Strategische Führung zwischen Hierarchie, Markt und Demokratie

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Forschungsjournal NSB, Jg. 21, 1/2008                                                             27

Elmar Wiesendahl

Strategische Führung zwischen Hierarchie, Markt und Demokratie

1 Einleitung                                           Um das Spezifische des strategischen Um-
                                                    felds von politischen Strategieakteuren genauer
Nach dem grandiosen und richtungsweisenden          ins Auge zu fassen, werden im Folgenden
Werk von Joachim Raschke und Ralf Tils zur          zunächst aus Vergleichsgründen die prägenden
politischen Strategie ist Strategie immer eine      Rahmenbedingungen für militärische und un-
„Führungsaufgabe“ (2007: 25). In der Tat            ternehmerische Strategiebildung und -umset-
kommt es auf Führung und damit auf die Befä-        zung vorgestellt, die auf Hierarchie und Markt
higung und Kompetenzausstattung von Spit-           hinauslaufen. Dagegen begrenzt sich politische
zenführungskräften an (Wiesendahl 2004; Glaab       Strategie durch Demokratie, woraus sich ver-
2007), um durchdachte und erfolgreiche Strate-      schiedene Schlussfolgerungen für die Erfolgs-
giebildung betreiben und in die Tat umsetzen zu     grundlagen und Schwerpunktbildung politischer
können. Strategischer Erfolg hat immer persön-      Strategiebildung und strategischer Steuerung
lich zurechenbare Leadershipqualitäten und Stra-    ergeben.
tegiekompetenz zur Voraussetzung (Hunt 2004:
33 ff). Auf diesem Feld bestehen allerdings die
                                                    2 Militärstrategie und Hierarchie
größten Forschungsdefizite (Raschke/Tils 2007:
312).                                               Militärstrategie kreist von je her darum, einem
    Leadershipqualitäten von Spitzenakteuren sind   bewaffneten Gegner, dessen zumindest poten-
aber nur so gut oder so schlecht, wie sie auf die   tieller Gewalteinwirkung man zumeist selbst
Anforderungen zugeschnitten sind, die von stra-     ausgesetzt ist, durch Androhung und Anwen-
tegischer Führung verlangt werden. Und die lei-     dung kollektiver physischer Gewalt den eige-
ten sich von den Herausforderungen ab, die sich     nen Willen aufzuzwingen. Die Arena, auf die
aus den veränderlichen Rahmenbedingungen und        Militärstrategie fokussiert ist, bildet das
Umständen ergeben, vor denen sich strategisches     Schlachtfeld, auf welchem unter Ausnutzung
Denken und Handeln zu bewähren hat. Damit           von Raum und Zeit, durch den Einsatz von Trup-
bilden die Besonderheiten des strategischen         pen und verbundenen militärischen Waffen im
Umfelds den Ausgangspunkt, von woher ein            Gefechtsfall der Gegner niedergerungen und
Eignungs- und Befähigungsprofil für politische      besiegt werden soll. Strategisch prägend ist eine
strategische Führung zu entwickeln wäre.            bipolare antagonistische Gegner-Gegner-Kon-
    Meine These ist, dass politische strategische   stellation.
Führung auf singuläre Umstände und Rahmen-              Das militärstrategische Denken, welches bis
bedingungen trifft, die ureigenste Ansprüche an     heute maßgeblich durch den Strategietheoreti-
das strategische Denken und Verhalten von po-       ker Carl von Clausewitz (2003) bestimmt wird,
litischen Spitzenakteuren stellen. Wird diesen      kreist um die Frage, wie unter dem im Prinzip
Umständen nicht genügend Beachtung ge-              unwägbaren Verlauf eines Krieges dem Gegner
schenkt, handelt sich strategische Führung Miss-    wie in einer Duellsituation der Wille aufgezwun-
erfolge ein und ist nicht darauf präpariert, den    gen werden kann. Angriff und Verteidigung set-
Verhältnissen einen Stempel aufdrücken zu kön-      zen dabei höchst unterschiedliche strategische
nen.                                                Maßstäbe. Und in der Feinausplanung und
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-steuerung des Krieges lässt sich die taktische      metrischer Konflikte“ zu bewähren (Creveld
Ebene (das Gefecht), die operative Ebene (die        1998: 42ff; Kaldor 1999: 36ff; Münkler 2002:
Schlacht) und die kriegsentscheidende strategi-      13ff). Auf der einen Seite zogen die USA nach
sche Ebene unterscheiden.                            dem 11. September 2001 mit ihrer neuen natio-
    Die Militärmaschinerie entspricht einem          nalen Sicherheitsdoktrin von 2002 die Konse-
straff durchorganisierten und durch Befehl und       quenz, nach eigenem Ermessen gegen sogenann-
Gehorsam gesteuerten Gebilde. Zentral für Stra-      te Schurken- und terroristische Staaten ‚präemp-
tegiebildung und Strategieumsetzung ist das          tiv‘ und ‚präventiv‘ einen Angriffskrieg zu füh-
Prinzip der Hierarchie. Es stützt sich auf klare     ren. Das Desaster des Irak- und Afghanistan-
Über- und Unterordnungsverhältnisse. Zwar            krieges verdeutlicht aber, dass allein auf Mili-
bildet ein Generalstab zumeist den professio-        tärgewalt fußende Kriegsführungsstrategien
nellen strategischen Planungskopf und das stra-      zum überholten Denken zählen und an der ge-
tegische Zentrum einer Armee. Gleichwohl bün-        wandelten Konfliktrealität scheitern. Stattdes-
delt sich die strategische Führung an der Spitze     sen ist strategisch unter den Bedingungen zer-
der Hierarchie auf eine Person, die die alleinige    brechender Staatlichkeit von innerstaatlichen
Entscheidungsgewalt trägt und über ungeteilte        bürgerkriegsähnlichen Gewaltauseinanderset-
Führungsverantwortlichkeit verfügt.                  zungen auszugehen, bei denen staatsterroristi-
    Zentralisierung und linear hierarchisches        sche Akteure, Warlords, Kriegsunternehmer,
Top-Down-Prinzip stecken den Rahmen ab, in           Banden und marodierende Gruppen das extrem
dem militärische Strategiebildung planerisch         gewalttätige Konfliktgeschehen bestimmen.
