Sinneswahrnehmung im naturnahen Ökosystem - ABENTEUER NATURREICH Melanie Rebernig - FH Vorarlberg

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Sinneswahrnehmung im naturnahen Ökosystem - ABENTEUER NATURREICH Melanie Rebernig - FH Vorarlberg
Melanie Rebernig

    Sinneswahrnehmung
 im naturnahen Ökosystem

ABENTEUER NATURREICH
Sinneswahrnehmung im naturnahen Ökosystem - ABENTEUER NATURREICH Melanie Rebernig - FH Vorarlberg
Sinneswahrnehmung im naturnahen Ökosystem - ABENTEUER NATURREICH Melanie Rebernig - FH Vorarlberg
Sinneswahrnehmung im
naturnahen Ökosystem

Masterarbeit
eingereicht von Melanie Rebernig
durchgeführt an der FH Vorarlberg (www.fhv.at)
Master-Studiengang InterMedia
betreut von Dr. in Margarita Köhl

Dornbirn, im Juli 2021

Das Urheberrecht liegt beim Autor. Die Fachhochschule Vorarlberg hat
zeitlich, räumlich und kausal unbeschränktes Werknutzungsrecht für
alle Verwertungsformen gemäß § 15 – 18a UrhG.
Sinneswahrnehmung im naturnahen Ökosystem - ABENTEUER NATURREICH Melanie Rebernig - FH Vorarlberg
Kurzreferat: Sinneswahrnehmung
im naturnahen Ökosystem

Die Ökosysteme dienen uns Menschen bereits seit hunderttausenden von Jahren als Lebensraum
und sorgen durch ihre Ressourcen für unser Wohlbefinden und Überleben. Doch heute stehen wir
vor gravierenden Umweltproblemen, die durch den Menschen verursacht wurden und die eine
große Bedrohung für unseren Planeten darstellen. Die Ursache dafür ist unter anderem die Ent-
fremdung des Menschen von der Natur. Immer häufiger kommt es schon während der Kindheit
zu einer Entfremdung von den naturnahen Ökosystemen, dabei ist Empathie für die Ökosysteme
sowie systemisches Ökologiebewusstsein unumgänglich, um unseren Planeten zu retten.

Diese Arbeit beschäftigt sich daher mit der Forschungsfrage: Wie kann ökologisches Wissen für
Kinder so aufbereitet werden, dass ein Lerneffekt eintritt und dabei auch die Empathie für die na-
turnahen Ökosysteme gefördert wird?

Für die Beantwortung dieser Frage wurden theoretische Erkenntnisse, Best Practice Analysen und
Personas herangezogen sowie explorative Experteninterviews durchgeführt. Anhand der Ergebnisse
wurde ein Anforderungskatalog und eine Konzeption für eine Anwendung entwickelt, die Familien
mit Kindern, in Form von unterschiedlichen digitalen Educational Games mit interaktiven Aufga-
ben, naturnahe Ökosysteme näherbringen soll. Als Anwendungsszenario wurde ein Protoyp für das
Fohramoos am Bödele erstellt und evaluiert. Die Ergebnisse der Evaluation zeigten sowohl Motiva-
tion und Spielspaß, als auch einen Lerneffekt bei den Kindern. Außerdem wurde die Beziehung der
Kinder zum Ökosystem positiv beeinflusst.

Die digitalen Vermittlungsformate sowie Educational Games sind im Bereich Bildung für nach-
haltige Entwicklungen bisher nur sehr wenig erforscht. Deshalb trägt diese Arbeit dazu bei diese
Forschungslücke zu schließen.
Sinneswahrnehmung im naturnahen Ökosystem - ABENTEUER NATURREICH Melanie Rebernig - FH Vorarlberg
Abstract: Sensory perception in
the semi-natural ecosystem

Ecosystems have served us humans as a habitat for hundreds of thousands of years, providing re-
sources for our well-being and survival. But today we are facing serious environmental problems
caused by humans, which pose a great threat to our planet. The cause of this is, among other things,
the alienation of man from nature. More and more often, alienation from nature-based ecosystems
already occurs during childhood, yet empathy for ecosystems as well as systemic ecology awareness
is inevitable to save our planet.

Therefore this thesis deals with the research question: How can ecological knowledge be prepared
for children in such a way that a learning effect occurs and empathy for the semi-natural ecosystems
is also promoted?

To answer this question, theoretical findings, best practice analyses, and personas were used, and
exploratory expert interviews were conducted. Based on the results, a catalog of requirements and
a concept for an application were developed, which is intended to introduce families with children
to semi-natural ecosystems in the form of different digital educational games with interactive tasks.
As an application scenario, a prototype for the Fohramoos at Bödele was created and evaluated. The
results of the evaluation showed motivation and fun as well as a learning effect for the children. In
addition, the children’s relationship to the ecosystem was positively influenced.

The digital mediation formats as well as Educational Games have been researched very little in
the field of education for sustainable development. Therefore this work contributes to closing this
research gap.
Sinneswahrnehmung im naturnahen Ökosystem - ABENTEUER NATURREICH Melanie Rebernig - FH Vorarlberg
Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung									11

2. Naturverständnis im zeitlichen und kulturellen Kontext         13

3. Begriffsdiskussion Natur vs. Ökosystem				                     15

4. Der Mensch und die Ökosysteme heute				                        19

     4.1. Anthropozän 								19
     4.2. Planet Centric Design							20
     4.3. Nachhaltigkeit und Bildung für nachhaltige Entwicklung		 21
     4.4. Empathie für die Ökosysteme					22

5. Kinder und Ökosysteme 							24

     5.1. Wirkung der Ökosysteme auf Kinder					 24
     5.2. Interessen der Kinder heute						25

6. Lerntheorien 									28

     6.1. Wahrnehmung 								28
     6.2. Kognitive Lerntheorien							29
     6.3. Konstruktivismus							30
     6.4. Embodied Cognition 							30
     6.5. Klassische Lerntheorien						31
     6.6. Sozialkognitive Lerntheorie						33
		6.6.1. Automatisches Imitationslernen					33
		6.6.2. Soziales Lernen							34
     6.7. Motivation								34
		6.7.1. Selbstbestimmungstheorie						35
		6.7.2. Intrinsische und extrinsische Motivation				35
		6.7.3. Erweitertes kognitives Motivationsmodell				36
     6.8. Mediendidaktik								36
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7. Vermittlungsformate und -methoden					38

     7.1. Digital unterstütztes Lernen						38
		7.1.1. Handys und Smartphones						38
		7.1.2. Digitale Spiele							39
     7.2. Gamification								39
		7.2.1. Spielertypen							39
		7.2.2. Spiel-Design-Elemente						40
		 7.2.3. Wirkung von Gamification auf die Motivation				 41
     7.3. Serious Games								41
     7.4. Storytelling								42

8. Konzeption einer praktischen Anwendung				             44

     8.1. Idee									44
     8.2. Zielgruppendefinition							44
     8.3. Personas									44
     8.4. Wettbewerbsanalyse							47
     8.5. Best Practice Analysen						47
		8.5.1. eSqirrel								47
		8.5.2. Die kleine Waldfibel							49
		 8.5.3. Imagoras – die Rückkehr der Bilder					 49
		8.5.4. Ein rätselhafter Auftrag						51
     8.6. Experteninterviews							53
     8.7. Anforderungskatalog							54
     8.8. Konzept									55
     8.9. Funktionen								56
     8.10. Informationsarchitektur mit Sitemap				57

9. Realisierung									58

     9.1. Route									58
     9.2. Lernziele									59
     9.3. Story									59
     9.4. Aufgaben und Stationen						60
     9.5. Iterativer Design Prozess						60
     9.6. Corporate Identity							60
		9.6.1. Farben								60
		9.6.2. Schriften								61
		9.6.3. Logo								61
		9.6.4. Charaktere & Icons							62
		9.6.5. Bilder								62
		9.6.6. Formen								63
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9.7. Design									63
		9.7.1. Homescreen								63
		9.7.2. Avatar								64
		9.7.3. Abenteuer								65
		9.7.4. Story								65
		9.7.5. Aufgaben								68
		9.7.6. Geschenk								71
		9.7.7. Quartettspiel							72
		9.7.8. Weitere Elemente							74

