Thema Gendermedizin Warum Frauen anders therapiert werden müssen als Männer - Solothurner Spitäler (soH)

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Thema Gendermedizin Warum Frauen anders therapiert werden müssen als Männer - Solothurner Spitäler (soH)
Thema

                           2/20
Gendermedizin
Warum Frauen anders
therapiert werden müssen
als Männer.

                           Gesundheitsinformationen Solothurner Spitäler

LGBT, queer oder
heteronormativ
Geschlechtervielfalt
kann befreiend sein.

Schmerzempfindungen
Wie war das nochmal mit
dem Männerschnupfen?
Thema Gendermedizin Warum Frauen anders therapiert werden müssen als Männer - Solothurner Spitäler (soH)
INHALT

            Gleichberechtigt,                                     Gendermedizin
                                                                  4 Anders und doch

            aber anders                                             gleich

                                                                  Schmerzempfinden
                                                                  8      Der Schmerz ist
                                                                         weiblich

            Männer und Frauen sind unterschiedlich. «Aber         Kardiologie

                                                                                                          10
            na­türlich», werden Sie nun denken, das ist ja        12 Frauenherzen
                                                                                                                    Gendergerechte Not-
                                                                     schlagen anders
            wohl eine Binsenwahrheit. Nur: Diese Unterschiede                                                       fallmedizin. Männer und
                                                                  Geschlechtsidentität                              Frauen zeigen oft unter-
            bedeuten in der Medizin, dass wir Männer und
                                                                  14 Sich anders fühlen,                            schiedliche Symptome.
            Frauen unterschiedlich diagnostizieren und thera-        als man ist
            pieren.                                               17 LGBT kurz erklärt

            Die Gründe für die Unterschiede zwischen Frauen       Brustkrebs
                                                                  19 Es kann jede Frau
            und Männern sind sehr vielfältig. Einerseits beste-
                                                                     treffen
            hen biologische Unterschiede wie Hormonhaus-

                                                                                                                                               14
                                                                  Prostatakrebs                                                                      Geboren im falschen Körper –
            halt, Enzymaktivität oder Verhältnis Muskel- und                                                                                         wie Jugendliche den Umgang damit
                                                                  22 Tabuthema
            Fettmasse. Andererseits beeinflussen soziale und         unter Männern                                                                   finden können.
            kulturelle Normen das Sozialverhalten und auch        25 Sexualität ist
Editorial

                                                                                                                                                                                           Inhalt
                                                                     vielschichtig
            die ­Reaktion auf Krankheitssymptome.

                                                                                                          34
                                                                  Gut zu wissen                                       Mögen Piraten Ein-
            In der Medizin kennt man mittlerweile diese so­       26 Wer pubertiert                                   hörner? Oder spielen
            genannten genderspezifischen Unterschiede                früher?                                          Mädchen Schlag-
                                                                                                                      zeug? Mach den Test.
            und passt Behandlungskonzepte laufend neuen           Sport                                                                                                    Corinne Zemp,
                                                                                                                                                                           Rettungs-
            Erkenntnissen an.                                     28 Immer weniger                                                                                         sanitäterin
                                                                                                                                                Dr. med.
                                                                     Unterschiede                                                               Nisha Arenja,              Seite 31
            Wir freuen uns, Ihnen mit der aktuellen Ausgabe                                                                                     Kardiologin
                                                                  Essverhalten
            des Patienten­magazins «Thema» einen Einblick in                                                                                    Seite 12
                                                                  30 Mehr als eine Tafel
            die Gendermedizin zu geben. Sie werden feststel-         Schokolade
            len: An manchen Orten unterscheiden sich Männer
            und Frauen sehr – an manchen aber auch nicht.
                                                                                                PD Dr. med. univ.
            Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre.                                           Gregor Lindner,
                                                                                                Notfallmediziner
                                                                                                Seite 10

            Manuel Stäuble
            Chefarzt Anästhesie, Spital Dornach
                                                                  Titelseite:
                                                                  Stefanie, 35 Jahre alt. Sie
                                                                  bezeichnet sich als nicht-binär
                                                                  und queer. «Ich bin, wie ich
                                                                  mich fühle. Queer bedeutet für
                                                                  mich anders sein.» Mehr zu
                                                                  diesem Thema lesen Sie auf
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  2                                                               Foto: Tom Ulrich, Fotomtina
Thema Gendermedizin Warum Frauen anders therapiert werden müssen als Männer - Solothurner Spitäler (soH)
GENDERMEDIZIN

        Anders
                                                                                            Gendermedizin
                                                                                            Eine Medizin, die Männern
                                                                                            und Frauen gerecht wird,
                                                                                            berücksichtigt die geschlech-
                                                                                            terspezifischen Unterschiede.

        und doch
                                                                                            Lange Zeit war der Mann
                                                                                            der medizinische Prototyp –
                                                                                            als Patient, Arzt und Forscher.
                                                                                            Das hat sich geändert.

        gleich

                                                                                                                                                                   Gendermedizin
Thema

        Männer werden anders krank als Frauen und Frauen anders
        gesund als Männer. In vielen Bereichen der Medizin bestehen
        grosse Unterschiede zwischen den Geschlechtern.

                                                                                                                                                      Von wegen
                                                                                                                                         schwaches Geschlecht:
                                  Männerschnupfen – akute, meist leichte Erkältung, die                                            In der Gendermedizin werden
                                  vorwiegend beim männlichen Geschlecht auftritt und                                          festgefahrene Bilder auch mal über
                                  fürsorgliche Verhaltensreize beim weiblichen Geschlecht                                                  den Haufen geworfen.
                                  hervorrufen kann.

 4                                                                                                                                                                    5
Thema Gendermedizin Warum Frauen anders therapiert werden müssen als Männer - Solothurner Spitäler (soH)
GENDERMEDIZIN

        Männer habens schwer. Gerade in der Erkältungs­       stärkeres Immunsystem haben als Männer. Dieses
        zeit müssen sie nebst einer Erkältung sich auch       starke Immunsystem kann bei Frauen wiederum
        noch hämische Sprüche über Männerschnupfen            mit fehlgeleiteter Immunantwort einhergehen
        anhören. Obwohl es tatsächlich Männer gibt, die       und zu Autoimmunerkrankungen führen – Krank­
        bei leichten Erkältungen am liebsten eine intensiv­   heiten, die sich gegen verschiedene Organe im Kör­
        medizinische Betreuung verlangen, soll das nicht      per richten.
        darüber hinwegtäuschen, dass alleine schon Grippe­
        erkrankungen bei Männern oft schwerer verlau­         Intensive Forschung
        fen als bei Frauen. An Covid-19 erkranken Frauen
        zwar auch immer wieder schwer, Männer jedoch
                                                              im Bereich Gender
        etwas mehr. Die exakten Gründe sind noch unbe­        In vielen Bereichen der Medizin gibt es grosse
        kannt, man geht jedoch davon aus, dass Frauen ein     Unterschiede zwischen Mann und Frau. Die soge­
                                                              nannte Gendermedizin wird derzeit intensiv er­
                                                              forscht. Gemäss der Schweizerischen Ärztezeitung
                                                              fand man in einer Studie des Zürcher Triemli­
                                                              spitals kürzlich heraus, dass bei einem Herz­infarkt
                                                              Frauen länger zögern als Männer, medizinische
        ▶ Hormone. Geschlechtshormone lassen                  Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein Grund für den
          Männer und Frauen nicht nur anders sein             fatalen Zeitverlust sei, dass bei Frauen häufig an­
          und aussehen, sondern beeinflussen                  dere Symptome auftreten als bei Männern (siehe
          auch das Immunsystem, den Stoffwechsel              auch Seite 12).
          und die Funktion der Organe.                           Ein anderes Beispiel: Man stellte fest, dass sich
Thema

                                                              bei Frauen die morgendlichen Autounfälle häuf­
        ▶ Leber. Die Leber ist bei Frauen kleiner
                                                              ten, nachdem sie am Vorabend ein Schlafmittel
          und manche Enzyme sind unterschied-
                                                              eingenommen hatten. Der Hintergrund dabei:
          lich ­aktiv. Deshalb vertragen Frauen den
                                                              Frauen bauen Wirkstoffe meistens langsamer ab
          Alkohol meist schlechter als Männer oder
                                                              als Männer, was in der Zulassungsstudie des Me­
          bauen Arzneimittelwirkstoffe anders
                                                              dikaments zu wenig berücksichtigt worden ist, da
          ab.
                                                              das Medikament vorwiegend an Männern getestet
        ▶ Herz. Bei Frauen zeigt der Herzinfarkt im           wurde. Das Interesse an der Forschung in diesem
          Vergleich zu Männern andere Symptome.               Bereich nimmt zu. Gemäss der Schweizerischen
          Während bei Männern häufig ein Enge-                Ärztezeitung werden jährlich 8000 bis 9000 wis­
          gefühl in der Brust auftritt, können Frauen         senschaftliche Artikel zum Thema Sex und Gender
          übermässig erschöpft sein, Schmerzen im             publiziert.
          Oberbauch haben oder Übelkeit verspü-
          ren.                                                                                                       Gendermedizin heisst sich bewusst zu sein, dass
                                                              Typisch Frau, typisch Mann
                                                                                                                     Männer und Frauen andere Symptome zeigen
        ▶ Darm. Der weibliche Darm arbeitet meis-
          tens etwas langsamer als der männliche.
                                                              Biologisch gesehen sind Frauen kleiner und leich­      können. Unter Umständen eine lebensrettende           Biologisches oder soziales
                                                              ter als Männer, sie haben mehr Fettgewebe, weni­       Erkenntnis. Im Bild: Notfallstation des Spitals
          Schädliche Substanzen haben deshalb
                                                              ger Muskelmasse und kleinere Organe. Sie neh­          Dornach (das Foto entstand vor der Corona-Zeit).      Geschlecht
          mehr Zeit, die Darmwand anzugreifen.
                                                              men Schmerz anders wahr und ihr Stoffwechsel
          Das Reizdarmsyndrom etwa ist eine                                                                                                                                Das biologische Geschlecht (englisch: sex) wird
                                                              verläuft anders. Gemäss Prof. Cathérine Gebhard,
          Krankheit, die häufig bei Frauen anzu­                                                                                                                           durch die Geschlechts-Chromosomen fest-
                                                              die am Universitätsspital Zürich zum Thema ge­
          treffen ist.                                                                                                                                                     gelegt und definiert anhand der Geschlechts-
                                                              schlechterspezifische Medizin forscht, gibt es auf      Osteoporose beim Mann etwa eines der am meis­
                                                              der Seite der Medizin in manchen Bereichen im­          ten vernachlässigten Krankheitsbilder Europas.       merkmale, ob wir Mann oder Frau sind oder in
        ▶ Knochen. Brüchige Knochen (Osteoporo-
                                                              mer noch eine fehlende Geschlechtssensibilität.         Die Gendermedizin ist im Vergleich mit anderen       seltenen F
                                                                                                                                                                                    ­ ällen keine eindeutig ausgeprägten
          se) sind nicht nur ein Frauenproblem.
                                                                                                                                                                           Geschlechtsmerkmale haben. Das soziale
          Auch Männer erkranken daran. Nur wird               Das kann auch zu negativen Folgen für Männer            medizinischen Gebieten noch relativ jung. Es zeigt
                                                                                                                                                                           oder kulturelle Geschlecht (englisch: gender)
          das bei Männern häufig nicht erkannt.               führen. So werden etwa Depressionen, Essstörun­         sich aber immer mehr, dass die Berücksichtigung
                                                                                                                                                                           bezeichnet das Geschlecht, das jemand lebt
                                                              gen oder Osteoporose (Knochenbrüchigkeit) oft als       von Geschlechtsunterschieden bei Diagnose und
                                                                                                                                                                           (Rollenverständnis).
                                                              typische Frauenkrankheiten wahrgenommen und             Behandlung zu einer individualisierten und damit
                                                              bei Männern seltener diagnostiziert. Deshalb sei        besseren Medizin führt.

