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Statistik und Informationsmanagement Monatshefte Herausgeberin: Landeshauptstadt Stuttgart Themen 4/2020 Informelle Bürgerbeteiligung in Zeiten zunehmender Individualisierung: Erkenntnisse aus der Stuttgarter Bürgerumfrage 2019 Die Meinung der Bürger zur Zukunft der Stadtentwicklung Stuttgarts 2019 Zusammensetzung und Behandlung kommunaler Abfälle in Stuttgart 2018 Kultur und Freizeit in der Landeshauptstadt Stuttgart – ein besucherreiches Jahr 2019 Arbeitsmarkt in Stuttgart: Die Zahl der Arbeitslosen und der Kurzarbeiter steigt im ersten Quartal 2020 deutlich an 79. Jahrgang
Themen Seite Statistik und Aktuelle Grafik: Informationsmanagement Monatsheft 4/2020 Die Meinung der Bürger zur Zukunft der 79. Jahrgang Stadtentwicklung Stuttgarts 2019 79 Kurzberichte: Zusammensetzung und Behandlung kommunaler Abfälle in Stuttgart 2018 80 Kultur und Freizeit in der Landeshauptstadt Stuttgart – ein besucherreiches Jahr 2019 83 Arbeitsmarkt in Stuttgart: Die Zahl der Arbeitslosen und der Kurzarbeiter steigt im ersten Quartal 2020 deutlich an 86 Hauptbeitrag: Informelle Bürgerbeteiligung in Zeiten zunehmender Individualisierung: Erkenntnisse aus der Stuttgarter Bürgerumfrage 2019 88 Veröffentlichungen zu den Themen Rückseite Impressum: Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 4/2020 Herausgeberin: Landeshauptstadt Stuttgart Statistisches Amt, Eberhardstraße 37, 70173 Stuttgart Telefon 0711 216-98587, Telefax 0711 216-98570 E-Mail: poststelle.12@stuttgart.de Internet: www.stuttgart.de/statistik Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt: Thomas Schwarz Preis pro Monatsheft: 4 €
Aktuelle Grafik Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 4/2020 Die Meinung der Bürger zur Zukunft der Stadtentwicklung Stuttgarts 2019 Matthias Strauß Trotz zuletzt stagnierender Einwoh- am wenigsten Zuspruch. Auch sehen Wohnhäuser sollten zukünftig mehr nerzahlen bleiben Immobilien in nur sehr wenige Befragte, dass in Geschosse haben und bestehende Stuttgart ein teures Gut. Die Bautä- ihrem direkten Wohnumfeld noch be- Wohngebiete sollten dichter bebaut tigkeit hat zwar in den vergangenen baubare Grundstücke zu finden sind. werden. Die Aussage zur Zahl der Ge- Jahren an Volumen zugelegt, kann schosse in Wohngebäuden hat dabei aber nicht die hohe Nachfrage nach Dennoch hat es seit der Befragung am meisten Zustimmung hinzuge- Wohnraum decken, weil es unter an- aus dem Jahr 2017 durchaus Verän- wonnen. Eine eindeutige Mehrheit derem an Baugrundstücken mangelt. derungen gegeben. Der Vergleich für diese Strategie innerhalb der Bür- Dieser Mangel an Bauflächen sorgt der Zustimmungswerte beider Be- gerschaft ist aber nach wie vor nicht dafür, dass weiterhin hohe Mieten fragungen zeigt, dass die Stuttgarter zu erkennen. und steigende Immobilienpreise den Bevölkerung gegenüber der Verdich- Stuttgarter Wohnungsmarkt prägen. tungsstrategie der Stadt inzwischen positiver eingestellt ist. Darauf deuten 11 Schmitz-Veltin, Ansgar (2017): Zukünftige Vor diesem Hintergrund wurden die die Zunahme der Anteile der Anga- Stadtentwicklung aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger in der Bür- ben „Stimme voll und ganz zu“ und Bevölkerung – Ergebnisse der Bürgerum- frage 2017. In: Statistik und Informations- gerumfrage 2017 erstmalig nach „Stimme eher zu“ bei den Schlüssel- management, Monatsheft 12/2017, ihrer Meinung zu möglichen zukünf- aussagen dieser Strategie, nämlich S. 349-356. tigen Stadtentwicklungsmaßnahmen befragt. Die dazu abgefragten zehn Abbildung 1: Zustimmung zu Stadtentwicklungsmaßnahmen 2017 und 2019 Items konnten zu drei stadtplaneri- schen Hauptstrategien zusammenge- 79 fasst werden.¹ Eine dieser Strategien >ÒHHGPVNKEJG0CJXGTMGJTOWUUCWUIGDCWVYGTFGP 80 2019 sieht das Wachstum der Stadt durch FCOKVFKGYCEJUGPFG(CJTICUV\CJNDGYÀNVKIVYGTFGPMCPP 79 2017 Erschließung neuer, bisher unbebau- 5VWVVICTVUQNNYKGFGTOGJT9QJPIGDKGVG 61 ter Flächen vor. Eine andere entspricht KO4CPFDGTGKEJCWUYGKUGPWOYGKVGT\WYCEJUGP 59 der bisher in Stuttgart verfolgten Strategie, nämlich der Verdichtung 5VWVVICTVKUVUEJQPJGWVGFKEJVDGDCWV
Kurzberichte Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 4/2020 Zusammensetzung und Behandlung kommunaler Abfälle in Stuttgart 2018 Matthias Strauß In Deutschland hat sich die Einstel- Zusammensetzung des kommuna- sonstigen Abfällen zusammen. Nicht lung zum Abfall in den vergangenen len Abfallaufkommens in den kommunalen Abfällen enthalten Jahrzehnten grundlegend gewandelt. sind Baumassenabfälle, asbesthaltige Nachdem es früher nur darum ging, Als Basis für die Infrastrukturplanung Abfälle, Problemstoffe und Elektroalt- wie angefallener Müll beseitigt wer- der Kreise und des Landes braucht es geräte beziehungsweise Lampen (vgl. den kann, wird Abfall mittlerweile als Zahlen zu den Abfallmengen und Abbildung 1). wertvoller Rohstoff betrachtet, der deren Verarbeitung. Aus diesem möglichst wiederverwertet oder um- Grund veröffentlichte im Jahr 1990 Haus- und Sperrmüll hat mit 40 Pro- weltschonend behandelt werden soll. das erst drei Jahre zuvor neu geschaf- zent den größten Anteil am kommu- fene Umweltministerium des Landes nalen Abfallaufkommen, von dem Erst in den 1970er-Jahren war die Baden-Württemberg seine erste Ab- 118 000 Tonnen in Stuttgart einge- Frage nach dem Umgang mit Abfäl- fallbilanz. Damit war der Grundstein sammelt wurden. Mit 70 500 Tonnen len in den öffentlichen Fokus gerückt. für die regelmäßige Berichterstattung (24 %) die zweitgrößte Fraktion sind Damals verwendete Begriffe wie über die Entwicklung der Abfallwirt- die Wertstoffe und Wertstoffgemi- „Mülllawine“ oder „Müllnotstand“ schaft in Baden-Württemberg und sche. An Grün- und Biomüll fielen in machen deutlich, dass die angefalle- damit auch in Stuttgart gelegt. Stuttgart 2018 insgesamt 56 500 nen Abfallmengen, die bis dahin zum Tonnen an, der Anteil am Gesamtab- 80 großen Teil lediglich auf kleinen und Im Jahr 2018 betrug das Aufkommen fall beträgt 19 Prozent. wild angelegten Müllkippen gelagert an kommunalen Abfällen in Stuttgart wurden, in Deutschland zu einem 296 600 Tonnen. Jeder Stuttgarter Unter Hausmüll versteht man neben enormen Problem geworden waren. Einwohner verursachte somit 483 kg den in privaten Haushalten anfallen- Abfall. Kommunale Abfälle werden den festen Abfällen auch hausmüll- Auf Bundesebene trat im Jahr 1972 durch die öffentlich-rechtlichen Ent- ähnliche Gewerbeabfälle aus Gewer- mit dem Abfallbeseitigungsgesetz die sorgungsträger, in der Regel die Land- bebetrieben. Sperrmüll sind alle festen erste abfallrechtliche Basis in Kraft. und Stadtkreise, gesammelt und Abfälle, die aufgrund ihrer Größe nicht Sie enthielt Regelungen für die Über- entsorgt. Sie setzen sich aus Haus- über die üblichen Müllbehälter ent- lassung von Abfällen an die öffentlich- und Sperrmüll, Grün- und Bioabfällen, sorgt werden können und die deshalb rechtlichen Entsorgungskörperschaften. Wertstoffen und Wertstoffgemischen, getrennt vom Hausmüll gesammelt Erst im nachfolgenden Abfallgesetz von Gewerbe- und Baustellenabfällen und und transportiert werden müssen. 1986 wurde neben der Verwertung und Beseitigung von Abfall erstmalig Abbildung 1: Anteile der Abfallarten am kommunalen Abfallaufkommen in Stuttgart 2018 der Begriff der Vermeidung genannt. 1996 folgte das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG), in dem die Abfallvermeidung durch eine stär- 11 % kere Verpflichtung der Verursacher von Abfällen als vorrangiges Ziel for- 6% Haus- und Sperrmüll muliert wurde. Wertstoffe und Wertstoffgemische 40 % Grün- und Bioabfälle Seit 2012 ist das Gesetz zur Förde- 19 % 296 600 t rung der Kreislaufwirtschaft und Si- Gewerbe- und Baustellenabfälle cherung der umweltverträglichen Sonstige Abfälle Bewirtschaftung von Abfällen (Kreis- laufwirtschaftsgesetz, KrWG) die zen- trale Vorschrift für die Behandlung 24 % Quelle: Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS) von Abfällen, mit dem die seit 2008 gültige EU-Abfallrahmenrichtlinie in Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt nationales Recht umgesetzt wurde.