10. Evaluierung und resultierende Optimierungen 			                      75

      10.1. Methoden der Datenerhebung 					75
		10.1.1. Qualitatives Interview mit Kindern					75
		 10.1.2. Kinderzeichnungen als Instrument der qualitativen Forschung		 76
		 10.1.3. Usability Test mit Thinking- Aloud-Method				                 76
		10.1.4. Ethnografische Methode						76
      10.2. Die Probanden								77
      10.3. Methoden der Datenauswertung und Ergebnisse 		 77
		10.3.1. Ergebnisse qualitative Inhaltsanalyse					77
		10.3.2. Interpretation der Kinderzeichnungen				79

11. Weiterentwicklungsmöglichkeiten 					83

12. Diskussion und Ausblick 							84

Literaturverzeichnis 								87

Eidesstattliche Erklärung 							95
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Darstellungsverzeichnis

Darst. 1: Spiel-Design-Elemente und Motive (Blohm; Leimeister 2013, S. 276)			                    40
Darst. 2: eSquirrel Lernapplikation (eSquirrel GmbH 2021)					                                    48
Darst. 3: Die kleine Waldfibel (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2020)          49
Darst. 4: Imagoras – die Rückkehr der Bilder (Städel Museum 2021)				                             50
Darst. 5: Ein rätselhafter Auftrag - Lernabenteuer (Institut für Bildungsentwicklung Linz 2017)   52
Darst. 6: Mindmap der Funktionen								56
Darst. 7: Sitemap der Applikation								57
Darst. 8: Route für Prototyp im Fohramoos							                                                  58
Darst. 9: Dramaturgie mit 3-Akt-Struktur							59
Darst. 10: Logo „Abenteuer Naturreich“							61
Darst. 11: Hauptcharakter vom „Rätsel im Moor“						                                              62
Darst. 12: Homescreen und Kartenansicht							63
Darst. 13: Avatar und Blätter								64
Darst. 14: Abenteuer Überblick								65
Darst. 15: Story „Rätsel im Moor“								65
Darst. 16: Story „Rätsel im Moor“								66
Darst. 17: Start „Rätsel im Moor“								66
Darst. 18: Start „Rätsel im Moor“								66
Darst. 19: Station 2									67
Darst. 20: Station 3									67
Darst. 21: Station 4									67
Darst. 22: Aufgabenstellung Müll entsorgen							68
Darst. 23: Aufgabe Müll entsorgen								68
Darst. 24: Aufgabenstellung Fühlen und Bestimmen						                                            69
Darst. 25: Aufgabe Fühlen und Bestimmen							69
Darst. 26: Aufgabe Fühlen und Bestimmen							69
Darst. 27: Aufgabe das Moor untersuchen							70
Darst. 28: Aufgabe das Moor untersuchen mit Lupe						                                            70
Darst. 29: Gamification									70
Darst. 30: Hinweis zum Geschenk								71
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Darst. 31: Homescreen und Geschenk							71
Darst. 32: Quartett das Moor								72
Darst. 32: Quartett der Moorboden							73
Darst. 33: Rückseite Quartett								73
Darst. 34: Fotos Libelle									74
Darst. 35: Zeichnung vor der Evaluation, Proband 1						     80
Darst. 36: Zeichnung nach der Evaluation, Proband 1						    80
Darst. 37: Zeichnung vor der Evaluation, Probandin 2						   81
Darst. 38: Zeichnung nach der Evaluation, Probandin 2					   81
Darst. 39: Zeichnung vor der Evaluation, Proband 3						     82
Darst. 40: Zeichnung nach der Evaluation, Proband 3					     82
1. Einleitung

  Bereits 1972 wurden vielen Menschen durch eine Publikation darauf aufmerksam gemacht, dass die
  Ressourcen unseres Planeten begrenzt sind. Es wurden daraufhin auch einige politische Rahmen-
  bedingungen geschaffen, jedoch hat sich das zum größten Teil kapitalistische Wirtschaftssystem sehr
  wenig auf die nicht unbegrenzten Ressourcen eingestellt. Zudem wurden die Auswirkungen der
  menschlichen Aktivitäten auf die Biodiversität und die Ökosysteme der Erde übersehen. Im Jahre
  2005 erfolgte dann eine Untersuchung von 1.300 Wissenschaftlern aus 95 Ländern, um Informa-
  tionen über den Zustand und die Entwicklungen der Ökosysteme zu gewinnen. Das Resultat war
  besorgniserregend: Etwa 60 % der untersuchten Ökosysteme und der damit verbunden Ökosystem-
  dienstleistungen befinden sich in einem Zustand fortgeschrittener Zerstörung.
  (Zaller 2020, S.96)

  Ein weiteres durch menschliches Handeln verursachtes Problem ist der Klimawandel und seine
  massiven Effekte auf die globalen Lebensbedingungen. (Schmid; Pröll 2020, S. 2) Aufgrund der be-
  trächtlichen Auswirkungen des Menschen auf das Klima, spricht man heute vom Anthropozän, dem
  menschlich geprägten Erdzeitalter. (Crutzen 2002, S. 23) Obwohl bereits bekannt ist, dass es die
  Treibhausgase sind, die eine entscheidende Rolle bei der Erderwärmung spielen, kommt es kaum zu
  Handlungen. Dabei kann nicht nur politisches Handeln etwas bewirken sondern auch das Alltags-
  verhalten jedes einzelnen. (Bauer 2020, S. 80-82)

  Die Beziehung von Mensch und Natur hat sich im Laufe der Geschichte verändert. Heute leben die
  Menschen vorwiegend in künstlich geschaffenen Umgebungen, wo versucht wird, letzte naturnahe
  Ökosysteme zu erhalten und Wildnis hauptsächlich nur noch medial vermittelt wird. (Kleinhückel-
  kotten; Neitzke 2010, S. 6-8 ) Diese Lebensumstände führen immer mehr zu einer Entfremdung
  des Menschen von natürlichen und naturnahen Lebensräumen. Die Folge dieser Entfremdung ist
  eine fehlende Motivation zu ökologischem Handeln und einer ökologischen Lebensweise. (Bauer
  2020, S. 12) So kommt es auch immer häufiger bereits in der Kindheit zu einer Entfremdung von
  natürlichen und naturnahen Umwelten. Dabei spielen naturnahe Umgebungen auch bei der Ent-
  wicklung der Kinder eine wichtige Rolle. (Gebhard 2013, S. 74) Doch auch das Interesse vonseiten
  der Kinder für das Thema Natur und Umwelt ist nicht immer vorhanden und nimmt mit zuneh-
  mendem Alter noch mehr ab. (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2018, S. 5-7)
  Gerade Kinder sind jedoch noch viel offener und empfänglicher dafür, mit Ökosystemen in Bezie-
  hung zu treten und Empathie für sie zu entwickeln. (Acar; Torquati 2015, S. 62-70)

  Zudem ist auch die Bildung ein wesentlicher Faktor, um systemisches Ökologiebewusstsein zu ent-
  wickeln. An Schulen wird Bildung für nachhaltige Entwicklungen bereits integriert und soll dabei
  helfen, die Kinder für die Komplexität der Umweltprobleme zu sensibilisieren und zu konkreter
  Umsetzung beitragen. ( Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung 2019)
  In der Forschung der Umwelt- und Nachhaltigkeitsbildung wurde der Verbreitung und Wirkung
  der unterschiedlichen Medien bisher kaum Beachtung geschenkt, obwohl einige Kommunikations-
  formen ein hohes Potenzial für den Bereich Umweltschutz aufweisen. (Lück 2017 S. 202-207)

                                                                                                   11
EINLEITUNG

Diese Arbeit beschäftigt sich daher mit folgender Forschungsfrage:
Wie kann ökologisches Wissen für Kinder so aufbereitet werden, dass ein Lerneffekt
eintritt und dabei auch die Empathie für die naturnahen Ökosysteme gefördert wird?

