefährlichste Hochhaus der Welt bezeichnet; ohne und Schutzgeld an Kriminelle zu bezahlen, die die fließend Wasser und Elektrizität leben hier ca. 10.000 Gebäude unter ihre Kontrolle gebracht haben. Menschen; Müll stapelt sich im offenen Innenraum bis ins 14. Stockwerk Die Bewohner(innen) sind durch ihren teilweise illega- ab 2005 – das Viertel Hillbrow soll für Fußball-WM 2010 len Status nicht in der Lage, mit der Stadtverwaltung in großem Stil verändert werden; erhöhte Polizeipräsenz in Kontakt zu treten, um angemessene Wohnbedin- und neue Investitionen auch im Ponte Tower gungen einzufordern. 2016 – mittlerweile etwas aufgewertet: Sicherheitsüber wachung, Müllabfuhr, Reparaturen, Renovierungen; M 2: Was ist ein Bad Building? schlechtes Image bleibt; viele Leerstände (Quelle: Zack et al. 2009: S. 9–12) M 5: Biografie von Johannesburgs „Ponte City“ (Quelle: Bayerischer Rundfunk 2016/The Guardian 2015) 13
MATERIAL SÜDAFRIKA EINE METROPOLE – VIELE GESICHTER: JOHANNESBURG Arbeitsauftrag Phase 1: Phase 3: Analysieren Sie in Ihrer Expertengruppe die Materia- Kehren Sie nun in Ihre Gruppe zurück. Jedes Grup- lien der Ihnen zugeteilten Rollenkarte. penmitglied präsentiert mithilfe der notierten Versetzen Sie sich in die vorgegebene Rolle und Interview ergebnisse eine(n) Einwohner(in) Johan- machen Sie sich Notizen hinsichtlich der Lebens-, nesburgs und die jeweilige Lebens-, Arbeits- und Arbeits- und Wohnsituation im dargestellten Stadt- Wohnsituation. fragment. Phase 2: Phase 4: Suchen Sie sich in der nun folgenden Interviewphase Verorten Sie die einzelnen Wohnorte der vier Rollen eine(n) Interviewpartner(in) mit einer anderen Rolle räumlich auf der Atlaskarte von Johannesburg (Dier- und befragen Sie diese(n) mithilfe der vorgegebenen cke Weltatlas 2015, S. 152/4) und diskutieren Sie das Interviewfragen. Auch Sie selbst werden zu Ihrer Rol- Ausmaß und die Folgen der sozialräumlichen Frag- le befragt. Innerhalb Ihrer Gruppe sollten Sie sich zu- mentierung der Stadt. vor absprechen, wer welche Rolle interviewt, damit am Ende zu allen vier Rollen Ergebnisse vorliegen. Die Einwohner(innen) Johannesburgs – Interviewfragen Lebenssituation: Name, Alter Woher kommen Sie? Welcher Bevölkerungsgruppe gehören Sie an? Wohnsituation: Wo in der Stadt wohnen Sie? Wie würden Sie Ihre Wohn situation beschreiben? Sind Sie mit Ihrer Wohnsituation zufrieden? Wenn ja, weshalb? Wenn nicht, was ist für Sie problematisch? Arbeitssituation: Was arbeiten Sie und wie sind Ihre Arbeitsbedingungen? Wie ist Ihre Einkommens situation? Wie würden Sie Ihr Johannesburg in drei Worten beschreiben? 14
EINE METROPOLE – VIELE GESICHTER: JOHANNESBURG MATERIAL SÜDAFRIKA Ausführliche Quellenangaben des Materials Fragment A: „Gated Community“ M 2 Ouflemi, O. (2004): Socio-political imperatives of land M 1 Foto: © 2017 Google, Kartendaten © 2017 AfriGIS invasion and eviction: Revisiting the Bredell case, (Pty) Ltd, Google; Google Maps: www.google.de/ Johannesburg, South Africa, in: Centre for Urban and maps/place/Fourways,+Sandton,+2055,+Südafri- Community Studies, University of Toronto (Hrsg.) ka/@-26.0247116,28.0017119,920m/data=!3m1!1e3!4 (2014): International Conference: Adequate and m5!3m4!1s0x1e9576c722b531c1:0xb1d029298fe1d9f5! Affordable Housing for