Kurzberichte Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 4/2020 Abbildung 2: Entwicklung der Abfälle aus Privathaushalten in Stuttgart seit 1990 Bioabfälle im Jahr 2009. Seit 2015 ist sie für alle Stuttgarter Haushalte kg/ Einwohner Pflicht. Ebenso gestiegen sind die Wertstoffe und -gemische, nämlich 500 von 86 auf 115 kg/Einwohner. Aus- schlaggebend hierfür war die erste Verpackungsverordung 1991 und die 400 Gründung der Firma „Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland GmbH“ zwei Jahre später. 300 Verwertung und Behandlung des kommunalen Abfalls 200 Nach der Reduzierung des Abfallauf- kommens beziehungsweise dessen Vermeidung ist der umweltschonende 100 Umgang mit den angefallenen Müll- mengen das wichtigste Ziel der Kreis- laufwirtschaft. Dazu schreibt das KrWG den Umgang mit Abfällen in einer 0 fünfstufigen Abfallhierarchie vor, die 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 zu den Stufen Vermeidung, Verwertung Haus- und Sperrmüll Wertstoffe und Wertstoffgemische Grün- und Bioabfälle und Beseitigung zusammengefasst Quelle: Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS), eigene Berechnung werden können. Die Verwertung be- inhaltet neben der Wiederverwendung Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt von Stoffen und deren Recycling auch die energetische Verwertung von Ab- 81 Wertstoffe eignen sich zur Wiederver- kommens im Jahr 2018 aus. An sons- fällen. Dabei gilt der Grundsatz, dass wertung oder für die Herstellung ver- tigen Abfällen fielen 33 300 Tonnen bei der Abfallbehandlung immer die wertbarer Zwischen- und Endprodukte (11 %) an. Diese beinhalten beispiels- am wenigsten umweltbelastende Vor- (z.B. Altglas, Altpapier, Altmetall, weise verunreinigten Bodenaushub gehensweise zur Anwendung kommt Kunststoffe, Textilien). Erfasst werden und Straßenkehricht. (vgl. Abbildung 3). Die Beseitigung sie entweder in Wertstoffbehältern, von Abfällen erfolgt ausschließlich über die Abholung im „gelben Sack“ Seit 1990 hat sich das Gesamtauf- durch Ablagerung auf Deponien. oder auch bei Vereinssammlungen. kommen an kommunalen Abfällen Nach den hierfür maßgeblichen Ver- Wertstoffgemische werden gemein- deutlich verringert. Die pro-Kopf- waltungsvorschriften (Technische An- sam mit Wertstoffen gesammelt, ent- Menge sank von 709 auf 483 kg je leitung Abfall beziehungsweise Sied- halten aber auch nicht verwertbare Einwohner, hauptsächlich aufgrund lungsabfall), die 1991 beziehungs- Bestandteile. der Reduzierung der sonstigen Abfälle weise 1993 in Kraft traten, durften und der Gewerbe- und Baustellenab- unbehandelte Siedlungsabfälle aber Biomüll sind biologisch abbaubare fälle. Die Abfälle aus Privathaushal- nur noch bis Juni 2005 auf Deponien organische Abfallanteile wie z.B. or- ten, bestehend aus den Fraktionen entsorgt werden. ganische Küchenabfälle oder Garten- Haus- und Sperrmüll, Wertstoffe/ abfälle. Bei Grünabfällen handelt es Wertstoffgemische sowie Grün- und Von dem in Stuttgart im Jahr 2018 sich um überwiegend um Gartenab- Bioabfälle, sind im Zeitverlauf trotz angefallenen kommunalen Abfallauf- fälle wie Baum-, Strauch- und Rasen- einiger Schwankungen mit rund 400 kommen wurden 99,2 Prozent ent- schnitt aus privaten Haushalten, die kg/Einwohner auf ähnlichem Niveau weder verwertet oder behandelt. separat und nicht über die Biotonne geblieben (vgl. Abbildung 2). Lediglich 0,8 Prozent des Abfalls miterfasst werden. Dazu gehören auch mussten auf Deponien entsorgt wer- die in öffentlichen Parkanlagen, auf Deutlich verschoben haben sich dage- den, da sie hoch schadstoffbelastet Friedhöfen sowie als Straßenbegleit- gen die Anteile innerhalb dieser sind. 1990 lag die Verwertungsquote grün anfallenden pflanzlichen Abfälle. Gruppe. Die Haus- und Sperrmüll- des Abfalls noch bei 82,5 Prozent, die menge je Einwohner nahm vom 292 restlichen 17,5 Prozent wurden Depo- Ebenfalls zu den kommunalen Abfäl- auf 192 kg ab. Gleichzeitig hat sich nien zugeführt. len gehören hausmüllähnliche Ge- das Aufkommen an Grün- und Bioab- werbe- und Baustellenabfälle. Sie fällen von 26 auf 92 kg/Einwohner Bei der Verwertung/Behandlung wird machten mit 18 300 Tonnen sechs mehr als verdreifacht, besonders seit zwischen drei möglichen Vorgehens- Prozent des kommunalen Abfallauf- der Einführung der braunen Tonne für weisen unterschieden. Die stoffliche
Kurzberichte Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 4/2020 handelt (54 %), 28,4 Prozent werden Abbildung 3: Leitbild der Kreislaufwirtschaft stofflich verwertet, 17 Prozent biolo- gisch behandelt (vgl. Abbildung 4). Die Anteile der stofflich verwerteten tion und die biologisch behandelten Müll- duk Pro Ha mengen haben seit 1990 stark zuge- nd el nommen. Sie lagen damals bei 13,5 fe beziehungsweise 3,7 Prozent. Abge- äu In t sl er ne Krei nommen hat der Anteil der thermisch Rü c k n a h me behandelten Abfallmengen, der 1990 Kon sy noch 65,3 Prozent betrug. ste sum m n rc e Fazit ou dung en ss Re Seit 1990 hat sich in Stuttgart sowohl Wie verw re imä der Pr beim Aufkommen als auch bei der Behandlung von Abfällen viel getan. Se s s o Re ku u r Abfallvermeidung Das Pro-Kopf- Aufkommen an kom- nd c är en e munalen Abfällen ist seit 1990 gesun- Vorbereitung zur Wiederverwendung ken. Die Abfallmengen aus Privat- haushalten stagnieren zwar, dafür Recycling andere werden Wertstoffe und Bioabfälle in Verwertung immer stärkerem Maße dem Haus- Stand August 2018 Beseiti- gung Quelle: Bundesministerium und Sperrmüll entzogen. Ebenso ge- für Umwelt, Naturschutz und stiegen ist der Anteil an wiederver- nukleare Sicherheit werteten beziehungsweise behandel- Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt ten kommunalen Abfällen. Dennoch sind weitere Anstrengungen nötig, Verwertung hat die Gewinnung von tierung) oder anaerobem Weg (Ver- z.B. bei der Erfassung von Bioabfällen 82 Sekundärrohstoffen aus den Abfall- gärung) abgebaut. Abfälle können und auch der Vermeidung von Abfäl- fraktionen zum Ziel. Hierzu gehört die aber auch thermisch behandelt wer- len, um das Ziel einer Kreislaufwirt- getrennte Sammlung von Papier, Glas den. Die dabei entstehende Energie schaft zu erreichen. oder Metallen. Die Abfallbehandlung kann dann zur Stromversorgung oder kann zum einen biologisch erfolgen. als Wärmequelle genutzt werden. Abfälle mit hohem organischen Anteil werden dabei durch Mikroorganis- Der größte Teil des kommunalen Ab- men entweder auf aeroben (Kompos- falls in Stuttgart wird thermisch be- Abbildung 4: Behandlung des kommunalen Abfallaufkommens in Stuttgart 1990 und 2018 Literatur 1% 1990 2018 Bilitewski, Bernd; Härdtle, Georg (2013): Abfallwirtschaft: Handbuch für Praxis und 17 % 14 % Lehre. 874 S.; Berlin. 4% 28 % Landeshauptstadt Stuttgart [Hrsg.] (2016): 125 Jahre AWS Stuttgart: kompetent – zuver- lässig – umweltbewusst. 56 S.; Stuttgart. 403 200 t 54 % 296 600 t Ministerium für Umwelt, Klima und Energie- wirtschaft Baden-Württemberg [Hrsg.] (2019): Abfallbilanz 2018. 123 S.; Stuttgart. 17 % Schmidt, Katharina (2016): Was leistet die öffentliche Abfallentsorgung in Baden- 65 % Württemberg? In: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 11/2016. S. 45-48; Stuttgart. stofƃKEJG DKQNQIKUEJG VJGTOKUEJG #DNCIGTWPICWH VGTYGTVWPI $GJCPFNWPI $GJCPFNWPI &GRQPKGP Quelle: Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS) Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt
