Wie Wohnen Mobilität lenkt - 20 Jahre MobiliTät mit Zukunft - Plattform autofrei ...

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Wie Wohnen Mobilität lenkt

                             2010
                           20 Jahre
                          S c h r i f t e nreihe
                     VCÖ-                 ukunft
                         l iT ä t m  it  Z
                     Mobi
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Mobilität mit Zukunft

Wie Wohnen Mobilität lenkt
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Wie Wohnen Mobilität lenkt             3

Impressum
VCÖ                                                     VCÖ (Hrsg.):
1050 Wien                                               „Wie Wohnen Mobilität lenkt“
Bräuhausgasse 7–9                                       VCÖ-Schriftenreihe ­
T +43-(0)1-893 26 97                                    „Mobilität mit ­Zukunft“ 4/2010
F +43-(0)1-893 24 31                                    Wien 2010
E vcoe@vcoe.at                                          ISBN 3-901204-67-9
www.vcoe.at

Erstellt unter Mitarbeit von:

                                                      Marco
                                                Hüttenmoser                                Harald
                                                                                           Buschbacher
                                                          Andrea
                         Karl                             Weninger
                       Regner                                                    Florian
                                           Elke                                  Müller
                                           Szalai
                                                                                            Christine                     Martin
                                                                                            Zehetgruber                   Blum
       Roman
       Bartha             Gerlinde                      Bente
                        Gänsdorfer                      Knoll             Anna                                             Reinhard
                                                                          Vardai                                           Seiß
                    Christian
                                             Robert
                     Gratzer
                                             Temel                            Clarissa          Rainer
                                                                                                Mayerhofer                               Fritz
                                                                              Knehs                                                      Kobi
   Wolfgang                                                                                                    Georg
   Sengelin                                                                                                    Schiller
                                                                                                                               Jens-Martin
                                                                                                                               Gutsche
                   Walter                            Daniela                                       Gerhard
                   Riedler                           Steininger                                    Pernecker                    Harald
   Daniela                                                            Uwe                                                       Frey
   Bischof                                                          Sattler
                                                                                                                           Alexandra
                    Christian                                                                                              Wegscheider-
                      Höller               Ulla                                                    Gerlinde
                                                                                                   Gutheil-Knopp-          Pichler
                                     Rasmussen                        Brigitte
                                                                       Kvapil                      Kirchwald

                                                                                   Dominik
                    Michael                                 Jona                   Schranz                            Verena
                    Duncan                                Postner                                                     Ahne
                             Luka                                                                      Agnes
                          Samonig                                                                      Eybl
                                            Rachel
                                            Picard          Gregor                          Anne
                                                         Wiltschko                          Lang

Als Hauptautor zu zitieren:                                Titelbild: Büro Markus/Zahradnik
VCÖ-Forschungsinstitut, Wien, Österreich                   Übersetzungen: phoenix Übersetzungen
                                                           Layout: A BISS Z PRODUCTIONS
Medieninhaber, Herausgeber und ­Verleger
VCÖ, 2340 Mödling                                          Druck: Demczuk Fairdrucker GmbH
ZVR-Zahl 674059554                                         Wintergasse 52, 3002 Purkersdorf
Wie Wohnen Mobilität lenkt - 20 Jahre MobiliTät mit Zukunft - Plattform autofrei ...
Wie Wohnen Mobilität lenkt   5

Vorwort

„Zeig mir, wie du wohnst, dann sag ich dir, wie du
­mobil bist“, könnte es treffend heißen, wenn es um die
 Schnittstelle Wohnen und Mobilität geht. Denn das Ei-
 genheim weitab in der Region verlangt nach dem Auto
 als Anbindung an soziale und gesellschaftliche Einrich-
 tungen. Eine Wohnung im Ortskern oder im verdich-
 teten Wohnbau hingegen legt es nahe zu gehen oder
 das Rad zu verwenden und macht es für die Gemeinde
 leichter, ihren Bewohnerinnen und Bewohnern einen
 guten ­Öffentlichen Verkehr anzubieten.
    Die Entwicklungen der letzten Jahre machen das
 Thema Energieeffizienz auch für private Haushalte
 aktuell. Doch bleibt noch immer der Mobilitätsbereich
 ausgeblendet. Niedrigenergie- und Passivhäuser ent-
 stehen derzeit genauso auf der „grünen Wiese“ wie das
 herkömmliche Einfamilienhaus. Bei der Entscheidung
 für die Wohnform wird kaum beachtet, dass die Mo-
 bilität der Haushaltsmitglieder fast ebenso viel Energie
 verbraucht wie der Haushalt selbst. Dadurch entsteht
 eine mehrfache Kostenfalle. Denn bei steigenden Ener-
 giepreisen werden sich die Haushalte das Auto immer
 schwerer leisten können. Da hilft auch die Wärmedäm-
 mung des Hauses nichts. Die Gemeindebudgets wiede-
 rum werden durch die Erhaltung der Infra­struktur für
 Flächensiedlungen stark belastet. Und ein Öffentlicher
 Verkehr, der diese Siedlungen erschließt, geht sich dann
 nicht mehr aus.
    Es ist daher dringend notwendig, die Steuerungs­
 instrumente im Wohnbau zu verändern. Eine Wohn-
 bauförderung sollte es nur noch für jene geben, die ihr
 Eigenheim nahe an einem öffentlichen Verkehrsmittel
 errichten. Die Verpflichtung zur Errichtung von Au-
 toabstellplätzen ist abzuschaffen, zumindest braucht es
 eine Obergrenze für die Anzahl der zur Verfügung ge-
 stellten Parkplätze. Im innerörtlichen Wohnbau ist ein
 hoher Standard für ausreichend viele komfortable und
 sichere Fahrradunterbringungen zu schaffen. Und nicht
 zuletzt braucht es einen Energieausweis für ganze Sied-
 lungen. Einen Energieausweis, der auch die Mobilität
 und die Mobilitätskosten miteinbezieht.

Dr. Willi Nowak
VCÖ-Geschäftsführung
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Wie Wohnen Mobilität lenkt   7

Dank                                              Inhaltsverzeichnis

Gedankt sei allen, die die Herausgabe dieser      So wie wir wohnen, sind wir mobil                         9
­Publikation finanziell unterstützt ­haben.
                                                  Wohnen und Mobilität in Österreich                       12
                                                  Kostenfalle Zersiedlung                                  16
                                                  Der Preis für günstiges Wohnen                           19
                                                  Wohnbauförderung und Stellplatzverpflichtung
                                                  reformieren                                              21
                                                  Spannungsfeld Wohnbau – Verkehr                          24
                                                  Die Schnittstelle von Wohnen und
                                                  Mobilität attraktivieren                                 26
                                                  Elektro-Fahrzeuge ergänzen Verkehr in der Stadt          28
                                                  Wohnen als Integration von Bedürfnissen                  30
                                                  Carsharing erleichtert autofreies Wohnen                 32
                                                  Shared Space macht den öffentlichen Raum
                                                  attraktiv                                                34
                                                  Vauban – ein Stadtteil ohne Stellplätze                  35
                                                  Beispiele, wie Wohnbau nachhaltige Mobilität
                                                  forciert                                                 37
                                                  Sichere und attraktive Fahrradabstellanlagen
                                                  notwendig                                                39
                                                  Gender Planning optimiert Wohnlösungen
Inserate:                                         und Mobilität                                            40
Energie AG Oberösterreich
FGM Forschungsgesellschaft Mobilität              Literatur, Quellen, Anmerkungen                          41
GESIBA
Verkehrsverbund Tirol                             VCÖ-Schriftenreihe Mobilität mit Zukunft                 48
VOR Verkehrsverbund Ost-Region
Wiener Linien

Publikationen des VCÖ beziehungsweise des
VCÖ-Forschungsinstitutes dienen der fach-
lich fundierten Aufbereitung beziehungsweise
Diskussion von Themen aus dem ­Bereich
­Mobilität, Transport und Verkehr. Die Art der
 Behandlung der Inhalte und die ­erarbeiteten
 Ergebnisse müssen nicht mit der ­Meinung der
 unterstützenden Institutionen ­übereinstimmen.
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So wie wir wohnen, sind wir mobil

 Es sind die Lebensbereiche eines Menschen,
 die seine Mobilität definieren: Wohnen, Freizeit,
                                                       Arbeit und Freizeit sind wichtigste
 Ausbildung, Arbeit. Rund 80 Prozent der täglichen     Wegzwecke

                                                                                                                                                                                                Quelle: Amt der Niederösterreichischen Landesregierung 20092,
 Wege beginnen oder enden zu Hause. Bei Ent-                                                     100
 scheidungen zur Verkehrsmittelwahl spielt der                                                                               22              24                      Freizeit

                                                              Wegzweck im Jahr 2008 in Prozent

                                                                                                                                                                                                Socialdata 2010103, Herry 200946 Grafik: VCÖ 2010
                                                                                                  80       32                                                        Bringen oder Holen
 Wohnort daher eine zentrale Rolle.                                                                                           9               6                      von Personen
                                                                                                            5                10              10                      Dienstleistung
                                                                                                  60        5
                                                                                                                             17              13                      Einkauf                                                                                         100
Wie weit ist es zur nächsten Haltestelle? Kann                                                             22                                                        Ausbildung
                                                                                                  40
                                                                                                                              11             13                      dienstliche Wege
das Fahrrad ohne Hindernisse in Betrieb ge-                                                                10                  7              7                      Wege von und zur Arbeit
nommen werden? Steht das Auto am gesicherten                                                      20        5
                                                                                                                            3624             27
Parkplatz vor der Tür?                                                                                     21
                                                                                                   0
  Die täglichen Wege zu den verschiedensten                                                                Wien       Niederösterreich    Vorarlberg

