#unverzichtbar Die Beschäftigen halten Bildung und Wissen schaft am Laufen - dafür verdienen sie Anerkennung - Ver.di
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report Bildung, Wissenschaft und Forschung #unverzichtbar Die Beschäftigen halten Bildung und Wissenschaft am Laufen – dafür verdienen sie Anerkennung 0 2 / 2 02 1
Editorial b i w i f o r e p o r t 2 / 2 0 21 Liebe Kolleginnen und Kollegen, Inhalt Schwerpunkt: Tarifrunde der Länder aus Sicht von uns Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist die Ampel keine Wunsch- Tarifrunde geht alle etwas an 3 Koalition. Wenn es um Arbeitnehmerrechte Infos zur Tarifrunde 4 geht, können wir auf die FDP nicht setzen. Doch für eine progressive Bundesregierung „Etwas verändern“ 5 gibt es nach der Wahl keine Mehrheit. „Wir sind streikbereit“ 6 Einiges am Wahlausgang war bemerkenswert. Überrascht hat mich persönlich auch, dass Hessen: Befristung bleibt Thema 7 21 Prozent der Erstwähler*innen FDP gewählt haben. Eine Partei, die traditionell vor allem Klare Botschaft an die neue die Interessen der Wirtschaft und Wohl- Bundesregierung 8 habenden vertritt. Eine Antwort könnte sein, Kommentar: Deutschland hat dass diese Partei Bildung in den Fokus gestellt gewählt – und wie! 8 hat. Und Digitalisierung. Themen, die bei anderen Parteien wenig vorkamen. Interview mit Matthias Anbuhl: „BAföG-Reform ist zwingend report Sylvia Bühler notwendig“ 9 Nachdem nun nach der Wahl die Union Mitglied des ver.di- vor allem mit sich selbst beschäftigt ist, ver- Bundesvorstandes VHS Berlin: „Einmalig gut“ 10 handeln SPD, Bündnis 90/Die Grünen und und Leiterin LEB: Streik zeigt Wirkung 10 FDP den Koalitionsvertrag. Die drei Parteien des Fachbereichs wollen das Land fortschrittlicher machen und Bildung, Wissen- Das gute Beispiel: „Es lohnt sich, hartnäckig zu bleiben“ 11 modern. Wer wollte da etwas dagegen sagen. schaft und Forschung Eine der wichtigsten Fragen ist jedoch, wie Pro/Contra: Hochschulen öffnen? 12 die politischen Vorhaben und die seit langem Zurück in die Mensa 12 fälligen Investitionen finanziert werden sollen. Auch gute Bildung braucht mehr Geld. Und #HannaOrganisiertSich 13 mit der FPD wird es weder eine Abschaffung Gute digitale Lehre 13 der Schuldenbremse geben, noch eine Urteil: Befristung begrenzt auf Vermögenssteuer oder höhere Steuern für wissenschaftliche Tätigkeiten 14 Wohlhabende. Das ist bitter, denn bekanntlich geht die Schere zwischen Arm und Reich Heilfroh über eigenes immer weiter auseinander. Wenn jetzt laut Reinigungspersonal 15 Sondierungsergebnis neben öffentlichen auch Zu guter Letzt 16 private Investitionen deutlich erhöht werden sollen, muss klar sein, dass die Daseins- vorsorge nicht dem Markt überlassen werden darf. Egal ob Bildung, Gesundheit oder Impressum Klimaschutz, wir brauchen einen starken Der ver.di Report biwifo Nr. 02/2021 · Oktober 2021 Staat. Und wir brauchen mehr Frauen als Herausgeber: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) Entscheiderinnen. Olaf Scholz hat angekün- Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung Paula-Thiede-Ufer 10 · 10179 Berlin Fotos v.o.n.u.: ver.di (2), stock.adobe.com, Christopher Bredow digt, dass es ebenso viele Ministerinnen wie V.i.S.d.P.: Sylvia Bühler Minister in der neuen Bundesregierung geben Redaktion: Klaus Böhme, Birthe Haak, Kathrin Hedtke, Alexandra soll. Die FPD sieht das kritisch. Herr Lindner Heiter, Frank Loeding, Michael Niedworok, Niclas Stiehl soll sich schon mal auf die Suche nach Internet: verdi.de Layout: einsatz, Wolfgang Wohlers kompetenten Frauen in seiner Partei machen. Druck: L.N. Schaffrath GmbH & Co. KG, Geldern Ich bin sicher, die gibt es. b Titelbild: Kay Herschelmann W-1728-67-1021 Die Artikel stellen die Meinungsvielfalt unseres Fachbereiches dar und spiegeln nicht in jedem Fall die Meinung des Bundesfachbereichsvorstandes wider. 2 Service Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung Internet: www.biwifo.verdi.de Ansprechpartnerin: Alexandra.Heiter@verdi.de
S c h w e r p u n k t : Ta r i f r u n d e d e r L ä n d e r Tarifrunde geht alle etwas an Die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Länder haben begonnen. Die Gewerkschaften fordern fünf Prozent mehr Geld, mindestens aber 150 Euro pro Monat. Doch bei der Tarif- Pauline Kracht ist Studentin runde geht es um mehr. Es geht darum, was gute Arbeit wert an der Leibniz-Universität ist. Es geht um die öffentliche Daseinsvorsorge, um Bildung Hannover. und Gesundheit. Und die Frage, wer für die Krise zahlt. „Die Tarifrunde der Länder betrifft mich als Studentin ganz unmittelbar. Denn die Arbeits- Foto: privat Kathrin Karnath ist Personalrätin bedingungen der Landesbeschäf- beim Studierendenwerk Ulm. tigten an den Hochschulen und biwifo „Was mir richtig Sorgen bereitet: dass Universitäten haben große Auswirkung auf mein Leben: die Arbeitgeber an den Arbeitsvor- Sie beeinflussen meine Studienbedingungen. Als Studen- Foto: Ursula Lerche gang ran wollen. Werden die Pläne tin profitiere ich davon, wenn Dozierende weniger Druck nicht gestoppt, hätten unsere Heldin- aufgrund von Befristungen haben und deswegen ihrem nen und Helden aus der Campus- Lehrauftrag besser nachkommen können oder zum gastronomie in der Entgeltgruppe 3 Beispiel mehr und gut bezahltes Personal im Prüfungs- deutlich weniger Geld in der Tasche. Bis jetzt ist die ‚gastrono- amt arbeitet. Deswegen ist es für mich logisch, die mische Mitarbeit‘ – wie in fast allen Studierendenwerken – ein Kolleg*innen zu unterstützen, indem ich Gewerkschafts- einzelner Arbeitsvorgang, zu dem die Arbeit an der Kasse als mitglied bin – und mich an Aktionen beteilige.“ sogenannte höherwertige Tätigkeit dazu gehört. Allerdings sitzen die Leute nur zu den Stoßzeiten ein paar Stunden am Tag an der Kasse, nie im Leben macht diese Tätigkeit 50 Prozent ihrer Arbeitszeit aus. Sollte der Arbeitsvorgang einge- Benita Hanke ist Leiterin der stampft werden, ist deshalb zu befürchten, dass sie herab- Stadtbibliothek Marzahn- gestuft würden. Das gilt es unbedingt zu verhindern!