The Citi-Betriebsrat never sleeps

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The Citi-Betriebsrat
  never Die Betriebsratstruppe der
        Citifinanzberatung in Bochum hat

 sleeps den Beweis angetreten, daß eine
        mediale und literarische Kultur mit
        Expertentum in Sachen Mitbestim-
        mung keineswegs inkompatibel ist.
        Im tariffreien Raum einer Telefon-
        bank haben die jungen Betriebs-
        räte beachtliche soziale Standards
        herausgehandelt und erstritten.
        Dabei zeigt sich, welche harte
        Konfliktlinien zwischen Betriebsrat
        und Arbeitgeber entstehen, wenn
        der regulierende Rahmen des
        Flächentarifes fehlt.
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The Citi-Betriebsrat never sleeps

                             »Guten Tag, Citibank, was kann ich für Sie     ■ Überschüssige Fähigkeiten
                             tun?« Dem Kunden, der eine »Telefonban-
                             kerin« an der Strippe hat, kann es egal        Mittagspause im Betriebsratsbüro: Zwei der
                             sein, in welchem anonymen Großraumbüro         neun Betriebsräte debattieren darüber, wie
                             die fließbandarbeitenden Telefonisten          sich Formen der dramatischen Existenz in
                             sitzen. Auf jeden Fall sind sie auch noch in   den Stücken von Harold Pinter und Samuel
                             den Werbeblöcken der Harald-Schmidt-           Beckett unterscheiden – Metatextualität
                             Show an- und abrufbereit – etwa um die         also. Über den Schreibtisch gebeugt,
                             mehrfach angemahnte Überweisung an             erkundigt sich eine junge Frau: »Wißt Ihr
                             den Otto-Versand zu tätigen. Selbst um         zufällig, in welchem amerikanischen Film
                             zwei Uhr nachts, wenn der Telekomtarif         das Brandenburger Tor mehrfach in der
                             geviertelt wird, könnte angefragt werden,      Totale auftaucht? Ich brauch' das für ein
                             ob der Kontostand ausreicht, um noch die       Ratespiel im Internet.«
                             nächste Kneipenrunde zu schmeißen.                 Fragen an eine nicht nur ›Arbeit und
                                 In der 7 x 24 Stunden-Citibank-Woche       Recht‹ oder das Betriebsverfassungsgesetz
                             sind nun auch in Bochum die 500 teilzeitar-    hoch und runter interpretierende Beleg-
                             beitenden Telefonisten der Citifinanzbera-     schaftsvertretung. Ein Gruppenbild dieser
                             tung in Aktion. An der Königsallee geht das    Betriebsratstruppe könnte genauso glaub-
                             Licht nie aus – in jenem ehrwürdigen Back-     würdig den Allgemeinen Studentenaus-
                             steinbau, der von stolzer Altindustrie auf     schuß oder die Mitstreiter der neuesten
                             neue Discount-Dienstleistung strukturge-       Greenpeace-Kampagne darstellen. Aber
                             wandelt wurde.                                 nein: Hier posiert die Betriebsratsliste der
                                                                            Gewerkschaft Handel, Banken und Ver-
                                                                            sicherungen (HBV) in der Citifinanzbera-
                                                                            tung. Womit bewiesen wäre, daß eine
                                                                            mediale und literarische Kultur mit Exper-
                                                                            tentum in Sachen Mitbestimmung keines-
                                                                            wegs inkompatibel ist.
                                                                                Als billige, aber hochkompetente stu-
                                                                            dentische Arbeitskräfte sind sie angewor-
                                                                            ben worden, als die weltweit agierende
                                                                            amerikanische Citibank Anfang der neun-
                                                                            ziger Jahre in Deutschland das Telefonban-
                                                                            king implantierte. Und mit all ihren über-
                                                                            schüssigen Fähigkeiten, die an den Lehr-
                                                                            stühlen – wie auch danach – zu vergam-
                                                                            meln drohen, sind einige von ihnen
                                                                            Betriebsratsprofis geworden.