Das Ziel dieser Arbeit ist, die Forschungsgebiete ökologische Wissensvermittlung und Empathie
für die Ökosysteme zu untersuchen und anhand der sich daraus ergebenden Anforderungen einen
Prototypen zu entwickeln, der Familien mit Kindern ökologisches Wissen vermittelt und zugleich
die Empathie für die Ökosysteme fördert, um die Kinder und Familien zu ökologischem Handeln
zu animieren. Der Prototyp soll dann im Öko-system Moor mit der Zielgruppe evaluiert werden.
Der Wissenserwerb im Zusammenhang mit unterschiedlichen Sinneswahrnehmungen und digita-
len Vermittlungsformaten und -methoden sowie das Familienerlebnis zur Förderung der Empathie,
stehen hier im Mittelpunkt.

Die Arbeit wurde folgendermaßen aufgebaut: Einleitend soll mit dem Kapitel „Naturverständnis
im zeitlichen und kulturellen Kontext“ ein Überblick über die Mensch-Natur-Beziehung im Laufe
der Geschichte gegeben werden. Nachfolgende sollen die Begriffe Natur und Ökosystem diskutiert
werden, um die Begrifflichkeiten für diese Arbeit abzugrenzen. Das dritte Kapitel beschäftigt sich
mit der aktuellen Situation der Ökosysteme und der Rolle des Menschen darin. Im nächsten Kapitel
wird die Beziehung der Kinder zu den Ökosystemen und deren Auswirkungen betrachtet. Das
Kapitel sieben widmet sich den unterschiedlichen Lerntheorien und nachfolgend werden ausge-
wählte Vermittlungsformaten und Methoden zur Steigerung der Motivation beleuchtet. Im Kapitel
„Konzeption einer praktischen Anwendung“ erfolgt eine kurze Vorstellung der Idee und die Festle-
gung der Zielgruppe. Anschließend werden durch Personas, Best-Practice-Analysen und explorative
Experteninterviews die Anforderungen an die Anwendung erweitert und in Form eines Anforde-
rungskataloges dargestellt. Nachfolgend wird das Konzept und der Aufbau der Applikation und des
Educational Games vorgestellt. Im Kapitel „Realisierung“ wird die Entstehung der Applikation und
des Educational Games beschrieben. Die Evaluation stellt die Methoden der Datenerhebung, die
Probanden sowie die Datenauswertungen und die Ergebnisse der konkreten Anwendung des Edu-
cational Games im Ökosystem Moor dar. Im folge Kapitel werden nun mögliche Weiterentwicklun-
gen vorgestellt. Zum Abschluss erfolgt die Diskussion der Forschungsfrage und der Anforderungen
sowie ein Ausblick auf mögliche zukünftige Entwicklungen. Diese Arbeit liefert somit einen Beitrag
zur Vermittlung von ökologischem Wissen und der Förderung des Entstehens von Empathie für die
Ökosysteme im familiären Kontext.

                                                                                               12
2. Naturverständnis im zeitlichen und
   kulturellen Kontext

  Das Verhältnis von Mensch und Natur hat sich durch die kulturelle Evolution, der Entwicklung
  von Technik und Produktionsweisen sowie der Erschließung neuer Lebensräume und den verän-
  derten Umweltbedingungen, gewandelt. Heute, wo in den Industrieländern fast alle Menschen in
  künstlich geschaffenen Umgebungen von Städten oder in Gebieten mit intensiv genutzten Land-
  schaften leben, wo letzte naturnahe Lebensräume unter Anstrengung versucht werden, zu erhalten
  und Wildnis hauptsächlich medial vermittelt wird, ist es kaum vorstellbar, welche Bedeutung die
  Naturgegebenheiten einst für die Lebensbedingungen und kulturellen Entwicklungen hatten. Ob-
  wohl sich die Bedeutung und Vorstellung von Natur besonders in den technisch und wirtschaftlich
  weit entwickelten Regionen geändert hat, sind heute noch Elemente früherer Ansichten wirksam.
  Die erste wichtige Etappe für die wesentliche geschichtliche Entwicklung des westlichen Natur-
  begriffs stellte die griechische Antike dar. Durch die antike Philosophie wurde ein sehr umfassendes
  Verständnis für die Natur geschaffen: Einerseits ist Natur alles, was ohne das Zutun den Menschen
  entsteht, einschließlich dem Menschen selbst, andererseits wird Natur als das göttliche Prinzip an-
  gesehen, welches hinter dieser selbsttätigen Entwicklung steht. (Kleinhückelkotten; Neitzke 2010,
  S. 6-8 )

  Auch im Islam wurde die Vorstellung übernommen, dass die Natur heilig ist, weil sie Gottes
  Schöpfung ist und der Mensch von Gott das Privileg bekam, alle Geschöpfe auf Erden zu nutzen
  und die Verantwortung für sie zu sorgen. Die Natur galt zwar in Judentum, Christentum und Islam
  ursprünglich als heilig, zugleich richten sich diese Religionen aber stark auf das Jenseits aus und die
  reale Welt mit ihrer Natur wird nur als eine Durchgangstation in eine jenseitige Welt angesehen. In
  Folge dessen wurde im westlichen Europa während des gesamten Mittelalters der Natur kein Wert
  zugemessen. Außerdem hielten sich vorchristliche Vorstellungen über die Natur und der in ihr wir-
  kenden Kräfte. Daher wurde die Natur außerhalb der Siedlungsgebiete als bedrohlich empfunden.
  (Kaufmann 2004, S. 205-233)

  In der Neuzeit wurde die Natur dann als Maschine angesehen, die von Gott geschaffen wurde, aber
  ohne sein Einwirken funktioniert und vom Menschen manipuliert und seinen Wünschen entspre-
  chend genutzt werden kann.Der Protestantismus, insbesondere der Calvinismus, führte dann noch
  weiter weg von den Naturvorstellungen der frühen Christen. Nach dieser Lehre werden von Gott
  ausersehene Menschen, die ewige Seligkeit zu erlangen, schon auf Erden mit weltlichen Gütern be-
  lohnt. Somit wurde dem Reichtum auch ein spiritueller Wert zugeschrieben, selbst wenn er durch
  die zerstörerische Ausbeutung der Natur erworben wurde. Der Einfluss des Calvinismus auf Arbeits-
  und Wirtschaftsethik spielte eine wesentliche Rolle für die industrielle Revolution und den moder-
  nen Kapitalismus. Denn diese Naturvorstellung diente zur Legitimation der Ausbeutung der Natur
  und auch “primitiver Völker“, die das Land nicht zur Vermehrung des Wohlstands nutzen.