Zielorten werden meist nicht in einer Reise-
route – von zu Hause zur Arbeit, von dort zum         Erschließung belastet Gemeindebudgets                                                                             Rund die Hälfte der von
                                                                                                                                                                        den Menschen in Wien,
Einkaufen und gleich danach zu einer Freizeit-        Gemeinden tragen – je nach Bundesland – etwa                                                                      Niederösterreich und
aktivität – geplant. Meist wird von zu Hause zur           27
                                                      16 Prozent      der anfallenden Erschließungskosten,                                                              Vorarlberg zurückge-
                                                                                                                                                                        legten Wege führt zum
Arbeit und wieder zurück gefahren, anschließend       Privaten werden etwa 37 Prozent angelastet. Der                                                                   Arbeitsplatz oder an ein
                                                      Rest 18
                                                               * Daten von 1951, ** Daten von 2009
von zu Hause zur Freizeiteinrichtung, zum Ein-             wird von Bund und Bundesländern über                                                                         Freizeitziel.
kaufen etc. So führt etwa in Niederösterreich ein     Förderungen getragen.24
Viertel der Wege zum Arbeitsplatz und beinahe           Das böse Erwachen kommt später, denn die
ein Viertel zu Freizeitaktivitäten.2                  Kosten für den Betrieb und die Instandhaltung
                                                      tragen Gemeinden danach großteils selbst –
Mobilitätserschließung wird beim Wohnbau              Folge­kosten, die bei der Planungsentscheidung zu
nicht berücksichtigt                                  wenig berücksichtigt werden.
Wenn eine Siedlung, ein Einkaufszentrum oder            Immobilienpreise sinken mit der Distanz zum                                                                     Mit steigender Bebau-
ein Betriebsgebäude gebaut wird, beschränkt sich      Zentrum. In den meisten Fällen werden die                                                                         ungsdichte sinken die
                                                                                                                                                                        Erschließungs- und
derzeit die Verkehrserschließung meist auf den        so erzielten Einsparungen durch eine größere                                                                      Erhaltungskosten je
Bau von Straßen und die Schaffung von Park-           Wohnfläche – also höhere Betriebskosten –                                                                         Wohneinheit.
plätzen. Die verschiedenen Wohnformen belasten
das öffentliche Budget unterschiedlich. Siedlun-       Einfamilienhäuser verursachen die
gen auf der grünen Wiese verursachen weitere
Wege und höhere Erschließungs- und Erhal-              höchsten Kosten bei Erschließung und Erhaltung
tungskosten für die Gemeinden als Bauen im be-                                                               Erschließung           Erhaltung
reits besiedelten Gebiet – für Wasserversorgung,                                                  100
                                                                                                            100     100
                                                       Einfamilienhaus als Referenz, in Prozent
                                                         Durch Bauform verursachte Kosten,

Abwasserentsorgung und Verkehrserschließung
                                                                                                   80
ebenso wie für Schulbus und mobile Dienste der
                                                                                                                                                                                                                               Quelle: SIR 200728 Grafik: VCÖ 2010

Altersbetreuung.                                                                                   60                              63      64
  Mit fallender Siedlungsdichte steigt auch der                                                    40                                                      47      46
Motorisierungsgrad. So nutzen im dicht verbau-
                                                                                                   20                                                                            25      27
ten Gebiet rund 56 Prozent der Personen mehr-
mals pro Woche einen Pkw, in Streusiedlungs­                                                           0   Einfamilienhaus Einfamilienhaus gekoppelt       Reihenhaus         Geschoßwohnbau
gebieten jedoch 81 Prozent.139

                                                     Mobilität mit Zukunft 4/2010
                                                                                                                                                                                      +14,1%

                                                                                                             kompakte Raumstrukturen                   heutige Siedlungsdichte
                                                                                                                                                                         +15,7%
Wie Wohnen Mobilität lenkt - 20 Jahre MobiliTät mit Zukunft - Plattform autofrei ...
10          Wie Wohnen Mobilität lenkt

                                                                                                                                                                                                                und Mobilität zu wecken, auch durch gesetzliche
Anteil des Autos steigt mit fallender                                                                                                                                                                           Regelungen und Förderungen. Etwa indem die
Siedlungsdichte                                                                                                                                                                                                 Wohnbauförderung an die Erschließung eines
                                                                                                                                                                                                                Objektes durch öffentliche Verkehrsmittel gekop-
                                                                                                   öffentliche Verkehrsmittel     Pkw
                                                                                                                                                                                                                pelt wird und Höchst-, nicht Mindestanzahlen
Anteil der Personen, die das Verkehrsmittel

                                                                                      100
                                                                                                                                                                                                                an Pkw-Stellplätzen in den Bauordnungen fest-
    täglich oder mehrmals pro Woche

                                                                                           80                                                           81
                                                                                                                                         78                                                                     gelegt werden sowie ein Stellplatzüberangebot
                                                                                                                           71
             nutzen, in Prozent

                                                                                                                                                                         Quelle: VCÖ 2010139 Grafik: VCÖ 2010
                                                                                           60                                                                                                                   besteuert wird. Zumindest sind die Errichtungs-
                                                                                                         56                                                                                                     kosten für die Abstellflächen von Autos von der
                                                                                           40    44
                                                                                                                                                                                                                Wohnbauförderung auszunehmen. Im Energie-
                                                                                           20                       24                                                                                          ausweis für ein Haus ist der nötige Energieauf-
                                                                                                                                  16               9                                                            wand für die Mobilität miteinzubeziehen.
                                                                                            0      dicht              locker    Ein- und Zwei-      nicht
                                                                                                  verbaut            verbaut    familienhäuser     verbaut
                                                                                                                                                                                                                Förderung von Nutzungsmischung
                                                    Während in dicht ver-    und höhere Mobilitätskosten kompensiert. Ein                                                                                       Belebte Erdgeschoßzonen sind wichtige Verbin-
                                                  bauten Ballungsräumen      Umzug ins Umland führt selten zu finanziellen                                                                                                        +14,1%
                                                                                                                                                                                                                dungsstücke zwischen   öffentlichem und privatem
                                                     öffentliche Verkehrs-
                                                        mittel von fast der  Einsparungen. Die höheren Mobilitätskosten                                                                                         Raum. Eine Adaptierung der Förderungen etwa
                                                   Hälfte der Bevölkerung    werden, im Gegensatz zu den Betriebskosten des                                                                                     durch Förderung der Nutzungsdurchmischung
                                                   täglich oder mehrmals
                                                      wöchentlich genutzt    Wohnens, vorab meist nicht richtig eingeschätzt.                                                                                   ist notwendig.
                                                       werden, fällt dieser +6,4%
                                                                               Mit der Übersiedlung
                                                                                                 +10,3%ins Grüne erhöht sich                                                                                       Das gesetzliche Verknüpfen des Parkplatzbaus
                                                                +11% der
                                                     Anteil mit Sinken       oft die Anzahl der Autos im Haushalt. Zehn                                                                                         mit dem Wohnungsbau hat die Autoabhängig-
                                                    Besiedlungsdichte   auf
                                                            Österreich-Durchschnitt: 21 Prozent Österreich-Durchschnitt: 68 Prozent
                                                  bis zu weniger als zehn    Prozent der Haushalte haben bei einer Siedlungs-                                                                                   keit gefördert und verteuert den Wohnbau zu
                                                                   Prozent.  dichte unter 100 Personen pro Quadratkilometer                                                                                     Lasten jener, die ohne eigenes Auto leben wollen.
                                                                                                                       drei oder mehr Pkw, bei einer Siedlungsdichte                                            Eine Verbesserung der Kostentransparenz und
                                                                                                      Geschlecht       über 500 sind es nur zweiAlterProzent.121 Die Zahl                                       die Umverteilung auftretender Mehrkosten von
                                                                                                                       der zurückgelegten Kilometer steigt. Die Fol-                                            Parkplätzen zu Lasten der Verursachenden ist ein
                                                                                                                       gekosten der Bereitstellung von Verkehrsinfra-                                           wichtiger Schritt in Richtung nachhaltiger Sied-
                                                                                                Ausgangspunkt:
                                                                                                                       struktur tragen alle Steuerzahlenden, unabhängig                                         lungsentwicklung und Siedlungserschließung. So
                                                                                                Besetzungsgrad 50 Prozent
                                                                                                                       davon, wo sie wohnen.
                                                                                                100 Personen pro Stunde befördertk26
                                                                                                                                                                                                                bekommen auch andere Mobilitätsformen und
                                                                                                                                                                                                                andere Nutzungen des öffentlichen Raums eine
                                                                                                                  Standort ist bei Energiebilanz zu                                                             Chance.
                                                                                                                  berücksichtigen
                                                                                                   öffentliche Verkehrsmittel           Pkw
                                                                                                                  Um den Energieverbrauch zu reduzieren, wird                                                   Verknüpfung Wohnen und öffentlicher Raum
    Anteil der Personen, die das Verkehrsmittel

                                                                                      100
                                                                                                                  heute die Wohnbauförderung bereits an Energie-                                                Wohnbau und öffentlicher Raum stehen vielfach
                                         täglich oder mehrmals pro Woche

                                                                                           80                     kennwerte der Gebäude          gekoppelt.
                                                                                                                                                          81 Der Standort                                       in Wechselwirkung. Lärm und Abgase verdrän-
                                                                                                                                           78
                                                                                                                          71 Verkehrserschließung der Gebäude wird
                                                                      nutzen, in Prozent

                                                                                           60
                                                                                                                  und die                                                                                       gen die Menschen immer mehr in das Innere
                                                                                                       56         bei der Förderung aber außer Acht gelassen, ob-                                               ihrer Häuser. Fenster bleiben geschlossen. Die
                                                                                           40    44               wohl für Mobilität beinahe genauso viel Energie                                               Verantwortung für den Raum vor dem Haus
                                                                                           20                     aufgewendet
                                                                                                                   24               wird wie für das Wohnen.133 Wohn-                                           wurde aufgegeben, weil seine Umwertung zum
                                                                                                                  bauförderungen   16 haben in 9Zukunft jene stärker zu                                         bloßen Verkehrsraum nicht den Bedürfnissen der
                                                                                            0      dicht             locker      Ein- und Zwei- bauen.
                                                                                                                                                    nicht
                                                                                                  verbaut
                                                                                                                  fördern,
                                                                                                                    verbaut
                                                                                                                              diefamilienhäuser
                                                                                                                                   verdichtet      verbaut
                                                                                                                                                                                                                dort Wohnenden entspricht.
                                                                                                                      Wohnbau, Stadt- und Siedlungsplanung sowie                                                  Die Massen-Automobilisierung der Gesell-
                                                                                                                  Verkehrsplanung laufen heute weitgehend neben-                                                schaft ab den 1960er-Jahren hat nicht nur im
                                                                                                                  einander her. Hauptakteure, die das Themenfeld                                                großen Maßstab zu einer Entflechtung unserer
                                                                                                                  Wohnen und Mobilität gestalten und prägen,                                                    Städte geführt – zu einer Funktionstrennung
                                                                                                                  sind Baugesellschaften und Hausverwaltungen,                                                  in Wohngebiete, Banken- und Geschäftsviertel,
                                                                                                                  Gemeinden sowie jene, die Öffentlichen Verkehr                                                Gewerbe- und Industriegebiete, Freizeit- und
                                                                                                                  anbieten, Mietervereinigungen und Raumpla-                                                    Naherholungszonen –, sondern auch eine weit-
                                                                                                                  nungsverantwortliche. Bei ihnen allen ist das Be-                                             gehende Monofunktionalisierung der Gebäude
                                                                                                                  wusstsein für den Zusammenhang von Wohnen                                                     nach sich gezogen. Die meisten Häuser dienen

