Blätter - Ambulante Al- tenhilfe - Evangelische Stiftung Neuerkerode
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Ambulante tenhilfe netz·wer·ken / ˈnɛtsvɛrkɛn / Verb NEUERKERÖDER Blätter HEFT 109 | JUNI 2019 Ein Teil von uns.
VERANSTALTUNGEN 2019 JUNI SEPTEMBER 15.06 - Gespannfahrertreffen in Neuerkerode 02.09. Begrüßungsgottesdienst der Auszubildenden in 16.06. Motorradfahrer aus ganz Deutschland kommen für gemeinsame Ausfahrten mit Neuerkeröder Bürgern der Altenpflege am Bildungszentrum Marienstift Braunschweig, 8 Uhr: Wir heißen unsere Schüler in der netz·wer·ken zusammen. Das Treffen findet bereits zum 18. Mal statt. Theodor-Fliedner-Kirche willkommen. 16.06. Sommerfest in Neuerkerode 03.09. Veranstaltungsreihe zum BTHG in Neuerkerode 11–17 Uhr: Open-Air-Sommerfest mit Musik, Theater, Die Wohnen und Betreuen GmbH berät mit Blick auf Verkaufsständen, Spaß und Aktionen für Groß und Klein. Änderungen und neue Anforderungen durch das 18.06. Veranstaltungsreihe zum BTHG in Neuerkerode Bundesteilhabegesetz. Die Wohnen und Betreuen GmbH berät mit Blick auf 04 Editorial 18 Alles aus einer Hand Änderungen und neue Anforderungen durch das 13.09. - Ententreffen in Neuerkerode 15.09. Freunde des französischen Kultautos Citroën 2CV, Im Haus der helfenden Hände wird Bundesteilhabegesetz. 06 Nachbarschaften und Quartiere der legendären „Ente“, kommen zur Präsentation ihrer nicht nur für Bewohner sondern, auch 22.06. Sommerfest Theresienhof Goslar entstehen und wachsen lassen Wagen sowie zum Austausch bei Lagerfeuer und für umliegende Kitas gekocht 14.30 Uhr: Buntes Fest mit Kaffee und Kuchen, Musik und Live-Musik zusammen. Interview mit Braunschweigs Sozial- Unterhaltung unter dem Motto „50 Jahre Theresienhof“. dezernentin Dr. Christine Arbogast 20 Mit dem Tablet unter dem Arm 18.09. Fotoausstellung „50 Jahre Theresienhof“ Goslar 28.06. Sommerfest im Landhaus Querum in Braunschweig 18 Uhr: Ausstellungseröffnung anlässlich des 50-jährigen Digitale Pflege im Seniorenzentrum 15-18 Uhr: : Das zehnjährige Bestehen der Einrichtung 08 Der Mediziner ist Gast im Leben Bestehens des Seniorenheims. Bethanien für Kinder und Jugendliche wird mit Musik, leckerem des Kranken Essen und vielfältigen Angeboten gefeiert. 24.09. Stiftungsempfang, Braunschweig Dr. Rainer Prönneke behandelt 22 Probewohnen in Neuerkerode 18 Uhr: Feierlichkeiten im Braunschweiger Dom St. Blasii 29.06. Sommerfest Bethanien in Braunschweig nach einem ganzheitlichen Ansatz Die 18-jährige Antonia Millhagen in im Gründungsmonat unserer Stiftung. 14.30 Uhr: Erleben Sie ein fröhliches Beisammensein mit einer Wohngruppe in Neuerkerode Musik, Spaß und Unterhaltung im Seniorenzentrum am 10 Lieblingsbaustelle Marienstift Marienstift. OKTOBER Zu den umfangreichen Moderni- 24 Den richtigen Platz finden – 01.10. Begrüßungsgottesdienst der Auszubildenden sierungsmaßnahmen im Krankenhaus Wegbegleitung von Menschen mit JULI in der Gesundheits- und Krankenpflege am Marienstift Handicap bei der Berufswahl Bildungszentrum Marienstift Braunschweig Qualifizierung in der Mehrwerk - 04.07 - Mehrwerk gGmbH bei den Sparkassen Open 8 Uhr: Wir heißen unsere Schüler in der Theodor- 12 Schutzengel am Rückspiegel Vier Beispiele 13.07. in Braunschweig Fliedner-Kirche willkommen. Unterwegs mit einer ambulanten Pflege- Viele Leckerbissen von unserem inklusiven Catering-Team 16.10. „Pflegefall – was nun?“ Theresienhof Goslar kraft der Diakoniestation Braunschweig 28 Wörter sehen beim ATP-Turnier im Bürgerpark. 18 Uhr: Veranstaltungsreihe anlässlich des 50-jährigen Menschen mit Hörschädigung in der Bestehens des Seniorenheims. 14 Gemälde deuten – Patienten Sprössling gGmbH AUGUST besser verstehen NOVEMBER Angehende Gesundheits- und Kranken- 29 Prisma 24.08. Sommerabend mit Musik im Rittergut Beienrode pfleger im Herzog-Anton-Ulrich-Museum 19 Uhr: Unsere Senioreneinrichtung Haus der helfenden 13.11. „Generalvollmacht und Patientenverfügung“ 34 Aus unserer Reihe Hände lädt ein zu einem musikalischen Abend in Theresienhof Goslar 16 Arbeiten mit der Sucht Eine Geschichte von Menschen. besonderer Atmosphäre. 18 Uhr: Veranstaltungsreihe anlässlich des 50-jährigen Suchthilfe des Lukas-Werks in Von leutseligen Worten, weiblicher Bestehens des Seniorenheims. 31.08. Rock an der Wabe, Neuerkerode Betrieben, Unternehmen und Behörden Hülfe und Wohlthaten 16 Uhr: Wir feiern das zehnjährige 19.11. Angehörigen- und Betreuertreffen, Braunschweig Bestehen des inklusiven Rockfestivals. Neben vielfältigen Informationen zu Neuigkeiten in und 36 Spendenprojekt um Neuerkerode informiert die Wohnen und Betreuen Hohe Wellen schlagen GmbH zu aktuellen Themen. DEZEMBER GOTTESDIENSTE UND ANDACHTEN 11.12. „Soziale und zusätzliche Betreuung“ Theresienhof Goslar finden regelmäßig in der Peter-und-Paul-Kirche 18 Uhr: Veranstaltungsreihe anlässlich des 50-jährigen in Neuerkerode & in der Theodor-Fliedner-Kirche Bestehens des Seniorenheims. am Marienstift statt. 15.12. Weihnachtsmarkt Neuerkerode 11–17 Uhr: Mit vielen regionalen Produkten, handwerk- Alle Termine und Veranstaltungen finden Sie unter: lichen Erzeugnissen, Geschenkartikeln, Kulinarischem, www.neuerkerode.de | www.marienstift-braunschweig.de Musik und Unterhaltung für die ganze Familie. 2 3
- Editorial - „Miteinander unterwegs sein, seine Zeit zusammen verbringen, arbeiten, reden, streiten, lachen, sich vertragen, sich verlieben, manch- Netzwerke aus Sympathien, aus mal auch sich verlieren und immer zu wissen, dass der andere kostbar Menschlichkeit, aus Herzlichkeit, aus Liebe. ist, dass die Zeit der Begegnung nie wiederholt werden kann.“ Rüdiger Becker Liebe Leserin und lieber Leser, Unsere lebendigen Netzwerke sind das Fundament. Stationäre Altenhilfe ich freue mich, Ihnen heute die neue Ausgabe der Neuerke- Miteinander unterwegs sein, seine Zeit zusammen ver- DIAPP Suchthilfe Ambulante Ambulante röder Blätter mit Informationen aus dem Marienstift in die bringen, arbeiten, reden, streiten, lachen, sich vertragen, psychiatrische Altenhilfe Hände reichen zu dürfen. Viele Beiträge aus unterschiedli- sich verlieben, manchmal auch sich verlieren und immer zu Dienste Krankenhaus Marienstift chen Bereichen zu verschiedensten Themen, verfasst von wissen, dass der andere kostbar ist, dass die Zeit der Begeg- unseren Redakteurinnen und Redakteuren. Das vorliegende nung nie wiederholt werden kann. Die Zeit läuft dahin und Heft ist Sinnbild für unser Netzwerk. Viele Menschen mit ich glaube, dass unsere Netzwerke an Freundschaften, an vielen Ideen an vielen Orten unserer Region setzen sich für Beziehungen, an Familie die einzig gute Antwort auf das ein gutes miteinander Leben ein. Memento Mori sind. Unsere lebendigen Netzwerke sind das Palliative Fundament. Auch im Glauben ist die Gemeinschaft unver- Geburtshilfe In den letzten Tagen habe ich von einer App für das Smart- Pflege zichtbar, Jesus hat ganz intensiv Geselligkeit und Netzwerke Reinigung Catering phone gehört, die „Memento Mori – The ultimate producti- Mensch gelebt. Diese Gemeinschaft von Menschen, ihr Vertrauen vity tool“ heißt – da bin ich neugierig geworden. Die App mit und ihre Verlässlichkeit haben die Kirche und unsere Dia- der lateinischen Redewendung mahnt: „Denke daran, dass konie durch die Zeiten gebracht. Deshalb gibt es eine für du sterben musst“ und kann in Sekundenschnelle ausrech- mich ganz einfache kluge Lebensregel: Gemeinschaft zählt, nen, wie viele Tage man schon lebt, um die Begrenztheit der Demenz- Bindung hilft, Netzwerke machen das Leben reich. Das ist orientierung eigenen Zeit auf Erden zu begreifen. Anschließend soll diese Handwerk Garten ein gutes Bild für die Erfahrung, dass Lebens-Glück im Alltag Ausbildung Erkenntnis dazu führen, dass man produktiv wird. „Nutze liegt, geteilt mit Menschen, denen man sehr stark verbun- jede Sekunde!