#unverzichtbar Die Beschäftigen halten Bildung und Wissen schaft am Laufen - dafür verdienen sie Anerkennung - Ver.di

 
WEITER LESEN
#unverzichtbar Die Beschäftigen halten Bildung und Wissen schaft am Laufen - dafür verdienen sie Anerkennung - Ver.di
report
                      Bildung, Wissenschaft und Forschung

#unverzichtbar
Die Beschäftigen halten Bildung
und Wissenschaft am Laufen –
dafür verdienen sie Anerkennung

                                                            0 2 / 2 02 1
#unverzichtbar Die Beschäftigen halten Bildung und Wissen schaft am Laufen - dafür verdienen sie Anerkennung - Ver.di
Editorial                                                                 b i w i f o r e p o r t 2 / 2 0 21

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,                                           Inhalt
                                                                              Schwerpunkt: Tarifrunde der Länder
        aus Sicht von uns Arbeitnehmerinnen und
    Arbeitnehmern ist die Ampel keine Wunsch-                                 Tarifrunde geht alle etwas an                                     3
    Koalition. Wenn es um Arbeitnehmerrechte
                                                                              Infos zur Tarifrunde                                              4
    geht, können wir auf die FDP nicht setzen.
    Doch für eine progressive Bundesregierung                                 „Etwas verändern“                                                 5
    gibt es nach der Wahl keine Mehrheit.
                                                                              „Wir sind streikbereit“                                           6
    Einiges am Wahlausgang war bemerkenswert.
    Überrascht hat mich persönlich auch, dass                                 Hessen: Befristung bleibt Thema                                   7
    21 Prozent der Erstwähler*innen FDP gewählt
    haben. Eine Partei, die traditionell vor allem                            Klare Botschaft an die neue
    die Interessen der Wirtschaft und Wohl-                                   Bundesregierung                                                   8
    habenden vertritt. Eine Antwort könnte sein,
                                                                              Kommentar: Deutschland hat
    dass diese Partei Bildung in den Fokus gestellt                           gewählt – und wie!                                                8
    hat. Und Digitalisierung. Themen, die bei
    anderen Parteien wenig vorkamen.                                          Interview mit Matthias Anbuhl:
                                                                              „BAföG-Reform ist zwingend

                                                                                                                                                    report
                                                       Sylvia Bühler
                                                                              notwendig“                                                        9
         Nachdem nun nach der Wahl die Union           Mitglied des ver.di-
    vor allem mit sich selbst beschäftigt ist, ver-    Bundesvorstandes       VHS Berlin: „Einmalig gut“                                       10
    handeln SPD, Bündnis 90/Die Grünen und             und Leiterin
                                                                              LEB: Streik zeigt Wirkung                                        10
    FDP den Koalitionsvertrag. Die drei Parteien       des Fachbereichs
    wollen das Land fortschrittlicher machen und       Bildung, Wissen-
                                                                              Das gute Beispiel: „Es lohnt sich,
                                                                              hartnäckig zu bleiben“                                           11
    modern. Wer wollte da etwas dagegen sagen.         schaft und Forschung
    Eine der wichtigsten Fragen ist jedoch, wie                               Pro/Contra: Hochschulen öffnen?                                  12
    die politischen Vorhaben und die seit langem                              Zurück in die Mensa                                              12
    fälligen Investitionen finanziert werden sollen.
    Auch gute Bildung braucht mehr Geld. Und                                  #HannaOrganisiertSich                                            13
    mit der FPD wird es weder eine Abschaffung                                Gute digitale Lehre                                              13
    der Schuldenbremse geben, noch eine
                                                                              Urteil: Befristung begrenzt auf
    Vermögenssteuer oder höhere Steuern für
                                                                              wissenschaftliche Tätigkeiten                                    14
    Wohlhabende. Das ist bitter, denn bekanntlich
    geht die Schere zwischen Arm und Reich                                    Heilfroh über eigenes
    immer weiter auseinander. Wenn jetzt laut                                 Reinigungspersonal                                               15
    Sondierungsergebnis neben öffentlichen auch                               Zu guter Letzt                                                   16
    private Investitionen deutlich erhöht werden
    sollen, muss klar sein, dass die Daseins-
    vorsorge nicht dem Markt überlassen werden
    darf. Egal ob Bildung, Gesundheit oder                                    Impressum
    Klimaschutz, wir brauchen einen starken                                   Der ver.di Report biwifo Nr. 02/2021 · Oktober 2021
    Staat. Und wir brauchen mehr Frauen als                                   Herausgeber: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di)
    Entscheiderinnen. Olaf Scholz hat angekün-                                Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung
                                                                              Paula-Thiede-Ufer 10 · 10179 Berlin
                                                                                                                                                       Fotos v.o.n.u.: ver.di (2), stock.adobe.com, Christopher Bredow

    digt, dass es ebenso viele Ministerinnen wie
                                                                              V.i.S.d.P.: Sylvia Bühler
    Minister in der neuen Bundesregierung geben                               Redaktion: Klaus Böhme, Birthe Haak, Kathrin Hedtke, Alexandra
    soll. Die FPD sieht das kritisch. Herr Lindner                            Heiter, Frank Loeding, Michael Niedworok, Niclas Stiehl
    soll sich schon mal auf die Suche nach                                    Internet: verdi.de
                                                                              Layout: einsatz, Wolfgang Wohlers
    kompetenten Frauen in seiner Partei machen.                               Druck: L.N. Schaffrath GmbH & Co. KG, Geldern
    Ich bin sicher, die gibt es. b                                            Titelbild: Kay Herschelmann
                                                                              W-1728-67-1021

                                                                              Die Artikel stellen die Meinungsvielfalt unseres
                                                                              Fachbereiches dar und spiegeln nicht in jedem Fall die
                                                                              Meinung des Bundesfachbereichsvorstandes wider.

2
                                                                              Service
                                                                              Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung
                                                                              Internet: www.biwifo.verdi.de
                                                                              Ansprechpartnerin: Alexandra.Heiter@verdi.de
#unverzichtbar Die Beschäftigen halten Bildung und Wissen schaft am Laufen - dafür verdienen sie Anerkennung - Ver.di
S c h w e r p u n k t : Ta r i f r u n d e d e r L ä n d e r

         Tarifrunde geht alle etwas an
         Die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Länder haben
         begonnen. Die Gewerkschaften fordern fünf Prozent mehr
         Geld, mindestens aber 150 Euro pro Monat. Doch bei der Tarif-                                                                        Pauline Kracht ist Studentin
         runde geht es um mehr. Es geht darum, was gute Arbeit wert                                                                           an der Leibniz-Universität
         ist. Es geht um die öffentliche Daseinsvorsorge, um Bildung                                                                          Hannover.
         und Gesundheit. Und die Frage, wer für die Krise zahlt.                                                                              „Die Tarifrunde der Länder
                                                                                                                                              betrifft mich als Studentin ganz
                                                                                                                                              unmittelbar. Denn die Arbeits-

                                                                                                     Foto: privat
           Kathrin Karnath ist Personalrätin                                                                                                  bedingungen der Landesbeschäf-
           beim Studierendenwerk Ulm.                                                                                                         tigten an den Hochschulen und
biwifo

           „Was mir richtig Sorgen bereitet: dass                                                                   Universitäten haben große Auswirkung auf mein Leben:
           die Arbeitgeber an den Arbeitsvor-                                                                       Sie beeinflussen meine Studienbedingungen. Als Studen-
                                                                               Foto: Ursula Lerche

           gang ran wollen. Werden die Pläne                                                                        tin profitiere ich davon, wenn Dozierende weniger Druck
           nicht gestoppt, hätten unsere Heldin-                                                                    aufgrund von Befristungen haben und deswegen ihrem
           nen und Helden aus der Campus-                                                                           Lehrauftrag besser nachkommen können oder zum
           gastronomie in der Entgeltgruppe 3                                                                       Beispiel mehr und gut bezahltes Personal im Prüfungs-
           deutlich weniger Geld in der Tasche. Bis jetzt ist die ‚gastrono-                                        amt arbeitet. Deswegen ist es für mich logisch, die
           mische Mitarbeit‘ – wie in fast allen Studierendenwerken – ein                                           Kolleg*innen zu unterstützen, indem ich Gewerkschafts-
           einzelner Arbeitsvorgang, zu dem die Arbeit an der Kasse als                                             mitglied bin – und mich an Aktionen beteilige.“
           sogenannte höherwertige Tätigkeit dazu gehört. Allerdings
           sitzen die Leute nur zu den Stoßzeiten ein paar Stunden am
           Tag an der Kasse, nie im Leben macht diese Tätigkeit 50
           Prozent ihrer Arbeitszeit aus. Sollte der Arbeitsvorgang einge-                                    Benita Hanke ist Leiterin der
           stampft werden, ist deshalb zu befürchten, dass sie herab-                                         Stadtbibliothek Marzahn-
           gestuft würden. Das gilt es unbedingt zu verhindern!“                                              Hellersdorf.
                                                                                                              „Durch das große Engagement
                                                                                                              unserer Kolleg*innen haben wir
                                                                                                              in der letzten Tarifrunde durch-