                                                                                                                                                  Mobilität mit Zukunft 4/2010
Wie Wohnen Mobilität lenkt - 20 Jahre MobiliTät mit Zukunft - Plattform autofrei ...
Wie Wohnen Mobilität lenkt     11

nur mehr einer Nutzung. Das prägt dann auch
den öffentlichen Raum.                                                 Motorisierungsgrad in stark zersiedelten
  Der öffentliche Raum erfüllt heute fast aus-                         Gebieten am höchsten
schließlich den Zweck einer Fläche für den mo-
                                                                        Motorisierungsgrad 31.12.2009 nach politischen Bezirken
torisierten Verkehr. In neu errichteten Vierteln
                                                                        Anzahl der Pkw
fehlt es in der Regel an belebten Erdgeschoßen                          je 1.000 Menschen
                                                                                308 bis 450
und damit an einem Übergang zwischen Woh-                                       451 bis 500
                                                                                501 bis 550
nung und Straßenraum. Es fehlen Kriterien bei                                   551 bis 600
                                                                                601 bis 995                                                                               Wien

der Wohnbauförderung, die Anreize geben, im

                                                                                                                                                                                            Quelle: Statistik Austria 2010124 Grafik: VCÖ 2010
                                                                        -   Wien Umgebung inkl. Bundespolizeidirektion Schwechat
                                                                        -   Leoben Umgebung inkl. Bundespolizeidirektion Leoben Stadt
untersten Geschoß eines Wohnhauses mehr als                             -
                                                                        -
                                                                            Liezen inkl. Exposituren Bad Aussee und Gröbming
                                                                            Eisenstadt inkl. Rust

die Tiefgarageneinfahrt, den Müllraum und die
Haustechnik unterzubringen.
  Eine Reduktion des motorisierten Verkehrs im
unmittelbaren Wohnumfeld verringert nicht nur
Lärm- und Abgasbelastung. Es wird Platz frei für                                Grenzen der Bundesländer
                                                                                Grenzen der politischen Bezirke
                                                                                                                                        0   30   60 km
                                                                                Wald, Almen und Ödland
mehr Vegetation, für Plätze und für kurze, di-
rekte Verbindungswege für das Gehen. Einkaufs-
möglichkeiten, Betriebe und kulturelle Einrich-                        haltsformen, die sich im Laufe der Zeit ändern                                          In den Städten, wo es
                                                                                                                                                               ein dichtes öffentliches
tungen „ums Eck“ können sich etablieren.                               (können), werden Wohnungen und Wohnum-                                                  Verkehrsnetz gibt, ist der
                                                                       feld flexibler. Shared Space, Begegnungszonen,                                          Motorisierungsgrad ver-
Autofreies Wohnumfeld fördert soziale Kontakte                         Sammelgaragen: Neue Entwicklungen verstehen                                             gleichsweise niedrig. Am
                                                                                                                                                               höchsten ist er in stark
Untersuchungen belegen die Barrierewirkung                             den öffentlichen Raum wieder als Lebensraum,                                            zersiedelten peripheren
von Straßen. Kinder spielen in einem autofreien                        reduzieren Reglementierungsbedarf und geben                                             Regionen sowie in den
                                                                                                                                                               Speckgürteln rund um
Wohnumfeld um 45 Prozent länger im Freien,                             den Menschen wieder Verantwortung zurück.                                               die Städte.
haben mehr Freundschaften im Wohnumfeld                                Ein derart gestalteter öffentlicher Raum sollte
(Verhältnis 9:2) und haben ein stärkeres soziales                      auf einen Wohnbau treffen, der auf die Straßen
Gefüge (Feste, Ausflüge; Verhältnis 7:2).51                            hin orientiert ist. Auch Klima- und Energieziele,
  Auch die Geschwindigkeit auf der Straße be-                          die eine Förderung nachhaltiger Mobilität als
einflusst die sozialen Kontakte und das Sicher-                        integrierenden Bestandteil umfassen, sollten den
heitsgefühl der Anrainerinnen und Anrainer.                            Wohnbau der Zukunft prägen.
Mehr als die Hälfte der Menschen, die in einer                            Es geht darum, die Wege zu reduzieren, die
Tempo-20-Zone leben, halten sich ab und zu bis                         Lebensqualität im unmittelbaren Wohnumfeld zu
häufig auf der Straße auf, in einer 50er-Zone sind                     erhöhen – durch selbstverständliches Planen von
es nur knapp ein Viertel.100                                           Fuß- und Radwegen und durch siedlungsnahe
  Es ist wichtig, Fragen der Alltagsmobilität                          Haltestellen. Planen und Bauen für eine autolose
bereits in der Planungsphase in den Gemeinden                          Mobilität legt auch der demografische Wandel
und Stadtteilen mitzudenken und einen guten                            nahe: Die Zahl der Menschen, die nicht mehr
Mix an Verkehrsmitteln zur Verfügung zu stellen.                       Auto fahren wollen oder können, wird wachsen.
  Autos brauchen Platz zum Fahren und Parken,
was auch die mögliche Baudichte und Flexibilität
bei der Grundstücksnutzung verringert. Durch
die Reduktion des Autoverkehrs kommt es zu
spürbar geringeren Umweltbelastungen im un-
mittelbaren Wohnbereich.17 Durch Maßnahmen,
die das Gehen und das Radfahren unterstützen,
werden Lärm und Platzverbrauch reduziert.
                                                                                                                                                               Wenn die Menschen in
Wohnungen und Wohnumfeld werden flexibler                                                                                                                      stark zersiedelten Gebie-
                                                     Foto: bilderbox

                                                                                                                                                               ten wohnen, erhöht das
Durch das Berücksichtigen unterschiedlicher                                                                                                                    den Motorisierungsgrad
Lebenszyklen und das Mitdenken von Haus-                                                                                                                       deutlich.

                                                         Mobilität mit Zukunft 4/2010
Wie Wohnen Mobilität lenkt - 20 Jahre MobiliTät mit Zukunft - Plattform autofrei ...
12         Wie Wohnen Mobilität lenkt

                                                Wohnen und Mobilität
                                                in Österreich
                                                   Die demografischen Veränderungen spiegeln sich
                                                   auch in den Ansprüchen an Wohnraum und Mo-
                                                   bilität wieder. Mehr Single-Haushalte, mehr ältere
                                                   Menschen und sich rascher und häufiger verän-
                                                   dernde Lebenssituationen sind im Wohnbau und
                                                   in der Mobilitätsplanung zu berücksichtigen.

                                                In Österreich leben im Jahr 2010 rund 8,4 Mil-

                                                                                                                                                                        Foto: bilderbox
                                                lionen Menschen. Die Altersstruktur hat sich im
                                                Laufe des 20. Jahrhunderts deutlich zugunsten
                                                                                                                                                                                                                             Die Anforderungen an
                                                der älteren Bevölkerung verschoben. Ursachen                                                                                                                                   das Wohnen ändern
                                                sind die steigende Lebenserwartung und die                                                                                                                                    sich je nach Lebens­
                                                sinkende Geburtenrate. Die Zahl der über 65-                                                                                                                               abschnitt. Mobil wollen
                                                                                                                                                                                                                       die Menschen aber immer
                                                Jährigen hat sich in den Jahren 1951 bis 2009                                                                                                                              sein. Die Bau- und Ver-
                                                von über 700.000 auf über 1.400.000 fast ver-                                                                                                                             kehrsplanung sollte das
                                                                                                                                                                                                                          berücksichtigen und vor
                                                doppelt. Gleichzeitig ist der Anteil der jüngsten                                                                                                                       allem auf einen gesicher-
                                                Bevölkerungsgruppe von rund 1.600.000 auf                                                                                                                               ten Anschluss von Wohn-
                                                etwa 1.200.000 geschrumpft.                                                                                                                                               gebieten an den Öffent­
                                                                                                                                                                                                                            lichen Verkehr achten.
                                                   Im Osten Österreichs leben verhältnismäßig
                                                mehr ältere Menschen als im Westen, wo nur
                                                größere Städte hohe Anteile an Pensionistinnen                                                                                            Regionale Bevölkerungsverteilung
                   In dünn besiedelten Ge-      und Pensionisten aufweisen.186 Der Anteil der                                                                                             Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts lag der
                  bieten haben 36 Prozent       über 65-Jährigen wird in Österreich bis zum Jahr                                                                                          Schwerpunkt des Bevölkerungswachstums im
                    der Haushalte mehr als
                    einen Pkw, im urbanen
                                                2030 auf 32 Prozent steigen.                                                                                                              Westen Österreichs sowie im Umland von Wien.
                      Raum sind es nur 14                                                                                                                                                 Erst ab dem Jahr 1990 war eine generelle Ver-
                                  Prozent.                                                                                                                                                lagerung in den Osten zu beobachten, wo die
                                                                                                                                                                                          negative Geburtenbilanz durch eine überaus po-
Abhängigkeit vom Auto sinkt mit                                                                                                                                                           sitive Wanderungsbilanz ausgeglichen wurde. Im
zunehmender Siedlungsdichte                                                                                                                                                               Westen, etwa in Tirol und Salzburg, wuchsen im
                                                                                                                                                                                          gleichen Zeitraum hingegen nur die suburbanen
                             kein Pkw         1 Pkw           2 Pkw         3 oder mehr Pkw                                                                                               Gebiete um die Landeshauptstädte.191
                       100                             2                                                                                                                                     Prognosen zufolge wird sich dieser Trend
                                6                                              5                   10
                                                      12
                                20                                            25                                                                                                          fortsetzen. Wien wird vor allem entlang der
                        80                                                                         26
                                                                                                                                                                                          hochrangigen Verkehrsachsen die höchsten Zu-
Haushalte in Prozent