entsteht und im Ernstfall praktisch abläuft. Fle-    Unter diesen neuartigen Bedrohungsverhältnis-
xibilität des Handelns ist speziell nach der deut-   sen geht es strategisch nicht mehr primär um
schen Militärtradition dadurch eingebaut, dass       Krieg, sondern um Stabilitätsexport, und das in
den Einheitsführern vor Ort auftragstaktisch         Gestalt von Krisenvorsorge und Krisenpräven-
zwar Ziele vorgegeben werden, sie aber eigen-        tion, Krisenintervention, Krisenstabilisierung und
verantwortlich je nach Lage entscheiden, wie         – als wichtigsten strategischen Erfolgsfaktor der
sie das Ziel realisieren.                            Krisenbewältigung – um Krisennachsorge.
    Die hier skizzierte klassische Militärstrate-        In diesem neuen Krisenszenario verliert das
gie unterliegt nach dem Ost-West-Konflikt und        Militär deutlich an strategischer Bedeutung.
mit dem Wandel sicherheitspolitischer Rahmen-        Unter Umständen beendet es Gewalt (peace
bedingungen und militärischer Bedrohungssze-         enforcement) und schützt vor Gewalt. Wichti-
narien starken Veränderungen. Das Denken in          ger jedoch ist Krisennachsorge im Hinblick auf
Kriegsführungskategorien verlor bereits mit dem      ‚Peace Building‘, ‚State Building‘ und ‚Nation
Eintritt in das Nuklearzeitalter seine Bedeutung.    Building‘, was von zivilen Regierungsorgani-
Der Gefahr des nuklearen Holocaust wurde mit         sationen und NGOs geleistet wird. Das Militär
der Abschreckungs- und Kriegsverhütungsstra-         wird Teil einer Gesamtstrategie, in der es auf
tegie begegnet. Gleichwohl besaß der alte zwi-       das erfolgreiche Zusammenwirken mit zivilen
schenstaatliche Krieg noch den Charme, Strate-       Akteuren (interagency approach) ankommt.
giebildung und Strategieanwendung vollstän-          Hierarchie bleibt zwar innermilitärisch unange-
dig der Rationalität militärischer Logik, d.h. der   tastet. Nach außen hin erweitert sich für das
Androhung und Anwendung kollektiver Ge-              Militär die Akteurskonstellation, und militäri-
walt, unterwerfen zu können.                         sche strategische Führung muss sich nun mit
    Neuerdings hat sich Militärstrategie vor den     zivilen Logiken der Bewahrung und Wieder-
Herausforderungen „Neuer Kriege“ und „asym-          herstellung von Sicherheit auseinandersetzen. Als
Strategische Führung zwischen Hierarchie, Markt und Demokratie                                    29

Teil eines zivil-militärischen Akteursensembles       Der strategischen Unternehmensführung
hat es mit gleichberechtigten zivilen Akteuren     steht seit langem schon eine etablierte betriebs-
jenseits klarer Hierarchien zu kooperieren.        wirtschaftliche Strategielehre zur Seite (Hinter-
                                                   huber 2004; Grant/Nippa 2006; Welge/Al-La-
                                                   ham 2006). Sie untersucht die strategischen
3 Strategische Unternehmensführung
                                                   Rahmenbedingungen, Erfolgspotentiale und
  und Markt
                                                   Erfolgsfaktoren sowie Schritte der Strategiebil-
Markt und Hierarchie geben die Umstände ab,        dung und -umsetzung, die Unternehmen zu
vor deren Hintergrund strategische Unterneh-       Markterfolgen verhelfen sollen. Strategische
mensführung ihre Rationalität und Eigenlogik       Unternehmensführung befasst sich mit der
entfaltet. Unternehmerisches strategisches Den-    grundlegenden Zielsetzung und Ausrichtung
ken und Handeln kreist um die möglichst kos-       von Unternehmensaktivitäten unter einer län-
tengünstige Herstellung und Vermarktung von        gerfristigen Zeitperspektive. Marktentwicklun-
Produkten und Dienstleistungen, und das mit        gen, Absatzchancen, Steuersätze und Löhne zäh-
Gewinnabsicht. Der Rahmen für dieses Be-           len dabei zu den wichtigsten Parametern unter-
streben wird durch den Wettbewerb gesetzt,         nehmensstrategischer Entscheidungen. Zumeist
welcher das Marktgeschehen steuert und über        sind Unternehmen im Besitz von detaillierten
den Preismechanismus zur Angleichung von           Informationen über Absatzmärkte sowohl von
Angebot und Nachfrage führt. Dies verlangt         der Angebots- als auch Nachfrageseite. Gleich-
von Unternehmen, Geschäftsbeziehungen ein-         wohl sind sie mit dem Risiko konfrontiert, dass
zugehen, die für die beteiligten Marktteilneh-     insgesamt 70 Prozent der teilweise sehr kosten-
mer wechselseitig von größtmöglichem Nut-          aufwendig entwickelten Produktneuheiten am
zen sind. Strategisch haben sich Unternehmen       Markt scheitern. Sich gegenüber Konkurrenten
unter Konkurrenzdruck so aufzustellen und          zu behaupten, Wettbewerbsfähigkeit und Markt-
marktkonform zu verhalten, dass sich mit dem       anteile zu sichern, Umsatz- und Gewinnzuwäch-
Ziel der Gewinnmaximierung die Absatzchan-         se zu erzielen, neue Märkte und Gesellschafts-
cen für das eigene Produkt- und Dienstleis-        felder zu erschließen und unentwegt Kosten zu
tungsportfolio steigern lassen. Um dies zu rea-    senken, stecken das Zielspektrum ab, in dem
lisieren, hat sich ein Unternehmen strategisch     sich unternehmerische Strategiebildung und -
auf eine trilaterale Akteurskonstellation einzu-   umsetzung bewegt.