“ Hellersdorf. „Durch das große Engagement unserer Kolleg*innen haben wir in der letzten Tarifrunde durch- Foto: privat Dirk Etzelsdorfer ist gesetzt, dass für die Beschäftig- Gesamtbetriebsratsmitglied der ten der Bibliotheken keine DEKRA Akademie GmbH München. Sonderregeln bei der Eingruppierung mehr gelten. „Dass die Landesbeschäftigten für Damit einher geht für viele Bibliotheksbeschäftigte die Tariferhöhungen streiten, finde ich Möglichkeit einer besseren Eingruppierung. Doch die völlig richtig. Die Preise steigen – Arbeitgeber haben signalisiert, dass sie den Arbeits- Foto: privat aktuell besonders stark. Deshalb müs- vorgang und damit die Eingruppierungen zum Thema in sen auch die Löhne regelmäßig erhöht der aktuellen Tarifrunde machen wollen. Wir fürchten werden. Am besten geht das über Verhandlungen im Rahmen deshalb, dass sie uns die Möglichkeit der besseren eines Branchentarifvertrags. Was es bedeutet, wenn es diesen Eingruppierung durch die Hintertür wieder wegnehmen nicht gibt, sehen wir in der Weiterbildungsbranche. Außer wollen. Aber das lassen wir uns nicht gefallen. Wir sind für die pädagogischen Kräfte gibt es nicht einmal Mindest- gut organisiert. Wenn es einen Aufruf zum Streik gibt, standards. Das bedeutet: Der Arbeitgeber entscheidet alleine, schließen wir die öffentlichen Bibliotheken. Wir haben wie viel er bezahlt. Deshalb braucht auch die Weiterbildung schon einmal erlebt, dass wir etwas erreichen können. einen Branchentarifvertrag – so, wie der öffentliche Dienst.“ Das schaffen wir auch diesmal!“ Sabine Giese, Studentin der Hochschule Leipzig, ist Sprecherin der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS) und aktiv bei TVStud. „Diese Tarifrunde ist für uns schon bewegend. Viele Studis verfolgen die Verhandlungen auf heißen Kohlen. Zum ersten Mal haben wir einen ganz direkten Bezug. Wir haben 3 unsere Forderung nach einem Tarifvertrag für studentische Beschäftigte in die offiziellen Verhandlungen hineingetragen. Das ist ein erster kleiner Erfolg. Viele Studis haben Foto: privat dadurch erlebt, dass sie etwas bewegen können und ihr Engagement ganz konkret Früchte trägt. Jetzt hoffen wir, dass sich endlich etwas verändert!“
S c h w e r p u n k t : Ta r i f r u n d e d e r L ä n d e r drei Fragen – drei Antworten Annelie Schwaderer, ver.di-Landesfach- bereichsleiterin in Baden-Württemberg ? Wie läuft die Mobilisierung für die Länder- tarifrunde? Die Pandemie macht es etwas mühsam: Viele Gebäude der Hochschulen sind geschlossen, ganze Institute verlassen. Doch unsere aktiven Gewerkschaftsmitglieder lassen sich davon nicht Fünf Prozent, mindestens 150 Euro beirren, marschieren fleißig über den Campus. Digital funktioniert bei uns nicht so gut. Wir kön- Die Gewerkschaften gehen mit einer Forderung nach fünf Prozent mehr Gehalt in die nen kurze Sachinformationen per Videokonferenz Tarifrunde. Mindestens sollen alle 150 Euro pro Monat mehr in der Tasche haben. Die oder Telefon austauschen. Aber um die Men- Ausbildungsvergütung soll um 100 Euro steigen. Als Laufzeit werden zwölf Monate schen in Bewegung zu bringen und für Aktivitä- angestrebt. „Die Länderbeschäftigten haben in den zurückliegenden Monaten den ten zu gewinnen, braucht es persönliche Kontak- Laden am Laufen gehalten und sich Respekt und Anerkennung verdient“, betont der te. Sonst kommen keine Emotionen rüber. Die ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. „Gehaltssteigerungen sind nicht nur angesichts gute Nachricht: Die Menschen sind sehr aufge- steigender Preise zwingend notwendig.“ Der öffentliche Dienst der Länder könne nur schlossen. Und bereit, aktiv zu werden. mit guten Löhnen und guten Arbeitsbedingungen im zunehmenden Wettbewerb um Fachkräfte als attraktiver Arbeitgeber punkten. Zudem erwartet ver.di unter anderem, Was bewegt die Beschäftigten besonders? dass Verhandlungen über tarifliche Regelungen für studentische Hilfskräfte aufgenom- Der Arbeitsvorgang. Wenn ich erkläre, was men werden. b dabei auf dem Spiel steht, sagen alle: ‚Das geht gar nicht!‘ Empört reagieren auch Wissen- schaftler*innen, die vermutlich gar nicht unmit- Auswirkungen für Millionen Beschäftigte telbar betroffen wären. Das Thema ruft eine hohe Solidarität untereinander hervor. Die Gewerkschaften verhandeln mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) – mit Ausnahme von Hessen – für rund 1,1 Millionen Tarifbeschäftigte und 48.000 Wie wirkt sich die Pandemie auf die Forde- Auszubildende. Das Ergebnis soll zeit- und inhaltsgleich auf die knapp 1,4 Millionen rungen aus? Beamtinnen und Beamten sowie rund eine Million Versorgungsempfänger*innen im Die Unibeschäftigten haben in der Krise noch Bereich der Länder und Kommunen übertragen werden. b einmal deutlich gemerkt, wie gut ein sicherer Arbeitsplatz ist. Aber die Preissteigerung geht auch an ihnen nicht vorbei: Energie, Nahrungs- mittel, Mieten – alles wird teurer. Deshalb brau- Arbeitsvorgang chen die Menschen dringend eine Lohnerhö- „Das ist äh … Also das ist … hung. Dafür engagieren sie sich, ganz klar. b INFO staubtrocken, aber so super wichtig.“ Die dritte Verhandlungsrunde findet am 27. und 28. November statt. Nachdem sie in der letzten Runde schon einmal erfolglos einen Anlauf gestartet haben, wollen die Arbeitgeber es diesmal hartnäckiger versuchen: Die Tarif- gemeinschaft deutscher Länder (TdL) will den sogenannten Arbeitsvorgang zum Knackpunkt der Verhandlungen machen. Dabei wollen sie die bisherigen Preise steigen rasant Regelungen zur Eingruppierung infrage stellen, um so Geld auf Kosten der Die Inflation ist in Deutschland auf den höchsten Beschäftigten zu sparen. Weil das Thema etwas kompliziert, aber sehr wichtig Stand seit 1993 gestiegen. Im September waren ist, hat ver.di auf der Homepage zur Tarifrunde kurze Erklärvideos veröffentlicht. die Verbraucherpreise 4,1 Prozent höher als im Vor- Darin wird Schritt für Schritt mit Beispielen erklärt, was es mit dem Arbeits- monat, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. vorgang auf sich hat – und was auf dem Spiel steht. Kurz und knapp. Und wer Für das kräftige Plus sind vor allem die steigenden 4 es ganz genau wissen will, kann in einem vierminütigen Video noch mehr Energiepreise verantwortlich. Die Verbraucher*innen über Entgeltordnung, Tätigkeitsmerkmale, Arbeitsleistungen & Co. erfahren. mussten für Strom, Gas und Benzin rund 14,3 Pro- zent mehr bezahlen als im Vorjahr. In der Tarifrunde unverzichtbar.verdi.de sind daher deutliche Entgelterhöhungen nötig, alleine um die Reallöhne zu erhalten.
