STUDIE Spillovers Die Auswirkungen des österreichischen Steuersystems auf sogenannte Entwicklungsländer - Forum außenpolitische Think-Tanks
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STUDIE Spillovers Die Auswirkungen des österreichischen Steuersystems auf sogenannte Entwicklungsländer Norbert Roller Dezember 2020 © Molly Lefeber
2 Herausgeber und Medieninhaber: VIDC – Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation Möllwaldplatz 5/9, A-1040 Wien, www.vidc.org Autor: Norbert Roller Redaktion: Martina Neuwirth Photos: „Spillover II” by Jaume Plensa (Atwater Park, Shorewood, Wisconsin), by Molly Lefeber, lizenziert unter CC BY 2.0, https://creativecommons.org/licenses/ by/2.0/ Grafik: typothese.at, 1150 Wien Druck: Resch KG, 1150 Wien Offenlegung gemäß § 25 des Mediengesetzes. Copyright: Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation, Dezember 2020 Grundlegende Themen: Diskussionspapiere zur Entwicklungspolitik, zur internationalen Zusammenarbeit und zum Süd-Nord-Kulturaustausch sowie zur antirassistischen Kampagnenarbeit. Die in dieser Publikation geäußerten Ansichten sind die des Autors und nicht notwendigerweise die des Herausgebers/VIDC.
DIE AUSWIRKUNGEN DES ÖSTERREICHISCHEN STEUERSYSTEMS AUF SOGENANNTE ENTWICKLUNGSLÄNDER 3 INHALT Abkürzungen.............................................................................................................................................................4 Zusammenfassung....................................................................................................................................... 5 Der Zweck dieser Studie............................................................................................................................. 10 Verschiedene Arten von Spillover-Effekten und die Rolle des Steuerwettbewerbs...................................... 11 Steuerwettbewerb und Steueroasen/Offshore Finanzcenter.....................................................................13 Steuer Incentives ........................................................................................................................................14 Reformbestrebungen im internationalen Steuerrecht................................................................................. 15 Von Österreich ausgehende Spillover-Effekte............................................................................................. 18 Strategische Positionierung im internationalen Steuerrecht.................................................................................18 Unternehmensbesteuerung in Österreich..............................................................................................................20 Exkurs: Gruppenbesteuerung......................................................................................................................21 Die Besteuerung von Kapitalerträgen in Österreich...............................................................................................23 Outbound Investments................................................................................................................................23 Inbound Investments...................................................................................................................................24 Verrechnungspreisbestimmung bei Kapitaleinkünften ..............................................................................26 Besteuerung der Erträge aus immateriellen Wirtschaftsgütern............................................................................27 Verrechnungspreisbestimmung und Einkünfte aus immateriellen Wirtschaftsgütern...............................29 Spillover-Effekte aus der Besteuerung immaterieller Wirtschaftsgüter......................................................29 Internationale Kooperation.....................................................................................................................................30 Spillover-Effekte und internationale Kooperation.......................................................................................32 Doppelbesteuerungsabkommen . ..........................................................................................................................32 Spillover-Effekte und Doppelbesteuerungsabkommen...............................................................................34 Einordnung der österreichischen Position.................................................................................................. 35 Spillover-Effekte und ihre Wirkung auf sogenannte Entwicklungsländer..................................................... 36 Wünschenswerte Maßnahmen aus entwicklungspolitischer Sicht.............................................................. 37 Bibliographie und Hinweise....................................................................................................................... 39
4 Abkürzungen AbgÄG Abgabenänderungsgesetz ADG Amtshilfedurchführungsgesetz ATAD Anti Tax Avoidance Directive ATAF African Tax Administration Forum BAO Bundesabgabenordnung BBG Budgetbegleitgesetz BIP Bruttoinlandsprodukt BMF Bundesministerium Finanzen bzw. beziehungsweise CCCTB Common Consolidated Corporate Tax Base CIAT Centro Interamericano de Administraciones Tributarias CoC Code of Conduct d. h. das heißt DBA Doppelbesteuerungsabkommen DCF Discounted Cash Flow DST Digital Service Tax EBITDA Earnings before interest, tax, depreciation and amortization EStG Einkommensteuergesetz G20 Gruppe der 20 G24 Gruppe der 24 Global Forum Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes GloBE Global Anti Base Erosion Proposal IF Inclusive Framework an BEPS idF in der Fassung iVm in Verbindung mit IWF Internationaler Währungsfonds KESt Kapitalertragssteuer KStG Körperschaftssteuergesetz MA Musterabkommen OECD Organisation for Economic Cooperation and Development PCT Platform for Collaboration on Tax SDG Sustainable Development Goal sog. sogenannt TIWB Tax Inspectors without Borders vgl. vergleiche VPDFG Verrechnungspreisdokumentationsgesetz VwGH Verwaltungsgerichtshof
