Unendliche Vielfalt TITELTHEMA | Regionalität - Bio2030.de

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TITELTHEMA | Regionalität

Unendliche Vielfalt
Raus aus der Tretmühle der Standardware, hin zu einer Produktion und Vermarktung,
die sich konkurrenzfähig selbst gestalten lässt: Davon können die meisten Landwirte nur
träumen. Conrad Thimm zeigt, wie daraus vielleicht Realität wird.

D       ie Vielfalt regionaler Vermarktung
        durch Landwirte beginnt mit ein
paar Säcken Kartoffeln an der Straße und
                                                die Bürokratie ausufert, keine guten Ar-
                                                beitskräfte zu bekommen sind, der Um-
                                                gang mit landwirtschaftsfernen Kunden
                                                                                                   Nicht alle Produkte lassen sich ohne
                                                                                                Weiteres regional vermarkten. Für viele
                                                                                                Landwirte stünde wohl das Getreide, das
endet noch lange nicht beim kompletten          keinen Spaß macht, doch nicht ausrei-           sowieso erzeugt wird, im Vordergrund des
Bio-Supermarkt in Stadtnähe. Auch die           chend viele Verbraucher genug kaufen.           Interesses. Bei immer weniger Mühlen in
Verarbeitung von Brot und Milch bis hin         Dass gewerbliche Kunden immer mehr              immer größeren Strukturen waren derarti-
zu Fleisch, Hanf und Sanddorn oder der          Auflagen machen, aber keine auskömmli-          ge Möglichkeiten aber bisher begrenzt.
regionale Vertrieb per Internet und Abo-        chen Preise zahlen, sich die Investition am     Einzig im Bio-Bereich spielt der regionale
Kiste gehören dazu, ebenso der Direkt-          Ende nicht auszahlt und so weiter. Je nach      Bezug durch Bäcker eine relevante Rolle.
Vertrieb an Bio-Läden, LEH-Filialen und         Vermarktungsform kann all dies eintreten,       Das wachsende Segment glutenfreien Ha-
die Gastronomie. Landwirte und Landwir-         und es ist gut, sich all dessen bewusst zu      fers bietet noch Chancen, wenn eine ab-
tinnen sind als Eventmanager unterwegs,         sein. Hat man die potentiellen Hindernis-       solut glutenfreie Ernte- und Lieferkette ge-
betreiben selbst Eiscafés, richten Feste aus.   se im Blick, so lassen sie sich vielleicht      währleistet ist.
Sie bieten Ferienwohnungen an, leiten           schon in frühen Planungsphasen umge-               Standardkulturen für die regionale Ver-
Kurse oder betätigen sich als Kuhflüsterer.     hen. In anderen Fällen stellt sich vielleicht   marktung sind Obst und Gemüse. Kartof-
Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt        ein Weg als Sackgasse heraus und es hilft       feln und Gemüse wie Möhren, Zwiebeln,
für Aktivitäten, die jenseits des Ablieferns    nur ein anderes Geschäftsmodell.                Rote Bete und Kürbisse können auch von
von Rohstoffen liegen.

   Hoffnungen ... Mit regionaler Vermark-
                                                                     Foto: agrarfoto

tung sind meist Hoffnungen verbunden:
Zusatzeinkommen, finanzielle Stabilisie-
rung des Betriebes, Voraussetzungen für
den Einstieg der nächsten Generation, Er-
halt des Familienbetriebes oder auch das
Ideal eines nachhaltigen Lebensstils. Nicht
zu unterschätzen ist der unternehmerische
Drive vieler Landwirte, die das Potential
des Betriebes, seiner Lage, der eigenen Fä-
higkeiten nutzen wollen. Auch die Lust
von Familienangehörigen an eigenen Akti-
vitäten ist ein häufiger Grund.
   Was man selbst machen möchte, muss
jedoch mit den Möglichkeiten des Stand-
ortes in Einklang stehen. Das kann auch
bedeuten, dass ein passionierter Acker-
bauer, der selbst zur Direktvermarktung
wenig Lust hat, aber einen tollen Standort
dafür hat, die Vermarktung auslagert und                      Wer auf
mit etwas geringerer Spanne, aber auch            Direktvermarktung
                                                 setzen will, braucht
viel weniger Baustellen glücklich wird.
                                                        nicht nur den
                                                    Standort und die
  ... und Befürchtungen. Den Hoffnungen           Zeit dafür, sondern
gegenüber stehen Befürchtungen: Dass                    vor allem die
man keine Baugenehmigung bekommt                     Bereitschaft, mit
oder nur mit inakzeptablen Auflagen, dass       Kunden umzugehen.