                                                                                                                                                                             Foto: privat
           Dirk Etzelsdorfer ist                                                                              gesetzt, dass für die Beschäftig-
           Gesamtbetriebsratsmitglied der                                                                     ten der Bibliotheken keine
           DEKRA Akademie GmbH München.                                                                       Sonderregeln bei der Eingruppierung mehr gelten.
           „Dass die Landesbeschäftigten für                                                                  Damit einher geht für viele Bibliotheksbeschäftigte die
           Tariferhöhungen streiten, finde ich                                                                Möglichkeit einer besseren Eingruppierung. Doch die
           völlig richtig. Die Preise steigen –                                                               Arbeitgeber haben signalisiert, dass sie den Arbeits-
                                                                               Foto: privat

           aktuell besonders stark. Deshalb müs-                                                              vorgang und damit die Eingruppierungen zum Thema in
           sen auch die Löhne regelmäßig erhöht                                                               der aktuellen Tarifrunde machen wollen. Wir fürchten
           werden. Am besten geht das über Verhandlungen im Rahmen                                            deshalb, dass sie uns die Möglichkeit der besseren
           eines Branchentarifvertrags. Was es bedeutet, wenn es diesen                                       Eingruppierung durch die Hintertür wieder wegnehmen
           nicht gibt, sehen wir in der Weiterbildungsbranche. Außer                                          wollen. Aber das lassen wir uns nicht gefallen. Wir sind
           für die pädagogischen Kräfte gibt es nicht einmal Mindest-                                         gut organisiert. Wenn es einen Aufruf zum Streik gibt,
           standards. Das bedeutet: Der Arbeitgeber entscheidet alleine,                                      schließen wir die öffentlichen Bibliotheken. Wir haben
           wie viel er bezahlt. Deshalb braucht auch die Weiterbildung                                        schon einmal erlebt, dass wir etwas erreichen können.
           einen Branchentarifvertrag – so, wie der öffentliche Dienst.“                                      Das schaffen wir auch diesmal!“

                                                    Sabine Giese, Studentin der Hochschule Leipzig, ist Sprecherin der
                                                    Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS) und aktiv bei TVStud.
                                                    „Diese Tarifrunde ist für uns schon bewegend. Viele Studis verfolgen die Verhandlungen
                                                    auf heißen Kohlen. Zum ersten Mal haben wir einen ganz direkten Bezug. Wir haben                                                        3
                                                    unsere Forderung nach einem Tarifvertrag für studentische Beschäftigte in die offiziellen
                                                    Verhandlungen hineingetragen. Das ist ein erster kleiner Erfolg. Viele Studis haben
                     Foto: privat

                                                    dadurch erlebt, dass sie etwas bewegen können und ihr Engagement ganz konkret
                                                    Früchte trägt. Jetzt hoffen wir, dass sich endlich etwas verändert!“
#unverzichtbar Die Beschäftigen halten Bildung und Wissen schaft am Laufen - dafür verdienen sie Anerkennung - Ver.di
S c h w e r p u n k t : Ta r i f r u n d e d e r L ä n d e r

                                                                                           drei Fragen –
                                                                                           drei Antworten
                                                                                           Annelie Schwaderer, ver.di-Landesfach-
                                                                                           bereichsleiterin in Baden-Württemberg
                                                                                                                                 ?
                                                                                           Wie läuft die Mobilisierung für die Länder-
                                                                                           tarifrunde?
                                                                                               Die Pandemie macht es etwas mühsam: Viele
                                                                                           Gebäude der Hochschulen sind geschlossen,
                                                                                           ganze Institute verlassen. Doch unsere aktiven
                                                                                           Gewerkschaftsmitglieder lassen sich davon nicht
    Fünf Prozent, mindestens 150 Euro                                                      beirren, marschieren fleißig über den Campus.
                                                                                           Digital funktioniert bei uns nicht so gut. Wir kön-
    Die Gewerkschaften gehen mit einer Forderung nach fünf Prozent mehr Gehalt in die      nen kurze Sachinformationen per Videokonferenz
    Tarifrunde. Mindestens sollen alle 150 Euro pro Monat mehr in der Tasche haben. Die    oder Telefon austauschen. Aber um die Men-
    Ausbildungsvergütung soll um 100 Euro steigen. Als Laufzeit werden zwölf Monate        schen in Bewegung zu bringen und für Aktivitä-
    angestrebt. „Die Länderbeschäftigten haben in den zurückliegenden Monaten den          ten zu gewinnen, braucht es persönliche Kontak-
    Laden am Laufen gehalten und sich Respekt und Anerkennung verdient“, betont der        te. Sonst kommen keine Emotionen rüber. Die
    ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. „Gehaltssteigerungen sind nicht nur angesichts       gute Nachricht: Die Menschen sind sehr aufge-
    steigender Preise zwingend notwendig.“ Der öffentliche Dienst der Länder könne nur     schlossen. Und bereit, aktiv zu werden.
    mit guten Löhnen und guten Arbeitsbedingungen im zunehmenden Wettbewerb um
    Fachkräfte als attraktiver Arbeitgeber punkten. Zudem erwartet ver.di unter anderem,   Was bewegt die Beschäftigten besonders?
    dass Verhandlungen über tarifliche Regelungen für studentische Hilfskräfte aufgenom-       Der Arbeitsvorgang. Wenn ich erkläre, was
    men werden. b                                                                          dabei auf dem Spiel steht, sagen alle: ‚Das geht
                                                                                           gar nicht!‘ Empört reagieren auch Wissen-
                                                                                           schaftler*innen, die vermutlich gar nicht unmit-
    Auswirkungen für Millionen Beschäftigte                                                telbar betroffen wären. Das Thema ruft eine hohe
                                                                                           Solidarität untereinander hervor.
    Die Gewerkschaften verhandeln mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) –
    mit Ausnahme von Hessen – für rund 1,1 Millionen Tarifbeschäftigte und 48.000          Wie wirkt sich die Pandemie auf die Forde-
    Auszubildende. Das Ergebnis soll zeit- und inhaltsgleich auf die knapp 1,4 Millionen   rungen aus?
    Beamtinnen und Beamten sowie rund eine Million Versorgungsempfänger*innen im              Die Unibeschäftigten haben in der Krise noch
    Bereich der Länder und Kommunen übertragen werden. b                                   einmal deutlich gemerkt, wie gut ein sicherer
                                                                                           Arbeitsplatz ist. Aber die Preissteigerung geht
                                                                                           auch an ihnen nicht vorbei: Energie, Nahrungs-
                                                                                           mittel, Mieten – alles wird teurer. Deshalb brau-
      Arbeitsvorgang
                                                                                           chen die Menschen dringend eine Lohnerhö-
      „Das ist äh … Also das ist …                                                         hung. Dafür engagieren sie sich, ganz klar. b

                                                                                           INFO
      staubtrocken, aber so super wichtig.“                                                            Die dritte Verhandlungsrunde findet
                                                                                                       am 27. und 28. November statt.
      Nachdem sie in der letzten Runde schon einmal erfolglos einen Anlauf gestartet
      haben, wollen die Arbeitgeber es diesmal hartnäckiger versuchen: Die Tarif-
      gemeinschaft deutscher Länder (TdL) will den sogenannten Arbeitsvorgang
      zum Knackpunkt der Verhandlungen machen. Dabei wollen sie die bisherigen
                                                                                            Preise steigen rasant
      Regelungen zur Eingruppierung infrage stellen, um so Geld auf Kosten der              Die Inflation ist in Deutschland auf den höchsten
      Beschäftigten zu sparen. Weil das Thema etwas kompliziert, aber sehr wichtig          Stand seit 1993 gestiegen. Im September waren
      ist, hat ver.di auf der Homepage zur Tarifrunde kurze Erklärvideos veröffentlicht.    die Verbraucherpreise 4,1 Prozent höher als im Vor-
      Darin wird Schritt für Schritt mit Beispielen erklärt, was es mit dem Arbeits-        monat, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.
      vorgang auf sich hat – und was auf dem Spiel steht. Kurz und knapp. Und wer           Für das kräftige Plus sind vor allem die steigenden
4     es ganz genau wissen will, kann in einem vierminütigen Video noch mehr                Energiepreise verantwortlich. Die Verbraucher*innen
      über Entgeltordnung, Tätigkeitsmerkmale, Arbeitsleistungen & Co. erfahren.            mussten für Strom, Gas und Benzin rund 14,3 Pro-
                                                                                            zent mehr bezahlen als im Vorjahr. In der Tarifrunde
                              unverzichtbar.verdi.de                                        sind daher deutliche Entgelterhöhungen nötig,
                                                                                            alleine um die Reallöhne zu erhalten.
#unverzichtbar Die Beschäftigen halten Bildung und Wissen schaft am Laufen - dafür verdienen sie Anerkennung - Ver.di
S c h w e r p u n k t : Ta r i f r u n d e d e r L ä n d e r

                                                                                                                                                        Foto: Friedhelm Albrecht
„Etwas verändern“
Rausholen, was geht: Als ehrenamtliche Gewerkschafterin
wirkt Maggie Paal von der Uni Tübingen aktiv an den Tarif-
verhandlungen mit.