“ Die eigene Endlichkeit soll Antrieb sein zur den ist. Aktivität. Entsprechend ist der Totenkopf zum Symbol der FED Für unsere tragfähigen und wunderbaren Netzwerke MZEB App geworden. Ich habe mir die App nicht heruntergeladen. wünsche ich nur, dass wir es uns im andauernden Suchen Wozu auch? Dass meine Zeit auf Erden begrenzt ist, gehört Eingliederungs- nach den ökonomischen Ressourcen trotzdem und dennoch hilfe zur Grundannahme meines Lebens. Der Totenkopf als Erin- leisten, ein Herz zu haben! Das ist dann das Größte! nerung daran ist überflüssig. Ich habe ein viel besseres Bild für die Mahnung, dass man seine Zeit leben und erleben soll: Mit Herzen kann man richtig gute Netzwerke knüpfen. Das sind für mich andere Menschen. Alle um mich herum, Netzwerke aus Sympathien, aus Menschlichkeit, aus Herz- Das ist uns zugleich ein Ansporn, deshalb organisieren wir alle von denen ich etwas möchte, die von mir etwas erwar- Netzwerke im Dienst für das Leben der Menschen – wenn lichkeit, aus Liebe. Ich hoffe, dass Sie, liebe Leserin, lieber Hilfe, Unterstützung, Begleitung, Pflege, Gesundheit und ten und natürlich alle die, die meine Zuneigung in ganz sie von Herzen kommen: überlebensnotwendig. Die Unter- Leser, auch mit diesem Heft wieder etwas Neues entdecken. Rehabilitation, auf dass keiner verloren geht. besonderer Weise haben. nehmensgemeinschaft der Evangelischen Stiftung Neuer- Es wäre schön, wenn Sie ab und zu beim Lesen den Gedan- Ich wünsche Ihnen eine schöne Sommerzeit. kerode und der Ev.-luth. Diakonissenanstalt Marienstift ist ken hätten: „Das habe ich ja gar nicht gewusst!“ Aber auch ein faszinierendes Netzwerk in dieser Region in und um diese Erkenntnis, dass man nie alles weiß und kennt, soll Bleiben Sie behütet. Braunschweig herum. Mit dieser Unternehmensgemein- von der grundlegenden und uns im Glauben verbindenden schaft der ESN und der MSB wollen wir dazu beitragen, Einsicht geprägt sein, dass Gott jeden von uns liebt, seinen Ihr Netzwerke in Südostniedersachsen zu stärken. Namen kennt und er keinen fallen lässt. Rüdiger Becker 4 5
- Zu Gast in Neuerkerode - Nachbarschaften und Quartiere entstehen und wachsen lassen Dr. Christine Arbogast ist seit dem 1. Oktober 2018 Sozialdezernentin der Stadt Braunschweig und somit zuständig für Soziales, Gesundheit, Schule und Jugend. Im Rahmen ihres Besuchs in Neuerkerode traf sich die Redaktion mit ihr zum Interview. Interview: Miriam Herzberg // Fotos: Bernhard Janitschke > Haben Sie sich schnell in Braunschweig eingelebt > Wie wichtig ist das Thema Netzwerkarbeit in > Wie beurteilen Sie die zivilgesellschaftliche Rolle der > Wo sehen Sie diesbezüglich potenzielle Anknüpfungs- und falls ja, welche Faktoren haben diesen Prozess Ihrem Job? Braunschweiger Stiftungslandschaft? punkte mit dem großen Versorgungsnetzwerk der beschleunigt? Es geht gar nicht anders und wäre auch verrückt, in einer In Braunschweig spielen Stiftungen eine erstaunlich Evangelischen Stiftung Neuerkerode? Ja, ich habe mich bereits eingelebt. Beruflich kommt Verwaltung für Soziales am Schreibtisch sitzen zu bleiben starke Rolle, das kannte ich so vorher nicht. Positiv zu be- Da gibt es auf jeden Fall sehr viele. Alleine rund um das man sehr schnell in Kontakt mit den Menschen, die im und sich nicht zu vernetzen. Man braucht den Blick nach werten ist die hohe Bereitschaft der Zivilgesellschaft, sich Thema Inklusion haben wir hohen Gesprächsbedarf, da Bereich Soziales tätig sind. Die Braunschweiger Insti- draußen und viele Kooperationen. Gerade im Hinblick zu engagieren und somit etwas zu bewegen. Außerdem wir auf Input und Impulse von den Experten vor Ort tutionen sind extrem gut miteinander vernetzt und ich beispielsweise auf die Umstellung zum BTHG sind wir begrüße ich es sehr, dass bei allen Stiftungen der Wunsch angewiesen sind. wurde sofort in Termine mit runden Tischen, Beiräten, darauf angewiesen, von den Menschen aus der Praxis zu da ist, mit der Stadt zu kooperieren und daraus schon Vielen Dank für das Interview! Gesprächskreisen oder Stiftungen aufgenommen. Privat lernen und ganz eng mit ihnen ins Gespräch zu gehen. Das viele tolle Projekte entstanden sind, die ohne die enge ging es auch sehr schnell, weil wir in einem Haus mit Bedürfnis, über persönliche Kontakte die Arbeit am Laufen Vernetzung weder organisatorisch noch finanziell möglich zehn Parteien angekommen sind, die gelebte Nachbar- zu halten, scheint mir in Braunschweig sehr ausgeprägt zu gewesen wären. ENTWEDER… ODER? schaft praktizieren und die uns sozusagen umgehend sein und das begrüße ich sehr. > Wo sehen Sie Braunschweig und die Region in Bezug adoptiert haben. > Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die auf die Themen Leben im Alter, Pflege und Inklusion? Italien oder Spanien? Eher Italien. > Worin sehen Sie den größten Unterschied zwischen Braunschweiger Inklusionskonferenz, die Anfang des Bundesweit stehen wir vor großen Herausforderungen, Braunschweig oder Tübingen? Süd- und Norddeutschland? Jahres erstmals stattfand? die eher größer als kleiner werden. Davon ist auch Braun- Natürlich Braunschweig. In Tübingen sind die Menschen sehr stolz auf alles – Die Atmosphäre und die Stimmung waren wirklich schweig nicht ausgenommen. Der demografische Wandel manchmal mehr als angebracht wäre. In Braunschweig toll. Unabhängig von den Ergebnissen, die nun natür- trägt viel dazu bei. Zum Beispiel müssen Nachbarschaften, Teilzeit oder Vollzeit? Vollzeit. ist man oft unsicher und schaut zunächst auf andere lich auch folgen müssen, fand ich beeindruckend, dass Quartiere und auch pflegende Angehörige gestärkt wer- Sushi oder Burger? Sushi. Städte. Vielleicht ist das historisch begründet. Braun- die Menschen sich über die Konferenz gefreut und den den, um Problemlagen abzufangen. Auch der Fachkräfte- schweig ist aber doch eine Stadt, die schön ist, wächst unterschiedlichen und teilweise kontrovers diskutierten mangel beschäftigt uns alle. Tochter oder Sohn? Beides. und boomt – die Leute dürften