All, Toronto, S. 14. Online 8m2!3d-26.0254685!4d28.00397 [Zugriff: 4.10.2017]. verfügbar unter: www.urbancentre.utoronto.ca/pdfs/ housingconference/Olufemi_Land_Invasion_and_E.pdf M 2 Statistics South Africa: www.statssa.gov.za/?page_ [Zugriff: 4.10.2017]. id=4286&id=11304, Zensus 2011 [Zugriff: 4.10.2017]. M 3 UN-Habitat (2015): Informal settlements. Habitat M 3 Eigene Berechnungen nach: III, Issue Papers 22, United Nations Conference on Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) (o. Housing and Sustainable Urban Development in J.): Polizeiliche Kriminalitätsstatistik für NRW 2015, Quito, 2016, New York: not edited version 2.0. Düsseldorf. Online verfügbar unter: https://polizei. S. 1. Online verfügbar unter: https://unhabitat.org/ nrw/sites/default/files/2016-11/PKS_Jahrbuch_2015_ habitat-iii-issue-papers-22-informal-settlements/ inkl_Tabellenanhang(1).pdf [Zugriff: 14.11.2017]. [Zugriff: 4.10.2017]. Bundesministerium des Inneren (Hrsg.) (2016): Polizeiliche Kriminalitätsstatistik 2015, Wiesbaden. M 4 Eigene Darstellung nach Statistics South Africa: Online verfügbar unter: www.bka.de/DE/AktuelleIn- www.statssa.gov.za/?page_id=993&id=city-of- formationen/StatistikenLagebilder/PolizeilicheKrimi- johannesburg-municipality, Zensus 2011 [Zugriff: nalstatistik/PKS2015/pks2015_node.html [Zugriff: 4.10.2017]. 4.5.2017]. M 5 Foto: Gottsacker/MISEREOR. South African Police Service (Hrsg.) (2016): Annual The South African Informal City: http://informalcity. crime statistics 2015–2016, Pretoria. Online verfüg- co.za/working-living-jhb [Zugriff: 4.10.2017]. bar unter: www.saps.gov.za/services/crimestats.php [Zugriff: 4.5.2017]. Fragment D: „Bad Buildings“ M 1 Foto: Gottsacker/MISEREOR. M 4 Fourways Gardens Residential Estate – About the Estate: http://fwg.co.za/site/about-the-estate M 2 Zack, T., Bertoldi, A., Charlton, S., Kihato, M. und [Zugriff: 14.11.2017]. Silverman M. (2009): Draft Strategy for addressing blighted medium and high density residential ‘‘bad M 5 Property24: www.property24.com/for-sale/four- buildings’’ in Johannesburg, Working document for ways-gardens/sandton/gauteng/5857 [Zugriff: discussion, S. 9–12. 15.9.2017]. M 3 Eigene Darstellung nach Statistics South Africa: Fragment B: „Township“ www.statssa.gov.za/?page_id=4286&id=11317, M 1 Foto: © K.G. Schneider, 2006, Soweto, www.flickr. Zensus 2011 [Zugriff: 4.10.2017]. com/photos/kgs/267729642/in/photostream/ https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/ M 4 Inner City Ressource Center: www.icrc.org.za [Zugriff: 4.10.2017]. M 2 Heineberg, H. (2017): Stadtgeographie, 5.Aufl., Stutt- gart: UTB, S. 364–369. M 5 Mayr, G. (17.5.2016). Der Ponte Tower. Afrikas gefähr- lichstes Hochhaus bekommt eine zweite Chance. M 3 Eigene Darstellung nach Statistics South Africa: Bayrischer Rundfunk. Online verfügbar unter: www.statssa.gov.za/?page_id=4286&id=11317, www.br.de/radio/bayern2/kultur/radioreisen/johan- Zensus 2011 [Zugriff: 4.10.2017]. nesburg-ponte-tower-130.html [Zugriff: 4.5.2017]. M 4 Eigene Darstellung nach Statistics South Africa: Smith, D.: Johannesburg‘s Ponte City: ,the tallest www.statssa.gov.za/?page_id=4286&id=11317, and grandest urban slum in the world‘ – a history Zensus 2011 [Zugriff: 4.10.2017]. of cities in 50 buildings, day 33, in: