Therapie nach Spätfolgen eines Frontzahntraumas

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Therapie nach Spätfolgen eines Frontzahntraumas
E N D O D O N T I E / Z A H N E R H A LT U N G

         Therapie nach Spätfolgen
         eines Frontzahntraumas
          Ein Beitrag von Christoph Mahlke

         FALLBERICHT /// Frontzahntraumata, insbesondere im jugendlichen Gebiss, stellen den
         Behandler vor diagnostische und therapeutische Herausforderungen. Das frühzeitige Dia­
         gnostizieren und unverzügliche Therapieren von Frakturen kann Spätfolgen verhindern.­
         Die endodontische Therapie eines Zahnes mit spätem Misserfolg nach „unkomplizierter“
         Schmelz-Dentin-Fraktur stellt dabei besondere Anforderungen an den Behandler.

         Spezielle Anamnese Zahn 11
                                                                   Tabelle 1
         Der 16-jährige Patient stellte sich im
         Frühjahr 2019 in der Praxis vor. Er be-                   Gewebe                         Zahn 11
         merkte seit Kurzem eine eitrige Fistel
         ­am Zahn 11. Der Zahn war ansonsten
                                                                   Zahnhartsubstanz               Schmelz-Dentin-Fraktur
          ­bis auf eine leichte Berührungsempfind-
           lichkeit symptomlos. Aus den Einträgen
           der Patientenakte ließ sich folgende Vor-               Endodont                       Dentinexposition
           geschichte des Patienten ermitteln:
                                                                   Parodont                       keine Dokumentation bzgl. Lockerung
         2012: Der zu dem Zeitpunkt 9-jährige
         Patient schlug sich an einem Freitag-
         abend beim Trinken eine Glasflasche                       Alveolarknochen                intakt
         ­an den Mund. Zahn 11 frakturierte ohne
          Eröffnung der Pulpa oder Lockerung des                   Gingiva                        Ruptur durch Schnitt
          Zahnes. Die Erstuntersuchung erfolgte
          erst am folgenden Montag durch die
          Hauszahnärztin. Dabei wurde neben
          dem verletzten Zahn eine geschwol-
          lene Oberlippe und eine kleine Schnitt-
          wunde im Vestibulum in Regio 11 dia­
          gnostiziert. Zur Abklärung auf Frak­
          turen wurde der Patient an eine oral­-­
          chi­rurgische Klinik überwiesen. Einen
          adhäsiven Eckenaufbau erhielt der Zahn
          erst weitere zwei Tage später. Die Vita­
          lität wurde geprüft. Der Zahn reagierte
          verstärkt positiv und war leicht klopf­
          empfindlich.

 Abb. 1: Diagnostisches Röntgenbild in 2016. Zahn 11 apikal
 unauffällig. Vergleich mit Wurzelwachstum des Zahnes 21
 durch fehlende Einblendung nicht vollständig möglich.
 Abb. 2: Diagnostische Röntgenaufnahme in 2017. Ein wei­
ter vorangeschrittenes Wurzelwachstum des Zahnes 21 ist
­zu vermuten. Eine apikale Aufhellung an Zahn 11 ist nicht
 zweifelsfrei auszuschließen; mesialer Parodontalspalt dezent
 erweitert.                                                        1                                             2
Therapie nach Spätfolgen eines Frontzahntraumas
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                                                     pu­tritide Schwellung auf Höhe des zer­­vi­   gung) und Prognose einer Wurzelkanal-
 Abb. 3: Intraorales Foto von vestibulär mit Fis­    kalen Gingivasaums vor. Der Zahn war          behandlung des Zahnes 11 aufgeklärt.
telung. Abb. 4: Intraorales Foto von palatinal mit   gräulich verfärbt (Abb. 3 und 4).             Auf eine wahrscheinliche Exazerbation
­suffizienter Füllung und erkennbarem parapulpä­
ren Stift.                                                                                         des Zahnes bei ausbleibender Therapie
                                                     Klinischer Befund Zahn 11                     wurde hingewiesen. Auf eine eventuell
                                                     • Suffiziente Kompositfüllung;               notwendige konservierende oder pro-
                                                        verfärbter Füllungsrand                    thetische (Neu-)Versorgung des Zahns
2014: Laut der Mutter des Patienten                  • Sensibilitätsprobe: (−)                    wurde aufmerksam gemacht. Der Pa­
wurde im zahnärztlichen Notdienst ein                • Vertikale Perkussionsprobe:                tient entschied sich für einen Erhal-
neuer adhäsiver Eckenaufbau, diesmal                    (+, leicht)                                tungsversuch des Zahnes durch eine
mit parapulpärem Stift, durchgeführt. E­ in          • Horizontale Perkussionsprobe:              ­mikroskopgestützte Wurzelkanalbehand-
Unfall lag nicht vor. Die Füllung brach                 (+, leicht)                                 lung.
beim Brötchenkauen heraus. Einen Tag                 • Taschenbefund: ca. 1 mm zirkulär