meiner Meinung nach Themen sehr offen gestellt haben. Es wurde miteinander > Welche soziale Vision haben Sie für Ihre Amtszeit? Östliches oder westliches Ringgebiet? ruhig ein wenig stolzer und selbstbewusster sein. gesprochen, intensiv zugehört. Diese Tatsache ist nicht Ich würde mir wünschen, dass Nachbarschaften und Östliches Ringgebiet. selbstverständlich und deshalb von unschätzbarem Wert. Anders ist in jedem Fall auch die Sprache und mir fehlen Quartiere entstehen und wachsen. Es wäre vermessen Ambulant oder stationär? Ambulant. die Berge. Nicht fehlen würde mir der Nieselregen im zu sagen, dass ich den Masterplan dazu vorlegen könnte, Winter und die halbe Stunde weniger Helligkeit. Die denn Gesellschaft ist immer im Fluss. So hätte ich mir Pilgern oder All-inclusive-Urlaub? Menschen sind sehr aufgeschlossen, auch wenn das im beispielsweise im Jahr 2014 nicht vorstellen können, dass Weder noch. Wenn, dann eher pilgern. Süden anders gesehen wird. Wer das sagt, der kennt aber mein Hauptschwerpunkt im Bereich der Geflüchteten Wäre die Frage Hotel oder Ferienwohnung, die Schwaben nicht (lacht). liegen würde. Wichtig ist, dass man als Stadtgesellschaft dann eher Ferienwohnung. immer offen, solidarisch und flexibel mit der jeweiligen Reden oder schweigen? Situation umgeht. Ganz klar: reden. 6
- Ganzheitlich - Der Mediziner ist Gast im Leben des Kranken Wenn Dr. Rainer Prönneke im Krankenhaus Marienstift mit seinem weißen Kittel ein Zimmer betritt, wird er von vielen Patienten ehrfürchtig angesehen. Als ein Experte, der mit seiner medizinischen Expertise die Richtung vorgibt, die Richtung zur möglichst schnellen und vollständigen Genesung. Doch der Internist, Palliativmediziner und Chefarzt der Medizinischen Klinik sieht seine eigene Rolle demütiger. Sein Grundverständnis lautet: Ein Mediziner ist immer nur Gast im Leben eines Patienten. Text: Henning Thobaben // Fotos: Bernhard Janitschke veränderten Lebensumstände – vor allem bestimmte Grup- pen wie ältere Menschen, chronisch Erkrankte, Demenz- kranke, Sterbende oder auch Menschen mit Behinderung. Und deshalb bleibt Prönneke seinen eigenen Überzeugun- gen treu. Der ganzheitliche Blick auf den Menschen sei wichtig, sagt er. „Ein Mensch erkrankt immer vollständig. Es gibt die körperliche, aber auch die seelische, soziale und spirituelle Dimension.“ Ein Gesundheitssystem, das nur auf der körperlichen Ebene ansetze, greife zu kurz. Auch die Gefühlslage und sozialen Bezüge bedürfen unserer Aufmerksamkeit. Ein Gast zwar, der manchmal mit Geräten spiegelt und Für Prönneke ist es ein immerwährender Versuch, in seiner etwa einen Polypen entfernt. Aber einer, der dem Erkrank- Klinik im Marienstift nach dem ganzheitlichen System ten mit seinen Fähigkeiten dient und vor allem eines mitzu- zu arbeiten. Und das erfordere oft Zeit. Zeit, die das me- bringen hat: Zeit. dizinische System dem Menschen kaum noch zugestehe, Es gibt Tage, da weiß Dr. Rainer Prönneke vor lauter Stress kritisiert Prönneke. Er ist sicher: Erholungsphasen nach und Termindruck kaum noch, wo ihm der Kopf steht. Und er überwundenen Krankheitskrisen sind wichtig – auch wenn kennt auch die Ursache dafür. Auf der einen Seite erfordern die medizinisch messbaren Werte längst wieder im grünen Patientennöte seine Zuwendung. Auf der anderen Seite hat Bereich sind. Durch seine Vernetzung mit Krankenhaus-Kol- er seine Aufgabe effizient zu erfüllen. Wie in jedem anderen legen, Pflegekräften, Seelsorgern, niedergelassenen Ärzten, Krankenhaus muss auch im Marienstift wirtschaftlich gear- aber auch dem Hospizbereich versucht der Arzt alles zum beitet werden. Ein Spagat, den er auf seine Weise vollzieht: Wohle des Patienten. Das gebe ihm sein christliches Grund- „Ich kann nicht jeden Tag mit jedem Patienten ein Inten- verständnis vor, sagt er. sivgespräch führen. Aber ein konzentriertes intensives Ge- Nicht immer können Menschen geheilt werden – das spräch mit Betroffenen und Angehörigen zu Beginn schafft weiß der Palliativmediziner besser als andere. Das Leiden häufig eine Vertrauensbasis für die weitere Behandlung“, mindern und das Leben der Betroffenen lebenswert zu erläutert Dr. Prönneke. Der Patient müsse ernst genommen gestalten, das müsse hier das Ziel sein. Obwohl der Arzt und nicht nur als bloßer „Fall“ betrachtet werden. seit Jahrzehnten Sterbende versorgt, steckt für ihn im Tod Der Chefarzt macht sich Gedanken über das Gesundheits- immer noch ein Stück Unbegreifliches. „Das hält mich wach system in Deutschland. Viele Patienten hätten nicht mehr und schließt Routine im Umgang mit den Patienten aus“, genügend Zeit für ihre Gesundung oder Anpassung an die bilanziert Prönneke. 8
- Modernisierung - Lieblingsbaustelle Marienstift Die Vorbereitungen für den Neubau am Krankenhaus Marienstift sind in vollem Gange. In den kommenden Jahren sind umfangreiche Baumaßnahmen geplant. Text: Miriam Herzberg // Bauzeichnung: petereit & gößling gmbh // Foto: Bernhard Janitschke „Was lange währt, wird endlich gut. So könnte man den „Sie tut mir jedenTag gut“, sagt Becker und schmunzelt. über viele Jahre dauernden Planungsprozess zum Neu- Die Bauzeit des Neu- und Umbaus ist auf insgesamt vier Jah- und Umbau im Marienstift vielleicht am besten zusam- re angelegt. Der Neubau soll im Jahr 2021 fertiggestellt sein. menfassen. Anfang des Jahres ging es nun deutlich erkenn- Geplant ist ein Gebäude mit vier Etagen auf einer Gesamtflä- bar los“, freut sich Rüdiger Becker, Direktor und Vorstands- che von insgesamt 5.700 Quadratmetern. Bereits bestehende vorsitzender der Evangelischen Stiftung Neuerkerode Gebäude werden im Anschluss bis zum Jahr 2023 umgebaut. sowie Geschäftsführer des Krankenhauses Marienstift. Durch Neu-/Umbau verändert sich auch die Außenanlage „Die Baukosten liegen bei 27,8 Millionen Euro und bereits auf dem Gelände. Rüdiger Becker macht deutlich: „Derzeit am 2. Juli 2019 planen wir die Grundsteinlegung. Die um- sitzen wir an einer Gesamtplanung für das Gelände, um es fangreichen Baumaßnahmen ermöglichen es uns als klei- nach den Bauarbeiten – ebenso wie alle anderen im Rest der nes Krankenhaus, uns in unserer medizinischen und pflege- ESN befindlichen Liegenschaften – naturnah zu gestalten. rischen Ausrichtung weiter auf die speziellen Bedürfnisse Fest steht bereits, dass für jeden entnommenen Altbaum von Senioren und Menschen mit Behinderung zu fokussie- zwei neue einheimische Bäume auf dem Gelände des Mari- ren.“ Deshalb sei das Projekt seine liebste Baustelle. enstifts gepflanzt werden.“ Untergeschoss Erdgeschoss 1. Obergeschoss 2. Obergeschoss Wolfgang Jitschin, Verwaltungsdirektor Krankenhaus Marienstift: • Abschiedsraum für • Eingang, Empfang • Entbindung mit • Operationsbereich mit „Die Vorteile des Neubaus liegen deutlich auf der Hand, denn diverse Räum- Trauernde • Administrative und elektive drei Kreißsälen vier Operationssälen lichkeiten müssen ohnehin dringend modernisiert und erweitert werden. • Prosektur Aufnahme • Gynäkologie/Geburtshilfe • Intensivstation Alle Funktionsbereiche sind zukünftig ohne Höhenunterschiede zwischen • Ver- und Entsorgung • Arztdienste und Station für • Sozialmedizinisches den Abteilungen gebündelt. Darüber hinaus wird eine komplett neue Frau- • Technik- und Lagerräume • Endoskopie Wöchnerinnen Zentrum für Menschen enklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe mit moderner Ausstattung gebaut. • Funktionsdiagnostik mit Behinderung Weiterhin können wir künftig einen Operationssaal mehr nutzen, der bisher • Zentrale Notaufnahme nicht vorhanden ist und uns mitunter schmerzlich fehlt. Außerdem sind wir (zum Ende der Umbau- durch den Neubau in der Lage, unsere Pläne zur Errichtung eines sozialmedi- maßnahmen) zinischen Zentrums für Menschen mit Behinderung weiter voran zu treiben.“ 10 11