The Guardian, 11.5.2015. Online verfügbar unter: www.theguardian. M 5 Eigene Darstellung nach: Chakwizira, J., Bikam, P. und com/cities/2015/may/11/johannesburgs-ponte-city- Adeboyejo, T. A. (2011): Functional and dysfunctional the-tallest-and-grandest-urban-slum-in-the-world- urban mass transportation systems in the greater a-history-of-cities-in-50-buildings-day-33 [Zugriff: Gauteng region of South Africa, in: Sustainable De- 4.5.2017]. velopment and Planning (V), S. 743. Foto: © Geoffrey Hancock/flickr: Ponte City Fragment C: „Informelle Siedlung“ (Ausschnitt), M 1 Foto: Dorothea Wiktorin. https://www.flickr.com/photos/37583171@N03/3464450399/ Lizenz: CC BY-SA 2.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/. 15
MATERIAL SÜDAFRIKA WENN KOHLE KRANK MACHT WENN KOHLE KRANK MACHT Ein Mystery über den südafrikanischen Steinkohlesektor Niklas Dewey, Ole Joerss und Lena Sachsenmaier Während in Deutschland die letzte Zeche im Ruhrgebiet im Jahr 2018 schließt, ist der Kohle sektor in Südafrika ein wichtiger Pfeiler der dort ansässigen Wirtschaft. Zum einen ist der fossile Brennstoff Hauptenergieträger im energiehungrigen Schwellenland, zum anderen wichti- ges Exportgut. Auch Deutschland, das bald auf die umweltbelastende Steinkohleförderung im eigenen Land verzichtet, gehört zu den Importeuren südafrikanischer Kohle. Mit einem Mystery lassen sich die komplexen Wechselwirkungen zwischen der ökonomischen Bedeutung des Kohlesektors in Südafrika, den dortigen sozialen und ökologischen Folgen des Abbaus und der Verantwortung der importierenden Industrieländer erarbeiten und diskutieren. S üdafrika verfügt über reiche Steinkohlelagerstät- ten und belegte 2014 den siebten Platz der welt- weit größten Kohleproduzenten (CREAMER MEDIA 2015: S. 7). Das Hauptabbaugebiet ist die Provinz Mpumalanga, wo die Steinkohle in geringen Tiefen ansteht (EBERHARD 2011: S. 2 f.). Die Hälfte der Kohle- felder kann dort daher im kostengünstigeren Tagebau erschlossen werden. Fast ein Drittel der gewonnenen Kohle wird über das Richards Bay Coal Terminal im Hafen Richards Bay direkt exportiert, wobei für den Export nur die hochwertigste Kohle verwendet wird. Der größte Teil geht nach Asien (53 %), mit 29 Prozent folgt Europa (SOUTH AFRICAN CHAMBER OF MINES, CREAMER MEDIA 2015: S. 25). In Deutschland hatte die südafrikanische Steinkohle 2015 einen Anteil von 6,5 Prozent (3,65 Mt) an den gesamten Steinkohleimpor- Foto: Julia Müller ten inne, der Wert ist aber starken jährlichen Schwan- kungen unterworfen (MISEREOR 2016: S. 63 f.). Die in Südafrika verbleibende Kohle wird zu rund Abb. 1: Spielendes Kind am Rand der informellen Siedlung 53 Prozent zur Verstromung genutzt, ca. 33 Prozent MNS nahe einer Kohlemine bei eMalahleni werden in der petrochemischen Industrie weiter- verarbeitet und zwölf Prozent in der Stahlindustrie Der wachsende Energiehunger des Landes, be- eingesetzt (CREAMER MEDIA 2015: S. 13). Ein kleiner dingt durch die zunehmende Elektrifizierung und Anteil von zwei Prozent entfällt auf den häuslichen Industrialisierung, sowie der versäumte Ausbau der Gebrauch, bei dem die Kohle zum Heizen und Ko- Kapazitäten zur Stromerzeugung und deren War- chen verwendet wird (ESKOM 2017). tung führen seit 2007 regelmäßig zu Energieengpäs- sen. Immer