S c h w e r p u n k t : Ta r i f r u n d e d e r L ä n d e r Foto: Friedhelm Albrecht „Etwas verändern“ Rausholen, was geht: Als ehrenamtliche Gewerkschafterin wirkt Maggie Paal von der Uni Tübingen aktiv an den Tarif- verhandlungen mit. S ystematisch klappert Maggie Paal an der Universität Tübingen ein Gebäude nach dem anderen ab, geht dort schnurstracks auf die Men- ihr wichtig, klipp und klar zu machen, bei welchen Themen die Tarifforderungen schen zu. Das Gespräch beginnt sie in der Regel Gewerkschaften „kei- + Erhöhung der Tabellenentgelte ganz direkt mit den Worten: „Ich möchte mit nen Millimeter“ nach- um 5 Prozent, mindestens Ihnen gerne über die Tarifrunde sprechen!“ Für geben dürfen oder wo 150 Euro monatlich die 43-Jährige ist extrem wichtig zu wissen, was im Notfall kleine Zuge- + Erhöhung der Entgelte der die Beschäftigten bewegt: Sie ist Mitglied der ständnisse möglich wä- Maggie Paal (rechts) Auszubildenden, Studierenden ver.di-Bundestarifkommission und gehört der ren. „Ich lege meine vor der Uni in Aktion und Praktikant*innen um Verhandlungskommission an. Hand dafür ins Feuer, 100 Euro monatlich dass ver.di rausholt, + Laufzeit zwölf Monate „Dabei gilt es, die Stimmung von der Basis was rauszuholen ist“, bekräftigt Maggie Paal. + Übernahme der Azubis einzubringen“, betont Maggie Paal. Im ersten „Das Problem sitzt auf der anderen Seite.“ Sie Schritt trägt sie dazu bei, die Forderungen für die beobachte, dass die Bereitschaft der Arbeitgeber Erwartungen Tarifrunde aufzustellen. Die Pandemie habe in zu Zugeständnissen immer mehr sinke. Umso + Verbesserungen bei der Ein- diesem Jahr viel erschwert. „Die Leute sind wichtiger, dass die Beschäftigten in der Tarifrunde gruppierung schwer zu erreichen.“ Die Personalrätin klemmt notfalls zu Streiks bereit sind. + Verhandlungsverpflichtung sich hinters Telefon, telefoniert die verdi-Mit- über einen Tarifvertrag für gliederliste durch, besucht Betriebsgruppen ande- „Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig studentische Beschäftigte rer Einrichtungen, nutzt jeden persönlichen Kon- Tarifverträge sind“, betont Maggie Paal. Als die + Übernahme der Fahrtkosten in takt für Gespräche. Ihre Bilanz: „Die wichtigsten Veranstaltungstechnikerin 2005 an der Uni einge- Höhe des monatlichen ÖPNV- Themen sind Lohn und Arbeitszeit.“ Die Mieten stellt wurde, galt gerade kein Tarifvertrag – der Tickets für Auszubildende und seien in Tübingen „abartig hoch“, die Kosten fürs Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) war außer Praktikant*innen Leben stiegen, so dass es vielen Menschen auf Kraft, der Tarifvertrag der Länder (TV-L) noch nicht jeden Cent ankomme. eingeführt. Die junge Frau kam damals aus der Showbranche, hatte mit Gewerkschaft nichts am Aufwertung für Das ist auch ein wesentlicher Grund, warum Hut. „Ich hatte beim Vorstellungsgespräch noch Peer-Arne Arweiler in der Tarifrunde aktiv ist. überhaupt keine Ahnung, was es mit Tarifver- IT-Beschäftigte „Wenn die Löhne nicht so stark steigen wie die trägen und Eingruppierungen auf sich hat.“ Die Viele IT-Beschäftigte haben die Preise, haben wir weniger Geld in der Tasche“, Auswirkungen wurden ihr jedoch schnell klar: Mit Chance auf eine höhere Ein- sagt der Verwaltungsangestellte der Uni Tübin- 41 Stunden pro Woche arbeitete sie deutlich län- gruppierung. Denn ver.di hat gen. „Das bereitet mir Sorgen.“ Bei ver.di einge- ger als ihre Kolleg*innen, das Gehalt wurde ohne durchgesetzt, dass die Entgelt- treten ist er vor allem, weil er seinen Tarifvertrag eine tarifliche Tätigkeitsbewertung festgelegt. ordnung zum TV-L überarbeitet sehr zu schätzen weiß. „Ich finde es super, dass wird. Damit einhergehen verän- es den TV-L gibt.“ Er sei sich bewusst, betont Holterdiepolter kandidierte sie noch in der derte Eingruppierungsmerkmale. Peer-Arne Arweiler, dass jeder für sich alleine in Probezeit erfolgreich für den Personalrat, trat bei Der Antrag auf eine Höhergrup- Verhandlungen deutlich schlechtere Karten hätte. ver.di ein und übernahm etliche Posten und Auf- pierung muss bis spätestens „Deshalb möchte ich mich solidarisch zeigen und gaben. „Mir ist wichtig, in der Gesellschaft etwas 31. Dezember 2021 gestellt wer- aktiv einen Beitrag dazu leisten.“ zu verändern. Ohne Gewerkschaften ist das nicht den. Alle IT-Beschäftigten sollten möglich, denn Arbeit ist existenziell wichtig und jetzt sogfältig prüfen, ob sich der Auch Maggie Paal macht immer wieder klar, bestimmt einen Großteil des Alltags der Men- Antrag für sie lohnt. Auch wenn dass Lohnerhöhungen nicht vom Himmel fallen. schen“, betont die Gewerkschafterin. Wenn sie die neue Entgeltordnung eine Aus der Verhandlungskommission weiß sie nur zu später mal auf ihr Leben zurückblicke, möchte sie bessere Eingruppierung bedeutet, gut, wie wichtig Druck auf die Arbeitgeber ist. Zu- das Gefühl haben: „Ich habe mich im Rahmen können damit spätere Stufen- sammen mit den anderen ehrenamtlichen eingebracht, wo sich Möglichkeiten ergeben aufstiege und ein Verlust von 5 Mitgliedern des Teams reist sie zu jeder Ver- haben.“ Deshalb empfindet Maggie Paal die Zulagen verbunden sein. Deshalb handlungsrunde, wartet bei den Gesprächen viele Arbeit in der Bundestarif- und Verhandlungskom- ist gute Beratung wichtig: ver.di Stunden lang im Nebenraum. In der Pause kop- mission als „großes Glück“. b berät Mitglieder kostenlos. peln sich die aktiven Gewerkschafter*innen stets https://kurzelinks.de/lfyx mit der ver.di-Verhandlungsspitze rück. Dabei ist Kathrin Hedtke
S c h w e r p u n k t : Ta r i f r u n d e d e r L ä n d e r „Wir sind streikbereit“ Wichtiger Schritt: Bei der Tarifrunde der Länder kommt die Forderung nach I n der Uni Hamburg laufen sie durch Vorlesun- gen, hängen Plakate in Wohnheimen auf und richten auf dem Campus ein Streikcafé ein: „Wir verträge von zwei bis sechs Monaten, wüssten nie, ob sie verlängert würden, so die Gewerkschafterin. Wer ein Tutorium leite, habe zwischen den einem Tarifvertrag für mobilisieren ganz stark für die Tarifrunde“, Vorlesungszeiten oft eine Anstellungslücke von studentische Beschäftigte betont die Studentin Heidi Heil von der Initiative zwei Monaten, obwohl die Arbeit auch da oft erstmals offiziell auf den TVStud Hamburg. „Wenn ver.di zu Streiks auf- nicht aufhört und die Studierenden weiterhin Be- Verhandlungstisch. ruft, sind wir bereit.“ Ihr Ziel ist ein bundesweiter treuung brauchen „Viele wissen nicht, wie sie ihre Tarifvertrag für alle Studierenden, die als Hilfs- Miete zahlen sollen.“ Sie stört vor allem die damit kräfte oder Tutor*innen an Hochschulen arbeiten. einhergehende Selektion: An der Uni könnten Foto: Kay Herschelmann Sie fordern: „Keine Ausnahme!