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Thema Gendermedizin Warum Frauen anders therapiert werden müssen als Männer - Solothurner Spitäler (soH)
UNTERSCHIEDLICHES SCHMERZEMPFINDEN
                                                                                                                                                                                                       Eine richtige Schmerzmedikation

                 Der Schmerz
                                                                                                                                                                                                       erfordert viel Fingerspitzengefühl,
                                                                                                                                                                                                       sagt Dr. med. Sascha Mandic,
                                                                                                                                                                                                       stellvertretender Chefarzt Anäs-
                                                                                                                                                                                                       thesie am Kantonsspital Olten.

                 ist weiblich
                 Immer mehr Studien zeigen, dass Frauen Schmerzen oft stärker
                 empfinden als Männer. Zeit für ein Umdenken in der Schmerzmedizin.

                                                                                                                                                                                                                                             Unterschiedliches Schmerzempfinden
                  Es gibt den viel gehörten Spruch: Müssten Männer     Frauen äussern sich
                  Kinder gebären, so wäre die Menschheit längst aus­
                  gestorben. Tatsache aber ist, dass Männer Schmer­    differenzierter
                  zen grundsätzlich besser aushalten können als        Schmerz ist aber nicht gleich Schmerz. Es sei wich­
                  Frauen. Untersuchungen, bei denen Männern und        tig, einen Unterschied zwischen akutem Schmerz
Thema

                  Frauen mit Druck und Hitze Schmerzen zugefügt        zu machen, der nach paar Wochen mehr und mehr
                  werden, zeigen, dass Männer eher in der Lage sind,   abklinge, und dem chronischen Schmerz. «Beim
                  schmerzstillende körpereigene Botenstoffe auszu­     akuten Schmerz gibt es nur wenig geschlechter­
                  schütten als Frauen. «Man muss wohl das Bild re­     spezifische Unterschiede in der Schmerzbehand­
                  vidieren, dass Männer schmerzempfindlicher sei­      lung», so Mandic. Grössere Geschlechterunter­
                  en als Frauen, es ist eher umgekehrt», sagt Sascha   schiede zeigten sich aber bei einer Vielzahl von
                  Mandic, stellvertretender Chefarzt der Anästhesie    chronischen Schmerzerkrankungen, die bei Frau­
                  des Kantonsspitals Olten und Schmerztherapeut.       en allgemein häufiger auftreten als bei Männern.      Zu wenig spezifische                                  Genderspezifische Unterschiede
                  Bei Messungen der Hirnströme zeigte sich auch,       Nicht immer ist bei chronischen Schmerzen die Ur­     Medikamente für Frauen                                bei Schmerzen
                  dass beim selben Schmerz bei Frauen andere Hirn­     sache medizinisch klar. «Der Schmerz ist für diese
                  areale aktiv würden als bei Männern.                 Menschen aber real, denn ihre körpereigenen Sys­      «Das Bewusstsein, dass Frauen schmerztherapeu­        Frauen
                                                                       teme sind in solchen Fällen nicht in der Lage, den    tisch anders behandelt werden sollten, kommt          • suchen eher eine Ärztin oder einen Arzt auf
                                                                       Schmerz zu unterdrücken.» Typische chronische         mehr und mehr», sagt Sascha Mandic. Ein gros­         • können den Schmerz differenziert beschreiben
                                                                       Schmerzerkrankungen, welche bei Frauen etwa           ser Aufholbedarf bestehe vor allem bei der Erfor­     • sind offener für ganzheitliche Therapien
                                                                       zwei- bis dreimal häufiger vorkommen, sind die        schung von Schmerzmedikamenten. «Studien,             • leiden zwei- bis dreimal häufiger an gewissen
        Körpereigene Schmerz-                                          Migräne, das Reizdarmsyndrom oder die Rheuma­         wie Schmerzmedikamente wirken, wurden bis               chronischen Schmerzerkrankungen
                                                                       toide Arthritis. Frauen entwickeln dabei auch häu­    vor 20, 30 Jahren fast ausschliesslich an Männern     • haben eine geringere körpereigene (endogene)
        hemmung bei der Geburt                                         figer Begleitsymptome wie zum Beispiel Angst          gemacht. Heute aber wissen wir, dass Frauen auf­        Schmerzhemmung
                                                                       oder Schlafstörungen und Depressionen.                grund vieler Faktoren ganz anders auf Medika­
        Während der Schwangerschaft wird das körper­                      Frauen setzen sich aber auch anders mit dem        mente ansprechen als Männer.» Opiumhaltige            Männer
        eigene System der Frau zur Schmerzhemmung                      Thema Schmerz auseinander: «Sie können meis­          Schmerzmittel etwa wie Morphin wirken bei Frau­       • neigen eher dazu, den Schmerz zu tolerieren
        gegen Ende der Schwangerschaft immer                           tens viel differenzierter und exakter ihr Leiden      en verzögert, dafür stärker und lassen später nach.   • suchen eher den Weg der Selbstbehandlung
        stärker. Der Grund dafür sind die veränderten                  beschreiben als Männer und sind in der Regel offe­    Frauen reagieren auch häufiger mit Übelkeit als       • verlangen beim Arztbesuch rascher nach einer
        Hormonspiegel. Während der Geburt ist dieses                   ner gegenüber einem ganzheitlichen Ansatz in der      Männer. Frauen weisen deshalb auch ein höheres          Schmerzspritze
        System stärker aktiviert, damit der Geburts-
                                                                       Therapie», sagt Schmerztherapeut Sascha Mandic.       Risiko für unerwünschte Nebenwirkungen von            • neigen aufgrund von Schmerzen eher zu einer Sucht-
        schmerz ausgehalten werden kann. Nach der
                                                                       Männer verlangten rascher nach einer Interven­        Arzneimitteln auf. «Bei der Entwicklung von gen­        mittelabhängigkeit und gesteigerter Aggressivität
        Geburt gehen die Hormonspiegel wieder in den
                                                                       tion in Form einer Spritze oder eines Eingriffs,      derspezifischen Medikamenten stehen wir erst am       • haben eine stärkere körpereigene Schmerzhemmung
        ursprünglichen Zustand zurück.
                                                                       Frauen nutzten auch komplementäre Angebote            Anfang, es gibt bis heute noch kein genderspezifi­
                                                                       wie Akupunktur, Massage oder Psychotherapie.          sches Schmerzmittel», so Sascha Mandic.

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Thema Gendermedizin Warum Frauen anders therapiert werden müssen als Männer - Solothurner Spitäler (soH)
GENDERGERECHTE NOTFALLMEDIZIN

