The Citi-Betriebsrat never sleeps
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The Citi-Betriebsrat never Die Betriebsratstruppe der Citifinanzberatung in Bochum hat sleeps den Beweis angetreten, daß eine mediale und literarische Kultur mit Expertentum in Sachen Mitbestim- mung keineswegs inkompatibel ist. Im tariffreien Raum einer Telefon- bank haben die jungen Betriebs- räte beachtliche soziale Standards herausgehandelt und erstritten. Dabei zeigt sich, welche harte Konfliktlinien zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber entstehen, wenn der regulierende Rahmen des Flächentarifes fehlt. 91
The Citi-Betriebsrat never sleeps »Guten Tag, Citibank, was kann ich für Sie ■ Überschüssige Fähigkeiten tun?« Dem Kunden, der eine »Telefonban- kerin« an der Strippe hat, kann es egal Mittagspause im Betriebsratsbüro: Zwei der sein, in welchem anonymen Großraumbüro neun Betriebsräte debattieren darüber, wie die fließbandarbeitenden Telefonisten sich Formen der dramatischen Existenz in sitzen. Auf jeden Fall sind sie auch noch in den Stücken von Harold Pinter und Samuel den Werbeblöcken der Harald-Schmidt- Beckett unterscheiden – Metatextualität Show an- und abrufbereit – etwa um die also. Über den Schreibtisch gebeugt, mehrfach angemahnte Überweisung an erkundigt sich eine junge Frau: »Wißt Ihr den Otto-Versand zu tätigen. Selbst um zufällig, in welchem amerikanischen Film zwei Uhr nachts, wenn der Telekomtarif das Brandenburger Tor mehrfach in der geviertelt wird, könnte angefragt werden, Totale auftaucht? Ich brauch' das für ein ob der Kontostand ausreicht, um noch die Ratespiel im Internet.« nächste Kneipenrunde zu schmeißen. Fragen an eine nicht nur ›Arbeit und In der 7 x 24 Stunden-Citibank-Woche Recht‹ oder das Betriebsverfassungsgesetz sind nun auch in Bochum die 500 teilzeitar- hoch und runter interpretierende Beleg- beitenden Telefonisten der Citifinanzbera- schaftsvertretung. Ein Gruppenbild dieser tung in Aktion. An der Königsallee geht das Betriebsratstruppe könnte genauso glaub- Licht nie aus – in jenem ehrwürdigen Back- würdig den Allgemeinen Studentenaus- steinbau, der von stolzer Altindustrie auf schuß oder die Mitstreiter der neuesten neue Discount-Dienstleistung strukturge- Greenpeace-Kampagne darstellen. Aber wandelt wurde. nein: Hier posiert die Betriebsratsliste der Gewerkschaft Handel, Banken und Ver- sicherungen (HBV) in der Citifinanzbera- tung. Womit bewiesen wäre, daß eine mediale und literarische Kultur mit Exper- tentum in Sachen Mitbestimmung keines- wegs inkompatibel ist. Als billige, aber hochkompetente stu- dentische Arbeitskräfte sind sie angewor- ben worden, als die weltweit agierende amerikanische Citibank Anfang der neun- ziger Jahre in Deutschland das Telefonban- king implantierte. Und mit all ihren über- schüssigen Fähigkeiten, die an den Lehr- stühlen – wie auch danach – zu vergam- meln drohen, sind einige von ihnen Betriebsratsprofis geworden. 92
The Citi-Betriebsrat never sleeps »Bei mir war es die reinste Lust, etwas Sinnvolles umzusetzen«, bekundet Bern- hard Raestrup, einer aus der politisch sehr Engagement im aktiven 91er Betriebsrats-Gründergenera- allgemeinen und tion. Der Fight um bessere Löhne und Arbeitsbedingungen wurde unter der Hand Betriebsratsarbeit zum Praxisteil seines Studiums der Indu- im besonderen strie- und Betriebssoziologie. Heute gehören mit dazu: Hannes kann Spaß Oberlindober (Künstlername H2O), ein an machen: Hannes den jungen Foucault erinnernder Kahlkopf, der sich