16    DLG-Mitteilungen 8/2020
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Landwirten ohne gärtnerische Ausbildung

                                                                                                                           Foto: Meyer-Sahling
auf gutem Land und/oder mit Beregnung
angebaut werden.

   Die regionale Verarbeitung und Ver-
marktung von Milch und vor allem Fleisch
folgt aufgrund ihrer handwerklichen An-
forderungen, hygienischen Auflagen und
den entsprechenden Investitionen speziel-
len Gesetzen. Neben den eigenen Res-
sourcen sind hierbei sowohl die jeweili-
gen regionalen Verarbeitungsstrukturen
als auch die regionalen Nachfragen und
Präferenzen zu berücksichtigen. Im Osten
Deutschlands gibt es kaum noch Schlacht-
höfe. Auf der anderen Seite sind der Süden
und die Frankreich näheren Regionen auf-
geschlossener für ausgefallenere und teu-
rere Lebensmittel, wie sie zum Beispiel
von Slow Food propagiert werden.
   Meist lässt sich eine regionale Vermark-
tung nur durch die Aufnahme neuer Be-
triebszweige auch in der Erzeugung reali-
sieren. Damit verbunden sind nicht nur        Beispiel 1: Direktvermarktung
das Lernen neuer Kulturen, sondern meist
auch Investitionen, eine erhebliche Büro-     »ausgegründet«
kratie und die Suche nach Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern. Während für Büro-         Hans-Hermann Meyer-Sahling, Ackerbauer in Emmelndorf vor den
und Verkaufsjobs noch manchmal                Toren Hamburgs, optimiert seit den 1980er Jahren sein ursprünglich
Deutsche zu gewinnen sind, stehen für die     viehloses Bio-Anbausystem. Ohne Wachstumsmöglichkeiten mehr in
Arbeiten auf Hof und Feld fast nur Auslän-    der Fläche bewirtschaftet er heute 80 ha.
der bereit. Fehlende Sprachkenntnisse bie-
ten oft anfangs oft Herausforderungen,           Kartoffeln und Gemüse gehen zum Nachbarn ... Anfangs kümmerte
aber meist entwickeln sich relativ schnell    sich eine Gärtnerin um den Gemüseanbau und die Vermarktung (Kartof-
feste und verlässliche Arbeitsverhältnisse    feln von 5 ha in Säcken). 20 Jahre später wurden die Kartoffeln von
zur allseitigen Zufriedenheit.                dieser Fläche in 2,5-kg-Netzen über einen großen Bio-Supermarkt auf
                                              dem Hof vermarktet. Der wurde b  ­ ewirtschaftet von der Gärtnerfamilie
  In Stadtnähe direkt vermarkten. Wer im      Overmeyer, die das Feingemüse selbst auf Meyer-Sahlings Flächen in
Dunstkreis einer Metropole sitzt, kann je     seiner Fruchtfolge anbaute. 2014 eröffneten die Overmeyers dann eine
nach Lage und Präferenzen eine Direkt-        »Landkultur« mit Bio-Markthalle, Bio-Hof, und Bio-Manufaktur, die
vermarktung an Endkunden wählen               inzwischen 50 ha Landwirtschaft, 40 Mitarbeitende und über 4 Mio. €
(»Business to Consumer«, B2C, wie das         Umsatz umfasst.
gerne Spargel- und Erdbeerhöfe machen).
Die Alternative dazu ist eine Belieferung        ... das selbst vermahlene Getreide direkt zum Bäcker. Immer noch
von Lebensmittelhandel und Gastrono-          liefert Meyer-Sahling 5 ha Kartoffeln und 1 ha Möhren, Zwiebeln, Rote
mie, die dann die »regionale Herkunft«        Bete zu auskömmlichen Preisen an Overmeyers. Alles Getreide geht zu
mehr oder weniger herausstellen (»Busi-       guten Preisen direkt an zwei große Bio-Bäcker. Einer nimmt traditionell
ness to Business«, B2B). Auch Kombinati-      Weizen, Dinkel und Roggen und mahlt selbst. Der andere, ein Demeter
onen von B2C und B2B gibt es.                 Bäcker, hat aus der Stadt in Meyer-Sahlings Nähe ausgesiedelt und
  Je besser der Standort in einer urbanen     nimmt von ihm tonnenweise Getreidemehle ab. Dafür hat Meyer-Sahling
Metropolregion und je frischer ein Ange-      eine Mühle eingerichtet und ist zum Demeter-Verband gewechselt. Die
bot, desto besser sind die Chancen für die    dort vorgeschriebene Viehhaltung erfolgt über einen Verbund mit einem
Direktvermarktung B2C. Das geht in der        Bio-Milchviehbetrieb, dem er Kleegras liefert und von dem er Mist
Saison mit attraktiven Spezialprodukten       zurückbekommt.
wie Spargel und Erdbeeren, die ab Hof,           Meyer-Sahling bewundert die Leistung der Overmeyers. Aber ein so
an der Straße und mit Ständen auf Märk-       großes Rad zu drehen, ist nicht sein Ding. Er ist zufrieden, sich ganz dem
ten und Plätzen mit hoher Kundenfre-          Ackerbau widmen, sich auf seine wenigen Abnehmer vertrauenswürdig
quenz angeboten werden. Das geht aber         verlassen zu können und für alle Erzeugnisse auch noch gute Preise zu
auch zehn Monate im Jahr, wenn man ei-        bekommen.
nen Hof an einer Bundesstraße in der Lü-