wieder musste Eskom Lastabschaltungen Größter südafrikanischer Kohleabnehmer mit durchführen, um einen Kollaps der Stromversorgung jährlich rund 120 Megatonnen Kohle ist der staatli- zu verhindern (FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 2008: che Energiekonzern Eskom (SOLOMONS 2015): Rund S. 2). Um den Unsicherheiten in der Stromversor- 90 Prozent des südafrikanischen Stroms werden aus gung entgegenzuwirken, baut der staatliche Ener- Steinkohle erzeugt (MISEREOR 2016: S. 20). giekonzern die zwei neuen Kohlekraftwerke Kusile 16
WENN KOHLE KRANK MACHT MATERIAL SÜDAFRIKA wärtigen, hochmechanisierten Abbaus. Besonders große Probleme stellen saure Grubenabwässer dar, die Boden, Grundwasser und Flüsse mit toxischen Schwermetallen kontaminieren. Problematisch ist ebenfalls die Luftbelastung durch Kohlestaub und Emissionen der Kohlekraftwerke. Diese und weite- re ökologische Folgen wirken sich dramatisch auf die Lebenssituation der Bevölkerung in den Kohle abbaugebieten aus: Die degradierte Bodenqualität Foto: Niklas Dewey erschwert die landwirtschaftliche Nutzung massiv. In den pflanzlichen und tierischen Erzeugnissen der Landwirtschaft reichern sich Schwermetalle an, die direkt oder über die Nahrungskette bis zum Men- Abb. 2: Das Kohlekraftwerk Kusile wird nach Fertigstellung schen gelangen. Darüber hinaus werden viele Mi- 4800 MW in das Energienetz einspeisen. Eskoms Gesamtleis- nen nicht rekultiviert, obwohl dies gesetzlich vorge- tung betrug im Jahr 2017 42.090 MW schrieben ist. Ungesicherte und instabile Schächte sowie unterirdische Flözbrände stellen erhebliche und M edupi, die bei Fertigstellung zu den größten Risiken dar. Mitglieder des South African Green Re- der Welt gehören werden. Matshela Koko, Geschäfts- volutionary Council (SAGRC), einer Organisation, führer von Eskom, bezeichnet die Kohle wegen der die sich für ein Ende des Kohlebergbaus in Süd herausragenden Bedeutung für die Stromerzeugung afrika einsetzt, berichten, dass immer wieder Men- gar als „lifeblood“ (Lebenselixier) der südafrikani- schen in nicht gesicherte Schächte stürzen, Häuser schen Wirtschaft (KOKO 2017). Um die Kraftwerke bedroht sind und sich Kinder auf dem glühenden versorgen zu können, sind weitere riesige Minen, so- Untergrund Verbrennungen zuziehen. genannte megamines, mit jährlichen Fördermengen über 10 Megatonnen geplant (CREAMER M EDIA Besonders stark betroffen sind die Bewohner(in- 2015: S. 21 f.). nen) informeller Siedlungen, die keinen Zugang zu sauberem Wasser und Elektrizität haben. Die Nut- Die wirtschaftliche Bedeutung des Kohlesektors zung des kontaminierten Wassers kann unmittel- spiegelt sich auch in den Zahlen zum Arbeitsmarkt bar zu Organschäden und Hautreizungen führen wider: Geschätzte 130.000 Arbeitsplätze hängen di- (MISEREOR 2016: S. 28 ff.). rekt vom Kohlesektor ab (SOUTH AFRICAN CHAMBER OF MINES 2013/14, KOKO 2017). Das Kohleunterneh- Hinzu kommt, dass die Hoffnung der lokalen Be- men Anglo American beschäftigt alleine rund 27.000 völkerung, eine Arbeit in den Minen oder Kohlekraft Arbeitskräfte (ROWLAND 2016). Auch die Kohlelogis- werken zu finden, häufig enttäuscht wird, da die tik schafft viele Arbeitsplätze: Transnet, der staatliche Eisenbahnbetreiber, zählt rund 25.000 Erwerbstätige in