unübersehbar in der Betriebsöf- Oberlindober, fentlichkeit positioniert: Indem er für Claudia Beutner, Betriebsversammlungen Reden schreibt und eine der umfänglichsten Betriebsrats- Markus Nagel zeitungen in diesem Lande produziert – für (von oben) ein Publikum von 500 Teilzeitjobbern. H2O hat erst Mathematik und Philoso- phie, später Sprachwissenschaften studiert und an der Uni gearbeitet, »bis ich so gründlich die Nase voll hatte«, daß nun- mehr die 700-Seiten Doktorarbeit im Computer zwischen- oder endlagert. Claudia Beutner, 28 Jahre, macht gerade ihren Magister in Theaterwissenschaft, was nicht heißt, daß sie ihrem Teilzeitarbeit- geber Citibank den Rücken kehren wird. »So kann ich meinen Lebensunterhalt bestreiten, mich angstfrei bewerben und davon ausgehen, ich krieg sowieso keinen Job«. Dagegen hat der derzeitige Betriebs- ratsvorsitzende Markus Nagel, ein schlack- siger Lockenkopf mit Designerbrille, seit zwei Jahren keinen Hörsaal mehr betreten, sondern ist »Fulltime-Betriebsrat« gewor- den. Denn was ist wichtiger? Die vier vom Arbeitgeber just gekündigten Betriebs- vereinbarungen neu zu verhandeln oder eine Vorlesung in Kommunikationswissen- schaft zu besuchen? Nicht zu vergessen den Jura-Studenten aus dem neunköpfigen Betriebsrat, der bei Arbeitgeber-Verhand- lungen schon mal den beruflichen Ernstfall probt. 93
The Citi-Betriebsrat never sleeps ■ Am Fließband einer Discountbank Mit messerscharfem Sarkasmus karikieren die jungen Betriebsräte in ihrer Zeitschrift »CitiBETRIEBSbeRATung« Werbe- und Kundenwirklichkeit ihres Arbeitgebers. Während die Werbefiguren kreditfinanziert in vollen Zügen genießen, werden die »Cititelefonbanker« tags und vor allem nachts Zeugen häuslicher Tragödien und trostloser Kontostände. Telefonbanking ist auch Telefonseelsorge. »Wir sind ein Cyberspace Emergency-Room«, gibt Ein paar Tage Ein- Hannes Oberlindober eine Probe seiner arbeitung, dann Formulierungslust. Man gewinnt den Eindruck: Die Banken ist man oder frau haben die krasser werdende bundesrepu- ein neuzeitlicher blikanische Spaltung in arm und reich Citibanker. längst zur Geschäftspolitik gemacht. Auto- maten, Telefonservice oder Homebanking für die Standard- und Mengenkunden; qualifizierte Anlagenberatung und Betreu- ung in Filialen mit Edelausstattung für die Besserverdienenden und Vermögenden. Die amerikanische Citibank war Vor- reiter im Direkt- und Telefonbanking – orientiert an deren Erfolg haben viele nachgezogen: Derzeit liefern sich verschie- dene Großbankenableger einen harten und verlustbringenden Werbewettkampf um Kunden. An Arbeitsplätzen sind vor allem Mc Jobs für Studenten und Dazuverdiener entstanden. Ein paar Tage Einarbeitung, dann ist man oder frau ein neuzeitlicher »Citibanker« – oder besser: ein Telefonist für Kontostände und Scheckversand. Und das für einen Grund- und Stundenlohn von rund 14 Mark. Anders als in der Industrie, wo in vielen Bereichen reduzierte Monotonie durch Gruppenarbeit ersetzt werden konnte, ist in den EDV-gesteuerten Bankbereichen die taylorisierte Fließbandarbeit auf dem Vor- marsch. Nicht zuletzt »war es diese Ver- schleißarbeit, bei der man als Mensch wie eine biologische Schnittstelle am Tropf nach einem halben Jahr merkten sie die hängt«, die den Betriebsrat motivierte, Belastungen und nach einem weiteren bezahlte Pausenregelungen und bessere halben Jahr waren sie für Arbeitsschutz und Entlohnung durchzuboxen, berichtet andere gewerkschaftliche Themen 94 Bernhard Raestrup. »Am Anfang fanden ansprechbar.« die studentischen Arbeitnehmer alles super,