                                                                                         DLG-Mitteilungen 8/2020    17
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neburger Heide und schmackhafte Kar-              Regionale Händler und Verarbeiter be-     dann wird sie nach Möglichkeit ausge-
toffeln hat.                                   liefern. Etwas unabhängiger vom eigenen      baut. Floppt sie, wird reduziert. So einfach
   An anderen Standorten kann ein erfolg-      Standort ist die regionale Vermarktung an    ist das.
reicher, ständiger »Point of Sale« durch       Händler und Verarbeiter, also B2B. »Die         Etwas schwerer tun sich damit system-
die Aufnahme weiterer Erzeugnisse von          Regionalen« Bio-Großhändler brüsten          bedingt die Discounter. Sie leben von ein-
anderen Betrieben und regionale Vernet-        sich mit dem Slogan »Regional ist erste      fachen Prozessen und hoher Effizienz. So-
zung entstehen. Das ist bei Obst und Ge-       Wahl« und kaufen vorzugsweise in ihrem       mit ist ihr Spielraum für Regionalität
müse gang und gäbe. Erzeuger speziali-         Einzugsbereich – vorausgesetzt, Preis und    eingeschränkt. Lieber nehmen sie Bio-Pro-
sieren sich im Anbau auf einzelne Arten        Qualität weichen nicht sehr von denen ab,    dukte, die bundesweit verfügbar sind, wie
oder Kategorien und tauschen sich unter-       die die besten Qualitäten zu günstigsten     Lidl Bioland-Produkte oder alle Discoun-
einander so aus, dass jeder ein umfassen-      Preisen anbieten.                            ter Bio-Kartoffeln, die vor allem aus Bereg-
des Sortiment anbieten kann. So werden            Hingegen sind Gastronomen zwar oft        nungsbetrieben in Ostniedersachsen kom-
Abo-Kisten, Marktstände und viele Hoflä-       an Bio und Region interessiert, aber eher    men. Der Erzeuger-Verein, der rund 50 %
den gefüllt. Hier gibt es noch viele direk-    selten bereit, Landwirten auskömmliche       der deutschen Biokartoffel-Erzeugung re-
te Gespräche mit Endkunden. Das liegt          Preise zu zahlen. Hinzu kommt, dass die      präsentiert, beschreibt auf seiner Website
manchen, die Spaß daran und Geduld             oft kleinen Mengen den Transportaufwand      sehr anschaulich, warum er für »Deutsch-
                                                                                            land als Region« plädiert ...

