Verbot der Plakatwerbung erst ab 1. Juli 2020 - sind der Regierung wichtiger Finanzielle Interessen von wenigen als die Gesundheit aller!
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Nichtraucher-Info Nr. 101 – I/16 Verbot der Plakatwerbung erst ab 1. Juli 2020 Finanzielle Interessen von wenigen sind der Regierung wichtiger als die Gesundheit aller! Was sich im Entwurf des Tabaker- aus § 15 Abs. 2 Jugendschutzgesetz zeugnisgesetzes vom Juni 2015 noch heißt das: Diese Filme ab 18 verherrli- sehr gut anließ, entpuppte sich am chen den Krieg, stellen Menschen dar, Ende des Jahres in Teilen als Reinfall. die sterben oder schweren körperlichen Das Kanzleramt und das Wirtschafts- oder seelischen Leiden ausgesetzt sind ministerium sollen den Druck interes- oder in anderer Art und Weise in ihrer sierter Wirtschaftskreise an das feder- Menschenwürde verletzt werden, zei- führende CSU-geführte Bundesministe- gen besonders realistische, grausame rium für Ernährung und Landwirtschaft und reißerische selbstzweckhafte Ge- weitergegeben haben mit der Folge, walt, stellen Kinder oder Jugendliche in dass der Termin für das Verbot der unnatürlicher, geschlechtsbetonter Kör- Außenwerbung für Tabakwaren um perhaltung dar und Ähnliches mehr. volle zwei Jahre vom 1. Juli 2018 auf Das läuft alles auf eine Verrohung und den 1. Juli 2020 verschoben worden Sexualisierung der Gesellschaft hinaus. ist. Hauptprofiteure sind vor allem die An- Für die Tabakwerbung im Kino wurde bieter von Außenwerbung, insbesonde- das Verbot sogar vollends aufgehoben. re von Plakatmedien (z.B. Ströer), die Künftig sollen Kinos zeitlich unbegrenzt Lichtspielhäuser (Kinos) und – nicht zu Werbespots für Tabakwaren zeigen vergessen – die Gestalter von Plakaten dürfen, sofern die Filme von der Frei- und Werbespots. Offensichtlich scheint willigen Selbstkontrolle nicht indiziert dem CDU-geführten Kanzleramt und worden sind, d.h. dass sie Minderjähri- dem SPD-geführten Wirtschaftsministe- ge nicht sehen dürfen. Schlussfolgernd rium wichtiger zu sein, das Wohl-
Seite 2 POLITIK wollen dieser Wirtschaftskreise über aber zu einer vernünftigen Meinungs- die jetzige Wahlperiode hinaus zu be- bildung gehört es auch, die andere halten. 2017 steht die Bundestagswahl Seite zu hören. Dieses Abwägen ist an, und bis 2020 wird in fast allen Bun- Kernaufgabe von Politik, und die Junge desländern gewählt. Union Bayern steht fest zu dieser frei- heitlichen Meinungsbildung." Junge Union Bayern lässt sich von Tabakkonzern BAT sponsern Reaktion der NID: Die Umschlagseite der Herbstausgabe "Seit wann hat eine Anzeige etwas mit (03/15) des Magazins "bajuware" der dem Anhören der anderen Seite zu Jungen Union Bayern, der Jugendor- tun? Wer ist denn dann die eine Seite, ganisation der CSU, enthält eine An- die Sie in Ihrer Parteizeitung per zeige von BAT zur Umsetzung der EU- kostenpflichtiger Anzeige anhören?" Richtlinie in das Tabakerzeugnisge- setz: "Regulierung ja, aber bitte mit BAT-Anzeige auch im Fachmagazin Verstand und Augenmaß." heißt es als Politik & Kommunikation Aufforderung an die Politik. Es reiche doch völlig aus, dass der Anteil der Dieselbe Anzeige erschien im Fach- jugendlichen Raucher seit 2001 um magazin Politik & Kommunikation rund zwei Drittel zurückgegangen sei. III/2015, Band Nr. 112 (Titelthema Drastischere Maßnahmen wie Schock- "Geld") auf Seite 23. Auf Seite 77 be- fotos oder neutrale Einheitspackungen findet sich zudem eine ebenfalls ganz- seien völlig unnötig ... seitige Anzeige des Deutschen Zigaret- tenverbands zum Thema "plain packa- Die NID schrieb dem Vorsitzenden der ging" (Schachtel ohne Markenlogo): Jungen Union Bayern und Mitglied des "Wenn Menschen nicht mehr zwischen Bayerischen Landtags, Hans Reich- Marken wählen können, wen wählen hart, folgende Mail: sie dann?" "Es zeigt schon ein hohes Maß an In- Den Mediadaten 2015 zufolge richtet stinktlosigkeit, sich die Parteizeitung sich das Magazin an Politiker, Wahl- von einem Tabakkonzern sponsern zu kämpfer, Parteistrategen, Lobbyisten, lassen. Diese Feststellung gilt erst PR- und PA-Verantwortliche sowie recht dann, wenn mit der Anzeige Ein- Journalisten. Die Verteilung im Detail: fluss auf den Inhalt von Gesetzen, hier 631 Bundestagsabgeordnete, 1850 das Tabakerzeugnisgesetz, genommen Mitglieder der deutschen Landtage, werden soll und der zuständige Bun- 450 Mitarbeiter von Bundes- und Lan- desminister von der CSU gestellt wird." desministerien, 500 Journalisten/Bun- despressekonferenz, 600 Agenturen Die Antwort des Landgeschäftsführers und Dienstleister, 1500 Geschäftsfüh- Stephan Ebner lautete: rer und Pressesprecher von Verbänden und Interessenvertretungen, 3300 Un- "Ich freue mich sehr, dass Sie sich in ternehmen. 900 Exemplare werden auf der Nichtraucher-Initiative engagieren, Parteitagen verteilt.