S   ystematisch klappert Maggie Paal an der
    Universität Tübingen ein Gebäude nach dem
anderen ab, geht dort schnurstracks auf die Men-
                                                       ihr wichtig, klipp und
                                                       klar zu machen, bei
                                                       welchen Themen die                                         Tarifforderungen
schen zu. Das Gespräch beginnt sie in der Regel        Gewerkschaften „kei-                                       + Erhöhung der Tabellenentgelte
ganz direkt mit den Worten: „Ich möchte mit            nen Millimeter“ nach-                                        um 5 Prozent, mindestens
Ihnen gerne über die Tarifrunde sprechen!“ Für         geben dürfen oder wo                                         150 Euro monatlich
die 43-Jährige ist extrem wichtig zu wissen, was       im Notfall kleine Zuge-                                    + Erhöhung der Entgelte der
die Beschäftigten bewegt: Sie ist Mitglied der         ständnisse möglich wä-        Maggie Paal (rechts)
                                                                                                                    Auszubildenden, Studierenden
ver.di-Bundestarifkommission und gehört der            ren. „Ich lege meine          vor der Uni in Aktion
                                                                                                                    und Praktikant*innen um
Verhandlungskommission an.                             Hand dafür ins Feuer,                                        100 Euro monatlich
                                                       dass ver.di rausholt,                                      + Laufzeit zwölf Monate
    „Dabei gilt es, die Stimmung von der Basis         was rauszuholen ist“, bekräftigt Maggie Paal.              + Übernahme der Azubis
einzubringen“, betont Maggie Paal. Im ersten           „Das Problem sitzt auf der anderen Seite.“ Sie
Schritt trägt sie dazu bei, die Forderungen für die    beobachte, dass die Bereitschaft der Arbeitgeber           Erwartungen
Tarifrunde aufzustellen. Die Pandemie habe in          zu Zugeständnissen immer mehr sinke. Umso                  + Verbesserungen bei der Ein-
diesem Jahr viel erschwert. „Die Leute sind            wichtiger, dass die Beschäftigten in der Tarifrunde          gruppierung
schwer zu erreichen.“ Die Personalrätin klemmt         notfalls zu Streiks bereit sind.                           + Verhandlungsverpflichtung
sich hinters Telefon, telefoniert die verdi-Mit-                                                                    über einen Tarifvertrag für
gliederliste durch, besucht Betriebsgruppen ande-          „Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig             studentische Beschäftigte
rer Einrichtungen, nutzt jeden persönlichen Kon-       Tarifverträge sind“, betont Maggie Paal. Als die           + Übernahme der Fahrtkosten in
takt für Gespräche. Ihre Bilanz: „Die wichtigsten      Veranstaltungstechnikerin 2005 an der Uni einge-             Höhe des monatlichen ÖPNV-
Themen sind Lohn und Arbeitszeit.“ Die Mieten          stellt wurde, galt gerade kein Tarifvertrag – der            Tickets für Auszubildende und
seien in Tübingen „abartig hoch“, die Kosten fürs      Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) war außer              Praktikant*innen
Leben stiegen, so dass es vielen Menschen auf          Kraft, der Tarifvertrag der Länder (TV-L) noch nicht
jeden Cent ankomme.                                    eingeführt. Die junge Frau kam damals aus der
                                                       Showbranche, hatte mit Gewerkschaft nichts am              Aufwertung für
    Das ist auch ein wesentlicher Grund, warum         Hut. „Ich hatte beim Vorstellungsgespräch noch
Peer-Arne Arweiler in der Tarifrunde aktiv ist.        überhaupt keine Ahnung, was es mit Tarifver-
                                                                                                                  IT-Beschäftigte
„Wenn die Löhne nicht so stark steigen wie die         trägen und Eingruppierungen auf sich hat.“ Die             Viele IT-Beschäftigte haben die
Preise, haben wir weniger Geld in der Tasche“,         Auswirkungen wurden ihr jedoch schnell klar: Mit           Chance auf eine höhere Ein-
sagt der Verwaltungsangestellte der Uni Tübin-         41 Stunden pro Woche arbeitete sie deutlich län-           gruppierung. Denn ver.di hat
gen. „Das bereitet mir Sorgen.“ Bei ver.di einge-      ger als ihre Kolleg*innen, das Gehalt wurde ohne           durchgesetzt, dass die Entgelt-
treten ist er vor allem, weil er seinen Tarifvertrag   eine tarifliche Tätigkeitsbewertung festgelegt.            ordnung zum TV-L überarbeitet
sehr zu schätzen weiß. „Ich finde es super, dass                                                                  wird. Damit einhergehen verän-
es den TV-L gibt.“ Er sei sich bewusst, betont             Holterdiepolter kandidierte sie noch in der            derte Eingruppierungsmerkmale.
Peer-Arne Arweiler, dass jeder für sich alleine in     Probezeit erfolgreich für den Personalrat, trat bei        Der Antrag auf eine Höhergrup-
Verhandlungen deutlich schlechtere Karten hätte.       ver.di ein und übernahm etliche Posten und Auf-            pierung muss bis spätestens
„Deshalb möchte ich mich solidarisch zeigen und        gaben. „Mir ist wichtig, in der Gesellschaft etwas         31. Dezember 2021 gestellt wer-
aktiv einen Beitrag dazu leisten.“                     zu verändern. Ohne Gewerkschaften ist das nicht            den. Alle IT-Beschäftigten sollten
                                                       möglich, denn Arbeit ist existenziell wichtig und          jetzt sogfältig prüfen, ob sich der
   Auch Maggie Paal macht immer wieder klar,           bestimmt einen Großteil des Alltags der Men-               Antrag für sie lohnt. Auch wenn
dass Lohnerhöhungen nicht vom Himmel fallen.           schen“, betont die Gewerkschafterin. Wenn sie              die neue Entgeltordnung eine
Aus der Verhandlungskommission weiß sie nur zu         später mal auf ihr Leben zurückblicke, möchte sie          bessere Eingruppierung bedeutet,
gut, wie wichtig Druck auf die Arbeitgeber ist. Zu-    das Gefühl haben: „Ich habe mich im Rahmen                 können damit spätere Stufen-
sammen mit den anderen ehrenamtlichen                  eingebracht, wo sich Möglichkeiten ergeben                 aufstiege und ein Verlust von                        5
Mitgliedern des Teams reist sie zu jeder Ver-          haben.“ Deshalb empfindet Maggie Paal die                  Zulagen verbunden sein. Deshalb
handlungsrunde, wartet bei den Gesprächen viele        Arbeit in der Bundestarif- und Verhandlungskom-            ist gute Beratung wichtig: ver.di
Stunden lang im Nebenraum. In der Pause kop-           mission als „großes Glück“. b                              berät Mitglieder kostenlos.
peln sich die aktiven Gewerkschafter*innen stets                                                                  https://kurzelinks.de/lfyx
mit der ver.di-Verhandlungsspitze rück. Dabei ist      Kathrin Hedtke
#unverzichtbar Die Beschäftigen halten Bildung und Wissen schaft am Laufen - dafür verdienen sie Anerkennung - Ver.di
S c h w e r p u n k t : Ta r i f r u n d e d e r L ä n d e r

                                                           „Wir sind streikbereit“
       Wichtiger Schritt: Bei der
          Tarifrunde der Länder
     kommt die Forderung nach
                                                           I n der Uni Hamburg laufen sie durch Vorlesun-
                                                             gen, hängen Plakate in Wohnheimen auf und
                                                           richten auf dem Campus ein Streikcafé ein: „Wir
                                                                                                                   verträge von zwei bis sechs Monaten, wüssten nie,
                                                                                                                   ob sie verlängert würden, so die Gewerkschafterin.
                                                                                                                   Wer ein Tutorium leite, habe zwischen den
          einem Tarifvertrag für                           mobilisieren ganz stark für die Tarifrunde“,            Vorlesungszeiten oft eine Anstellungslücke von
      studentische Beschäftigte                            betont die Studentin Heidi Heil von der Initiative      zwei Monaten, obwohl die Arbeit auch da oft
       erstmals offiziell auf den                          TVStud Hamburg. „Wenn ver.di zu Streiks auf-            nicht aufhört und die Studierenden weiterhin Be-
             Verhandlungstisch.                            ruft, sind wir bereit.“ Ihr Ziel ist ein bundesweiter   treuung brauchen „Viele wissen nicht, wie sie ihre
                                                           Tarifvertrag für alle Studierenden, die als Hilfs-      Miete zahlen sollen.“ Sie stört vor allem die damit
                                                           kräfte oder Tutor*innen an Hochschulen arbeiten.        einhergehende Selektion: An der Uni könnten
                                  Foto: Kay Herschelmann