                                                                                               Was können marktferne Erzeuger tun?
                                                                                            Je weiter weg von den Metropolregionen
                              Kunden wissen nicht, was                                      und je austauschbarer die Produkte, desto
                                                                                            schwieriger die regionale Direktvermark-
                              sie wollen und tun nicht,                                     tung. Ein Hofladen braucht in der Regel
                                                                                            ein Einzugsgebiet von mindestens 20 000
                              was sie sagen.                                                Menschen. Das Interesse an besonderen
                                                                                            Produkten sowie die Bereitschaft, dafür
                              Conrad Thimm, Berater                                         mehr Geld auszugeben, schwindet mit
                                                                                            dem Abstand von den Großstädten. Da
                                                                                            bleiben oft nur ausgefallene Produkte wie
                                                                                            Kräuter und Gewürze oder Öllein, Hanf
                                                                                            und Sanddorn für Verarbeiter oder Groß-
haben, anderen aber gar nicht. Es haben        kaum lohnen. Eine Bündelung des Ange-        händler übrig. Die daraus hergestellten
schon Landwirte die Direktvermarktung          bots ist das Stichwort, um Logistikaufwand   Produkte werden dann zwar vielleicht
aufgegeben, weil sie es leid waren, von        und -kosten zu begrenzen. Es ist kein Zu-    auch noch regional zum »storytelling« an-
Kunden ständig hören zu müssen, wie            fall, dass die weltgrößte Obst- und Gemü-    geboten, aber relevante Mengen werden
sie ihren Hof besser, nachhaltiger, tier-      semesse »Fruit Logistica« heißt. Aus der     national oder international gehandelt.
freundlicher und so weiter bewirtschaf-        Bündelung kann ein regelrechter Groß-           So hat inzwischen fast jede Region ihre
ten sollten.                                   handel erwachsen. Das zeigen die Bei-        regionale Ölmühle. Aber nur wo sich Tou-
                                               spiele Gärtnerei Willmann zu Handels-        rismus ballt, werden auch regional rele-
  Kundenorientierung ist das Schlüssel-        kontor Willmann zu Handelskontor Pax         vante Mengen abgesetzt, auch in der Hoff-
wort für die Ausrichtung aller Aktivitäten.    An im Großraum Stuttgart und das Natur-      nung, dass zu Hause die Öle weiter in den
»Es ist nicht Aufgabe des Kunden, zu wis-      kost Kontor Bremen, das von drei nieder-     heimischen Märkten oder im Internet ge-
sen, was er will«. Dieses Zitat fiel neulich   sächsischen Gemüsebauern, einem Gärt-        kauft werden. Davon hört man unter Land-
bei der MitmachTagung »Mehr Bio + Regi-        ner und einem Obstbauern gegründet           wirten nicht viel, denn eine Nische bleibt
onales für die Hauptstadtregion Berlin-        wurde. Viele Landwirte schätzen an B2B,      nur attraktiv, solange sie nicht von Ware
Brandenburg«. Es wird wahlweise Henry          dass sie selbst mit Profis sprechen, wäh-    überschwemmt wird. Landwirte haben bei
Ford, Steve Jobs oder Bill Gates zuge-         rend das Gespräch mit den Endkunden,         B2C nur wenige direkte Kunden, die aber
schrieben und lässt sich sogar erweitern,      den Laien, anderen überlassen wird.          Profis sind und in der Regel wissen, was
denn nicht nur wissen die Kunden nicht,                                                     sie wollen und mehr oder weniger detail-
was sie wollen, sondern sie tun auch              Auch der LEH ist an regionalen Produk-    lierte Spezifikationen haben. In diesem
nicht, was sie sagen.                          ten interessiert. So hat ein Betrieb nahe    Bereich spielen Vertrauen und langfristige
  Darüber können sich Landwirte erre-          Hannover statt der ursprünglich geplanten    Beziehungen eine große Rolle.
gen, aber für Einzelhändler ist das ganz       Putenmast Bio-Legehennen aufgestallt
normal. Die Leute wollen doch nur ein-         und beliefert damit erfolgreich Edeka- und     Übers Internet Geschichten erzählen.
kaufen, gute Produkte in guter Atmosphä-       Rewe-Märkte in der Region. Die hohe          Wer regional vermarkten will, braucht ei-
re! Und dabei nicht übers Ohr gehauen          Kunst der Lebensmittelmärkte besteht dar-    ne Website. Nicht zum Verkaufen, das
werden. Einzelhändler wissen, dass unter-      in, für möglichst breite Kundenkreise im     bleibt meist Versandprodukten vorbehal-
schiedliche Kunden stimmungsabhängig           Einzugsgebiet des jeweiligen Marktes at-     ten, aber um seine Geschichte im Netz zu
aus ganz vielfältigen Gründen kaufen oder      traktiv zu sein. Ist Region angesagt, dann   erzählen und seine Kontaktdaten zu plat-
nicht kaufen.                                  wird Region ausprobiert. Läuft die Region,   zieren. Hochwertige versandwürdige Pro-