“ Während für so eigentlich nur jene arbeiten, die von ihren Eltern gut wie alle anderen Hochschulbeschäftigten der finanziell unterstützt werden. „Das trägt zur Tarifvertrag der Länder gilt, sind die über 160.000 Elitenbildung bei“, kritisiert Heidi Heil. Um über die studentischen Beschäftigten in Wissenschaft und Runden zu kommen, arbeite sie selbst wegen des Verwaltung – außer in Berlin – davon ausgenom- niedrigen Lohns zum Beispiel „viel zu viel“. Das men. Sie verdienen oft nur einen mickrigen Studium bleibe dabei auf der Strecke. Ein weiteres Stundenlohn, hangeln sich von einem befristeten großes Problem sei, dass die studentischen Be- Arbeitsvertrag zum nächsten – und haben in vie- schäftigten keine Interessenvertretung haben. Die len Bundesländern keine Personalvertretung. Studentin berichtet von Kommiliton*innen, die Heidi Heil, über Monate ohne Vertrag gearbeitet oder kein Initiative TVStud Einen wichtigen Schritt haben die Aktiven von Geld überwiesen bekommen hätten. „Sie sind Hamburg TVStud bereits geschafft: Die Gewerkschaften machen sich in der Tarifrunde explizit für die stu- Foto: ver.di dentischen Beschäftigten stark. „Das ist ein Weniger Uniabschlüsse Riesenerfolg“, sagt Isabella Rogner, bei ver.di zu- im Coronajahr ständig für die Studierenden. Die Bewegung für Die Coronapandemie hat zu einen TVStud habe im letzten Jahr eine unglaub- einem deutlichen Rückgang der liche Dynamik entwickelt. „In vielen Städten tut Zahl der Hochschulabschlüsse sich etwas“, berichtet sie, „so ist das Thema letzt- geführt. Im Prüfungsjahr 2020 lich auch in die Tarifrunde gekommen.“ Dass die schlossen im Vergleich zum Vor- Gewerkschaften die Gespräche als Erwartung jahr sechs Prozent weniger titulieren, nicht als Forderung, habe formale Studierende die Hochschule ab, Gründe: Weil die studentischen Beschäftigten wie das Statistische Bundesamt in offiziell nicht zum Geltungsbereich zählen, müss- TVStud-Aktive beim Verhandlungsauftakt mit dem Wiesbaden mitteilte. Den stärks- te andernfalls der gesamte Manteltarifvertrag ver.di-Vorsitzenden Frank Werneke ten Rückgang verzeichnete Berlin gekündigt werden. Fakt ist: „Das Thema kommt mit einem Minus von zwölf mit an den Verhandlungstisch“, erklärt Isabella Prozent, gefolgt von Branden- Rogner. superverzweifelt und wissen nicht, an wen sie sich burg, Bremen und Thüringen. wenden sollen.“ Andere wüssten nicht einmal, Besonders stark betroffen waren Darüber zeigt sich die Heidi Heil hocherfreut. dass sie ein Recht auf Urlaub und Krankheitstage die Geisteswissenschaften. „Wir haben schon richtig etwas bewegt.“ Die hätten, sagt Heidi Heil. Inzwischen wenden sich Mit Ausnahme des Jahrs 2018 Gewerkschafterin betont, dass die Bewegung Studierende bei Problemen an die TVStud-Initi- stieg die Zahl der Hochschulab- auch stark auf die Solidarität der anderen Stu- ative. „Aber das ist kein Ersatz für eine ordentliche schlüsse in den vergangenen zwei dierenden setze. Sie ist überzeugt, dass bei einem Personalvertretung.“ Jahrzehnten kontinuierlich. Streik viele Kommiliton*innen mit auf die Straße Insgesamt erwarben im Winter- gehen würden. Sowohl Professor*innen als auch Deshalb ist es ihrer Meinung nach höchste Zeit semester 2019/2020 sowie im Studierende zeigten für ihr Anliegen großes Ver- für einen TVStud. Berlin hat vorgemacht, wie es Sommersemester 2020 rund ständnis. „Bei TVStud geht es nicht nur um unse- geht: Mit Streiks setzten die Studierenden 2018 477.000 Absolvent*innen einen re Arbeitsbedingungen. Sondern daran hängt einen neuen Tarifvertrag durch. „Berlin ist unser 6 Hochschulabschluss, die Hälfte auch stark die Qualität von Lehre und For- großes Vorbild“, betont Heidi Heil. Nach dem Er- davon einen Bachelorabschluss. schung“, meint Heidi Heil. folg in der Hauptstadt gründeten sich in vielen Die Zahl der Promotionen sank Städten lokale Initiativen. Besonders weit ist die laut Statistik im Vergleich zum In Hamburg arbeiten studentische Hilfskräfte Bewegung in Bremen und Hamburg. Für sie steht Vorjahr um sieben Prozent. an der Uni für 10,91 Euro pro Stunde. Über 70 Pro- fest: „Wir wollen einen Dammbruch erreichen.“ b zent von ihnen hätten nur sehr kurze Arbeits- -red-
S c h w e r p u n k t : Ta r i f r u n d e H e s s e n Befristung bleibt unser Thema Trotz vieler Aktionen für mehr unbefristete Foto: Kathrin Hedtke Stellen an Hessens Hochschulen mauerte die Landesregierung in den Tarifverhand- lungen. Doch ver.di bleibt dran. I n zwei Schritten insgesamt vier Prozent mehr Geld mit sozialer Komponente, 1.000 Euro Corona-Prämie, Übernahme der Auszubildenden, Verbesserungen für studentische Hilfskräfte und Beibehaltung des Hessen-Tickets im Nahverkehr – das hat ver.di mit dem Mitte Oktober erzielten Tarifabschluss für die rund 45.000 Landesbeschäf- tigten in Hessen durchgesetzt. Die Ausweitung unbefristeter Beschäftigung an Hochschulen woll- ten die Arbeitgeber hingegen nicht verbindlich ver- einbaren. Klar ist: Hier bleibt ver.di dran. Tarifaktion vor der TU Darmstadt Mehrfach gingen im September und Oktober hunderte Hochschulbeschäftigte in Kassel, Mar- burg, Gießen, Darmstadt und Frankfurt am Main Landesregierung. „Allen ist klar, dass die enor- auf die Straße, um deutlich zu machen: So geht men Befristungsquoten an den Universitäten Tarifabschluss es nicht weiter. Bis zu 92 Prozent der Wissen- untragbar sind. Doch seit Jahren bleibt es bei Entgelterhöhung: ab 1. August schaftlichen Mitarbeiter*innen und über 20 Pro- unverbindlichen Absichtserklärungen, die nichts 2022 plus 2,2 Prozent; ab zent der Beschäftigten im administrativ-techni- an den Zuständen ändern“, kritisiert der ver.di- August 2023 plus 1,8 Prozent, schen Bereich sind nur auf Zeit angestellt. „Der Vertrauensleutesprecher an der TU Darmstadt. mindestens 65 Euro; Auszubil- Hochschulbetrieb basiert auf der Arbeit von Men- „Meine Schlussfolgerung ist: Wir müssen noch dende jeweils 35 Euro mehr. schen, die in permanenter Unsicherheit leben lauter werden und den öffentlichen Druck weiter Corona-Prämie: 500 Euro im müssen. Mit den eigenen Ansprüchen der Hoch- erhöhen.“ Reinhard sieht jetzt das Wiesbadener Dezember, weitere 500 Euro im schulen in Sachen Fairness und Familienfreund- Wissenschaftsministerium in der Pflicht, den März 2022. Auszubildende je- lichkeit passt das nicht zusammen“, stellt Gabriel Hochschulleitungen konkrete Vorgaben zu ma- weils 250 Euro, Teilzeitbeschäf- Nyc fest, der bei ver.di in Hessen für Bildung, chen. „Der Berliner Senat zeigt, wie es geht. Er tigte anteilig. Wissenschaft und Forschung zuständig ist. „Den- hat die Unis im neuen Landeshochschulgesetz Auszubildende: Wer die Ab- noch war das Land leider nicht zu einer tariflichen dazu verpflichtet, Postdoc-Stellen zu entfristen. schlussprüfung mindestens mit Regelung zur Ausweitung unbefristeter Beschäf- Warum sollte das nicht auch in Hessen möglich Note 3 besteht, wird bei dienst- tigung bereit.“ Zumindest aber habe das hessi- sein?