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The Citi-Betriebsrat never sleeps

»Bei mir war es die reinste Lust, etwas
Sinnvolles umzusetzen«, bekundet Bern-
hard Raestrup, einer aus der politisch sehr      Engagement im
aktiven 91er Betriebsrats-Gründergenera-
                                                 allgemeinen und
tion. Der Fight um bessere Löhne und
Arbeitsbedingungen wurde unter der Hand          Betriebsratsarbeit
zum Praxisteil seines Studiums der Indu-
                                                 im besonderen
strie- und Betriebssoziologie.
     Heute gehören mit dazu: Hannes              kann Spaß
Oberlindober (Künstlername H2O), ein an
                                                 machen: Hannes
den jungen Foucault erinnernder Kahlkopf,
der sich unübersehbar in der Betriebsöf-         Oberlindober,
fentlichkeit positioniert: Indem er für          Claudia Beutner,
Betriebsversammlungen Reden schreibt
und eine der umfänglichsten Betriebsrats-        Markus Nagel
zeitungen in diesem Lande produziert – für       (von oben)
ein Publikum von 500 Teilzeitjobbern.
     H2O hat erst Mathematik und Philoso-
phie, später Sprachwissenschaften studiert
und an der Uni gearbeitet, »bis ich so
gründlich die Nase voll hatte«, daß nun-
mehr die 700-Seiten Doktorarbeit im
Computer zwischen- oder endlagert.
Claudia Beutner, 28 Jahre, macht gerade
ihren Magister in Theaterwissenschaft, was
nicht heißt, daß sie ihrem Teilzeitarbeit-
geber Citibank den Rücken kehren wird.
»So kann ich meinen Lebensunterhalt
bestreiten, mich angstfrei bewerben und
davon ausgehen, ich krieg sowieso keinen
Job«.
     Dagegen hat der derzeitige Betriebs-
ratsvorsitzende Markus Nagel, ein schlack-
siger Lockenkopf mit Designerbrille, seit
zwei Jahren keinen Hörsaal mehr betreten,
sondern ist »Fulltime-Betriebsrat« gewor-
den. Denn was ist wichtiger? Die vier vom
Arbeitgeber just gekündigten Betriebs-
vereinbarungen neu zu verhandeln oder
eine Vorlesung in Kommunikationswissen-
schaft zu besuchen? Nicht zu vergessen
den Jura-Studenten aus dem neunköpfigen
Betriebsrat, der bei Arbeitgeber-Verhand-
lungen schon mal den beruflichen Ernstfall
probt.

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The Citi-Betriebsrat never sleeps