- Pflege unterwegs - Schutzengel am Rückspiegel Inzwischen ist es 6.30 Uhr. Der erste Stopp des Tages bei Annemarie Heinisch steht an. „Mein Mäuschen!“ Fröhlich Izabela Palus fährt, wie ihre Kolleginnen und Kollegen, jeden Tag eine festgelegte Route. Zu Beginn sei es komisch begrüßt die 92-Jährige „ihre Izabela“ mit einer Umarmung. gewesen, so tief in die Privatsphäre der Menschen einzu- Sechs Uhr morgens. Es dämmert bereits. Die Straßen sind noch leer. Vereinzelt fahren Autos in den Tag „Was bin ich immer froh, wenn die Izabela kommt“, erzählt tauchen. Daher ist es auch kein Beruf, den jeder machen hinein. Ganz zart sind erste Vogelstimmen zu hören. Langsam erwacht die Stadt. Ein kleiner Moment, Annemarie Heinisch. „Ich kann mich ja nicht mehr alleine kann, ist sich Izabela sicher. Man müsse dazu berufen sein. den nur die erleben, die früh aufstehen. Für Izabela Palus ist das Alltag. duschen.“ Die alte Dame lebt seit elf Jahren im betreuten „Wir hatten schon Kolleginnen, die nach vier Wochen das Text: Katharina Heinemeier // Fotos: Bernhard Janitschke Wohnen für Senioren. „Ich habe 37 Jahre im St. Vinzenz als Handtuch warfen, weil sie merkten, dass es nicht so funkti- Stationsschwester gearbeitet. Daher kann ich den Beruf gut oniert, wie sie es sich vorgestellt haben. Wir pflegen ja keine verstehen. Leider ist er Mangelware“, schätzt Annemarie Gegenstände, sondern Menschen!“ Auch wenn mal mehr Die 44-Jährige ist Altenpflegehelferin in der ambulan- Seit fünf Jahren ist sie bei der Diakoniestation Braun- Heinisch die Situation richtig ein. Hilfe nötig ist oder die Zeit beim Kunden nicht ausreicht, ist ten Pflege. Am Rückspiegel ihres Dienstwagens hängen schweig gGmbH tätig. Ihre Ausbildung hat sie mit Mitte es schwierig: „Damit müssen wir lernen umzugehen. Dann liebevoll gestaltete Glücksbringer: ein Schmetterling aus dreißig gemacht, nachdem sie als Putzkraft in einem Holzperlen mit rosa Stoffflügeln, ein hübsch umhülltes Pflegeheim gearbeitet hat. „Das kann ich auch, habe ich mir Auf der einen Seite der Fachkräftemangel, vermitteln wir, rufen zum Beispiel bei Angehörigen an, Ei, ein weißer, fein gehäkelter Schutzengel. „Das sind gedacht“, erzählt die gebürtige Danzigerin. „Ich musste ein auf der anderen Seite eine nicht auskömm- sodass weitere Hilfe und seelische Unterstützung auch von Geschenke, von den Kunden selbst hergestellt“, erzählt Jahr warten, bis ich meine Ausbildung starten konnte. Da- anderer Seite kommt.“ liche Refinanzierung durch die Kostenträger Izabela lächelnd. „Es fühlt sich schon ein bisschen familiär nach habe ich schnell eine Stelle gefunden. Schon vor zehn Denn in dem Beruf spielt nicht nur die Pflege eine Rolle, wie an, wenn man tagtäglich die Kunden besucht.“ Jahren war das, wie heute auch in dem Beruf, kein Problem.“ – die ambulanten Pflegedienste stehen vor Izabela bestätigt: großen Herausforderungen. „Die Kunden freuen sich sehr, wenn wir In Niedersachsen hat die nicht ausreichende Refinanzie- vorbeikommen. Leider sind wir für viele rung dazu geführt, dass ambulante Pflegedienste zuneh- häufig die einzigen Besucher am Tag.“ mend Anfragen von Patienten ablehnen müssen oder gar in die Insolvenz gehen. Das liegt nicht an zu hohen Löh- Und weiter stellt sie klar: „Was wir machen, ist nicht einfach nen oder unwirtschaftlicher Arbeit, sondern daran, dass nur ‚wischi-waschi‘. Wir sind auch irgendwie Seelsorger, die tatsächlich entstehenden Kosten in der Pflege nicht Vermittler, Familienmitglied, Friseur und manchmal auch ausreichend refinanziert werden. So dauert eine Fahrt zum Handwerker.“ Patienten beispielsweise durchschnittlich sechs Minuten, erstattet werden von den Kostenträgern aber lediglich drei. Der nächste Stopp: Izabela sucht nach einer Parklücke am Rand der jetzt schon stark befahrenen Straße – Berufsver- kehr. „Manchmal brauche ich 20 Minuten Anfahrt in der Stadt. Baustellen, rote Ampeln, viel Verkehr. Da reichen die Wegepauschalen bei Weitem nicht aus“, ärgert sich Izabela über die nicht auskömmliche Refinanzierung der Kostenträger. „Ich verstehe die Menschen nicht, die diese Entscheidungen treffen. Sie müssen wohl erst selbst die Er- fahrung machen, wie es ist, auf Pflege angewiesen zu sein.“ So haben auch schon Kunden Angst, dass es möglicherwei- se keine ambulante Pflege mehr gibt. Das wäre auch für Ur- sula Radsack eine Katastrophe. Die 90-Jährige ist alleinste- hend, hat keinen Mann und keine Kinder. Ihre Nichte wohnt an der Küste und ihre Freundin im Seniorenheim. „Izabela und ihre Kolleginnen machen das prima. Die haben mich noch nie im Stich gelassen!“ Bei der Verabschiedung gibt es eine herzliche Umarmung: „Das ist mein Engel.“ Damit meint sie Izabela – die, mit dem Schutzengel am Rückspiegel! 12 13
- Kunst im Pflegeberuf - Gemälde deuten – Patienten besser verstehen Vermeer, Rembrandt, Rubens – dass alte Meister aus der Kunstgeschichte auf ihrem Ausbildungsplan stehen, damit haben Anna Wiechens und Jan Schreiber nicht gerechnet. Doch nun stehen die zwei angehenden Gesundheits- und Krankenpfleger vor einem großen Gemälde im Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig und fragen sich, ob die auf dem Kunstwerk Abgebildeten überrascht oder ängstlich wirken. Später zeichnen sie digital an Tablets Emotionen nach: Zornesfalten auf der Stirn, weit aufgerissene Augen oder hängende Mundwinkel. Aufgaben, die Wiechens und Schreiber gemeinsam mit ihrem Ausbildungskurs im zweiten Lehrjahr absolvieren, da sie an einem Forschungsprojekt der Universität Tübingen teilnehmen. Ziel des Projekts: durch Schulungen sollen Emotionen leichter erkannt werden. Text: Petra Neu // Foto: Bernhard Janitschke „Angst und Überraschung sind Gefühle, die im Gesicht neuesten Modetrend, Automarken, den letzten Urlaubsort sehr ähnlich aussehen können“, sagt Azubi Schreiber. Mi- oder das leckere Essen im Restaurant“, sagt Britta Schrö- mik und Gestik deuten – das sei auch als Gesundheits- und der, Lehrkraft am Bildungszentrum Marienstift, die die Krankenpfleger sehr wichtig, zieht der 20-Jährige eine Par- Museumsbesuche regelmäßig begleitet. Den Unterschied allele zur Ausbildung. Seine Mitschülerin ergänzt: „Emo- zwischen der damaligen und heutigen Gesellschaft zu tionen sind ständige Begleiter in unserem Arbeitsalltag. kennen, sei auch in der Pflege, Unterstützung und Be- Insbesondere bei Patienten, die sich verbal nicht mehr gleitung von älteren Menschen wichtig. „Es freut uns, zu gut mitteilen können, macht es Sinn, auch auf kleine sehen, dass die Beschäftigung mit der Kunst Empathie Gesten zu achten.