  Im Laufe des 19. Jhdt. belebten Germanenforscher der Romantik die Naturvorstellungen, die in
  der vorchristlichen Zeit entstanden waren. Dichter, Maler und städtische Intellektuelle trugen zu
  einer Verbreitung der romantischen Naturvorstellung in der Bevölkerung bei. Vor allem im forst-
  lichen Waldbau wurde versucht die Landschaftsvorstellung, der romantischen Dichter und Maler
  in die Realität umzusetzen. So wurden die Wälder angereichert mit stattlichen Bäumen, Felsen und

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NATURVERSTÄNDNIS IM ZEITLICHEN UND KULTURELLEN KONTEXT

Bächen. Gärten und kleine Waldstücke wurden den Ölgemälden nachempfunden und mit bemoos-
ten Steinen, einer Grotte und einem kleinen Wasserfall gestaltet. (Kleinhückelkotten; Neitzke 2010,
S. 6-8 )

Auch das Naturverständnis der Germanen ist heute noch wirksam. Ihr besonderes Verhältnis zum
Wald und zu den Bäumen rührte von der (Ehr-)Furcht vor Wäldern und der Vorstellung, dass die
Natur, insbesondere der Wald, von Geistwesen beseelt ist. Vor allem aber wurden die Naturvor-
stellungen der Bevölkerung durch das Christentum geprägt. Die Auffassung vom Mensch-Natur-
Verhältnis des Christentums wurde vom Judentum übernommen, welches den Menschen über alle
Tiere stellte, die Natur wurde zwar als heilig angesehen, denn sie ist Gottes Schöpfung, aber nicht
als anbetungswürdig erachtet. Der Mensch selbst sah sich als Gottes Verwalter seiner Schöpfung
und Bewahrer der von ihm geschaffenen Ordnung. Jedoch wurde das Christentum auch stark vom
Naturverhältnis des antiken Griechenlands beeinflusst, das im Widerspruch zum Judentum stand
und die Natur als schön und harmonisch wahrnahm und ihr eigene Gesetzmäßigkeiten und eigene
Überlebenskraft zuschrieb. (Marten 2001, S. 121-133)

Eine Befragung von 5.000 Berg-, Textil- und Metallarbeitern von 1912 zeigte, dass zum damaligen
Naturbewusstsein eine moralische Dimension dazugehörte. Die Befragten sprachen der Natur und
dem Zusammenspiel der unterschiedlichen Lebensformen eine höhere Moral zu, als den Sozialbe-
ziehungen in der Gesellschaft. Außerdem projizierten sie ihre Wünsche und Vorstellungen für eine
glückliche Zukunft auf die Natur, denn mit der Zivilisation ging aus ihrer Sicht, Harmonie und
ästhetische Ordnung, Einsamkeit und Stille verloren. (Kleinhückelkotten; Neitzke 2010, S. 9 )

In den 1990ern waren die ultilitaristische oder hedonistische Haltung zur Natur am weitesten
verbreitet. Einerseits wurde sie als zu bewirtschaftender Ressourcenpool angesehen andererseits als
Erholungsraum und Spielplatz für die Freizeit. Auch die Ästhetisierung und Idyllisierung der Natur
sowie die Bedrohung der Natur durch den industriellen Fortschritt spielten bei der Bevölkerung
eine wichtige Rolle. (Huber 2011, S. 25)
Der Volkskundler Albrecht Lehmann konnte durch eine qualitative Untersuchung feststellen, dass
auch heute noch das romantische Bild von Natur das Naturverständnis der Bevölkerung bestimmt.
(Lehmann 2001, S. 1-11) Heute ist Natur für viele Menschen ein Ort für die immer dezidierteren
Freizeitansprüche. Der Wald hat sich zum Traum vom Urwald zwischen Autobahn, Erholung und
„Outdoor Adventure“ entwickelt. Diese Bilder stimmen aber nicht mit der Realität überein und es
sind Vorstellungen, die nicht zu einem vernünftigen und von Verständnis geprägtem Umgang mit
der Natur beitragen. (Bolay; Reichle 2007, S. 16) Eine empirische Untersuchung in Deutschland
zum „Natur“ Begriff zeigte, dass in Deutschland mit „Natur“ vorwiegend nichtmenschliche Natur
assoziiert wird und die Naturassoziationen in der gesellschaftlichen Wahrnehmung meist Aspekte
einer idyllischen Landschaft aufweisen. Etwa die Hälfte der Befragten beschrieben heimatliche land-
schaftliche Szenen.. (Kleinhückelkotten; Neitzke 2010, S. 22 ) Der Naturbegriff sowie das mensch-
liche Verhältnis zur Natur sind keine Konstanten, sondern werden stark von der jeweiligen Kultur
beeinflusst. (Gebhard 2013, S .40 ff)

Wie sich zeigt, haben sich im Laufe der Geschichte viele unterschiedliche Vorstellungen der Natur
entwickelt und sich das Verhältnis von Menschen und Natur verändert. Auch heute sind immer
noch unterschiedliche Vorstellungen verbreitet.

                                                                                                    14
3. Begriffsdiskussion Natur vs. Ökosystem

  Der Naturbegriff ist durch seine Vielfalt gekennzeichnet und teilweise mit unrealistischen Hoff-
  nungen und Interessen verknüpft, in historischer sowie kultureller Hinsicht. Auch die Unbestimmt-
  heit des Begriffs „Natur“ sollte nicht vernachlässigt werden. (Gebhard 2013, S. 40) Daher sollen
  zunächst die Begriffe Natur, Ökologie, Umwelt und Ökosystem in den Blick genommen und für
  die hier vorliegende Arbeit diskutiert werden.

  Laut Huber ist der Begriff Natur heute am weitesten verbreitet und wird umgangssprachlich mit
  den Begriffen Umwelt und Ökologie gleichgesetzt, obwohl sie unterschiedliche Bedeutungen
  aufweisen.(Huber 2011, S. 25) Dem Naturbegriff wird eine vielseitige Bedeutung zugeschrieben,
  der mit unterschiedlichen Eigenschaften behaftet ist. Natur kann als Ursprung des Lebens und
  Wachstums, als unendliche Weite, als etwas Schönes und Starkes sowie als Gefahr und Bedrohung
  kommuniziert werden. (Reusswig 2002, S. 156) Laut Kleinhückelkotten und Neitzke ist der Be-
  griff „Natur“ unbestimmt, weil das Natur-verständnis mindestens vier Dimensionen aufweist: Eine
  materielle Dimension, wie Landschaften, Tiere, Pflanzen, Phänomene usw., und auch die Ressour-
  cen natürlichen Ursprungs. Weiters, die ästhetische Dimension, sie beinhaltet Anblicke und Dar-
  stellungen von Landschaften und Landschaftselementen, Geräusche und Gerüche, die als natürlich
  (schön) empfunden werden. Dann gibt es noch die emotionale Dimension, die Natur als Erfüllung
  der Sehnsucht nach Glück und Geborgenheit, als Inbegriff von Harmonie und Vollkommenheit
  darstellt. Und zu Letzt die spirituelle Dimension, sie sieht Natur als die ursprüngliche, göttliche
  Ordnung. (Kleinhückelkotten; Neitzke 2010, S. 39)

  Häufig wird mit dem Begriff „Natur“ die Welt der Pflanzen „die grüne Natur“ in Verbindung ge-
  bracht. Der Begriff „grüne Natur“ wird als Synonym für die Pflanzenwelt verwendet. (Kistemann et
  al., 2010, S. 61- 65) Flade bezeichnet den Begriff “Natur“ als allumfassend, denn sie reicht von der
  Mikro- bis hin zur Makroebene. Die Mikroebene kann z.B. eine zierliche Pflanze sein während die
  Makroebene ein gesamtes Ökosystem umfasst. In der Natur gibt es keinen Stillstand, sie befindet
  sich in einem ständigen Wandel. (Flade 2018, S. 8)
  Hartig verwendet den Begriff “Natur” für physikalische Merkmale und Prozesse der nicht-mensch-
  lichen Abstammung, die Menschen normalerweise wahrnehmen können, einschließlich der “le-
  benden Natur” von Flora und Fauna, zusammen mit stillem und fließendem Wasser, Luft- und
  Wetterqualitäten und den Landschaften, die diese umfassen und den Einfluss geologischer Prozesse
  zeigen. Als solches überschneidet sich “Natur” im Wesentlichen mit “natürlicher Umgebung”, einer
  Umgebung mit wenigen oder keinen offensichtlichen Hinweisen auf menschliche Anwesenheit
  oder Eingriffe und die beiden Begriffe wurden austauschbar verwendet. In der Praxis wird jedoch
  in vielen Forschungsarbeiten der Ausschluss des Künstlichen für die Definition der Natur oder der
  natürlichen Umwelt nicht akzeptiert. (Hartig et al., 2014, S. 208)