Kurzberichte Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 4/2020 Kultur und Freizeit in der Landeshauptstadt Stuttgart – ein besucherreiches Jahr 2019 Carmen Söldner Auch 2019 erhielten Stuttgarts zahl- Stuttgart-Ulm, das Ende Juli 2019, beziehungsweise 16 Prozent. Beson- reiche Kultur- und Freizeitangebote wegen des Umbaus des Bonatzbaus, ders letztere sind teilweise abhängig wieder einen hohen Zuspruch von geschlossen wurde. Die Wiedereröff- von der Mitwirkung ehrenamtlicher einer Vielzahl an Stuttgartern und Be- nung der Ausstellung war im „Info- Helfer und haben nur begrenzte Öff- suchern von außerhalb. Besonders für TurmStuttgart“ (ITS) für März 2020 nungszeiten. Ein neues Mitglied dieser die Museen, die Wilhelma, sowie für geplant. Durch die Coronakrise wurde Museumsfamilie ist das im November Musik- und Sportveranstaltungen war diese jedoch auf später verschoben. 2018 eröffnete Hotel Silber, welches das vergangene Jahr erneut vielver- sich als Ort des Gedenkens mit der sprechend. Ein gutes Jahr hat das im April 2018 Geschichte des NS-Terrors auseinan- eröffnete StadtPalais hinter sich. Im dersetzt. Es wird als Außenstelle des Nach dem Besucherrekordjahr 2018 ersten vollständigen Jahr seit der Er- Hauses der Geschichte Baden-Württem- ging es für die Stuttgarter Museen im öffnung konnte es eine viertel Million berg betrieben und begrüßte im Jahr Jahr 2019 ähnlich erfolgreich weiter. Besucher anziehen. Mit abwechslungs- 2019 36 000 Besucher in seinen Mit insgesamt 3 091 934 Besuchern reichen Programmen wie beispiels- Räumlichkeiten. lag die Zahl lediglich 3267 unter der weise Stuttgart am Meer, „Troy“ – des Vorjahres. Zur beliebtesten Kate- eine Ausstellung zu den Fantastischen Während die Zahlen der Museumsbe- gorie zählten nach wie vor die natur- Vier oder aber „Mein erstes Wahl“, sucher stetig wachsen, sehen sich die wissenschaftlichen und technischen ein Wissensparcours für Erstwähler Kinos der Stadt sinkenden Besucher- 83 Museen, darunter die Spitzenreiter zur Kommunalwahl, gab es für die zahlen gegenüber. Zum Ende der Mercedes-Benz Museum (mit Veran- verschiedensten Interessengruppen 90er- und zu Beginn der 2000er-Jahre staltungen wie Open Air Kino, Konzert- einen Grund diese Einrichtung aufzu- konnten die Stuttgarter Kinos noch sommer etc.), Porsche Museum und suchen. einen Höchststand von fast drei Milli- die staatlichen Museen für Natur- onen Besuchern verzeichnen. Seitdem kunde. Sie können knapp mehr als Sowohl die historischen Museen als sinken die Zahlen stetig und fielen im die Hälfte aller Museumsbesucher für auch die Heimat- und Regionalmu- Jahr 2014 zum ersten Mal unter die sich verbuchen. Auch die Stuttgarter seen vermerken insgesamt einen zwei Millionen Marke. 2019 wurden in Kunstmuseen durften sich insgesamt leichten Besucherrückgang von sechs, 18 Kinotheatern mit insgesamt 11 215 über Besucherzahlen von etwas mehr als einer halben Million freuen. Spit- zenreiter ist darunter die Staatsgalerie mit einem Wachstum von 48 Prozent Abbildung 1: Besucheranteile der Stuttgarter Museen im Jahr 2019 auf knapp 300 000 Besucher. Über diesen spektakulären Anstieg kann sich die Galerie vor allem dank Street Art-Künstler Banksy freuen, dessen 0,3 % 18 % Kunstwerk „Love is in the Bin“ einen Naturwissenschaftliche und technische Museen wahren Publikumshype auslöste. Diese Stuttgarter Top-Besuchermag- Kunstmuseen nete profitieren insbesondere von 14 4% 3 091 934 51 % Historische beziehungsweise ihren überregionalen Ausstellungen, archäologische Museen von einem hohen Personaleinsatz, Heimat- und Regionalmuseen langen Öffnungszeiten und zum Teil Kulturgeschichtliche Spezialmuseen von ihrer Innenstadtlage. 17 % Die Besucherzahlen der kulturge- schichtlichen Spezialmuseen gingen hingegen um acht Prozent zurück. Quelle: Selbstauskünfte der Museen und museumsähnlichen Einrichtungen Ausschlaggebend hierfür ist haupt- sächlich das Turmforum Bahnprojekt Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt
Kurzberichte Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 4/2020 Abbildung 2: Besucherinnen und Besucher der Kultur- und Freizeiteinrichtungen in Stuttgart 2019 Event oder dem Christmas Garden zieht es bereits seit dem Jahr 2018 auch in der kälteren Jahreszeit mehr Menschen in die Wilhelma. Ebenso Carl-Zeiss-Planetarium 117 032 erwiesen sich der Einzug des größten Krokodils Deutschlands sowie reich- Fernsehturm 343 278 lich tierischer Nachwuchs als große Publikumsmagneten. Auch für die Mineralbäder 851 965 Jahre 2020 und 2021 hat die Wilhelma zahlreiche Neuerungen geplant. Das Frei- und Hallenbäder 1 463 710 Highlight darunter: die Terra Australis, ein Haus mit Außenanlage für meh- Kino 1 589 000 rere australische Tierarten. Wilhelma 1 680 000 Daneben gab es ebenso einen An- Veranstaltungen städtische 2 330 237 stieg von Besuchern der zahlreichen Sportanlagen Veranstaltungen auf den acht größ- Museen 3 091 934 ten Stuttgarter Sportanlagen. Von ins- gesamt mehr als 2,3 Millionen Zu- 0 1 000 000 2 000 000 3 000 000 schauern und Besuchern kommen al- Besucher und Besucherinnen lein eine Millionen Zuschauer auf die Mercedes-Benz Arena, knapp 900 000 davon auf Fußballspiele. Auch die Quelle: Eigene Angaben der Einrichtungen Hanns-Martin-Schleyer-Halle sowie die Porsche Arena konnten mit ver- Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt schiedensten Veranstaltungen aus den Bereichen Sport, Musik und son- stigem Entertainment, insgesamt mehr 84 Sitzplätzen nur noch etwas über 1,5 Hoch hinaus geht es auf das Wahrzei- als eine Million Zuschauer anziehen. Millionen Kinobesucher gezählt. Pro chen Stuttgarts, den Fernsehturm. Insgesamt