DIE AUSWIRKUNGEN DES ÖSTERREICHISCHEN STEUERSYSTEMS AUF SOGENANNTE ENTWICKLUNGSLÄNDER 5 ZUSAMMENFASSUNG Es gibt kein einheitliches internationales System für die Regierungen die Notwendigkeit der internationalen Besteuerung von Unternehmensgewinnen. Diese wer- Koordination steuerlicher Maßnahmen. Eine aggressi- den zwar global generiert, aber lokal besteuert. Das ve Strategie, um das Verschieben künstlicher oder re- führt zu Wechselwirkungen und Überschneidungen von aler Gewinne nach Österreich zu erleichtern (wie etwa nationalen Steuersystemen, also zu sogenannten Spil- durch die tatsächliche Einführung von Patentboxen), lover-Effekten. wurde nicht verfolgt. Allerdings finden sich regelmäßig Wenn ein Staat durch sein nationales Steuerregime Forderungen nach einer Reduktion der steuerlichen Unternehmen beeinflusst und dadurch Gewinne ver- Belastung von unternehmerischen Gewinnen. Das At- schoben werden (real oder künstlich), spricht man von traktivieren des Wirtschaftsstandortes war bereits 2000 Spillover-Effekten auf die Bemessungsgrundlage. Da- erstes Ziel einer geplanten Steuerreform. 2004 folgten durch verändert sich in anderen Ländern der Gewinn aus dieser Zielsetzung insbesondere die Senkung der (die Bemessungsgrundlage), der besteuert werden Körperschaftssteuer von 34 auf 25 Prozent sowie die kann. Strategische Spillover-Effekte bewirken dagegen Einführung der Gruppenbesteuerung, also Steuerer- eine Veränderung im Steuerrecht des anderen Staates leichterungen insbesondere für Kapitalgesellschaften. (die Senkung des Steuersatzes in einem Staat kann bei- Im Bereich der Transparenz genoss die Aufrechterhal- spielsweise auch eine Steuersatzreduzierung in einem tung des Bankgeheimnisses lange oberste Priorität. Es benachbarten Staat auslösen). Strategische Spillover-Ef- war durchwegs ein strategisches Ziel der Regierungen, fekte können ihren Ursprung aber auch in internationa- internationale Standards gegen aggressive Steuerge- len steuerpolitischen Initiativen haben, wenn Staaten staltungen und Steuerumgehungen umzusetzen, wenn sich bewusst koordinieren, um eine einheitliche Politik dies auch in der Praxis manchmal nur zögerlich erfolg- zu formulieren. Spillover-Effekte können positiv oder te. Die österreichische Strategie erlaubte aber auch negativ sein, wobei eine positive bzw. negative Beurtei- ein Übererfüllen von internationalen Standards. Insge- lung vom jeweiligen Wertemaßstab und den jeweiligen samt sieht es die österreichische Steuerpolitik als ihre Interessen der Betrachter*innen abhängt. Aufgabe an, den nationalen Wohlstand zu vermehren. Die Studie geht vorerst auf die Rolle des internati- Die Auswirkungen auf sogenannte Entwicklungsländer onalen Steuerwettbewerbs beim Entstehen von Spil- (und damit u. a. auf die globale Armutsbekämpfung) lover-Effekten ein. Dann gibt sie einen kurzen Überblick finden in der strategischen Ausrichtung keine Berück- über Reformbestrebungen im internationalen Steuer sichtigung. recht,1 die in den vergangenen Jahren an Dynamik ge- In weiterer Folge widmet sich die Studie den kon- wonnen haben. Der Hauptteil der Untersuchung wid- kreten Aspekten im österreichischen Unternehmens- met sich einer qualitativen Analyse möglicher Spil- steuerrecht, die möglicherweise Spillover-Effekte ver- lover-Effekte von österreichischen steuerpolitischen ursachen können. Nach einer kurzen Betrachtung der Initiativen in der Unternehmensbesteuerung. Ein be- Grundprinzipien des österreichischen Steuerrechts gilt sonderes Augenmerk liegt auf den möglichen Auswir- das besondere Augenmerk den Einkünften aus Kapita- kungen auf sogenannte Entwicklungsländer. Bewertet linvestitionen und den Einkünften aus der Verwertung werden dabei die Konformität mit internationalen Initi- von immateriellen Wirtschaftsgütern, da solche Erträ- ativen, die Intention der Gesetzgebung und das Poten- ge besonders anfällig für Gewinnverschiebungen sind. zial zur Nutzung im Steuerwettbewerb. Ergänzend erfolgt eine Analyse der Bestimmungen zur Eine Betrachtung der Regierungsprogramme von internationalen Transparenz und der österreichischen 2000 bis 2020 zeigt, dass alle Regierungen im Bereich Doppelbesteuerungsabkommen. der Unternehmensbesteuerung versuchten, Österreich Die Höhe des (nominellen) Körperschaftssteuersat aktiv zu positionieren und ein ‚konkurrenzfähiges‘ Steu- zes kann unternehmerische Entscheidungen beeinflus- errecht zu formulieren. Gleichzeitig anerkannten die sen und Spillover-Effekte generieren. Dieser wurde be- 1 Das internationale Steuerrecht besteht im Wesentlichen aus dem jeweiligen nationalen Außensteuerrecht und einer Vielzahl von bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen.
6 reits 2004 herabgesetzt und wird voraussichtlich weiter Körperschaften meist nicht in Österreich besteuert. Die sinken. Dadurch können sowohl Spillover-Effekte der inländische beschränkte Steuerpflicht von Zinsen und Bemessungsgrundlage generiert werden (wenn Unter- Dividenden wird zusätzlich regelmäßig durch Doppel- nehmen versuchen, einen höheren Anteil ihrer Gewin- besteuerungsabkommen eingeschränkt, also mit einem ne in Österreich zu erwirtschaften und zu versteuern), Steuersatz von maximal 10 Prozent im Falle von Zinsen als auch strategische Spillover-Effekte entstehen (wenn und maximal 5 bis 15 Prozent bei Dividenden. Die (be- andere Staaten mit ähnlichen Absenkungen der Steuer- schränkte) Steuerpflicht von Zinserträgen für natürli- sätze reagieren). che Personen wurde erst 2014 eingeführt, verknüpft Die bereits erwähnte Gruppenbesteuerung ist eine mit der Hoffnung auf 5 Millionen Euro an jährlichen gezielte Maßnahme Österreichs im Steuerwettbewerb. Mehreinnahmen – was sich, je nach anzuwendendem Sie erlaubt es österreichischen Unternehmen, Verlus- Doppelbesteuerungsabkommen, negativ auf das Steu- te ihrer ausländischen Töchter in Österreich (seit 2015 eraufkommen des jeweiligen Partnerstaates auswirken zu 75 Prozent) steuermindernd geltend zu machen. kann. Ergänzend wurde auch ein Abzugsverbot des Zin- Gewinne werden dagegen – wegen des Fehlens eines saufwandes für Körperschaften beschlossen, wenn der österreichischen Besteuerungsrechtes – nicht aufge- Zinsertrag gar nicht oder mit einem effektiven Steuer- nommen. Außerdem wurde die Möglichkeit einer Fir- satz von unter 10 Prozent besteuert würde. Damit soll- menwertabschreibung auf erworbene Beteiligungen te der konzerninternen Gewinnverlagerung in Niedrig- geschaffen, die aber 2014 wieder abgeschafft wurde. steuerländer ein Riegel vorgeschoben und verhindert Dadurch sollte ein starker Anreiz gesetzt werden, Kon- werden, dass die Steuerbasis in Österreich (künstlich) zernleitungen mit ihren Forschungseinrichtungen und verringert wird. Know-how-Centern nach Österreich zu holen. Es zeigt Die erste Anti-Steuervermeidungsrichtlinie der EU sich bei der Gruppenbesteuerung also, dass der öster- sieht ein weiter gehendes Abzugsverbot von Zinsen, reichische Gesetzgeber Spillover-Effekte der Bemes- also eine „Zinsschranke“, innerhalb eines Konzerns vor. sungsgrundlage bewirken will, um im internationalen Diese Bestimmung sollte bis Ende 2018 umgesetzt Steuerwettbewerb weiter bestehen zu können. werden, was Österreich aber bis 2020 nicht getan hat. Finanzkapital eignet sich wegen seiner Mobilität be- Konzerne, die ihre globale Steuerlast durch interne Dar- sonders zur grenzüberschreitenden Verschiebung von lehensvergaben reduzieren, haben dadurch eine günsti- Gewinnen. Dem verschobenen Finanzkapital folgen (in gere Rechtslage, die dazu führen kann, dass Darlehens- der gegenwärtigen Logik der Gewinnaufteilung) die vergaben im Konzern gezielt über Österreich struktu- dem Kapital und den damit verbundenen Funktionen riert werden. zuzurechnenden Gewinne. Mit einer günstigen Besteu- Sowohl Spillover-Effekte der Bemessungsgrundlage erung von Kapital werden daher in einem globalisierten als auch strategische Spillover-Effekte sind durch Re- Kapitalmarkt