The Citi-Betriebsrat never sleeps ■ Tariffrei ist nicht mitbestimmungsfrei Holz den Pionieren Anerkennung. Als kon- fliktfähig erlebt er sie und als hoch enga- Citibank und andere Discountbanken giert im Ausreizen betriebsverfassungs- wurden mit voller Absicht außerhalb von rechtlicher Möglichkeiten. Arbeitgeberverbänden und Rahmentarif- verträgen angesiedelt. Desto wichtiger ist ■ Jenseits von Karriereinteressen in diesen tariffreien Zonen die Existenz von Betriebsräten, desto wichtiger sind deren Wir sitzen im ›Madrid‹, könnten aber Betriebsvereinbarungen, die vor allem es genausogut im ›Tucholsky‹ oder im ›Inter- vermögen, soziale Standards zu etablieren. shop‹ gelandet sein, dort wo sich der Citi- Die weltweit agierende Citibank hatte bank-Mikrokosmos in die Bochumer den Standort Bochum mit einem Reservoir Kneipenszene hinein verlängert. Ein ehe- von 50 000 Studenten mit Bedacht ge- maliger Betriebsrats-Kollege läuft in die Das Management wählt: Dazu kommen junge Leute aus Stammkneipe ein. Großes Hallo. Heute hat kaufmännischen Berufen, die keinen Job er einen »richtigen Job« in einer Metall- wurde alle zwei finden. Kaum Bankkaufleute. 500 Männer firma, aber keine Lust mehr auf Betriebs- Jahre ausge- und Frauen (entsprechend 170 Vollarbeits- ratsarbeit. Er springt von seinem Stuhl auf, plätzen) arbeiten als Teilzeiter rund um die imitiert eine devote Verbeugung: »Guten tauscht, damit Uhr. Die Skala der Arbeitsverträge reicht Tag Herr Geschäftsführer – nein, das sind sich Interessen- von 8 bis 40 Wochenstunden. Nach einem doch uralte Typen«. Er erinnert sich gern Forecast, »der Meteorologie des Unter- an den »traumhaften Studentenjob« bei vertretung und nehmens« (Hannes O.), werden sie mehr der Citibank und wie »wir das Manage- Manager nicht zu oder weniger kurzfristig rund um die Uhr ment völlig überrascht haben: Nicht wir, disponiert. die hätten eigentlich auf ein Seminar übers nahe kommen. Telefonbanker haben einen Kopfhörer Betriebsverfassungsgesetz gehen sollen«. um die Ohren, einen Mikrostab vor dem In ihrem Betriebsrats-Veto gegen die Mund und schauen auf einen Bildschirm. Nachtarbeit zeigten sich die Jung-Betriebs- Die Supervisoren im Rücken, sitzen sie an räte unerschrocken gegenüber den Droh- 36 Schreibtischen eines Großraumbüros gebärden des Managements, wie auch und blicken auf eine rote Schrifttafel. Die unbeugsam gegenüber den Ängsten der zeigt den Service-Level an, die geforderte Belegschaft. »Wir fühlten uns auch deshalb Leistungsnorm: 80 Prozent der Anrufer, die frei, weil keiner von uns Karriere in dieser Kontostände abfragen oder Überweisun- Bank machen wollte«, skizziert Bernhard gen tätigen oder Schecks bestellen, sollten Raestrup die Gefechtslage. innerhalb von 20 Sekunden das »Guten Die Geschäftsleitung konterte, sie Tag, Citibank, was kann ich für Sie tun?« werde die Telefonnummer der Bochumer hören. Citifinanzberatung schlicht an einen ande- Daß fluktuierende Studentenjobber ren Standort weiterschalten: »Man zeigte und Teilzeitarbeiter/innen keine großen uns sogar schon Pläne einer alternativen Ansprüche anmelden, hat sich als grandio- Telefonzentrale, die unseren Service über- ser Irrtum herausgestellt. Kein Manager nehmen sollte.« Daraufhin taktierte der dieses amerikanischen Weltkonzerns hat Betriebsrat: »O.k., laßt uns über einen vermutlich je ins Kalkül gezogen, welch Sozialplan verhandeln.« Worauf die durchsetzungsfähige Mischung entstehen damalige Personalchefin entnervt aufgab: kann, wenn überschüssige politische und »Wieviel? Was wollt ihr?« intellektuelle Energien und deutsche Mitbestimmungsrechte zusammen- kommen. »Es ist schon etwas Tolles, daß bei einer Telefonbanking-Gesellschaft ein Betriebsrat entstanden ist«, zollt der 95 örtliche HBV-Gewerkschaftssekretär Klaus