“ Derzeit absolviere sie ihren Praxisteil und Verständnis für ältere oder kranke Menschen stärken im Integrierten Gesundheitsdienst in Neuerkerode, wo kann“, sagt Dr. Sven Nommensen, Leiter der Abteilung Bürgerinnen und Bürger mit Behinderung auch statio- Museumspädagogik im Herzog Anton Ulrich-Museum. när aufgenommen werden. „Die Erfahrungen aus dem Über ihn kam auch die Teilnahme an dem Forschungspro- Museumsprojekt haben mir schon geholfen, die Menschen jekt der Universität Tübingen zustande. „Unsere Zusam- besser zu verstehen. Ähnliches kann ich mir im Palliativbe- menarbeit mit dem Bildungszentrum Marienstift zeigt, reich gut vorstellen“, so Anna Wiechens. dass Kunst häufig auch dort eine Rolle spielt, wo man es zunächst nicht vermutet. Die Werke unserer Sammlung Seit Ende 2017 verbindet das Bildungszentrum Marienstift versinnbildlichen Werte, die nichts von ihrer Aktualität und das Herzog Anton Ulrich-Museum eine besondere, in verloren haben, wie zum Beispiel Liebe, Neid, Geborgen- Braunschweig bislang einzigartige Kooperation. Dadurch heit und Vertrauen.“ Alte Kunst sei damals wie heute von steht für jeden Ausbildungsjahrgang mindestens ein Relevanz, so Dr. Nommensen weiter. Der Unterschied liege Museumsbesuch auf dem Unterrichtsplan. In Begleitung allerdings darin, dass die Menschen früher mit den Ge- einer Museumspädagogin werden die Auszubildenden schichten vertraut waren, die den Kunstwerken zugrunde durch die Ausstellung geführt. Sie lernen Selbstporträts liegen. Heute müssen Hintergründe und Zusammenhän- und Familienbildnisse, Skulpturen, Kupferstiche, un- ge in der Regel erläutert werden, um der Intension des terschiedliche Epochen kennen und vergleichen dabei Künstlers auf die Spur zu kommen. Museumspädagoge beispielsweise Gemälde mit Schnappschüssen vom Handy. Dr. Nommensen: „Diese Vermittlung lohnt sich für beide „Früher wurden Schmuck, Einrichtungsgegenstände oder Seiten, denn man entdeckt – häufig im Gespräch mit den exotische Früchte dargestellt. Heute knipsen wir den Besuchern – immer wieder neue Aspekte in den Werken.“ 14
- Suchthilfe im Betrieb - Petra Schlenner Personalleiterin und Mitglied im internen Karin Neun Arbeitskreis Sucht Angestellte und ehrenamt- des Studentenwerks liche Suchtberaterin IKEA OstNiedersachsen Braunschweig „Sehr spannend war ein Vortrag eines Alkoholikers, „Wie in vielen Unternehmen gibt es auch bei uns eine den wir im Lukas-Werk gehört haben – so spannend, Interventionskette, wenn Mitarbeitende auffällig dass wir ihn zu uns in den internen Arbeitskreis des werden. Unsere Aufgabe als ehrenamtliche Suchthel- Studentenwerkes eingeladen haben, damit weitere fer ist die Unterstützung in solchen Fällen. Wir zeigen Mitarbeitende davon profitieren und wir einen offe- Betroffenen die Möglichkeiten auf, wo sie welche nen Umgang voranbringen. Ich sehe das Lukas-Werk Hilfen bekommen können und bieten auch Vorge- als Netzwerk von Fachkräften, Ärzten und Betrof- setzten und Kollegen Unterstützung im Umgang fenen. Hier finde ich Ansprechpartner und Kollegen mit suchtauffälligen Mitarbeitenden. Wir begleiten für den Austausch und um voneinander zu lernen, ebenfalls bei Rückfällen. Im Arbeitskreis erhalten wir zum Beispiel wie wir arbeitsorganisatorisch sensibi- fachlich fundierte Informationen und lernen das Hil- lisieren können, etwa mit Dienstanweisungen oder fenetzwerk in der Region gut kennen. Ich schätze die Workshops. Je offener wir mit dem Thema umgehen, regelmäßigen Reflexionstreffen sehr.“ desto mehr erreichen wir.“ Bettina Schmidt Vertrauensperson für Frank Giere Suchtangelegenheiten/ betrieblicher Sucht- Soziale Fragen, Finanz- berater Salzgitter amt Braunschweig Flachstahl GmbH „Ich besuche seit 16 Jahren den Arbeitskreis zur be- „Ich mache meine Arbeit vor dem besonderen Hinter- trieblichen Suchtprävention. Wir besichtigen regel- grund, dass ich selbst betroffen bin und in den 1980er Arbeiten mit der Sucht mäßig auch Kliniken, Beratungsstellen und andere Suchthilfeeinrichtungen. Das ist sehr spannend und Jahren eine Drogen- und Alkoholtherapie gemacht habe. Seit fast 40 Jahren lebe ich abstinent und seit hilft mir bei der Einschätzung, wohin ich auffällig ge- 24 Jahren bin ich hauptberuflich Suchtberater in 8.736 Euro hatte die Frau innerhalb von nur einer Woche ausgegeben. Die Anlageberaterin kaufte unter wordene Mitarbeitende in welchen Fällen am besten unserem Unternehmen. Beim Thema Sucht schauen anderem eine Kosmetik-Überraschungsbox im Wert von 1.000 Euro, Nahrungsergänzungsmittel, weiterleite. Viele Kollegen sind unsicher, wenn sie auch heute leider immer noch viele Menschen lieber eine Jogginghose, Broschen, Tagescremes und Make-up, Blusen, Schmuck, Parfüme, fünf Paar Schuhe, merken, dass Mitarbeitende ein Problem zum Bei- weg. Umso wichtiger sind Vernetzung und Austausch. das gleiche T-Shirt in zehn verschiedenen Farben. spiel mit Alkohol haben – das bemerke ich auch bei Der Arbeitskreis des Lukas-Werks ist dabei ein fester Vorgesetzten. Die Sensibilisierung für einen offenen Bestandteil und bietet einen professionellen Zugang Text: Petra Neu // Fotos: Bernhard Janitschke Umgang mit dem Thema Sucht und die Fürsorge- in das Suchthilfesystem.“ pflicht ist mir deshalb wichtig.“ Ausgepackt ist fast nichts von alledem. Es ist ein Auszug Mitarbeitenden haben wesentliche Auswirkungen auf ein aus dem Kaufprotokoll einer Frau, die kaufsüchtig ist. Unternehmen, nehmen für Betroffene meist dramatische Angebote des Lukas-Werks zur Gesundheitsförderung in Unternehmen Gerade stellt eine Referentin der Medizinischen Hoch- Formen an und können hohe Kosten verursachen“, erläu- • Fortbildungsveranstaltungen und Inhouse-Schulungen in Betrieben, Verwaltungen schule Hannover das anonymisierte Beispiel im Rahmen tert Angelika Kahl, Einrichtungsleiterin der Fachambulanz oder Institutionen des Arbeitskreises zur betrieblichen Suchtprävention vor, Braunschweig. Experten schätzen, dass in jedem Betrieb den die Lukas-Werk Gesundheitsdienste GmbH regel- durchschnittlich fünf bis zehn Prozent der Beschäftigten • Die Rehabilitationsfachklinik Erlengrund beteiligt sich an dem Seminarangebot der mäßig anbietet. An diesem Vormittag sind dafür in der suchtgefährdet oder suchtkrank sind. Betriebliche Sucht- Niedersächsischen Landesstelle für Suchtfragen (NLS) zur „Qualifizierung für Braunschweiger Fachambulanz rund 25 Vertreter regi- präventionsprogramme sind daher seit Jahren Bestandteil nebenamtliche Suchtarbeit im Betrieb“, einer Weiterbildung für Mitarbeitende aus onaler Betriebe, Unternehmen, Behörden und Verwal- moderner Personalpolitik. „Wir beraten und unterstützen Betrieben und Behörden. Das bietet die Möglichkeit, Betroffene einzubeziehen und tungen zusammengekommen, unter ihnen Betriebsrats- Unternehmen umfassend – bis hin zu konkreten Einzel- einen Einblick in therapeutische Prozesse zu vermitteln. Kontakt: mitglieder, Personalverantwortliche, Betriebsärzte und fallbesprechungen“, so Kahl. • Entwicklung eines firmenspezifischen Leitfadens für den Umgang mit suchtge- fachklinik@lukas-werk.de betriebliche Suchtkrankenhelfer. „Suchtprobleme von fährdeten oder suchtkranken Mitarbeitenden T 05341.300 40 16