        Frauen zeigen häufig
                                                                                                      In der Notfallmedizin entscheiden manchmal we­       heisst, bei vielen Erkrankungen gebe es schlicht
                                                                                                      nige Minuten darüber, wie sich der weitere Krank­    zu wenig Daten, welche Symptome Frauen zeigen
                                                                                                      heitsverlauf entwickelt. Deshalb muss eine Not­      würden. «Wir brauchen in diesem Bereich unbe­

        andere Symptome
                                                                                                      fallmedizinerin, ein Notfallmediziner gut in der     dingt mehr Forschung», so Gregor Lindner.
                                                                                                      Diagnostik sein und rasch erfassen können, was
                                                                                                      hinter Bauchschmerzen, dem Kribbeln im Arm,          Viele Ärztinnen arbeiten
                                                                                                      Kopfweh oder dem Schwindel stecken könnte.
                                                                                                          Nicht ganz einfach, wenn man bedenkt, dass
                                                                                                                                                           im Notfall
        Unser Geschlecht hat einen grossen Einfluss auf die Symptome, durch                           bei derselben Erkrankung Männer und ­       Frauen   Unterschiedliche Symptome zeigen, sei aber nur
                                                                                                      unterschiedliche Symptome zeigen. So haben           der eine Aspekt der Genderfrage. «Der andere», so
        die sich Krankheiten zeigen. Gender in der Notfallmedizin sollte deshalb                      Frauen etwa bei einem Herzinfarkt oft ganz ande­     der Chefarzt des Notfallzentrums, sei, «dass Ärz­
        mehr Beachtung finden.                                                                        re Beschwerden als Männer. Dasselbe bei einem        tinnen ihre Patienten anders behandeln als Ärz­
                                                                                                      Schlaganfall, bei dem Frauen immer wieder Symp­      te». So würden Ärztinnen oft mehr Zeit bei ihren
                                                                                                      tome wie Gliederschmerzen, Schluckbe­schwerden       Patientinnen und Patienten verbringen und mehr
                                                                                                      oder Kurzatmigkeit zeigen können – die bei Män­      mit ihnen reden. «Aus Untersuchungen wissen wir,
                                                                                                      nern seltener oder gar nicht auftreten.              dass diese Patienten nicht nur eine höhere Zufrie­
                                                                                                          Hingegen wird zum Beispiel die «Frauenkrank­     denheit ausweisen, sondern auch eine geringere
                                                                                                      heit» Osteoporose, die Knochenbrüchigkeit, bei       Sterblichkeit und eine tiefere Rehospitalisations­
                                                     Medizinische Lehrbücher basierten meist auf      Männern zu wenig erkannt, weil sie viel seltener     rate – sprich kein zweites Mal wegen derselben Er­
                                                     Studien, die an Männern durchgeführt wurden,     auftritt. «Die Medizin, die wir lernen, lernen wir   krankung ins Spital kommen müssen.» Übrigens
                                                     sagt PD Dr. med. Gregor Lindner, Chefarzt        aus Lehrbüchern, die vor allem auf Studien basie­    arbeiten in den meisten Notfallzentren etwa gleich

                                                                                                                                                                                                                       Gendergerechte Notfallmedizin
                                                     Notfallzentrum und Innere Medizin Bürgerspital   ren, die fast ausschliesslich an Männern durchge­    viele Ärzte wie Ärztinnen – der Grund dafür liegt
                                                     Solothurn.                                       führt wurden», sagt Gregor Lindner, Chefarzt des     vermutlich in der guten Umsetzbarkeit von Teil­
                                                                                                      Notfallzentrums des Bürgerspitals Solo thurn. Das    zeitpensen.
Thema

                                                                                                      Chronische Erkrankungen
                                                                                                                                                                                    Warum Männer
                                                                                                      bei Männern und Frauen
                                                                                                                                                                                    häufig schwerer an
                                                                                                      Erkrankung                              Frauen %     Männer %                 Covid-19 erkranken
                                                                                                      Arthrose und rheumatische Arthritis       18,6         10,2                   Weltweit treten rund 60 Prozent
                                                                                                      Heuschnupfen, Allergien                   25,7         22,2                   der Corona-Todesfälle bei Män-
                                                                                                                                                                                    nern auf. Man weiss, dass sie
                                                                                                      Depression                                 7,9          5,3
                                                                                                                                                                                    grundsätzlich eine höhere An­
                                                                                                      Asthma                                     5,6          4,6                   fälligkeit für Infektionen haben
                                                                                                      Osteoporose                                5,4          0,8                   können, so erkranken Männer
                                                                                                                                                                                    etwa häufiger an Hepatitis A
                                                                                                      Krebs                                      1,5             1,8
                                                                                                                                                                                    oder Tuberkulose als Frauen.
                                                                                                      Chronische Bronchitis                      2,6             2,1                Frauen haben genetisch bedingt
                                                                                                      Herzinfarkt                                0,3          0,7                   ein besseres Immunsystem und
                                                                                                                                                                                    sprechen ausserdem besser auf
                                                                                                      Schlaganfall                               0,4          0,4
                                                                                                                                                                                    Impfungen an als Männer. Man
                                                                                                                                                                                    führt das stärkere Immunsystem
                                                                                                                                                                                    der Frauen darauf zurück, dass
                                                                                                                                                                                    es im Falle einer Schwanger-
                                                                                                                                                                                    schaft auch das ungeborene
                                                                                                                                                                                    Kind schützen muss. Frauen ha-
                                                                                                               Was tun bei einem Notfall? Was tun bei Verdacht                      ben im Gegensatz zu Männern
                                                                                                               auf eine Covid-19-Infektion? Mehr Informationen                      aber ein höheres Risiko einer
                                                                                                               finden Sie hier:                                                     Autoimmunerkrankung.
                                                                                                               ▸ www.solothurnerspitaeler.ch/notfall

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Thema Gendermedizin Warum Frauen anders therapiert werden müssen als Männer - Solothurner Spitäler (soH)
HERZ-KREISLAUF-ERKRANKUNGEN

        Frauenherzen
        schlagen anders
                                                                                                                                                                                        Allgemeine Symptome bei Herzinfarkt
                                                                                                                                                                                        ▶ Heftiger Druck auf der Brust, beklem-
                                                                                                                                                                                          mende oder beengende Schmerzen, oft
                                                                                                                                                                                          verbunden mit Atemnot
        Ein Herzinfarkt gilt als typische Männerkrankheit. Das stimmt                                                                                                                   ▶ Hin und wieder Ausstrahlung des
                                                                                                                                                                                          Schmerzes in den gesamten Brustbereich,
        jedoch nicht. Es sterben mehr Frauen an einem Herzinfarkt                                                                                                                         Arme, Hals oder Bauch
        als Männer. Das liegt unter anderem daran, dass sich der Herz-                                                                                                                  ▶ Blasse Gesichtsfarbe, Übelkeit, Schwäche,
                                                                                                                                                                                          Schweissausbruch
        infarkt bei Frauen anders bemerkbar macht.                                                                                                                                      ▶ Der Schmerz ist dauernd da und ver-
                                                                                                                                                                                          schwindet auch nicht in Ruhesituationen
                                                                                  In der Kardiologie                                                                                    Zusätzliche Symptome bei Frauen
                                                                           kommen Genderunter­                                                                                          ▶ Schmerzen und Spannungen im Nacken,
                                                                                schiede besonders                                                                                           Kiefer, in Schultern oder im oberen Rücken
                                                                                 ­deutlich zum Vor-                                                                                     ▶   Schmerzen in einem oder beiden Armen
                                                                            schein. Dr. med. Nisha                                                                                      ▶   Schmerzen im Oberbauch
                Männlich, über 55, Stress am Arbeitsplatz, Überge­         Arenja, Leitende Ärztin                                                                                      ▶   Übelkeit oder Erbrechen

                                                                                                                                                                                                                                         Herz-Kreislauf-Erkrankungen
                wicht, Rauchen und Alkohol, plötzlich einsetzende            Kardiologie, kennt die                                                                                     ▶   Schwitzen
                Atemnot, ein heftiger Druck auf der Brust – so stel­            geschlechterspezi­                                                                                      ▶   Benommenheit oder Schwindel
                len wir uns den klassischen Herzinfarkt vor. Das            fischen Symptome bei                                                                                        ▶   Unerklärliche Müdigkeit
                Bewusstsein, dass aber Frauen häufiger an Herzin­                       Herzinfarkt.
Thema

                farkt sterben und genauso von Herz-Kreislauf-Er­
                krankungen betroffen sind wie Männer, ist in der
                breiten Bevölkerung kaum vorhanden.                                                                    Was ist ein Herzinfarkt
                                                                       Unterschiedliche
                                                                                                                       Bei einem Herzinfarkt ist die Durchblutung eines Herzkranzgefässes komplett oder teilweise
                Frauen reagieren oft zu spät                           Häufigkeiten
                                                                                                                       verschlossen. Dadurch erhält der Herzmuskel keinen oder zu wenig Sauerstoff und kann absterben.
                «In der Kardiologie und der Notfallmedizin wis­ Ein Herzinfarkt tritt bei Männern meistens zwi­        Ein Herzinfarkt ist lebensbedrohlich und muss deshalb sofort behandelt werden.
                sen wir, dass Frauen andere Symptome bei einem schen 60 und 70 Jahren, bei Frauen zehn Jahre
                Herzinfarkt zeigen können als Männer und sind später zwischen 70 und 80 Jahren auf. Das höhe­
                                                                                                                       Was tun bei einem Herzinfarkt?
                darauf sensibilisiert», sagt Dr. med. Nisha Arenja. re Alter ist einer der Gründe, weshalb der Herz­
                Sie ist Leitende Ärztin Kardiologie an den zwei infarkt bei Frauen häufiger zum Tod führt. Aber        Alarmieren Sie sofort den Notruf 144. Lagern Sie den Herzinfarktpatienten mit leicht ange-
                Standorten Bürgerspital Solothurn und Kantons­ auch einen Hirnschlag erleiden Frauen meist im          hobenem Oberkörper auf einer harten Unterlage und öffnen Sie ihr oder ihm enge Kleider,
                spital Olten. «Das Problem ist vielmehr, dass vie­ höheren Alter als Männer und haben dadurch          Krawatte oder Büstenhalter. Bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand sofort mit der Herzmassage
                le Frauen ihre eigenen Symptome ignorieren und eine höhere Sterblichkeit. «Deshalb brauchen wir        beginnen. Bei Verfügbarkeit einen Defibrillator einsetzen.
                dabei keineswegs an einen Herzinfarkt denken. unbedingt mehr Aufklärungsarbeit», so Nisha
                Dadurch gehen sie oft zu spät ins Spital oder zum Arenja. Denn der Herzinfarkt ist nach wie vor die
                Arzt.» Nisha Arenja hat auch schon die Erfahrung häufigste Herz-Kreislauf-Erkrankung bei Frauen
                gemacht, dass Frauen gut auf Symptome bei ih­ wie bei Männern und die häufigste Todesursache
                ren Partnern achten würden und eher noch ihre in der Schweiz. Das Thema Herzinfarkt und weite­
                Männer ins Spital schickten als sich selbst. Frauen re Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen werde
                reagierten oft sehr überrascht, wenn bei ihnen ein gerade in der Gesundheitsprävention noch immer
                Herzinfarkt diagnostiziert werde.                   viel zu «stiefmütterlich» behandelt.