                             ■ Am Fließband einer Discountbank

                             Mit messerscharfem Sarkasmus karikieren
                             die jungen Betriebsräte in ihrer Zeitschrift
                             »CitiBETRIEBSbeRATung« Werbe- und
                             Kundenwirklichkeit ihres Arbeitgebers.
                             Während die Werbefiguren kreditfinanziert
                             in vollen Zügen genießen, werden die
                             »Cititelefonbanker« tags und vor allem
                             nachts Zeugen häuslicher Tragödien und
                             trostloser Kontostände. Telefonbanking ist
                             auch Telefonseelsorge. »Wir sind ein
                             Cyberspace Emergency-Room«, gibt
 Ein paar Tage Ein-
                             Hannes Oberlindober eine Probe seiner
 arbeitung, dann             Formulierungslust.
                                 Man gewinnt den Eindruck: Die Banken
 ist man oder frau
                             haben die krasser werdende bundesrepu-
 ein neuzeitlicher           blikanische Spaltung in arm und reich
 Citibanker.                 längst zur Geschäftspolitik gemacht. Auto-
                             maten, Telefonservice oder Homebanking
                             für die Standard- und Mengenkunden;
                             qualifizierte Anlagenberatung und Betreu-
                             ung in Filialen mit Edelausstattung für die
                             Besserverdienenden und Vermögenden.
                                 Die amerikanische Citibank war Vor-
                             reiter im Direkt- und Telefonbanking –
                             orientiert an deren Erfolg haben viele
                             nachgezogen: Derzeit liefern sich verschie-
                             dene Großbankenableger einen harten und
                             verlustbringenden Werbewettkampf um
                             Kunden. An Arbeitsplätzen sind vor allem
                             Mc Jobs für Studenten und Dazuverdiener
                             entstanden. Ein paar Tage Einarbeitung,
                             dann ist man oder frau ein neuzeitlicher
                             »Citibanker« – oder besser: ein Telefonist
                             für Kontostände und Scheckversand. Und
                             das für einen Grund- und Stundenlohn von
                             rund 14 Mark.
                                 Anders als in der Industrie, wo in vielen
                             Bereichen reduzierte Monotonie durch
                             Gruppenarbeit ersetzt werden konnte, ist in
                             den EDV-gesteuerten Bankbereichen die
                             taylorisierte Fließbandarbeit auf dem Vor-
                             marsch. Nicht zuletzt »war es diese Ver-
                             schleißarbeit, bei der man als Mensch wie
                             eine biologische Schnittstelle am Tropf         nach einem halben Jahr merkten sie die
                             hängt«, die den Betriebsrat motivierte,         Belastungen und nach einem weiteren
                             bezahlte Pausenregelungen und bessere           halben Jahr waren sie für Arbeitsschutz und
                             Entlohnung durchzuboxen, berichtet              andere gewerkschaftliche Themen
                 94          Bernhard Raestrup. »Am Anfang fanden            ansprechbar.«
                             die studentischen Arbeitnehmer alles super,
The Citi-Betriebsrat never sleeps