                                                           Sie fordern: „Keine Ausnahme!“ Während für so           eigentlich nur jene arbeiten, die von ihren Eltern
                                                           gut wie alle anderen Hochschulbeschäftigten der         finanziell unterstützt werden. „Das trägt zur
                                                           Tarifvertrag der Länder gilt, sind die über 160.000     Elitenbildung bei“, kritisiert Heidi Heil. Um über die
                                                           studentischen Beschäftigten in Wissenschaft und         Runden zu kommen, arbeite sie selbst wegen des
                                                           Verwaltung – außer in Berlin – davon ausgenom-          niedrigen Lohns zum Beispiel „viel zu viel“. Das
                                                           men. Sie verdienen oft nur einen mickrigen              Studium bleibe dabei auf der Strecke. Ein weiteres
                                                           Stundenlohn, hangeln sich von einem befristeten         großes Problem sei, dass die studentischen Be-
                                                           Arbeitsvertrag zum nächsten – und haben in vie-         schäftigten keine Interessenvertretung haben. Die
                                                           len Bundesländern keine Personalvertretung.             Studentin berichtet von Kommiliton*innen, die
               Heidi Heil,                                                                                         über Monate ohne Vertrag gearbeitet oder kein
           Initiative TVStud                                   Einen wichtigen Schritt haben die Aktiven von       Geld überwiesen bekommen hätten. „Sie sind
                Hamburg                                    TVStud bereits geschafft: Die Gewerkschaften
                                                           machen sich in der Tarifrunde explizit für die stu-

                                                                                                                                                                            Foto: ver.di
                                                           dentischen Beschäftigten stark. „Das ist ein
      Weniger Uniabschlüsse                                Riesenerfolg“, sagt Isabella Rogner, bei ver.di zu-
      im Coronajahr                                        ständig für die Studierenden. Die Bewegung für
      Die Coronapandemie hat zu                            einen TVStud habe im letzten Jahr eine unglaub-
      einem deutlichen Rückgang der                        liche Dynamik entwickelt. „In vielen Städten tut
      Zahl der Hochschulabschlüsse                         sich etwas“, berichtet sie, „so ist das Thema letzt-
      geführt. Im Prüfungsjahr 2020                        lich auch in die Tarifrunde gekommen.“ Dass die
      schlossen im Vergleich zum Vor-                      Gewerkschaften die Gespräche als Erwartung
      jahr sechs Prozent weniger                           titulieren, nicht als Forderung, habe formale
      Studierende die Hochschule ab,                       Gründe: Weil die studentischen Beschäftigten
      wie das Statistische Bundesamt in                    offiziell nicht zum Geltungsbereich zählen, müss-        TVStud-Aktive beim Verhandlungsauftakt mit dem
      Wiesbaden mitteilte. Den stärks-                     te andernfalls der gesamte Manteltarifvertrag            ver.di-Vorsitzenden Frank Werneke
      ten Rückgang verzeichnete Berlin                     gekündigt werden. Fakt ist: „Das Thema kommt
      mit einem Minus von zwölf                            mit an den Verhandlungstisch“, erklärt Isabella
      Prozent, gefolgt von Branden-                        Rogner.                                                 superverzweifelt und wissen nicht, an wen sie sich
      burg, Bremen und Thüringen.                                                                                  wenden sollen.“ Andere wüssten nicht einmal,
      Besonders stark betroffen waren                          Darüber zeigt sich die Heidi Heil hocherfreut.      dass sie ein Recht auf Urlaub und Krankheitstage
      die Geisteswissenschaften.                           „Wir haben schon richtig etwas bewegt.“ Die             hätten, sagt Heidi Heil. Inzwischen wenden sich
          Mit Ausnahme des Jahrs 2018                      Gewerkschafterin betont, dass die Bewegung              Studierende bei Problemen an die TVStud-Initi-
      stieg die Zahl der Hochschulab-                      auch stark auf die Solidarität der anderen Stu-         ative. „Aber das ist kein Ersatz für eine ordentliche
      schlüsse in den vergangenen zwei                     dierenden setze. Sie ist überzeugt, dass bei einem      Personalvertretung.“
      Jahrzehnten kontinuierlich.                          Streik viele Kommiliton*innen mit auf die Straße
      Insgesamt erwarben im Winter-                        gehen würden. Sowohl Professor*innen als auch               Deshalb ist es ihrer Meinung nach höchste Zeit
      semester 2019/2020 sowie im                          Studierende zeigten für ihr Anliegen großes Ver-        für einen TVStud. Berlin hat vorgemacht, wie es
      Sommersemester 2020 rund                             ständnis. „Bei TVStud geht es nicht nur um unse-        geht: Mit Streiks setzten die Studierenden 2018
      477.000 Absolvent*innen einen                        re Arbeitsbedingungen. Sondern daran hängt              einen neuen Tarifvertrag durch. „Berlin ist unser
6     Hochschulabschluss, die Hälfte                       auch stark die Qualität von Lehre und For-              großes Vorbild“, betont Heidi Heil. Nach dem Er-
      davon einen Bachelorabschluss.                       schung“, meint Heidi Heil.                              folg in der Hauptstadt gründeten sich in vielen
      Die Zahl der Promotionen sank                                                                                Städten lokale Initiativen. Besonders weit ist die
      laut Statistik im Vergleich zum                         In Hamburg arbeiten studentische Hilfskräfte         Bewegung in Bremen und Hamburg. Für sie steht
      Vorjahr um sieben Prozent.                           an der Uni für 10,91 Euro pro Stunde. Über 70 Pro-      fest: „Wir wollen einen Dammbruch erreichen.“ b
                                                           zent von ihnen hätten nur sehr kurze Arbeits-                                                        -red-
#unverzichtbar Die Beschäftigen halten Bildung und Wissen schaft am Laufen - dafür verdienen sie Anerkennung - Ver.di
S c h w e r p u n k t : Ta r i f r u n d e H e s s e n

Befristung bleibt unser Thema
Trotz vieler Aktionen für mehr unbefristete

                                                                                                                                                    Foto: Kathrin Hedtke
Stellen an Hessens Hochschulen mauerte
die Landesregierung in den Tarifverhand-
lungen. Doch ver.di bleibt dran.

I n zwei Schritten insgesamt vier Prozent mehr
  Geld mit sozialer Komponente, 1.000 Euro
Corona-Prämie, Übernahme der Auszubildenden,
Verbesserungen für studentische Hilfskräfte und
Beibehaltung des Hessen-Tickets im Nahverkehr –
das hat ver.di mit dem Mitte Oktober erzielten
Tarifabschluss für die rund 45.000 Landesbeschäf-
tigten in Hessen durchgesetzt. Die Ausweitung
unbefristeter Beschäftigung an Hochschulen woll-
ten die Arbeitgeber hingegen nicht verbindlich ver-
einbaren. Klar ist: Hier bleibt ver.di dran.
                                                       Tarifaktion vor der TU Darmstadt
    Mehrfach gingen im September und Oktober
hunderte Hochschulbeschäftigte in Kassel, Mar-
burg, Gießen, Darmstadt und Frankfurt am Main         Landesregierung. „Allen ist klar, dass die enor-
auf die Straße, um deutlich zu machen: So geht        men Befristungsquoten an den Universitäten              Tarifabschluss
es nicht weiter. Bis zu 92 Prozent der Wissen-        untragbar sind. Doch seit Jahren bleibt es bei          Entgelterhöhung: ab 1. August
schaftlichen Mitarbeiter*innen und über 20 Pro-       unverbindlichen Absichtserklärungen, die nichts         2022 plus 2,2 Prozent; ab
zent der Beschäftigten im administrativ-techni-       an den Zuständen ändern“, kritisiert der ver.di-        August 2023 plus 1,8 Prozent,
schen Bereich sind nur auf Zeit angestellt. „Der      Vertrauensleutesprecher an der TU Darmstadt.            mindestens 65 Euro; Auszubil-
Hochschulbetrieb basiert auf der Arbeit von Men-      „Meine Schlussfolgerung ist: Wir müssen noch            dende jeweils 35 Euro mehr.
schen, die in permanenter Unsicherheit leben          lauter werden und den öffentlichen Druck weiter         Corona-Prämie: 500 Euro im
müssen. Mit den eigenen Ansprüchen der Hoch-          erhöhen.“ Reinhard sieht jetzt das Wiesbadener          Dezember, weitere 500 Euro im
schulen in Sachen Fairness und Familienfreund-        Wissenschaftsministerium in der Pflicht, den            März 2022. Auszubildende je-
lichkeit passt das nicht zusammen“, stellt Gabriel    Hochschulleitungen konkrete Vorgaben zu ma-             weils 250 Euro, Teilzeitbeschäf-
Nyc fest, der bei ver.di in Hessen für Bildung,       chen. „Der Berliner Senat zeigt, wie es geht. Er        tigte anteilig.
Wissenschaft und Forschung zuständig ist. „Den-       hat die Unis im neuen Landeshochschulgesetz             Auszubildende: Wer die Ab-
noch war das Land leider nicht zu einer tariflichen   dazu verpflichtet, Postdoc-Stellen zu entfristen.       schlussprüfung mindestens mit
Regelung zur Ausweitung unbefristeter Beschäf-        Warum sollte das nicht auch in Hessen möglich           Note 3 besteht, wird bei dienst-
tigung bereit.“ Zumindest aber habe das hessi-        sein?“                                                  lichem Bedarf unbefristet in die
sche Wissenschaftsministerium zugesagt, in der                                                                Stufe 2 übernommen.
zweiten Jahreshälfte 2022 mit den Gewerkschaf-            In welcher Form neue Regelungen zur Aus-            Hessen-Ticket: Das Landes-
ten Gespräche zu führen. „Wir haben die Landes-       weitung unbefristeter Beschäftigung beschlossen         ticket für den Nahverkehr wird
regierung immerhin dazu gebracht, sich klar zum       werden, hält Reinhard nicht für entscheidend.           bis Ende 2024 verlängert.
Ausbau unbefristeter Beschäftigung zu beken-          „Ob per Gesetz, Tarifvertrag oder sonstwie – wir        Befristungen an Hoch-
nen. Darauf werden wir weiter pochen.“                brauchen verbindliche Vorgaben. Denn eins               schulen: Ab der zweiten Jahres-
                                                      haben wir gelernt: Appelle allein reichen nicht,        hälfte 2022 nehmen die Ge-
    Dennoch ist Johannes Reinhard von der Initia-     um die Hochschulen zu den dringend nötigen              werkschaften Gespräche mit
tive „darmstadtunbefristet“ enttäuscht von der        Änderungen zu bewegen. Dafür werden die hes-            dem hessischen Wissenschafts-
                                                      sischen unbefristet-Initiativen und ver.di weiter       ministerium mit dem Ziel auf, die
                                                      Druck machen.“                                          Zahl der unbefristeten Beschäfti-
                                                                                                              gungsverhältnisse zu erhöhen.
    Arbeitsvorgang bleibt                                 Einen ersten konkreten Erfolg haben die Ge-         Studentische Hilfskräfte: Ab
    Die von der Tarifgemeinschaft deutscher Länder    werkschaften derweil für studentische Hilfskräfte       Sommersemester 2022 mindes-                        7
    (TdL) geforderten Verschlechterungen beim         erzielt. Im Einigungspapier verpflichten sich die       tens zwölf Euro Stundenlohn.
    Arbeitsvorgang waren in Hessen kein Thema. Hier   Hochschulen, ihnen einen Stundenlohn von min-           Künftige Tarifsteigerungen er-
    bleibt es bei den bisherigen Regelungen zur       destens zwölf Euro zu zahlen und diesen Betrag          höhen diesen Betrag.
    Eingruppierung. Geht doch!                        bei künftigen Tarifentwicklung entsprechend zu          Laufzeit: bis 31. Januar 2024
                                                      erhöhen. b
#unverzichtbar Die Beschäftigen halten Bildung und Wissen schaft am Laufen - dafür verdienen sie Anerkennung - Ver.di
Bundestagswahl
Foto: shift/studio