  Böhme sieht jede begriffliche Trennung von Mensch und Natur als Unterschlagung, dass der
  Mensch auch Natur ist. Dies ermöglicht die Natur zum Gegenstand objektivierender naturwissen-
  schaftlicher Forschung zu machen, auch den Menschen als Naturwesen selbst. Deshalb können die
  Naturwissenschaften nicht objektiv definieren, was die Natur ist, denn der Mensch ist auch Teil der
  Natur, was durch seine Körperlichkeit klar wird. (Böhme 1992, S. 35)

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BEGRIFFSDISKUSSION NATUR VS. ÖKOSYSTEM

Der Naturbegriff ist ein heikler Begriff aus der Geistesgeschichte. In der modernen Gesellschaft gibt
es kaum noch Rationalisierungen, die sich nicht mit Naturgesetzlichkeit oder Natürlichkeit begrün-
den lassen. Die Veränderung der unberührten Natur durch den Menschen bis hin zu Kulturartefak-
ten verläuft stufenweise. Unbestritten findet aber ein umfangreicher Wandel durch den Menschen
statt. Die Folge von Kolonisierung und Überformung sind ein Verschwinden der unberührten
Natur auf der Erde. (Huber 2011, S. 25 )Natur und Kultur sind heute eng miteinander verbun-
den. Die Menschen machen sich die Natur zu eigen und nutzen ihre Ressourcen. Sie verändern die
Meeresküsten und die Flüsse oder lassen große Nationalparks entstehen, wobei durchaus ein natür-
licher Eindruck entsteht. (Flade 2018, S. 12) Der Mensch kann zwar die Stadt hinter sich lassen
und durch den Wald und die Felder ziehen, jedoch sind Wald und Feld keine authentische Natur
mehr. Es handelt sich längst um eine angeeignete Natur mit Wegweisern, Lehrpfaden und Wander-
wegen, es sind touristisch vermarktete Nationalparks und Naturschutzgebiete. Es gibt bereits ein
ausgedehntes System an Nationalparks, die mit ihrer Authentizität der Naturlandschaft beworben
werden, obwohl es sich um eine umgewandelte Natur für Wandertouristen handelt.(Reis 2012, S.
305-324)

Heute sind in der Lebenswelt des Menschen ausschließlich Mischungen von Natur und kultureller
Umwelt zu finden, daher ist eine Differenzierung schwierig. Martens und Bauer haben ein Konzept
entwickelt um unterschiedliche Überschneidungen von natürlicher und kultureller Umwelt zu be-
stimmen. Dazu unterscheiden sie verschiedene Zwischenstufen die von „natürlich“ bis „künstlich“
reichen. “Natürlich“ beinhaltet dabei alle vom Menschen unberührte Umwelten, die auch nicht
durch den Menschen verändert wurden. Sie beschreiben eine zeitweilig landwirtschaftlich genutzte
Fläche als „naturnah“, hingegen eine Intensivnutzung von landwirtschaftlichem Gebiet als „natur-
fern“. Barocke Gartenanlagen sowie flächenhafte Monokulturen bezeichnen sie als „naturfremd“
und größere Veränderungen der Landschaft wie etwa beim Straßen-und Siedlungsbau als „künst-
lich“. Laut Martens und Bauer kommt es, sobald der Mensch die unberührte Umwelt betritt und
beginnt sie zu erforschen und nutzen, zu einer Verschiebung von “natürlich“ zu „naturnah“. (Mar-
tens; Bauer 2014, S. 275-295)

Im Gegensatz zu dem weltanschaulich belastetem Naturbegriff, war Ökologie ursprünglich eine
Fachrichtung der Biologie im 19. Jahrhundert. Die Ökologie wurde als die Gesamtheit der Wissen-
schaften von den Beziehungen des Organismus zu seinem Lebensraum, seinen materiellen Exis-
tenzbedingungen und den Wechselbeziehungen aller Organismen bezeichnet. Hierbei werden die
gesamten Beziehungen thematisiert nicht nur die friedlichen sondern auch die feindlichen. Ebenso
ihre existenziellen Konkurrenzkämpfe um verfügbare Ressourcen und den Lebensraum. Durch die
Ökologie wird deutlich, dass die Vorstellung von der Natur als das verlorene Paradies auf Erden de-
finitiv nicht existiert, sondern lediglich ein von romantisch beeinflussten Sozialphilosophen und Li-
teraten geprägtes Kulturartefakt darstellt. (Huber 2011, S. 25-26) Auch der Ökologe Eugen Odum
definiert Ökologie als eine Wissenschaft, die sich mit den Beziehungen von Organismen oder Grup-
pen von Organismen zu ihrer Umwelt beschäftigt. Sie hat es sich also zur Aufgabe gemacht, sich mit
den Beziehungen in komplexen Systemen zu befassen. (Odum 1971, S .3)

Heute wird zwischen der Humanökologie und der Tier- und Pflanzenökologie unterschieden.
Sowie zwischen der Sozialökologie und der Naturökologie. Die zunehmenden sozialstrukturellen,
sozialpsychologischen und ethischen Aspekte in der Erforschung des Verhältnisses von Gesellschaft
und Umwelt, haben zu einer Verallgemeinerung des Ökologiebegriffs geführt. Ökologie wurde
dahin gehend verallgemeinert, dass der Ansatz sich mit dem gesamte Verhältnis einer Gesellschaft zu

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BEGRIFFSDISKUSSION NATUR VS. ÖKOSYSTEM

ihrer natürlichen Umwelt befasst. Der Begriff Umwelt bezieht sich im ökologischen Rahmen nicht
auf irgendeine Umwelt, sondern auf die geo- und biosphärische Umwelt ausgewählter Populationen.
Eine Umwelt besteht im Grunde genommen nicht einfach so, sondern für interagierende
Lebensformen. (Huber 2011, S. 25 -26)

Hallpach, der Umweltpsychologe, definierte 1924 als Erster den Begriff „natürliche Umwelt“. Er
bezeichnete die „natürliche Umwelt“ als einen Teil der Umwelt, der unabhängig vom Menschen
existiert, kein Produkt menschlicher Aktivität ist oder durch den Menschen beeinflusst wurde. Die
natürliche Umwelt beinhaltet anorganische Materie wie Boden, Wasser, Wetter, Klima, Luft, Son-
nenlicht, Atmosphäre Wärme, Temperatur, Strömungen, chemische Stoffe, kosmische Einflüsse usw.
sowie organische Materie wie Pflanzen, Tiere und der Mensch. (Flade 2018, S. 6; zit. nach Hellpach
1924, S. 109-112) Der Begriff Umwelt wird heute allgemein wie folgt definiert: Die Gesamtheit
aller Prozesse und Räume, in denen die wechselseitigen Beziehungen aufeinander einwirken. Es wird
grundsätzlich zwischen „natürlicher“ Umwelt und „künstlicher“ Umwelt unterschieden. (Hellbrück;
Kals 2012, S. 14) Die „natürliche Umwelt“ wird laut Prof. Dr. Edeltraud Günther als komplexes
System mit den Elementen (Subsystemen) Lebewesen, irdische Atmosphäre (Luft), Hydrosphäre
(Gewässer), Lithosphäre (Boden einschließlich Bodenschätze) und den zwischen diesen bestehenden
Beziehungen definiert. Sie kann als Ökosystem, der Menge vielfältiger funktioneller Einheiten aus
Organismen und unbelebter Umgebung, aufgefasst werden. Die einzige Grundlage für die Existenz
des Systems ist die Sonnenenergie von außerhalb. (Günter 2018)