- Köstlich - Alles aus einer Hand Wer sich selbst von der Qualität des Essens überzeugen möchte, ist herzlich eingeladen, die drei Wasser plätschert in das große Becken, in dem der frische Salat für das Mittagessen gewaschen wird. regelmäßigen Angebote des Heute, an einem Freitag, gibt es Fisch im Seniorenheim Haus der helfenden Hände auf dem Rittergut Hauses wahrzunehmen: in Beienrode. Töpfe und Gefäße für die Zubereitung des Mittagessens klappern aneinander und auf dem Herd kocht zischend ein Topf mit Wasser. Mit schnellen Bewegungen schneidet ein Koch Gemüse Offener Mittagstisch professionell mit einem Messer in kleine, feine Streifen. 3-Gänge-Menü Text: Katharina Heinemeier // Fotos: Bernhard Janitschke am letzten Donnerstag im Monat (außer an Feiertagen) von 12–14 Uhr „Unsere Bewohner genießen bei uns gesund, frisch und aus- Auch kann ich nicht leugnen, dass wir Ambitionen haben, 9,50 Euro pro Person gewogen. Denn wir legen, neben dem seelischen Befinden das Arbeitsfeld ‚Kochen für Kitas‘ weiter auszubauen. Dafür auch großen Wert auf das leibliche Wohl“, erklärt Maren müssten aber auch die räumlichen Kapazitäten geschaffen Seniorenfrühstück Warmbein, Leiterin der Hauswirtschaft. „Daher bieten wir werden“, erläutert Warmbein, die seit 2007 die Hauswirt- Vielfältiges, gesundes unseren Bewohnern abwechslungsreiche Mahlzeiten, die in schaft im Haus der helfenden Hände leitet. Die Rückmel- Frühstücksangebot unserer hauseigenen Küche zubereitet werden.“ Drei Köche, dungen der Eltern und Kinder seien durchweg positiv. am zweiten Mittwoch im Monat unterstützt von Auszubildenden der Hauswirtschaft, zau- Sicherlich auch, weil regelmäßig Abfragen zur Zufrieden- von 8–11 Uhr bern jeden Tag 100 Mittagessen für die Bewohner. Darüber heit erfolgen oder die Kinder Probierportionen erhalten, um 6 Euro pro Person hinaus gilt es, Frühstück, Abendbrot, Nachmittagskaffee neue Gerichte zu testen. oder -tee sowie Zwischen- und Nachtmahlzeiten zuzube- Café Zeitlos Das Rittergut in Beienrode ist außerdem der ideale Ort für reiten. In Summe sind das fünf bis sieben Mahlzeiten pro Bildungsveranstaltungen, Tagungen und Kongresse – ins- Im Café „Zeitlos“, einem Kleinod Tag an sieben Tagen der Woche. „Bei der Planung wirken besondere, wenn es nötig ist, für eine bestimmte Zeit aus am Rande des Parks, treffen sich unsere Senioren aktiv mit und bringen ihre Wünsche in den dem gewohnten Arbeitsumfeld herauszutreten. Aber auch Senioren, Familien, Ausflügler Speiseplan ein. Schonkost, Diätkost oder Sonderkostformen Familienfeiern wie Geburtstage, Hochzeiten oder Konfir- und Gäste des Ritterguts Bei- werden gemäß der ärztlichen Verordnung zubereitet und in mationen finden hier regelmäßig statt. „Wir sind fast jedes enrode bei Kaffeespezialitäten, individuellen Portionsgrößen serviert“, sagt Maren Warm- Wochenende ausgebucht und die Termine sind bis zu einem Kuchen und kleinen Speisen. bein. So ist eine bedarfsgerechte Verpflegung gewähr- halben Jahr vorher vergeben. Zum Teil gibt es schon fixe Dafür backen jeden Freitag früh- leistet, die regelmäßig überwacht und dokumentiert wird. Termine für das Jahr 2021“, freut sich Maren Warmbein über morgens Mitarbeitende aus der Aber nicht nur die Bewohner im Haus der helfenden Hände die große Nachfrage. Küche die Torten und Kuchen dürfen sich über die Kochkünste freuen. Neben der benach- selbst – nach eigenen Hausre- barten Tagespflege beliefert die Küche der Senioreneinrich- Keine langen Transportwege, keine zepten! Garantiert lecker! tung von Montag bis Freitag vier Helmstedter Kindertages- Fertigprodukte, eine Zubereitung, Jedes Wochenende und für stätten (Kita) mit Speisen, die unter Verwendung saisonaler Geburtstagsfeiern der Senioren wie man sie noch von früher kennt. und regionaler Lebensmittel frisch zubereitet werden. hat das Café geöffnet. „Vor zwei Jahren kam die Leiterin einer Kita auf uns zu und Für Feierlichkeiten kann es „Futtern wie bei Muttern“ mit Gemüse, Kartoffeln und fragte, ob wir die Versorgung übernehmen möchten. Sie gemietet werden, die Küche des Fleisch, alles frisch aus der Region, außerdem ein guter Ser- kannte uns über Angehörige und die schwärmten wohl von Hauses kümmert sich um vice und perfekte Beratung, das ist das Geheimnis des Er- der Qualität unseres Essens“, freut sich Warmbein. „So kam Speisen und Service. folgs – ganz ohne Werbung! Schritt für Schritt entwickelte eine Kita nach der anderen hinzu. Und uns erreichen nach sich so, nur durch Empfehlungen, ein zweiter Wirtschafts- Öffnungszeiten wie vor Anfragen aus der Umgebung, ob wir auch für andere zweig im Haus der helfenden Hände. Samstag: 15–18 Uhr Einrichtungen kochen können. Der Bedarf und der Markt Sonntag: 14–18 Uhr für regionales Essen sind vorhanden. und nach Vereinbarung 18 19
- Smarte Pflege - Mit dem Tablet unter dem Arm Das ist eine Erleichterung, da die Informationen schneller, präziser und umfangreicher fließen als früher. Durch die sensorgesteuerte Pflegebetten, um neue Erkenntnisse für die Einrichtung und die Bewohner zu gewinnen. Daten wie Datenübertragung wird zum Beispiel eine Medikamen- Bettabwesenheit, Sitzen an der Bettkante, Feuchtigkeit/ Smartphone und Tablet sind ständige Begleiter, wenn Juan Canete-Cerrillo tengabe sofort im System angezeigt“, erklärt Juan Canete- Nässe und Mobilität im Bett werden schon jetzt aufge- durch den Eingangsbereich des Senioren- und Pflegezentrums Bethanien eilt, Cerrillo. Gleichzeitig erfolge eine ständige Kontrolle, damit zeichnet und auf den PC oder das Smartphone der Pflege- an den Fahrstühlen vorbei, die Treppe hinauf zum Wohnbereich Hirte. keine Daten vergessen oder falsch notiert werden. kraft übermittelt. So können zum Beispiel Stürze oder ein unnötiges Wechseln der Vorlage, die noch nicht nass ist, Text: Katharina Heinemeier // Foto: Daniel Ligges/Connext Der 50-Jährige besetzte im Jahr 2015 eine neu geschaffene vermieden werden. „Mit dem vernetzten Pflegebett können Stelle, um der zunehmend aufwendiger werdenden Pfle- wir bestimmte Dokumentationsprozesse für unsere Kol- gedokumentation nicht nur Herr zu werden, sondern auch legen automatisieren. Auch der Bewohner profitiert, denn neue Impulse für die digitale Zukunft zu geben. Er macht nächtliche Störungen des Schlafes ziehen gesundheitliche deutlich, welche Bedeutung Digitalisierung in der Pflege- Folgen nach sich – zum Beispiel Herzrhythmus- und psy- branche hat: chosoziale Störungen. Diese ließen sich durch das Monito- ring vermeiden“, beschreibt Canete die Vorteile. „Sie ist nicht mehr wegzudenken. Durch die stetig weiter steigende Bürokratie Als nächstes sollen unter anderem Einheiten wie Gewicht, verbringen die Pflegekräfte leider weniger Druckverteilung auf den Körper, Herz- und Atemfrequenz hinzukommen. Wenn der Ansatz funktioniert, soll das Zeit am Bett der Bewohner.