lassen, die durch die Gruppe der Eigentümer/          Der Markt mit seiner dynamischen Impulsi-
Aktionäre, die Belegschaft und durch die Kund-     vität zeigt sich dabei von einer unerbittlichen
schaft gebildet wird. Grundsätzlich ist die Un-    Seite. Stillstand und das Ausruhen auf Erfolgen
ternehmensspitze von allen drei strategischen      werden sofort durch Umsatz- und Gewinnein-
Bezugsgruppen gleichermaßen abhängig. Denn         bußen bestraft. Wie eine Peitsche treibt der Wett-
sie ist Marktverhältnissen ausgesetzt, die vom     bewerb an und verlangt unternehmensstrate-
Wettbewerb um Kunden, Kapitalgeber und             gisch unentwegt nach Kostensenkungen und
Mitarbeiter bestimmt werden. Der strategisch       Rationalisierungsinvestitionen sowie nach Stra-
neuralgische Punkt ist, dass alle drei Bezugs-     tegieinnovationen, die von Unternehmensbera-
gruppen prinzipiell in ihrem Verhalten als         tungsfirmen als non plus ultra des Wettbewerbs-
Marktteilnehmer unabhängig sind und sich in        vorteils angedient werden. Setzt sich eine stra-
ihrem Nutzenstreben auch für vorteilhaftere        tegische Neuerung bei einem großen Unterneh-
Arbeits-, Anlage- und Kaufmöglichkeiten ent-       men oder Marktführer als neue Leitlinie durch,
scheiden können.                                   löst dies bei der Konkurrenz Nachahmereffekte
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aus, um nicht im Wettbewerb abgehängt zu wer-       tierten Anlagekapitalismus und der Einflusszu-
den.                                                wachs von Finanzinvestoren zu nennen. Ziel
   Dem Markt Tribut erweisend, bedienen sich        der neuen Strategie ist, Unternehmen dem Pri-
Unternehmen des Hierarchieprinzips, was ih-         mat des Shareholder Value zu unterwerfen. Die
nen erlaubt, strategische Führung und Verant-       daraus resultierenden strategischen Maximen
wortung auf die Unternehmensspitze zu kon-          sind kurzfristig zu realisierende Maximalrendi-
zentrieren. Strategiebildung erfolgt kollektiv,     ten und, damit verbunden, die Steigerung des
mündet aber in verbindlichen Vorstandsentschei-     Börsenwertes von Aktienunternehmen. Diese
dungen. Die Umsetzung der Strategie folgt kla-      Strategie besitzt den Charme, mit den individu-
ren Über- und Unterordnungsverhältnissen.           ellen Gehaltssteigerungsinteressen der Vorstän-
Faktisch bildet aber der Unternehmensvorstand       de zu konvergieren.
das strategische Zentrum.                               Früher herrschte in Deutschland eine Unter-
   Unternehmensstrategische Führung ist in          nehmensstrategie vor, die auf längerfristigen
den letzten Jahren einem massiven Änderungs-        Geschäftserfolg zielte, wobei dabei die Interes-
druck ausgesetzt, der einerseits von verbreiteter   sen der wichtigsten Anspruchsgruppen, näm-
Marktsättigung und andererseits vom verschärf-      lich die der Kunden, Mitarbeiter und Eigentü-
ten internationalen Wettbewerb herrührt. Als        mer bzw. Anteilseigner ausbalanciert wurden.
weitere Ursachen für einen grundlegenden un-        Von der unternehmenspolitischen Neuorientie-
ternehmensstrategischen Paradigmenwechsel           rung sind vor allem die Interessen der Beleg-
sind der Aufstieg des internationalen börsenno-     schaften als variable Kostengröße negativ be-
Strategische Führung zwischen Hierarchie, Markt und Demokratie                                    31

rührt, denen Mehrarbeit und gleichzeitig Lohn-      Mehrheiten und Teilhabe am Regierungsge-
verzicht abverlangt wird. Ohne den durch Mas-       schäft speziellen Auflagen und Spielregeln. Dies
senarbeitslosigkeit und geschwächte Gewerk-         beginnt für Politiker damit, dass sie ihre beruf-
schaften herbeigeführten Marktmachtverlust der      liche Existenz immer nur durch Wahl und auf
Arbeitnehmer wäre diese Entwicklung allerdings      Zeit ausüben können. Demokratie macht den
nicht denkbar. Doch die neuen Unternehmens-         Beruf des Politikers per se unsicher und behaf-
strategen in den Vorständen geraten trotz aller     tet ihn mit dem erhöhten Risiko des Scheiterns.