                                                                                                                   Quelle: Statistik Austria 2006121 Grafik: VCÖ 2010

                        60                            52                                                                                                                                  wächse verzeichnen. Die Regionen außerhalb der
                                50                                            52                                                                                                          Einzugsbereiche der Landeshauptstädte werden
                        40                                                                         47
                                                                                                                                                                                          weiter Bevölkerung verlieren, vor allem periphere
                        20                            34                                                                                                                                  Regionen Österreichs.123
                                24                                            18                   17                                                                                        Ausschlaggebend für die Bevölkerungsentwick-
                         0
                             Österreich            über 500             100 bis 500             unter 100
                                                   Menschen           Menschen pro km²          Menschen                                                                                  lung in den Teilgebieten Österreichs ist unter an-
                                                    pro km²                                      pro km²
                                                                      Besiedlungsdichte
                                                                                                                                                                                          derem die Binnenwanderung, die in der zweiten
                                                                                                                                                                                          Hälfte des 20. Jahrhunderts deutlich zunahm.123
                                  4.117

                                             135                                           Mobilität mit Zukunft 4/2010
                                                                         50
                                             139
                                                                                          50        20         5
Wie Wohnen Mobilität lenkt - 20 Jahre MobiliTät mit Zukunft - Plattform autofrei ...
Wie Wohnen Mobilität lenkt                               13

Zwischen den Jahren 1990 und 2001 siedelte
sich vor allem die Gruppe der 27- bis 38-Jähri-           Die Motorisierung erreicht in Österreich
gen mit Kindern im Umland der größeren Städte             Sättigungspunkt

                                                                                                                                                                                                                       Quelle: Wirtschaftskammer Österreich 2010150, Statistik Austria 2010122,
an, vor allem rund um Wien. Junge Erwachsene
                                                                                                        1971             1981                 1991         2001                     2011*
zwischen 18 und 26 Jahren hingegen ziehen                                                                                                        Österreichschnitt
in die Landeshauptstädte mit ihrem höheren                                       700

Angebot an Bildungseinrichtungen und Arbeits-                                    600
                                                      Pkw je 1.000 Einwohnende

plätzen. Mit zunehmendem Alter verschwimmt                                       500
dieser Suburbanisierungstrend. Die Gruppe der                                    400
über 75-Jährigen konzentriert sich eher in Klein­

                                                                                                                                                                                                                       VCÖ 2010141 Grafik: VCÖ 2010
                                                                                 300
städten.112                                                                      200
   In den Jahren 2002 bis 2010 wuchs die Grup-                                   100
pe der unter 40-Jährigen im Stadtgebiet von                                          0
                                                                                                    B             K            NÖ            OÖ              S          ST            T            V          W
Wien in größerem Ausmaß als im Umland.116                                                     * Wert für 2011 hochgerechnet aus dem Wachstum 2007 bis 2009

Pkw-Besitz und Siedlungsstruktur sind eng                                                                         Der Motorisierungsgrad
                                                     1995 bis 2009 der Anteil der Gehenden am Mo- Österreichschnitt             2010: 522
                                                                                                                  erreicht in Österreich
                                                                                        Österreichschnitt 1970: 177
verknüpft                                            dal Split abgenommen, dafür gibt es mehr Rad-                seinen Höhepunkt. Portugal
Ab Ende der 1940er-Jahre hielt die Massenmoto-       und Öffentlichen Verkehr.                                    Dem autozentrierten Irland
                                                                                                                                      Norwegen

                                                                                                                                                                                                              11.164
                                                                                 zurückgelegte Kilometer pro Jahr
risierung in Österreich Einzug.112 In den Jahren       In den weniger dicht besiedelten Gebieten etwa Zukunftsszenario fehlt           Finnland
                                                                                                                  die Basis.           Spanien

                                                                                                                                                                                                           9.260
1965 bis 2000 stieg der Motorisierungsgrad in        Niederösterreichs nimmt der motorisierte Indivi-                                  Belgien

                                                                                                                                                                                                        8.097
                                                                                                                                      Dänemark
Österreich von 109 auf 505 Pkw pro tausend           dualverkehr zu, während der Öffentliche Verkehr                                 Frankreich*

                                                                                                                                                                                                     6.619
                                                                                                                                      Österreich
Personen. In den Jahren 2005 bis 2009 ist der        an Bedeutung verliert und immer weniger Men-                                    Schweden*
                                                                                                                              5.352
                                                                                                                              5.217

                                                                                                                                                                              4.993

                                                                                                                                                                                                 4.958
                                                                                                                                        Italien
                                                                                                                                                                             2.114
                                                                                                                            4.579
                                                                                                 1.705

                                                                                                                           4.123
                                                                                                 1.644
                                                                                                 1.623
                                                                                                 1.564

Pkw-Besitz nur geringfügig gestiegen, in Wien        schen zu Fuß gehen.47
                                                                                                                                                    1.404

                                                                                                                                   Großbritannien*
                                                                                                1.285

                                                                                                                                                                           1.355
                                                                                                                                                   1.141

                                                                                                                  Während sich der Anteil
                                                                                                                         3.432

                                                                                                                                                                                                               Niederlande*
                                                                                                                                                                         2.992
                                                                                                                                                   955
                                                                                                                                                  915

                                                                                                                                                                          754
                                                                                                                                                  772

sogar gesunken. 47 Im Jahr 2010 sind in Öster-                                                                                                                                                          Deutschland
                                                                                                                                                                                       der über 65-jährigen
                                                                                                                                                                                                          Schweiz
reich rund 4,4 Millionen Pkw gemeldet.Wien hat       Frauen nutzen öfter den Öffentlichen Verkehr                                                                                      Menschen in Österreich
                                                                                                                                                                                       in den Jahren 1951
im Jahr 2010 mit 394 Pkw pro tausend Personen        Die Nutzung von Verkehrsmitteln variiert ge-                                                                                      bis 2009 um mehr als
den niedrigsten Motorisierungsgrad der Bundes-       schlechterspezifisch und nach Wohnort und                                                                                         730.000 Personen er-
                                                                                                                                                                                       höht hat, sank der Anteil
länder, das Burgenland mit 599 Pkw den höchs-        damit verbundener Lebenssituation, Alter und                                                                                      der Jugendlichen um
ten, gefolgt von Niederösterreich.124                Einkommen.44 Frauen benutzen etwas seltener                                                                                       über 330.000.
    Städtische Dichte in Kombination mit einem
dichten öffentlichen Verkehrsnetz trägt zu gerin-         Der Anteil der Kinder und Jugendlichen
gerer Autonutzung bei. In Gebieten mit mehr
als 500 Personen pro Quadratkilometer besitzen
                                                          nimmt in Österreich kontinuierlich ab
rund ein Drittel der Haushalte in Österreich                                                            0 bis 14 Jahre                  15 bis 64 Jahre                 65 Jahre und älter
kein Auto. In weniger dicht besiedelten Gebieten                                     10
                                                                                                                                                                                                                                                           Quelle: Statistik Austria 2010125 Grafik: VCÖ 2010

                                                                                                                                                                                            8,0            8,4
sind es weniger als 20 Prozent. Mit abnehmender                                                                                         7,5                  7,6             7,7
Bevölkerungsdichte steigt die Zahl der Pkw pro
                                                                                          8
                                                                                                     6,9               7,1
                                                                  Bevölkerungsanzahl in
                                                                   Millionen Menschen

Haushalt.111                                                                              6

    Die Verkehrsmittelwahl wird durch die Rah-                                            4
menbedingungen für die Nutzung verschiedener
Verkehrsmittel beeinflusst. In Österreich ist der                                         2

Anteil des nicht motorisierten Verkehrs in Wien                                           0
                                                                                                    1951              1961              1971                 1981            1990           2000            2009
am höchsten. Zwar hat in Wien in den Jahren

                                                                                                                                                                     1.587.804       4.612.694      733.407
                                                    Mobilität mit Zukunft 4/2010
                                                                            4.117                                                                                    1.584.629       4.615.973      873.205
                                                                                                                                                                    1.822.332       4.607.597      1.061.597
                                                                                                                                                                    1.510.564       4.898.780      1.145.994
14           Wie Wohnen Mobilität lenkt

                                                                                                                                                                                                                                              Personengruppen sind überhaupt vom Zugang zu
Immer weniger Menschen legen in                                                                                                                                                                                                               direkten und indirekten Leistungen der Wohn-
Österreich ihre Wege zu Fuß zurück                                                                                                                                                                                                            bauförderung ausgeschlossen. So haben im Bur-
                                                                                                                                                                                                                                              genland, in Niederösterreich und Kärnten Bürge-

                                                                                                                                                       Quelle: VCÖ 2009138, Amt der NÖ Landesregierung 20092, Herry 200946,
                                                            Gehen       Radfahren        Öffentlicher Verkehr
                                                            Kfz-Lenkende        Kfz-Mitfahrende                                                                                                                                               rinnen und Bürger aus Nicht-EU-Staaten keinen

                                                                                                                                                       Wiener Stadtwerke 2010146, VCÖ 2007136 Grafik: VCÖ 2010
                       100                              9              8            11        11          10         10        12           10                                                                                                Anspruch auf sozial gefördertes Wohnen.102
                                 80                    27             24
                                                                                    51
                                                                                              53
                                                                                                          46         44        44           48                                                                                                Der öffentliche Raum als Begegnungsstätte
                                 60                                                                                                                                                                                                           Im öffentlichen Raum treffen gemeinsame, aber
Prozent