später überprüfte die Hauszahnärztin die             • Lockerungsgrad: 0                          Therapie
Vitalität erneut. Der Zahn reagierte posi­-          • Vestibulumschwellung:

tiv und war ansonsten symptomlos.                       (+) Fistelöffnung (+) nicht sondierbar     Erste Sitzung
• Vipr (+), Perk (−) ZEPAG o.p.B.                   • Palpation Vestibulum: (+, leicht)          Nach der Infiltrationsanästhesie (Ultra-
                                                     • Okklusion/Aufbissschmerz: (−)              cain® D-S forte 1:100.000 Sanofi-Aven-
 2016: Der Zahn reagierte seit Kurzem                                                              tis) wurde ein Kofferdam gelegt. Danach
 hin und wieder verstärkt auf Heißes
 ­                                                   Röntgenbefund                                 folgte die Trepanation und Darstellung
 ­und Kaltes. Es wurde ein Röntgenbild               Die beiden Verlaufsröntgenbilder (Abb. 1      des Wurzelkanaleinganges (OPMI pico,
  (Abb. 1) angefertigt. Der Zahn sollte              und 2) aus den Jahren 2016 und 2017           ZEISS). Die intrakoronale Diagnostik
  nach einem Jahr erneut geröntgt wer-               lassen keinen Randspalt oder eine se-         (IKD) unter dem Mikroskop ergab keine
den, um eine Verlaufskontrolle zu ge-                kundäre Karies an der Kompositfüllung         Risse, Sprünge, Perforationen, Fraktu-
währleisten. Der Zahn reagierte (ver-                vermuten. Lediglich das Röntgenbild im        ren, Fremdmaterialien, sekundäre Karies
stärkt) positiv. Ein Fluoridlack wurde               Jahr 2017 lässt eine dezente Verbrei­         oder Dentikel am Zahn (Abb. 6). Die Dia-
­lokal aufgebracht.                                  terung des mesialen Parodontalspaltes         gnose apikale Parodontitis bestätigte
  • Vipr (++), Perk (−), ansonsten o.p.B.           annehmen. Das im Jahr 2019 durch­             sich.
                                                     geführte Röntgenbild (Abb. 5) zeigt da-       Bei der Behandlung wurde zunächst die
2017: Der Zahn wurde erneut zur Nach-                gegen eine diffuse periapikale Auf­           Pulpakammer mit erwärmtem 3%igen
kontrolle geröntgt (Abb. 2). Er reagierte            hellung an Zahn 11 und lässt ein im           Natriumhypochlorit gespült und die se-
normal positiv und war leicht berüh-                 Vergleich zu Zahn 21 unterschiedlich
                                                     ­                                             kundäre Zugangskavität mit überlangen
rungsempfindlich.                                    weit vorangeschrittenes Wurzelwachs-          Rosenbohrern (EndoTracer H1SML34,
• Vipr (+), Perk (+), ansonsten o.p.B.              tum erahnen.                                  Komet Dental) präpariert. Es wurde ein
                                                                                                   Preflaring mit Gates-Glidden #4–2 und
Klinischer Befund Frühjahr 2019                      Behandlungsplan                               RECIPROC® NiTi-Feile durchgeführt und
                                                     Die Verdachtsdiagnose periapikale Paro-       ein Gleitpfad mittels einer K-Feile ISO 45
Der orale Befund des Patienten war                   dontitis wurde gestellt. Zunächst wurde       (beide VDW) katheterisiert. Dabei wurde
­zum Zeitpunkt der Erstvorstellung in der            der Patient ausführlich über das Vor­         die Arbeitslänge mit dem VDW.Gold®
 Praxis des Behandlers bis auf Zahn 11               gehen, die Risiken sowie Alternativen         RECIPROC® (verbaut in Endo-Cart all-­
 ohne pathologischen Befund. Es lag­                 (z. B. Extraktion mit anschließender Im-      in-one, thomas dental) elektrometrisch
 an Zahn 11 eine vestibulär punktförmige             plantation oder [Klebe-]Brückenversor-        bestimmt.