Selbstbegünstigung selbst unter Druck, weil sie     Insofern hat alles, was Politiker tun und ver-
bei Nichterfüllen von kurzfristigen Renditevor-     meiden, einen unmittelbaren bzw. mittelbaren
gaben und unbefriedigenden Börsenwertsteige-        Rückbezug auf den Erhalt und Fortbestand ih-
rungen um ihre Spitzenjobs zu fürchten haben.       rer beruflichen Existenz (Wiesendahl 2001).
                                                    Und diese prekäre Berufsunsicherheit verbin-
                                                    det sich zwangsläufig mit ausgeprägter Rivali-
4 Strategische Führung in der
                                                    tät gegenüber möglichen Herausforderern und
  Demokratie
                                                    Konkurrenten (Raschke/Tils 2007: 100f). Dabei
Politik kreist in der Demokratie um die Erzeu-      ist keine irgendwie vergleichbare strategische
gung von öffentlichen Gütern und Dienstleis-        Akteursgruppe dermaßen von launischer und
tungen sowie um die Herbeiführung von ver-          unberechenbarer Wählerunterstützung und öf-
bindlichen Geboten und Verboten des gesell-         fentlicher Zustimmung abhängig wie gerade die
schaftlichen Zusammenlebens, für die öffentli-      der Politiker.
che Zustimmung mobilisiert und Mehrheiten               Öffentliche Unterstützung und Wählerstim-
organisiert sein wollen. Weil es beim politischen   men zu mobilisieren, spielt sich unter Umstän-
Prozess neben der Suche nach bestmöglichen          den ab, die von Offenheit und Transparenz,
Lösungen für anstehende Probleme gleichzeitig       Kontrolle, Kritik und Widerspruch, Beteiligung
immer auch um die Berücksichtigung von wi-          und Freiwilligkeit der Gefolgschaft geprägt
derstreitenden Kollektivinteressen geht, müs-       werden. Dies bedeutet für politische strategi-
sen diese aggregiert und zum Ausgleich gebracht     sche Führung, nur sehr begrenzt auf Vertrau-
werden. In ‚Party Government‘-Regimen bil-          lichkeit und Verschwiegenheit setzen zu kön-
den Parteien mit den aus ihnen hervorgehenden       nen. Anders als bei Militär und Wirtschaft stützt
Politikern die Schlüsselakteure, die politische     sich politische Strategiebildung und -umset-
Macht organisieren und den Kurs der Politik         zung auch nicht auf Hierarchie, da diese durch
als Letztentscheider bestimmen.                     das demokratische Selbstbestimmungs- und
    Für Parteien als kollektive politische Akteu-   Gleichheitsprinzip gefesselt wird. Das fehlen-
re geht es dabei um den Erwerb und Erhalt von       de Hierarchieprinzip macht ihrem Selbstver-
Macht, um in den Besitz von öffentlichen Äm-        ständnis nach viele der Beteiligten in Kollek-
tern zu gelangen (Office Seeking) und/oder          tivgremien zu Häuptlingen und nur wenige zu
Politik gestalten zu können (Policy Seeking).       Indianern.
Die strategische Führungsleistung (Antonakis            Disziplin und Gefolgschaft stehen innerpar-
et al. 2004: 3) bemisst sich daran, hierfür öf-     teilich Partizipation, Transparenz und das Kon-
fentliche Zustimmung und Unterstützung so-          sensprinzip entgegen. Der Preis für kollektive
wie bei Wahlen Mehrheiten generieren zu kön-        Strategiebildung ohne klare Führungsstruktur
nen.                                                besteht in hohen Konsensbeschaffungskosten.
    Ein demokratisches Regelwerk unterwirft         Obstruktion ist nicht auszuschließen. Mit Riva-
den friedlichen Machtkampf der Parteien um          len und Opponenten ist zu rechnen, die das eine
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oder andere Mal den Weg über die Medien nut-       von Mitakteuren beeinflusst, mitunter kontrol-
zen, um eigene strategische Interessen zu be-      liert werden. Und sie haben die Hilfestellung
fördern oder eine ihnen nicht genehme Linie zu     und Unterstützung von Mitakteuren in An-
boykottieren.                                      spruch zu nehmen, die Gegenleistungen erwar-
    Selbst wenn strategische Richtungsentschei-    ten.