                                                       34             35
                                 40                                                                       11         13                                                                                                                       auch widersprüchliche Interessen und Bedürf-
                                                                                                                               16           17
                                                        3              6            13        13
                                                                                                          14         15         5
                                                                                                                                                                                                                                              nisse wie Ruhe und Erholung, Treffpunkt und
                                 20                                                  7         7                                             7
                                                       27             27                                                       23                                                                                                             Rückzug, Bewegung und Erlebnis der verschiede-
                                                                                    18        16          19         18                     18
                                           0
                                                                                                                                                                                                                                              nen Bevölkerungsschichten aufeinander.110
                                                      2003           2009        2003        2008       2003       2008       2000       2008
                                                              Wien               Niederösterreich         Vorarlberg            Österreich                                                                                                       Nutzungsintensität und Verhalten im öffent-
                                                                                                                                                                                                                                              lichen Raum sind unter anderem von Alter, Ge-
                          Je besser das Angebot       das Auto als Männer und sind häufiger mit öf-                                                                                                                                           schlecht und Herkunft abhängig. Kinder und Ju-
                                       4.117
                            des Öffentlichen Ver-     fentlichen Verkehrsmitteln unterwegs.                                                                                                                                                   gendliche sind durch ihre eingeschränkte Mobilität
                         kehrs, umso mehr Men-
                           schen sind ohne Auto          Der Zugang zu Mobilität verändert sich auch                                                                                                                                          besonders stark auf das Angebot in der direkten
                                                  135                Besiedlungsdichte
                                     unterwegs.       mit dem Alter. Das 50 Rad wird von Kindern und                                                                                                                                          Umgebung angewiesen. Im öffentlichen Raum
                                                                              139
                                                                                    in der Altersgruppe der 55- 50bis 65-Jährigen
                                                                                                                           20     am
                                                                                                                                   5                                                                                                          haben sie die Möglichkeit, soziales Verhalten zu
                                                                                                                52         12
                                                                                    häufigsten benutzt. Der Öffentliche Verkehr ist2                                                                                                          lernen und eine soziale Identität zu entwickeln.110
                                                                                                                52         25      5
                                                                                    für Kinder und Jugendliche47bis 17 Jahre
                                                                                                                          26   und10für
                                                                                    Menschen über 65 Jahre das wichtigste Verkehrs-                                                                                                           Kriterien für die Wohnortwahl
                                                                                    mittel, während im Altersbereich zwischen 18                                                                                                              Ein Wohnort wird nach Kriterien wie Lage,
                                                                                    und 64 Jahren das Auto am häu­figsten genutzt                                                                                                             Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten, Kosten,
                                                                                    wird. Der Pkw verliert mit steigendem Alter an                                                                                                            gutem Anschluss an den Öffentlichen Verkehr,
                                                                                    Attraktivität und wird vom Fahrrad oder – bei                                                                                                             Energieverbrauch und Sicherheit gewählt. Bei
                                                                                    zunehmender Unsicherheit und Gebrechlich-                                                                                                                 Menschen mit geringem Einkommen müssen
                                                                                    keit – vom Öffentlichen Verkehr ersetzt.47                                                                                                                manche Kriterien zugunsten der Kostenfrage ver-
                              Frauen nutzen den                                        Auch der Zugang zu Wohnraum ist nicht                                                                                                                  nachlässigt werden.91,93
                            Öffentlichen Verkehr
                                                                                    auf alle Bevölkerungsschichten gleich verteilt.
                            häufiger als Männer.                                                                                                                                                                                                                                                                         Bis zum Jahr 2050 wird in
                            Insgesamt dominiert                                     Eingeschränkt ist zum Beispiel der Zugang zu                                                                                                                                                                                           fast der Hälfte der Haus-
                          jedoch bei beiden Ge-                                     geförderten Wohnungen. Für Menschen mit                                                                                                                                                                                                halte nur mehr eine Per-
                           schlechtern das Auto.                                                                                                                                                                                                                                                                           son leben, Haushalte mit
                              Die Autobenutzung                                     niedrigem Einkommen sind Eigenleistungen oft                                                                                                                                                                                           vier oder mehr ­Personen
                        nimmt mit dem Alter ab.                                     eine unüberwindbare Barriere, oder bestimmte                                                                                                                                                                                             werden immer weniger.

Frauen fahren in Österreich weniger Auto                                                                                                                                                                                                          Ein-Personen-Haushalte
und mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln                                                                                                                                                                                                         werden immer mehr
                                                                     Öffentlicher Verkehr Männer             Öffentlicher Verkehr Frauen                                                                                                                                                             1 Person     2 Personen       3 Personen
                                                                     Auto Männer                             Auto Frauen                                                                                                                                                                             4 Personen       5 und mehr Personen
                                                                                                                                                                                                                                                                                              100                                 5
oder mehrmals wöchentlich nutzen, in Tausend
Anzahl Personen, die das Verkehrsmittel täglich

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  7
                                                                                                                                                                                                                                              Anteil der Haushalte in Österreich in Prozent

                                                  600.000                                                                                                                                                                                                                                           18            13              11
                                                                                                                                                                                         Quelle: Statistik Austria 2010118 Grafik: VCÖ 2010

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Quelle: Statistik Austria 2010119 Grafik: VCÖ 2010

                                                                                                                                                                                                                                                                                               80
                                                  500.000
                                                                                                                                                                                                                                                                                                    15            16              15
                                                  400.000
                                                                                                                                                                                                                                                                                               60
                                                                                                                                                                                                                                                                                                    22                            28
                                                  300.000                                                                                                                                                                                                                                                         29
                                                                                                                                                                                                                                                                                               40
                                                  200.000                                                                                                                                                                                                                                           27
                                                  100.000                                                                                                                                                                                                                                      20                 35              41
                                                       0
                                                                                                                                                                                                                                                                                                    18
                                                               unter        20 bis 29    30 bis 39   40 bis 49   50 bis 59   60 bis 69     70 Jahre
                                                              20 Jahre       Jahre        Jahre       Jahre       Jahre       Jahre        und älter                                                                                                                                            0
                                                                                                                                                                                                                                                                                                    1951          2009       Prognose 2050

                                                                                                                             Mobilität mit Zukunft 4/2010
Wie Wohnen Mobilität lenkt                          15

Flächenverbrauch in Österreich steigt
Etwa fünf Prozent der Fläche Österreichs182                                                                                                                       Die 35- bis 49-Jährigen fahren
waren im Jahr 2009 Bau- und Verkehrsflächen.                                                                                                                      in Nieder­österreich am meisten Auto
Mehr als 30 Prozent der Bau­flächen sind ver-
                                                                                                                                                                                                                        Gehen      Radfahren       Öffentlicher Verkehr
siegelt. Im Vergleich zum Jahr 2001 haben die

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Quelle: Amt der NÖ Landesregierung 20092 Grafik: VCÖ 2010
                                                                                                                                                                                                                        Pkw-Lenkende       Pkw-Mitfahrende          Sonstige
Bau- und Verkehrsflächen um fast 450 Quadrat-                                                                                                                                                         100                 1             7               6                 9                                16

                                                                                                                                                                  Verkehrsmittel nach Altersklassen im
                                                                                                                                                                   Werktäglich hauptsächlich benutzte
kilometer zugenommen.                                                                                                                                                                                                    31
                                                                                                                                                                                                         80
   Der Großteil der neu errichteten Wohngebäu-                                                                                                                                                                                                       58

                                                                                                                                                                         Jahr 2008 in Prozent
                                                                                                                                                                                                                           4                                               69               60             45
de – rund 84 Prozent – sind Einfamilienhäuser.                                                                                                                                                           60

Im Jahr 2009 entstanden 43 Prozent der Neu-                                                                                                                                                                               35
                                                                                                                                                                                                         40                                                                                                 5
bauwohnungen in Einfamilienhäusern.117 Der                                                                                                                                                                                                           17                                      7              7
                                                                                                                                                                                                                           8                                                8
tägliche Flächenverbrauch für Siedlungs- und                                                                                                                                                             20                                           5                     6
                                                                                                                                                                                                                                                                                             9
                                                                                                                                                                                                                          21                                                                               27
Verkehrstätigkeit liegt bei etwa zwölf Hektar.                                                                                                                                                                                                       13                    11               15
                                                                                                                                                                                                           0
                                                                                                                                                                                                                       bis 17                   18 bis 34                35 bis 49        50 bis 64        65 und
   Der Flächenverbrauch ist regional unter-                                                                                                                                                                            Jahre                     Jahre                    Jahre            Jahre            älter
schiedlich. Im Zeitraum 2001 bis 2009 fand die
größte Veränderung im Burgenland statt, wo die                                                                                                                   Ein halbes Jahrhundert zuvor waren es 18 Pro-               Mit zunehmendem
                                                                                                                                                                                4.117                                        Alter gewinnen die
Bau- und Verkehrsfläche um 18 Prozent stieg. Im                                                                                                                  zent. Vor allem in Städten steigt der Anteil der            ­Alternativen zum Pkw
Verhältnis ist hier jedoch ein geringer Anteil des                                                                                                               Single-Haushalte.                                            an Bedeutung.
                                                                                                                                                                                        135               Besiedlungsdichte
Dauersiedlungsraums verbraucht. Anders ist die                                                                                                                     Während im Jahr 1951 in einem Haushalt     50 im
                                                                                                                                                                                        139
Situation in den Berggebieten Österreichs, wo                                                                                                                    Durchschnitt noch 3,11 Personen lebten, lag die             50           20          5
der Dauersiedlungsraum klein ist. In Tirol und                                                                                                                   durchschnittliche Haushaltsgröße im Jahr 2009               52           12          2
Vorarlberg ist jeweils ein Viertel davon bereits                                                                                                                 bei 2,3. Im Burgenland ist sie mit 2,51 im Mittel 52                     25          5
                                                                                                                                                                                                                            47           26          10
verbaut.134                                                                                                                                                      am höchsten, in Wien mit 1,99 am kleinsten. 113
                                                                                                                                                                 Prognosen zufolge sinkt die durchschnittliche
Haushaltsformen verändern sich                                                                                                                                   Haushaltsgröße bis zum Jahr 2050 weiter auf
Die Ursache des stark steigenden Flächenver-                                                                                                                     2,14.120 Die durchschnittliche Nutzfläche pro
brauchs ist vor allem in sozioökonomischen Ver-                                                                                                                  Person in einem Privathaushalt lag im Jahr 2008
änderungen zu sehen. Die Haushaltsformen sind                                                                                                                    bei 42,6 Quadratmetern – sieben Quadratmeter
parallel zu den Lebensstilen heterogener und in-                                                                                                                 mehr als im Jahr 1998.15
dividueller geworden. So waren im Jahr 2001 ein                                                                                                                    Die Fläche pro Person steht in engem Zusam-                Im Durchschnitt ist in
Drittel aller Haushalte Ein-Personen-Haushalte.                                                                                                                  menhang mit der Haushaltsform und damit auch Österreich weniger
                                                                                                                                                                                                                              als ein Sechstel des
                                                                                                                                                                 der Haushaltsgröße. Die größte Nutzfläche pro                Dauersiedlungsraums
                                                                                                                                                                 Person mit rund 74 Quadratmetern stand im                    verbraucht, der Flächen-
                                                                                 Jeder und jede Einzelne                                                                                                                      verbrauch steigt jedoch
                                                                                                                                                                 Jahr 2008 in Ein-Personen-Haushalten zur Verfü- an. Besonders in den
                                                                                 verbraucht zunehmend
                                                                                 mehr Fläche für Wohnen                                                          gung, während Familien mit Kindern pro Person                engen Tälern Tirols und
                                                                                 und Verkehr.                                                                    über rund 32 Quadratmeter verfügen.15                        Vorarlbergs ist der Anteil
                                                                                                                                                                                                                                                                                            der verbauten Fläche
                                                                                                                                                                                                                                                                                            noch höher.
  Bau- und Verkehrsfläche
  wächst überproportional                                                                                                                                         Dauersiedlungsraum ist knappes Gut
                                                           Bau- und Verkehrsfläche                                                                                                                                 verbrauchter Dauersiedlungsraum                           unverbrauchter Dauersiedlungsraum
                                                                                                   Quelle: Umweltbundesamt 2009134, Statistik Austria 2010114