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Beispiel 2: Marktferne »Bio-Ranch«
                Die Bio-Ranch Zempow liegt weit ab von Berlin und                        Angus Steak-Club, Gotlandschafe auch Seminare zur
             Hamburg im Norden Brandenburgs. Basis des 1992                              achtsamen Kommunikation mit Rindern und Pferden,
             gegründeten Betriebes ist der nachhaltige Aufbau der                        »Low Stress Stockmanship«, »Retreats« mit Fasten, Yoga,
             Bodenfruchtbarkeit durch Mutterkühe und eine sieben-                        Meditation und vieles mehr.
             gliedrige Fruchtfolge. Auf leichtesten Böden werden                            Ziel ist nicht die wirtschaftliche Optimierung, son-
             500 ha Acker, Weide und Wald mit 120 Angus-­                                dern ein nachhaltiger Lebensstil, der Menschen inspiriert.
             Mutterkühen und 100 Angus-Mastrindern bewirtschaftet.                       So haben sich im Umfeld durch Impulse der Bio-Ranch
             Vermarktet werden die Tiere über zwei Vieh- und Fleisch-                    weitere Projekte und Unternehmen in dieser struktur-
             händler in der Nähe. Als einziges Ackerbau-Erzeugnis                        schwachen Umgebung angesiedelt, darunter eine
             verkauft der Betrieb Öl-Hanf. Er geht ebenfalls an eine                     ­Energieholzfirma mit zwanzig Arbeitsplätzen. Zehn
             regional ansässige Firma, die Hanf-Produkte national                         Vollzeit-Arbeitsplätze bietet die Ranch selbst. Und wenn
             und auch international vermarktet.                                           in Corona-Zeiten vieles abgesagt werden muss, dann
                                                                                          wird eben ein Autokino aus DDR-Zeiten reaktiviert.
               »Regional ist eine Qual«, sagen Dr. Wilhelm und
             Swantje Schäkel, denn teurere Qualitäts-Bioprodukte
             würden in Süd- und Westdeutschland deutlich stärker