leicht Spillover-Effekte generiert. Bedeut- gelungen im Bereich der Kapitalertragsbesteuerung sam ist insofern die Steuerbefreiung von Beteiligungs möglich, wenn sie die Investitionen aus oder nach Ös- erträgen nach § 10 KStG mit der Sonderregelung für in terreich steuerlich attraktiv machen. Gleichzeitig wur- ternationale Schachtelbeteiligungen. Die Besonderheit den aber in den vergangenen Jahren auch Maßnahmen der internationalen Schachtelbeteiligung ist, dass nicht gesetzt, die diese Attraktivität einschränken und daher nur laufende Erträge, sondern alle Wertveränderungen ebenfalls zu berücksichtigen sind. Das macht eine Be- der Beteiligung von der Besteuerung ausgenommen urteilung komplex, stark vom Einzelfall abhängig und sind. Zusätzlich bleibt der Zinsaufwand für solche Betei- letztlich nur im Zusammenhang mit Maßnahmen ande- ligungen abzugsfähig (und verringert in Folge die Steu- rer Länder möglich. erbasis). Die Beteiligungsertragsbefreiung wird aller- Immaterielle Wirtschaftsgüter, wie etwa Lizenzen dings durch zwei Anti-Missbrauchsregelungen (Metho- oder Markenrechte, eignen sich besonders zur Gewinn- denwechsel und Hinzurechnungsbesteuerung) ergänzt, verschiebung, weil sie von Steuerverwaltungen schwie- sollten die Passiveinkünfte im anderen Staat mit oder rig zu bewerten sind und ihre Bedeutung in den vergan- unter 12,5 Prozent besteuert werden. genen Jahren stark zugenommen hat. Grundsätzlich gilt: Bei inbound Investments, also Investitionen aus- Wird ein österreichisches immaterielles Wirtschaftsgut ländischer natürlicher Personen oder Unternehmen durch eine/n ausländische/n Steuerzahler*in genutzt, in Österreich, werden insbesondere Zinszahlungen an müssen die Lizenzeinnahmen versteuert werden. Ein
DIE AUSWIRKUNGEN DES ÖSTERREICHISCHEN STEUERSYSTEMS AUF SOGENANNTE ENTWICKLUNGSLÄNDER 7 spezielles, günstigeres Steuerregime, wie etwa eine Spillover-Effekte können bei immateriellen Wirt- Patentbox, existiert nicht. Nutzen natürliche Personen schaftsgütern, die geographisch meist nicht gebunden oder Unternehmen, die in Österreich steuerpflichtig sind, entstehen. Ob diese tatsächlich eintreten, kann sind, ein im Ausland liegendes immaterielles Wirt nur auf Basis einer Gesamtbetrachtung der Rahmen- schaftsgut, kann der Aufwand dafür gewinnmindernd bedingungen entschieden werden. Das österreichische geltend gemacht werden. Im Fall von Unternehmen Steuerrecht sieht jedenfalls keine besonderen steuer- kann jedoch ein Abzugsverbot greifen, wenn die Lizen- lichen Anreize vor, immaterielle Wirtschaftsgüter nach zeinnahmen im Ausland keiner oder einer Besteuerung Österreich zu verlagern. Gleichzeitig gibt es Bestim- unter 10 Prozent unterliegen. Unter gewissen Voraus- mungen, die eine Gewinnverlagerung in Niedrigsteuer- setzungen können diese auch mit einer 20-prozentigen länder hemmen. Abzugssteuer belegt werden (wobei diese Besteuerung In der Steuerpolitik und damit im Steuerwettbewerb durch das jeweils geltende Doppelbesteuerungsabkom- kommt der internationalen Kooperation und insbe- men wieder eingeschränkt werden kann). sondere dem internationalen Informationsaustausch In immateriellen Wirtschaftsgütern können umfang- eine große Bedeutung zu. Die Nichtumsetzung von reiche stille Reserven enthalten sein, insbesondere Transparenzstandards kann negative Spillover-Effekte dann, wenn sie von einem/einer Steuerzahler*in selbst begünstigen. Österreich verfolgte wegen des stren- geschaffen wurden und bilanziell daher gar nicht auf- gen innerstaatlichen Bankgeheimnisses lange eine res- scheinen. Wird das immaterielle Wirtschaftsgut mit triktive Politik, die sich erst 2009, unter zunehmendem derartigen stillen Reserven verkauft, sollten auch die internationalem Druck, änderte. Das Bankgeheimnis stillen Reserven realisiert werden und der Besteue- wurde aufgeweicht, Doppelbesteuerungsabkommen rung unterliegen. Bei Transaktionen in einem Konzern an neue internationale Standards angepasst und neue besteht ein Risiko für den Fiskus, wenn die Bewertung Abkommen zum Austausch von Steuerinformationen des immateriellen Wirtschaftsguts nicht dem Markt abgeschlossen. entsprechend, sondern unter- oder überbewertet wird.
8 Auch Informationen zum wirtschaftlichen Eigentum nehmen soll damit ein vorteilhaftes rechtliches Um- von Gesellschaften, insbesondere im Zusammenhang feld geschaffen werden – durch Rechtssicherheit eben- mit sogenannten Briefkastenfirmen, sind von Bedeu- so wie durch eine Reduktion der Steuerzahlungen im tung. Seit 2018 gibt es in Österreich ein (teilöffentli- Quellenstaat. Österreich versucht, Partnerländer zum ches) Wirtschaftliches Eigentümer-Register (WiEReg), umfangreichen Verzicht auf Quellensteuern zu bewe- das angibt, wer wirklich die Kontrolle über Unterneh- gen, was zu signifikanten Einbußen im Steueraufkom- men und andere Rechtsträger ausübt. men dieser Staaten führen kann. Das gilt zwar auch re- Österreichische, international tätige Unternehmen ziprok für ausländische Unternehmen, die in Österreich müssen seit 2017 länderweise, nicht-öffentliche Be investieren, benachteiligt aber Länder, deren Unterneh- richte (Country-by-Country Reporting) zu ihrer globa- men nicht in Österreich aktiv sind. Der Verzicht von Be- len Tätigkeit erstellen. Gemäß dem verpflichtenden steuerungsrechten führt jedenfalls zu einer Verminde- BEPS-Minimalstandard der OECD, 2015 werden diese rung der jeweiligen Steuereinnahmen. Dies ist dann von dann automatisch mit den Staaten ausgetauscht, in de- Bedeutung, wenn einer der Staaten den Verzicht auf nen der betroffene Konzern Zweigniederlassungen un- Steueraufkommen wirtschaftlich schlechter verkraften terhält. Die österreichische Umsetzung geht über den kann. Der Schutz des Steueraufkommens wirtschaftlich Minimalstandard hinaus und verankert auch die Ver- schwächerer Länder ist in der österreichischen Abkom- pflichtung zur Erstellung eines Master Files und eines menspolitik bisher kein relevanter Faktor. Dabei hat Ös- Local Files für die Unternehmen, die spezifische Daten terreich zahlreiche Doppelbesteuerungsabkommen mit zur Kalkulation der Verrechnungspreise enthalten. Die sogenannten Entwicklungsländern abgeschlossen. Unternehmen wurden allerdings nicht dazu verpflich- Abkommen wurden auch mit einigen Niedrigsteuer- tet, gewisse länderweise Daten zu veröffentlichen, wie ländern abgeschlossen. Verzichtet Österreich in einem etwa von der EU-Kommission und dem EU-Parlament solchen Abkommen auf ein Besteuerungsrecht, führt vorgeschlagen. Nicht nur der Austausch von länderwei- dies zu einer zu geringen oder gar zu einer doppelten sen Berichten, sondern auch von Bankinformationen, Nicht-Besteuerung. Österreich wird dadurch zu einem Steuervorbescheiden (Steuerrulings) und zu bestimm- attraktiven Wirtschaftsstandort für Unternehmen, die ten meldepflichtigen Gestaltungen erfolgt automatisch, mit diesen Niedrigsteuerländern verflochten sind. Dop- auf Grundlage von fünf EU-Amtshilferichtlinien. pelbesteuerungsabkommen können also zum Zuzug von Insgesamt verfolgt Österreich bezüglich