dungen im kleineren Kreis gefällt wurden, geht         Anders als auf einem Gütermarkt mit über-
der strategischen Führung die Fähigkeit ab, die    schaubarer Konkurrenz und begrenzter Zahl von
eigenen Mitglieder und Unterstützer auf die        Marktteilnehmern gleicht Politik damit dem dy-
vorgezeichnete Linie verpflichten zu können.       namischen Auf und Ab eines turbulenten und
Parteispitzen gehen Disziplinierungsinstrumente    nur begrenzt kalkulierbaren kollektiven Kräfte-
ab, um Gefolgschaft einfordern zu können.          spiels, bei dem bis zum Ende hin nicht absehbar
Mitunter ereilt sie das Los von Heerführern        ist, inwieweit sich Parteien mit ihren strategi-
ohne Truppen. Politische Strategiebildung wird     schen Vorstellungen und Bestrebungen ohne
deshalb nicht durch Demokratie erdrückt, muss      Abstriche gegenüber ihren Mitspielern durch-
sich aber mit demokratisch gewollter kollekti-     setzen. Gleichzeitig werden sie für Entwicklun-
ver Entscheidungsbildung, dem Fehl an Hierar-      gen und Ereignisse verantwortlich gemacht, auf
chie und an Verpflichtungsfähigkeit bzw. Bin-      deren Eintreten oder Vermeiden die Politik noch
dewirksamkeit von Beschlüssen, an Fluktuati-       am wenigsten einwirken kann. Schlimmer noch
on von Beteiligten und an weitgehender Trans-      steht sich die Politik im wachsenden Maße durch
parenz der Entscheidungsprozesse abfinden.         Probleme in Bedrängnis gebracht, für die sie
    Über die organisationsinternen Probleme der    Lösungen suchen und durchsetzen muss, wel-
Strategiebildung hinaus wird das strategische      che sich nicht mit den Präferenzen der Bevölke-
Umfeld von Parteien zur Umsetzung ihrer stra-      rung decken.
tegischen Ziele und Aktionspläne von Umstän-           Demokratie schlägt sich für Parteien in dem
den geprägt, für die ebenfalls die demokrati-      strategischen Imperativ nieder, bei der Mobili-
schen Spielregeln der Offenheit, Beteiligung und   sierung von Unterstützung und Mehrheiten für
Inklusion gelten. So wird die Arena der politi-    Ämter und Politiken strittige und weit ausein-
schen Meinungs- und Entscheidungsbildung           ander liegende Ziele, Interessen und Standpunk-
von Akteuren besetzt, die aus eigener Machtpo-     te zusammen zu führen und zum Ausgleich brin-
sition heraus in den politischen Prozess inter-    gen zu müssen. Von der strategischen Führungs-
venieren und den Handlungsspielraum der Par-       leistung sind unterschiedliche Bezugsgruppen
teien begrenzen. Parteien haben es mit einem       anzusprechen und einzubinden. Je nach dem ob
multiplen Akteursensemble aus Konkurrenzpar-       es sich um die eigene Partei, konkurrierende
teien, Medien, Verbänden, Wählergruppen und        Parteien, Medien und Öffentlichkeit, Verbände,
externen Akteuren zu tun, die als Erwartungs-      Experten, Bürokraten, Anhänger und Wähler
heger und Mitspieler ihre Wege bei der Strate-     handelt, müssen diese im Umgang mit je spezi-
giebildung und -umsetzung kreuzen. Dabei kön-      fischen strategischen Rationalitäten bedient wer-
nen die Mitspieler über den ganzen Policy-Zy-      den (Wiesendahl 2001: 61f).
klus hinweg mit ihren Einwirkungen, Störpo-        a) Strategische politische Führung bedarf des
tentialen und Obstruktion das strategische Han-        Rückhalts der eigenen Partei, wobei die po-
deln der Parteien bedrängen, umsteuern, blo-           litischen Spitzen sich auch persönlich der
ckieren, durchkreuzen und unterlaufen. Um Be-          Unterstützung der Parteimitglieder versichern
ziehungen zu ihren Wählern und Anhängern auf-          müssen. Die daraus resultierende strategi-
zubauen, haben Parteien Wege zu gehen, die             sche Mitgliedschaftslogik bedient den
Strategische Führung zwischen Hierarchie, Markt und Demokratie                                    33

   Wunsch der Aktiven und Funktionäre auf              ten zu schmieden. Loyalität will belohnt sein,
   Beteiligung und Identifikation. Die ‚party on       während Rivalen niedergehalten oder einge-
   the ground‘ muss sich in den von den ‚pu-           bunden werden müssen. Streit ist zu unter-
   blic office holders‘ verfochtenen politischen       binden, weil er als Führungsschwäche aus-
   Linie wiederfinden können. Auch dürfen              gelegt werden kann. Mitunter ist die Rolle
   keine Zweifel daran aufkommen, dass die             des ‚Herr im Hause‘ zu spielen und es sind
   Parteivertreter für das einstehen, wofür die        bei Preisgabe von Bauernopfern Niederla-
   Partei eintritt und was deren Herzensanlie-         gen zu vermeiden. Bei allem ist das richtige
   gen ist. Wird diese Mitgliedschaftslogik nicht      Timing zu beachten.