erreichten die Sportanla- Einwohner in Stuttgart sind das durch- 343 000 Gäste genossen 2019 die gen ein Besucherplus von sechs Pro- schnittlich 2,5 Kinobesuche im Jahr, Aufsicht auf Stuttgart und das Um- zent. halb so viele, wie noch vor 20 Jahren. land, wobei die Besuchszahl seit der Großer Beliebtheit erfreuen sich Wiedereröffnung im Jahr 2016 um 35 Einen Ausblick auf das Jahr 2020 zu weiterhin die Stuttgarter Freibäder, Prozent gesunken ist. Auch das Carl- geben, ist angesichts der aktuellen Si- Hallen- sowie Mineralbäder. Zwar Zeiss-Planetarium im Mittleren Schloss- tuation schwierig. Sicher ist aber, dass konnten die Freibäder nie mehr den garten eröffnete nach einjährigem alle hier genannten Institutionen, Besucherrekord von über einer Million Umbau seine Tore im April 2016 wie- seien sie kultureller oder freizeitlicher im Hitzesommer 2003 knacken, den- der und kann seitdem stabile Besu- Natur, besonders in der ersten Jahres- noch verbuchen sie stetig Zahlen von cherzahlen der Sternenvorführungen hälfte mit massiven Einbrüchen der circa einer dreiviertel Million, so auch von circa 120 000 Besuchern jährlich Besuchszahlen rechnen müssen, da im Sommer 2019. Leicht rückläufig verbuchen. Die Gesamtzahl der Besu- aktuell alle Einrichtungen aufgrund sind die Besucherzahlen der Hallen- cher kann seit einer technischen Än- der Corona-Pandemie geschlossen und Mineralbäder mit rund 702 000, derung im Jahr 2013 nicht mehr sind. Wie lange diese Situation noch beziehungsweise 852 000 Zählungen. ausgewiesen werden. anhält, ist momentan unklar. Es ist zu Das liegt jedoch maßgeblich daran, hoffen, dass die Museen und kulturel- dass die Hallenbäder in Bad Cannstatt, Große Freude an Affe, Tiger und Co. len Einrichtungen diese schwere Zeit Feuerbach und Vaihingen im vergan- hatten die vielen Besucher der Wil- glimpflich überstehen, damit auch in genen Jahr zeitweise zwecks Um- helma im letzten Jahr. Trotz Erhöhung Zukunft möglichst viele Menschen am bauten geschlossen waren. Dies gilt der Eintrittspreise konnte der Stutt- vielfältigen und bunten Programm in ebenso für wie das Mineral-Bad Berg, garter Zoo einen Anstieg der Besu- Stuttgart teilhaben können. welches bereits seit September 2016 cherzahlen um 0,9 Prozent verbuchen, wegen Generalsanierung nicht im Ba- was rund 14 000 zusätzlichen Gästen debetrieb ist und zuvor jährlich über entspricht. Besonders durch Sonder- 100 000 Besucher angezogen hat. veranstaltungen wie dem Halloween-
Kurzberichte Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 4/2020 Tabelle 1: Gesamtübersicht der Besucherinnen und Besucher in Museen und museumsähn- Museum Besucher im Jahr 2019 lichen Einrichtungen in Stuttgart 2019 Naturwissenschaftliche und technische Museen Mercedes-Benz Museum1 850 954 Porsche Museum 447 271 Staatliche Museen für Naturkunde 247 736 Deutsches Landwirtschaftsmuseum 12 013 Straßenbahnwelt Stuttgart 14 500 Gottlob Auwärter Museum 3 450 Zoolog. u. Tiermedizinisches Museum der Univers. Hohenheim - Stuttgarter Feuerwehrmuseum 1 831 1 577 755 Kunstmuseen Staatsgalerie 295 141 Kunstmuseum 180 400 „Weißenhofmuseum im Haus Le Corbusier“ 38 513 ifa-Galerie 15 000 Museum Fritz von Graevenitz 2 480 531 534 Historische beziehungsweise archäologische Museen Landesmuseum Württemberg2 201 578 Haus der Geschichte Baden-Württemberg Grabkapelle Rotenberg 47 272 Theodor-Heuss-Haus 10 500 Museum zur Geschichte Hohenheims 9 000 Städtisches Lapidarium 3 497 Hegel-Haus 8 309 „Hotel Silber“ 36 200 Stauffenberg-Erinnerungsstätte - 85 421 817 Heimat- und Regionalmuseen Heimatmuseum der Deutschen aus Bessarabien 1 900 Stadtmuseum Bad Cannstatt 3 363 MUSE-O 1 850 Heimatmuseum Stammheim … Weilimdorfer Heimatstube 1 040 Heimatmuseum Möhringen 379 Heimatgeschichtliche Ausstellung Untertürkheim-Rotenberg 550 Heimatmuseum Plieningen 220 9 302 Kulturgeschichtliche Spezialmuseen Turmforum Bahnprojekt Stuttgart-Ulm3 120 000 Linden-Museum 71 327 Haus des Waldes 39 050 Schweinemuseum 36 431 Weinbaumuseum Stuttgart 17 115 Stuttgarter Bibelmuseum 8 647 StadtPalais (Stadtmuseum Stuttgart)4 258 956 551 526 Gesamt 3 091 934 1 Inklusive Besucher von Museumsveranstaltungen (z. B. Open Air Kino, Konzertsommer) und seit 2010 inkl. Gottlieb-Daimler-Gedächtnisstätte. 2 Landesmuseum Württemberg, Kindermuseum Junges Schloss, Stuttgarter Fruchtkasten und Römisches Lapidarium. 3 Besucherzahlen der vier Ausstellungsebenen, Aussichtsplattform, Bar-Lounge Bonatz. Seit 29.07.2019 geschlossen. Wiedereröffnung als InfoTurm Stuttgart (ITS) war im März 2020 geplant, ist durch die aktuelle Corona Pandemie nun unklar. 4 Seit Eröffnung des StadtPalais im April 2018 inkl. StadtLabor. Quelle: Selbstauskünfte der Museen und museumsähnlichen Einrichtungen Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt
Kurzberichte Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 4/2020 Arbeitsmarkt in Stuttgart: Die Zahl der Arbeitslosen und der Kurzarbeiter steigt im ersten Quartal 2020 deutlich an Carmen Söldner Seit März 2013 sind die jährlichen wirkt. Denn betrachtet man die Auch mit Blick auf Baden-Württem- Arbeitslosenquoten in der Landes- Arbeitsmarktzahlen in den Monaten berg und die übrigen Bundesländer hauptstadt Stuttgart kontinuierlich zuvor, so fällt auf, dass bereits im Ja- verstärkt sich dieses Bild. Während gesunken und erreichten im März nuar die Zahl der Arbeitslosen um 6,8 Baden-Württemberg im März 2020 2019 einen Tiefststand von 4,0 Pro- Prozent im Vergleich zum Vorjahr ge- eine Erhöhung der Arbeitslosenquote zent. Betrachtet man die monatlichen stiegen war. Dieses Bild setzt sich um 0,3 Prozentpunkte auf 3,4 Pro- Zahlen, so konnten nur Juni und Juli auch im Februar und März mit einer zent aufweist, ist eine derartige Erhö- 2019 eine noch geringere Arbeitslo- Erhöhung von jeweils 11,4 Prozent hung in den übrigen deutschen sigkeit von 3,9 Prozent aufweisen. Im fort. Hintergrund hierfür ist die sich Bundesländern, mit Ausnahme des März 2020 ist die Arbeitslosigkeit in schwächer entwickelnde Südwestin- Saarlandes, nicht festzustellen. Bei Stuttgart auf 4,4 Prozent und damit dustrie, insbesondere die Automobil- exakt der Hälfte aller Länder ist eine um 0,4 Prozentpunkte gestiegen. Ob- hersteller sowie deren Zulieferer, die Verbesserung oder eine gleichbleiben- wohl der Gedanke naheliegt, spielt einen enormen Anteil der Wirtschafts- de Arbeitslosenquote der Fall. Nach die Corona-Krise in diesen Zahlen kraft ausmachen. Damit einherge- Bayern hat Baden-Württemberg zwar weitestgehend noch keine Rolle. Viel- hend ist auch ein nachlassender noch immer die niedrigste Quote an mehr können sie als Ausdruck einer Arbeitskräftebedarf. In Stuttgart fiel Arbeitslosen in Deutschland, jedoch sich abschwächenden Weltkonjunk- die Zahl der gemeldeten Stellen im ist derzeit kaum ein anderes Bundes- tur und drohender internationaler März 2020 auf 6318, das sind 27 Pro- land so stark von der Erhöhung der Handelskonflikte gesehen werden, zent weniger als noch im März 2019. Quote betroffen (vgl. Abbildung 2). was sich bereits auf die stark export- Die Unterbeschäftigungsquote steigt Auch der Deutschlandschnitt liegt wie abhängige Stuttgarter Industrie aus- damit auf 6,7 Prozent (+0,5 %). bereits im März 2019 bei 5,1 Prozent. 