der interna- Unternehmen aus Ländern führen, in denen solche Ab- tionalen Kooperation in Steuersachen das Ziel, alle in- kommen nicht bestehen, womit sie Spillover-Effekte ternationalen Standards zu erfüllen und damit nicht Ziel zur Bemessungsgrundlage begünstigen. Gegen das so- von Defensivmaßnahmen anderer Länder zu werden. genannte ‚treaty shopping‘ setzt Österreich aber Maß- Eigene Maßnahmen für eine vermehrte Kooperation nahmen; einerseits durch die Aufnahme von Anti-Miss- wurden jedoch nicht getroffen. Die internationale Ko- brauchsbestimmungen in seine Doppelbesteuerungsab- operation hat entscheidenden Einfluss auf die Bekämp- kommen, anderseits durch eine gefestigte Judikatur des fung negativer Spillover-Effekte zur Bemessungsgrund- VwGH zum Missbrauch zivilrechtlicher Gestaltungen. lage. Die Initiativen der vergangenen Jahre haben auch in der österreichischen Steuerpolitik zu strategischen Insgesamt ergibt sich folgendes Bild über die Positio- Änderungen und damit zu positiven strategischen Spil- nierung Österreichs: lover-Effekten geführt. • Österreich bemüht sich aktiv, ein attraktives rechtli- Doppelbesteuerungsabkommen legen nicht nur ches Umfeld für Unternehmen zu schaffen. Es gehen den oben beschriebenen Informationsaustausch zwi- daher sowohl Spillover-Effekte der Bemessungs- schen den Vertragsparteien fest. Sie teilen vor allem die grundlage als auch strategische Spillover-Effekte vom Besteuerungsrechte zwischen dem Ansässigkeitsstaat österreichischen Steuerrecht aus. Im Rahmen der (von natürlichen Personen und Unternehmen) und dem Stärkung des österreichischen Wirtschaftsstandortes Quellenstaat, aus dem steuerpflichtige Einkünfte bezo- ist das vom Gesetzgeber auch so gewünscht. gen werden, auf. Damit soll die doppelte Besteuerung • Österreich setzt dabei keine besonders aggressiven eines Einkommens bzw. Gewinns vermieden werden. Maßnahmen, sondern solche, die internationalen Österreich hat ein umfangreiches Abkommensnetz- Standards entsprechen. Diese werden jedoch mitun- werk. Für international tätige österreichische Unter- ter zögerlich umgesetzt und nur selten übererfüllt.
DIE AUSWIRKUNGEN DES ÖSTERREICHISCHEN STEUERSYSTEMS AUF SOGENANNTE ENTWICKLUNGSLÄNDER 9 • Spezifische Regeln gegen aggressive Steuervermei- Standortpolitik sowie dem Ziel der Sicherung des öster- dung, Steuerumgehung und Steuerhinterziehung fin- reichischen Steueraufkommens statt. den sich in allen untersuchten Teilbereichen wieder. Diese dienen in erster Linie dem Schutz der österrei- Aus entwicklungspolitischer Sicht wären daher fol- chischen Bemessungsgrundlage, können aber auch gende österreichische Maßnahmen wünschenswert: negative Spillover-Effekte, die von Österreich aus- • Kapazitätsentwicklung: personelle und organisato- gehen, verhindern, wenn sie sich gegen aggressive rische Kapazitäten in sogenannten Entwicklungslän- Modelle richten, die zu Gewinnverlagerungen nach dern (insbesondere in Partnerländern der österreichi- Österreich führen könnten. schen Entwicklungszusammenarbeit) unterstützen; • Quantitative Analysen zu Auswirkungen steuerpoliti- • Kostenwahrheit: die Kosten und Nutzen österreichi- scher Maßnahmen auf Partnerstaaten erfolgten bei scher steuerpolitischer Maßnahmen, insbesondere der Vorbereitung von Gesetzesinitiativen nicht, oder für die davon betroffenen Partnerländer, vor deren diese sind nicht öffentlich zugänglich. Implementierung abschätzen; • Politikkohärenz: eine Interessensabwägung unter Entwicklungspolitische Aspekte fanden bisher in der Beachtung der österreichischen entwicklungspoliti- Steuerpolitik kaum Beachtung. Dabei können sich Spil- schen Ziele durchführen, wenn eine steuerliche Maß- lover-Effekte auf sogenannte Entwicklungsländer be- nahme in Österreich negative fiskalische Auswirkun- sonders negativ auswirken. Denn Entwicklungsländer gen auf ein sogenanntes Entwicklungsland hat. haben oft zu geringe Steuereinnahmen und sind be- • Auf internationaler Ebene sollte sich Österreich dafür sonders von der Unternehmensbesteuerung (v. a. inter- einsetzen, nationaler Unternehmensgruppen) abhängig. Dies hat • die Komplexität des internationalen Steuerrechts zu unter anderem damit zu tun, dass sie lange Zeit nicht reduzieren: die vielen komplexen, und nicht immer in die Gestaltung der internationalen Steuerarchitek- demokratisch bzw. politisch legitimierten, internati- tur eingebunden waren. Trotz einiger Verbesserungen onalen Standards vereinfachen und verständlich ma- können vor allem Niedrigeinkommensländer ihre Inte- chen; ressen wegen mangelnder materieller und personel- • den internationalen Dialog anders zu gestalten: ler Ressourcen nicht angemessen vertreten – selbst Durchsetzbarkeit der Interessen ärmerer Länder dann, wenn sie mit vollem Stimmrecht in entscheiden- stärken - durch strukturelle Reformen der standard- den internationalen Gremien vertreten sind. Eigentlich setzenden internationalen Organisationen, insbeson- schreibt das österreichische EZA-Gesetz eine Beach- dere durch Stärkung und Aufwertung der Vereinten tung der Ziele der österreichischen Entwicklungszusam- Nationen, oder durch Schaffung neuer internationa- menarbeit in allen Politikfeldern vor. Dennoch findet ler Institutionen. keine Abwägung zwischen diesen Zielen und jenen der
10 DER ZWECK DIESER STUDIE Unternehmerische Tätigkeit findet grenzüberschreitend nehmensbesteuerung. Die Analyse kann dabei qualita- auf globalisierten Märkten statt. Die Besteuerung von tiv oder quantitativ erfolgen. Beide Ansätze sind in der Unternehmensgewinnen erfolgt demgegenüber jedoch Literatur zu finden, und beide Ansätze haben Stärken nicht in einem einheitlichen internationalen Steuer- – aber auch Schwachpunkte. So ist die Quantifizierung system. Ein solches System gibt es nicht; jedes Land wegen mangelhafter oder fehlender Daten komplex, besteuert unabhängig und auf Basis seiner nationalen während die qualitative Untersuchung notgedrungen Regeln. Somit werden Unternehmensgewinne global ein starkes subjektives Element enthält.2 In dieser Ar- generiert, aber lokal besteuert. Das führt zu Wechsel- beit erfolgt eine qualitative Analyse österreichischer wirkungen und Überschneidungen der nationalen Steu- steuerpolitischer Initiativen. Bewertet werden die Kon- ersysteme. Weltweit agierende Unternehmen müssen formität mit internationalen Initiativen, die Intention dies in ihrer Steuerplanung bzw. Steuerpolitik berück- der Gesetzgebung und das Potential zur Nutzung im sichtigen und können durch gezielte Strukturierung ihre Steuerwettbewerb. Ein besonderes Augenmerk wird Steuerlast verringern. dabei auf die Auswirkungen auf sogenannte Entwick- Diese Studie widmet sich solchen Wechselwirkun- lungsländer gelegt.3 gen, den sogenannten Spillover-Effekten, in der Unter- 2 Vgl. IBFD (2015) und Christian Aid Ireland (2017), die beide das irische Steuersystem analysieren. 3 Der Begriff Entwicklungsland umfasst in dieser Arbeit low-income, lower middle-income und upper middle-income countries nach der Definiti- on der Weltbank (World Bank, n.a.).