                                                             Klare Botschaft an die
                                                             neue Bundesregierung
                                                             Ob BAföG, Löhne oder Befristungen: ver.di stellt Forderungen an die Politik
                     Was gehört in den
                     Koalitionsvertrag?
                     + Bildung und Wissenschaft
                                                             W      elche Lehren sind aus der Pandemie für
                                                                    Hochschulen und Wissenschaft zu ziehen?
                                                             Und was erwartet ver.di für die Zukunft der beruf-
                                                                                                                                desverband der Träger beruflicher Bildung e.V.
                                                                                                                                bestätigten, dass sie bereit sind, Gespräche über
                                                                                                                                einen Branchentarifvertrag aufzunehmen. „Die
                       solide finanzieren, dabei ist         lichen Weiterbildung? Schon im Wahlkampf war                       Finanzierung von Tariflöhnen für alle Beschäftigten
                       auch der Bund gefordert               die Botschaft an die neue Bundesregierung klar:                    der Branche muss selbstverständlich sein“, betonte
                     + Qualifizierungs- und Aufstiegs-       „Bildung in all ihren Facetten hat für ver.di eine                 Sylvia Bühler. Mit den prekären Beschäftigungs-
                       möglichkeiten für das wissen-         hohe Bedeutung und wir werden uns für das                          verhältnissen in der Branche sprach die Gewerk-
                       schaftsunterstützende Personal        Thema weiter stark machen“, betonte die Leiterin                   schafterin ein weiteres wichtiges Thema an. Die
                     + Öffentliches Geld nur für faire       des ver.di-Fachbereichs Bildung, Wissenschaft                      sachgrundlosen Befristungen müssten dringend
                       Arbeitsbedingungen                    und Forschung, Sylvia Bühler, auf einer hybriden                   abgeschafft werden.
                     + Sachgrundlose Befristungen            Podiumsdiskussion mit ehrenamtlichen ver.di-
                       abschaffen                            Aktiven und Bildungspolitiker*innen der demo-                          Das gilt für die Weiterbildung ebenso wie für
                     + Verbindliche Obergrenzen für          kratischen Parteien. Im Mittelpunkt standen unter                  die Hochschulen. Die Fachbereichsleiterin kritisier-
                       befristete Beschäftigung              anderem die Forderungen nach einer Reform des                      te, dass im Wissenschaftsbetrieb viel Schindluder
                     + Hochschulsozialpakt: Mit              BAföG, Tariflöhnen in der Weiterbildung und der                    mit Befristungen betrieben werde. „ver.di hat
                       einem Investitionsprogramm            Abschaffung sachgrundloser Befristungen.                           diesbezüglich eine sehr klare Anforderung an die
                       mehr bezahlbaren Wohnraum                                                                                neue Bundesregierung: Es darf keine sachgrund-
                       und Kitas sowie kostengünsti-             Am digitalen Thementag mit dem Titel „Gute                     losen Befristungen mehr geben“, sagte die Ge-
                       ge Mensen finanzieren                 Bildung“ am 31. August konnten Zuhörer*innen                       werkschafterin. Sie forderte eine Reform des Wis-
                     + BAföG-Reform: Regelsatz an            die Gespräche online verfolgen und sich per Chat                   senschaftszeitvertragsgesetzes sowie des Bundes-
                       die gestiegenen Lebens-               in die Debatte einbringen. Dabei wurde unter                       ausbildungsförderungsgesetzes (BAföG). Für
                       haltungskosten anpassen und           anderem der Nachholbedarf im Bereich der                           Kritik sorgte, dass aktuell nur noch elf Prozent der
                       Freibeträge anheben. Mehr             Weiterbildung intensiv diskutiert. Die Kernforde-                  Studierenden diese Leistungen in Anspruch neh-
                       Studierende sollen die Förde-         rung lautete: Qualität muss in der beruflichen                     men können. Anlässlich des 50. Geburtstags des
                       rung erhalten                         Weiterbildung wieder zum zentralen Maßstab für                     BAföGs in diesem Jahr betonte Sylvia Bühler:
                                                             die öffentliche Förderung werden und der staatlich                 „Das Versprechen von Chancengleichheit bei der
                     ver.di-Forderungen für gute             verordnete Preiskampf muss gestoppt werden.                        Bildung muss neu gegeben werden.“
                     Arbeit in der Wissenschaft:             Doch wie kann das gelingen? „Wir brauchen eine
                     https://kurzelinks.de/u4we              Tariftreueregelung“, stellte Sylvia Bühler klar. Es                   Der Livestream zum Thementag auf You-Tube:
                     ver.di-Forderungen für gute             dürfe nicht sein, dass Weiterbildungsträger, die                   https://kurzelinks.de/rlty, Lehren aus der Pan-
                     Arbeit in der Weiterbildung:            ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlen, bei der Ver-               demie: https://kurzelinks.de/0elx, Zukunft der
                     https://kurzelinks.de/rjog              gabe von öffentlichen Aufträgen aufgrund des                       Wissenschaft: https://kurzelinks.de/m3v2 b
                                                             Preises benachteiligt werden. ver.di und der Bun-                                                Maren Skambraks

                      Kommentar

                     Deutschland hat gewählt – und wie!
                     N    ach einem Wahlkampf voller Pleiten, Pech
                          und Pannen ist die SPD wiederauferstanden,
                     hat die Union Merkels Erbe fast verspielt und prä-
                                                                           einem Politikwechsel auf der einen und Beständig-
                                                                           keit auf der anderen Seite schwanken, sicher ist: Ein
                                                                           Weiterso kann und wird es nicht geben. Jetzt gilt es,
                                                                                                                                       halb der Ampel ist der Weg strittig. Dafür einen
                                                                                                                                       stabilen Kompromiss zu finden, ist die eigentliche
                                                                                                                                       Aufgabe der Verhandlungen.
                     sentieren sich Grüne und FDP als Joker. Die Zeiten    dieses Land von Stillstand und Lethargie zu befreien,            Ebenso groß ist die Übereinstimmung hinsicht-
                     von maximal Zweierbündnissen auf der Bundes-          eine Aufbruchsstimmung zu erzeugen und die Men-             lich der Bedeutung von Bildung. Die langjährigen
                     ebene sind Vergangenheit. Eine Dreierkoalition        schen mitzunehmen.                                          Forderungen von ver.di erscheinen endlich reali-
8                    wird künftig das Land regieren und die Ära der vor-        Insbesondere im Bereich der Klima- und Um-             sierbar. Eine Mammutaufgabe ist zu lösen: Die Zu-
                     herrschenden großen Volksparteien scheint vorbei.     weltpolitik drängt die Zeit. Die Katastrophen des           kunft gestalten und gleichzeitig, um Willy Brandt
                     Die kleinen Parteien können den Preis bestimmen.      Sommers haben uns vor Augen geführt, welch fatale           zu zitieren, mehr Demokratie wagen. Wir Gewerk-
                         Auch wenn das Wahlergebnis verdeutlicht, wie      Auswirkungen der Klimawandel auf unser aller Le-            schafter*innen sind bereit. b
                     sehr die Wähler*innen zwischen dem Wunsch nach        ben hat. Im Ziel sind sich alle einig, aber selbst inner-                                        Klaus Böhme
#unverzichtbar Die Beschäftigen halten Bildung und Wissen schaft am Laufen - dafür verdienen sie Anerkennung - Ver.di
Interview