■ Tariffrei ist nicht mitbestimmungsfrei       Holz den Pionieren Anerkennung. Als kon-
                                               fliktfähig erlebt er sie und als hoch enga-
Citibank und andere Discountbanken             giert im Ausreizen betriebsverfassungs-
wurden mit voller Absicht außerhalb von        rechtlicher Möglichkeiten.
Arbeitgeberverbänden und Rahmentarif-
verträgen angesiedelt. Desto wichtiger ist     ■ Jenseits von Karriereinteressen
in diesen tariffreien Zonen die Existenz von
Betriebsräten, desto wichtiger sind deren      Wir sitzen im ›Madrid‹, könnten aber
Betriebsvereinbarungen, die vor allem es       genausogut im ›Tucholsky‹ oder im ›Inter-
vermögen, soziale Standards zu etablieren.     shop‹ gelandet sein, dort wo sich der Citi-
    Die weltweit agierende Citibank hatte      bank-Mikrokosmos in die Bochumer
den Standort Bochum mit einem Reservoir        Kneipenszene hinein verlängert. Ein ehe-
von 50 000 Studenten mit Bedacht ge-           maliger Betriebsrats-Kollege läuft in die
                                                                                                 Das Management
wählt: Dazu kommen junge Leute aus             Stammkneipe ein. Großes Hallo. Heute hat
kaufmännischen Berufen, die keinen Job         er einen »richtigen Job« in einer Metall-         wurde alle zwei
finden. Kaum Bankkaufleute. 500 Männer         firma, aber keine Lust mehr auf Betriebs-
                                                                                                 Jahre ausge-
und Frauen (entsprechend 170 Vollarbeits-      ratsarbeit. Er springt von seinem Stuhl auf,
plätzen) arbeiten als Teilzeiter rund um die   imitiert eine devote Verbeugung: »Guten           tauscht, damit
Uhr. Die Skala der Arbeitsverträge reicht      Tag Herr Geschäftsführer – nein, das sind         sich Interessen-
von 8 bis 40 Wochenstunden. Nach einem         doch uralte Typen«. Er erinnert sich gern
Forecast, »der Meteorologie des Unter-         an den »traumhaften Studentenjob« bei             vertretung und
nehmens« (Hannes O.), werden sie mehr          der Citibank und wie »wir das Manage-             Manager nicht zu
oder weniger kurzfristig rund um die Uhr       ment völlig überrascht haben: Nicht wir,
disponiert.                                    die hätten eigentlich auf ein Seminar übers       nahe kommen.
    Telefonbanker haben einen Kopfhörer        Betriebsverfassungsgesetz gehen sollen«.
um die Ohren, einen Mikrostab vor dem               In ihrem Betriebsrats-Veto gegen die
Mund und schauen auf einen Bildschirm.         Nachtarbeit zeigten sich die Jung-Betriebs-
Die Supervisoren im Rücken, sitzen sie an      räte unerschrocken gegenüber den Droh-
36 Schreibtischen eines Großraumbüros          gebärden des Managements, wie auch
und blicken auf eine rote Schrifttafel. Die    unbeugsam gegenüber den Ängsten der
zeigt den Service-Level an, die geforderte     Belegschaft. »Wir fühlten uns auch deshalb
Leistungsnorm: 80 Prozent der Anrufer, die     frei, weil keiner von uns Karriere in dieser
Kontostände abfragen oder Überweisun-          Bank machen wollte«, skizziert Bernhard
gen tätigen oder Schecks bestellen, sollten    Raestrup die Gefechtslage.
innerhalb von 20 Sekunden das »Guten                Die Geschäftsleitung konterte, sie
Tag, Citibank, was kann ich für Sie tun?«      werde die Telefonnummer der Bochumer
hören.                                         Citifinanzberatung schlicht an einen ande-
     Daß fluktuierende Studentenjobber         ren Standort weiterschalten: »Man zeigte
und Teilzeitarbeiter/innen keine großen        uns sogar schon Pläne einer alternativen
Ansprüche anmelden, hat sich als grandio-      Telefonzentrale, die unseren Service über-
ser Irrtum herausgestellt. Kein Manager        nehmen sollte.« Daraufhin taktierte der
dieses amerikanischen Weltkonzerns hat         Betriebsrat: »O.k., laßt uns über einen
vermutlich je ins Kalkül gezogen, welch        Sozialplan verhandeln.« Worauf die
durchsetzungsfähige Mischung entstehen         damalige Personalchefin entnervt aufgab:
kann, wenn überschüssige politische und        »Wieviel? Was wollt ihr?«
intellektuelle Energien und deutsche
Mitbestimmungsrechte zusammen-
kommen. »Es ist schon etwas Tolles, daß
bei einer Telefonbanking-Gesellschaft ein
Betriebsrat entstanden ist«, zollt der                                                             95
örtliche HBV-Gewerkschaftssekretär Klaus
The Citi-Betriebsrat never sleeps

                             ■ Beachtliche soziale Standards

                             Sie wollten einen fünfzigprozentigen Zu-       »Es war eine permanente Unruhe, das
                             schlag für die Nachtarbeit und sechs           Management wurde alle zwei Jahre ausge-
                             Wochen Urlaub und den bekamen sie              tauscht, vor allem damit sich Interessenver-
                             auch. Sie zogen Anwälte zu Rate und            tretung und Management nicht zu nahe
                             holten sich Experten von der Technologie-      kommen«, resümiert Bernhard Raestrup die
                             beratungsstelle. Den tariffreien Raum          Zeit bis 1994. Die Fluktuation hat sich eher
                             füllten sie in hartnäckigen Verhandlungs-      beschleunigt. »Wir sind das Testgelände
                             runden. Heraus kamen eine Menge an             der Citibank«, schätzt Hannes Oberlind-
                             Betriebsvereinbarungen, die beachtliche        ober, »ein Manager, der sein Geschäft wo-
                             soziale Standards im Telebankbereich           anders nicht auf die Reihe kriegt, kann sich
                             etablierten:                                   hier mit dem harten Betriebrat bewähren«.
                             ● Lohnfortzahlung im Krankheitsfall,           Daneben sind die kulturellen Unterschiede
                             ● Keine Leistungs- und Anwesenheits-           eklatant. So findet es der stellvertretende
                                  kontrolle durch Elektronik,               Betriebsratsvorsitzende »ziemlich befremd-
                             ● Arbeitsschutz, sprich: Bildschirmarbeit      lich, wenn der neue Geschäftsführer mit
                                  auf Standard der EU-Richtlinie,           Inbrust und Emphase erklärt: ›Wir wollen
                             ● Grundlohnerhöhnung von 12 auf 14             der Mc Donalds im Bankgewerbe sein!‹
                                  Mark, steigt nach Betriebszugehörigkeit   Nein, so was Trostloses«.
                                  auf 17 Mark. Außerhalb der von 8 bis
                                  20 Uhr definierten Normalarbeitszeit
                                  Zuschläge zwischen 25 und 50 Prozent,
                                  samstags 25 Prozent,
                             ● Eine bezahlte Mittagspause,
                             ● Vertragsunterbrechung bis zu einem
                                  Jahr für studentische Praktika und
                                  Prüfungsphasen, und einiges mehr.