NID-INTERN Seite 3 Mitgliederversammlung 2016 Die nächste ordentliche Mitgliederversammlung der Nichtraucher-Initiative Deutschland e.V. findet statt am 23. April 2016 um 13:00 Uhr in Würzburg Tagesordnung franken-Theater und hat dann noch ca. 100 m zu gehen. 1. Bericht des Vorstands 2. Bericht der Rechnungsprüfer Das Zentrum Würzburgs ist von drei 3. Entlastung des Vorstands Autobahnausfahrten erreichbar: 4. Wahl des Vorstands - Würzburg-Heidingsfeld (B 19) 5. Wahl der Rechnungsprüfer - Würzburg-Estenfeld (B19) 6. Ziele und Aufgaben für 2016/17 - Würzburg-Kist (B27) 7. Verschiedenes Dann immer Richtung Würzburg Stadt- Anträge zur Tagesordnung können zu mitte, Congress-Centrum und Haupt- Beginn der Mitgliederversammlung bahnhof fahren. Vom Hauptbahnhof gestellt werden. aus geht es über den Haugerring und den Berliner Platz zum Hotel. Tagungshaus Hotel Amberger Teilnehmende Mitglieder erhalten, Ludwigstr. 17-19 wie in den Jahren zuvor, die Hälfte 97070 Würzburg ihrer Fahrtkosten erstattet oder eine 0931 3510-0 – 0931 3510-800 Spendenbescheinigung in dieser reservation@hotel-amberger.de Höhe. www.hotel-amberger.de Bahnhof Der Ort der Mitgliederversammlung ist so gewählt, dass An- und Abreise mit der Bahn am selben Tag möglich sind. In Würzburg halten ICE-Züge aus allen Richtungen. Auch für Autofahrer ist der Tagungsort über die Autobahnen A3, A7 und A81 gut erreichbar. Vom Hauptbahnhof sind es zu Fuß etwa 10 bis 15 Minuten bis zum Hotel (Bahnhofsvorplatz > Haugerring > Ber- liner Platz > Ludwigstraße). Mit den x Hotel Buslinien 12 oder 26 fährt man ab Busbahnhof (westlich vom Bahnhofs- vorplatz) zwei Stationen bis zum Main-
Seite 4 RECHT Österreich: Zigarrenrauch nachts nur in verschlossener Wohnung Anfang 2015 hatte das Bezirksgericht Das Landesgericht bejaht hingegen Innere Stadt Wien für Aufsehen ge- den Immissionsschutz des Nachbarn. sorgt, indem es als erstes österreichi- Dieser kann sich gegen Einwirkungen sches Gericht gegen Rauchen im Pri- wehren, die a) das nach den örtlichen vathaus vorging; es verbot einem Zi- Verhältnissen gewöhnliche Maß über- garrenraucher generell störende Ein- schreiten und b) die ortsübliche Nut- wirkungen auf die Wohnung schräg zung des Grundstücks oder der Woh- über ihm. Der Raucher ist Journalist nung wesentlich beeinträchtigen. und Schriftsteller und zündet sich gern Immission nicht ortsüblich nach getaner Arbeit ab Mitternacht Zigarren an. Der Mieter über ihm leidet Dass die Rauch- und Geruchsimmissi- dann unter dem Rauch, der durch das onen nicht ortsüblich sind, steht für das geöffnete Fenster oder die Terrassen- Gericht fest. Blieb also noch zu prüfen, tür aufsteigt und in die obere Wohnung ob auch die ortsübliche Nutzung der eindringt. Das zwingt den Nichtraucher Wohnung wesentlich beeinträchtigt dazu, selbst in den heißen Sommer- war. Auch das bejahte das Gericht, monaten Fenster und Loggia geschlos- denn der Mieter wurde in seiner sen zu halten – obwohl sie in der In- Nachtruhe empfindlich gestört. nenstadt auf eine ruhige Hof- und Gar- tenseite orientiert sind. Der Zigarrenkonsum untertags – laut Erstgericht ein bis zwei Zigarren täglich Der Nichtraucher versuchte zunächst – "wird dem Kläger hingegen zuzu- über den Vermieter, den Raucher zu muten sein", so das Zweitgericht. einer Änderung seiner Gewohnheiten Rechtsanwältin Elisabeth Stichmann, zu bewegen. Weil das nichts half, ließ die das Verfahren auf Klägerseite aktu- er sich den Anspruch des Vermieters ell betreut, warnt davor, aus dem Urteil gegen den Raucher abtreten, keinen abzuleiten, von sechs Uhr früh bis 22 nachteiligen Gebrauch von der Woh- Uhr abends könne hemmungslos ge- nung zu machen. Und genau über die- raucht werden. Vielmehr werde aus der sen Weg kam das Bezirksgericht zum Begründung des Urteils deutlich, dass Rauchverbot, denn schon der Vormie- außerhalb des absoluten Rauchverbots ter der oberen Wohnung war zum in der Nacht zwischen den Interessen Leidwesen des Vermieters durch den des Rauchers und jenen seines Nach- aufsteigenden Rauch vertrieben wor- barn abzuwägen sei. So wie der Nicht- den. Einen eigenen, nicht vom Vermie- raucher ein Recht auf ungestörten ter abgeleiteten nachbarrechtlichen Gebrauch seiner Wohnung hat, gehört Schutz vor Immissionen verneinte das Rauchen grundsätzlich zum vertrags- Bezirksgericht: Der Kläger hatte zuvor gemäßen Gebrauch der anderen Woh- in einer anderen Wohnung desselben nung, sagt das Gericht. Hauses gelebt, hätte daher schon beim Übersiedeln vom störenden Rauchver- "Es scheint zielführend, die Grenzen halten wissen müssen. des zulässigen Gebrauchs und der