                                                                                            Foto: Kay Herschelmann
         „BAföG-Reform
                                                                                                                     Matthias Anbuhl ist seit Oktober
                                                                                                                     neuer Generalsekretär des
                                                                                                                     Deutschen Studentenwerks.

           ist zwingend                                                                                              Zuvor leitete er die Abteilung
                                                                                                                     Bildungspolitik und Bildungsarbeit
                                                                                                                     beim Deutschen Gewerkschafts-

            notwendig“                                                                                               bund (DGB).

   biwifo: Die Corona-Pandemie hat ein Schlaglicht darauf ge-       einem engen Wohnungsmarkt die Erhöhung durch weiter
worfen, dass das BAföG-System auf tönernen Füßen steht. Nur         steigende Mieten aufgefressen wird. Deshalb plädieren wir für
noch elf Prozent der Studierenden erhielten 2020 die Ausbil-        den Ausbau der Wohnheimkapazitäten. Ein von den Studenten-
dungsförderung. Kurz nachdem das BAFöG vor 50 Jahren ein-           und Studierendenwerken angebotener Wohnheimplatz kostet
geführt wurde, waren es vier Mal so viele. Wo sehen Sie die         im Schnitt 263 Euro warm. Das sind Mieten, die sich Studierende
Ursachen?                                                           leisten können. Diese Angebote müssen wir ausbauen, doch das
                                                                    ist in den vergangenen Jahren nicht ausreichend geschehen.
    Matthias Anbuhl: Bei der Bearbeitung der Überbrückungs-         Seit 2007 sind die Studierendenzahlen um 49 Prozent gestiegen,
hilfe des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mussten      die Zahl der Wohnheimplätze aber nur um acht Prozent. Hier gibt
die Studenten- und Studierendenwerke viele Anträge ablehnen,        es einen enormen Nachholbedarf.
obwohl die Betroffenen einen niedrigen Kontostand hatten –
weil sie schon vor der Pandemie arm waren. Das ist ein deutli-          Die Pandemie ist nicht nur finanziell, sondern auch psychisch
cher Hinweis darauf, dass das BAföG seine Zielgruppe nicht mehr     für viele Studierende eine schwere Zeit. Ist das in den psycholo-
ausreichend erreicht. Die vergangenen 50 Jahre haben gezeigt,       gischen Beratungsstellen der Studierendenwerke spürbar?
dass das BAföG ein wichtiges Instrument zur Förderung von
Chancengleichheit ist. Doch es wurde in den vergangenen zwei            Absolut. Die drei digitalen Semester fordern einen Tribut.
Jahrzehnten nicht gepflegt. Wir haben seit acht Jahren in Folge     Die Nachfrage nach psychosozialer Beratung steigt sehr stark an.
einen Rückgang der Gefördertenquote bei den Studierenden!           Das geht von depressiven Verstimmungen über Einsamkeits-
Zudem stellen wir fest, dass manche Studierende wegen des           gefühle bis hin zu Ängsten vor Verschuldung und Fragen zur
Darlehensanteils keinen Antrag stellen, weil sie nicht mit          Sinnhaftigkeit eines solchen Studiums. Wir kommen mit unseren
Schulden ins Berufsleben starten möchten. All das macht eine        Beratungskapazitäten kaum hinterher. Zum Beispiel im Studenten-
BAföG-Reform zwingend notwendig.                                    werk Leipzig hat sich die Wartezeit für eine Beratung von andert-
                                                                    halb auf drei Monate verdoppelt. Deshalb fordern wir von der
   Wie müsste die aussehen?                                         neuen Bundesregierung, das Bund-Länder-Aktionsprogramm, das
                                                                    es für Kinder und Jugendliche gibt, auf Studierende zu erweitern
    Wir brauchen sehr schnell eine kräftige Erhöhung der Bedarfs-   und insbesondere die Finanzmittel für die Beratungsangebote der
sätze und Elternfreibeträge, um insbesondere Studierende aus        Studierendenwerke aufzustocken. b
der Mittelschicht wieder zu erreichen. Die Förderungshöchstdauer
muss erhöht werden. Denn bislang ist sie an die Regelstudienzeit    Eine ausführliche Version des Interviews findet sich hier:
gekoppelt, in der aber nur rund ein Drittel der Studierenden ihr    https://kurzelinks.de/gn36
Studium abschließt. Oft bricht die Studienfinanzierung deshalb                                                        Daniel Behruzi
kurz vor dem Abschluss weg – eine sehr prekäre Situation, die
durch die Verlängerung der Förderhöchstdauer vermieden werden
kann. Wir sprechen uns zudem für einen Krisenmechanismus             Neustart fürs BAföG
im BAföG aus, auf den in künftigen Krisen schnell und unbüro-        „Das BAföG braucht 50 Jahre nach seiner Einführung einen
kratisch zurückgegriffen werden kann. Und wir wollen den             Neustart“, heißt es in einem Positionspapier des Deutschen
Darlehensanteil zurückführen, damit das BAföG als Vollzuschuss       Gewerkschaftsbundes. Der DGB stellt darin detailliert dar, wie
gezahlt wird.                                                        die Ausbildungsförderung bedarfsgerecht gestaltet und wei-
                                                                     terentwickelt werden muss. So sollen zum einen die Freibe-
   Müssten die zum Teil extrem hohen Mieten in den Ballungs-         träge deutlich angehoben werden, um einen breiteren Zugang
zentren nicht stärker berücksichtigt werden?                         zur Förderung zu ermöglichen. Zum anderen soll der Regel-
                                                                     bedarf um mindestens 150 Euro erhöht werden. Zudem plä-
   Es ist richtig, dass die durchschnittlichen Mietkosten in den     diert der DGB dafür, sowohl Fördersätze als auch Freibeträge                         9
Hochschulstädten oft geradezu explodiert sind. Vor diesem            regelmäßig an die aktuellen Bedingungen anzupassen. b
Hintergrund besteht beim Wohnungsbau dringender Handlungs-           Das DGB-Positionspapier zum Download:
bedarf. Das eins zu eins im BAföG über eine Erhöhung der Wohn-       https://kurzelinks.de/e7eg
pauschale abzubilden, beinhaltet allerdings die Gefahr, dass in
#unverzichtbar Die Beschäftigen halten Bildung und Wissen schaft am Laufen - dafür verdienen sie Anerkennung - Ver.di
Weiterbildung

                                          „Einmalig gut“
      Berliner VHS-Dozent*innen
       setzen bessere Bezahlung
         und Absicherung durch.
                                          O     b vor dem Roten Rathaus, dem Finanzsenat,
                                                am Brandenburger Tor oder vor Volkshoch-
                                          schulen: Überall in der Hauptstadt rollen Honorar-
                                                                                               das Honorar prozentual in gleichem Maße ange-
                                                                                               hoben.