                ▸ www.swissheart.ch

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Thema Gendermedizin Warum Frauen anders therapiert werden müssen als Männer - Solothurner Spitäler (soH)
GESCHLECHTSIDENTITÄT BEI KINDERN UND JUGENDLICHEN

                   Sich
                   so
                   fühlen,
                   wie

                                                                                                                                       Geschlechtsidentität
Thema

                                                                                 Kinder ordnen sich in der Regel klar einer Ge­

                   man ist
                                                                                 schlechterkategorie zu. Sie sind entweder Jungen
                                                                                 oder Mädchen, da andere Konzepte in ihrer Er­
                                                                                 fahrungswelt noch nicht existieren oder ihre Vor­
                                                                                 stellungskraft übersteigen. Es gibt jungenhafte
                                                                                 Mädchen und mädchenhafte Jungen, Mädchen,
                                                                                 die kurze Haare tragen und am liebsten mit Bu­
                                                                                 ben spielen und Jungen, welche die Farbe Rosarot
                                                                                 mögen und lieber mit Puppen als Autos spielen.
                                                                                 Genauso vielfältig also wie Kinder sich entwi­
                                                                                 ckeln, können auch die geschlechtsorientierten
                                                                                 Ausprägungen sein – und alles innerhalb der so­
                                                                                 genannten Norm. Das angeborene Geschlecht, die
                   Die sexuelle Identität entwickelt sich bei den allermeisten   Geschlechtsidentität und die Geschlechterrolle
                                                                                 stimmen überein.
                   Kindern und Jugendlichen binär. Das heisst: Sie fühlen
                   sich klar als Mädchen oder Jungen. Rund ein halbes Prozent    Entwicklung beginnt im
                   aber fühlt sich in den falschen Körper hineingeboren          Kindesalter
                   oder kann sich mit der zugeteilten Geschlechterrolle nicht    Dann gibt es auch Kinder oder Jugendliche, die
                                                                                 sich nicht mit ihrem bei Geburt zugewiesenen Ge­
                   identifizieren.                                               schlecht identifizieren können – sie fühlen sich im
                                                                                 falschen Körper oder in der falschen Geschlech­ ▸

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Thema Gendermedizin Warum Frauen anders therapiert werden müssen als Männer - Solothurner Spitäler (soH)
GESCHLECHTSIDENTITÄT BEI KINDERN UND JUGENDLICHEN

        terrolle. Dr. med. Anne-Catherine von Orelli hat als
        Chefärztin der Kinder- und Jugendpsychiatrie der
        Solothurner Spitäler zunehmend mit Heranwach­
        senden zu tun, die sich dem anderen Geschlecht
                                                                                                                                         Dr. med. Anne-Catherine von Orelli,
                                                                                                                                         Chefärztin der Kinder- und Jugend­
                                                                                                                                      psychiatrie, hat zunehmend mit Heran-
                                                                                                                                             wachsenden zu tun, die sich dem
                                                                                                                                       anderen Geschlecht zugehörig fühlen.
                                                                                                                                                                               Die rechtliche Situation
                                                                                                                                                                                                                    §
                                                                                                                                                                               Jeder Mensch hat das Recht, entsprechend seiner
                                                                                                                                                                               Geschlechtsidentität zu leben. So darf (ausser im
        zugehörig fühlen. Bei Weitem nicht alle Kinder, die                                                                                                                    amtlichen Verkehr) der passende, selbstgewählte
        im Kindesalter diese Empfindungen äussern, ent­                                                                                                                        Name benutzt werden und es ist erlaubt, die Klei­
        wickeln im Verlauf eine Transidentität. Und doch                                                                                                                       dung zu tragen, die einem entspricht. Um sein
        gibt es Kinder und Jugendliche, bei denen diese                                                                                                                        amtliches Geschlecht ändern zu lassen, braucht
        Empfindung über die Jahre bestehen bleibt. Sie                                                                                                                         es heute noch ein langwieriges gerichtliches Ver­
        nennen sich Transgender. Oft steigt der Leidens­                                                                                                                       fahren und medizinische Untersuchungen. Auf
        druck mit den körperlichen Veränderungen in der                                                                                                                        Bundesebene ist nun jedoch eine Gesetzesände­
        Pubertät deutlich an. Die Jugendlichen berichten                                                                                                                       rung geplant, welche die amtliche Änderung des
        über eine starke Ablehnung des eigenen Körpers,                                                                                                                        Vor­namens und den amtlichen Eintrag des Ge­
        wenn die Brüste zu wachsen beginnen, die Mens­                                                                                                                         schlechts massiv vereinfachen soll.
        truation einsetzt beziehungsweise die Körperbe­
        haarung zunimmt und der Stimmbruch kommt.

        Höhere gesellschaftliche
        Akzeptanz                                                                                                                                                              LG B T

                                                                                                                                                                                                                                   Geschlechtsidentität
        Identitätskrisen gehörten zwar grundsätzlich zum                                                                                                                       Die Abkürzung LGBT oder auch LGBTIQ
        Erwachsenwerden, so Anne-Catherine von Orelli.                                                                                                                         kommt aus dem englischen Sprachraum
Thema

        «Wenn es aber aufgrund der Transgender-Thema­                                                                                                                          und ist die Abkürzung für Lesbian (lesbisch),
        tik zu zusätzlichen Konflikten mit der Familie, zu                                                                                                                     Gay (schwul), Bisexual (bisexuell) und Trans­
        Diskriminierungen am Arbeitsplatz oder Schwie­                                                                                                                         gender (Menschen, die sich mit ihrer angeborenen
        rigkeiten mit Freundinnen und Freunden kommt,                                                                                                                          Geschlechterrol­le nicht identi­fizieren können).
        zeigt sich der psychische Leidensdruck bei diesen                                                                                                                      Die zusätzlichen Abkürzungen I und Q stehen für
        Jugendlichen oft sehr stark.» Aus Studien weiss                                                                                                                        Intersexual (Menschen mit weiblichen und männ­
        man, dass Transmenschen häufiger von Depres­                                                                                                                           lichen Ge­schlechtsmerk­malen) und Queer (Sam­
        sionen oder Selbstverletzungen betroffen sind                                                                                                                          melbegriff für Menschen ausserhalb der hetero­
        und eine höhere Suizidrate ausweisen, so Anne-                                                                                                                         sexuellen oder binären Norm).
        Catherine von Orelli weiter. Deshalb sei es wichtig,
        Transjugendliche und deren Familien bei Bedarf         Kurz erklärt
        fachlich zu unterstützen. «Wer eine Ansprechper­
        son hat, sich verstanden fühlt und in seinem Um­       Transgender. Oberbegriff für alle Menschen, die      Hat Transgender etwas mit Sexualität zu tun?
        feld Akzeptanz erlebt, hat meistens weniger Mühe       sich entweder mit ihrem angeborenen Geschlecht       Nein. Die sexuelle Orientierung, also ob jemand
        mit seinem Erleben klarzukommen und sich gege­         nicht identifizieren können oder sich keinem         beispielsweise homo- oder heterosexuell ist, ist
        benenfalls zu outen.»                                  Geschlecht zugehörig fühlen.                         unabhängig von der Geschlechteridentität.
        Die Chefärztin der Kinder- und Jugend-                 Transfrau. Eine Frau, die mit männlichen Ge-         Haben Transmenschen eine medizinische
        psychiatrie nimmt wahr, dass viele                     schlechtsmerkmalen geboren wurde, sich aber          Behandlung hinter sich? Nur ein Teil unterzieht
        Jugendliche mit dem Thema der                          als Frau identifiziert.                              sich einer geschlechtsangleichenden Operation.
        Geschlechtsidentität heute ent-                        Transmann. Ein Mann, der mit weiblichen Ge-          Manche nehmen auf ärztliche Verordnung hin
        spannter umgehen können als                            schlechtsmerkmalen geboren wurde, sich aber als      Hormone ein. Das weibliche Hormon Östrogen
        noch vor zehn, zwanzig Jahren,                         Mann identifiziert.                                  bewirkt bei Männern etwa eine Feminisierung des                   ▸ www.tgns.ch
        «dank der LGBT-Bewegung wird                           Transvestit. Sehr häufig werden Transmenschen        Körpers mit weniger Haarwuchs in Gesicht und                      Transgender Network Switzerland ist
        das Thema offener und häufig                           mit Transvestiten verwechselt. Ein Transvestit ist   Körper, Abnahme der Hodengrösse, Abnahme von                      ein schweizweit tätiger Verein für Trans­
        diskutiert, was im Allgemeinen zu                      ein Mensch, der sich als Mann oder Frau kleidet.     sexuellem Verlangen und Erektion. Das männli-                     menschen.
        einer Sensibilisierung und damit                       Travestie, oft Männer, die als weibliche Sängerin-   che Hormon Testosteron bewirkt bei Frauen eine                    ▸ www.milchjugend.ch
        zu einer höheren Akzeptanz in                          nen auftreten, ist eine Kunstform. Im Gegensatz      Maskulinisierung des Körpers. Dabei können                        Jugendorganisation für alle dazwischen
        der Gesellschaft führt».                               zu Transmenschen fühlen sich Transvestiten in der    etwa Barthaare wachsen, das Muskelwachstum                        und ausserhalb.
                                                               Regel aber wohl mit ihrem Geschlecht.                zu­nehmen oder die Stimme tiefer werden.                          ▸ www.du-bist-du.ch

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Thema Gendermedizin Warum Frauen anders therapiert werden müssen als Männer - Solothurner Spitäler (soH)
KREBSERKRANKUNGEN                                      BRUSTKREBS KANN JEDE FRAU TREFFEN

                                                               «Ich gestattete mir,
                                                               krank zu sein»
                                                               Als Antonia Sommer die Diagnose Brustkrebs erhielt, wusste sie, es kann
                                                               auch einen Weg geben, den Krebs zu besiegen. Neun Monate lang Therapien
                                                               hat die heute 59-jährige Frau hinter sich und schaut optimistisch in die

        Den eigenen
                                                               Zukunft.