RECHT Seite 5 hinzunehmenden Beeinträchtigung "Für die Zeit tagsüber ist das Urteil nach dem Gebot der gegenseitigen sehr vage", sagt Stichmann. Jeder Ein- Rücksichtnahme zu bestimmen", heißt zelfall müsse gesondert beurteilt wer- es in dem Urteil weiter. Das ist aller- den: Was gelte etwa, wenn die beiden dings leichter gesagt als getan: Will Tageszigarren unmittelbar nacheinan- etwa der Zigarrenraucher um acht Uhr der geraucht würden? Das Urteil ist früh auf dem Balkon rauchen, während nicht rechtskräftig, eine (ausdrücklich der Nachbar ungestört in seiner Loggia zugelassene) Revision an den Obers- frühstücken möchte: Wer soll dann ten Gerichtshof wahrscheinlich. nachgeben? Die Presse, 2.11.15 Landgericht München erlaubt Werbung für E-Zigarette mit Schädlichkeitsvergleich Der E-Zigaretten-Shop "iSmokeSmart" lei Rechtsverletzung begangen. Institut in München darf auch weiterhin seine und Wissenschaftlerin würden lediglich Kunden über Äußerungen der Leiterin versuchen, einige öffentlich wirksame der Stabsstelle Krebsprävention im Äußerungen "wieder einzufangen". Die Deutschen Krebsforschungszentrum 33. Zivilkammer am Landgericht Mün- (dkfz) informieren. Martina Pötschke- chen I hatte schon in der mündlichen Langer hatte im Deutschlandradio den Verhandlung darauf hingewiesen, dass Stand der Wissenschaft wiedergege- es "sehr schwierig" sein werde, die ben und gesagt: "Gegen die normale Unterlassung der Zitate auf Basis des Zigarette, die eine solche Giftlast dar- Markenrechts durchsetzen zu wollen. stellt, stellt eine E-Zigarette ein ver- Nun hat das Gericht entsprechend ent- gleichsweise harmloses Produkt dar." schieden. Die Verwendung der ge- Diese und weitere Aussagen von ihr schützten Namen und Kürzel des For- hatten die Betreiber des E-Zigaretten- schungszentrums seien in diesem Fall Shops in einem Werbeflyer verwendet. keine unerlaubte Zeichennutzung, son- dern "eine rein redaktionelle Marken- Das war jedoch der dkfz-Mitarbeiterin nennung". Urheber und Quellen der ein Dorn im Auge, und so klagte das Zitate seien korrekt wiedergegeben – dkfz sowohl im eigenen Namen als es werde gerade nicht der Eindruck auch dem seiner Mitarbeiterin gegen erweckt, dass die angepriesenen Pro- die Verwendung der Zitate. Diese seien dukte diesen Namen irgendwie zuzu- zwar korrekt, Sätze und Satzteile aber rechnen seien. Das Urteil unter Akten- aus dem Zusammenhang gerissen. Sie zeichen 33 O 20512/14 ist noch nicht würden so das Gegenteil von dem aus- rechtskräftig. sagen, was die Wissenschaftlerin zum Süddeutsche Zeitung, 15.10.15 Ausdruck bringen wollte. Inzwischen können sich die E-Shop- Die Shop-Inhaber Thomas Engel und Betreiber auch auf eine Studie des Frank Hackeschmidt wehrten sich ge- britischen staatlichen Gesundheits- gen diese Vorwürfe. Sie hätten keiner- dienstes stützen nächste Seite!
Seite 6 TABAKENTWÖHNUNG Großbritannien: E-Zigaretten auf Rezept National Health Service (Nationaler Gesundheitsdienst) bezeichnet das staatliche Gesundheitssystem in Großbritannien und Nordirland. Der National Health Servi- ce (NHS) wird aus Steuergeldern finanziert und nicht wie in Deutschland und vie- len anderen Ländern über die Sozialversicherung. Jede in Großbritannien wohn- hafte Person hat Anspruch auf medizinische Versorgung im primären (Hausarzt) und sekundären (Krankenhäuser) Bereich. Reisende aus der EU bzw. dem Euro- päischen Wirtschaftsraum haben im Notfall ebenfalls Anspruch auf gebührenfreie medizinische Versorgung. Der NHS besteht aus vier eigenständigen Organisatio- nen, je eine in England, Wales, Schottland und Nordirland. Im August 2015 erschien der Bericht gräbt. E-Zigaretten veranlassen nur "E-cigarettes: an evidence update" (E- sehr wenige Menschen, die noch nie Zigaretten: eine Aktualisierung der Be- geraucht haben, zu regelmäßigem weislage). Auftraggeber war Public Konsum. Health England, eine für die öffentliche Gesundheit zuständige Exekutiv-Ein- 4. Jüngste Studien stützen die Er- richtung, entstanden durch den Health kenntnisse, dass E-Zigaretten Men- and Social Care Act 2012. Die Autoren schen helfen können, mit dem Rau- der Studie gehören u.a. dem britischen chen aufzuhören oder ihren Zigaretten- Zentrum für Tabak- und Alkoholstudien konsum zu reduzieren. an. 5. Bei bestimmungsgemäßem Verwen- Die Studie kommt unter anderem zu dung stellen E-Zigaretten keine Gefahr folgenden Ergebnissen: für die Benutzer dar, aber E-Flüssig- keiten sollten kindersicher verpackt 1. Raucher, die erfolglos mit anderen sein. Methoden einen Rauchstopp versucht haben, könnte man ermutigen, es mit 6. Nach aktueller Expertenschätzung der E-Zigarette zu versuchen. ist der Gebrauch von E-Zigaretten rund 95 Prozent sicherer als Tabakrauchen. 2. Die Ermutigung von Rauchern, die einen Rauchstopp nicht schaffen, zum Die 113 Seiten starke Studie ist im In- Umstieg auf E-Zigaretten würde helfen, ternet frei zugänglich und unter durch Rauchen verursachte Krankhei- https://www.gov.uk/ mit dem Suchbeg- ten, Gesundheitsbeeinträchtigungen riff "E-cigarettes: an evidence update" und Todesfälle zu verringern. zu finden. 3. Es gibt keine Beweise dafür, dass die E-Zigarette den langfristigen Rück- Und die Schlussfolgerung? gang des Zigarettenkonsums bei Er- E-Zigaretten auf Rezept! wachsenen und Jugendlichen unter-