“ Projekt weiterentwickelt, wissenschaftlich begleitet und Hier hilft die Digitalisierung, indem die Systeme das Per- erforscht werden. Dafür ist vorstellbar, dass ab dem Jahr sonal unterstützen, denn immer mehr Daten müssen 2020 im Haus St. Vinzenz, einer Zweigstelle von Bethanien, – manchmal mehrmals am Tag – erfasst werden. die gerade umgebaut wird, 97 dieser digitalen Pflegebetten genutzt werden. Drei Jahre sind veranschlagt, um die damit Die Arbeit mit Tablets und Smartphones hat somit auch in erhobenen Daten zu verarbeiten und auszuwerten und so den Arbeitsalltag der Pflegekräfte Einzug erhalten. Aber die Vorteile für die Bewohner herauszustellen. Hierfür soll nicht nur die Digitalisierung verändert die Arbeit. Auch die Menschen, die in das Senioren- und Pflegezentrum Betha- ein Förderantrag gestellt werden. nien einziehen, sind multimorbider als vor 15 Jahren, also Für Juan Canete-Cerrillo ist der Einsatz digitaler Hilfsmittel von mehreren Krankheiten gleichzeitig betroffen. „Die die Zukunft in der Pflegebranche. Auch wenn die Begleiter- Bewohner leben dadurch nicht mehr so lange bei uns, wie scheinungen einer Digitalisierung wie ein immer umfang- es früher üblich war. Somit sind auch die Fluktuation und reicher werdender Datenschutz nicht wegzureden sind, ist der bürokratische Arbeitsaufwand gestiegen“, schildert Juan Canete-Cerrillo die Situation. Außerdem ist deutlich für ihn wichtig: „Wir müssen die Arbeitsumgebung so schaf- zu spüren, dass die nachrückende Generation internetaffin fen, dass der Alltag für die Pflegekräfte erleichtert wird und ist, ihren Laptop oder PC mitbringt und nach WLAN auf dieser Beruf attraktiv bleibt. Den Pflegekräften werden dem Zimmer fragt. Man werde zukünftig noch schneller Routineaufgaben erleichtert, möglichst abgenommen und und direkter auf die Anfragen von Bewohnern und deren unnötige Wege und Arbeitsabläufe erspart, um wieder Angehörigen eingehen müssen, ist sich Juan Canete-Cerrillo mehr Zeit für den Bewohner und sich selbst zu haben.“ sicher. „Sie wollen kurzfristiger Informationen über den digitalen Weg erhalten und wir möchten diesem Bedürfnis „Nach wie vor ist der persönliche Kontakt gern nachkommen.“ von Mensch zu Mensch wichtig. Aber man In der Unternehmensgruppe der Evangelischen Stiftung muss viel dafür tun, dass dies so bleibt.“ Juan Canete-Cerrillo ist zusammen mit einer Kollegin für die Pflegedokumentation des Senio- Neuerkerode, zu der auch das Senioren- und Pflegezen- renheims verantwortlich. Das beinhaltet die Kontrolle und Unterstützung beim Erstellen der trum Bethanien gehört, möchte man aber nicht nur auf Der 50-Jährige glaubt: „Durch die Digitalisierung tun sich Pflegedokumentation durch die Pflegekräfte sowie die Erstellung der Maßnahmenpläne. „Ich Dinge reagieren, sondern diese auch proaktiv anstoßen: So testet das Seniorenheim mit Unterstützung des Pfle- Möglichkeiten auf, um den Pflegejob weiter aus Überzeu- bin fast den ganzen Tag im Haus unterwegs. Die Erfassung der Daten erfolgt bereits in vier Wohnbereichen digital über Smartphones oder Tablets, die von ausgewählten Pflegekräften gebetten-Herstellers Hermann Bock GmbH aus Verl und gung zu machen.“ bedient werden. Sie melden Erfahrungen und Verbesserungsvorschläge zurück. des Software-Entwicklers Connext aus Paderborn zurzeit 20 21
- Testlauf - Probewohnen in Neuerkerode Die 18-jährige Antonia Millhagen lebt seit kurzer Zeit in der Wohngruppe Wabeweg 3 „Eine Lehrerin hat mir empfohlen, mir doch mal Neuer- Und dann erzählt Jane Rinne von dem spannenden Ange- in Neuerkerode. Unmittelbar vor ihrem Einzug hatte sie mit einer Freundin an einem kerode anzuschauen“, erinnert sich Antonia Millhagen aus bot des Probewohnens, das sie Interessierten vorschlägt, Wohn- und Arbeitspraktikum in einer anderen Wohngruppe im Dorf und in einer Goslar. Ihr hat das Probewohnen so gut gefallen, dass sie so wie jetzt Antonia: In Neuerkerode leben und arbeiten Werkstatt für Menschen mit Behinderung teilgenommen. sofort nach diesen zwei Wochen den Antrag gestellt hat, zu können, das Dorf mit all seinen Facetten und Möglich- Text: Stephan Querfurth // Foto: Bernhard Janitschke in Neuerkerode aufgenommen zu werden. Sie ist 18 Jahre keiten für sich zu entdecken, aber auch ganz viel Verant- alt, also volljährig, und konnte das selbst entscheiden. Seit wortung für sich zu übernehmen, das ist hier möglich. Anfang des Jahres lebt sie im Dorf. „Ich fand einfach, dass „Dieser Sprung ins kalte Wasser, eine neue Situation zu es Zeit wurde, zu Hause auszuziehen“, erzählt sie. „Da ist erleben, neue Leute kennenzulernen, das war’s, was mich zwar der Service größer, aber ich finde es gut, hier in Neu- reizte. Und bereits nach dem ersten Tag hat es mir hier erkerode auch selbstständig sein zu müssen. Es geht ja um gefallen“, erinnert sich Antonia Millhagen. Hinzu kommt, meine Zukunft.“ Bis zum Sommer besucht Antonia noch dass Neuerkerode ein zehn- bis vierzehntägiges Wohn- die Peter-Räuber-Schule in Wolfenbüttel. Auch das war und Arbeitspraktikum kostenfrei anbietet. „Uns ist bei ihre Entscheidung. Nach den Sommerferien wird sie im diesem Angebot auch wichtig, dass Eltern über ihre Ange- Berufsbildungsbereich der Mehrwerk gGmbH in Rautheim hörigen mit einer Behinderung für unser inklusives Dorf arbeiten. begeistert werden können. Das ist nachhaltiger, als es jede Broschüre vermitteln kann.“ So kommt auch die intensive „Mir ist es wichtig, an einem besonders ge- Arbeit mit den Angehörigen im Vorfeld des Probewohnens und bei der Nachbereitung für die Neuerkeröder dazu, der schützten Ort zu leben und gleichzeitig meine Austausch mit den Schulen und mit weiteren beteiligten eigenen Entscheidungen treffen zu können.“ Neuerkeröder Gesellschaften. Zu ihren Angehörigen und Freunden in Goslar hält sie Manchmal sei es eben auch so, dass sich zwei Schulfreun- weiterhin Kontakt. Dass Antonia Millhagen nach dem de zu diesen Schnupperwochen in Neuerkerode anmel- Probewohnen entschieden hat, ihren Lebensmittelpunkt den. „Natürlich ermöglichen wir auch das.