DIE AUSWIRKUNGEN DES ÖSTERREICHISCHEN STEUERSYSTEMS AUF SOGENANNTE ENTWICKLUNGSLÄNDER 11 VERSCHIEDENE ARTEN VON SPILLOVER- EFFEKTEN UND DIE ROLLE DES STEUERWETTBEWERBS Der Begriff des steuerlichen Spillover-Effekts wird im lover-Effekte können ihren Ursprung aber auch in inter- Folgenden in einer breiten Bedeutung verwendet: Ein nationalen Initiativen, die Staaten zu bestimmten steu- Spillover-Effekt ist jede Auswirkung, die eine steuerliche erpolitischen Maßnahmen bewegen wollen, haben. Maßnahme eines Staates bzw. einer Jurisdiktion auf das Dabei wird im Besonderen auf Netzwerkeffekte gesetzt, Steueraufkommen in einem anderen Staat bzw. einer sodass ab einem bestimmten Ausmaß der Adaptierung anderen Jurisdiktion hat. Dabei wird üblicherweise in eines Standards eine Sogwirkung auf Staaten entsteht, Spillover-Effekte der Bemessungsgrundlage und in stra- die bisher nicht beteiligt waren. tegische Spillover-Effekte unterschieden (IMF, 2014). Zwei Staaten, Irland (IBFD, 2015) und die Nieder- lande (IOB, 2013), haben in den vergangenen Jahren Spillover-Effekte der Bemessungsgrundlage bewir- versucht, Spillover-Effekte ihrer Steuerpolitik zu ana- ken, dass sich die Bemessungsgrundlage in einem an- lysieren. Dabei ist es wohl kein Zufall, dass in der Ver- deren Staat verändert; das kann sowohl durch reale als gangenheit beide Staaten für ihre Steuerpolitik interna- auch durch künstliche Gestaltungen erfolgen (darunter tional stark kritisiert wurden und ihnen mitunter eine fällt das sog. profit shifting, also das steuerlich motivier- aggressive Positionierung im internationalen Steuer- te Verschieben von Gewinnen). wettbewerb vorgeworfen wurde. Dies betraf sowohl die Gestaltung ihres nationalen Steuerrechts als auch ihre BOX 1 internationale Abkommenspolitik. Während die Studie über Irland zu dem Ergebnis kommt, dass Spillover-Ef- EIN BEISPIEL FÜR EINEN SPILL fekte, die im irischen Steuerrecht begründet sind, nicht OVER-EFFEKT DER BEMESSUNGS zu signifikanten Verminderungen des Steueraufkom- GRUNDLAGE mens anderer Staaten führen (Christian Aid Ireland, Konzern X ist in den Ländern A und B durch Tochter 2018) kommt die Studie zu den Niederlanden zu einem gesellschaften vertreten. Beide Tochtergesellschaf differenzierteren Ergebnis und sieht durchaus negative ten üben auch zahlreiche konzerninterne Funktionen Effekte, die sich insbesondere aus der Quellensteuer- aus und versteuern daraus resultierende Gewinne reduktion in manchen Doppelbesteuerungsabkommen in diesen Ländern. Eine Steuersenkung in Land B be ergeben. wirkt, dass solche Funktionen (wie etwa Versiche Die Wechselwirkungen zwischen nationalen Steuer- rungstätigkeiten oder konzerninterne Finanzierun systemen wurden auch vom Internationalen Währungs- gen) in der Tochtergesellschaft in Land A reduziert fonds (IWF) in zwei Publikationen (IMF 2014; IMF 2019) und von Gesellschaften in Land B wahrgenommen eingehend analysiert, bei denen großes Augenmerk werden. Daraus folgt, dass sich die Gewinne (und auf die Quantifizierung der Effekte gelegt wurde. Dabei Ertragssteuern) in Land B vergrößern und in Land A kommt der IWF zu dem Resultat, dass es im gegenwär- verringern. tigen internationalen Steuerregime zu einer Vielzahl an Spillover-Effekten kommt, die insbesondere auf so- genannte Entwicklungsländer negative Auswirkungen Strategische Spillover-Effekte bewirken eine Verän- haben. Dem stellt der IWF alternative Steuerregime derung im Steuerrecht eines anderen Staates. Führt die entgegen, ohne jedoch eine konkrete Alternative zu Einführung einer steuerlichen Begünstigung oder die empfehlen. Herabsetzung des nominellen Steuersatzes in einem In Zivilgesellschaft und Wissenschaft werden steuer- Staat zu gleichen oder ähnlichen Maßnahmen in einem liche Spillover-Effekte aktuell ebenfalls untersucht (Ba- anderen Staat, spricht man vom ‚race to the bottom‘ ker/Murphy, 2019; Hearson, 2015). Zielsetzungen und (vgl. Clausing/Saez/Zucman, 2020)). Strategische Spil- Ergebnisse unterscheiden sich zwischen Forscher*in-
12 nen beziehungsweise Institutionen naturgemäß sehr werb nicht fair geführt, kann er zu hohen Verlusten an stark. Während es in der Wissenschaft durchaus Stim- Steuereinnahmen führen, worunter besonders wirt- men gibt, die das gegenwärtige System als zukunfts- schaftlich und politisch schwache Länder leiden. Die fähig erachten und dabei Spillover-Effekte und den Grenze der Akzeptanz von Steuerwettbewerb liegt dort, Steuerwettbewerb positiv sehen, kommen andere Wis- wo Maßnahmen gesetzt werden, durch die Steuer- senschaftler*innen zu dem Ergebnis, dass das gegen- hinterziehung oder Steuervermeidung in einem ande- wärtige System zu nicht akzeptablen Verwerfungen ren Staat unterstützt werden, beispielsweise durch ei- zwischen Staaten führt und daher einer grundlegenden nen mangelnden steuerlichen Informationsaustausch. Reform zu unterziehen ist. In der zweiten Gruppe der Schädliche Auswirkungen haben auch Steuerregime, Wissenschaftler*innen spielt dabei der Gedanke der die sich ausschließlich an ausländische Steuerzahler*in- globalen Fairness eine große Rolle, während dieser As- nen richten und diesen günstige steuerrechtliche Rege- pekt von der ersten Gruppe eher ausgeblendet wird. lungen anbieten, ohne auf realwirtschaftliche Vorgänge Ein wesentlicher Strang der Forschung beschäftigt sich ausgerichtet zu sein. mit der Quantifizierung von Effekten (u.a. U.a. Boly/ Aktuell gibt es zahlreiche internationale Initiativen5, Coulibaly/Kere, 2019). Dem liegt der Gedanke zugrunde, die darauf abzielen, Spillover-Effekte zu regulieren. dass steuerpolitische Entscheidungen erst auf Basis Durch Kooperation und die Etablierung von globalen konkreter Zahlen sinnvoll getroffen werden können. rechtlichen Standards sollen Staaten in ihrer Steuerge- Aufbauend auf den wissenschaftlichen Ergebnissen setzgebung so beeinflusst werden, dass es Unterneh- wird das Thema der Spillover-Effekte auch von zivilge- men erschwert oder verunmöglicht wird, Unterschie- sellschaftlichen Gruppen aufgegriffen; dabei sind insbe- de zwischen nationalen Steuersystemen auszunutzen, sondere solche Organisationen4 zu nennen, die sich der um ihre Steuerlast (künstlich) zu verringern. Zum einen internationalen Transparenz und der Verminderung der liegt diesen globalen Standards der ökonomische Ge- globalen Ungleichheit verschrieben haben. danke zugrunde, dass wirtschaftliche Entscheidungen Spillover-Effekte entstehen zwangsläufig aus dem am besten unabhängig von steuerrechtlichen Überle- Zusammenspiel einer zunehmend globalisierten Wirt- gungen getroffen werden