86 Abbildung 1: Arbeitslose und Arbeitslosenquoten in Stuttgart und Baden-Württemberg seit März 2008 Personen % 35 000 7 6,9 30 000 6,3 6 6,1 5,8 5,8 5,7 5,4 5,4 5,5 5,5 25 000 5 5,0 5,0 4,3 4,4 4,3 4,3 4,4 20 000 4,1 4 4,0 4,0 3,9 4,0 3,7 3,3 3,4 15 000 3,1 3 10 000 2 5 000 1 0 0 März 08 März 09 März 10 März 11 März 12 März 13 März 14 März 15 März 16 März 17 März 18 März 19 März 20 Arbeitslosenquote Stuttgart in % Arbeitslose gesamt in Stuttgart Arbeitslosenquote Baden-Württemberg in % Arbeitslose nach Rechtskreis SGB II Arbeitslose nach Rechtskreis SGB III Quelle: Bundesagentur für Arbeit Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt
Kurzberichte Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 4/2020 Abbildung 2: Zu- und Abnahme der Arbeitslosenquoten der Bundesländer (März 2019/März 2020) Saarland +0,4 Baden-Württemberg +0,3 Hamburg +0,2 Rheinland-Pfalz +0,2 Bremen +0,2 Nordrhein-Westfalen +0,1 Berlin +0,1 Bayern +0,1 Hessen 0 Niedersachsen 0 Schleswig-Holstein -0,1 Thüringen -0,1 Sachsen -0,3 Brandenburg -0,4 Sachsen-Anhalt -0,5 Mecklenburg-Vorpommern -0,5 -0,5 -0,4 -0,3 -0,2 -0,1 0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 % Quelle: Bundesagentur für Arbeit, März 2020 Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt 87 Betrachtet man die Zahlen der Kurz- über 640 000 angezeigte Kurzarbei- krise, besonders stark betroffen sind. arbeit, dann fällt der Zusammenhang ter. Somit kommt das Land bereits im Bereits jetzt übersteigen die angezeig- mit der Corona-Krise unmittelbar ins März 2020 auf ein Drittel der Ge- ten Kurzarbeiterzahlen der Branchen Auge. Im Jahr 2019 war die ange- samtzahl aus dem Jahr 2009. Dieser Gastgewerbe (I), Grundstücks- und zeigte Personenzahl für Kurzarbeit in massive Anstieg geht einher mit den Wohnungswesen (L), Erziehung und Stuttgart so gering, dass diejenigen, aufgrund der schwerwiegenden Co- Unterricht (P), Gesundheits- und Sozi- für die das konjunkturelle Kurzarbei- rona-Pandemie geltenden neuen recht- alwesen (Q), Kunst, Unterhaltung, Er- tergeld (§ 96 SGB III) beantragt lichen Regelungen bis einschließlich holung (R) sowie die Erbringung von wurde, aus datenschutzrechtlichen Dezember 2020, die es Unternehmen sonstigen Dienstleistungen (S) die des Gründen nicht zu unterscheiden sind vereinfachen, Kurzarbeit anzumelden. gesamten Jahres 2009. Besonders das von denjenigen, die für das Transfer- Die neuesten Sonderauswertungen Gastgewerbe ist extrem stark betrof- Kurzarbeitergeld (§ 111 SGB III) ge- der Bundesagentur für Arbeit zeigen fen und weist schon jetzt zehnmal so meldet waren. Für beide Fälle im April erneut einen enormen An- viele angemeldete Kurzarbeiter auf. zusammen, lagen die Anzeigen bei stieg. Bis zum 20. April 2020 melde- Auch andere Branchen wie beispiels- insgesamt 70, mit einer Personenzahl ten deutschlandweit fast eine drei- weise der Handel (G) werden die Zah- von knapp 600 Beschäftigten. Im viertel Million Betriebe Kurzarbeit an, len von 2009 vermutlich in Kürze März 2020 beträgt die Zahl der be- jedoch flacht die Kurve der Anmel- übertreffen. In diesem Zusammen- trieblichen Anzeigen für das konjunk- dungen langsam ab. Auch in Baden- hang ist anzumerken, dass es sich turelle Kurzarbeitergeld bereits 1070 Württemberg ist die Anzahl der An- dabei nur um bereits geprüfte Anzei- mit einer Personenzahl von knapp zeigen noch einmal gestiegen. Insge- gen der Agentur für Arbeit handelt. 19 000. Der Blick auf Baden-Würt- samt haben hier 31,9 Prozent aller Aufgrund der enormen Anzahl an temberg zeigt ein ähnliches Bild. Mit Betriebe Kurzarbeit angemeldet. Neben Anzeigen für die Kurzarbeit, ist es bereits 186 213 Personen übersteigt dem Gastgewerbe und dem Einzel- wahrscheinlich, dass die Erfassung die angezeigte Personenzahl der handel stehen im Land auch beson- mit zeitlichem Verzug erfolgt und die Kurzarbeiter die Gesamtzahl von ders die Automobilindustrie sowie der tatsächlichen Anzeigen bereits in hö- 2019 um mehr als das 2,5-fache. Metallbau im Fokus. herem Maße erfolgt sind, als angege- Setzt man das Jahr der Wirtschafts- ben. und Finanzkrise (2009) zum Vergleich Auf Bundesebene ist zu sehen, welche an, kamen auf Baden-Württemberg Branchen, verglichen mit der Finanz-
Hauptbeitrag Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 4/2020 Dr. Till Heinsohn Informelle Bürgerbeteiligung in Zeiten zunehmender Individualisierung: Erkenntnisse aus der Stuttgarter Bürgerumfrage 2019 Einleitung Unterschied zwischen formeller Bürgermitwirkung bei kommunalpolitischen Entscheidungsprozessen hat in Baden- Bürgermitwirkung und informeller Württemberg eine lange Tradition. Seit Bestehen des Landes ist die Mitwirkung der Bürgerbeteiligung Bürgerinnen und Bürger in der Verfassung verankert und wird in vielfältiger Weise praktiziert. Die formell geregelte Bürgermitwirkung umfasst dabei in erster Linie das aktive und passive Wahlrecht sowie die Instrumente der direkten Demokratie (Bürgerbegehren und Bürgerentscheid). Sie folgt gesetzlich vorgeschriebenen Ab- läufen. Neben der formellen Mitwirkung steht die informelle Bürgerbeteiligung. Diese beinhaltet das Einbringen von Zeit, Ressourcen und Kompetenzen im bürger- schaftlichen Engagement, in Arbeitskreisen und Planungsgruppen. Die informelle Mitwirkung ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Mit dem Ziel, dass die Bürgerinnen und Bürger einer Gemeinde oder einer Stadt miteinander über ein Thema ins Gespräch kommen, werden Argumente und Ideen ausgetauscht und so gemeinsame Lösun- gen auf kommunaler Ebene entwickelt. Die Verwaltung übernimmt dabei häufig nur 88 eine hintergründige, beratende Funktion. In der Exekutive vorhandenes Fachwissen wird neutral eingebracht, ohne dabei den Dialog inhaltlich zu bestimmen.1 Individualisierung der Gesellschaft und Der Rahmen, in welchem sich