                                                           Bevölkerung
Verkehrsfläche Index-Basis100 im Jahr 2001
Entwicklung von Bevölkerung und Bau- und

                                                                                                                                                                                                100
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Quelle: Umweltbundesamt 2009134 Grafik: VCÖ 2010

                                             114                                                                                                                                                            85            81           87           86             80      82        77     76        24    84
                                                                                                                                                                  Anteil des Raums in Prozent

                                             112                                                                                                                                                 80
                                             110
                                                                                                                                                                                                                                                                                                      76
                                                                                                                                                                                                 60
                                             108
                                             106                                                                                                                                                 40
                                             104
                                                                                                   Grafik: VCÖ 2010

                                                                                                                                                                                                 20                                                                                  23     24
                                             102                                                                                                                                                                          19                                       20      18                               16
                                                                                                                                                                                                            15                         13           14
                                             100                                                                                                                                                  0
                                                   2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009                                                                                                                B           K            NÖ           OÖ            S        ST       T       V        W     Ö

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      172
                                                                                                                                                                                                         * Daten von 1971, ** Daten von 1981, *** Daten von 2009
                                                                                                                                                                                                                                                                                        Österreichschnitt 2010: 522
                                              * Lkw über 3,5 Tonnen                                                                                             Mobilität mit Zukunft 4/2010                                                                       Österreichschnitt 1970: 177
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Portugal
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Irland
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Norwegen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                             64

                                                                                                                                                                                                                                                       zurückgelegte Kilometer pro Jahr
16           Wie Wohnen Mobilität lenkt

                                                                          Kostenfalle Zersiedlung

                                                                                                                                                                                                            Infrastrukturen sowie für ihre Mobilität deutlich
                                                                            Flächen als Bauland auszuweisen, kann für die
                                                                                                                                                                                                            mehr und wendet mehr Zeit dafür auf.
                                                                            Gesellschaft teuer werden – obwohl alle Beteilig-
                                                                            ten und Nutzenden subjektiv meist ökonomisch
                                                                                                                                                                                                            Ökonomische Aspekte dominieren
                                                                            nachvollziehbar handeln. Kaum jemand beachtet
                                                                                                                                                                                                            Akteurinnen und Akteure beteiligen sich in sehr
                                                                            die langfristigen negativen Gesamtkosten.
                                                                                                                                                                                                            unterschiedlichen Rollen am Flächenverbrauch.
                                                                                                                                                                                                            Gemeinden und Privatleute bieten Flächen an.
                                                                          In Österreich steigt der Flächenverbrauch sowohl                                                                                  Eine Vermittlungsrolle haben dabei Personen
                                                                          in den ländlichen als auch in den stadtnahen                                                                                      beziehungsweise Institutionen, die Projekte ent-
                                                                          Gebieten. Die Zunahme betrug 4,9 Prozent vom                                                                                      wickeln. Haushalte und Unternehmen fragen
                                                                          Jahr 2006 bis zum Jahr 2009, trotz des geringen                                                                                   Bauland nach.
                                                                          Bevölkerungswachstums von 1,3 Prozent im sel-                                                                                       Bei allen Gruppen spielen ökonomische Aspek-
                                                                          ben Zeitraum.134                                                                                                                  te eine überragende Rolle. Lediglich bei Haushal-
                                                                            In Deutschland widmeten Kommunen im Jahr                                                                                        ten stehen auch persönliche Motive wie „weniger
                                                                          2008 täglich 95 Hektar Land zu Siedlungs- und                                                                                     Lärm“ oder „eigener Garten“ im Vordergrund.
                                                                          Verkehrsflächen um.127,166 In den Jahren 1996                                                                                     Kostenabwägungen beeinflussen Standortent-
                                                                          bis 2005 stieg die Inanspruchnahme von Sied-                                                                                      scheidungen maßgeblich.
                                                                          lungsflächen um 15 Quadratmeter auf rund 570                                                                                      Alle Beteiligten entscheiden ökonomisch rational,
                                                                          Quadratmeter pro Kopf an.36                                                                                                       trotzdem verknüpfen sich die Entscheidungen
                                                                            Versiegelte Flächen und zerschnittene Räume                                                                                     insgesamt zu kostenintensiven Siedlungsstruktu-
                                                                          lösen zusammenhängende Landschaften auf und                                                                                       ren. Dieses Phänomen wird als Kosten­paradoxon
                                                                          reduzieren die Biotop- sowie Artenvielfalt. Öko-                                                                                  der Baulandentwicklung bezeichnet.101
                                                                          logische Funktionen, beispielsweise die Regulie-
                             Im Laufe der Jahre
                        steigt der Anteil der von                         rung des Wasserhaushalts, gehen verloren. Auch                                                                                    Das Kostenparadoxon der Baulandentwicklung
                       der Allgemeinheit zu tra-                          aus ökonomischer Sicht erweisen sich ausgedehn-                                                                                   Kaum jemand kennt die Kosten der Zersiedlung
                       genden Kosten für neue
                           Erschließungsstraßen
                                                                          te Siedlungsstrukturen als nachteilig. Die Allge-                                                                                 so gut wie Ver- und Entsorgungsunternehmen.
                                    beträchtlich.                         meinheit bezahlt für soziale und netzgebundene                                                                                    Die hohen Kapitalkosten für lange Netzabschnit-
                                                                                                                                                                                                            te mit wenigen Nutzenden verschlechtern ihre
                                                                                                                                                                                                            Bilanzen. Trotzdem haben Ver- und Entsorgungs-
Erschließungskosten für Gemeinden steigen                                                                                                                                                                   unternehmen kein ausgeprägtes Interesse daran,
                                                                                                                                                                                                            auf eine erschließungs­effiziente Siedlungsent-
                                                        Erstmalige                 Betrieb und            Instandsetzung und
                                                        Herstellung                Unterhaltung           Erneuerung                                                                                        wicklung hinzuwirken. Sie lassen sich sämtliche
Kosten der Straßenerschließung in Deutschland

                                           1.000                                                                                                                                                            im Laufe des Baus und Betriebs entstehenden
                                                                                                                                             Quelle: Umweltbundesamt Deutschland 2009101 Grafik: VCÖ 2010
    pro Meter Erschließungsstraße in Euro

                                                                                                          48                          107                                                                   Kosten von den Grundstückseignerinnen und
                                                800
                                                                        810                              810                          810                                                                   Grundstückseignern, vor allem aber von der All-
                                                600                                                                                                                                                         gemeinheit erstatten.180
                                                                                                                      90                                                                                      Nicht selten blenden individuelle Bilanzen
                                                400
                                                                                                                     322
                                                                                                                                                                                                            Folgekosten aus, die selbst zu tragen sind. Bei
                                                200                                     145                                                                                                                 der Ausweisung von Baugebieten mit zusätzli-
                                                        90                              90                           90                                                                                     chen Erschließungsstraßen beteiligen sich etwa
                                                  0
                                                      Gemeinde          Grund-       Gemeinde         Grund-     Gemeinde         Grund-
                                                                       stücks-                       stücks-                     stücks-                                                                    Kommunen in Deutschland an deren Baukosten
                                                                      besitzende                    besitzende                  besitzende
                                                             0 Jahre                          10 Jahre                    40 Jahre
                                                                                                                                                                                                            aufgrund der Gesetzeslage in der Regel mit etwa
                                                                                                                                                                                                            zehn Prozent. Oft überlassen sie die Finanzierung

                                                       4.117
                                                                          135                                       Mobilität mit Zukunft 4/2010
                                                                                                         50
                                                                          139
                                                                                                                     50              20          5
Wie Wohnen Mobilität lenkt      17

der Baukosten vollständig den Investorinnen
und Investoren. In Österreich werden im Schnitt         Täglich gefahrene Kilometer steigen mit
16 Prozent der Erschließungskosten von den              Entfernung vom Zentrum
Gemeinden getragen.24 Die späteren Kosten für
Betrieb und Instandsetzung tragen sie hingegen               Neue Wohngebiete im Großraum Hamburg:
                                                             Mit dem Pkw pro Person und Tag
sowohl in Österreich als auch in Deutschland                 zurückgelegte Entfernung
meist zu 100 Prozent – Folgekosten, die bei
der Planungsentscheidung von den Gemeinden

                                                                                                                                                Quelle: Gutsche 200338 Grafik: VCÖ 2010
meist zu wenig berücksichtigt werden. Und das,                   unter 12 km
obwohl kommunale Folgekosten schon nach                          12–15 km
                                                                 15–18 km
wenigen Jahren den Gemeindeanteil an den Her-                    18–21 km
stellungskosten deutlich übersteigen können.                     21–24 km
                                                                 24–26 km
                                                                 26–28 km
Hohe Mobilitätskosten für Haushalte „im                          über 28 km
Grünen“
Haushalte schätzen die günstigen Bodenpreise
„im Grünen“, berücksichtigen den bei einer             günstigeren Immobilienpreise in den dezentralen               Je weiter neue Wohn-
solchen Standortwahl langfristig entstehenden          Lagen in vielen Fällen ausgleichen.38,101                     gebiete vom Zentrum
                                                                                                                     entfernt sind, umso
Aufwand für Mobilität aber kaum. So sind sich                                                                        länger sind die Wege,
die Menschen zwar meist darüber im Klaren, dass        Ausprägungen von mangelnder                                   die täglich von den dort
                                                                                                                     wohnenden Menschen
das Wohnen in dezentraler Lage Mehrfahrten             Kostentransparenz                                             zurückgelegt werden.
bedeutet und damit auch mehr kostet. Wie rele-         Folgende Muster mangelnder Kostentransparenz
vant dieser Kostenblock jedoch tatsächlich ist, ist    können unterschieden werden:
weitgehend unbekannt und langfristig nicht vor-        • Verzerrte Kostenwahrnehmung:
hersehbar. Tatsächlich halten in zentrumsfernen           Bestimmte Kosten werden von den Entschei-
Lagen Haushalte im Schnitt mehr Fahrzeuge als             denden nicht berücksichtigt, etwa Mobilitäts-
an zentraler gelegenen Standorten.
  Auch die Entfernung, die damit pro Tag und
Haushalt zurückgelegt wird, liegt um ein Vielfa-
                                                         Hoher Flächenverbrauch und Boden­
ches höher als in Zentrumsnähe. So legen etwa in         versiegelung durch Zersiedlung
Hamburg Personen im Zentrum, wo es ein gutes             Eine Ursache für den hohen Anteil des Autoverkehrs ist die Zersiedlung. Österreich
Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln gibt, im         hat eines der dichtesten Straßennetze Europas. Straßen haben vielfältige Auswir-
Durchschnitt rund elf Kilometer mit dem Auto             kungen auf die Natur. Direkt wirken der enorme Flächenverbrauch, der Eingriff in
zurück, während es im Umland fast 30 Kilometer           sensible Ökosysteme sowie die Versiegelung der Flächen und der Eingriff in das
sind.37 In Wien beträgt die durchschnittliche            Wasserregime. Straßen zerschneiden die Landschaft, wirken wie Barrieren und
Tagesweglänge pro Person mit allen Verkehrsmit-          engen so den Lebensraum massiv ein. Durch die Versiegelung wird das Hoch-
teln 18 Kilometer.74 In Niederösterreich sind es         wasserrisiko erhöht, Versickerung ist nicht im ausreichenden Maß möglich.45 Das
durchschnittlich 35 Kilometer.47 Haushalte in            Problem wird durch Flussregulierungen verschärft. Natur und Landschaft könnten
ländlichen Regionen wenden damit mehr Energie            durch eine effiziente Koppelung von Verkehrs- und Raumordnung sowie Städtebau
und Zeit für Mobilität auf. Bei genauem Nach-            geschützt werden. Zum Beispiel sollte die Errichtung von Einkaufszentren nur bei
rechnen zeigt sich, dass die täglichen Verkehrs-         bester Erschließung durch den Öffentlichen Verkehr zulässig sein. Ähnliches gilt für
kosten mit zunehmender Entfernung zum Zent­              Geschäfte und Büros.
rum so stark ansteigen, dass sie die Vorteile der