“ lichem Bedarf unbefristet in die sche Wissenschaftsministerium zugesagt, in der Stufe 2 übernommen. zweiten Jahreshälfte 2022 mit den Gewerkschaf- In welcher Form neue Regelungen zur Aus- Hessen-Ticket: Das Landes- ten Gespräche zu führen. „Wir haben die Landes- weitung unbefristeter Beschäftigung beschlossen ticket für den Nahverkehr wird regierung immerhin dazu gebracht, sich klar zum werden, hält Reinhard nicht für entscheidend. bis Ende 2024 verlängert. Ausbau unbefristeter Beschäftigung zu beken- „Ob per Gesetz, Tarifvertrag oder sonstwie – wir Befristungen an Hoch- nen. Darauf werden wir weiter pochen.“ brauchen verbindliche Vorgaben. Denn eins schulen: Ab der zweiten Jahres- haben wir gelernt: Appelle allein reichen nicht, hälfte 2022 nehmen die Ge- Dennoch ist Johannes Reinhard von der Initia- um die Hochschulen zu den dringend nötigen werkschaften Gespräche mit tive „darmstadtunbefristet“ enttäuscht von der Änderungen zu bewegen. Dafür werden die hes- dem hessischen Wissenschafts- sischen unbefristet-Initiativen und ver.di weiter ministerium mit dem Ziel auf, die Druck machen.“ Zahl der unbefristeten Beschäfti- gungsverhältnisse zu erhöhen. Arbeitsvorgang bleibt Einen ersten konkreten Erfolg haben die Ge- Studentische Hilfskräfte: Ab Die von der Tarifgemeinschaft deutscher Länder werkschaften derweil für studentische Hilfskräfte Sommersemester 2022 mindes- 7 (TdL) geforderten Verschlechterungen beim erzielt. Im Einigungspapier verpflichten sich die tens zwölf Euro Stundenlohn. Arbeitsvorgang waren in Hessen kein Thema. Hier Hochschulen, ihnen einen Stundenlohn von min- Künftige Tarifsteigerungen er- bleibt es bei den bisherigen Regelungen zur destens zwölf Euro zu zahlen und diesen Betrag höhen diesen Betrag. Eingruppierung. Geht doch! bei künftigen Tarifentwicklung entsprechend zu Laufzeit: bis 31. Januar 2024 erhöhen. b
Bundestagswahl Foto: shift/studio Klare Botschaft an die neue Bundesregierung Ob BAföG, Löhne oder Befristungen: ver.di stellt Forderungen an die Politik Was gehört in den Koalitionsvertrag? + Bildung und Wissenschaft W elche Lehren sind aus der Pandemie für Hochschulen und Wissenschaft zu ziehen? Und was erwartet ver.di für die Zukunft der beruf- desverband der Träger beruflicher Bildung e.V. bestätigten, dass sie bereit sind, Gespräche über einen Branchentarifvertrag aufzunehmen. „Die solide finanzieren, dabei ist lichen Weiterbildung? Schon im Wahlkampf war Finanzierung von Tariflöhnen für alle Beschäftigten auch der Bund gefordert die Botschaft an die neue Bundesregierung klar: der Branche muss selbstverständlich sein“, betonte + Qualifizierungs- und Aufstiegs- „Bildung in all ihren Facetten hat für ver.di eine Sylvia Bühler. Mit den prekären Beschäftigungs- möglichkeiten für das wissen- hohe Bedeutung und wir werden uns für das verhältnissen in der Branche sprach die Gewerk- schaftsunterstützende Personal Thema weiter stark machen“, betonte die Leiterin schafterin ein weiteres wichtiges Thema an. Die + Öffentliches Geld nur für faire des ver.di-Fachbereichs Bildung, Wissenschaft sachgrundlosen Befristungen müssten dringend Arbeitsbedingungen und Forschung, Sylvia Bühler, auf einer hybriden abgeschafft werden. + Sachgrundlose Befristungen Podiumsdiskussion mit ehrenamtlichen ver.di- abschaffen Aktiven und Bildungspolitiker*innen der demo- Das gilt für die Weiterbildung ebenso wie für + Verbindliche Obergrenzen für kratischen Parteien. Im Mittelpunkt standen unter die Hochschulen. Die Fachbereichsleiterin kritisier- befristete Beschäftigung anderem die Forderungen nach einer Reform des te, dass im Wissenschaftsbetrieb viel Schindluder + Hochschulsozialpakt: Mit BAföG, Tariflöhnen in der Weiterbildung und der mit Befristungen betrieben werde. „ver.di hat einem Investitionsprogramm Abschaffung sachgrundloser Befristungen. diesbezüglich eine sehr klare Anforderung an die mehr bezahlbaren Wohnraum neue Bundesregierung: Es darf keine sachgrund- und Kitas sowie kostengünsti- Am digitalen Thementag mit dem Titel „Gute losen Befristungen mehr geben“, sagte die Ge- ge Mensen finanzieren Bildung“ am 31. August konnten Zuhörer*innen werkschafterin. Sie forderte eine Reform des Wis- + BAföG-Reform: Regelsatz an die Gespräche online verfolgen und sich per Chat senschaftszeitvertragsgesetzes sowie des Bundes- die gestiegenen Lebens- in die Debatte einbringen. Dabei wurde unter ausbildungsförderungsgesetzes (BAföG). Für haltungskosten anpassen und anderem der Nachholbedarf im Bereich der Kritik sorgte, dass aktuell nur noch elf Prozent der Freibeträge anheben. Mehr Weiterbildung intensiv diskutiert. Die Kernforde- Studierenden diese Leistungen in Anspruch neh- Studierende sollen die Förde- rung lautete: Qualität muss in der beruflichen men können. Anlässlich des 50. Geburtstags des rung erhalten Weiterbildung wieder zum zentralen Maßstab für BAföGs in diesem Jahr betonte Sylvia Bühler: die öffentliche Förderung werden und der staatlich „Das Versprechen von Chancengleichheit bei der ver.di-Forderungen für gute verordnete Preiskampf muss gestoppt werden. Bildung muss neu gegeben werden.“ Arbeit in der Wissenschaft: Doch wie kann das gelingen? „Wir brauchen eine https://kurzelinks.de/u4we Tariftreueregelung“, stellte Sylvia Bühler klar. Es Der Livestream zum Thementag auf You-Tube: ver.di-Forderungen für gute dürfe nicht sein, dass Weiterbildungsträger, die https://kurzelinks.de/rlty, Lehren aus der Pan- Arbeit in der Weiterbildung: ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlen, bei der Ver- demie: https://kurzelinks.de/0elx, Zukunft der https://kurzelinks.de/rjog gabe von öffentlichen Aufträgen aufgrund des Wissenschaft: https://kurzelinks.de/m3v2 b Preises benachteiligt werden. ver.di und der Bun- Maren Skambraks Kommentar Deutschland hat gewählt – und wie! N ach einem Wahlkampf voller Pleiten, Pech und Pannen ist die SPD wiederauferstanden, hat die Union Merkels Erbe fast verspielt und prä- einem Politikwechsel auf der einen und Beständig- keit auf der anderen Seite schwanken, sicher ist: Ein Weiterso kann und wird es nicht geben. Jetzt gilt es, halb der Ampel ist der Weg strittig. Dafür einen stabilen Kompromiss zu finden, ist die eigentliche Aufgabe der Verhandlungen. sentieren sich Grüne und FDP als Joker. Die Zeiten dieses Land von Stillstand und Lethargie zu befreien, Ebenso groß ist die Übereinstimmung hinsicht- von maximal Zweierbündnissen auf der Bundes- eine Aufbruchsstimmung zu erzeugen und die Men- lich der Bedeutung von Bildung. Die langjährigen ebene sind Vergangenheit. Eine Dreierkoalition schen mitzunehmen. Forderungen von ver.di erscheinen endlich reali- 8 wird künftig das Land regieren und die Ära der vor- Insbesondere im Bereich der Klima- und Um- sierbar. Eine Mammutaufgabe ist zu lösen: Die Zu- herrschenden großen Volksparteien scheint vorbei. weltpolitik drängt die Zeit. Die Katastrophen des kunft gestalten und gleichzeitig, um Willy Brandt Die kleinen Parteien können den Preis bestimmen. Sommers haben uns vor Augen geführt, welch fatale zu zitieren, mehr Demokratie wagen. Wir Gewerk- Auch wenn das Wahlergebnis verdeutlicht, wie Auswirkungen der Klimawandel auf unser aller Le- schafter*innen sind bereit. b sehr die Wähler*innen zwischen dem Wunsch nach ben hat. Im Ziel sind sich alle einig, aber selbst inner- Klaus Böhme