                                                                                                       ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis – 7+8/2020   2
Therapie nach Spätfolgen eines Frontzahntraumas
Abb. 5: Diagnostisches Röntgenbild in 2019 –
                                                         Zahn 11 und 21; unterschiedlich weite Wurzel­
                                                         kanäle und unterschiedlich ausgeprägtes Wurzel­
                                                         wachstum der beiden Zähne mit weit offenem­
                                                         Apex des Zahnes 11 und periapikaler Aufhellung.
                                                         Abb. 6: Intraorales Foto nach Trepanation ohne
                                                         Blutung aus Kanal. Abb. 7: Röntgenmessaufnahme
                                                         mit eingebrachtem gekürzten CHX-Point und me­
                                                         dikamentöser Einlage. Abb. 8: Röntgen­kontrolle
                                                         Downpack (nach Abnahme des Kofferdams und
                                                         provisorischem Cavit™-Verschluss). Abb. 9: Rönt­
                                                         genkontrolle der Wurzel­  füllung und des Stiftes.
                                                         Abb. 10: Röntgenkontrolle der Wurzelfüllung und
                                                         des Stiftes mit fort­geschrittener Heilung des pe­
                                                         riapikalen Gewebes.

                                                         Die weitere Aufbereitung erfolgte unter
                                                         simultaner Längenmessung und ständi-
                                                         gem Austausch von NaOCl mit einer
5                                                   6    WaveOne® Gold large 45.05 NiTi-Feile
                                                          (Dentsply DeTrey) in reziproker Arbeits-
                                                          weise (crown down). Abschließend
                                                          wurde ultraschallaktiviert mit EDDY®
                                                         (VDW) für 20 Sekunden mit NaOCl
                                                         ­gespült.
                                                          Nach dem Trocknen des Kanals mit
                                                          passenden Papierspitzen (WaveOne®
                                                          ­
                                                          Gold large) sowie dem Einbringen der
                                                          medikamentösen Einlage mit UltraCal™
                                                          (Ultradent Products) und eingemesse-
                                                          nem ROEKO activ point Chlorhexidine
                                                          Point Größe ISO 45 (COLTENE) gekürzt
                                                          auf Arbeitslänge wurde provisorisch
                                                          und bakteriendicht mit einem Kunst­
                                                          stoffpellet und Cavit™ (3M) verschlos-
                                                          sen sowie darüber okklusal adhäsiv mit
                                                          SDR® (Dentsply DeTrey) und Adper™
                                                          Prompt™ L-Pop (3M) versiegelt. Die
                                                          okklusalen Kontakte und jene in La-
                                                          ­
                                                          terotrusion wurden geprüft. Die Arbeits-
7                                                   8
                                                          länge wurde röntgenologisch bestätigt
                                                          (Messaufnahme, Abb. 7) und der Pa­
                                                          tient über eine eventuell notwendige
                                                          ­Einnahme von Schmerzmitteln bis zum
                                                           Folgetag aufgeklärt.