der Schienenlogistik und Eskom betreibt eine Flot- te von 2000 Kohletrucks, die Kohlekraftwerke belie- fern (PRINSLOO 2016). Eine Abkehr von der Steinkohle ist laut Experten für die nächsten 20 bis 30 Jahre unwahrscheinlich (MISEREOR 2016: S. 20). Dabei sind die ökologischen Foto: Lena Sachsenmaier Folgen der Kohleförderung und -nutzung bereits deutlich zu spüren. Sie sind zum einen bedingt durch die Ewigkeitslasten des historischen Kohlebergbaus in Südafrika, der bereits Ende des 19. Jahrhunderts begann. Zum anderen sind sie Resultat des gegen- Abb. 3: Die informelle Siedlung Coronation in der Nähe von eMalahleni direkt neben verlassenen, unrehabilitierten Kohleminen 17
MATERIAL SÜDAFRIKA WENN KOHLE KRANK MACHT Anforderungen an Ausbildungsgrad und Gesund- le und kulturelle Rechte sind betroffen). Angesichts heitszustand sehr hoch sind. Eine hohe Arbeitslo- des Baus weiterer Kraftwerke und der Erschließung senquote von über 30 Prozent und berufliche Per- neuer Minen scheint es gegenwärtig keinen Ausweg spektivlosigkeit sind die Folgen (MISEREOR 2016: daraus zu geben. S. 36). Viele Frauen sehen sich in die Prostitution ge- zwungen, ein Grund für die erhöhte HIV/AIDS-Rate in Vor diesem Hintergrund muss auch die kritische dem Kohleabbaugebiet rund um die Stadt eMalahleni Frage nach der Mitverantwortung der Kohle impor- (MISEREOR 2016: S. 28). Es ist ein Teufelskreis aus tierenden Länder und der am Bau neuer Kraftwerke ökologischen und sozialen Folgen sowie verletzten beteiligten ausländischen Unternehmen aufgewor- Menschenrechten (Recht auf Wasser, Gesundheit, fen werden. Nahrung, Wohnen, aber auch wirtschaftliche, sozia- Literaturverzeichnis Creamer Media (2015): Coal 2015. A Review of South Afri- Rowland, J. (2016): The Ugly: South Africa, unter: ca‘s Coal Sector, Johannesburg. https://www.worldcoal.com/special-reports/08022016/ Eberhard, A. (2011): The Future of South African Coal: the-ugly-south-africa-regiona-report-2106-191/ Market, Investment, and Policy Challenges, Stanford: [Zugriff: 8.1.2017]. Program on Energy and Sustainable Development, Schuler, S. (2012): Denken lernen mit Mystery-Aufgaben, Working Paper #100. in: Praxis Geographie extra. Mystery. Geographische Eskom (o. J.): Company information, unter: Fallbeispiele entschlüsseln, Braunschweig, S. 4–7. http://www.eskom.co.za/OurCompany/CompanyInfor- Solomons, I. (2015): Eskom aiming to slash truck-delivered mation/Pages/Company_Information_1.aspx [Zugriff: coal as it seeks cost, other benefits, unter: 6.1.2017]. http://www.miningweekly.com/print-version/eskom- Friedrich-Ebert-Stiftung (2008): Energiekrise: Südafrika continues-focus-on-reducing-coal-road-haulage- unter Strom? In: Fokus Südafrika. Publikation für Politik, volumes-2015-07-24 [Zugriff: 28.12.2016]. Wirtschaft und Gesellschaft in Südafrika, Ausg. 02/08. South African Chamber of Mines (SACM): Coal, unter: Koko, M. (o. J.): Coal is the lifeblood of the South African http://www.chamberofmines.org.za/sa-mining/coal economy, unter: http://www.eskom.co.za/Pages/CoaL. [Zugriff: 8.1.2017; neue Webadresse: aspx [Zugriff: 8.1.2017]. https://www.mineralscouncil.org.za/sa-mining/coal]. MISEREOR (Hrsg.) (2016): Wenn nur die Kohle zählt. South African Chamber of Mines (SACM): Annual Report Deutsche