TABAKENTWÖHNUNG Seite 7 First e-cigarettes to be prescribed on the NHS in the New Year but ministers 'wanted to keep it quiet in case GPs are overrun' • E-cigarettes to be prescribed on the NHS for the first time in the New Year • But government ministers said to have tried to keep move quiet until then • There was concern that GPs would be overrun by people demanding them • Likely to cost NHS £20 per kit and £10 a week for each patient's cartridge Mit dieser Aufmachung erschien die Boulevard-Zeitung Daily Mail (Auflage etwa 1,7 Millionen) am 6. Dezember 2015. Den Lesern wurden folgende Informationen geboten: • E-Zigaretten können vom NHS erstmals im neuen Jahr verschrieben werden. • Aber Minister sagte, versucht zu haben, dies bis dahin geheim zu halten. • Es gab Bedenken, dass die Hausärzte von Leuten überrannt werden, die die E- Zigarette auf Rezept haben wollen. • Wahrscheinlich entstehen dem NHS durch diese Regelung pro Set Kosten in Höhe von £ 20 und pro Woche und Patient £ 20 für die Patrone. Pharmaindustrie profitiert von Nikotinersatzprodukten Tabakindustrie profitiert von nikotinhaltigen E-Zigaretten In Großbritannien hat die Labour-Regierung unter Tony Blair 2001 die kostenlose Behandlung der Tabakabhängigkeit einschließlich Medikation eingeführt, ge- bracht hat diese Regelung nichts – außer Kosten. In Großbritannien ist der Anteil der Ex-Raucher den Eurobarometern 2005 und 2012 zufolge deckungsgleich mit dem in Deutschland (ca. 25%). Auch andere Repräsentativbefragungen (Smoking Toolkit Study, GfK) mit einer größeren Zahl von Befragten liefern weitgehend identische Prozentsätze. Die Erfolgsquote beim Rauchstopp unter Verwendung von Nikotinersatzprodukten ist erheblich schlechter als die Erfolgsquote bei den Ex-Rauchern, die keine Hilfsmittel eingesetzt haben. Die Tabakindustrie produziert inzwischen sowohl Tabak- als auch E-Zigaretten. Während die Pharmaindustrie vom Verkauf unwirksamer Nikotinersatzprodukte profitiert, sahnt die Tabakindustrie dreifach ab: Zu Konsumzwecken verkauft sie Tabakzigaretten und E-Zigaretten und für den Rauchstopp E-Zigaretten – in Großbritannien sogar per ärztliches Rezept.
Seite 8 TABAKENTWÖHNUNG Wie steht es um die Tabakentwöhnung in Deutschland? Die meisten Raucher wissen, dass sie 1. Klage des GBA sich selbst helfen müssen, wenn sie vor dem Landessozialgericht vom Rauchen loskommen wollen. Aus diesem Grund ist es nicht verwunder- Im Gemeinsamen Bundesausschuss lich, dass laut verschiedenen Reprä- (GBA), dem obersten Beschlussgremi- sentativstudien 80 Prozent der Ex- um der gemeinsamen Selbstverwaltung Raucher angaben, es ohne jegliche der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeu- Hilfsmittel oder professionelle Unter- ten, Krankenhäuser und Krankenkas- stützung geschafft zu haben. Nur weni- sen, sind die Profiteure einer Kostener- ge Raucher haben sich danach nicht stattung der Tabakentwöhnung in der auf sich selbst verlassen, sondern es Mehrheit. Am 16. Februar 2012 be- mit einem oder mehreren Rauchstopp- schloss der GBA die Verordnungsfä- Angeboten, die über verschiedene We- higkeit von Arzneimitteln zur Tabak- ge zugänglich sind, probiert: Internet, entwöhnung (Nikotinersatztherapie, Va- Telefon, Apotheke, Krankenkasse, reniclin, Bupropion) im Rahmen der Praxen von Ärzten und Psychologen, strukturierten Behandlungsprogramme Kursräume etc. Völlig kostenlos sind in für Asthma und COPD. Dieser Be- der Regel die Internet- und Telefonan- schluss sollte dass Eingangstor für eine gebote. Krankenkassen übernehmen grundsätzliche Bezahlung von Nikotin- häufig voll oder zur Hälfte die Kosten ersatzprodukten für alle entwöhnungs- für Entwöhnungskurse. Alle anderen willigen Raucher öffnen. Angebote einschließlich der Medika- mente sind kostenpflichtig. Dagegen legte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) am 27. April Die teuerste Methode, sich das Rau- 2012 sein Veto ein mit der Begrün- chen abzugewöhnen, ist die Einschal- dung, dass die vom GBA beschlosse- tung eines Arztes. Da sich diese Me- nen Regelungen zur Verordnungsfä- thode nur wenige Raucher leisten kön- higkeit nicht mit § 34 Abs. 1 Satz 8 nen, ist die Nachfrage sehr gering. Hin- SGB V, der einen absoluten gesetzli- zu kommt die Erkenntnis aus Studien, chen Verordnungsausschluss enthalte, wonach die Entwöhnung per Arzt und vereinbar seien. Dagegen zog der GBA Medikamente auch nicht gravierend vor Gericht und unterlag. Das Landes- bessere