                                                         Zweite Sitzung (zwei Wochen später)
                                                         Der Zahn war nun beschwerdefrei und
                                                         nicht mehr klopfschmerzhaft. Das Fis­
                                                         telmaul war geschlossen und be­     reits
                                                         fast vollständig ausgeheilt.
                                                         Erneut wurde eine Leitungsanästhesie
                                                         (Ultracain® D-S forte 1:100.000 Sanofi-
                                                         Aventis) vorgenommen und ein Koffer-
                                                         dam angelegt. Der provisorische Ver-
                                                         schluss wurde entfernt und die Kanäle
                                                         mit erwärmtem 3%igen NaOCl gespült.
                                                         Nun folgte die apikale Präparation mit
                                                         ProTaper Next® Ni-Ti-Feilen (Dentsply
                                                         DeTrey) und K3™ (KerrHawe) in Vollro­
9                                                   10   tation unter separater elektrometrischer

    3   ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis – 7+8/2020
Therapie nach Spätfolgen eines Frontzahntraumas
11a                                                                  11b

                                                 erfolgte die thermoplastische Obtura­     -   somit die Menge an Komposit reduziert
Abb. 11: Klinischer Befund nach 14 Monaten a),   tion (Backfill mit BeeFill® 2-in-1, VDW)      werden, um möglicherweise zu hohe
pa­latinale Ansicht b).                          mit MTA-Fillapex Sealer (Angelus) und         Schrumpfungskräfte im Aushärtepro-
                                                 individualisiertem Guttapercha Point
                                                 ­                                             zess an den Kavitätenwänden zu ver-
                                                 ProTaper® Next X5 (Dentsply DeTrey)           meiden. Die Deckfüllung wurde poliert,
Längenkontrolle und ständigem Aus-                mittels Schilder-Technik.                    der Kofferdam abgenommen und eine
tausch von erwärmtem NaOCl bis ISO                Das Downpack wurde vor dem Versie-           Röntgenkontrollaufnahme angefertigt
60.06.                                            geln des Zahnes röntgenologisch kon­         (Abb. 9).
Erneut wurde mit erwärmtem 3%igen                 trolliert (Abb. 8). Die Kavität wurde an-
NaOCl ultraschallaktiviert mit IRRI S             schließend mit Alkohol gereinigt, geätzt     Dritte Sitzung (14 Monate später)
21/25-Feilen (VDW) für 20 Sekunden                und gebondet. Zur adhäsiven Versie­          Beim dritten Termin erfolgte die röntge-
sowie ultraschallaktiviert mit EDDY®              gelung und Verstärkung des Aufbaus           nologische und klinische Nachkontrolle:
(VDW) ebenfalls für 20 Sekunden ge-               wurde ein neun Millimeter langer und         • klinisch: beginnende Randverfärbung

spült. Es schloss sich die Abschluss­            ­an der Spitze individualiserter Glasfaser-      der Füllung ohne tastbare Rand­
spülung mit EDTA-Lösung in 17%iger                stift (DentinPost Coated rot 050, Komet         spalten (Abb. 11 und 12)
Konzentration für eine Minute und mit             Dental) mittels RelyX™ Unicem 2 Auto-
CHX-Lösung in 2%iger Konzentration                mix (3M) adhäsiv durch Total-Etch-­          •   r öntgenologisch: annähernd abge-
an. Nach der Trocknung des Kanals mit             Technik (Bonding: Xeno Select®, Dent­             schlossene Heilung des periapikalen
ProTaper® Next Paper Points (Größe X5)            sply DeTrey) versiegelt. Außerdem sollte          Gewebes (Abb. 10)

                                                                                                                                   ANZEIGE
Therapie nach Spätfolgen eines Frontzahntraumas
E N D O D O N T I E / Z A H N E R H A LT U N G