                                                                         Foto: Schäkel
             nachgefragt als im Osten. Die Berliner Bio-Supermärkte
             dekorierten zwar ihre Läden mit Erzeugnissen von fünf
             Brandenburger Vorzeige-Biobetrieben, aber dort sei
             »billig« angesagt. So bleibt nur das Verkaufen an über­
             regionale Vermarkter.
               Auch der Tourismus ist hier kein Selbstläufer, denn die
             Ostsee ist weit, und selbst aus der nahen Müritz-Region
             verirrt sich niemand zufällig nach Zempow. Urlaubern
             muss schon etwas Besonderes geboten werden. In Zem-
             pow sind das (neben dem vollen Programm »Landle-
             ben«) Ferienwohnungen, Zelten, Scheunen-Hochzeit,

dukte können über einen Webshop ange-          Kommen die Kunden nicht
boten werden. Allerdings muss dieser im         von selbst, muss man wie
großen wilden Netz von den Kunden ge-               Swantje und Wilhelm
                                               Schäkel etwas Besonderes
funden werden. Die Kosten für SEO,
                                                                  bieten.
Search Engine Optimization, Social Media
oder gleich Google AdWords-Anzeigen
können leicht drei- bis vierstellig werden
– pro Monat!
                                              Marktgärtner, Beerenobstbauern, Imker                       wirtschaft mit ihrer Komplexität abzuwä-
   Solidarische Landwirtschaft. Erzeuger-     sowie Bäcker, Käser und Wurstverkäufer                      gen gegen die Konzentration auf Weniges,
Verbraucher-Gemeinschaften beziehen           mit Spezialsortimenten. Sie haben aus-                      das dafür höchst kompetent gemacht
die Endkunden ein. Das nennt sich dann        führliche Webseiten, die wie die Markt-                     wird. Der Teufel steckt oft im Detail. Regi-
Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi),         schwärmer nicht nur Lebensmittel für Ver-                   onale Vermarktung gilt als Hoffnungsträ-
Community Supported Agriculture (CSA),        braucher anbieten, sondern oft auch die                     ger, ist jedoch kein Allheilmittel – und
Regionalwert AG, Marktschwärmerei (aus        Hintergründe erzählen und Webseiten                         schon gar nicht nach einer Einheitsrezep-
Frankreich) oder auch »Meck-Schwei-           von Erzeugern verlinken. Manchmal be-                       tur. Die Rahmenbedingungen erscheinen
zer«. In der Regel werden bei diesen Initi-   schreiben sie auch, wie Erzeuger im je-                     derzeit günstig. Aber niemand weiß, wie
ativen die regionalen Marktbeziehungen        weiligen Netz Lieferant werden können.                      sich die erwartete Nach-Corona-Rezes­
mit gesellschaftlichem Engagement für ei-                                                                 sion auswirken wird. Im Lebensmittelhan-
ne »Gemeinwohlwirtschaft« und Transpa-           Fazit: Schritt für Schritt. Die meisten                  del rechnet man damit, dass die Discoun-
renz kombiniert sowie dem Interesse an        regionalen Vermarkter haben bescheiden                      ter ihre Marktanteile in der Rezession
ausgefallenen Lebensmitteln und vom           begonnen und sind dann »learning by                         ausbauen. Aber auch das könnte helfen,
Aussterben bedrohten Tier- und Pflanzen-      ­doing« gewachsen. Manches hat sich be-                     regionale Vermarktung als Gegenwicht zu
arten. Wird das Sortiment im Web ange-         währt, anderes hat sich als nicht tragfähig                pflegen.
boten, so häufig in den Kategorien »alle«      erwiesen. In der Vermarktung gilt es wie
oder »nur bio«. Wirtschaftlich interessant     im Anbau, die Vorteile von Produkt-­                                                 Conrad Thimm,
sind diese Initiativen am ehesten für         Vielfalt, Risiko-Streuung und Kreislauf-                                 Berater und Moderator, Berlin

                                                                                                                    DLG-Mitteilungen 8/2020    19
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