                                          kräfte der Berliner VHS seit Jahren unermüdlich          Zudem erhalten arbeitnehmerähnliche Hono-
                                          ihr Transparent aus. „Soziale Absicherung für        rarkräfte eine bessere Absicherung, etwa bei
                                          VHS-Dozent*innen“, heißt es darauf. Nun haben        Krankheit: Bisher bekamen sie erst nach drei Tagen
                                          die freien Mitarbeiter*innen der Volkshoch-          80 Prozent ihres Verdienstausfalls, in Zukunft sind
                                          schulen in Berlin einen großen Erfolg erzielt. Sie   es 90 Prozent nach zwei Tagen. „Für Freiberufler
      Vertretung                          erhalten höhere Honorare und eine bessere sozia-     ist das sensationell gut“, meint Beate Strenge.
                                          le Absicherung, inklusive mehr Urlaubstage,          Auch konnten sich Dozent*innen früher nur ein-
      per Gesetz                          Regelungen bei Krankheit und Mutterschutz            mal im Jahr bis zu sechs Wochen krankschreiben
      Die Berliner VHS-Dozent*innen       sowie immerhin einer kleinen Ausfallzahlung bei      lassen. Danach gab es keinen Cent mehr. Jetzt
      kämpfen seit Jahren für eine        Kursausfall. Bei aller Kritik an einzelnen Punkten   haben sie bei jeder erneuten Krankschreibung das
      Personalvertretung. Mit dem         meint Beate Strenge, ver.di-Sprecherin der VHS-      Recht auf Ausfallzahlung für sechs Wochen.
      neuen Berliner Erwachsenen-         Dozent*innen-Vertretung: „Diese Vereinbarung
      bildungsgesetz erhalten sie zwar    ist bundesweit einmalig gut.“                            Ihre Forderung war stets ein Tarifvertrag, doch
      keinen Personalrat, aber immerhin                                                        darauf ließ sich der Senat nicht ein. Die neuen
      eine offizielle VHS-Dozent*innen-       Dabei ist besonders das Honorar hervorzuhe-      Regelungen werden stattdessen in sogenannten
      Vertretung. Das Gesetz schreibt     ben, das bis Sommer 2023 in zwei Stufen erhöht       Ausführungsvorschriften festgeschrieben, die ab
      vor, dass jede Volkshochschule      wird. Für 45 Minuten Unterricht bekommen             dem 1. Januar 2022 gelten. „Uns ist egal, wie es
      fünf Vertreter*innen wählen muss.   Kursleiter*innen mit Hochschulabschluss künftig      heißt“, sagt Beate Strenge. „Uns kommt es auf die
      Sie vertreten die Interessen der    41 Euro, inklusive Vor- und Nachbereitung. Bisher    Inhalte an.“ Als „bitter“ bezeichnet sie, keine noch
      frei- und nebenberuflichen Mit-     gab es etwa 37 Euro. Hinzu kommen Urlaubsent-        bessere soziale Absicherung erzielt zu haben. Fällt
      arbeitenden, begleiten sie zum      gelt sowie Zuschläge zur Renten-, Kranken- und       ein VHS-Kurs unverschuldet aus, erhalten die frei-
      Beispiel bei Kündigungen von        jetzt neu auch zur Pflegeversicherung für arbeit-    en Mitarbeitenden lediglich zehn Prozent des
      Honorarverträgen zu Anhörungen      nehmerähnliche Honorarkräfte, die mehr als die       Honorarausfalls. Für Beate Strenge steht daher
      und vernetzen sich berlinweit.      Hälfte ihres Einkommens an der VHS erzielen. Für     fest: „Wir bleiben dran!“ b                     -red-
                                          Dozent*innen ohne akademischen Abschluss wird

    Streik zeigt Wirkung
    Die Beschäftigten der Ländlichen Er-             400 Beschäftigten, um Druck für einen           Wer drei Jahre befristet angestellt ist, erhält
    wachsenenbildung (LEB) in Nieder-                Tarifvertrag zu machen. „Seitdem redet die      danach automatisch eine feste Stelle. „Diese
    sachsen schränken Befristungen ein,              Geschäftsführung wieder mit uns“, sagt          Entfristungsregelung ist super“, sagt Ulrike
    übers Geld verhandeln sie nach der               Maren Niehuis, Mitglied der ver.di-Tarif-       Schilling, „und in einer landesweiten Bil-
    Krise.                                           kommission, „und zwar erfolgreich.“             dungseinrichtung beispiellos.“ Die Angebote
                                                                                                     des Trägers finanzierten sich vor allem durch

    V  on Friesland bis Göttingen: Die Stand-
       orte der Ländlichen Erwachsenenbil-
   dung (LEB) verteilen sich über ganz Nieder-
                                                         Zuvor hatte sich der Arbeitgeber nach
                                                     mehreren erfolglosen Verhandlungsrunden
                                                     weiteren Gesprächen verweigert. „Die Pan-
                                                                                                     Projekte mit begrenzter Förderdauer. Ketten-
                                                                                                     verträge gehörten bei dem Weiterbildungs-
                                                                                                     anbieter zum Alltag. Ein Drittel der Päda-
   sachsen. Trotzdem haben die Beschäftigten         demie ist uns reingegrätscht“, so ver.di-Ver-   gog*innen habe bislang nur einen Zeit-
   es geschafft, einen gemeinsamen Streik auf        handlungsführerin Ulrike Schilling. Der         vertrag. „Da haben wir eine Haltelinie rein-
   die Beine zu stellen. „Das war ein großer         Träger habe finanzielle Verluste erlitten und   gezogen“, betont Ulrike Schilling.
   Erfolg“, berichtet die ver.di-Landesfach-         sei deshalb aktuell nicht in der Lage, höhere
   bereichsleiterin Ulrike Schilling. Zum ersten     Gehälter zu zahlen. „Aber uns ist wichtig,          Parallel dazu legten sie bereits eine Ent-
10 Mal  überhaupt sei in Niedersachsen ein lan-      trotzdem weiter am Tarifvertrag zu arbei-       geltordnung fest, sagt Maren Niehuis. „Über
   desweiter Träger der Erwachsenenbildung           ten“, betont Maren Niehuis.                     konkrete Zahlen reden wir später.“ Ihre For-
   bestreikt worden, etliche Kurse fielen aus.                                                       derung nach fairem Gehalt geben sie und
                                                         Auch wenn die Gespräche übers Entgelt       ihre Kolleg*innen nicht auf. ver.di-Verhand-
       Insgesamt versammelten sich vor der           auf Eis liegen, hat ver.di im Manteltarifver-   lungsführerin Ulrike Schilling betont: „Wenn
    Geschäftsstelle in Hannover rund 70 der          trag eine wichtige Forderung durchgesetzt:      Geld da ist, gehen wir in die Vollen.“ b -red-
Das gute Beispiel

„Es lohnt sich,
hartnäckig zu bleiben“
Die Beschäftigten der VHS Delmenhorst setzen einen

                                                                                                                                               Foto: Christopher Bredow, Delmenhorster Kreisblatt (Montage)
Haustarifvertrag fast auf TVöD-Niveau durch.

VON KATHRIN HEDTKE

E   inmal haben sie Kuscheltiere auf dem Marktplatz in Delmen-
    horst ausgesetzt: An einer Laterne prangte eine grüne Maus,
ein paar Meter weiter hockte ein pummeliger Marienkäfer. Sie tru-
gen kleine Schilder um den Hals: Sie seien bei der VHS Delmenhorst
beschäftigt, stand darauf: „Vor zehn Jahren hat meine Mama
gesagt, dass sie an mir sparen möchte und mich deshalb vor die Tür
gesetzt. Da ist es so kalt.“ Ein andermal überreichten sie den Stadt-
verordneten feierlich eine Torte, nach dem Motto: „Wir feiern zehn
Jahre ohne Tarifvertrag!“ Außer netten Worten passierte lange
nichts. Doch die VHS-Beschäftigten ließen nicht locker und mach-
ten immer wieder öffentlich auf ihre Situation aufmerksam. Das hat
sich ausgezahlt: Jetzt haben sie einen Tarifvertrag durchgesetzt, der
sich sehen lassen kann. „Endlich hat es doch noch geklappt“, sagt
Betriebsrat Kai Reske. Fast vier Jahre lang haben er und seine          zentigen Tochter der Stadt Delmenhorst – nicht weiterkamen,
Kolleg*innen dafür gekämpft.                                            berichtet Kai Reske, da die VHS gar nicht über die notwendigen
                                                                        Eigenmittel verfügte. Und suchten deshalb das Gespräch mit der
    Als Kai Reske vor rund elf Jahren seine Stelle als Programm-        Politik. Sie sprachen mit Mitgliedern aller Stadtratsfraktionen,
bereichsleiter antrat, hatte die VHS Delmenhorst gerade den             außer der AfD. Zum Teil hätten sie zwar viel Zuspruch erhalten, so
Haustarifvertrag gekündigt. Wer neu eingestellt wurde, bekam            der Betriebsrat, aber sonst tat sich nichts. Zwei Jahre später waren
weniger Lohn. „Die Differenz ging in die hunderte Euro.“ Doch das       die VHS-Beschäftigten keinen Schritt weiter. „Wir waren so frus-
Problem rückte erst so richtig in den Fokus, als vor vier Jahren ein    triert, dass wir hinschmeißen wollten.“ Doch stattdessen entschie-
neuer Betriebsrat gewählt wurde. Kai Reske und seine Kolleg*in-         den sie: „ganz oder gar nicht“. Und mobilisierten noch einmal alle
nen liefen durch die Volkshochschule und wollten wissen: „Womit         Kräfte. Mit kreativen Aktionen bestimmten die VHS-Beschäftigten
seid ihr unzufrieden?“ Dabei zeigte sich, dass viele Beschäftigte die   immer wieder die Schlagzeilen in der Stadt.
ungleiche Bezahlung enorm störte. „Schließlich machten sie genau
den gleichen Job.“ Deshalb überlegte der Betriebsrat, was sich da-          ver.di-Verhandlungsführerin Ulrike Schilling zeigt sich vom
gegen tun ließ. „Da war ein Tarifvertrag sehr nahelegend“, meint        Engagement der Beschäftigten begeistert: „Das war Kampagnen-
der Programmbereichsleiter. Die Aktiven nahmen Kontakt zu ver.di        arbeit wie aus dem Lehrbuch.“ Mit ihren Aktionen hätten sie letzt-
auf. Doch die niedersächsische Landesfachbereichsleiterin Ulrike        lich ein Umdenken bewirkt. „Das ist eine kleine Belegschaft, die
Schilling machte ihnen klar, dass drei Gewerkschaftsmitglieder          dran geblieben ist“, so die Gewerkschafterin, „und gezeigt hat,
„etwas wenig“ waren, um erfolgreich einen Tarifvertrag durchzu-         dass man etwas bewirken kann.“
setzen.
                                                                            Irgendwann hätten die Politiker*innen erkannt, dass sie an
   Als Voraussetzung einigten sie sich darauf, dass mindestens die      einem Haustarifvertrag nicht vorbeikamen, berichtet Kai Reske, und
Hälfte der 40 VHS-Beschäftigten in der Gewerkschaft sein sollte.        stimmten im Stadtrat für eine Erhöhung der Zuschüsse. An-
Die ver.di-Aktiven führten zig Gespräche – und überschritten in kur-    schließend ging es bei den Tarifverhandlungen nur noch um die
zer Zeit die Zielmarke. „Wir waren von dem großen Erfolg selbst         Frage, wie das Geld am besten verteilt wird.
überrascht“, sagt Kai Reske. „Das hat uns gezeigt: Gemeinsam
können wir es schaffen, eine gewichtige Stimme im Betrieb zu wer-          Das Ergebnis ist ein Haustarifvertrag, der sich „ernsthaft“ am
den.“ Vorher seien sie Einzelkämpfer*innen gewesen: Sie hätten          TVöD orientiert. Die Kolleginnen und Kollegen hätten künftig mehr
jeweils alleine bei der Geschäftsführung im Büro gesessen und auf       Geld in der Tasche, sagt der Betriebsrat, entweder direkt oder bei der 11
eine Lohnerhöhung gehofft. „Jetzt stellten wir gemeinsam unsere         nächsten Stufenerhöhung. Wichtig war für die Kolleg*innen auch
Forderungen auf“, betont der Betriebsratsvorsitzende.                   die neue Regelung zur Entfristung: Wer fünf Jahre dabei ist, erhält
                                                                        beim nächsten Vertrag automatisch eine unbefristete Anstellung.
   Doch sie hätten schnell gemerkt, dass sie in den Gesprächen mit      Zudem gibt es für ver.di-Mitglieder einen Urlaubstag extra. Kai
der Geschäftsführung der gemeinnützigen GmbH – einer 100-pro-           Reskes Fazit: „Es lohnt sich, hartnäckig zu bleiben.“ b
Weiterbildung