        Weg finden
                                                                                                            «Mein Mann und ich sind selbständig und führen
                                                                                                            eine Vermittlungsagentur im en gros Handel für
                                                                                                            Möbel. Wir sind das Bindeglied zwischen Herstel­
                                                                                                            ler und Möbelhaus und arbeiten beide mit grosser
                                                                                                            Leidenschaft für unsere Firma. Die ersten Anzei­

                                                                                                                                                                    Brustkrebs
Thema

                                                                                                            chen hatte ich ignoriert. Ich hatte weder Schmer­
                                                                                                            zen noch die Zeit, mich darum zu kümmern. Ich
                                                                                                            hoffte, dass es nichts Schlimmes sei.
        Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei                                                        Erst als sich die Brust rötete, reagierte ich und
        Frauen, Prostata­krebs ist die häufigste Krebs-                                                     ging zum Hausarzt, der mich sofort an die Frauen­
                                                                                                            klinik des Kantonsspitals Olten überwiesen hatte.
        erkrankung bei Männern. Antonia Sommer                                                              Nach vier Tagen hatte ich die Diagnose Brustkrebs.
        und Christian Darasz haben ihren eigenen                                                            Ich war gefasst gewesen, hatte es schon fast erwar­
                                                                                                            tet. Mein Mann konnte vor über 30 Jahren von ei­
        Umgang damit gefunden. Eines aber half                                                              ner Krebserkrankung mit einer Überlebenschance
        beiden: darüber reden.                                                                              von zehn Prozent vollständig geheilt werden. Ich
                                                                                                            wusste, Krebs kann man auch besiegen.
                                                                                                                Da der Krebs bereits fortgeschritten war, aber
                                                                                                            glücklicherweise keine Ableger gebildet hatte, er­
                                                                                                            hielt ich vor der Operation sechs Monate Chemo­
                                                                                                            therapie. Das war zu Beginn heftig. Mit der Zeit
                                                                                                            fielen mir die Haare aus, die Augenbrauen, sogar
                                                                                                            die Wimpern. Als ich mit Perücke meine Nachbarin
                                                                                                            traf, meinte sie, meine neue Frisur stünde mir gut.
                                                                                                            Ich erzählte ihr und meinem nahen Umfeld von
                                                                                                            meinem Brustkrebs. Erst waren sie schockiert, da­
                                                                                                            für war es danach einfacher, offen zu sprechen. Mit
                                                                                                            meinem Onkologen gab es oft lustige Momente ob
                                                                                                            meiner vielen Fragen. Nicht nur die Wirkmechanis­
        Die rosarote Schleife (Pink Ribbon) steht als Symbol                               Antonia Sommer   men der Chemo-Mittel wollte ich verstehen, auch
        für Brustkrebs. Die Schwerpunktkampagnen                                           wusste, dass     andere biologische Themen in diesem Zusammen­
        finden jeweils im Oktober statt. Und im Movember
                                                                                           man Krebs auch   hang weckten meine Neugier. Alles, was in mei-
        (Moustache + November) lassen sich immer mehr
        Männer einen Schnauz wachsen, aus Solidarität mit                                  besiegen kann.   nem Kopf herumschwirrte schrieb ich in mein No­
        Betroffenen von Prostata- oder Hodenkrebs.                                                          tizbuch. Anfänglich waren es Notizen, mit der ▸

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BRUSTKREBS
        Zeit wurde es ein Tagebuch. Immer wenn der Berg
        zu gross wurde, half das Schreiben.                                 «Patientinnen
                                                                            müssen
           Nach der Chemotherapie folgte die O      ­ peration,
        ein gleichzeitiger Brustaufbau war leider nicht
        möglich. Als mir mit einem Spiegel meine ope­
        rierte Brustseite gezeigt wurde, war ich über­
        rascht, dass sie gar nicht so schlimm aussah, wie                   die Therapie
                                                                            verstehen»
        ich befürchtete. Nach der Operation dann die Be­
        strahlung am Kantonsspital Aarau. Fünf Wochen
        lang von Montag bis Freitag. In Aarau, einem viel
        grösseren Spital, merkte ich, dass mir die Bezugs­
        personen vom Kantonsspital Olten fehlten. Es war                    Bei Brustkrebs gibt es immer
        in Olten schon fast eine familiäre Betreuung. Zwei                  mehrere Behandlungsmög-
        spezialisierte Pflegefachfrauen, die Breast Care
        Nurses, kümmerten sich über die ganze Behand­                       lichkeiten. Deshalb ist das
        lungsdauer um mich, leisteten mir manchmal                          Verständnis für die Krankheit
        sogar Gesellschaft, wenn ich die Chemotherapie
        verabreicht bekam. Ich hatte stets mit denselben                    wichtig.
        Ärzten und Pflegefachfrauen zu tun. Doktor Steva­
        novic und mein Onkologe Dr. Kälin informierten
        mich über alles, was ich wissen musste und wissen                   Wie ein Brustkrebs therapiert wird, ist immer sehr
        wollte. Und sprachen mir Mut zu.                                    individuell und davon abhängig, wie gross der Tu­
           Neun Monate dauerte die gesamte Behandlung.                      mor ist, ob er bereits Ableger (Metastasen) gebildet    Eine Krebstherapie ist immer auch Teamarbeit. Dr. med. Nebojsa Stevanovic, Chefarzt der Frauenklinik,
        Es war eine intensive Zeit. Ich gestattete mir, krank               hat oder welche Eigenschaften das Tumorgewebe           Antonia Sommer und Eveline Burkhard, Breast Care Nurse, im Garten des Kantonsspitals Olten.
        zu sein, hörte nun auf meine Bedürfnisse. Ich be­                   aufweist. Als Behandlungsmöglichkeiten kommen

                                                                                                                                                                                                                                                        Brustkrebs
Thema

        wegte mich mehr draussen, gönnte mir aber auch                      eine Chemotherapie in Frage, eine Bestrahlung,
        Ruhe und beschäftigte mich mit Dingen, die mir                      eine antihormonelle Therapie, der gezielte Einsatz      die Therapie wirkt oder ob wir sie anpassen müs­
        Freude machten und – was man nicht vergessen                        von Medikamenten und natürlich die O     ­ peration.    sen», so Dr. med. Nebojsa Stevanovic, Gynäkologe                   Brustkrebs früh erkennen
        darf – während einer Chemo- oder Strahlenthera­                     Wird der Krebs früh erkannt, kann der Tumor             und Chefarzt der Frauenklinik am Kantonsspital                     Alle Frauen im Kanton Solothurn zwischen
        pie braucht die Körperpflege viel Zeit. Die Haut war                meistens entfernt werden, ohne dass die Brust ab­       Olten. Er erlebt oft, dass Patientinnen das Gefühl                 50 und 74 Jahren werden neu alle zwei
        empfindlich, die Schleimhäute trocken, die Nägel                    genommen werden muss.                                   hätten, eine Chemotherapie sei die letzte Behand­                  Jahre schriftlich zum sogenannten Mammo-
        brüchig oder entzündet.                                                                                                     lung vor dem Sterben. «Es ist aber wichtig zu ver­                 grafie-Screening aufgeboten. Dank dieser
           Mein Mann und ich haben unser Arbeitsvolu­                                                                               stehen, dass es einerseits Chemotherapien gibt,                    regelmässig stattfindenden Röntgenuntersu-
                                                                            Verschiedene Chemotherapien
        men zu Beginn meiner Erkrankung reduziert und                                                                               die eine Heilung zum Ziel haben und andere mit                     chung kann Brustkrebs früh erkannt werden.
        werden es so belassen. Etwas früher als geplant be­                 Ob eine Chemotherapie vor oder nach der Opera­          dem Ziel der Lebensverlängerung durchgeführt                       Die Kosten werden durch die Krankenversi­
        reiten wir uns nun langsam auf die Pensionierung                    tion durchgeführt wird, hängt von der Art und Grös­     werden.»                                                           cherung übernommen. Das Mammografie-
        vor. Was ich anderen betroffenen Frauen mitgeben                    se des Tumors ab. «Bei einer Chemotherapie vor                                                                             Screening kann am Kantonsspital Olten,
        kann? Bleibt positiv! Es erleichtert die Behandlung.»               der Operation können wir genau beobachten, wie                                                                             Bürgerspital Solothurn und ab Februar 2021
                                                                                                                                    Der Dialog ist wichtig
                                                                                                                                                                                                       am Spital Dornach durchgeführt werden.
                                                                                                                                    Es brauche viele Gespräche, um mit der Diagnose
          Brustkrebs                                                                                                                Brustkrebs umgehen zu können und die Behand­
                                                                                                                                    lung zu akzeptieren. Die Betreuung durch die spe­
                             Bei Frauen ist Brustkrebs die häufigste        ­ lter, erbliche Veranlagungen, eine Hormonthera-
                                                                            A                                                       zialisierten Pflegerinnen, den Breast Care N
                                                                                                                                                                               ­ urses
                             Krebserkrankung. Pro Jahr erkranken rund       pie, Übergewicht nach der Menopause oder natür-         (Brustpflegefachfrauen), werde sehr geschätzt, so
                             6200 Frauen und 50 Männer. Die meisten         lich das Rauchen.                                       Stevanovic. «Manchmal kommen einem die Fra­
                             Frauen haben die Wechseljahre bereits          Vorsorge: Brustkrebs im Frühstadium löst meis-          gen erst nach der ärztlichen Sprechstunde in den
                             hinter sich, aber auch junge Frauen können     tens keine Beschwerden aus. Frauen, die gestillt        Sinn. Auch dafür sind die Breast Care Nurses da.»               Zertifizierte Brustzentren in Solothurn und Olten
                             von Brustkrebs betroffen sein. Die Heilungs-   haben, erkranken weniger an Brustkrebs. Es emp-                                                                         Das Bürgerspital Solothurn wie auch das Kantons-
                             chancen bei Brustkrebs sind hoch, in der       fiehlt sich, die Brust regelmässig selber ab­zutasten                                                                   spital Olten verfügen über je ein zertifiziertes
                             Schweiz leben gemäss Untersuchungen            und bei Veränderungen eine Ärztin oder einen Arzt                                                                       Brustzentrum. Patientinnen können sich so sicher
                             fünf Jahre nach der Diagnose noch 85 Pro-      zu konsultieren. Die Selbstunter­suchung ersetzt                                                                        sein, dass beide Zentren ihre Behandlungen
                             zent der Patientinnen. Als häufigste Ursa-     nicht die Mammografie (Röntgenuntersuchung                                                                              nach neusten Erkenntnissen durchführen und über
                             che für Brustkrebs gelten das zunehmende       der Brust).                                                    ▸ www.krebsliga.ch                                       ein spezialisiertes und interdisziplinäres Team
                                                                                                                                           ▸ www.solothurnerspitaeler.ch                            verfügen.