Interview Foto: Kay Herschelmann „BAföG-Reform Matthias Anbuhl ist seit Oktober neuer Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks. ist zwingend Zuvor leitete er die Abteilung Bildungspolitik und Bildungsarbeit beim Deutschen Gewerkschafts- notwendig“ bund (DGB). biwifo: Die Corona-Pandemie hat ein Schlaglicht darauf ge- einem engen Wohnungsmarkt die Erhöhung durch weiter worfen, dass das BAföG-System auf tönernen Füßen steht. Nur steigende Mieten aufgefressen wird. Deshalb plädieren wir für noch elf Prozent der Studierenden erhielten 2020 die Ausbil- den Ausbau der Wohnheimkapazitäten. Ein von den Studenten- dungsförderung. Kurz nachdem das BAFöG vor 50 Jahren ein- und Studierendenwerken angebotener Wohnheimplatz kostet geführt wurde, waren es vier Mal so viele. Wo sehen Sie die im Schnitt 263 Euro warm. Das sind Mieten, die sich Studierende Ursachen? leisten können. Diese Angebote müssen wir ausbauen, doch das ist in den vergangenen Jahren nicht ausreichend geschehen. Matthias Anbuhl: Bei der Bearbeitung der Überbrückungs- Seit 2007 sind die Studierendenzahlen um 49 Prozent gestiegen, hilfe des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mussten die Zahl der Wohnheimplätze aber nur um acht Prozent. Hier gibt die Studenten- und Studierendenwerke viele Anträge ablehnen, es einen enormen Nachholbedarf. obwohl die Betroffenen einen niedrigen Kontostand hatten – weil sie schon vor der Pandemie arm waren. Das ist ein deutli- Die Pandemie ist nicht nur finanziell, sondern auch psychisch cher Hinweis darauf, dass das BAföG seine Zielgruppe nicht mehr für viele Studierende eine schwere Zeit. Ist das in den psycholo- ausreichend erreicht. Die vergangenen 50 Jahre haben gezeigt, gischen Beratungsstellen der Studierendenwerke spürbar? dass das BAföG ein wichtiges Instrument zur Förderung von Chancengleichheit ist. Doch es wurde in den vergangenen zwei Absolut. Die drei digitalen Semester fordern einen Tribut. Jahrzehnten nicht gepflegt. Wir haben seit acht Jahren in Folge Die Nachfrage nach psychosozialer Beratung steigt sehr stark an. einen Rückgang der Gefördertenquote bei den Studierenden! Das geht von depressiven Verstimmungen über Einsamkeits- Zudem stellen wir fest, dass manche Studierende wegen des gefühle bis hin zu Ängsten vor Verschuldung und Fragen zur Darlehensanteils keinen Antrag stellen, weil sie nicht mit Sinnhaftigkeit eines solchen Studiums. Wir kommen mit unseren Schulden ins Berufsleben starten möchten. All das macht eine Beratungskapazitäten kaum hinterher. Zum Beispiel im Studenten- BAföG-Reform zwingend notwendig. werk Leipzig hat sich die Wartezeit für eine Beratung von andert- halb auf drei Monate verdoppelt. Deshalb fordern wir von der Wie müsste die aussehen? neuen Bundesregierung, das Bund-Länder-Aktionsprogramm, das es für Kinder und Jugendliche gibt, auf Studierende zu erweitern Wir brauchen sehr schnell eine kräftige Erhöhung der Bedarfs- und insbesondere die Finanzmittel für die Beratungsangebote der sätze und Elternfreibeträge, um insbesondere Studierende aus Studierendenwerke aufzustocken. b der Mittelschicht wieder zu erreichen. Die Förderungshöchstdauer muss erhöht werden. Denn bislang ist sie an die Regelstudienzeit Eine ausführliche Version des Interviews findet sich hier: gekoppelt, in der aber nur rund ein Drittel der Studierenden ihr https://kurzelinks.de/gn36 Studium abschließt. Oft bricht die Studienfinanzierung deshalb Daniel Behruzi kurz vor dem Abschluss weg – eine sehr prekäre Situation, die durch die Verlängerung der Förderhöchstdauer vermieden werden kann. Wir sprechen uns zudem für einen Krisenmechanismus Neustart fürs BAföG im BAföG aus, auf den in künftigen Krisen schnell und unbüro- „Das BAföG braucht 50 Jahre nach seiner Einführung einen kratisch zurückgegriffen werden kann. Und wir wollen den Neustart“, heißt es in einem Positionspapier des Deutschen Darlehensanteil zurückführen, damit das BAföG als Vollzuschuss Gewerkschaftsbundes. Der DGB stellt darin detailliert dar, wie gezahlt wird. die Ausbildungsförderung bedarfsgerecht gestaltet und wei- terentwickelt werden muss. So sollen zum einen die Freibe- Müssten die zum Teil extrem hohen Mieten in den Ballungs- träge deutlich angehoben werden, um einen breiteren Zugang zentren nicht stärker berücksichtigt werden? zur Förderung zu ermöglichen. Zum anderen soll der Regel- bedarf um mindestens 150 Euro erhöht werden. Zudem plä- Es ist richtig, dass die durchschnittlichen Mietkosten in den diert der DGB dafür, sowohl Fördersätze als auch Freibeträge 9 Hochschulstädten oft geradezu explodiert sind. Vor diesem regelmäßig an die aktuellen Bedingungen anzupassen. b Hintergrund besteht beim Wohnungsbau dringender Handlungs- Das DGB-Positionspapier zum Download: bedarf. Das eins zu eins im BAföG über eine Erhöhung der Wohn- https://kurzelinks.de/e7eg pauschale abzubilden, beinhaltet allerdings die Gefahr, dass in
Weiterbildung „Einmalig gut“ Berliner VHS-Dozent*innen setzen bessere Bezahlung und Absicherung durch. O b vor dem Roten Rathaus, dem Finanzsenat, am Brandenburger Tor oder vor Volkshoch- schulen: Überall in der Hauptstadt rollen Honorar- das Honorar prozentual in gleichem Maße ange- hoben. kräfte der Berliner VHS seit Jahren unermüdlich Zudem erhalten arbeitnehmerähnliche Hono- ihr Transparent aus. „Soziale Absicherung für rarkräfte eine bessere Absicherung, etwa bei VHS-Dozent*innen“, heißt es darauf. Nun haben Krankheit: Bisher bekamen sie erst nach drei Tagen die freien Mitarbeiter*innen der Volkshoch- 80 Prozent ihres Verdienstausfalls, in Zukunft sind schulen in Berlin einen großen Erfolg erzielt. Sie es 90 Prozent nach zwei Tagen. „Für Freiberufler Vertretung erhalten höhere Honorare und eine bessere sozia- ist das sensationell gut“, meint Beate Strenge. le Absicherung, inklusive mehr Urlaubstage, Auch konnten sich Dozent*innen früher nur ein- per Gesetz Regelungen bei Krankheit und Mutterschutz mal im Jahr bis zu sechs Wochen krankschreiben Die Berliner VHS-Dozent*innen sowie immerhin einer kleinen Ausfallzahlung bei lassen. Danach gab es keinen Cent mehr. Jetzt kämpfen seit Jahren für eine Kursausfall. Bei aller Kritik an einzelnen Punkten haben sie bei jeder erneuten Krankschreibung das Personalvertretung. Mit dem meint Beate Strenge, ver.di-Sprecherin der VHS- Recht auf Ausfallzahlung für sechs Wochen. neuen Berliner Erwachsenen- Dozent*innen-Vertretung: „Diese Vereinbarung bildungsgesetz erhalten sie zwar ist bundesweit einmalig gut.