                 96
The Citi-Betriebsrat never sleeps

■ Lehrstück: Betriebsräte als Tarifpartei       ■ Sonntagsarbeit?

Citifinanzberatung Bochum – das ist auch        Belagert und bedrängt von weltweiten Citi-
ein Lehrstück dafür, welche Kampflinien         Standards, die rund um die Uhr Einsatz
und Auseinandersetzungen diejenigen             verlangen, begannen sie sich wie die
Arbeitgeber heraufbeschwören, die sich          berühmten Gallier zu fühlen. Lange verwei-
von der Tarifautonomie und vom Flächen-         gerte das »gallische Dorf« die Sonntags-
tarif verabschieden wollen. Die meinen, sie     arbeit. Auch noch als der Europa-Chef der
würden besser fahren, – oder könnten eine       Citibank höchstpersönlich auf einer Voll-
Belegschaft besser überfahren – wenn sie        versammlung in Bochum auftauchte, um
jeweils mit den Betriebsräten die Lohn- und     die Belegschaft gegen den Betriebsrat in
Sozialstandards auskämpfen. Dabei warnt         Stellung zu bringen. Und auch noch, als
selbst Hans Mundorf, Chefkolumnist des          ihre Bochumer Telefonbanking-Nummer in
»Handelsblattes«, eindringlich davor, das       der TV-Werbung der Citibank schon gar
kooperative System der betrieblichen            nicht mehr auftauchte.
Mitbestimmung mit diesen Konfliktpoten-             Hannes Oberlindober: »Mit unserer
tialen zu belasten und zu zerstören.            Weigerung, die weltweiten Citistandards
     »HBV, weil Erfolg und Sicherheit           einzuführen, waren wir innerhalb dieses
überzeugen«, steht auf dem Aschenbecher         Weltkonzerns ein Sandkörnchen, das
im Besprechungszimmer. Das ist nicht            unheimlich Ärger macht. Die Schließung
unbedingt das Niveau von Infotainment,          des Standorts Bochum war nicht völlig
das die kreativen Citibank-Betriebsräte         auszuschließen, zumal Machtfragen in der
überzeugt. Ihr Verhältnis zur Gewerkschaft      Citibank-Kultur noch entscheidender sind        »Mit unserer
ist so individuell, wie es nur sein kann. Die   als wirtschaftliche Argumente – in dieser       Weigerung, die
HBV Bochum, die für Bernhard Raestrup           Hinsicht funktioniert dieses amerikanische
recht schnell eine »Heimat« wurde, schätzt      Unternehmen wie eine Sekte.«                    weltweiten Citi-
Markus Nagel als nicht bevormundenden               Die digitale Arbeitswelt spielt dem         standards einzu-
Kooperationspartner, wohingegen Hannes          Arbeitgeber im Standortpoker noch
                                                                                                führen, waren wir
Oberlindober das Ansinnen des Sekretärs,        bessere Karten zu: Telefonnummern lassen
unter der studentischen Belegschaft             sich umleiten, Arbeitskräfte lassen sich        innerhalb dieses
Mitglieder zu werben, angesichts der            schnell akquirieren und anlernen und alle
                                                                                                Konzerns ein Sand-
Kulturdifferenzen eher ratlos stimmt.           Subunternehmen haben eine identische
     Auf jeden Fall wenig animierend fanden     Software, so daß man jedem Standort mit         körnchen, das
sie den Stil auf jenem Gewerkschaftssemi-       der Schließung des anderen drohen kann,
                                                                                                unheimlich Ärger
nar, wo sie sich als Betriebsräte wie eine      erläutert Claudia Beutner.
Schulklasse behandelt fühlten. Und wenig                                                        macht.«
konnten und wollten sie mit der gewerk-
schaftlichen Argumentation anfangen,
erfolgs- und leistungsabhängige Entloh-
nung im Bankbereich mitzugestalten, weil
man die ja eh nicht verhindern könne.