The Citi-Betriebsrat never sleeps ■ Beachtliche soziale Standards Sie wollten einen fünfzigprozentigen Zu- »Es war eine permanente Unruhe, das schlag für die Nachtarbeit und sechs Management wurde alle zwei Jahre ausge- Wochen Urlaub und den bekamen sie tauscht, vor allem damit sich Interessenver- auch. Sie zogen Anwälte zu Rate und tretung und Management nicht zu nahe holten sich Experten von der Technologie- kommen«, resümiert Bernhard Raestrup die beratungsstelle. Den tariffreien Raum Zeit bis 1994. Die Fluktuation hat sich eher füllten sie in hartnäckigen Verhandlungs- beschleunigt. »Wir sind das Testgelände runden. Heraus kamen eine Menge an der Citibank«, schätzt Hannes Oberlind- Betriebsvereinbarungen, die beachtliche ober, »ein Manager, der sein Geschäft wo- soziale Standards im Telebankbereich anders nicht auf die Reihe kriegt, kann sich etablierten: hier mit dem harten Betriebrat bewähren«. ● Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Daneben sind die kulturellen Unterschiede ● Keine Leistungs- und Anwesenheits- eklatant. So findet es der stellvertretende kontrolle durch Elektronik, Betriebsratsvorsitzende »ziemlich befremd- ● Arbeitsschutz, sprich: Bildschirmarbeit lich, wenn der neue Geschäftsführer mit auf Standard der EU-Richtlinie, Inbrust und Emphase erklärt: ›Wir wollen ● Grundlohnerhöhnung von 12 auf 14 der Mc Donalds im Bankgewerbe sein!‹ Mark, steigt nach Betriebszugehörigkeit Nein, so was Trostloses«. auf 17 Mark. Außerhalb der von 8 bis 20 Uhr definierten Normalarbeitszeit Zuschläge zwischen 25 und 50 Prozent, samstags 25 Prozent, ● Eine bezahlte Mittagspause, ● Vertragsunterbrechung bis zu einem Jahr für studentische Praktika und Prüfungsphasen, und einiges mehr. 96
The Citi-Betriebsrat never sleeps ■ Lehrstück: Betriebsräte als Tarifpartei ■ Sonntagsarbeit? Citifinanzberatung Bochum – das ist auch Belagert und bedrängt von weltweiten Citi- ein Lehrstück dafür, welche Kampflinien Standards, die rund um die Uhr Einsatz und Auseinandersetzungen diejenigen verlangen, begannen sie sich wie die Arbeitgeber heraufbeschwören, die sich berühmten Gallier zu fühlen. Lange verwei- von der Tarifautonomie und vom Flächen- gerte das »gallische Dorf« die Sonntags- tarif verabschieden wollen. Die meinen, sie arbeit. Auch noch als der Europa-Chef der würden besser fahren, – oder könnten eine Citibank höchstpersönlich auf einer Voll- Belegschaft besser überfahren – wenn sie versammlung in Bochum auftauchte, um jeweils mit den Betriebsräten die Lohn- und die Belegschaft gegen den Betriebsrat in Sozialstandards auskämpfen. Dabei warnt Stellung zu bringen. Und auch noch, als selbst Hans Mundorf, Chefkolumnist des ihre Bochumer Telefonbanking-Nummer in »Handelsblattes«, eindringlich davor, das der TV-Werbung der Citibank schon gar kooperative System der betrieblichen nicht mehr auftauchte. Mitbestimmung mit diesen Konfliktpoten- Hannes Oberlindober: »Mit unserer tialen zu belasten und zu zerstören. Weigerung, die weltweiten Citistandards »HBV, weil Erfolg und Sicherheit einzuführen, waren wir innerhalb dieses überzeugen«, steht auf dem Aschenbecher Weltkonzerns ein Sandkörnchen, das im Besprechungszimmer. Das ist nicht unheimlich