formelle wie informelle Bürgermitwirkung vollzieht, deren Folgen ist einem stetigen Wandel unterworfen. Dieser Wandel hat zuletzt deutlich an Fahrt aufgenommen und wirkt sich nicht nur auf die Beteiligungsverfahren selbst, sondern zunehmend auch auf das Verständnis von Demokratie aus. Bürgerinnen und Bürger fühlen sich heute weniger an politische Parteien und deren Meinungen und Posi- tionen gebunden. Gut ausgebildet, durch moderne Medien informiert und räumlich weniger stark gebunden schreitet die Individualisierung der Gesellschaft stetig voran. Nach Wahrnehmung des Deutschen Städtetages geht damit nicht selten ein Vertrauensverlust gegenüber der Politik einher. Desinteresse, Zurückhaltung oder gar Ablehnung des Politischen sind eine häufig zu beobachtende Folge und stellen eine Herausforderung für die formelle wie informelle Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger dar.2 In Aussicht gestellte Erkenntnisse Die fortschreitende Individualisierung der Gesellschaft und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Bürgermitwirkung erfordern Antworten. Vor der Entwicklung eigentlicher Strategien stehen jedoch empirische Erkenntnisse über die Teilnehme- rinnen und Teilnehmer an solchen Verfahren. Denn aus Sicht der Stadtverwaltungen und der Gemeinderäte dürfte zunächst von Interesse sein, mit was für Bürgerinnen und Bürger sie es im Rahmen von formeller und informeller Bürgerbeteiligung zu tun haben. Darauf aufbauend ließe sich in einem zweiten Schritt über etwaige An- sätze nachdenken, wie sich die Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger in Zeiten zunehmender Individualisierung für alle Seiten gewinnbringend gestalten lässt. Methodisches Vorgehen, Datengrund- Erkenntnisse über die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den informellen Verfahren lage und Relevanz der Fragestellung der Bürgerbeteiligung in Stuttgart liefert die nachfolgende Analyse. Unter Zuhilfe- nahme multipler logistischer Regressionsmodelle werden vorhergesagte Wahr- scheinlichkeiten einer Mitwirkung in Abhängigkeit individueller Merkmale und unter Konstanthaltung alternativer Einflüsse geschätzt. Ein solches inferenzstatistisches
Hauptbeitrag Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 4/2020 Verfahren erfordert quantitative Daten. Diese liefert die repräsentative Bürger- umfrage der Landeshauptstadt Stuttgart aus dem Jahr 2019. Die in Aussicht gestell- ten Einblicke dienen dabei aber nicht nur als empirische Grundlage für etwaig zu entwickelnde Strategien in Reaktion auf eine veränderte Ausgangslage. Auch aus demokratietheoretischer Sicht birgt die in dieser Studie aufgeworfene Fragestellung eine große Relevanz. Denn es ist davon ausgehen, dass diejenigen, die im Zuge kommunaler Entscheidungsprozesse gehört werden und aktiv daran partizipieren, die spätere Letztentscheidung der Gemeinderäte oder des Oberbürgermeisters auch in ihrem Sinne beeinflussen. Jene, die an solchen Verfahren nicht partizipieren, wer- den nicht gehört werden und es steht zu befürchten, dass deren Interessen eher unter den Tisch fallen. Transparenter Rahmen für die infor- Mit Blick auf die Landeshauptstadt Stuttgart spiegelt sich die wachsende Bedeutung melle Bürgerbeteiligung in Stuttgart von Mitwirkung in der seit Oktober 2017 gültigen Leitlinie für informelle Bürgerbe- teiligung wider. Diese Selbstverpflichtung legt die Spielregeln fest, wie Einwohner- schaft, Gemeinderat und Verwaltung in Austausch treten um die künftige Entwicklung der Stadt gemeinsam zu gestalten. Mit Verabschiedung dieser Leitlinie hat die Stadt der informellen Bürgerbeteiligung in Stuttgart einen verbindlichen und transparenten Rahmen geschaffen.3 Entsprechend blickt Stuttgart auf zahlreiche Beispiele für die gelungene Einbindung der Einwohnerschaft über informelle Betei- ligungsverfahren zurück. Jüngste Beispiele stellen etwa das Bürgerbeteiligungsver- fahren zum Rosensteinpark oder zum neuen Stadtraum B14 dar. Mögliche Erklärungen politischer Partizipation und deren Messung Rückgriff auf die politische Welche Faktoren könnten nun aber einen Einfluss darauf haben, ob eine Bürgerin Partizipationsforschung oder ein Bürger an einem Verfahren der informellen Bürgerbeteiligung partizipiert? In Anlehnung an die Erkenntnisse der politischen Partizipationsforschung werden 89 nachfolgend vier Bereiche unterschieden. Hierzu gehören soziodemografische Merkmale, die kommunale Identifikation, die Wahrnehmung der Verwaltung und die Bedeutung des Politischen sowie das individuelle Engagement in der Stadtge- sellschaft. Die in der Folge diskutierten theoretischen Argumente werden von Infor- mationen über die Messung der in den statistischen Modellen berücksichtigten Variablen flankiert. Soziodemografische Merkmale Randständigkeitshypothese Soziodemografischen Merkmalen wird bei der Erklärung politischer Partizipation von jeher eine hohe Aufmerksamkeit geschenkt. Dalton (2014: 66-67) verweist in einer länderübergreifenden Studie zum Beispiel auf die Bedeutung der Bildung und kann zeigen, dass mit zunehmendem Bildungsstand auch die Wahrscheinlichkeit ansteigt, an informellen Verfahren zu partizipieren. Die theoretische Grundlage dieser Beobachtung bildet die Randständigkeitshypothese. Diese besagt, dass es insbeson- dere die sozial wenig Integrierten und gesellschaftlich Randständigen sind, die dazu neigen, politischen Mitwirkungsverfahren fern zu bleiben (Bohne 2010: 255). His- torisch gesehen fallen darunter Frauen, Jüngere, Menschen mit geringerer Bildung und Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Geschlecht, Lebensalter, Bildungsstand, In der nachfolgenden Analyse werden diese Gruppen daher gesondert berücksichtigt. Staatsangehörigkeit Die Variable Geschlecht unterscheidet zwischen männlichen (N=1811) und weiblichen (N=1999) Befragten. Das Lebensalter wird in vier Gruppen abgebildet: Unterschieden werden Befragte zwischen 18 bis 29 Jahren (N=562), zwischen 30 bis 44 Jahren (N=997), zwischen 45 bis 64 Jahren (N=1308) und befragte Personen ab 65 Jahren (N=927). Der Bildungsstand umfasst drei Ausprägungen: Befragte mit Haupt- oder Volksschulabschluss (N=443) bilden die erste Gruppe. Die zweite Gruppe beinhaltet Befragte mit mittlerer Reife oder Realschulabschluss (N=724). Die dritte Gruppe umfasst schließlich alle befragten Personen mit Abitur oder Fachhochschulreife (N=2362). Dazu kommt die Variable Staatsangehörigkeit. Hier wird zwischen Perso- nen ohne (N=515) und mit deutscher Staatsangehörigkeit (N=3348) unterschieden.