   genügend bedient, treten innerparteilich De-     d) Politik ist eine durch und durch öffentliche
   moralisierungseffekte und Motivationsver-           Angelegenheit. Der Kampf um Ämter und
   luste ein, die die organisatorische Schlag-         Politiken spielt sich unter den Augen einer
   kraft einer Partei stark beeinträchtigen (Wie-      kritischen Öffentlichkeit ab, die schon aus
   sendahl 2007).                                      Zustimmungsgründen von politischer Füh-
b) Parteien fällt durch die Inbesitznahme von          rung ausgeprägte strategische Kommunika-
   Schaltstellen der Macht eine Schlüsselrolle         tionsleistungen abverlangt. Durch Kommu-
   bei der Politikgestaltung zu. Ihnen wird sach-      nikation verwirklicht sich strategische Steu-
   logisch Policy-Expertise und Problemlö-             erung (Speth 2005: 27f). Der Kampf um
   sungskompetenz abverlangt, um Anliegen              mediale Aufmerksamkeit und Präsenz, um
   und Probleme identifizieren und bestmögli-          Agendasetting und Deutungshoheit muss
   che Lösungsansätze zu deren Beseitigung             nach den Gesetzen der Medienlogik und
   zu generieren. Bei der strategischen Sachlo-        Personalisierung von Politik ausgefochten
   gik bewegen sich Politiker im Bereich von           werden. Für politisches Spitzenpersonal ist
   „governing roles“ (Elcock 2001; Glaab 2007:         deshalb die Fähigkeit zur Selbstinszenierung
   310ff), was die Fähigkeit impliziert, Policy        (Schütz 1992: 22f), zum Eindrucksmanage-
   Making-Prozesse zu initiieren und sich die          ment und zur Darstellungskompetenz von
   Unterstützung von Experten und Ministeri-           Kompetenz (Hitzler 1996: 266) unabding-
   albürokraten zu Nutze zu machen. Vor allen          bar. Zum Medienimage gehört, als politische
   Dingen benötigt ‚executive leadership‘ Ge-          Spitzenfigur international auf Respekt zu sto-
   spür und Umsicht, um die Folgen und Ne-             ßen und das Land unter den Großen der Welt
   benfolgen von zur Wahl stehenden Lösungs-           selbstbewusst und würdig zu vertreten.
   alternativen abschätzen zu können. Das Po-       e) Darüber hinaus ist der Politikbetrieb immer
   litische der sachlogischen Strategie schwebt        auch Tendenzbetrieb. Er ist ein Ort für das
   immer mit, weil für politische Gestaltungs-         Zelebrieren politischer Transzendenz, wo
   pläne akzeptanzlogisch öffentliche Zustim-          weltbewegende Ideen generiert, Bekenntnis-
   mung und parlamentarische Mehrheiten zu             se abgelegt, Überzeugungen und Werthal-
   mobilisieren sind.                                  tungen ausgetauscht und ideologische Rich-
c) Politische Führung kann nur mit dem virtu-          tungsstreits ausgetragen werden. Strategische
   osen Spiel der Macht- und Einflusslogik re-         politische Führung ist auch hier mit „Lei-
   üssieren. Hierzu gehört, die Machbarkeit und        denschaft“ (Max Weber) gefragt, weil Par-
   Durchsetzbarkeit von politischen Anliegen           teien ihren Charakter als Träger von Weltan-
   realistisch einschätzen zu können. Es sind          schauungen und Werten nicht gänzlich ab-
   Getreue um sich zu sammeln, Abhängigkei-            streifen können. Zudem geht es darum, das
   ten herzustellen und politische Freundschaf-        Klein-Klein der Alltagspolitik in ein größe-
34                                                                                 Elmar Wiesendahl

   res Ganzes einzubetten. Das strategische             hafte gesellschaftliche Wählerkoalitionen
   Rational besteht darin, durch symbolische            schließen. Auf der anderen Seite reibt sich
   Führung und Deutungsleistungen die Be-               dieser Schulterschluss an einer universalis-
   dürfnisse nach Orientierung, Sinnvermittlung         tischen Repräsentationslogik, mit der Par-
   und ideologische Abgrenzung zu befriedi-             teien als Anwalt für das Ganze und für das
   gen.                                                 Gemeinwohl einzutreten haben. Strategisch
f) Ein Großteil des strategischen Denkens und           wird von Parteien auch deshalb eine Grat-
   Handels von politischer Führung wird durch           wanderung abverlangt, weil offenkundiger
   die elektorale Wettbewerbslogik absorbiert,          partikularer Klientelismus andere Wähler-
   mit deren Hilfe in einem friedlich ausgetra-         gruppen abstößt und infolgedessen die Mo-
   genen Ausscheidungskampf auf Sieg und                bilisierung von Wählermehrheiten beein-
   Niederlage hin um die Gunst der Wähler-              trächtigt.
   innen und Wähler gerungen wird. Diese
   Logik kulminiert in strategisch durchdach-
                                                     5 Schlussfolgerungen
   ten hochprofessionellen Wahlkampagnen.
g) Auf einem anderen Blatt stehen die Ansprü-        Politische strategische Führung unterliegt einem
   che, die durch die Konsensbeschaffungsstra-       demokratischem Reglement, was sie von ande-
   tegie für Politiken aufgeworfen werden.           ren Formen und Aktionsfeldern strategischer
   Hierbei geht es darum, für politische Kon-        Führung abgrenzt. So entbehrt sie der Hierar-
   zepte und Gestaltungspläne in der Öffent-         chie, stattdessen geben ihr die demokratischen
   lichkeit breite Unterstützung sowie politische    Spielregeln vor, sich mit Transparenz und Par-
   und gesellschaftliche Bündnispartner zu fin-      tizipation abzufinden. Gefolgschaft wird frei-
   den, die sich für das Anliegen überzeugen         willig gewährt und steht unter wankelmütigen
   lassen. Die hierbei geforderte strategische       Vorbehalt, sie kann jederzeit aufgekündigt wer-
   Rationalität ist eng mit der Interessenvermitt-   den. Infolgedessen fehlt es der Politik für ihre
   lungs- und Verhandlungslogik verbunden.           strategischen Ziele und Aktionen an Verpflich-
   Im Kern geht es darum, durch Verbände ar-         tungsfähigkeit, und sie hat sich ihre Strategie-
   tikulierte Interessen aufzugreifen und auf eine   bildung durch hohe Konsensbeschaffungskos-
   möglichst einvernehmliche Kompromissli-           ten zu erkaufen.