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The Citi-Betriebsrat never sleeps

                             ■ Betriebsratsprosa

                             Episch breit versuchte der Betriebsrat in     Mit vielfältigen Analysen aus der Betriebs-
                             einem Argumentations- und Begründungs-        rats-Zeitung gut versorgt, müßte jeder
                             marathon die Belegschaft auf Linie zu         Teleworker in Bochum über Lean-Banking,
                             halten. Ausgiebigst wurden (und werden)       Bankenstrategien und die Branchenent-
                             der treuen Lesergemeinde jede Nebel-          wicklung genauestens Bescheid wissen.
 »Das Gros der               bombe, jeder Winkelzug, jede Regung,          Daneben müssen immer wieder die New-
                             Mimik und Wendung der Verhandlungen           comer einer stark flukturierenden Beleg-
 Erfolge besteht in
                             mit der Arbeitgeberseite mitgeteilt. Jedes    schaft aufgeklärt werden. Leseprobe
 der Verhinderung            Papier wird penibel seziert, interpretiert,   Hannes Oberlindober: »Die Strategie einer
                             karikiert – und das monatlich in mindestens   Geschäftsführung geht immer dahin, zu
 von Maßnahmen,
                             100 000 Bytes. Die Betriebsratsprosa          erfahren, inwieweit der Betriebsrat auf
 die den Arbeit-             beginnt zum Beispiel mit dem Ritter Lohen-    Informations- und Mitbestimmungsrechte,
                             grin und führt direkt in die Mitbestim-       und damit auf ein Stück Arbeitnehmer-
 nehmern feil-
                             mungspraxis. Oder sie überzeugt durch         rechte, verzichtet. Vieles erreicht eine
 geboten werden              unerschrockene Süffisanz.                     Interessenvertretung nur mit Beharrlichkeit,
                                  Betriebsratsvorsitzender Markus Nagel    die leicht mit Sturheit verwechselt werden
 wie ein preisgün-
                             berichtet: »Und da kamen sie dann, die        kann. Das Gros der Erfolge besteht in der
 stiger Stimmungs-           hohen Herren. Man sah ihnen in keinster       Verhinderung von Maßnahmen, die den
 aufheller.«                 Weise an, welche Art von Nachricht sie zu     Arbeitnehmern feilgeboten werden wie ein
                             verkünden haben. Herr M., wie immer           preisgünstiger Stimmungsaufheller.«
                             strammen Schrittes mit dem berühmten              Direkte Belegschaftsaktivität ist bei den
                             vorantreibenden Lächeln auf den Lippen,       Bochumer Citibankern keine Fußnote der
                             gefolgt von Herrn W., dessen Gesichtszüge     Betriebsratsarbeit. »Die nächste Betriebs-
                             nichts vom Inhalt oder der Brisanz der        versammlung hängt maßgeblich von Euch
                             gleich zu verkündenen Nachricht verrieten,    ab, reicht also Themenvorschläge ein«,
                             und ein dritter, bis dahin noch unbekannter   lautet ein Aufruf. Oder es wird eine Mei-
                             Herr.« Wenig später wurde der Belegschaft     nungsumfrage zu den neuen Arbeitszeit-
                             die Nachricht vermeldet: »Geschäftsführer     modellen lanciert, »denn schließlich seid ihr
                             M. wird zu den »Tütenweintrinkern«‚ nach      es, die damit leben müßt«.
                             Texas gehen«, ein Neuer ante portas.              Genugtuung empfindet der Betriebsrat
                                                                           darüber, daß seine Glossen und Artikel
                                                                           sogar dem europäischen Citibank-Chef
                                                                           übersetzt wurden; der wiederum – so wird
                                                                           berichtet – spart nicht mit der handschrift-
                                                                           lichen Randbemerkung »BS«, will sagen:
                                                                           bullshit. Der Betriebsrat verbrauche zu viel
                                                                           Papier, beklagt das Management, nicht erst
                                                                           seitdem die '94er-Betriebsrats-Generation
                                                                           ihren Amtsantritt mit einem umfangreichen
                                                                           Schreiben an den Arbeitgeber einleitete –
                                                                           gespickt mit lateinischen Zitaten.