Ärger macht. Die Schließung unbedingt das Niveau von Infotainment, des Standorts Bochum war nicht völlig das die kreativen Citibank-Betriebsräte auszuschließen, zumal Machtfragen in der überzeugt. Ihr Verhältnis zur Gewerkschaft Citibank-Kultur noch entscheidender sind »Mit unserer ist so individuell, wie es nur sein kann. Die als wirtschaftliche Argumente – in dieser Weigerung, die HBV Bochum, die für Bernhard Raestrup Hinsicht funktioniert dieses amerikanische recht schnell eine »Heimat« wurde, schätzt Unternehmen wie eine Sekte.« weltweiten Citi- Markus Nagel als nicht bevormundenden Die digitale Arbeitswelt spielt dem standards einzu- Kooperationspartner, wohingegen Hannes Arbeitgeber im Standortpoker noch führen, waren wir Oberlindober das Ansinnen des Sekretärs, bessere Karten zu: Telefonnummern lassen unter der studentischen Belegschaft sich umleiten, Arbeitskräfte lassen sich innerhalb dieses Mitglieder zu werben, angesichts der schnell akquirieren und anlernen und alle Konzerns ein Sand- Kulturdifferenzen eher ratlos stimmt. Subunternehmen haben eine identische Auf jeden Fall wenig animierend fanden Software, so daß man jedem Standort mit körnchen, das sie den Stil auf jenem Gewerkschaftssemi- der Schließung des anderen drohen kann, unheimlich Ärger nar, wo sie sich als Betriebsräte wie eine erläutert Claudia Beutner. Schulklasse behandelt fühlten. Und wenig macht.« konnten und wollten sie mit der gewerk- schaftlichen Argumentation anfangen, erfolgs- und leistungsabhängige Entloh- nung im Bankbereich mitzugestalten, weil man die ja eh nicht verhindern könne. 97
The Citi-Betriebsrat never sleeps ■ Betriebsratsprosa Episch breit versuchte der Betriebsrat in Mit vielfältigen Analysen aus der Betriebs- einem Argumentations- und Begründungs- rats-Zeitung gut versorgt, müßte jeder marathon die Belegschaft auf Linie zu Teleworker in Bochum über Lean-Banking, halten. Ausgiebigst wurden (und werden) Bankenstrategien und die Branchenent- der treuen Lesergemeinde jede Nebel- wicklung genauestens Bescheid wissen. »Das Gros der bombe, jeder Winkelzug, jede Regung, Daneben müssen immer wieder die New- Mimik und Wendung der Verhandlungen comer einer stark flukturierenden Beleg- Erfolge besteht in mit der Arbeitgeberseite mitgeteilt. Jedes schaft aufgeklärt werden. Leseprobe der Verhinderung Papier wird penibel seziert, interpretiert, Hannes Oberlindober: »Die Strategie einer karikiert – und das monatlich in mindestens Geschäftsführung geht immer dahin, zu von Maßnahmen, 100 000 Bytes. Die Betriebsratsprosa erfahren, inwieweit der Betriebsrat auf die den Arbeit- beginnt zum Beispiel mit dem Ritter Lohen- Informations- und Mitbestimmungsrechte, grin und führt direkt in die Mitbestim- und damit auf ein Stück Arbeitnehmer- nehmern feil- mungspraxis. Oder sie überzeugt durch rechte, verzichtet. Vieles erreicht eine geboten werden unerschrockene Süffisanz. Interessenvertretung nur mit Beharrlichkeit, Betriebsratsvorsitzender Markus Nagel die leicht mit Sturheit verwechselt werden wie ein preisgün- berichtet: »Und da kamen sie dann, die kann. Das Gros der Erfolge besteht in der stiger Stimmungs- hohen Herren. Man sah ihnen in keinster Verhinderung von Maßnahmen, die den aufheller.« Weise an, welche Art von Nachricht sie zu Arbeitnehmern feilgeboten werden wie ein verkünden haben. Herr M., wie immer preisgünstiger Stimmungsaufheller.