sollen, da so eine optimale schaft mit nationalen Steuerrechtsordnungen. Maß- und effiziente Ressourcenallokation erzielt wird.6 Zum nahmen, die zu Spillover-Effekten führen, sind nicht ge- anderen sollen Staaten vor dem Verlust von Steuerauf- nerell geächtet. Ein besonders effektives Steuersystem kommen, das für die Erfüllung grundlegender staatli- mit einem hohen Grad an Rechtssicherheit wird auch cher Aufgaben erforderlich ist, geschützt werden. von Unternehmen als attraktiv wahrgenommen. Dies Vor diesem Hintergrund kann auch zwischen posi hat das Auswirkungen auf andere Staaten, die dann tiven und negativen Spillover-Effekten unterschieden entweder ähnliche Maßnahmen setzen oder Steuerauf- werden. Die Bewertung wird je nach Wertemaßstab kommen verlieren können. Diese Dynamik wird auch als und den betroffenen Interessen der jeweiligen Beob- Steuerwettbewerb bezeichnet. Steuerwettbewerb wird achter*innen unterschiedlich ausfallen. Eine objekti- von vielen Staaten und Institutionen nicht grundsätzlich vierte Bewertung könnte dadurch erfolgen, dass Spil- in Frage gestellt. Er kann dazu führen, dass nationale lover-Effekte, die in der Gesamtbetrachtung zu mehr Steuersysteme effizienter werden und Steuerzahler*in- Steuereinnahmen führen, als positiv und solche, die nen ein höchstmögliches Maß an Rechtssicherheit ge- zu einer Reduktion des Steueraufkommens führen, als währt wird. Im internationalen Kontext setzt dies aber negativ bewertet werden.7 Spillover-Effekte sind glo- voraus, dass die staatlichen Akteure eine vergleichbare bal betrachtet jedenfalls kein Nullsummenspiel, d. h. (politische und wirtschaftliche) Stärke haben und den sie führen zu einer Verkleinerung oder Vergrößerung Steuerwettbewerb fair führen. Gibt es dieses Gleich- des globalen Steueraufkommens. Insbesondere das gewicht der Akteure nicht und wird der Steuerwettbe- Senken des Steuersatzes in Verbindung mit Steuermo- 4 U.a. Tax Justice Network, Christian Aid, Transparency International. 5 Auf die einzelnen Initiativen wird im Kapitel ‚Internationale Diskussion‘ noch eingegangen. 6 Allokationseffizienz und Entscheidungsneutralität von Steuern; siehe auch Nicodème (2009). 7 Die Frage nach der optimalen Höhe eines Steuersatzes kann auch im Hinblick auf ihren Effekt auf ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum ge- stellt werden. Diesem Aspekt geht die Studie nicht nach.
DIE AUSWIRKUNGEN DES ÖSTERREICHISCHEN STEUERSYSTEMS AUF SOGENANNTE ENTWICKLUNGSLÄNDER 13 dellen für ausländische Unternehmen wird als negativ realwirtschaftlicher Aktivität ist damit nicht unbedingt wahrgenommen und ist ausführlich wissenschaftlich verbunden. Die Verletzung von steuer- und strafrechtli- untersucht.8 Wenn Gewinne in ein Niedrigsteuerland chen Vorgaben in anderen Staaten wird dabei mitunter verschoben werden, lässt sich dieser Effekt leicht er- in Kauf genommen. Eine wirkungsvolle Kontrolle steu- kennen. erlicher und anderer regulatorischer Vorgaben wäre wegen oft unzureichend funktionsfähiger Institutionen BOX 2 mitunter auch gar nicht möglich. Die Anzahl an Steu- eroasen, die diese strenge Definition erfüllen, nimmt SPILLOVER-EFFEKTE DURCH SEN ab; insbesondere in der vergangenen Dekade nach Ein- KUNG DES STEUERSATZES UND SON führung eines einheitlichen Standards zum Informati- DERMODELLEN FÜR AUSLÄNDISCHE onsaustausch.10 Die Rolle der Steueroasen wird zuneh- UNTERNEHMEN mend von sogenannten Offshore Finanzcentern (OFC) Land A führt einen extrem niedrigen Sondersteuer (Zaromé, 2007) übernommen. Diese Staaten haben satz für Einkünfte aus bestimmten Kapitalanlagen wie Steueroasen ein extrem niedriges Steuerniveau, ein. Konzern X verlegt daraufhin die Konzernfunktion verpflichten sich aber meist zur Umsetzung internatio- der Finanzierung von Land B (wo die Erträge einer naler Transparenzstandards. Die Bezeichnungen Steu- regulären Besteuerung unterliegen) nach Land A. eroasen/Offshore Finanzcenter werden mitunter auch Die Maßnahme in Staat A hat somit eine Auswir synonym verwendet – nach Ansicht des Autors liegt der kung auf die Höhe der steuerpflichtigen Gewinne in Unterschied typischerweise in der Bereitschaft zur in- Land B, es gibt also einen Spillover-Effekt. Die Ge ternationalen Kooperation, die bei vielen OFCs grund- samtsteuerlast, die der Konzern zu tragen hat, ist sätzlich gegeben ist, bei klassischen Steueroasen aber nach Verschiebung der Funktion geringer als zuvor. nicht. OFCs wird mitunter vorgeworfen, die Einhaltung internationaler Standards zur Transparenz nur vorder- gründig zu vertreten, an deren substantieller Umset- Führt ein Spillover-Effekt zur Verkleinerung des Steu- zung aber kein Interesse zu haben (sog. mock complian- eraufkommens in einem Entwicklungsland, das ohne- ce, siehe Woodward, 2016). hin nicht über ausreichende Ressourcen zur Erfüllung Das niedrige Steuerniveau in OFCs ist meist ausrei- seiner staatlichen Aufgaben verfügt, so ist dies ein chend, um ihre staatlichen Aufgaben zu finanzieren, da besonders schädlicher Effekt, der den internationalen durch die Niedrigbesteuerung Gewinne aus anderen Entwicklungszielen (Sustainable Development Goals, Staaten verschoben werden, und so in absoluten Zah- SDGs9) widerspricht. len meist das erforderliche Ausmaß an Steuereinnah- men generiert werden kann. Diese Finanzcenter sind Steuerwettbewerb und an den hohen Auslandsinvestitionen (inbound und out- bound) im Verhältnis zu ihrem BIP zu erkennen. (IMF, Steueroasen/Offshore Finanzcenter 2017) Gerade solche Modelle staatlichen Handelns Ein typisches Beispiel für die bewusste, extreme Nut- bewirken, dass es sich bei Spillover-Effekten nicht um zung von Spillover-Effekten im internationalen Steuer- ein Nullsummenspiel handelt, sondern dass das globa- wettbewerb sind sogenannte Steueroasen. Das sind le Steueraufkommen insgesamt vermindert wird. (IMF, Länder mit einem äußerst niedrigen Steuerniveau bei 2014, para 18) gleichzeitig mangelhafter Transparenz (vgl. Tax Justice Network, 2007; Farny et al., 2015), die sich strategisch ganz bewusst so positionieren, dass sie Steuersubst- rat aus anderen Staaten abwerben. Eine Ankurbelung 8 Vgl. IMF (2014), para 25 mit dem Verweis auf andere Studien, wonach eine Reduktion des Steuersatzes in einem Land um 1 Prozent zu einer Reduktion des Steuersatzes in anderen Ländern um 0,7 Prozent führt. 9 Eine Auflistung findet sich unter https://sdgs.un.org/goals. 10 Im Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes sind auch zahlreiche Niedrigsteuerländer Mitglied (OECD 2020a); vgl. dazu auch die Liste der nicht-kooperativen Staaten der EU (EU, 2020).