Ökosysteme sind Netze von Beziehungen zwischen Pflanzen, Tieren und anderen Lebewesen unter-
einander und zwischen diesen Organismen und ihrer anorganischen Umgebung. Sie können als
kooperative Verbände angesehen werden, da sie die Zusammenhänge zwischen voneinander ab-
hängigen Komponenten darstellen. (van del Wal 2017, S. 173-174) Ökologische Systeme bestehen
aus belebten (biotischen) und unbelebten (abiotischen) Komponenten. Diese Komponenten sind
über Ökosystemprozesse miteinander verbunden. Zu den unbelebten Komponenten zählen z.B. das
Gestein, der Mineralboden sowie die Luft und das Klima mit seinen Temperatur-, Luftfeuchtigkeits-
und Niederschlagsbedingungen. Belebte Komponenten sind Organismen wie Pflanzen, Tiere und
Mikroorganismen, die in Wechselbeziehung zu ihrer Umwelt stehen und sich dabei negativ oder
positiv beeinflussen können.(Smith; Smith 2009, S. 7) Abhängig von den sich daraus ergebenden
Lebensbedingungen entstehen unterschiedliche Ökosysteme wie z.B. ein Wald, eine Wiese, ein Ge-
wässer oder ein Moor. (Stiftung Unternehmen Wald 2021) Es wird auch hier grundsätzlich zwi-
schen natürlichen und menschlich geprägten Ökosystemen unterschieden. Natürliche Ökosysteme
sind z.B. der tropische Regenwald, boreale Wälder, Hochgebirge und Wüsten. Menschlich geprägte
sind Agroökosysteme und das Ökosystem Stadt. Es treten aber global starke Wechselbeziehungen
zwischen den verschiedenen Ökosystemen auf, daher sind alle Ökosysteme der Biosphäre mehr oder
weniger menschlich beeinflusst. (Zaller 2020, S. 95) Ökosysteme, die vom Menschen beeinflusst, in
ihrer Struktur aber natürlichen Ökosystemen sehr ähnlich sind, werden als naturnahe Ökosysteme
bezeichnet. Viele der heute als natürlich bezeichneten Ökosystem sind korrekterweise als natur-
nahe zu bezeichnen. (Spektrum Akademischer Verlag 1999) Naturnahe Ökosysteme sind z.B. auch
wiederaufgeforstete Flächen, sie umfassen künstlich geschaffene aber renaturierte Lebensräume, die
sich unter ökologischen Prozessen weitgehend auf natürliche Weise entwickeln und einheimischen
Pflanzen und Tierarten einen Lebensraum bieten. Die Grenze zwischen naturnah und nicht mehr
naturnah verläuft kontinuierlich und wird durch die Intensität der Bewirtschaftung bestimmt.
(Ribeiro et al., 2012) Charakteristisch für ein intaktes Ökosystem sind die ausgewogenen Kreisläufe
von Wasser, Kohlenstoff und Nährstoffen. Einerseits sind klimatische Faktoren im Wesentlichsten

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BEGRIFFSDISKUSSION NATUR VS. ÖKOSYSTEM

verantwortlich für das Funktionieren der Ökosysteme, andererseits beeinflusst das Ökosystem den
Wasser- und Kohlenstoffkreislauf und ist dadurch ein wichtiger Bestandteil des regionalen und
globalen Klimasystems. (Zaller 2020, S. 96 )

Betrachten wir als Beispiel das Ökosystem Wald. Wälder sind in vielfältiger Hinsicht von unschätz-
barem Wert für den Menschen. Sie sind hochkomplexe, sich selbst regulierende ökologische Sys-
teme, die nicht nur einer Vielfalt von Tieren und Pflanzen eine Lebensgrundlage bieten, sondern
auch dem Menschen. Außerdem stellt der Wald einen Schutz der natürlichen Lebensgrundlage dar,
indem er Wasser speichert und filtert, fruchtbare Böden erhält sowie zum Ausgleich des Klimas
beiträgt. Er senkt den Kohlendioxidspiegel und ist einer der wichtigsten Sauerstoffproduzenten. Zu-
dem liefert er Produkte wie Trinkwasser, Medizinpflanzen, Früchte, Farbstoffe und den natürlichen
Rohstoff Holz. Nicht zu vergessen, seinen Wert für den Menschen als Erholungsgebiet. (Altwegg;
Meier 2008, S. 13) Mittels menschlicher Aktivitäten werden Ökosysteme direkt oder indirekt be-
einflusst. Eine direkte Beeinflussung erfolgt durch Landwirtschaft, Berg-, Siedlungs- und Straßen-
bau, während die indirekte Einflussnahme durch Treibhausgase, Kontamination mit Chemikalien,
Plastik, Nanopartikel, Lichtverschmutzung, Lärmverschmutzung und der Freisetzung gentechnisch
veränderter Organismen stattfindet. (Zaller 2020, S. 96 )

Zusammenfassend konnte sich bis heute keine allgemein gültige Definition des Natur-begriffes
durchsetzen. Jedoch sind sich die Autoren einig, dass es zunehmend zu einer Vermischung von
Natur und künstlicher Umwelt kommt und die Folge ein Verschwinden der unberührten Natur auf
Erden ist. Die Ökologie beschäftigt sich mit den Beziehungen von Organismen oder Gruppen von
Organismen zu ihrer Umwelt. Sie hat es sich also zur Aufgabe gemacht, sich mit den Beziehungen
in komplexen Systemen zu befassen. Ökologie wurde dahin gehend verallgemeinert, dass der An-
satz sich auf das gesamte Verhältnis einer Gesellschaft zu ihrer natürlichen Umwelt bezieht. In der
Ökologie wird der Begriff „natürliche Umwelt“ als das komplexe System mit den Elementen (Sub-
systemen) Lebewesen, irdische Atmosphäre (Luft), Hydrosphäre (Gewässer), Lithosphäre (Boden
einschließlich Bodenschätze) und den zwischen diesen bestehenden Beziehungen bezeichnet. Sie
wird somit als Ökosystem, der Menge vielfältiger funktioneller Einheiten aus Organismen und un-
belebter Umgebung, aufgefasst. Ökosysteme bestehen aus einem anorganischen Lebensraum und
den darin lebenden Organismen wie Pflanzen, Tieren und anderen Lebewesen. Es wird zwar grund-
sätzlich zwischen natürlichen und von menschengeprägten Ökosystemen unterschieden jedoch sind
inzwischen alle Ökosysteme in der Biosphäre vom Menschen beeinflusst. Daher sind viele der heute
als natürlich bezeichneten Ökosystem lediglich naturnahe. Der Mensch kann die Ökosysteme direkt
oder indirekt beeinflussen.

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4. Der Mensch und die Ökosysteme heute

  Die Ökosysteme dienen dem Menschen nicht nur als Lebensraum, sondern sorgen auch durch
  sogenannte Ökosystemdienstleistungen für sein Wohlbefinden und Überleben. Zu diesen Dienst-
  leistungen gehören die Basisdienstleistungen wie zum Beispiel die Bodenbildung und Stoffkreis-
  läufe, dann die regulierenden Dienstleistungen, wie zum Beispiel das Bestäuben durch Insekten und
  die Abfallbeseitigung durch Zersetzung. Hinzu kommen noch die kulturellen Dienstleistungen wie
  etwa die Erholung und der Tourismus und die Versorgungsdienstleistungen wie saubere Luft, Trink-
  wasser, Nahrung und Holz. Jedoch führen die zunehmenden Beeinträchtigungen und Zerstörung
  der Ökosysteme durch den Menschen zu einem Schwinden dieser selbstverständlichen Dienstleis-
  tungen. (Pflanzenforschung.de o. J.) Bereits seit Anfang des 21. Jahrhunderts steht die Menschheit
  vor großen gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen, um ein friedliches und wür-
  diges Zusammenleben innerhalb der physischen Grenzen der Erde zu sichern. (Rockström et al.,
  2009, S. 1-2) Eine der gravierendsten Problematiken ist der menschlich verursachte Klimawandel.
  Seine Auswirkungen führen zu Veränderungen der Lebens-bedingungen aller Lebewesen, besonders
  aber die Länder im globalen Süden sind betroffen. Ein Anstieg des Meeresspiegels oder häufige
  Extremwetterereignisse sind die Folge. Schon über die letzten Jahrhunderte hat der Mensch durch
  sein Handeln den Energiehaushalt der Erde beeinflusst. Insbesondere die Veränderung der Albedo
  durch Landnutzung sowie Emissionen durch die Verbrennung fossiler Rohstoffe tragen wesentlich
  dazu bei. Ein Bericht vom Weltklimarat fasst die wichtigsten Fakten vom Einfluss des Menschen
  auf das Klima zusammen. Er zeigt deutlich den Zusammenhang zwischen den Veränderungen im
  Klima sowie der Emission und Konzentration von Treibhausgasen auf. Zudem ist der Beitrag des
  Menschen in Bezug auf die historischen Veränderungen zu erkennen. Seit Beginn der Industriellen
  Revolution im 18. Jahrhundert wird das Klimageschehen massiv durch menschliche Aktivitäten be-
  einflusst. (IPCC 2016, S. 2-12)Darüber hinaus konnte ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
  ein weltweiter Temperaturanstieg festgestellt werden. Es liegt heute eine Fülle an wissenschaftlichen
  Beweisen vor, dass die Menschen für die globale Erwärmung mitverantwortlich sind. Die Gletscher-
  schmelze, das Ansteigen des Meeresspiegels und die zunehmenden extremen Wetterereignisse sind
  nur ein paar Auswirkung davon. (Cruze et al., 2011, S. 19)