    Pro/Contra: Hochschulen öffnen?
                   „Ich möchte endlich wieder in Präsenz an der Uni                                      „Die von der Politik aufgezwungene Präsenzlehre mit
                   studieren, so sicher wie möglich. Ich habe selber ein                                 3G-Regelung finde ich unverantwortlich! An der Uni
                   erhöhtes Risiko und möchte nichts riskieren. Aber ich                                 Mainz sollen im Wintersemester wieder 90 Prozent
                   habe das Gefühl, dass wir Studierenden vergessen                                      der Veranstaltungen in Präsenz stattfinden. Daran
                   werden. Die Fußballstadien sind voll, für jedes                                       nehmen auch ungeimpfte Menschen teil. Sie werden
                   Konzert gibt es Hygienekonzepte, aber an der Uni                                      das Virus in der Uni verbreiten und zwangsläufig auch
    redet da niemand drüber. Drei Semester lang habe ich das Gebäude                     Menschen anstecken, die sich – zu ihrem eigenen und zum Schutz
    nicht betreten. Das Onlinelernen empfinde ich als sehr anstrengend.                  ihrer Mitmenschen – haben impfen lassen. Einige werden schwer
    Am Anfang haben uns viele Dozent*innen einfach nur Texte mit                         erkranken, vielleicht sogar sterben. Das bin ich nicht bereit zu akzep-
    Aufgaben kopiert, später hat die digitale Lehre                                                           tieren. Unter den jetzigen Bedingungen gefähr-
                                                       Foto: privat

                                                                              Foto: privat
    etwas besser geklappt. Aber der Austausch fehl-                                                           det die Präsenzlehre all jene, die sich verantwort-
    te. Wir haben versucht, per Video kleine Lern-                                                            lich verhalten. Wir haben an der Uni auch
    gruppen zur organisieren, aber das war schwie-                                                            schwerbehinderte und vorerkrankte Beschäf-
    rig. Richtige Diskussionen lassen sich online                                                             tigte, die besonders gefährdet sind. Da gilt es
    kaum führen. Mir fehlt der persönliche Kontakt                                                            abzuwägen: Wollen wir, dass diese Menschen
    sehr, mal ein paar Worte in der Mensa oder vor                                                            ihrer Arbeit nachgehen und an ihrem Arbeits-
    dem Hörsaal zu wechseln. Viele Kommiliton*in-                                                             platz sicher sind? Meiner Meinung nach darf es
                                                                Christoph                Thomas
    nen habe ich ewig nicht gesehen, ich bin nicht                                                            erst wieder Präsenzlehre geben, wenn alle
                                                             Kellermann,                 Scheffczyk,
    mal sicher, ob sie ihr Studium durchgehalten                                                              geimpft sind. Jeder hat das Recht, sich nicht imp-
                                                              Student der                Zentrum für
    haben. Deshalb ist es höchste Zeit für sichere Historischen Musik-                   Datenverarbeitung,
                                                                                                              fen zu lassen. Aber niemand hat ein Recht
    Präsenzlehre. Überall wird kontrolliert, ob die     wissenschaften an                Personalrat an       darauf,  dass andere Menschen dafür die Konse-
    Menschen getestet, geimpft oder genesen sind.           der Universität              der Universität      quenzen   tragen müssen. Deshalb sehe ich mit
    Das muss doch an der Uni auch möglich sein.“                     Halle               Mainz                großer  Sorge  aufs nächste Semester.“

    Zurück in die Mensa
    Nach langer Kurzarbeit öffnen Mensen und Cafeterien wieder.

    E   ineinhalb Jahre lang hat Sabina Ste-
        fanovic nur einzelne Tage in der Mensa
    des Studierendenwerks Mainz gearbeitet,
                                                         Das Studierendenwerk habe die Corona-
                                                     krise dafür genutzt, Personal abzubauen,
                                                     betont der Personalrat Tomas Noll. Die Hoch-
                                                                                                                  heißt es irgendwann: ‚Wir brauchen euch
                                                                                                                  nicht mehr!‘“

    die allermeiste Zeit war sie in Kurzarbeit.      schulgastronomie an der Uni Mainz müsse                          Viele Studierendenwerke hätten von der
    „Ich bin froh, dass es jetzt wieder losgeht“,    jetzt mit 40 Kolleg*innen weniger laufen.                    Pandemie finanziell profitiert. Sie erhielten
    betont die Servicekraft. Mit dem Start des       Deshalb wurde das Angebot gekürzt: Zu-                       weiterhin die Sozialbeiträge und Landeszu-
    Wintersemesters öffnen überall in Deutsch-       nächst werden nur halb so viele Theken                       schüsse, hätten jedoch nur noch rund 20
    land wieder Mensen und Cafeterien. Ge-           geöffnet, zumal mit weniger Umsatz gerech-                   Prozent an Personalkosten bezahlt, rechnet
    nießen konnte die alleinerziehende Mutter        net wird, und die Öffnungszeiten reduziert.                  Markus Becker vor. In Münster sparte das
    eines Sohns die Kurzarbeit nicht. „Die           „Hier werden Dienstleistungen für Studie-                    Studierendenwerk seinen Angaben zufolge
    ganze Zeit nur zu Hause zu hocken, macht         rende abgebaut, um Geld zu sparen.“                          im Vorjahr alleine beim Wareneinkauf zwei
    depressiv“, meint die 45-Jährige. Hinzu kam                                                                   Millionen Euro. „Das war einer der besten
    bei vielen ihrer Kolleg*innen die Angst, den         Das hält Markus Becker, Sprecher der                     Jahresabschlüsse seit Jahren“, sagt der Per-
    Job zu verlieren. „Viele waren sehr emotio-      ver.di-Bundesarbeitsgruppe Studierenden-                     sonalrat. Deshalb hätten es einige Geschäfts-
    nal“, berichtet Sabina Stefanovic, „und          werke, für einen großen Fehler. Der Per-                     führungen nicht sehr eilig gehabt, die Türen
    haben in ständiger Sorge gelebt.“                sonalrat aus Münster betont, dass die                        wieder zu öffnen.
                                                     Studierendenwerke ausschließlich Dienst-
      In der Pandemie seien im Studierenden-         leister für Studierende sind. „Die sozialen                     „Es wird höchste Zeit, dass die Studie-
12 werk  Mainz befristete Verträge nicht verlän-     Angebote sind unsere Daseinsberech-                          rendenwerke endlich wieder ihre Aufgaben
   gert worden, berichtet die Personalrätin.         tigung.“ Im Bereich der Wohnheime hätten                     wahrnehmen können“, fordert Markus
   Ging jemand in Rente, wurde die Stelle            sie schon länger mit privaten Investoren zu                  Becker. „Schließlich haben wir eine soziale
   nicht neu besetzt. „Jetzt müssen wir die          kämpfen. Umso wichtiger sei es, bei der                      Verantwortung.“ Sowohl für die Studieren-
   Löcher stopfen“, kritisiert die Servicekraft.     Verpflegung ein gutes Angebot aufrechtzu-                    den als auch die Beschäftigten. b
   Darüber sei der Ärger groß.                       erhalten, meint Markus Becker. „Sonst                                                              -red-
Sie können auch lesen