Hauptbeitrag Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 4/2020 Kommunale Identifikation Identifikationshypothese Neben soziodemografischen Merkmalen dürfte bei der Entscheidung, ob eine Person an einem informellen Verfahren der Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene par- tizipiert, eine Rolle spielen, in wie weit sich die Person mit der entsprechenden Kommune identifiziert. Denn es ist davon auszugehen, dass bei einer hohen Identi- fikation auch das Interesse daran steigt, politischen Einfluss zu nehmen und das Zusammenleben vor Ort aktiv mitzugestalten. Fällt die Identifikation mit der Kom- mune hingegen gering aus, so ist nicht zu erwarten, dass die Person ein gesteigertes Interesse an informellen Beteiligungsverfahren offenbart, um sich aktiv in den Ge- staltungsprozess einer Kommune einzubringen. Wohndauer, Verwurzelung, Lebens- Der explorativen Anlage dieser Studie folgend, wird die kommunale Identifikation qualität, Zufriedenheit durch vier Aspekte beschrieben. Die Variable Wohndauer unterscheidet zwischen Befragten, die seit weniger als 6 Jahren (N=529), zwischen 6 und 10 Jahren (N=352), zwischen 11 und 20 Jahren (N=578), zwischen 21 und 30 Jahren (N=580) und bereits seit über 30 Jahren (N=1599) in Stuttgart leben. Die Verwurzelung in Stuttgart bildet ab, ob eine befragte Person gern in Stuttgart lebt (N=3082) oder lieber wo- anders wohnen würde (N=712). Für die Beurteilung der Lebensqualität wird auf eine Skala mit ursprünglich fünf Ausprägungen zurückgegriffen. Aufgrund der mit- unter geringen Fallzahl müssen einzelne Kategorien jedoch zusammengefasst werden. Befragte Personen, die die Lebensqualität in Stuttgart alles in allem sehr schlecht bis schlecht bewerten, bilden eine erste Gruppe (N=88). Personen, die die Lebensqua- lität in Stuttgart als mittelmäßig wahrnehmen, sind in einer zweiten Gruppe zusam- mengefasst (N=700). Wird die Lebensqualität hingegen als gut bewertet, so begründet dies die Zugehörigkeit zur dritten Gruppe (N=2347). Eine vierte Gruppe beinhaltet diejenigen befragten Personen, die die Lebensqualität in Stuttgart als sehr 90 gut bezeichnen (N=626). Die Zufriedenheit mit Stuttgart insgesamt bildet darüber hinaus ab, ob befragte Personen sehr unzufrieden bis unzufrieden (N=222), teils zufrieden bis teils unzufrieden (N=896), zufrieden (N=2141) oder sehr zufrieden (N=540) mit der Stadt sind. Auch hier müssen die ursprünglich im Fragebogen vor- handenen fünf Kategorien auf vier Ausprägungen reduziert werden. Wahrnehmung der Verwaltung und die Bedeutung des Politischen Wirksamkeitshypothese Ein weiterer potentieller Einfluss auf die Teilnahme an einem informellen Mitwir- kungsverfahren wird der Wahrnehmung der Verwaltung und der Bedeutung des Politischen zugeschrieben. So ist in Anlehnung an die politische Wirksamkeitsfor- schung davon auszugehen, dass die Wahrscheinlichkeit zu partizipieren mit zuneh- mendem Ansehen der Stadtverwaltung ansteigt, da Menschen dazu tendieren ihre Zeit, Ressourcen und Kompetenzen nur dort einzubringen, wo sie auch auf frucht- baren Boden fallen (external efficacy).4 Steht trotz Mitwirkung zu vermuten, dass die Umsetzung gemeinsam entwickelter Strategien schließlich an der Stadtverwal- tung scheitert, so dürfte die Motivation sich zu beteiligen entsprechend gering aus- fallen. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass die Bereitschaft sich einzubringen vom jeweiligen kommunalpolitischen Interesse und der Informiertheit einer Person abhängt (internal efficacy). Für Personen, deren Interesse an der Kommunalpolitik hoch ist und die sich umfassend über das kommunalpolitische Geschehen informieren, darf angenommen werden, dass diese nicht nur mit einem größeren Selbstverständnis, sondern auch mit einem höheren Selbstbewusstsein an informellen Bürgerbeteili- gungsverfahren partizipieren. Fällt das Interesse jedoch gering aus und lässt die In- formiertheit zu wünschen übrig, so ist tendenziell nicht davon auszugehen, dass sich eine Person in einem Bürgerverfahren engagieren wird. Ansehen der Stadtverwaltung, kommu- Die Wahrnehmung der Verwaltung wird über die persönliche Einschätzung des An- nalpolitisches Interesse, kommunalpoli- sehens der Stadtverwaltung Stuttgart auf einer Skala mit fünf Ausprägungen ge- tische Informiertheit messen. In Reaktion auf die geringe Fallzahl derjenigen, die das Ansehen der Stadt- verwaltung als sehr schlecht beurteilen, bündelt eine erste Gruppe all jene Befrag-
Hauptbeitrag Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 4/2020 ten, deren Urteil über die Stadtverwaltung sehr schlecht bis schlecht ausfällt (N=404). Befragte, in deren Einschätzung sich Positives und Negatives die Waage hält, bilden die zweite Gruppe (N=1299). Die dritte Gruppe beinhaltet die befragten Personen, die eine gute Meinung von der Verwaltung der Stadt Stuttgart haben (N=1717). In einer vierten Gruppe finden sich schließlich jene wieder, die in höchs- ten Tönen über die Stadtverwaltung sprechen (N=205). Die Variable kommunalpo- litisches Interesse differenziert zwischen Personen, die angeben überhaupt nicht interessiert (N=173), schwach interessiert (N=529), mittel interessiert (N=1164), in- teressiert (N=1441) oder stark interessiert (N=405) zu sein. Die Messung der kom- munalpolitischen Informiertheit baut auf einer Fragestellung mit fünfzehn zur Auswahl stehenden Informationsquellen auf, bei der die Befragten aufgefordert werden alles Zutreffende anzukreuzen.5 Diese Information wird zu einem additiven Index mit einer Obergrenze von fünf Informationsquellen gebündelt. Entsprechend ergeben sich sechs Gruppen: Diese reichen von Personen, die keine der angegebe- nen Quellen zur Information heranziehen (N=128), über Befragte, die Informationen aus ein (N=210), zwei (N=452), drei (N=689) oder vier (N=823) Quellen beziehen, bis hin zu Bürgerinnen und Bürgern, die ihr kommunalpolitisches Wissen aus fünf oder mehr Informationsquellen speisen (N=1561). Engagement in der Stadtgesellschaft Sozialkapitalhypothese In Anlehnung an die Sozialkapitalforschung und die dem Sozialkapital zugeschrie- bene Wirkung auf demokratische Bürgertugenden wird in der Folge ein positiver Effekt formeller Netzwerke auf individuelle politische Partizipation angenommen (Ackermann und Freitag 2016: 7). So bezeichnete Alexis de Tocqueville (1985 [1835]) Vereine bereits im Jahr 1835 als „Schulen der Demokratie“ und machte darauf aufmerksam, dass Vereine Orte sind wo sich Menschen begegnen. In derlei Netzwerken wird über Satzungen abgestimmt und es werden gemeinsame