« strammen Schrittes mit dem berühmten Direkte Belegschaftsaktivität ist bei den vorantreibenden Lächeln auf den Lippen, Bochumer Citibankern keine Fußnote der gefolgt von Herrn W., dessen Gesichtszüge Betriebsratsarbeit. »Die nächste Betriebs- nichts vom Inhalt oder der Brisanz der versammlung hängt maßgeblich von Euch gleich zu verkündenen Nachricht verrieten, ab, reicht also Themenvorschläge ein«, und ein dritter, bis dahin noch unbekannter lautet ein Aufruf. Oder es wird eine Mei- Herr.« Wenig später wurde der Belegschaft nungsumfrage zu den neuen Arbeitszeit- die Nachricht vermeldet: »Geschäftsführer modellen lanciert, »denn schließlich seid ihr M. wird zu den »Tütenweintrinkern«‚ nach es, die damit leben müßt«. Texas gehen«, ein Neuer ante portas. Genugtuung empfindet der Betriebsrat darüber, daß seine Glossen und Artikel sogar dem europäischen Citibank-Chef übersetzt wurden; der wiederum – so wird berichtet – spart nicht mit der handschrift- lichen Randbemerkung »BS«, will sagen: bullshit. Der Betriebsrat verbrauche zu viel Papier, beklagt das Management, nicht erst seitdem die '94er-Betriebsrats-Generation ihren Amtsantritt mit einem umfangreichen Schreiben an den Arbeitgeber einleitete – gespickt mit lateinischen Zitaten. 98
The Citi-Betriebsrat never sleeps ■ Roll-back ■ Wie gut In Sachen Sonntagsarbeit war irgendwann Denn durchaus wissen sie die Positiva der der Belegschaft der Gegendruck zuviel und spezifischen Unternehmenskultur zu einige Betriebsräte waren die ewigen schätzen. Eine Kultur, die Corporate iden- Durchhalteparolen schlicht leid. Aber die tity auch darüber definiert, daß keiner aus Gegenleistung, sprich der Sonntagszu- der Gemeinschaft ausgeschlossen wird, schlag, ist mager und der taktisch-psycho- sprich: es betriebsbedingte Kündigungen logische Effekt fatal. Derzeit weht den bisher nicht gab. Selten habe man solch jungen Fightern ein kalter Gegenwind ins einen Betrieb ohne Vorurteile und ohne Gesicht: Mehrere Betriebsvereinbarungen Fremdenfeindlichkeit gesehen, in dem viel- wurden gekündigt und müssen neu fältige Kulturen und Lebensstile friedlich verhandelt werden. Weit gravierender ist koexistieren, geben sie ihrem Arbeitgeber der Versuch, den Betriebsrat, der die ein dickes Lob. gesamte tarifliche Regelungsmaterie zu Dieser Betriebsrat ist Ausdruck und Ver- bewältigen hat, in seiner Arbeitsbasis zu stärker eines Mikrokosmos von jungen schwächen. Bisher wurde diese Tätigkeit Menschen denen ihr Job ein soziales Labo- den Teilzeitkräften als Überstunden ent- ratorium und ein dichtes Netz von Kommu- golten, von nun an soll es nur noch ein eng nikation vermittelt – mithin all das, was begrenztes Stundenkontingent geben. eine Universität nicht hergibt. »Sie wollen uns aushungern und fak- Auch wenn Markus Nagel, Claudia tisch entmachten«, kommentiert Hannes Beutner und Hannes Oberlindober seiner- Oberlindober das Roll-back. »Wegen der zeit an der Seite der HBV vergebens Konkurrenz im Direktbankbereich stehen versucht haben, an den »Konkurrenzstand- ihre Standards und der Citibank-Betriebsrat orten« Aachen und Nordhorn einen in Bochum unter Druck«, weiß auch HBV- Betriebsrat zu initiieren: Eine ihrer favori- Sekretär Klaus Holz. Da nützt es erstmal sierten Existenzgründungsideen ist noch wenig, daß die Beschäftigten ihren Betriebs- immer, mit einer mobilen Betriebsrats- rat baten: »Gebt bei der Sonntagsarbeit agentur durch die Lande zu ziehen. Die nach, aber bleibt bei allem anderem hart«. Botschaft würde lauten: Engagement im allgemeinen und Betriebsratsarbeit im besonderen kann Spaß machen. 99
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