“ Ihre Forderung war stets ein Tarifvertrag, doch keinen Personalrat, aber immerhin darauf ließ sich der Senat nicht ein. Die neuen eine offizielle VHS-Dozent*innen- Dabei ist besonders das Honorar hervorzuhe- Regelungen werden stattdessen in sogenannten Vertretung. Das Gesetz schreibt ben, das bis Sommer 2023 in zwei Stufen erhöht Ausführungsvorschriften festgeschrieben, die ab vor, dass jede Volkshochschule wird. Für 45 Minuten Unterricht bekommen dem 1. Januar 2022 gelten. „Uns ist egal, wie es fünf Vertreter*innen wählen muss. Kursleiter*innen mit Hochschulabschluss künftig heißt“, sagt Beate Strenge. „Uns kommt es auf die Sie vertreten die Interessen der 41 Euro, inklusive Vor- und Nachbereitung. Bisher Inhalte an.“ Als „bitter“ bezeichnet sie, keine noch frei- und nebenberuflichen Mit- gab es etwa 37 Euro. Hinzu kommen Urlaubsent- bessere soziale Absicherung erzielt zu haben. Fällt arbeitenden, begleiten sie zum gelt sowie Zuschläge zur Renten-, Kranken- und ein VHS-Kurs unverschuldet aus, erhalten die frei- Beispiel bei Kündigungen von jetzt neu auch zur Pflegeversicherung für arbeit- en Mitarbeitenden lediglich zehn Prozent des Honorarverträgen zu Anhörungen nehmerähnliche Honorarkräfte, die mehr als die Honorarausfalls. Für Beate Strenge steht daher und vernetzen sich berlinweit. Hälfte ihres Einkommens an der VHS erzielen. Für fest: „Wir bleiben dran!“ b -red- Dozent*innen ohne akademischen Abschluss wird Streik zeigt Wirkung Die Beschäftigten der Ländlichen Er- 400 Beschäftigten, um Druck für einen Wer drei Jahre befristet angestellt ist, erhält wachsenenbildung (LEB) in Nieder- Tarifvertrag zu machen. „Seitdem redet die danach automatisch eine feste Stelle. „Diese sachsen schränken Befristungen ein, Geschäftsführung wieder mit uns“, sagt Entfristungsregelung ist super“, sagt Ulrike übers Geld verhandeln sie nach der Maren Niehuis, Mitglied der ver.di-Tarif- Schilling, „und in einer landesweiten Bil- Krise. kommission, „und zwar erfolgreich.“ dungseinrichtung beispiellos.“ Die Angebote des Trägers finanzierten sich vor allem durch V on Friesland bis Göttingen: Die Stand- orte der Ländlichen Erwachsenenbil- dung (LEB) verteilen sich über ganz Nieder- Zuvor hatte sich der Arbeitgeber nach mehreren erfolglosen Verhandlungsrunden weiteren Gesprächen verweigert. „Die Pan- Projekte mit begrenzter Förderdauer. Ketten- verträge gehörten bei dem Weiterbildungs- anbieter zum Alltag. Ein Drittel der Päda- sachsen. Trotzdem haben die Beschäftigten demie ist uns reingegrätscht“, so ver.di-Ver- gog*innen habe bislang nur einen Zeit- es geschafft, einen gemeinsamen Streik auf handlungsführerin Ulrike Schilling. Der vertrag. „Da haben wir eine Haltelinie rein- die Beine zu stellen. „Das war ein großer Träger habe finanzielle Verluste erlitten und gezogen“, betont Ulrike Schilling. Erfolg“, berichtet die ver.di-Landesfach- sei deshalb aktuell nicht in der Lage, höhere bereichsleiterin Ulrike Schilling. Zum ersten Gehälter zu zahlen. „Aber uns ist wichtig, Parallel dazu legten sie bereits eine Ent- 10 Mal überhaupt sei in Niedersachsen ein lan- trotzdem weiter am Tarifvertrag zu arbei- geltordnung fest, sagt Maren Niehuis. „Über desweiter Träger der Erwachsenenbildung ten“, betont Maren Niehuis. konkrete Zahlen reden wir später.“ Ihre For- bestreikt worden, etliche Kurse fielen aus. derung nach fairem Gehalt geben sie und Auch wenn die Gespräche übers Entgelt ihre Kolleg*innen nicht auf. ver.di-Verhand- Insgesamt versammelten sich vor der auf Eis liegen, hat ver.di im Manteltarifver- lungsführerin Ulrike Schilling betont: „Wenn Geschäftsstelle in Hannover rund 70 der trag eine wichtige Forderung durchgesetzt: Geld da ist, gehen wir in die Vollen.“ b -red-
Das gute Beispiel „Es lohnt sich, hartnäckig zu bleiben“ Die Beschäftigten der VHS Delmenhorst setzen einen Foto: Christopher Bredow, Delmenhorster Kreisblatt (Montage) Haustarifvertrag fast auf TVöD-Niveau durch. VON KATHRIN HEDTKE E inmal haben sie Kuscheltiere auf dem Marktplatz in Delmen- horst ausgesetzt: An einer Laterne prangte eine grüne Maus, ein paar Meter weiter hockte ein pummeliger Marienkäfer. Sie tru- gen kleine Schilder um den Hals: Sie seien bei der VHS Delmenhorst beschäftigt, stand darauf: „Vor zehn Jahren hat meine Mama gesagt, dass sie an mir sparen möchte und mich deshalb vor die Tür gesetzt. Da ist es so kalt.“ Ein andermal überreichten sie den Stadt- verordneten feierlich eine Torte, nach dem Motto: „Wir feiern zehn Jahre ohne Tarifvertrag!“ Außer netten Worten passierte lange nichts. Doch die VHS-Beschäftigten ließen nicht locker und mach- ten immer wieder öffentlich auf ihre Situation aufmerksam. Das hat sich ausgezahlt: Jetzt haben sie einen Tarifvertrag durchgesetzt, der sich sehen lassen kann. „Endlich hat es doch noch geklappt“, sagt Betriebsrat Kai Reske. Fast vier Jahre lang haben er und seine zentigen Tochter der Stadt Delmenhorst – nicht weiterkamen, Kolleg*innen dafür gekämpft. berichtet Kai Reske, da die VHS gar nicht über die notwendigen Eigenmittel verfügte. Und suchten deshalb das Gespräch mit der Als Kai Reske vor rund elf Jahren seine Stelle als Programm- Politik. Sie sprachen mit Mitgliedern aller Stadtratsfraktionen, bereichsleiter antrat, hatte die VHS Delmenhorst gerade den außer der AfD. Zum Teil hätten sie zwar viel Zuspruch erhalten, so Haustarifvertrag gekündigt. Wer neu eingestellt wurde, bekam der Betriebsrat, aber sonst tat sich nichts. Zwei Jahre später waren weniger Lohn. „Die Differenz ging in die hunderte Euro.“ Doch das die VHS-Beschäftigten keinen Schritt weiter. „Wir waren so frus- Problem rückte erst so richtig in den Fokus, als vor vier Jahren ein triert, dass wir hinschmeißen wollten.“ Doch stattdessen entschie- neuer Betriebsrat gewählt wurde. Kai Reske und seine Kolleg*in- den sie: „ganz oder gar nicht“. Und mobilisierten noch einmal alle nen liefen durch die Volkshochschule und wollten wissen: „Womit Kräfte. Mit kreativen Aktionen bestimmten die VHS-Beschäftigten seid ihr unzufrieden?“ Dabei zeigte sich, dass viele Beschäftigte die immer wieder die Schlagzeilen in der Stadt. ungleiche Bezahlung enorm störte. „Schließlich machten sie genau den gleichen Job.“ Deshalb überlegte der Betriebsrat, was sich da- ver.di-Verhandlungsführerin Ulrike Schilling zeigt sich vom gegen tun ließ. „Da war ein Tarifvertrag sehr nahelegend“, meint Engagement der Beschäftigten begeistert: „Das war Kampagnen- der Programmbereichsleiter. Die Aktiven nahmen Kontakt zu ver.di arbeit wie aus dem Lehrbuch.“ Mit ihren Aktionen hätten sie letzt- auf. Doch die niedersächsische Landesfachbereichsleiterin Ulrike lich ein Umdenken bewirkt. „Das ist eine kleine Belegschaft, die Schilling machte ihnen klar, dass drei Gewerkschaftsmitglieder dran geblieben ist“, so die Gewerkschafterin, „und gezeigt hat, „etwas wenig“ waren, um erfolgreich einen Tarifvertrag durchzu- dass man etwas bewirken kann.