Mitverantwortung für Menschenrecht im 2013/2014, unter: http://www.chamberofmines.org.za/ südafrikanischen Kohlesektor, Aachen. Online verfüg- industry-news/publications/annual-reports bar unter: https://www.misereor.de/fileadmin/publika- [Zugriff: 8.1.2017; neue Webadresse: tionen/studie-wenn-nur-die-kohle-zaehlt.pdf [Zugriff: https://www.mineralscouncil.org.za/industry-news/ 15.11.2017]. publications/annual-reports]. Prinsloo, K. A. (2016): The Logistics of Transporting Coal, unter: http://www.miningafricaonline.co.za/index. php/publications/plant-equipment-hire/110-features/ transport-in-mining/transport-features/2637-the-logi- stics-of-transporting-coal [Zugriff: 28.12.2016]. 18
WENN KOHLE KRANK MACHT MATERIAL SÜDAFRIKA Unterrichtliche Umsetzung Zu Beginn des Unterrichts wird die Ausgangs- Zeitbedarf: 2 Unterrichtsstunden s ituation (M 1), die das Mystery anstößt, im Plenum Lehrplanbezüge: Fossile Energieträger, Energie, verlesen. Wahlweise erarbeiten die Schülerinnen globale Handelsbeziehungen und Schüler mögliche Leitfragen selbst oder die Lehrperson gibt die Leitfrage vor (M 2). Anschlie- ßend beginnt die Gruppenarbeitsphase. In dieser D er Unterricht kann in Form einer Gruppenarbeit durchgeführt werden, in der die Materialien eine schüleraktive Auseinandersetzung mit der Thematik lokalisieren die Schülerinnen und Schüler zunächst das Raumbeispiel und setzen sich dann intensiv mit den einzelnen Mystery-Kärtchen auseinander (sie- „Raumwirksamkeit von Energieträgern und Ener- he Arbeitsaufträge). Dazu sollen die Inhalte jedes gienutzung“ ermöglichen. Die hierzu ausgewählte Mystery-Kärtchens in einem aussagekräftigen Titel Methode des Mysterys erlaubt es den Schülerinnen zusammengefasst werden. Um die Komplexität des und Schülern, sich mit einer Vielzahl von geogrphi- Wirkungsgefüges didaktisch zu reduzieren, können schen Medien auseinanderzusetzen, Informationen auch Karten ausgelassen werden (in Abb. 4 mit ge- selbst zu erschließen und Bezüge zwischen diesen strichelten Rahmen markiert). Umgekehrt können herzustellen. Auf diese Weise werden unterschied- optional leere Kärtchen dazu dienen, fehlende In- liche Kompetenzen gefördert, wobei die Schulung formationen oder auch Fragen zu ergänzen, die zur des vernetzten und systemischen Denkens im F okus Lösung des Mysterys beitragen. steht. Inhaltlich setzen sich die Schülerinnen und Schüler erstens mit der ökonomischen Bedeutung Ihre Ergebnisse stellen die Schülerinnen und des Steinkohlesektors für Südafrika, zweitens mit Schüler in einem Wirkungsgefüge dar (vgl. Abb. 4). dessen sozialen und ökologischen Folgen und drit- Dieses kann entweder von einzelnen Gruppen im tens mit den Zusammenhängen innerhalb einer Plenum oder einer jeweiligen Partnergruppe präsen- globalen Wirtschaft, insbesondere der Mitverant- tiert werden. Die Lehrperson sollte darauf achten, wortung importierender Länder wie Deutschland, dass die Auflösung des Mysterys auf den Inhalten auseinander. der Infokarten basiert. Im Anschluss sollte eine meta- kognitive Reflexionsphase über das Vorgehen beim Lösen des Mysterys folgen (SCHULER 2012: S. 6). Das hier dargestellte Wirkungsgefüge darf dabei nur als eine mögliche Lösungsvariante verstanden werden. 19
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