Ergebnisse liefert als die sozialgericht Berlin-Brandenburg bestä- Selbsthilfe. Dass dies den Anbietern tigte dem BMG am 27. Mai 2015 unter ärztlicher Tabakentwöhnung ein Dorn Aktenzeichen L 9 KR 309/12 K, dass im Auge ist, ist nachvollziehbar. Aus es sowohl formell als auch materiell diesem Grund versuchen sie auf drei rechtmäßig war, den Beschluss des Wegen, die einträgliche Kostenerstat- GBA zu beanstanden. Der GBA bewe- tung der Tabakentwöhnung durch die ge sich nicht in einem Parallelsystem gesetzlichen Krankenkassen (die priva- mit eigenen Maßstäben für die Verord- ten lehnen die Bezahlung der Tabak- nungsmäßigkeit, sondern müsse sich entwöhnung grundsätzlich ab) durch- an Gesetze halten. Eine Revision ließ zusetzen. das Gericht nicht zu.
TABAKENTWÖHNUNG Seite 9 2. Klage von Patienten spruchsverfahren abgeschlossen, die vor dem Sozialgericht zu keiner Änderung der Auffassung der Krankenkassen geführt haben. Nun Der Tabakentwöhnung anbietende Arzt wurden die ersten Klagen am Sozialge- Dr. Ulf Ratje sandte im September richt eingereicht. 2012 folgende E-Mail an die mit der Erstellung der S3-Tabakleitlinie Be- Auch wenn derartige Verfahren übli- schäftigten (vor allem Ärzte und Psy- cherweise mehrere Jahre dauern, wird chologen): es durch die Beschreitung des Klage- weges zu einer rechtsverbindlichen Raucherentwöhnungstherapie muss Entscheidung bezüglich der Erstattung Kassenleistung werden! von Raucherentwöhnungstherapien kommen. Vor diesem Hintergrund ist zu Erste Klagen am Sozialgericht erwarten, dass es in Zukunft zu deut- eingereicht lich konstruktiveren Verhandlungen mit Aufruf zu den Krankenkassen kommen wird, eine Solidarität und Unterstützung effiziente Therapie unter wirtschaftlich akzeptablen Rahmenbedingungen zu Liebe Kolleginnen und Kollegen, bewilligen. Daneben kann durch die entstehende S3-Leitlinie Tabak ein seit Jahren haben Politik und Kranken- klarer Rahmen vorgegeben werden, bei kassen eine Anerkennung der Nikotin- welchen Patienten aufgrund festgeleg- abhängigkeit als behandlungsbedürfti- ter Diagnose-Standards eine Therapie ge Erkrankung verweigert, obwohl es erforderlich ist. Hierzu zählt insbeson- sowohl aus medizinischer, als auch aus dere die Nikotinabhängigkeit als aner- rechtlicher Sicht keinen Zweifel daran kannte Erkrankung. geben kann. Auch jahrelange Gesprä- che und Verhandlungen haben daran Der "Wissenschaftliche Aktionskreis nichts geändert. Somit ist eine rechtli- Tabakentwöhnung" sammelte darauf- che Klärung der Therapiebedürftigkeit hin mindestens 55.000 Euro zur Unter- ähnlich wie beim Alkohol 1968 stützung der Prozesse. Von einem Er- erforderlich geworden. Nach sorgfälti- folg oder Misserfolg der Klagen ist bis ger Vorbereitung habe ich ab Mitte heute nichts öffentlich bekanntgeworden. 2011 mehrere meiner Patienten von der Notwendigkeit der Beschreitung 3. Gestaltung der des Klageweges zur Durchsetzung der Tabakleitlinie Kostenübernahme ihrer Raucherent- wöhnungstherapie überzeugt. Nach Ernst-Günther Krause, Vertreter der Verordnung der Therapie einschließlich NID bei der Erstellung der S3-Tabak- der erforderlichen Medikamente wur- leitlinie, wandte sich nach Ulf Ratjes den Kostenerstattungsanträge bei ver- Aufruf an alle Leitlinienmitglieder: schiedenen Krankenkassen gestellt. Diese wurden erwartungsgemäß abge- Das durch den Unterstützungsaufruf lehnt, es kam zu Widerspruchsverfah- deutlich gewordene starke Engage- ren. Mittlerweile sind mehrere Wider- ment von Herrn Dr. Ratje für die
Seite 10 TABAKENTWÖHNUNG Kostenerstattung von Raucherentwöh- Batras S3-Tabakleitlinie nungstherapien durch die Krankenkas- sen in Verbindung mit seiner Funktion Ein Mann prägte die S3-Tabakleitlinie: als geschäftsführender Gesellschafter Prof. Dr. Anil Batra. Er teilte sich den der FördeMED GmbH, die Raucher- drei wichtigsten Arbeitsgruppen zu, entwöhnungstherapien anbietet, stellt kürte sich zum Sprecher dieser Arbeits- einen neutralen Beobachter vor die gruppen, trug die Ergebnisse zweier Frage, ob nicht Interessenskonflikte Arbeitsgruppen vor und entschied als vorliegen, die eine Mitarbeit bei der Leiter der S3-Tabakleitlinie und Mit- Erstellung der S3-Tabakleitlinie entwe- glied des Steuerungsgremiums über die der gänzlich verbieten oder nur einge- "Passgenauigkeit" der Ergebnisse der schränkt zulassen. Arbeitsgruppen. Er war in allen Gremien der S3-Tabakleitlinie vertreten, die et- Es gibt durchaus gewichtige Gründe, was zu entscheiden hatten. Interessen- Raucherentwöhnungstherapien in den konflikte? Die gab es seinen Worten Kostenerstattungskatalog der Kranken- nach nicht, schließlich sei eine Leitlinie kassen aufzunehmen. Ein Unterneh- nicht ohne Expertenwissen zu schaffen. men wie die FördeMED GmbH, die von einer derartigen Regelung direkt profi- Kritische Stimmen konnten auch gar tieren würde, bei der Erstellung von nicht laut werden, schließlich hing die Suchtleitlinien mitarbeiten und mit- ganze Tabakleitlinie von den Geldern bestimmen zu lassen, ist jedoch ver- dreier Organisationen und damit von gleichbar mit einer aktiven Mitarbeit Anil Batra ab. Sage und schreibe und Mitbestimmung von Pharmaunter- 60,27% der Gesamtausgaben von nehmen, die Nikotinersatzprodukte 413.937 Euro übernahmen die Uni Tü- anbieten. bingen, die DGPPN und die DG Sucht. 