“ Jane Rinne ganz nach Neuerkerode zu verlegen und sie auf die Schule lächelt. in Wolfenbüttel wechseln konnte, liegt an den vielfältigen Netzwerkkontakten, die die Neuerkeröder Wohnen und „Wir wissen doch, welchen Mut junge Betreuen GmbH (WuB) unter anderem zu Schulen in der Menschen aufbringen müssen, um sich Region geknüpft hat. auf eine für sie so neue, so fremde „Wir haben intensive Kontakte beispielsweise zur Rudolf- Situation einzulassen.“ Dießel-Schule in Königslutter, zur Peter-Räuber-Schule in Wolfenbüttel, in Braunschweig zur Oswald-Berkhan- Und man schaut bei der Wohnen und Betreuen GmbH ge- Schule, zur Wendlandschule in Dannenberg oder zur nau hin, welche Wohngruppen für den jeweiligen jungen Schule am Harly in Vienenburg am Harz sowie zur Peter- Menschen infrage kommen: „Die Probewohngruppe als Pan-Schule in Wolfsburg“, berichtet Jane Rinne vom solche gibt es nicht.“ Dieses Konzept bedeutet für die Mit- Aufnahmemanagement der WuB. „Auf Infoveranstaltun- arbeitenden in den Wohngruppen durchaus eine zusätzli- gen präsentiert sich die WuB regelmäßig mit sämtlichen che Belastung. „Da bedanken wir uns bei den Kolleginnen Wohn- und Beschäftigungsangeboten“, erzählt sie. „In und Kollegen von Herzen, dass sie das Konzept engagiert einigen Schulen werden wir sogar zusätzlich zu den mittragen, um so den Interessierten einen Einblick in Elternsprechtagen eingeladen, um uns den Schülern und unsere Angebote zu gewähren“, bilanziert Aufnahmema- Eltern vorzustellen, oder zu Vortragsveranstaltungen, in nagerin Rinne. denen wir über unser inklusives Dorf berichten.“ 22 22 23
- Ankommen - Den richtigen Platz finden – Wegbegleitung von Menschen mit Handicap bei der Berufswahl Arbeit hat auch etwas mit Umwegen zu tun. Manchmal muss man vom Kurs abweichen, um zum Ein Wegbegleiter und Lotse ist die Mehrwerk Ziel zu finden: Der eine weiß noch nicht genau, was er will und kann, der andere sucht nach einer gGmbH. Sie unterstützt und qualifiziert neuen Perspektive, wieder andere benötigen eine gezielte Förderung und Qualifizierung. Menschen mit verschiedenen Handicaps Text: Thomas Pöllmann // Fotos: Bernard Janitschke auf ihrem Weg in die Beschäftigung und den ersten Arbeitsmarkt. Langzeitarbeitslose, Migranten, Menschen mit geistiger Behinde- rung, Suchtproblematiken oder psychischen Erkrankungen, Jugendliche ohne Schulab- schluss. Wir stellen vier Menschen auf ihrem Weg ins Arbeitsleben vor. 24 >>> 25
„Das ist eine Buche, sieht man klar an den Blättern. Und hier Jennifer Reichert ist in ihrem Element: Die Auszubildende blüht schon die erste Kirsche. Daneben wächst eine Hasel- als Fachkraft im Gastgewerbe geht umsichtig durch das nuss , erkennst du an der Baumrinde“, sprudelt es aus dem Café Parkblick im Pflege- und Seniorenzentrum Bethanien sonst eher etwas schüchternen Kamil Löper heraus. Er ist am Marienstift. Sie schaut, wo kann Geschirr abgeräumt mit seinem Fachanleiter Lutz Müller und ein paar Beschäf- werden, wer möchte noch etwas bestellen? Sie kommt tigten auf dem Weg von der Klostergärtnerei in sein „Revier“, an den Tisch, spricht mit den Gästen, erkundigt sich nach den benachbarten Klosterpark. Löper wird hier zum Kloster- deren Wünschen. In kürzester Zeit hat sich die 21-Jährige park-Ranger ausgebildet. Später einmal soll er Schul- und zu einem festen Bestandteil des Cafés entwickelt – sie ist Kitagruppen durch das Gelände führen und ihnen die Natur noch selbstbewusster, zufriedener und selbstständiger näherbringen. „Wir lernen gerade, Bäume, Vögel, Insekten, geworden. Dabei war das Thema Arbeit anfangs eher mit Kräuter und Blumen zu bestimmen“, sagt Löper, der einer Unsicherheiten verbunden. Nach ihrem Schulabschluss von insgesamt sechs Teilnehmern des Ranger-Projekts ist. fand sie keine passende Beschäftigung und zweifelte, Der Gang durch den Park, das Beobachten der Tiere, das ma- welche Arbeit zu ihr passen könnte – all dies sorgte für che ihm alles viel Spaß. Die Ausbildung ist zwar auf ein nied- Frustration. Das Jobcenter vermittelte sie schließlich zur rigschwelliges Niveau ausgelegt, soll aber perspektivisch Abteilung Qualifizierung der Mehrwerk gGmbH. Ende nicht nur auf Führungen beschränkt sein. Möglich wäre zum 2017 begann sie eine Arbeitsmaßnahme im Parkblick, im Beispiel auch eine Unterstützung von Naturschutzorganisa- September 2018 unterschrieb sie ihren Ausbildungsver- tionen, etwa bei der Krötenwanderung. trag. „Mir macht die Arbeit im Service einfach Spaß. Ich habe ständigen Kontakt zu den Gästen und bekomme viel Anerkennung, zum Beispiel beim Senioren-Tanzcafé“, sagt Reichert. Inklusion am Arbeitsplatz findet sowohl durch interne Vernetzung als auch Gemeinsam mit unseren Partnern leistet die Mehrwerk gGmbH einen wichtigen durch Kooperation mit vielen Akteuren der regionalen Wirtschaft statt. Beitrag, dass Menschen Teilhabe und Selbstwirksamkeit erfahren und umsetzen können. Arbeit an der frischen Luft, das ist für Jürgen Martan das Manchmal hilft nur ein beruflicher Neuanfang: Karl-Heinz Nonplusultra. Im Grünen Zentrum der Klostergärtnerei Hoffmann (58) ist diesen schwierigen Schritt gegangen – Riddagshausen kümmert er sich Woche für Woche um aus gesundheitlichen Gründen. Nach schwerer Krankheit die Gartenpflege. Hier kommt seine zweite Leidenschaft hat Hoffmann eine bescheinigte Schwerbehinderung. Auf zum Tragen: die Arbeit mit Rasenmäher, Laubbläser oder die Arbeit konnte und wollte er trotzdem nicht verzichten. Heckenschere. „Ich arbeite am liebsten mit Gartengeräten „Ich will noch bis zu meiner Rente arbeiten, das Ziel habe und habe dafür eine Einweisung bekommen. Damit bin ich ich mir gesetzt“, sagt Hoffmann. Wichtig war ihm dabei, einer der wenigen Beschäftigten, der diese Geräte führen Arbeit und Gesundheit in Einklang zu bringen – möglichst darf“, erzählt er stolz. Feuer und Flamme für die Arbeit in barrierefrei. In der Neuerkeröder Hauptküche konnte man der Natur ist er seit seiner Zeit im Berufsbildungsbereich ihm das bieten. Hier arbeitet Hoffmann inzwischen fest- (BBB). Mit seinem Fachanleiter hatte er über Interessen, angestellt als Hilfskraft. Er kümmert sich um Geschirrrück- Stärken und Fähigkeiten gesprochen und zahlreiche Mög- läufer, Ordnung und Sauberkeit der Küche und Lagerräume, lichkeiten ausgelotet. Das alles mündete in ein Praktikum unterstützt bei der Vorbereitung der Gerichte, etwa beim bei den Grünwerkern, einem mobilen Gartendienst der Schneiden von Fleisch und Gemüse. Zudem leistet er als ein Abteilung Werkstätten (WfbM). Hier probierte Martan Teil vom Ganzen auch wertvolle Zuarbeit für die Fachkräf- sich aus: Entspricht die Arbeit seinen Vorstellungen, ist das te der Küche, indem er die Servicewagen für das Catering Pensum zu schaffen und klappt die Zusammenarbeit mit vorbereitet. „Das ist eine abwechslungsreiche Arbeit, bei den Kollegen? Die gesammelten Erfahrungen halfen ihm der man ständig in Bewegung ist. Das tut mir gut“, so der beim Einstieg in die Beschäftigung im Grünen Zentrum 58-Jährige. Riddagshausen, wo er inzwischen rundum zufrieden ist. 26 27
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