14 Steuer Incentives Steuer Incentives werden zu unterschiedlichen wirt- schaftspolitischen Zielen eingesetzt. Ihr Zweck ist es Ein weiteres Instrument im Steuerwettbewerb sind meist, Neuansiedlungen in einem bestimmten Land zu sogenannte Steuer Incentives oder Steuerprivilegien. unterstützen bzw. bestimmte wirtschaftliche Tätigkei- Dabei werden einer bestimmten Gruppe von Steuer- ten zu forcieren, die als besonders förderungswürdig pflichtigen oder bestimmten Arten von Gewinnen steu- eingestuft werden. erliche Vergünstigungen eingeräumt. Typische Beispiele Steuer Incentives gehören zu den in der internatio- sind Patentboxen, bei denen Einkünfte aus immateriel- nalen Diskussion besonders umstrittenen Instrumen- len Wirtschaftsgütern besonders günstig besteuert wer- ten, da sie zu zahlreichen negativen Effekten führen den, oder Sonderwirtschaftszonen, bei der eine Gruppe können. Diese negativen Effekte können nicht nur über von Steuerpflichtigen aufgrund bestimmter Faktoren11 Spillover-Effekte auf andere Länder wirken, sondern von der restlichen Wirtschaft abgegrenzt (ring-fencing) auch im Ursprungsland selbst eintreten. Die Plattform und dann niedrig oder gar nicht besteuert wird. zur Kollaboration in Angelegenheiten des internationa- len Steuerrechts (PCT), eine Kooperationsplattform von BOX 3 den Vereinten Nationen, OECD, IMF und der Weltbank Gruppe, hat bereits 2015 ein Toolkit (PCT, 2015) zu die- EIN BEISPIEL FÜR DIE GEWÄHRUNG sem Thema veröffentlicht, der sich insbesondere auch VON STEUER INCENTIVES an politische Entscheidungsträger*innen in sogenann- Staat A will den kapitalintensiven Abbau eines Roh ten Entwicklungsländern richtet. Darin wird zu einem stoffes fördern. Da kein inländisches Unternehmen vorsichtigen und überlegten Einsatz von Steuer Incen- in A über das entsprechende Know-how und Kapital tives aufgerufen und die Notwendigkeit einer systema- verfügt, wird eine steuerrechtliche Sonderbestim tischen Analyse der tatsächlichen Effekte von Steuer In- mung eingeführt: Ausländische Unternehmen, die centives hervorgehoben. sich in A neu ansiedeln um den Rohstoff abzubauen, die aber in keinem anderen Wirtschaftszweig tätig sind, werden während der ersten drei Jahre ihrer Tä tigkeit von der Ertragsbesteuerung in A befreit. 11 Meist, weil sie keinen substantiellen Bezug zum Land haben.
DIE AUSWIRKUNGEN DES ÖSTERREICHISCHEN STEUERSYSTEMS AUF SOGENANNTE ENTWICKLUNGSLÄNDER 15 REFORMBESTREBUNGEN IM INTERNATIONALEN STEUERRECHT Das internationale Steuerrecht besteht im Wesentli- erwünschte Folgen – wie etwa Gewinnverschiebungen chen aus zwei Säulen: in Niedrigsteuerländer, die künstliche Verminderung 1.) dem nationalen Außensteuerrecht. Das ist die Sum- der Steuerbemessungsgrundlage oder eine übermäßi- me aller innerstaatlichen Rechtsnormen, die sich ge Absenkung der nominellen Steuersätze – unterblei- mit der Besteuerung von grenzüberschreitenden ben. In weiterer Folge sollte eine solche Reform aktuel- Sachverhalten beschäftigen. Darunter fallen die le Veränderungen wie die beschleunigte Globalisierung Definition der Steuerpflicht, die Verankerung des und Digitalisierung der Wirtschaft, aber auch die globa- Fremdvergleichsgrundsatzes in der Bewertung kon- le Ungleichheit (sowohl zwischen Staaten als auch zwi- zerninterner Transaktionen (Verrechnungspreise), schen Individuen) aufgreifen. Bestimmungen zur Abzugsfähigkeit von Zinszahlun- Zunächst führte diese Entwicklung 2009 zur Imple- gen ins Ausland, Quellensteuern, etc. mentierung eines einheitlichen, verpflichtenden Stan- 2.) den internationalen Doppelbesteuerungsabkom- dards zum internationalen Austausch von Steuerinfor- men. Das sind völkerrechtliche Vereinbarungen mationen und zur Gründung des Global Forum (Global zwischen Staaten, in denen diese gegenseitig auf Forum on Transparency and Exchange of Information Besteuerungsrechte verzichten, um die Besteu- for Tax Purposes), dessen Aufgabe es ist, die Einhaltung erungsrechte insgesamt aufzuteilen. Dabei steht dieses Standards zu gewährleisten. auf einer Seite der Quellenstaat (also der Staat mit Zwischen 2013 und 2015 folgte das BEPS (Base Ero- einem territorialen Konnex zur Einkommensgewin- sion and Profit Shifting) Projekt, eine Initiative, die nung) und auf der anderen der Ansässigkeitsstaat, von den G20 Staaten initiiert wurde und größtenteils zu dem der/die Steuerzahlende eine persönliche durch Expert*innen der OECD umgesetzt wurde. Ziel Verbindung12 hat. Bei der Unternehmensbesteu- der Initiative war es, die (künstliche) Verschiebung erung kommt in den Doppelbesteuerungsabkom- von Gewinnen und die Erosion der Steuersubstanz men der Betriebsstätte große Bedeutung zu. Erst zu reglementieren und zu limitieren. Damit werden wenn eine Betriebsstätte begründet wird, ver- sowohl strategische Spillover-Effekte als auch solche schiebt sich das Recht, die unternehmerischen Ge- zur Bemessungsgrundlage direkt angesprochen. Eine winne zu besteuern, vom Ansässigkeitsstaat in den Reform der grundlegenden Prinzipien der Unterneh- Quellenstaat. mensbesteuerung wurde dabei aber nicht in Angriff genommen, sondern nach entsprechenden anfängli- In den vergangenen Jahren wurde von politischen chen Überlegungen verworfen. Damit blieb das System Entscheidungsträger*innen erkannt, dass dieses Sys- der Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen Quel- tem unerwünschte Spillover-Effekte begünstigt. Im Be- len- und Ansässigkeitsstaat, wie es in Doppelbesteue- sonderen dann, wenn multinationale Unternehmen rungsabkommen vorgesehen ist, erhalten. Ebenso un- das System proaktiv nutzen, um Steuerleistungen zu angetastet blieb der Fremdvergleichsgrundsatz in der planen und zu minimieren. Ein entsprechend erkannter Ermittlung konzerninterner Verrechnungspreise. Reformbedarf mündete unmittelbar nach der Finanz- Die BEPS-Initiative hat mit Sicherheit einen Beitrag krise 2007/2008 in erste Initiativen, die im Folgenden zur Vermeidung negativer Spillover-Effekte geleistet. kurz dargestellt werden. Ziel der Reformen war es, Spil- Indem sie beispielsweise in ihrer Arbeit zu Harmful lover-Effekte zu steuern und zu regulieren, sodass un- Tax Practices (OECD, 2015a) einen Minimalstandard13 12 Bei natürlichen Personen ist der Wohnsitz Ausdruck dieses persönlichen Bezuges, bei Körperschaften der Sitz der Gesellschaft bzw. der Ort der Geschäftsleitung. 13 Als ‚Minimum Standard‘ werden jene Ergebnisse der BEPS-Initiative bezeichnet zu deren Umsetzung sich alle teilnehmenden Länder verpflich- tet haben. Nur vier der 15 Aktionspunkte wurden mit einem ‚Minimum Standard‘ abgeschlossen (Harmful Tax Practices, Tax Treaty Abuse, Transfer Pricing Documentation, Dispute Resolution).