                 98
The Citi-Betriebsrat never sleeps

■ Roll-back                                    ■ Wie gut

In Sachen Sonntagsarbeit war irgendwann        Denn durchaus wissen sie die Positiva der
der Belegschaft der Gegendruck zuviel und      spezifischen Unternehmenskultur zu
einige Betriebsräte waren die ewigen           schätzen. Eine Kultur, die Corporate iden-
Durchhalteparolen schlicht leid. Aber die      tity auch darüber definiert, daß keiner aus
Gegenleistung, sprich der Sonntagszu-          der Gemeinschaft ausgeschlossen wird,
schlag, ist mager und der taktisch-psycho-     sprich: es betriebsbedingte Kündigungen
logische Effekt fatal. Derzeit weht den        bisher nicht gab. Selten habe man solch
jungen Fightern ein kalter Gegenwind ins       einen Betrieb ohne Vorurteile und ohne
Gesicht: Mehrere Betriebsvereinbarungen        Fremdenfeindlichkeit gesehen, in dem viel-
wurden gekündigt und müssen neu                fältige Kulturen und Lebensstile friedlich
verhandelt werden. Weit gravierender ist       koexistieren, geben sie ihrem Arbeitgeber
der Versuch, den Betriebsrat, der die          ein dickes Lob.
gesamte tarifliche Regelungsmaterie zu              Dieser Betriebsrat ist Ausdruck und Ver-
bewältigen hat, in seiner Arbeitsbasis zu      stärker eines Mikrokosmos von jungen
schwächen. Bisher wurde diese Tätigkeit        Menschen denen ihr Job ein soziales Labo-
den Teilzeitkräften als Überstunden ent-       ratorium und ein dichtes Netz von Kommu-
golten, von nun an soll es nur noch ein eng    nikation vermittelt – mithin all das, was
begrenztes Stundenkontingent geben.            eine Universität nicht hergibt.
    »Sie wollen uns aushungern und fak-             Auch wenn Markus Nagel, Claudia
tisch entmachten«, kommentiert Hannes          Beutner und Hannes Oberlindober seiner-
Oberlindober das Roll-back. »Wegen der         zeit an der Seite der HBV vergebens
Konkurrenz im Direktbankbereich stehen         versucht haben, an den »Konkurrenzstand-
ihre Standards und der Citibank-Betriebsrat    orten« Aachen und Nordhorn einen
in Bochum unter Druck«, weiß auch HBV-         Betriebsrat zu initiieren: Eine ihrer favori-
Sekretär Klaus Holz. Da nützt es erstmal       sierten Existenzgründungsideen ist noch
wenig, daß die Beschäftigten ihren Betriebs-   immer, mit einer mobilen Betriebsrats-
rat baten: »Gebt bei der Sonntagsarbeit        agentur durch die Lande zu ziehen. Die
nach, aber bleibt bei allem anderem hart«.     Botschaft würde lauten: Engagement im
                                               allgemeinen und Betriebsratsarbeit im
                                               besonderen kann Spaß machen.

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