  4.1. Anthropozän
  Anlässlich der erheblichen Auswirkungen der menschlichen Aktivitäten auf das Klima spricht man
  heute bereits vom Anthropozän, dem Erdzeitalter, das von menschlichen Aktivitäten geprägt wird.
  (Crutzen 2002, S. 23) Die Auswirkungen des Menschen auf die globale Umwelt haben vor allem in
  den letzten drei Jahrhunderten zugenommen. Analysen zeigen, dass das Antropozän in der zweiten
  Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts begonnen hat. Dies fällt mit dem Entwurf der Dampfma-
  schine im Jahr 1784 zusammen. Bereits 1873 wurde der wachsende Einfluss des Menschen auf die
  Umwelt erkannt. Trotzdem haben sich der rasche Anstieg der Weltbevölkerung und die Ausbeutung
  der Ressourcen der Erde rasant fortgesetzt. (Crutzen 2002, S. 23) So stellt der Verbrauch und die
  Verschmutzung von natürlichen Ressourcen wie Boden, Wasser und Luft auch heute immer noch
  eine große Herausforderung für die Menschheit dar. (World Economic Forum 2019) Hinzu kommt
  der Anstieg von Methan durch die Massentierhaltung, vor allem von Rindern. Etwa die Hälfte der

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DER MENSCH UND DIE ÖKOSYSTEME HEUTE /ANTHROPOZÄN / PLANET CENTRIC DESIGN

Landesoberfläche des Planten wird von den Menschen ausgebeutet. Die tropischen Regenwälder
werden gerodet, dadurch setzt sich Kohlendioxid frei und es kommt zu einer verstärkten Artenaus-
löschung. (Crutzen 2002, S. 23) Auch andere Ökosysteme werden beeinträchtigt, Lebensräume für
Pflanzen und Tiere verschwinden sowie die Biodiversität und genetische Vielfalt wird minimiert.
(Barker; Tingey 1992, S.4) Flussumleitungen und Dammbau gehören zum Alltag und etwa die
Hälfte des verfügbaren Süßwassers wird von den Menschen genutzt. Im 20. Jahrhundert hat sich
der Energieverbrauch vervierfacht und verursacht etwa 160 Millionen Tonnen Schwefeldioxidemis-
sionen pro Jahr in der Atmosphäre. Die Landwirtschaft verwendet mehr Stickstoffdünger als er in
den gesamten Ökosystemen der Welt in natürlicher Form vorkommt. Die Hauptursache für den
Anstieg der Konzentration der Treibhausgase sind die Verbrennung fossiler Brennstoffe sowie die
Landwirtschaft. (Crutzen 2002, S. 23)

Im Zeitalter des Anthropozän stellt sich nun also die Frage, was die nicht verhandelbaren Voraus-
setzungen für unseren Planeten sind, um das Risiko gefährlicher oder sogar katastrophaler Umwelt-
veränderungen zu vermeiden? Der exponentielle Anstieg der menschlichen Aktivitäten setzt das
Erdsystem immer weiterem Druck aus. Das Überschreiten einer oder mehrerer Planetengrenzen
kann zu irreversiblen Umweltveränderungen und katastrophalen Auswirkungen auf das Wohlbefin-
den und die Gesundheit des Menschen führen. Die Menschheit muss sich daher aktiv dafür ein-
setzen, dass alle Grenzen des Planeten Erde nicht überschritten werden, um das Risiko langfristiger,
sozialer und ökologische Schädigungen zu vermeiden. ( Rockström et al. 2009, S. 20-21)Experten
haben nun die Aufgabe, die Gesellschaft in der Zeit des Anthropozäns hin zu einem umweltverträg-
lichen Management zu führen, um das Klima zu optimieren. (Crutzen 2002, S.23)

4.2. Planet Centric Design
Die Folgen des menschlichen Handelns für Ökosysteme und den Menschen selbst, führen zu immer
lauteren Forderungen der Gesellschaft nach einer Transformation hin zu nachhaltigen Lösungen, die
soziale und ökonomische Ungleichheiten reduzieren und damit auch die Lebensgrundlage künftiger
Generationen sichern. (Hallegatte 2009, S. 240-247)

Auch unter den Gestalter*innen sind inzwischen manche der Meinung, benutzerzentriertes Design
hat die Welt in die falsche Richtung gelenkt und ein Wandel hin zu „Planet Centric Design“ wäre
nötig. (Dimai, Casaca Lemos 2020)Der Designer Anton Schubert ist der Ansicht, dass es für die
Designer*innen, als Schöpfer der Zukunft an der Zeit ist, mehr Verantwortung zu übernehmen.
Jede Designentscheidung sollte dahingehen hinterfragt werden, wie sie sich auf die Gesundheit und
Wohlbefinden des Planeten auswirket. (Schubert 2018) Planet Centric Design ist eine Methode,
um Produkte und Dienstleistungen zu entwerfen, die dem Planeten keinen Schaden zufügen. Sie
stellt die Gestalter*innen damit vor eine große Herausforderung, denn das Ökosystem Erde ist
sehr komplex. Um die Komplexität des Systems zu verstehen, müssen die voneinander anhängigen
Details und die beteiligten Akteure erfasst werden. Mit den richtigen Werkzeugen ist es jedoch
möglich, Umwelt, Gesellschaft und Technologie so zu integrieren, dass der Ressourcenverbrauch
und die Emissionen reduziert werden und gleichzeitig ein nachhaltiger Lebensstil möglich wird.
(Andrew 2019) Die Bezeichnung „planet centric“ lässt sich darauf zurückführen, dass es unseren
Planeten und die von ihm abhängigen Gemeinschaften in den Mittelpunkt des Entwurfsprozesses
stellt. Dazu werden Entscheidungen über den einzelnen Benutzer hinaus getroffen, um umfassen-

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DER MENSCH UND DIE ÖKOSYSTEME HEUTE / PLANET CENTRIC DESIGN / NACHHALTIGKEIT

dere Verbesserungen für den Planeten zu erzielen. Design konzentrierte sich bisher vorwiegend auf
Innovationen, die das Leben schneller, reibungsloser und effizienter machen, die die individuellen
Bedürfnisse befriedigen. Doch um den heutigen Herausforderungen der Welt gerecht zu werden,
muss die Nachhaltigkeit bei der Gestaltung und Produktion von Dingen priorisiert werden. (Dimai,
Casaca Lemos 2020)