   nie zu aggregieren.                                   Das strategische Umfeld des Politikbetriebs
h) Strategisch können Parteien des Weiteren          gleicht nur sehr begrenzt einem Markt, so dass
   nicht umhin, zu ihren Anhängern und poten-        der Slogan: ‚Der Markt regelt es‘ nicht einmal
   tiellen Wählern möglichst dauerhafte Reprä-       entfernt die Leitlinie für strategisches Denken
   sentationsbeziehungen aufzubauen, die de-         und Handeln der Spitzenpolitiker bilden könn-
   ren Bedürfnisse auf kollektive Interessen-        te. In der Politik geht es in erster Linie um die
   vertretung entgegenkommen. Dabei geben            Organisation von Macht und um das Bestreben
   Spitzenvertreter von Parteien für Wähler-         von Parteien und den aus ihnen hervorgehen-
   innen und Wähler eine Projektionsfläche ab,       den Politikern, für Ämter und Politiken Zustim-
   auf der sich deren Wünsche, Erwartungen           mung und Mehrheiten zu finden. Dies zu ver-
   und Hoffnungen widerspiegeln sollten. Der         wirklichen, setzt strategische politische Führung
   Natur dieser Beziehung nach geht es um eine       einer multilateralen, komplexen Akteursvielfalt
   partikulare, klientelistische Sprachrohr- und     aus, die es erschwert, strategische Ziele und
   Interessenvertretungslogik. Ohne sie lassen       Absichten erfolgsorientiert und wirkungsvoll
   sich auf der einen Seite schwerlich dauer-        in die Tat umzusetzen.
Strategische Führung zwischen Hierarchie, Markt und Demokratie                                    35

    Politik hat per se widerstreitende Ziele zu        Wenn aber Politikern die Übersicht und
verfolgen und dabei zahlreiche und nicht min-      Kontrolle über Verhältnisse abgeht, die sie stra-
der auseinander gehende Erwartungen und            tegisch steuern wollen, können sie schwerlich
Wünsche gleichzeitig zu berücksichtigen. Stra-     genauer abschätzen, welche Wirkungen und
tegisches Führung heißt vor diesem Hinter-         Nebenwirkungen durch strategische Schachzü-
grund, Erwartungsüberfrachtung zu konzertie-       ge herbeigeführt werden könnten. Selbst für die
ren und zielgruppenspezifische Teillogiken zu      Wahl der Mittel zur Realisierung strategischer
bedienen. Das zwischen Mitgliedschaftslogik,       Ziele gibt es kein richtig oder falsch, sondern
Regierungslogik, Macht- und Einflusslogik,         nur das Abwägen von Plausibilitäten. Unter die-
Kommunikations- und Deutungslogik, elekto-         sen Umständen sperrt sich Politik dagegen, in
raler Wettbewerbslogik, Verhandlungslogik und      eine strategisch planvolle, wohl kalkulierte, ra-
Repräsentationslogik bestehende Spannungspo-       tionale Veranstaltung umgewandelt zu werden.
tential bedarf des geschickten ‚conflict-hand-     Noch so sehr gewünschte „Zweckrationalität“
lings‘. Hierin offenbart sich Führung als „wi-     (Raschke/Tils 2007: 289) und „wirksame Ziel-
dersprüchliches Handeln“ (Neuberger 1983).         verfolgung“ (128) politischer Strategie stoßen
    Strategische Führung gehorcht deshalb auch     an immanente Grenzen. Denn die spezifischen
keinem allgemein tauglichen Muster oder Stil.      Umstände des Politikbetriebs lassen es schwer-
Im politischen Strategen steckt vielmehr ein       lich zu, strategische Ziele und Pläne durch zweck-
Meister situationsgerechten strategischen ,con-    rationale Kalkulation erfolgsorientiert in best-
flict-handlings‘. Strategische Führungsleistung    möglich geeignete Maßnahmen und Schritte der
bewährt sich in einem multiplen Rollen-Set, bei    Zielverfolgung umzusetzen. Was wirkungsvoll
dem man mal den herrischen Führer und Chef,        und zweckmäßig ist, wird erst durch die Dyna-
den Inspirator und Visionär, den Broker und        mik des Prozessverlaufs entschieden. Wenn-
Moderator, den zupackenden Tatmenschen, den        Dann-Kalkulationen bleiben weitgehend Spe-
Anwalt und Schutzpatron, den Staatsmann und        kulation, weil ein strategischer Aktionsplan aus
großen Redner, den Soundbite-Produzenten und       sich heraus keine erfolgsversprechende Hand-
Vorkämpfer für eine große Sache und den Wahl-      lungsdynamik entwickelt. Insofern wird auch
kämpfer und sachkundigen Entscheider spielen       das herkömmliche sequentielle Prinzip ‚action
muss.                                              follows strategy‘ weitgehend außer Kraft ge-
    Darüber hinaus ist politische Strategie Um-    setzt, weil nicht wirklich beantwortbar ist, wel-
ständen ausgesetzt, die durch Undurchsichtig-      ches vorbedachte Handeln Zweckdienlichkeit
keit, Turbulenz und Überraschung und damit         beanspruchen könnte.