 20                                                                                                                                                                                                                                                     21
PROSTATAKREBS – EIN TABUTHEMA UNTER MÄNNERN

              «Ich war selber
              überrascht»
              Christian Darasz war 60 Jahre alt, als bei ihm Prostatakrebs
              diagnostiziert wurde. Anders als die meisten Männer versteckte
              er die Erkrankung nicht, sondern sprach offen darüber.

              «Beschwerden hatte ich keine. Aber einen erhöh­         du schaffst einen Weg hinaus. Dann redete ich. Mit                                                                                  Ein Wirt mit Leiden-
              ten PSA-Wert, welcher einen Prostatakrebs anzei­        meiner Frau, meinem Sohn, mit dem Spezialisten,                                                                                     schaft. Christian
              gen kann. Der erhöhte Wert wurde bei einer Rou­         dem Hausarzt, Angehörigen, Freunden. Ich setzte                                                                                     Darasz ist heute wie-
              tineuntersuchung beim Hausarzt festgestellt, aber       mich intensiv mit dem Thema auseinander.                                                                                            der gesund. Wenns

                                                                                                                                                                                                                                                 Prostatakrebs
              man wollte noch zuwarten. Eine weitere Untersu­            Ich ging ohne Angst ins Spital. Zu Doktor Mund­                                                                                  irgendwo zwicke,
Thema

              chung hatte ich aber verschoben, da mein Aareres­       henk, dem Spezialisten, der mich operierte, konnte                                                                                  dann sei der Krebs in
              taurant «Chrigus Aarebeizli» in Bannwil kurz vor        ich ein enges Vertrauensverhältnis aufbauen. Er                                                                                     Gedanken plötzlich
              der Saisoneröffnung stand. Da konnte ich unmög­         klärte mich transparent, ehrlich und umfassend                                                                                      wieder präsent.
              lich fehlen. Nach der Sommersaison dann der wei­        über den Eingriff auf. Der Spitalaufenthalt selbst
              tere Test und eine Biopsie mit der klaren Diagnose:     war sogar unterhaltsam. Als Beizer kenne ich na­
              Prostatakarzinom.                                       türlich so einige Menschen, viele von ihnen habe
                 Ich dachte immer, wenn ich einmal eine solche        ich im Spital wieder angetroffen. Ich schob also
              Diagnose erhalte, dann sei das mein Todesurteil.        Rollstühle, war in der Caféteria, auf einen Schwatz
              Ende, Schluss. Es überraschte mich selbst, dass         im Gang, draussen im Park – kurz, ich war perma­
              dem aber gar nicht so war. Es gibt ja viele Menschen,   nent unterwegs. Genau das, was mir gut tat. Ich bin
              die Krebs haben und ihn auch besiegen können.           nicht der Typ, der den ganzen Tag im Bett liegen
              Ich dachte, da bist du nicht der Einzige und auch       kann.

                                                                                                                               Eine Folge der Operation war die Inkontinenz.       In Gedanken. Ansonsten denke ich nicht mehr da­
        Prostatakrebs                                                                                                       Als Beizer kannst du dir sowas natürlich nicht leis­   ran. Ich will mir mein Leben nicht kaputt machen.
                                                                                                                            ten. Vier Wochen nach dem Eingriff begann ich mit      Das Reden half mir sehr. Und manchem anderen
                     Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkran­     Bei manchen Männern wächst er so langsam,             dem Beckenbodentraining. Bereits nach dem vier­        vielleicht auch. Ich staunte, wie viele Männer auch
                     kung bei Männern. Etwas mehr als 6000            dass man ab einem gewissen Alter einen Eingriff       ten Termin riet mir die Physiotherapeutin, ich solle   schon einen solchen Eingriff hinter sich haben
                     Männer, meistens älter als 50 Jahre, er-         hinauszögert, da die Nebenwirkungen des Ein-          meine Binden nun mal weglassen. Psychologisch          und bislang kaum je mit anderen darüber reden
                     kranken in der Schweiz jährlich an Prostata­     griffs schwerwiegender sind als die Erkrankung        sei es wichtig, das Vertrauen in den Körper wieder­    konnten.»                                         ▸
                     krebs. Die genauen Ursachen sind nicht           selbst.                                               aufzubauen. Und siehe da: Es ging. Das war eine
                     bekannt. Prostata­krebs gehört zu den            Vorsorge: Männern, bei denen Prostatakrebs            grosse Erleichterung. Ein grösseres Tabuthema für
                     Krebsarten mit den grössten Heilungschan-        bereits in der Familie (erstgradige männliche         die meisten Männer ist natürlich die Impotenz, die                  Die Prostata
                     cen. Als Risikofaktoren gelten das Alter         Verwandte) vorgekommen ist, wird ab dem               nach einem solchen Eingriff auftreten kann. Heute                   Die Prostata ist ein kastaniengrosses Organ
                     sowie Erbfaktoren. Prostatakrebs kann sehr       40. Lebensjahr eine Vorsorgeuntersuchung ­            gibt es aber viele Hilfsmittel und auch Therapien                   direkt unterhalb der Harnblase und umschliesst
                     unterschiedlich verlaufen und möglicher-         angeboten. Männern ohne Risikofaktoren wird           dagegen.                                                            die Harnröhre. Der Zweck der Prostata ist es,
                     weise kaum Beschwerden verursachen.              diese ab dem 45. Lebensjahr empfohlen.                   Wenns mich heute irgendwo zwickt oder mich                       die S
                                                                                                                                                                                                    ­ amenflüssigkeit als Trägerlösung für die
                                                                                                                            etwas schmerzt, ist der Krebs plötzlich wieder da.                  Spermien zu produzieren.

 22                                                                                                                                                                                                                                              23
PROSTATAKREBS                                                                           Die Technik erleichtert           3 FRAGEN AN DIE UROLOGIN UND SEXUALTHERAPEUTIN
                                                                                                Eingriffe an der Prostata –

        Millimeter-
                                                                                                der Dialog mit dem Patienten
                                                                                                bleibe aber zentral, meint
                                                                                                der Urologe Jens Mundhenk.        «Ohne Scham über alles
        genauer                                                                                                                   sprechen können»
        Eingriff                                                                                                                  Anne Timmermann, wie reagieren Ihre Patienten,       grosses Tabuthema. Wenn sie aber realisieren,
        Auch bei Prostatakrebs gibt                                                                                               wenn sie von einer Sexualtherapeutin behandelt       dass sie mit mir über alles reden dürfen, kann ich
                                                                                                                                  werden?                                              sie auch umfassend beraten. Das ist sehr wichtig.
        es selten nur einen Weg in der                                                                                            Zuerst einmal sind die meisten etwas zurückhal­      Oft muss ich den Impuls geben. Gemäss einer
        Therapie. Deshalb nimmt das                                                                                               tend, fassen aber rasch Vertrauen. Sobald sie        Studie wünschen sich 80 Prozent der Patienten,
                                                                                                                                  merken, dass ich ohne Scham über alles spreche,      dass das Thema der Sexualität von der Ärztin oder
        Vorgespräch mit dem Patienten                                                                                             was mit dem Genitalbereich zu tun hat, öffnen        dem Arzt angesprochen wird.
        eine wichtige Rolle ein, sagt                                                                                             sich selbst ältere Patienten. Vielleicht manchmal
                                                                                                                                  sogar mehr als bei einem Urologen, da ich als        Urologie-Patienten haben meistens ein gewisses
        der behandelnde Arzt Dr. med.                                                                                             Ärztin für sie keine Konkurrenz darstelle. Schwie­   Alter. Ist Sex dann noch ein Thema?
        Jens Mundhenk.                                                                                                            riger war es eher am Anfang meiner Ausbildung,       Dazu kann man keine allgemeingültige Aussage
                                                                                                                                  als der Altersunterschied zu meinen Patienten        machen. Genauso wenig wie zur Frage, welche
                                                                                                                                  grösser war.                                         Methode am erfolgversprechendsten ist, die
                                                                                                                                                                                       Erektionsfähigkeit wieder zu erlangen. Ich
                                                                                                                                  Was sind die häufigsten Fragen, die Männer mit       spreche nie von Impotenz – denn potent sein kann
                                                                                                                                  Prostatakrebs nach einem Eingriff haben?             jeder. Sexualität ist nämlich viel mehr als nur die
                                                                                                                                  Am wichtigsten ist für sie natürlich die Frage, ob   Frage, ob man Geschlechtsverkehr hat. Ich denke,
                                                                                                                                  der Tumor weg ist. Die weiteren Fragen bezüglich     Sexualität in einer Partnerschaft im Sinne von
Thema