25% steuerte das Institut bei, dessen Die E-Mail hatte keine Folgen für Ulf Ärztlicher Direktor und zugleich Leiter Ratje, denn Ziel sowohl des Leiters der der S3-Alkoholleitlinie sich das Festes- Tabakleitlinie als auch fast aller Mitwir- sen für rund 200 Gäste bei seinem Ab- kenden war, Empfehlungen zur Kos- schiedssymposium von zwei Pharmafir- tenerstattung der Tabakentwöhnung men finanzieren ließ. Der Rest waren einschließlich der Arzneimittel zu be- Kleinspenden. schließen. Das hatte der Leiter der S3- Tabakleitlinie schon lange vorher ganz S3 – das Kürzel steht für eine besonders offiziell bei zwei Tabakkontrollkonfe- systematische Recherche, Auswahl und renzen in Heidelberg verkündet. So Bewertung wissenschaftlicher Belege. wurde es auch von den sogenannten Das wird daran deutlich, dass die über- Konsensuskonferenzen beschlossen. wiegende Mehrheit (knapp 70%) aller Dass diese Empfehlungen in der Leitlinien der wissenschaftlichen medi- schließlich veröffentlichten Ausgabe zinischen Fachgesellschaften S1-Leit- der S3-Tabakleitline fehlten, lag einzig linien sind. Die S3-Tabakleitlinie steht an der NID. Auf ihr nachhaltiges Drän- in großen Teilen jedoch für eine interes- gen wurden die beiden Empfehlungen sengeleitete Auswahl mit dem Ziel, ge- wieder entfernt. wünschte Ergebnisse zu liefern. egk
TABAKENTWÖHNUNG Seite 11 Wie man zu gewünschten Studienergebnissen kommt Rauchfrei mit Vareniclin oder Bupropi- benwirkungen verursachen können, on! Kein Risiko fürs Herz! Kein Zu- und dem Medikament, das am wenigs- sammenhang mit Depressionen. Sol- ten Nebenwirkungen verursacht, wurde che Studienergebnisse lassen das bescheinigt, nebenwirkungsfrei zu sein. Herz von Pharmafirmen (hier Pfizer und GlaxoSmithKline) höher schlagen. Nikotinpflaster dürfen laut Beipackzettel Dazu braucht es nur Wissenschaftler, nicht angewendet werden "bei nicht- die sich die Ausgangsdaten so wählen, stabiler oder sich verschlechternder dass bei Anwendung bestimmter Ana- Verengung der Herzkranzgefäße (An- lyse-Methoden mit höchster Wahr- gina pectoris) und soll nur mit besonde- scheinlichkeit ein bestimmtes Ergebnis rer Vorsicht und Rücksprache mit dem zu erwarten ist. So geschehen in der Arzt angewendet werden bei Herzmus- Studie "Cardiovascular and neuropsy- kelschwäche, stabiler Verengung der chiatric risks of varenicline: a retrospec- Herzkranzgefäße und älterem Herzin- tive cohort study", veröffentlicht in The farkt". Lancet 10/2015. Auf dem Chamix-Beipackzettel (Wirk- Die Wissenschaftler besorgten sich die stoff Vareniclin) ist unter "Besondere anonymisierten Gesundheitsdaten von Vorsicht bei der Einnahme von 'Cham- über 150.000 englischen Rauchern. pix 1 mg Filmtabletten' ist erforderlich" Diese teilten sie in drei Gruppen ein: nur zu lesen: "Bei Personen, die bereits Verwender von Nikotinersatzprodukten Herz- oder Gefäß-(kardiovaskuläre) (Pflaster, Kaugummis, Tabletten), Ver- Probleme haben, wurde anfänglich wender von Vareniclin und Verwender über neue oder sich verschlechternde von Bupropion. Die Daten der mit Niko- kardiovaskuläre Probleme berichtet. tinersatz Therapierten verglichen sie Sprechen Sie mit Ihrem Arzt, wenn sich mit den Daten der anderen beiden während der Behandlung mit 'Champix Gruppen und kamen zu dem Ergebnis, 1 mg Filmtabletten' Änderungen in Ih- dass sowohl die Einnahme von Vare- ren Symptomen ergeben. Suchen Sie niclin als auch die von Bupropion mit sofortige medizinische Hilfe, wenn Sie keinem erhöhten Risiko für Herzinfarkte Anzeichen eines Herzinfarkts oder ei- und Depressionen verbunden ist. nes Schlaganfalls verspüren." Der entscheidende Schwachpunkt der Daraus ist zu schließen, dass beide Studie ist, dass keine Gruppe gebildet Gruppen beim Thema Herzkrankheiten wurde, bei der zur Raucherentwöhnung nicht direkt vergleichbar sind, zumal keines der drei Mittel eingesetzt wurde. Champix auch in Großbritannien nur Im Fachjargon gesprochen: Es fehlt auf Rezept zu haben ist, während Niko- eine Placebogruppe und damit die rie- tinpflaster frei gekauft werden können – sige Gruppe der Raucher, die sich das und das heißt auch von Rauchern mit Rauchen ohne jegliches Hilfsmittel ab- Herzproblemen. gewöhnt haben. Miteinander verglichen wurden drei Therapien, die alle Ne- Hinzu kommt, dass...