                                                      Mobilität mit Zukunft 4/2010
18         Wie Wohnen Mobilität lenkt

                                                                                                                                                                                                         • Wer indirekt die Kosten trägt, ist nicht in den
Hohe Verkehrskosten der Haushalte bei                                                                                                                                                                       Entscheidungsprozess einbezogen.175
großer Entfernung vom Zentrum
                                                                                                                                                                                                         Kostenrechner geben Überblick über
                                                   Wohnkosten               Mobilitätskosten                                                                                                             tatsächliche Kosten
                                                                                                                                                                                                         Dem Ausblenden von Kosten gilt es durch Auf-
                                                18,9                                                                             19,0

                                                                                                                                         Quelle: Umweltbundesamt Deutschland 2009101 Grafik: VCÖ 2010
                                       20
                                                               17,6       18,0         18,0        18,5          18,3                                                                                    klärungsarbeit gegenzusteuern. Ein gutes Hilfs-
Summe der Wohn- und Mobilitätskosten

                                                 5,9                                                  8,5          9,0           10,2
                                                                 5,9         6,6         7,3                                                                                                             mittel sind etwa Kostenrechner.195
     in tausend Euro pro Jahr

                                       15
                                                                                                                                                                                                            Hinsichtlich der Begrenzung langfristiger Er-
                                                13,0
                                       10                      11,7         11,4                                                                                                                         schließungskosten kann an das Eigeninteresse
                                                                                        10,7         10,0          9,3            8,8                                                                    von Gemeinden appelliert werden (beispielsweise
                                        5                                                                                                                                                                durch die Regionalplanung). Hier sollte ein Be-
                                                                                                                                                                                                         wusstsein dafür geschaffen werden, dass Investo-
                                        0                                                                                                                                                                rinnen und Investoren nur einen geringen Beitrag
                                                sehr zentral                                                             sehr peripher
                                                                          Lage des Wohnstandorts innerhalb des                                                                                           zur Gesamtkostendeckung leisten.101
                                                                                   Großraums Hamburg
                                                                                                                                                                                                            Darüber hinaus sollten die Interessen jener
                                                                                                                                                                                                         stärker berücksichtigt werden, die nicht in
                    Bei der Wahl eines     kosten der Haushalte oder Erschließungsfolge-                                                                                                                 Baulandentscheidungen involviert sind, aber
                 Wohnorts4.117
                            werden die
               bei größerer Entfernung 135
                                           kosten der Kommunen.                       13,034                                                                                                             trotzdem deren Folgekosten zu tragen haben. So
                                                                                                                                                                                                         5,91
                                                             50                      11,684                                                                                                             5,923
              zum Zentrum steigenden 139 • 
                                           F ehlender  Bezug   zur Verursachung:                                                                                                                         tragen die Steuerzahlenden die Folgekosten der
                                                                                     11,428                                                                                                             6,577
                Mobilitätskosten meist     Preise, die für die Nutzung von Infrastrukturen                                                                                                               Bereitstellung von Verkehrsinfrastruktur unab-
                                                                                     10,675                                                                                                             7,301
                nicht beachtet, obwohl
                                           erhoben   werden,  spiegeln die beim Bau  10,025
                                                                                    der An-                                                                                                             8,541
                                                                                                                                                                                                         hängig davon, wo sie wohnen.
                 diese den Preisvorteil                                              9,323                                                                                                               8,986
                   des ­zentrumsfernen                                             179
                                           lagen entstehenden Kosten nicht wider. 8,761                                                                                                                 10,185
               Wohnplatzes aufwiegen.
                                                                       • Verschiebung der Kosten auf andere:                                                                                            Neue Siedlungen im Umland rechnen sich nicht
                                            Gemeinde             Grund-   Gemeinde          Grund-      Gemeinde        Grund-
                                                                stücks- Kosten, die      andere
                                                                                            stücks- zu tragen haben,       spielen in
                                                                                                                        stücks-                                                                          Bei der kommunalen Entscheidung über Bau-
                                                               besitzende                 besitzende                  besitzende
                                                       0 Jahre            der eigenen    Entscheidung
                                                                                   10 Jahre                eine   untergeordnete
                                                                                                               40 Jahre                                                                                  landausweisungen spielen Fragen der Verkehrs-
                                                                          Rolle.192                                                                                                                      entstehung noch kaum eine Rolle. Erhebliche
                                                                       • Überlagerung siedlungsstruktureller Kosten­                                                                                    Bedeutung für die kommunalen Planungsent-
                                                                          effekte durch andere Einflüsse:                                                                                                scheidungen haben hingegen die fiskalischen
                                                                          Auf regionaler Ebene deutlich ausgeprägte                                                                                      Auswirkungen der neuen Wohngebiete, etwa als
                                                                          siedlungsstrukturelle Kostenvorteile dichter                                                                                   Möglichkeit der Haushaltssanierung. Landes-
                                                       Wohnkosten              Mobilitätskosten
                                                                          und zentral    gelegener Standorte finden sich                                                                                 und regionalplanerische Ziele einer verkehrmini-
                                       20.000
Summe der Wohn- und Mobilitätskosten

                                                                          im Kalkül wichtiger Akteurinnen und Akteure                                                                                    mierenden Siedlungsentwicklung oder einer Stär-
                                       15.000
                                                                          nicht wieder, weil sie durch andere Kostenarten                                                                                kung von Achsen des Öffentlichen Verkehrs un-
                                                                          überlagert werden (Bodenpreisgefälle überlagert                                                                                terliegen in der politischen Auseinandersetzung
          in Euro pro Jahr

                                       10.000                             Erschließungskostenunterschiede aus Sicht der                                                                                  daher häufig gegenüber den erhofften fiskalischen
                                                                          Haushalte).                                                                                                                    Mehreinnahmen der Gemeinden.
                                        5.000                                                                                                                                                              Am Beispiel Hamburg, Niedersachsen und
 Durch Mobilitätskosten­rechner guten       0
                                                                                                                                                                                                         Schleswig-Holstein zeigt sich jedoch, dass in den
                                                                                                                                                                                                         meisten Fällen keine Mehreinnahmen erzielt
 ­Überblick
                                                   sehr zentral                                                  sehr peripher
                                                                       Lage des Wohnstandortes innerhalb des
                                                                                Großraumes Hamburg
                                                                                                                                                                                                         werden können. Neue Wohngebiete im Umland
                                                                                                                                                                                                         rechnen sich also nicht. Werden in den Kern­
 Der WoMo-Rechner193 der Hansestadt Hamburg berechnet die Mobilitätskosten für
                                                                                                                                                                                                         städten neue Wohngebiete erschlossen, haben
 eine Mietwohnung im Zentrum für eine vierköpfige Familie mit einem Kindergar-
                                                                                                                                                                                                         diese jedoch eine positive Wirkung auf den Ge-
 tenkind und einem Schulkind auf 324 Euro pro Monat (14 Euro für den Öffentlichen
                                                                                                                                                                                                         meindehaushalt. 37
 Verkehr, der Rest für den privaten Pkw). Übersiedelt die Familie in die Umgebung
 von Hamburg, erhöht sich die Anzahl der Pkw im Haushalt, die Zahl der monatlich
 zurückgelegten Kilometer steigt von 770 auf 1.536 und verlagert sich von privaten
 zu Arbeitswegen. Die Mobilitätskosten, zu 100 Prozent vom Auto verursacht, steigen
 auf 557 Euro.