“ setzen. Irgendwann hätten die Politiker*innen erkannt, dass sie an Als Voraussetzung einigten sie sich darauf, dass mindestens die einem Haustarifvertrag nicht vorbeikamen, berichtet Kai Reske, und Hälfte der 40 VHS-Beschäftigten in der Gewerkschaft sein sollte. stimmten im Stadtrat für eine Erhöhung der Zuschüsse. An- Die ver.di-Aktiven führten zig Gespräche – und überschritten in kur- schließend ging es bei den Tarifverhandlungen nur noch um die zer Zeit die Zielmarke. „Wir waren von dem großen Erfolg selbst Frage, wie das Geld am besten verteilt wird. überrascht“, sagt Kai Reske. „Das hat uns gezeigt: Gemeinsam können wir es schaffen, eine gewichtige Stimme im Betrieb zu wer- Das Ergebnis ist ein Haustarifvertrag, der sich „ernsthaft“ am den.“ Vorher seien sie Einzelkämpfer*innen gewesen: Sie hätten TVöD orientiert. Die Kolleginnen und Kollegen hätten künftig mehr jeweils alleine bei der Geschäftsführung im Büro gesessen und auf Geld in der Tasche, sagt der Betriebsrat, entweder direkt oder bei der 11 eine Lohnerhöhung gehofft. „Jetzt stellten wir gemeinsam unsere nächsten Stufenerhöhung. Wichtig war für die Kolleg*innen auch Forderungen auf“, betont der Betriebsratsvorsitzende. die neue Regelung zur Entfristung: Wer fünf Jahre dabei ist, erhält beim nächsten Vertrag automatisch eine unbefristete Anstellung. Doch sie hätten schnell gemerkt, dass sie in den Gesprächen mit Zudem gibt es für ver.di-Mitglieder einen Urlaubstag extra. Kai der Geschäftsführung der gemeinnützigen GmbH – einer 100-pro- Reskes Fazit: „Es lohnt sich, hartnäckig zu bleiben.“ b
Weiterbildung Pro/Contra: Hochschulen öffnen? „Ich möchte endlich wieder in Präsenz an der Uni „Die von der Politik aufgezwungene Präsenzlehre mit studieren, so sicher wie möglich. Ich habe selber ein 3G-Regelung finde ich unverantwortlich! An der Uni erhöhtes Risiko und möchte nichts riskieren. Aber ich Mainz sollen im Wintersemester wieder 90 Prozent habe das Gefühl, dass wir Studierenden vergessen der Veranstaltungen in Präsenz stattfinden. Daran werden. Die Fußballstadien sind voll, für jedes nehmen auch ungeimpfte Menschen teil. Sie werden Konzert gibt es Hygienekonzepte, aber an der Uni das Virus in der Uni verbreiten und zwangsläufig auch redet da niemand drüber. Drei Semester lang habe ich das Gebäude Menschen anstecken, die sich – zu ihrem eigenen und zum Schutz nicht betreten. Das Onlinelernen empfinde ich als sehr anstrengend. ihrer Mitmenschen – haben impfen lassen. Einige werden schwer Am Anfang haben uns viele Dozent*innen einfach nur Texte mit erkranken, vielleicht sogar sterben. Das bin ich nicht bereit zu akzep- Aufgaben kopiert, später hat die digitale Lehre tieren. Unter den jetzigen Bedingungen gefähr- Foto: privat Foto: privat etwas besser geklappt. Aber der Austausch fehl- det die Präsenzlehre all jene, die sich verantwort- te. Wir haben versucht, per Video kleine Lern- lich verhalten. Wir haben an der Uni auch gruppen zur organisieren, aber das war schwie- schwerbehinderte und vorerkrankte Beschäf- rig. Richtige Diskussionen lassen sich online tigte, die besonders gefährdet sind. Da gilt es kaum führen. Mir fehlt der persönliche Kontakt abzuwägen: Wollen wir, dass diese Menschen sehr, mal ein paar Worte in der Mensa oder vor ihrer Arbeit nachgehen und an ihrem Arbeits- dem Hörsaal zu wechseln. Viele Kommiliton*in- platz sicher sind? Meiner Meinung nach darf es Christoph Thomas nen habe ich ewig nicht gesehen, ich bin nicht erst wieder Präsenzlehre geben, wenn alle Kellermann, Scheffczyk, mal sicher, ob sie ihr Studium durchgehalten geimpft sind. Jeder hat das Recht, sich nicht imp- Student der Zentrum für haben. Deshalb ist es höchste Zeit für sichere Historischen Musik- Datenverarbeitung, fen zu lassen. Aber niemand hat ein Recht Präsenzlehre. Überall wird kontrolliert, ob die wissenschaften an Personalrat an darauf, dass andere Menschen dafür die Konse- Menschen getestet, geimpft oder genesen sind. der Universität der Universität quenzen tragen müssen. Deshalb sehe ich mit Das muss doch an der Uni auch möglich sein.“ Halle Mainz großer Sorge aufs nächste Semester.“ Zurück in die Mensa Nach langer Kurzarbeit öffnen Mensen und Cafeterien wieder. E ineinhalb Jahre lang hat Sabina Ste- fanovic nur einzelne Tage in der Mensa des Studierendenwerks Mainz gearbeitet, Das Studierendenwerk habe die Corona- krise dafür genutzt, Personal abzubauen, betont der Personalrat Tomas Noll. Die Hoch- heißt es irgendwann: ‚Wir brauchen euch nicht mehr!‘“ die allermeiste Zeit war sie in Kurzarbeit. schulgastronomie an der Uni Mainz müsse Viele Studierendenwerke hätten von der „Ich bin froh, dass es jetzt wieder losgeht“, jetzt mit 40 Kolleg*innen weniger laufen. Pandemie finanziell profitiert. Sie erhielten betont die Servicekraft. Mit dem Start des Deshalb wurde das Angebot gekürzt: Zu- weiterhin die Sozialbeiträge und Landeszu- Wintersemesters öffnen überall in Deutsch- nächst werden nur halb so viele Theken schüsse, hätten jedoch nur noch rund 20 land wieder Mensen und Cafeterien. Ge- geöffnet, zumal mit weniger Umsatz gerech- Prozent an Personalkosten bezahlt, rechnet nießen konnte die alleinerziehende Mutter net wird, und die Öffnungszeiten reduziert. Markus Becker vor. In Münster sparte das eines Sohns die Kurzarbeit nicht. „Die „Hier werden Dienstleistungen für Studie- Studierendenwerk seinen Angaben zufolge ganze Zeit nur zu Hause zu hocken, macht rende abgebaut, um Geld zu sparen.“ im Vorjahr alleine beim Wareneinkauf zwei depressiv“, meint die 45-Jährige. Hinzu kam Millionen Euro. „Das war einer der besten bei vielen ihrer Kolleg*innen die Angst, den Das hält Markus Becker, Sprecher der Jahresabschlüsse seit Jahren“, sagt der Per- Job zu verlieren. „Viele waren sehr emotio- ver.di-Bundesarbeitsgruppe Studierenden- sonalrat. Deshalb hätten es einige Geschäfts- nal“, berichtet Sabina Stefanovic, „und werke, für einen großen Fehler. Der Per- führungen nicht sehr eilig gehabt, die Türen haben in ständiger Sorge gelebt.“ sonalrat aus Münster betont, dass die wieder zu öffnen. Studierendenwerke ausschließlich Dienst- In der Pandemie seien im Studierenden- leister für Studierende sind. „Die sozialen „Es wird höchste Zeit, dass die Studie- 12 werk Mainz befristete Verträge nicht verlän- Angebote sind unsere Daseinsberech- rendenwerke endlich wieder ihre Aufgaben gert worden, berichtet die Personalrätin. tigung.“ Im Bereich der Wohnheime hätten wahrnehmen können“, fordert Markus Ging jemand in Rente, wurde die Stelle sie schon länger mit privaten Investoren zu Becker. „Schließlich haben wir eine soziale nicht neu besetzt. „Jetzt müssen wir die kämpfen. Umso wichtiger sei es, bei der Verantwortung.“ Sowohl für die Studieren- Löcher stopfen“, kritisiert die Servicekraft. Verpflegung ein gutes Angebot aufrechtzu- den als auch die Beschäftigten. b Darüber sei der Ärger groß. erhalten, meint Markus Becker. „Sonst -red-
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