                                                                                                                                  Kontinenz und Erektionsstörungen kommen erst         Nähe und Zärtlichkeit sollte und kann bis ins hohe
        Bevor eine Operation an der Prostata durchgeführt       Trainieren hilft                                                  im Verlaufe der Genesung. Über Sexualität zu         Alter gelebt werden.
        werden kann, braucht es umfangreiche Abklä­                                                                               sprechen ist für viele Männer nach wie vor ein
        rungen. Zuerst wird mit einer Biopsie (Gewebe­          Bei einer Prostatektomie muss die Verbindung der
        entnahme) festgestellt, ob es sich überhaupt um         Harnblase und Harnröhre durchtrennt und später
        einen Krebs und um welche Art es sich handelt.          wiederum vernäht werden, was zu einer zeitwei­
        Anschliessend wird das Umfeld des Tumors unter­         sen Inkontinenz führt. «Es ist heute jedoch so, dass
        sucht, um festzustellen, ob er bereits Ableger, soge­   die allermeisten Patienten wieder die vollständi­
        nannte Metastasen, gebildet haben könnte. «Erst         ge Kontrolle über ihre Blase erlangen können», so
        danach können wir zusammen mit dem Patienten            Jens Mundhenk. Eine weitere Folge des Eingriffs
        festlegen, welche Behandlungsmöglichkeiten für          sind Erektionsstörungen. Jens Mundhenk macht
        ihn infrage kommt», sagt Dr. med. Jens Mundhenk,        hierbei die Erfahrung, dass das Thema meistens
        Leitender Arzt Urologie der Solothurner Spitäler,       vom Urologen angesprochen werden müsse, da es
        «denn alle Methoden haben Vor- und Nachteile.»          für viele Männer immer noch schambehaftet sei.
                                                                Aber auch hier gebe es heute sehr viele Möglichkei­
                                                                ten, die Erektionsfähigkeit wieder zu erlangen oder
        Eingriffe mit dem Roboter
                                                                dann Hilfsmittel einzusetzen.
        Bei Christian Darasz war der Tumor bereits so fort­
        geschritten, dass nur eine Entfernung der Prostata
        infrage gekommen war, eine sogenannte Prosta­
        tektomie. Die meisten urologischen Eingriffe er­
        folgen mittlerweile mit dem Operationsroboter da
        Vinci, bei dem der Operateur an einer Konsole sitzt                  Die Urologie der Solothurner Spitäler geht in
        und mit Finger- und Fussbewegungen die Opera­                        der Patientenaufklärung neue Wege.
        tionsinstrumente millimetergenau steuern kann.                       Auf ▸ www.solothurnerspitaeler.ch können sich
        «Dadurch habe ich auf einem sehr kleinen Raum                        Patienten und Angehörige über die unterschied­
        eine grosse Bewegungsfreiheit und dank der drei­                     lichen Eingriffe mittels Erklärvideos informieren.
                                                                                                                                                                                       Dr. med. Anne Timmermann
        dimensionalen Darstellung eine sehr gute Sicht                       Interviews mit Fachärzten ergänzen die sach­                                                              ist Fachärztin für Urologie und verfügt über eine Zusatzausbildung
        rund um das Organ», so Jens Mundhenk.                                lichen Erklärungen.                                                                                       als Sexualmedizinerin / Sexualtherapeutin.

 24                                                                                                                                                                                                                                                         25
GUT ZU WISSEN
                                                                                                                                       Fast gleichauf
                                                                                                                                       Gemäss Bundesamt für Statistik sind 77,8 Prozent der Männer
                                                                                                                                       und 73,6 Prozent der Frauen körperlich aktiv. Der Unterschied bei
                                                                                                                                       der körperlichen Aktivität zeigt sich eher im sozialen Gefüge, je
                                                                                                                                       tiefer der Bildungsstandard, desto weniger körperliche Aktivitäten
                                                                                                                                       in Form von Sport.

                                                                                                       Brunft-                                                                                                              Länger
                 Schmerzen
                 selber abstellen                                                                      zeit                                                                                                                wirksam
                 Unser Körper kann Schmerz selber eindämmen.             Man geht davon aus, dass Frauen während der fruchtbaren
                                                                                                                                                                                                                       Viele Frauen bauen bestimmte Medi-
                 Bei Schmerzreiz versorgt unser Grosshirn die ent-      Zeit des Eisprungs eher Männer mit ausgeprägteren masku-
                                                                                                                                                                                                                         kamente langsamer ab als Männer.
                 sprechende Körperregion mit schmerzhemmen-             linen Gesichtszügen bevorzugen. Eine Rolle dabei spielt der
                                                                                                                                                                                                                            Die Konsequenz ist eine längere
                 den Stoffen. Ein Beispiel. Wenn Sie Ihre Hand in zu       erhöhte Östrogenspiegel. Umgekehrt wirken Frauen wäh-
                                                                                                                                                                                                                        Wirkdauer der Substanzen inklusive
                 warmes Wasser halten, so wird ein Schmerzreiz                    rend diesen Tagen oft auch attraktiver auf Männer.
                                                                                                                                                                                                                                         Nebenwirkungen.
                 ausgelöst und Sie ziehen die Hand zurück.
                 Sie können die Hand aber auch drinlassen und
                 gewöhnen sich nach kurzer Zeit
                 daran. Bei Männern ist dieses
                 System meist ausgeprägter
                 als bei Frauen.
                                                                                                                                                                                                       Alle zehn Jahre
                                                                                                                                                                                                       ein Schritt zur

                                                                                                                                                                                                                                                              Gut zu wissen
                                                                                                                                                                                                       Gleichberechtigung
                                                                                                                                                                                                       1971 wurde in der Schweiz das Stimm- und Wahl-
                                                                                                                                                                                                       recht für Frauen angenommen. 1981 wurde die

                                                                                                                                          Gefestigte                                                   Gleichberechtigung der Geschlechter in der
                                                                                                                                                                                                       Bundesverfassung verankert. Und seit 1991

                                                                                                                                          Rollenbilder
                                                                                                                                                                                                       dürfen Frauen auch im Kanton Appenzell
                                                                                                                                                                                                       Innerrhoden kantonal abstimmen.

                                                                                                                                          Gesellschaftliche Rollenbilder prägen unser
                                                                                                                                          Gesundheitsverhalten: So gestehen sich Männer
                                                                                                                                          tendenziell weniger psychische Erkrankungen
                                                                                                                                          wie etwa eine Depression ein. Umgekehrt realisie-
                                                                                                                                          ren Frauen oft nicht, dass auch sie zur Risiko-
                                                                                                                                          gruppe bezüglich Herzinfarkt gehören könnten.

                                                                                      Viel
Bilder: iStock

                                                Mädchen                             Gesundes
                                                fangen                                                                                                                                                      Körperlich
                                                früher an
                                                Die Pubertät fängt bei Mädchen
                                                                                           Rund 28 Prozent der Frauen essen
                                                                                           fünf oder mehr Portionen Früchte und
                                                                                                                                                                                                            anders
                                                                                                                                                                                                            Männer sind durchschnittlich grösser
                                                in der Regel zwischen 9 und 13             Gemüse pro Tag; bei Männern sind es
                                                                                                                                                                                                            und schwerer als Frauen, haben einen
                                                Jahren an, bei Knaben zwischen             lediglich rund 15 Prozent.
                                                                                                                                                                                                            niedrigeren Körperfettanteil und mehr
                                                11 und 15 Jahren.
                                                                                                                                                                                                            Muskelmasse.

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SPORTLICHE LEISTUNGEN VON MÄNNERN UND FRAUEN

        Die Unterschiede
        schwinden immer mehr
        Die Schweiz wird immer sportlicher. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass
        immer mehr Frauen Sport treiben. Doch was unterscheidet die Geschlechter?
        Ein Gespräch mit Sportmediziner Dr. med. Andreas Gösele.

                  Sind Frauen gleich sportlich wie Männer?             Eisprung mehr verletzen als sonst. Aber keine
                  Heutzutage ja. Das hat sich aber erst in den letz-   Regel ohne Ausnahmen. Vergleiche ich eine
                  ten Jahren verändert. Wir sehen im Breiten- und      Fussballerin mit einem Kunstturner, so ist es
                  Spitzensport, dass Frauen bezüglich Trainings­       bezüglich der Beweglichkeit natürlich umgekehrt.
                  umfang und -häufigkeit langsam aber sicher mit
Thema