                                                       Weitere Therapie                                schon nach dem Frontzahntrauma, spä-
Tabelle 2                                                                                              testens aber nach dem Verlust der ers-
Technische Daten der Wurzelkanalbehandlung             Epikrise                                        ten Füllung entzündete, ist wahrschein-
                                                       Frontzahnverletzungen der bleibenden            lich, da von einer längeren Exposition
                                                       Zähne entstehen häufig im frühen ju-            der Pulpa durch weit offene Dentin­     -­
Referenzpunkt                      Schneidekante       gendlichen Alter um das 9. Lebens­      -       ka­nälchen am jugendlichen Zahn aus­
                                                       jahr. Zu diesem Zeitpunkt ist das Wur­          gegangen werden muss. Über mehrere
                                                       zelwachstum der Schneidezähne meis-             Tage war es Mikroorganismen so mög-
Endometrische Länge                25
                                                       tens noch nicht abgeschlossen. Ziel             lich, in die Pulpa einzudringen. Ein Ver-
                                                       einer regelrechten Traumabehandlung             such der Apexifikation bzw. der regene-
Länge Instrument bei
Röntgenmessaufnahme                25                  bei bleibenden Frontzähnen ist die funk­        rativen endodontischen Therapie hätte
                                                       tionstüchtige Erhaltung mit einem regel-        zu diesem Zeitpunkt eventuell (noch)
                                                       rechten Abschluss des Wurzelwachs-              ­unternommen werden können.5
Definitive Arbeitslänge            25                  tums. Bei Frakturen des Schmelzes und         Es ist nicht auszuschließen, dass beim
                                                       insbesondere des Dentins muss die             ursächlichen Unfall mit der Glasflasche
Aufbereitungsdurchmesser           60,06               Bruchfläche umgehend versorgt und an-         neben der Hartsubstanzverletzung auch
                                                       schließend die Kronenform wiederher-          eine Dislokationsverletzung infolge der
                                                       gestellt werden.1– 3                          frontalen stumpfen Gewalteinwirkung
                                                       Im vorliegenden Fall geschah dies erst        auftrat, auch wenn keine Lockerung
                                                       drei Tage nach dem Trauma. Die offene         dokumentiert wurde. Eine Quetschung
                                                                                                     ­
        Die Okklusion wurde hierbei geprüft,           Dentinwunde diente hierbei als mög­           mit Hämatom bzw. Abriss des Gefäß-
        um traumatische Frühkontakte zu ver-           liche Eintrittswunde für Mikroorganis-        Nerven-Bündels bei nicht oder teil-
        meiden. Der Patient war weiterhin              men. Prognostisch günstig wären ein           weise abgeschlossenem Wurzelwachs-
        schmerzfrei. Eine erneute Aufklärung           sofortiger Dentinwundverband und eine         tum (Patient war 9 Jahre) und die bak­
        über die Frakturgefahr des Zahnes er-          adhäsive Abdeckung gewesen. Bei län-          terielle Kontamination hätten sehr wahr-
        folgte ebenso. Eine Neuversorgung der          gerer (indirekter) Exposition der Pulpa       scheinlich zu einer Nekrose geführt.
        Kompositfüllung wurde mit dem Pa­              wäre aber auch eine Pulpotomie als            Letztlich wäre eine früher eingeleitete
        tienten diskutiert.                            ­Therapieoption infrage gekommen.3            Wurzelkanalbehandlung vor der Bil-
        Für das wöchentliche Fußballtraining            Voraussetzung für ein physiologisches        dung einer apikalen Parodontitis mit
        wurde dem Patienten ein Sportmund-              Wurzelwachstum ist eine vitale Pulpa.        einer besseren Prognose einhergegan-
        schutz zur Vermeidung erneuter Zahn-            Spätestens im zweiten Kontrollröntgen-       gen.4
        verletzungen empfohlen.7                        bild (Abb. 2) kann ein unterschiedlich       Die im Jahre 2019 begonnene Behand-
                                                        stark vorangeschrittenes Wurzelwachs-        lung stellte damit den Behandler vor eine
                                                        tum der beiden mittleren Schneide-           Reihe von Problemen. So erschwerte
                                                        zähne vermutet werden. Eine (sterile)        der apikale Durchmesser des Foramens
                                                        Nervnekrose bei positiver Sensibilität,      (Bestätigung des nicht vollständig ab­
                                                        aber negativer Vitalität zu diesem Zeit-     geschlossenen Wurzelwachstums) die
        Im vorliegenden Fall ­                          punkt kann vermutet werden.                  Wurzelkanalpräparation und insbeson-