Tätigkei- 91 ten ausgeführt. Im Zuge dessen werden Verfahrensregeln und Verhaltensweisen demokratischer Politik eingeübt und trainiert (Simon 1983: 243). Zudem geht die Forschung inzwischen von einer Art Selbstselektionsprozess aus. Demnach haben Menschen, welche in Vereinen aktiv sind, aufgrund ihrer Einstellungen und Werte auch eine höhere Wahrscheinlichkeit an informellen Verfahren der Bürgerbeteili- gung zu partizipieren (van der Meer und van Ingen 2009; van Ingen und van der Meer 2016). Mitgliedschaft in Vereinen und Die Erhebung der Mitgliedschaft in Vereinen und Organisationen erfolgt über Organisationen, ehrenamtliche eine Fragestellung zu den vielfältigen Möglichkeiten, sich außerhalb von Beruf und Tätigkeit, Meinung zu Projekten und Einrichtungen Familie zu engagieren. Zur Auswahl stehen 14 Bereiche.6 Die Befragten werden dazu aufgefordert für jeden Bereich anzugeben, ob sie in den vergangenen zwölf Monaten in einem Verein oder einer Organisation aktiv waren. Aus den 14 Bereichen entsteht ein additiver Index mit einer Obergrenze von vier Bereichen. Daraus ergeben sich fünf Gruppen: Diese erstrecken sich über Personen, die in keinem Verein oder einer Orga- nisation Mitglied sind (N=834), über Befragte, die entweder eine (N= 855), zwei (N=760) oder drei (N=582) Mitgliedschaften aufweisen, bis hin zu Bürgerinnen und Bürgern, die sich im angegebenen Zeitraum in vier und mehr Vereinen oder Organi- sationen engagieren (N=832). Die Variable Ehrenamtliche Tätigkeit greift auf die Angabe hinsichtlich einer derzeitigen ehrenamtlichen Tätigkeit zurück. Dabei spielt keine Rolle ob eine solche Tätigkeit unentgeltlich oder gegen geringe Aufwandsent- schädigung erfolgt. Entscheidend ist, ob eine ehrenamtliche Tätigkeit ausgeführt wird (N=959) oder nicht (N=2854). Schließlich wird die persönliche Meinung zu Projek- ten und Einrichtungen abgebildet. Dabei ist nicht ausschlaggebend, ob die Mei- nung der Befragten positiv oder negativ ausfällt. Für die Bildung des auf 21 Projekten und Einrichtungen basierenden additiven Indexes wird lediglich berücksichtigt ob die befragten Personen überhaupt eine Meinung haben.7 Diese Informationen werden in drei Gruppen überführt. Personen, die eine Meinung zu maximal sieben Projekten und Einrichtungen haben bilden die erste Gruppe (N= 241), Personen mit einer Mei- nung zu mehr als sieben aber maximal 14 die zweite (N= 979) und Person mit einer Meinung zu 15 und mehr Projekten und Einrichtungen die dritte Gruppe (N=2643).
Hauptbeitrag Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 4/2020 Stuttgarter Bürgerumfrage, abhängige Variable und methodisches Vorgehen Rücklaufquote Im Zuge der alle zwei Jahre stattfindenden Bürgerumfrage der Landeshauptstadt Stuttgart wird auf Grundlage der Einwohnermeldedatei eine Zufallsstichprobe aus den mindestens 18 Jahre alten Bürgerinnen und Bürgern mit Hauptwohnsitz in Stuttgart gezogen. Die zufällig Ausgewählten werden mit der Bitte um Teilnahme an der Bürgerumfrage kontaktiert. Diese kann schriftlich oder online erfolgen. Im Frühjahr 2019 wurden 9415 Stuttgarterinnen und Stuttgarter postalisch kontaktiert – 3863 Personen haben sich an der freiwilligen Umfrage beteiligt. Die Rücklaufquote lag bei 41 Prozent. Dies entspricht in etwa dem Rücklauf, der auch bei den vergan- genen Befragungen erzielt werden konnte. Zusammensetzung der Stichprobe Die Zusammensetzung der Stichprobe lässt sich mit der amtlichen Einwohnermel- destatistik (Gesamtbevölkerung in Stuttgart) hinsichtlich Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit vergleichen. Hier zeigt sich, dass die gezogene Stichprobe die Stuttgarter Gesamtbevölkerung mit zwei Einschränkungen zufriedenstellend abbil- det. Eine der Einschränkungen betrifft die Abbildung jüngerer Personen (18 bis 29 Jahre). Mit einem Anteil von 15 Prozent in der Stichprobe und einem Anteil von 21 Prozent in der Gesamtbevölkerung sind jüngere Personen in der Befragung leicht unterrepräsentiert. Zum anderen liegt der Anteil der Personen ohne deutsche Staats- angehörigkeit in der Gesamtbevölkerung mit 27 Prozent um 15 Prozentpunkte höher als in der Befragung. Beide Einschränkungen entsprechen denen anderer Bürgerumfragen im kommunalen Kontext. Gleichwohl gilt es sie im Fortgang im Auge zu behalten. Abhängige Variable und Vorteile der Die zu erklärende Variable wird über ein Item im Fragebogen gemessen, bei wel- multiplen Regression chem die Befragten angeben sollen, an wie vielen Verfahren der informellen Bürger- beteiligung der Landeshauptstadt Stuttgart sie bereits teilgenommen haben. Es wird 92 keine zeitliche Einschränkung vorgenommen und es stehen drei Antwortoptionen zur Auswahl. Befragte Personen die bislang an keinem Verfahren partizipiert haben machen mit annähernd 80 Prozent den Regelfall aus (N=2982; codiert mit 0). Die verbleibenden Befragten (1 bis 2 Verfahren; 3 und mehr Verfahren) werden auf- grund der geringen Fallzahl derjenigen, die bereits schon an drei und mehr Verfah- ren teilgenommen haben (N=115) zu einer Gruppe zusammengefasst (N=854; codiert mit 1). Die daraus resultierende dichotome Ausprägung der zu erklärenden Variable erfordert ein multiples logistisches Regressionsmodell (vgl. Tabelle 1). Im Unterschied zu einer bivariaten Analyse (Kreuztabellierung, Korrelation) besteht der Vorteil einer multiplen (logistischen) Regression darin, dass sie den Einfluss eines erklärenden Merkmals (z.B. des Lebensalters) auf eine zu erklärende Variable (z.B. Beteiligung an informellen Bürgerverfahren) unter Konstanthaltung der anderen im Modell berücksichtigten Einflussgrößen (z.B. Bildungsstand, kommunalpolitisches Interesse etc.) schätzt. Analytisches Vorgehen Die nachfolgende Analyse wählt einen schrittweisen Zugang. Zunächst werden se- parate Modelle für die soziodemografischen Merkmale (Modell A), für die kommu- nale Identifikation (Modell B), für die Wahrnehmung der Verwaltung und die Bedeutung des Politischen (Modell C) und für das Engagement in der Stadtgesell- schaft (Modell D) berechnet. Die in den Modellen A bis D separat überprüften Fak- toren werden dann in ein gemeinsames Gesamtmodell überführt. Da sich logistische Regressionskoeffizienten einer zugänglichen Interpretation verschließen, werden für all jene Faktoren, die ihre statistische Signifikanz im Gesamtmodell unter Beweis stellen, vorhergesagte Wahrscheinlichkeiten mit 95%-Konfidenzintervallen ausge- geben. Diese lassen sich hinsichtlich der Effektstärke wesentlich besser interpretieren (vgl. Abbildung 1).
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