Seite 12 TABAKENTWÖHNUNG/RECHT die Gruppe mit Nikotinersatzthera- Letztlich wissen das die an der Studie pie um 2,3 Jahre älter ist als die Va- Beteiligten. Beobachter des Entwöh- reniclin-Gruppe, nungsszene können vorhersagen, dass Studien, an denen Robert West und sich in der Gruppe mit Nikotiner- Daniel Kotz beteiligt sind, pharma- satztherapie 52% Frauen befinden, freundliche Ergebnisse liefern. in der Vareniclin-Gruppe hingegen nur 48%, Aus der Ende 2013 veröffentlichten dass sich in der Gruppe mit Nikotin- Studie "‘Real-world’ effectiveness of ersatztherapie 8% Akohol-Missbrau- smoking cessation treatments: a popu- cher befinden, in der Vareniclin- lation study", bei der repräsentativ er- Gruppe hingegen nur 6%. hobene Daten verwendet wurden, geht hervor, dass in England 15% der Ex- Es gibt noch weitere Punkte, in denen Raucher ohne jegliches Hilfsmittel er- sich die Gruppen unterscheiden. Allen folgreich waren, mit Nikotinersatzhera- Punkten gemeinsam ist, dass sich die pie jedoch nur 10%. Obwohl sie diese Gesundheitsrisiken in der Gruppe mit Ergebnisse kannten, haben die Autoren Nikotinersatztherapie konzentrieren. bewusst darauf verzichtet, die gesün- Das hat zur Folge, dass die beiden deste Art und Weise, mit dem Rauchen Vergleichsgruppen mit Vareniclin und Schluss zu machen, in ihre eigene Stu- Bupropion besser abschneiden als die die einzubauen. Warum wohl? Basisgruppe. Ernst-Günther Krause Oberverwaltungsgericht NRW: Wirtschaftliche Interessen vorrangig Geklagt hatte der Geschäftsführer des Der Kläger unterlag 2012 in erster In- Vereins Coordination gegen Bayer- stanz vor dem Verwaltungsgericht Gefahren e.V. Sein Ziel war es, Details Köln. Drei Jahre später, am 18. August aus dem Kooperationsvertrag zwischen 2015, entschied das Oberverwaltungs- der Universität Köln und dem Pharma- gericht NRW unter Aktenzeichen 15 A unternehmen Bayer zu erfahren, insbe- 97/13, dass § 71a Hochschulgesetz sondere, ob Bayer eine vertragliche NRW keinen Informationsanspruch Garantie hat, dass unerwünschte Re- begründet, sondern lediglich eine ob- sultate nicht veröffentlicht werden. Dies jektiv-rechtliche Informationsverpflich- stehe ihm nach Informationsfreiheits- tung der Hochschule. Mit anderen Wor- gesetz NRW zu. In § 71a Hochschul- ten: Wirtschaftliche Interessen haben gesetz des Landes Nordrhein-Westfa- Vorrang. Die Entscheidung des OVG len heißt es, dass Unis die Öffentlich- fördert den sogenannten Publikations- keit "in geeigneter Weise über abge- bias, eine statistisch verzerrte Darstel- schlossene Forschungsvorhaben" in- lung der Datenlage infolge einer bevor- formieren müssen. Allerdings sind zugten Veröffentlichung von Studien Ausnahmen möglich, falls Geschäfts- mit positiven und signifikanten Ergeb- geheimnisse in Gefahr geraten. nissen.
TABAKINDUSTRIE Seite 13 Missbrauch des Stadtnamens Keine Skrupel kennen offensichtlich die Unternehmen der Tabakindustrie, die Zigaretten unter Verwendung von Städtenamen anbieten, ob Berlin, Hamburg, Köln oder München. Sie wollen Kohle machen, völlig egal mit welchen Mitteln.