                                                                                                                 Mobilität mit Zukunft 4/2010
Wie Wohnen Mobilität lenkt                                                   19

Der Preis für günstiges Wohnen

 Gemeinden, Bundesländer und Bund müssen für
                                                           Unterschiedliche Strukturen in Gemeinden
 verfehlte Raumplanung in die Tasche greifen.
 Neben dieser Belastung der Allgemeinheit sind es                                                                          Fernitz (Gra-    Jagerberg (südstei-                                               St. Lorenzen
 oft auch die Betroffenen selbst, die die Kosten für                                                                       zer Umland)      risches Hügelland)                                            ­(inneralpines Tal)

                                                                                                                                                                                                                                  Quelle: Dallhammer 200820, Statistik Austria 2010116
 das Haus im Grünen unterschätzen.                                    Bevölkerungszahl                                        3.000                    1.800                                                     600
                                                                      Bevölkerungsdichte
                                                                      in Personen pro                                             280                   60                                                        15
In Österreich sind besonders Niederösterreich,                        Quadratkilometer
Oberösterreich, das Burgenland und die Steier-                        Bevölkerungs-
mark von Zersiedlung betroffen.134 Ein Beispiel                       wachstum zwi-

                                                                                                                                                                                                                                  Tabelle: VCÖ 2010
                                                                                                                              16 %                     –4%                                                      –8%
dreier Gemeinden in der Steiermark zeigt die                          schen den Jahren
                                                                      2002 und 2010
Kosten für Abwasserentsorgung, Wasserversor-
gung, Straßenerschließung und mobile Dienste
im Zuge der Altersbetreuung auf.170 Die Ge-             Langfristige Kosten belasten Gemeinden                                                                                                           Das Beispiel dreier
                                                                                                                                                                                                         Gemeinden in der
meinde Fernitz liegt im Grazer Umland, die Ge-          Der am stärksten wachsende Ausgabenbereich für                                                                                                   Steiermark zeigt die
meinde Jagerberg im südsteirischen Hügelland,           Gemeinden ist der Bereich Verkehr, Straßenbau                                                                                                    unterschiedlich starke
die Gemeinde St. Lorenzen bei Scheifling in             und Wasserbau.76,194 Die Gemeinden in Öster-                                                                                                     Zersiedlung.
einem inneralpinen Tal.163                              reich mit Ausnahme der Stadt Wien gaben im
   Bezogen auf die Siedlungsstruktur sind die Ge-       Jahr 2009 rund 1,65 Milliarden Euro für Ver-
meinden sehr unterschiedlich. Jagerberg ist stark       kehr, Straßenbau und Wasserbau aus. Das sind
zersiedelt und besteht fast ausschließlich aus Bau-     neun Prozent der Gesamtausgaben. Dem stehen
ernhöfen und Ein- oder Zweifamilienhäusern. In          Einnahmen von 1,03 Milliarden Euro gegenüber.
Fernitz gibt es zwei Ortskerne, um die sich der         1,09 Milliarden Euro flossen in die Gemeinde­
Großteil der Menschen ansiedelt. St. Lorenzen ist       straßen, die nur mit Einnahmen von 720 Millio-
durch seine Lage im Tal geprägt.                        nen Euro gedeckt sind.14
   Am Beispiel der Abwasserentsorgung zeigt                Hauptfaktor für die Kosten der Erschließung
sich die Problematik der Kostenentwicklungen.           von Bauland ist die Wohndichte. Die Kosten
Gemeinden sind zuständig für die Errichtung
des Kanalsystems, wofür sie um Förderungen
ansuchen können. Nicht förderbar sind Instand-
                                                           Infrastrukturkosten
haltung, Sanierung und laufender Betrieb. In der           variieren stark nach Region
Gemeinde Jagerberg sind die laufenden Kosten
                                                                                                            Gemeinde-          Kanal        mobile Alters-
für die Abwasserentsorgung besonders groß, da                                                               straßen                         versorgung
diese durch ihre ausgeprägte Streusiedlungsstruk-                                                     60
                                                         Laufmeter (Straße, Kanal) pro Jahr in Euro

                                                                                                                              51,1
                                                          (Altersversorgung) beziehungsweise je
                                                           Kosten je Einwohnerin und Einwohner

tur ihre Infrastruktur umfangreich ausgebaut                                                          50
hat.20
                                                                                                      40
                                                                                                                                                               Quelle: SIR 200728,171 Grafik: VCÖ 2010

   Die Abwasserbeseitigung macht in allen Ge-                                                                                                                                                                                                                                            10
meinden in Österreich außer Wien über zehn                                                            30
                                                                                                                                                                                                         In der Gemeinde Jager-
Prozent der Gesamtausgaben aus, das sind rund                                                         20                                                                                                 berg mit sehr geringer
1.937 Millionen Euro pro Jahr. Diese Ausgaben                                                                         11               13                                                                Siedlungsdichte sind
                                                                                                      10                                           8
werden über die Abwassergebühren von den Ein-                                                                    5                           3,7                                                         die laufenden Kosten
                                                                                                           1,6              1,4                         1                                                beispielsweise für die
wohnerinnen und Einwohnern finanziert.14                                                               0                                                                                                 Abwasserentsorgung
                                                                                                            Fernitz          Jagerberg       St. Lorenzen
                                                                                                                                                                                                         besonders hoch.

                                                                                                                 76               63               49
                                                       Mobilität mit Zukunft 4/2010
20             Wie Wohnen Mobilität lenkt

                                                                                                                                                                                  Infrastrukturkosten und Bebauungsplanung, also
Einfamilienhaus hat die höchsten                                                                                                                                                  ob auf gewidmetem Bauland Ein­familienhäuser
Erhaltungskosten                                                                                                                                                                  in offener, in geschlossener Bebauung oder Mehr-
                                                                                                                                                                                  familienhäuser errichtet werden, ergaben sich in
                                     500
                                                 492                                                                                                                              den Bereichen Erschließungskosten, Baukosten
                                                                                                              Gasleitung
Erhaltungskosten in Euro pro Jahr

                                                                                                              Fernwärmeversorgung
                                                                                                                                                                                  und Energiebedarf erhebliche Einsparpotenziale
                                     400
                                                                                                              Straßenbeleuchtung                                                  bei zunehmender Wohndichte. Einfamilienhäuser
                                                                          309                                 Elektrizitätsversorgung
                                     300                                                                                                                                          brauchen demnach doppelt so viel Energie zur

                                                                                                                                           Quelle: SIR 200728 Grafik: VCÖ 2010
                                                                                         222                  Regen- und Abwasser                                                  100
                                                                                                              Wasserversorgung                                                    Wärmeversorgung wie Geschoßwohnbauten. In
                                     200
                                                                                                              Verkehrserschließung                                                einem konkreten Planungsbeispiel ergeben sich
                                     100                                                                                                                                          für ein frei stehendes Einfamilienhaus 220 bis 330
                                       0
                                                                                                                                                                                  Euro Erschließungskosten je Wohneinheit, für ein
                                              Einfamilien-           Einfamilien-        Reihen-
                                                  haus              haus gekoppelt        haus
                                                                                                                                                                                  gekuppeltes Einfamilienhaus 139 bis 211 Euro,
                                                                                                                                                                                  für ein zweigeschoßiges Reihenhaus 102 bis 157
                              Ein allein stehendes Ein-                          belaufen sich beispielsweise
                                                                                                         27 im Bundesland Salz-                                                   Euro und ein Mehr­familienhaus 55 bis 81 Euro.28
                                                                                           36 18
                               familienhaus verursacht                           burg41auf 3.900 bis 19.000 Euro pro Wohnein-
                                 rund zweimal so hohe
                                  Erhaltungskosten wie                           heit. Eine Halbierung der Dichte führt jeweils zu                                                Unterschätzte Mobilitätskosten beim Wohnen
                                        ein Reihenhaus.                          einer Verdoppelung der Erschließungskosten. Die                                                  Ein Motiv für die Übersiedlung aufs Land liegt
                                           * Daten von 1951, ** Daten von 2009
                                                                                 Investitionskosten sind relativ hoch, obwohl Kos-                                                neben der Wohnqualität auch in den günstige-
                                                                                 ten für Instandhaltung und Sanierung erst mittel-                                                ren Mieten. Übersehen wird oft, dass dezentrale
                                                                                 bis langfristig zum Tragen kommen. Nach etwa                                                     Lagen die Mobilitätskosten erhöhen, was einen
                                                                                 50 bis 60 Jahren wurde dafür etwa so viel ausge-                                                 vermeintlichen Kostenvorteil kompensiert.28
                                                                                 geben wie für die ursprüngliche Erschließung.28                                                    Die externen Kosten des Verkehrs fließen in
                                                                                                                                                                                  dieses Modell nicht ein. Auf volkswirtschaftlicher
                                                                                 Alternative Bebauungsmodelle                                                                     Ebene wären die Kosten der Zersiedlung etwa
                                                                                 Das Land Salzburg rechnet mit einem weiteren                                                     in der Steiermark erst mit einem Benzinpreis ab
                                                                                 Bevölkerungszuwachs durch Zuwanderung. In ei-                                                    acht Euro pro Liter und einer Pkw-Steuer von
                                                                                 ner Erhebung über die Zusammenhänge zwischen                                                     1.500 Euro im Monat abgegolten.151

                                                                                 Hohe Ausgaben der Gemeinden für Infrastruktur
                                                                                  Aufgabenbereich (Bruttoausgaben und                    Ausgaben                                      Anteil an Ge-   Einnahmen         Anteil an
                                                                                  Bruttoeinnahmen der Gemeinden                         in Millionen                                  samtausgaben     in Millionen   Gesamteinnah-
                                                                                  ohne Wien im Jahr 2009)                                   Euro                                        in Prozent         Euro       men in Prozent
                                                                                  Vertretungskörper und allgemeine Verwaltung             2.127                                            11,5             446             2,4
                                                                                  Öffentliche Ordnung und Sicherheit                                                        466             2,5             200             1,1
                                                                                  Unterricht, Erziehung, Sport und Wissenschaft           2.698                                            14,6          1.259              6,8
                                                                                  Kunst, Kultur und Kultus                                                                  647             3,5             293             1,6
                                          Die Einnahmen der
                                          Gemeinden für die                       Soziale Wohlfahrt und Wohnbauförderung                  1.772                                             9,6             415             2,3
                                      Gemeindestraßen sind                        Gesundheit                                              1.091                                             5,9             157             0,9
                                       bei weitem nicht kos-
                                       tendeckend. Der Rest                       Straßen- und Wasserbau, Verkehr194                      1.645                                             8,9          1.030              5,6
                                       wird über den Finanz-
                                                                                    davon Gemeindestraßen                                 1.091                                             5,9             720             3,9
                                     ausgleich, also von der
                                                                                                                                                                                                                                       Quelle: Bröthaler 201014 Tabelle: VCÖ 2010

                                    Allgemeinheit, finanziert.                    Wirtschaftsförderung                                                                      373             2,0             137             0,7
                                     Die Kosten der Wasser-
                                       versorgung sowie der                       Dienstleistungen                                        5.734                                            31,1          5.191            28,2
                                       Abwasser- und Abfall­                        davon Abwasserbeseitigung                             1.937                                            10,5          2.038            11,1
                                      entsorgung finanzieren
                                    sich aus den Gebühren,                          Wasserversorgung                                                                        573             3,1             584             3,2
                                     die von den Einwohne-                          Abfallbeseitigung                                                                       485             2,6             490             2,7
                                     rinnen und Einwohnern
                                       einer Gemeinde dafür                       Finanzwirtschaft188                                     1.898                                            10,3          9.276            50,4
                                             bezahlt werden.

                                                                                                                 Mobilität mit Zukunft 4/2010
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