                  den Männern gleichziehen. Das war vor 20 Jah-        Und bei welchen Sportarten haben Männer die
                  ren noch anders. Einzig bei der Altersgruppe der     besseren Voraussetzungen?
                  15- bis 24-Jährigen und bei den Männern über 60      Das lässt sich einfach erklären: In allen Sportarten,     Dr. med. Andreas Gösele ist Sportmediziner
                  sind die Männer bezüglich Trainingshäufigkeit        bei denen eine hohe Bereitstellung an schneller           und Leiter des Swiss Olympic Medical Centers
                  in der Mehrzahl.                                     Kraft gefragt ist. Eine Frau wird zum Beispiel nie        der crossklinik (Basel und Spital Dornach).
                                                                       in der Lage sein, beim 100-Meter-Lauf dieselbe            Er nahm als Olympiaarzt der Schweizer Athle-
                  Gibt es Sportarten, bei denen Frauen bessere         Zeit zu rennen wie ein Mann. Dasselbe sehen wir           tinnen und Athleten an zahlreichen olympi-
                  Voraussetzungen haben als Männer?                    beim Weit- oder Hochsprung, wo Männer ganz                schen Spielen teil (Sydney, Athen, Turin, Peking,   Ausdauer:
                  Vor allem bei ästhetischen Sportarten wie Sport­     andere Weiten beziehungsweise Höhen erreichen             Vancouver, London). Privat ist er ein leiden-
                  gymnastik, Turnen oder Eiskunstlauf haben            als Frauen. Aber im Langstreckenbereich schwin­           schaftlicher Rennrad- und Skifahrer.
                                                                                                                                                                                     So trainieren Sie richtig
                  Frauen deutlich bessere Voraussetzungen, da sie      den die Unterschiede immer stärker. Dort nähern                                                               Dr. med. Andreas Gösele hat eine klare Ant-
                  meistens beweglicher sind. Grund dafür ist das       sich Frauen mehr und mehr den Leistungen der                                                                  wort auf die Frage, wie man seine Ausdauer
                  Weiblichkeitshormon Östrogen, welches die            Männer an. Der Grund liegt auch hier im gestei­                                                               steigert: «Durch die Regelmässig­keit.» Nur am
                  Gelenke, Muskulatur und Bänder dehnbarer             gerten Trainingsvolumen.                                erreichen, ins Schwitzen kommen, durchbeissen         Wochenende beim Joggen Vollgas zu geben,
                  macht. Wir merken das übrigens auch bei Verlet­                                                              und so weiter. Trainingsphysiologisch macht das       mache keinen Sinn. Es brauche Regelmäs-
                  zungen, dass sich Frauen in Abhängigkeit vom         Sollten Frauen andere Sportarten ausüben als            aber keinen Sinn. Im Profisport sind die Trai­        sigkeit im Trainingsplan. Und dabei gilt es zu
                  Monatszyklus in der Phase vor und um den             Männer?                                                 ningsunterschiede zwischen den Geschlechtern          berücksichtigen, dass Regeneration, also die
                                                                       Nein. Alle Sportarten sind für beide Geschlechter       kaum vorhanden, da dort professionelle Trai­          Erholung, zu einem guten Training gehöre.
                                                                       gleich gut machbar. Vor der Pubertät übrigens           ningspläne befolgt werden.                            Als zweiten Tipp verweist der Sportmediziner
                                                                       sind in einer gemischten Sportklasse oft die                                                                  auf die Vielfältigkeit im Training: «Rennen Sie
           «Im Langstreckenbereich schwinden                           Mädchen den Jungs voraus. Bei Knaben kommt              Gibt es in der sportmedizinischen Behandlung          mal schnell, mal langsam, mal bergauf oder
                                                                       erst mit der Pubertät die Ausprägung der Mus­           genderspezifische Aspekte?                            bergab, gehen Sie auch ins Gelände statt
           die Unterschiede immer stärker.
                                                                       kulatur.                                                Nein. Ein Band ist ein Band, eine Verletzung ist      nur auf Strassen zu joggen.» Und drittens:
           Dort näheren sich Frauen mehr und                                                                                   eine Verletzung. Was wir aber sehen, ist, dass        «Üben Sie nie nur eine einzige Sportart aus.»
           mehr den Leistungen der Männer an.»                         Trainieren Männer und Frauen unterschiedlich?           sich Männer im Sport oft risikoreicher verhalten      Ausdauertraining ist gut, aber auch Kraft,
                                                                       Beim Trainingsverhalten hat man den Eindruck,           und deshalb häufiger verletzt sind. Vor allem         ­Beweglichkeit und Koordination wollen trai-
           Dr. med. Andreas Gösele
                                                                       dass Frauen unter sportmedizinischen Gesichts­          Männer zwischen 20 und 30 Jahren. Bei den Über-        niert werden, zum Beispiel mit Gymnastik
                                                                       punkten besser trainieren als Männer. Männer            lastungsschäden gibt es wiederum keine Unter­          oder Krafttraining.
                                                                       überlasten sich öfters, wollen körperliche Grenzen      schiede.

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ESSVERHALTEN VON MANN UND FRAU                                                                                         3 FRAGEN AN DIE RETTUNGSSANITÄTERIN

        Frauen essen vielfältiger
        Eine Tafel Schokolade. So gross etwa
        ist der Unterschied im Tagesbedarf an
        Kilokalorien zwischen Männern und
        Frauen. Dahinter stecken aber mehr als
        nur 500 kcal.

                   Das Essverhalten von Männern und Frauen ist
                   gender. Auf den Punkt gebracht: Männer essen
                   fettreicher, mehr Fleisch, weniger Früchte und sie
                   trinken mehr Alkohol. Und: Sie finden ihr Über­
                   gewicht in der Regel weniger problematisch als
                   Frauen. Frauen hingegen essen mehr Früchte und
                   Gemüse und gesamthaft weniger Fleisch. Sie be­
                   schäftigen sich aber eher mit ihrem Übergewicht
                   als Männer. Deshalb sind auch rund 80 Prozent der    Auch die Ernährungsberaterin Cornelia Albrecht

                                                                                                                               «Auch Männer sollten
                   übergewichtigen Patienten, die eine Ernährungs­      beisst gerne mal in den Hamburger.
                   beratung aufsuchen, weiblich – obwohl im Bevöl­
                   kerungsdurchschnitt mehr Männer übergewichtig

                                                                                                                               nicht zu schwer tragen»
Thema

                   sind.                                                wenn sie zu viel Energie aufnehmen. Das führt
                                                                        häufiger zu Diabetes, Bluthochdruck und anderen
                                                                        Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Frauen h    ­ingegen
                   Birne oder Bierbauch
                                                                        haben biologisch einen höheren Fettanteil als          Corinne Zemp, warum sind Sie Rettungs­               Equipe auf oder wir holen uns Hilfe. Bei einem
                   «Männer und Frauen haben unterschiedliche Ess­       Männer, dadurch eine schlechtere Verbrennung           sanitäterin geworden?                                Unfall etwa sind immer auch Polizistinnen und
                   gewohnheiten, was nicht zuletzt damit zu tun hat,    und eine stärkere Neigung zur Fettansammlung           Ich wusste bereits bei meiner Ausbildung zur         Polizisten oder Feuerwehrleute vor Ort. Und
                   dass Männer aufgrund ihrer Körperkonstitution        in den unteren Körperregionen, was zur soge­           Pflegefachfrau, dass ich in den Rettungsdienst       übrigens: Schwach sind wir also auch nicht.
                   mehr essen müssen», so Cornelia Albrecht. Denn       nannten Birnenform führt. Einen nicht zu unter­        wollte. Mich reizt das Unbekannte, das Draussen­     Übrigens sollten auch Männer nie zu schwer
                   Männer haben einen höheren Anteil an Muskel­         schätzenden Einfluss hat dabei auch der weibliche      sein, dass man nie weiss, was einen erwartet, dass   tragen – denn ohne gesunden Rücken kann man
                   masse, was die Verbrennung erhöht. Sie haben je­     Zyklus, sprich die Hormone. So steigt zum Beispiel     die Tage nicht planbar sind. Als Rettungssanitäte­   diesen Beruf nicht mehr ausüben.
                   doch die Tendenz, mehr Bauchfett anzusammeln,        die Lust auf Süssigkeiten vor der Menstruation in      rin treffe ich regelmässig auf Menschen in
                                                                        der Regel an, und nach der Menopause verändert         ausserordentlichen Situationen, die unter Stress     Können Rettungssanitäterinnen etwas besser
                                                                        sich auch der Stoffwechsel der Frauen.                 stehen. Wenn es mir gelingt, ihnen ein wenig von     als Männer?
                                                                                                                               der Angst zu nehmen und sie zu unterstützen, so      Schwer zu sagen. Vielleicht sind wir ein wenig
         3 Tipps gegen Übergewicht                                      Ernährungsberatung                                     erfüllt mich das mit einer grossen Befriedigung.     feinfühliger? Grundsätzlich aber bin ich gerne als
                                                                                                                                                                                    gemischtes Team unterwegs. Beide Geschlechter
         1 Bewegung im Alltag, Kraft- und Ausdauer­                     Geschlechterspezifische Unterschiede zeigten sich      Frauen im Rettungsdienst sind keine Minderheit       bringen ihre Eigenschaften mit. Bei manchen
           sport sind für Männer und Frauen sehr                        auch in der Beratung, so Cornelia Albrecht. Män­       mehr. Was sagen die Patienten oder Angehöri-         Patientinnen oder Patienten kann ich als Frau
           wichtig. Je mehr sich der Körper bewegt,                     ner reagieren oft pragmatisch und wollen wissen,       gen, wenn Sie als reines Frauenteam unterwegs        eher Vertrauen aufbauen und umgekehrt genauso.
           desto höher ist der Stoffwechsel.                            wie viel sie wann essen müssen, um abzunehmen.         sind?                                                Wir erleben immer wieder bei aggressiven
         2 Dem Heisshunger auf den Grund gehen.                         Frauen hingegen suchen einen differenzierteren         Wir haben zumeist sehr positive Reaktionen. Hin      Patienten, dass sie sich durch ein gemischtes
           Oft fehlen dem Körper gewisse Nährstoffe,                    Weg, essen kontrollierter und vielfältiger. «Das hat   und wieder werden wir gefragt, ob wir überhaupt      Team meistens rascher beruhigen lassen als bei
           wenn ein häufiger Heisshunger (z. B. auf                     vermutlich damit zu tun», so die Ernährungsbera­       in der Lage seien, einen schweren Patienten auf      einem gleichgeschlechtlichen Team. Wir er-
           zuckerhaltige Lebensmittel) besteht.                         terin, «dass Frauen sich schon immer um die Be­        der Bahre zu tragen. Das ist für uns aber keine      gänzen uns also.
                                                                        schaffung, Erzeugung und Zubereitung der Nah­          Frage der Kraft, sondern der Organisation. Erstens
         3 Stress vermeiden. Zu wenig Schlaf oder
                                                                        rungsmittel gekümmert haben.»                          haben wir heute zahlreiche Hilfsmittel, wie etwa
           viel Stress wirken sich negativ auf den                                                                                                                                  Die diplomierte Rettungssanitäterin Corinne Zemp
                                                                                                                               den Treppenstuhl. Und wenn es wirklich darum
           Stoffwechsel aus.                                                                                                                                                        ist gelernte Pflegefachfrau und arbeitet seit etwas mehr als zwei
                                                                                                                               geht, eine schwere Person über eine längere          Jahren im Rettungsdienst der Solothurner Spitäler. Sie ist auch
                                                                        ▸ www.solothurnerspitaeler.ch > Ernährung              Strecke tragen zu müssen, bieten wir eine zweite     in der freiwilligen Feuerwehr tätig.

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