durch die Ungewissheit und Unberechenbar-              Die Quintessenz ist: Ob etwas strategisch
keit der laufenden Ereignisse geprägt sind. Her-   Erfolg hat, wird durch den politischen Prozess
gestellte öffentliche Meinung, wankelmütige        entschieden. Insofern hat sich politische Strate-
Stimmenlagen, unvorhergesehene Ereignisse          gie an der Maxime ‚strategy follows process‘
und die Interventionen von diversen eigensin-      auszurichten. Strategie als ständigem Prozess,
nige Akteuren und Mitspielern in den politi-       als ‚strategy in progress‘ ist damit etwas Unfer-
schen Prozess sorgen für einen Spielablauf, der    tiges, Unabgeschlossenes zu eigen, was der
nicht dem strategischen Regiebuch der Parteien     Abhängigkeit vom eigendynamischen Prozess-
gehorchen will. Dieses Dynamische und Unab-        verlauf gerecht wird.
wägbare des politischen Prozesses machen für           Vor diesem Hintergrund kann politische stra-
Raschke und Tils (2007: 387) eine „Flexibili-      tegische Führung immer noch etwas von dem
sierung der Strategieanwendung“ notwendig.         Militärstrategen Helmuth von Moltke (1800 –
36                                                                                   Elmar Wiesendahl

1891) lernen – wandte dieser sich doch gegen              Hunt, James G. 2004: What Is Leadership?
die verfehlte Vorstellung von Strategie als einer     In: Antonakis, John/Cianciolo, Anna T./Stern-
Sammlung von „allgemeine(n) Lehrsätze(n)“             berg, Robert J. (Hg.): The Nature of Leaders-
und „aus ihnen abgeleitete(n) Regeln“. Statt-         hip. Thousand Oakes, London, New Delhi:
dessen sei in Strategie „ein System der Aushil-       Sage, 19-47.
fen“ zu sehen, das „die Fortbildung des ur-               Kaldor, Mary 1999: New and old Wars:
sprünglich leitenden Gedankens entsprechend           Organized Violence in a Global Era. Stanford:
den stets sich ändernden Verhältnissen“ zulas-        Stanford University Press.
sen würde (zitiert nach Hinterhuber 2004: 26).            Münkler, Herfried 2002: Die neuen Kriege.
                                                      Reinbek: Rowohlt.
   Elmar Wiesendahl ist Professor für Politik-            Neuberger, Oswald 1983: Führen als wi-
wissenschaft und Leiter des Fachbereichs Sozi-        dersprüchliches Handeln. In: Psychologie und
alwissenschaften an der Führungsakademie der          Praxis. Zeitschrift für Arbeits- und Organisati-
Bundeswehr.                                           onspsychologie, 27. Jg., 22-34.
                                                          Raschke, Joachim/Tils, Ralf (2007): Politische
                                                      Strategie. Eine Grundlegung. Wiesbaden: VS.
Literatur
                                                          Speth, Rudolf 2005: Strategiebildung in der
    Antonakis, John/Cianciolo, Anna T./Stern-         Politik. In: Forschungsjournal Neue Soziale
berg, Robert J. 2004: Leadership. Past, Pre-          Bewegungen, 18. Jg., Heft 2, 20-37.
sent, and Future. In: Dies. (Hg.): The Nature of          Schütz, Astrid 1992: Selbstdarstellung von
Leadership. Thousand Oaks, London, New                Politikern. Analyse von Wahlkampfauftritten.
Delhi: Sage, 1-18.                                    Weinheim: Deutscher Studienverlag.
    Clausewitz, Carl von 2003: Vom Kriege.                Schemann, Hans 2000: Professionalisierung
Troisdorf: Bildungsverlag Eins.                       und/oder Kunst der Führung von Unternehmen.
    Creveld, Martin van 1998: Die Zukunft des         Münster: LIT.
Krieges. München: Gerling Akad. Verlag.                   Welge, Martin K./Al-Laham, Andreas 2006:
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Cheltenham, Northhampton: Elgar.                      Aufl., Wiesbaden: Gabler.
    Glaab, Manuela 2007: Politische Führung               Wiesendahl, Elmar 2004: Zum Tätigkeits-
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tikwissenschaft, 17 Jg., Heft 2, 303-332.             Brink, Stefan/Wolff, Heinrich (Hg.): Gemein-
    Grant, Robert M./Nippa, Michael 2006: Stra-       wohl und Verantwortung. Berlin: Duncker &
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München: Pearson Studium.                                 Wiesendahl, Elmar 2001: Berufspolitiker
    Hinterhuber, Hans H. 2004: Strategische           zwischen Professionalismus und Karrierismus.
Unternehmensführung. Bd. 1: Strategisches             In: Arnim, Herbert von (Hg.): Politische Klasse
Denken: Vision, Unternehmenspolitik, Strate-          und Verfassung. Berlin: Duncker & Humblot,
gie. 7. Aufl. Berlin: de Gruyter.                     145-166.
    Hitzler, Ronald 1996: Die Produktion von              Wiesendahl, Elmar 2007: Effiency versus
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im Medienzeitalter. In: Imhof, Kurt/Schulz,           dernization in Germany. In: Blühdorn, Ingol-
Peter (Hg.): Politisches Raisonnement in der          fur/Jun, Uwe (Hg.): Economic Effiency – De-
Informationsgesellschaft. Zürich: Seismo,             mocratic Empowerment. Lanham u.a.: Lexing-
265-288.                                              ton Books, 219-246.
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