16 für solche Steuerregime etablierte und dessen Einhal- len Steuerarchitektur gefunden werden kann, bleibt tung einem Peer Review Prozess unterstellt hat, wird abzuwarten. es Ländern erschwert über solche Sondersteuerregime schädliche Spillover-Effekte zu generieren. In anderen Gelingt es im Rahmen dieser Prozesse, einen breiten Bereichen, wie der Frage der Abzugsfähigkeit von Zin- internationalen Konsens über die Neugestaltung des saufwendungen (OECD 2017a), wurden zwar Vorschlä- internationalen Steuerrechts zu finden und wird dieser ge erarbeitet, die entsprechenden Ergebnisse sind aber Konsens kohärent umgesetzt, würde dies Spillover-Ef- nicht bindend und wurden daher nur von einer kleinen fekte stark einschränken. Ein globales Verständnis einer Gruppe an Staaten umgesetzt. Die Wirkung auf negati- Minimalbesteuerung, wie es in aktuellen Entwürfen ve Spillover-Effekte ist insoweit geringer. Kritisiert wur- (OECD, 2020b) vorgesehen ist, würde beispielsweise de an der BEPS-Initiative oft die Komplexität der Ergeb- die Möglichkeit stark verringern, Spillover-Effekte über nisse. Diese Komplexität wirkt sich zwar nicht direkt auf die Höhe des Steuersatzes zu generieren. Entscheidend das Entstehen von Spillover-Effekten aus, dort wo sie ist aber die Frage, inwieweit ein solcher breiter inter- aber dazu führt, dass Standards nicht einheitlich um- nationaler Konsens gefunden werden kann. Die USA gesetzt werden können, bleiben Optionen für negative als besonders wichtiger Akteur, waren zuletzt unter der Spillover-Effekte erhalten. Trump-Administration sehr zurückhaltend15, inwieweit Im Anschluss an die BEPS-Initiative – und hervorge- sich das unter der Biden-Administration ändert, bleibt rufen durch den Vorwurf der Nichteinbindung vieler abzuwarten. Länder – wurde 2016 das Inclusive Framework on BEPS Als Reaktion auf die Arbeit der OECD zu BEPS hat (IF)14 gegründet, das sich die Umsetzung und Weiter- schließlich auch die EU ihre Bemühungen verstärkt, entwicklung der BEPS-Standards sowie die Erarbeitung unerwünschte unternehmerische Verhaltensweisen von Lösungsvorschlägen zur Besteuerung der digitali- wie Profit Shifting oder Base Erosion zu reglementie- sierten Wirtschaft, die in der BEPS-Initiative nicht mehr ren und ihren Mitgliedsstaaten einen entsprechenden bearbeitet wurden, zur Aufgabe gemacht hat. Das IF rechtlichen Handlungsrahmen vorzugeben. Die EU ver- steht nicht nur OECD-Mitgliedsstaaten und den G20 of- folgt dabei das vorrangige Ziel, einen funktionierenden fen. Es umfasst derzeit mehr als 130 Länder und zahlrei- Binnenmarkt zu gewährleisten. Der Steuerwettbewerb che Beobachterorganisationen und ermöglicht dadurch zwischen den Mitgliedsstaaten soll reguliert und li- eine wesentlich breitere Diskussion als es während der mitiert werden, aber grundsätzlich weiter bestehen. BEPS-Initiative der Fall war. Einerseits wird insoweit weiterhin auf der Arbeit der Die Debatte zur Besteuerung der digitalisierten Wirt- Code of Conduct (CoC)16 Gruppe aufgebaut, anderer- schaft, die zu einem großen Teil im Rahmen des Inclusi- seits wurde den Mitgliedsstaaten aber durch die Anti ve Frameworks stattfindet, ist letztlich eine Weiterfüh- Tax Avoidance Richtlinien I und II (ATAD) (EU, 2016a; rung der BEPS-Initiative. Anders als bei der BEPS-Initia- EU 2017) auch ein verpflichtender rechtlicher Rah- tive gehen die Reformüberlegungen jedoch wesentlich men vorgegeben. In einem weiteren Arbeitsstrang wird weiter, nämlich so weit, dass der Fremdvergleichs- das Projekt der Gemeinsamen, konsolidierten Körper- grundsatz nicht mehr als einziges Kriterium der inter- schaftssteuer-Basis (Common Consolidated Corporate nationalen Gewinnaufteilung in Unternehmensgruppen Tax Base, CCCTB) weiterverfolgt. Ziel dieses Projektes angewendet werden soll. Auch soll abgegangen werden ist, die Gewinnermittlung von Konzernen innerhalb vom bis dahin unumstrittenen Konzept der Betriebs- Europas zu vereinheitlichen und diese in der EU erziel- stätte als entscheidendem Anknüpfungspunkt für die ten Gewinne nach einer noch festzulegenden Formel Besteuerung von Unternehmensgewinnen im Quel- auf die Mitgliedsstaaten aufzuteilen. Die konzerninter- lenstaat. Inwieweit aber tatsächlich ein internationaler ne Verrechnungspreisgestaltung nach dem Grundsatz Konsens zur fundamentalen Neugestaltung der globa- des Fremdvergleichs wäre damit innerhalb Europas 14 Mitglieder des IF müssen einen Mitgliedsbeitrag leisten, im Rahmen der BEPS-Initiative definierte Mindeststandards sollen im IF nicht mehr geändert werden, siehe https://www.oecd.org/tax/beps/beps-about.htm/. 15 Siehe dazu den Briefwechsel zwischen Mnuchin (USA) und Gurria (OECD) im Dezember 2019 (Franck, 2019). 16 Die Code of Conduct Gruppe wurde 1997 zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gegründet, um schädlichen Steuerwettbe- werb innerhalb Europas zu verhindern. Die Gruppe kann keine rechtlich verbindlichen Maßnahmen setzten, hat aber eine große politische Wirkung: https://www.consilium.europa.eu/de/council-eu/preparatory-bodies/code-conduct-group /.
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