         führten die alio loco                          Eine sterile Nekrose führt zum Sistieren
                                                        des Wurzelwachstums.3 Eine spätere
                                                                                                     dere die Wurzelfüllung. Der Einsatz eines
                                                                                                     MTA-Plugs als Wurzelfüllung wäre hier
      getroffenen Maßnahmen                             bakterielle Infektion der Pulpa konnte       alternativ infrage gekommen.8
       nach Fraktur nicht zum                           dann zur apikalen Parodontitis mit an-       Der Erfolg der Behandlung kann erst-
                                                        schließender Fistelung und Perkussions-      mals etwa sechs Monate nach Ende
             Erfolg. […]                                schmerzen führen.                            ­der Behandlung klinisch und röntgeno­
                                                        Seit wann eine Nekrose des Zahnes ein-        logisch kontrolliert werden.4 Dieser Ter-
    Dass diese Therapie                                 setzte, ist trotzdem nicht abschließend       min wurde vom Patienten nicht ein­       -
 gerade unter den Gesichts-                             klärbar. Da der Zahn noch in 2017 vital       ge­ halten, sodass eine erste Röntgen­
 punkten der Wurzelkanal-                               reagierte, aber eine leichte Klopfemp-        kontrollaufnahme erst 14 Monate nach
                                                        findlichkeit zeigte, ist es naheliegend,      Behandlungsende durchgeführt werden
  präparation und Füllung                               dass zu diesem Zeitpunkt eine Nekrose         konnte. Eine Rekonstituierung des pe­
   erschwert war, beweist                               der Pulpa schon begann.                       riapikalen Parodontalspaltes ist rönt­
    der vor­liegende Fall.                              Die leichten Beschwerden auf ther­            genologisch erkennbar. Der Patient war
                                                        mische Reize im Jahr 2016 könnten             ­beschwerdefrei. Eine weitere Nachkon­
                                                        somit Ausdruck einer irreversiblen Pul­­­
                                                                                               -       trolle wurde mit dem Patienten ca. 24
                                                        p­itis gewesen sein. Das sich die Pulpa        Monaten nach Behandlungsende ver-

  5     ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis – 7+8/2020
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einbart. Bei ausbleibendem Langzeiterfolg der Be-
handlung würde ein chirurgisches Vorgehen (Wurzel-
spitzenresektion oder Extraktion) infrage kommen.6­
Bei Verlust des Zahnes und als Überbrückung für
eine spätere Implantation wäre das Eingliedern einer
Klebebrücke bis zum Erreichen des 20. Lebensjahres
oder besser 25. Lebensjahres als prognostisch güns-
tig anzusehen.2

Zusammenfassung

Im vorliegenden Fall führten die alio loco getroffenen
Maßnahmen nach Fraktur nicht zum Erfolg. Eine Vital­
erhaltung der Pulpa gelang nicht. Die Wurzelbehand-
lung war somit gerade aufgrund des jungen Alters des
Patienten das Mittel der Wahl, um den Zahn im äs­
thetischen und funktionell wichtigen Frontzahnbereich
zu erhalten. Dass diese Therapie gerade unter den
Gesichtspunkten der Wurzelkanalpräparation und Fül-
lung erschwert war, beweist der vorliegende Fall.
Ein Verlust des Zahnes hätte sehr wahrscheinlich zu
schwer therapierbaren Folgeproblemen geführt. So
wäre eine Implantation zum Beispiel aufgrund des
vorgeschädigten Knochenlagers und der möglichen
­
späteren Infraposition des Implantates durch zu frü-
hes Implantieren9 eine risikoreiche Therapiealternative
gewesen.

INFORMATION ///

ZA Christoph Mahlke
Zahnärztliche Gemeinschaftspraxis
Dr. Marion Mahlke, Dr. Rolf Mahlke, ZA Christoph Mahlke
Mozartweg 11, 29378 Wittingen
Tel.: 05831 7379
www.zahnaerzte-wittingen.de

Infos zum Autor     Literatur
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