4.3. Nachhaltigkeit und Bildung für nachhaltige
     Entwicklung
Der Begriff „Nachhaltigkeit“ hat sich in den letzten Jahren zwar stark entwickelt, dennoch gibt es in
der Wissenschaft noch keine Einigung auf eine allgemeingültige Definition. Die ursprüngliche Idee
der Nachhaltigkeit wurde erstmals in der Waldwirtschaft aufgegriffen und sollte für eine Balance
zwischen Abholzung und natürlicher Regeneration des Waldes sorgen. Dieser Ansatz ermöglichte
eine langfristige Erhaltung eines natürlichen Systems mit seinen wesentlichen Eigenschaften und
legte somit den Grundstein von nachhaltigem Denken und Handeln. Inzwischen ist das Nach-
haltigkeitsprinzip auch ein Leitbild für ökologisches, wirtschaftliches und politisches Handeln. Die
derzeit am häufigsten gebrauchte und anerkannteste Definition des Nachhaltigkeitsbegriffs stammt
aus dem Bericht „Our Common Future“ von Gro Hatlem Brundtland: „Nachhaltige Entwicklung
ist eine Entwicklung, die gewährleistet, dass künftige Generationen nicht schlechter gestellt sind,
ihre Bedürfnisse zu befriedigen, als Gegenwärtige. (Aachener Stiftung Kathy Beys, 2015)
Was so viel bedeutet wie: Nachhaltigkeit ist eine dauerhafte Erfüllung der Grundbedürfnisse der
gesamten Menschheit unter der Berücksichtigung der Kapazität der natürlichen Umwelt sowie der
Einhaltung von Umwelt und Naturschutz, Armutsbekämpfung und Wirtschaftswachstum.
(Pufe 2017, S. 42-44)

Im Jahre 1992 wurde der Bildung von der Vereinten Nation für Umwelt eine bedeutende Rolle für
die Verwirklichung von nachhaltigen Entwicklungen zugeschrieben. Etwa zehn Jahre später wur-
den die Regierungen aufgefordert, die Prinzipien der Nachhaltigkeit in ihre Bildungsstrategien zu
integrieren. Daher wurde der Zeitraum von 2005 bis 2014 zur Dekade der „Bildung für nachhaltige
Entwicklung“ (BNE) ernannt und die UNESCO zur wegweisenden Organisation erkoren. Nach
Ablauf dieser Dekade startete die UNESCO das Weltaktionsprogramm für Bildung für nachhalti-
ge Entwicklungen, das den Zeitraum 2015- 2019 umfasste. Dabei wurden die Prioritäten nun auf
eine Ausweitung der Maßnahmen vor Ort gelegt, um auf die Bemühungen der Bewusstseinsbil-
dung aufzubauen. Die Um-setzung fokussierte sich auf die politische Unterstützung, ganzheitliche
Transformation von Lern- und Lehrumgebungen, Kompetenzentwicklung bei Lehrenden, Stärkung
und Mobilisierung der Jugend sowie Förderung nachhaltiger Entwicklung auf lokaler Ebene. Nach
Ende dieser Laufzeit 2019 wurde ein Folgeprogramm bis 2030 erarbeitet. Das Ziel des BNE 2030
ist es, eine gerechtere und nachhaltigere Welt zu schaffen, indem die Bildung für nachhaltige Ent-
wicklungen gestärkt wird und zur Verwirklichung der globalen Nachhaltigkeitszielen beiträgt. Diese
Ziele beinhalten unter anderem die Themen: Klimawandel, Maßnahmen zum Klimaschutz, Leben
unter Wasser, Leben an Land (biologische Vielfalt) sowie bezahlbare und saubere Energie, nach-
haltige Städte und Gemeinden, nachhaltige/r Konsum und Produktion und hochwertige Bildung.
Es konnte bereits bestätigt werden, dass sich die Bildung für nachhaltige Entwicklungen bewährt
hat, jedoch noch weitere Unterstützung nötig ist. Aktivitäten, die Lernende jeden Alters über die

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DER MENSCH UND DIE ÖKOSYSTEME HEUTE / NACHHALTIGKEIT / EMPATHIE

globalen Nachhaltigkeitsziele und deren Verwirklichung in ihrem Leben als Einzelner oder als
Gruppe informieren, sind besonders effektiv. Der Bedarf, um Lernende jeden Alters und die allge-
meine Öffentlichkeit zu erreichen und zu sensibilisieren, ist jedoch noch groß.Im Bereich Lern- und
Lehrumgebung wird daher die Aufmerksamkeit darauf gelegt, den ganzheitlichen BNE- Ansatz zu
fördern und die Zusammenarbeit von Schulen sowie anderen Bildungseinrichtungen zu verstärken.
Außerdem sollen die Kapazitäten von Lehrenden ausgebaut werden, um die Selbstwirksamkeit von
Lernenden zu steigern. (UNESCO 2019)

Auch in Österreich soll die Bildung für nachhaltige Entwicklung helfen, ein friedliches und solida-
risches Zusammenleben in einer lebenswerten Umwelt den heutigen und zukünftigen Generationen
zu ermöglichen. Dabei sollen Menschen jeden Alters, Geschlechts und jeder Kultur unterstützt
werden, alternative Visionen einer nachhaltigen Zukunft zu entwickeln und gemeinsam mit ande-
ren zu realisieren. Bildung für nachhaltige Entwicklung sensibilisiert nicht nur für die Komplexität
der Umweltprobleme, sondern trägt auch zur Vermittlung nachhaltiger Entwicklung und konkreter
Umsetzung bei. Die Entwicklung der Fähigkeit zur kritischen Reflexion und systemischem und
zukunftsorientiertem Denken und Handeln steht bei der Bildung für nachhaltige Entwicklung im
Mittelpunkt. Bildung ist die Grundlage und zugleich ein integraler Bestandteil nachhaltiger Ent-
wicklung. Bildung für nachhaltige Entwicklung ist ein allgemeines Anliegen und muss daher an
der gesamten Schule als essenziell angesehen werden. Fächerübergreifende Bildung für nachhaltige
Entwicklung ist von großem Wert für gemeinsames Denken über ökologische, ökonomische und
soziale Dimensionen. (Bundesministerium für Bildung ,Wissenschaft und Forschung 2019)

4.4. Empathie für die Ökosysteme
Obwohl seit 1990 ein Anstieg des Bewusstseins für die Ökosysteme festgestellt werden konnte und
die Menschen die natürliche Umwelt für schützenswert ansehen und auch Handlungsbereitschaft
gezeigt wird, kommt es nicht zu entsprechendem Verhalten.
(Altenbuchner; Tunst-Kamleitner 2020, S. 73)

Auch heute, wo wir bereits stark vom Klimawandel betroffen sind und die Auswirkungen in Zu-
kunft noch heftiger werden, lassen sich die Menschen durch Belehrungen und Ermahnungen und
das hervorrufen von Schuldgefühlen nur schwer zu ökologischem Verhalten motivieren. Was das
menschliche Motivationssystem jedoch am besten in Gang bringt, sind positive Gefühle wie Sym-
pathie oder Empathie. Für hunderttausende von Jahren war es für den Menschen lebensnotwendig,
die unterschiedlichen Ökosysteme zu erkunden und richtig lesen zu können. Bis der Mensch be-
gann sesshaft zu werden, musste er seinen natürlichen Lebensraum ständig wechseln und neue Ge-
lände bezüglich Gefahren sowie Chancen richtig einschätzen können. Der Mensch musste sich also
für lange Zeit in die Welt einfühlen können, um zu überleben. Die Fähigkeit der Empathie ist eine
einzigartige Begabung unserer Spezies. Jedoch haben wir sie, durch die Entfremdung von den natür-
lichen Lebensräumen vergessen oder ließen sie verkommen, was uns zu den heutigen Umweltprob-
lemen geführt hat. Heute spricht immer noch einiges dafür, dass die Menschen intuitiv und unbe-
wusst naturnahe Ökosysteme als einen empathischen Lebensraum empfinden. Zahlreiche Studien
haben gezeigt, dass intensive Begegnungen mit naturnahen Lebensräumen nicht nur emotionale
Ergriffenheit auslösen können, sondern auch positive Auswirkungen auf das seelische Befinden des
Menschen haben. So könne depressive Stimmungen, Stresssymptome und auch die Herzfrequenz
durch den Aufenthalt in naturnahen Ökosystemen verbessert werden. (Bauer 2020, S. 13-18)

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