Seite 14 TABAKINDUSTRIE Dieses kaum fassbare Agieren hat in tend für deren Reaktionen hier Aus- allen Städten Empörung ausgelöst und schnitte aus der Antwort des Münchner zu Aufforderungen an die zuständigen Oberbürgermeisters auf die Anfrage politischen Organe geführt. Stellvertre- von Stadträten der SPD-Fraktion: Stellungnahme von Oberbürgermeister Dieter Reiter Frage 1: In München wird eine soge- pens in Rede, da das "Münchner Kindl" nannte "Stadtzigarette" mit dem Namen auf den Zigarettenpackungen sehr klein München und der Stadtsilhouette an- und nur leicht abgewandelt abgebildet geboten. Der Werbeslogan richtet sich ist. Der Städtename "München" genießt an Lokalpatrioten und die, die sich ver- rechtlichen Schutz nach § 12 des Bür- bunden fühlen. Die gleiche Firma bietet gerlichen Gesetzbuchs. auch "Stadtzigaretten" der Städte Ber- lin, Hamburg und Köln an. Wird da- Grundsätzlich gehen viele Fundstellen durch ein Eindruck erweckt, es handele in Rechtsprechung und Literatur davon sich um ein Angebot der Landeshaupt- aus, dass die unbefugte Kennzeich- stadt München? nung eines Produkts mit einem frem- den Namen in aller Regel eine Zuord- Antwort: Vermutlich will die vertrei- nungsverwirrung auslöst. Niemand bende Firma aus dem positiven Image, müsse es dulden, mit einem Produkt in das mit der Stadt und dem Städtena- Beziehung gebracht zu werden, mit men "München" verbunden ist, Kapital dem er nichts zu tun hat. Zur Bejahung schlagen. Es besteht die Befürchtung, einer Namensrechtsverletzung genügt dass ein unbefangener Beobachter es dabei, wenn bei den relevanten Ver- davon ausgehen könnte, dass die Fir- kehrskreisen der unzutreffende Ein- ma den Städtenamen mit Zustimmung druck erweckt wird, dass der Namens- der Landeshauptstadt München zur träger entweder selbst hinter dem Ver- Kennzeichnung ihrer Produkte verwen- trieb des Produkts stehe oder dass er det bzw. dass sie die Zigaretten im der Verwendung seines Namens auf Namen der Stadt vermarktet. Dies kann dem Produkt zugestimmt habe. wegen des Zusammenhangs mit dem Vertrieb von Tabakprodukten wenigs- Bei der Verwendung von Städtenamen tens einen “Imageschaden” für die zur Produktkennzeichnung ist jedoch Landeshauptstadt München zur Folge zu beachten, dass der Name "Mün- haben, die sich aktiv für den Nichtrau- chen" auch als rein geografische Be- cherschutz einsetzt. zeichnung (Stadtgebiet München), als personaler Sammelbegriff (die Münch- Frage 2: Ist die Verwendung des Na- ner Bürgerinnen und Bürger) oder als mens München rechtlich möglich? Herkunftshinweis (aus München) ver- standen werden kann. Rechtsprechung Antwort: Es spricht viel dafür, dass und Literatur sind in Bezug auf den nö- hier eine Namensrechtsverletzung vor- tigen Nachweis der "namensrechtsver- liegt. Darüber hinaus steht ein unbefug- letzenden Zuordnungsverwirrung" ter Gebrauch des kleinen Stadtwap-
TABAKINDUSTRIE Seite 15 bei Städtenamen nicht völlig konsistent UWG (insb. § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG) als und halten teilweise eine Verkehrsbe- auch das MarkenG (§§ 126 ff Mar- fragung für erforderlich. Auch aus die- kenG) den Verkehr vor unrichtigen sem Grund wird die Verwendung des Herkunftshinweisen auf Produkten. Namens "München" auf T-Shirts, An- denkenartikeln o.ä. in aller Regel nicht Ortsangaben (auch in substantivischer beanstandet. Form), die als solche erkennbar sind, versteht der Verkehr regelmäßig als Im vorliegenden Fall besteht aber die geographische Herkunftsangaben. Für Besonderheit, dass die Zigaretten aus- den Charakter einer solchen spricht drücklich als "Die Stadtzigarette eine tatsächliche Vermutung (Beweis- MÜNCHEN" beworben werden. Zudem regel), solange nicht eine andere Be- berührt gerade die Werbung für deutung der Bezeichnung – etwa als Suchtmittel die städtischen Interessen Phantasiebezeichnung oder als reine besonders intensiv. Die Landeshaupt- Beschaffenheitsangabe – feststeht. (...) stadt München hat ein erhebliches Inte- resse daran, dass ihr Name nicht mit Im Fall der "München"-Zigaretten er- gesundheitsgefährdenden Tabakpro- scheint schon fraglich, ob die Verwen- dukten in Verbindung gebracht wird. dung "München" auf den Zigarettenpa- ckungen überhaupt als Herkunftshin- Die Rechtsabteilung des Direktoriums weis angesehen werden kann. Gerade hat die vertreibende Firma daher mit wegen des auf der Zigarettenpackung Schreiben vom 09.11.2015 aufgefor- angebrachten Zusatzes "by Mohawk" dert, Herstellung, Bewerbung und Ver- liegt es nahe, von einer reinen Sorten- trieb der "München"-Zigarettenpackun- bezeichnung auszugehen. (...) gen einzustellen. Frage 4: Wie ist die Handhabung in Frage 3: Im Fall einer Rechtsverlet- den anderen betroffenen Städten? zung: Welche namensrechtlichen Ab- wehrrechte stehen der öffentlichen Antwort: Noch am Tag des Eingangs Hand zur Verfügung? Wenn kommuna- der Bürgerbeschwerde bei der Rechts- le Namen als Wortmarken für die Ge- abteilung des Direktoriums am 20.10. meinde grundsätzlich nicht schutzfähig 2015 wurde mit den Städten Berlin, sind, kommt ein anderweitiger Rechts- Köln und Hamburg Kontakt aufgenom- schutz in Betracht, dies insbesondere men und eruiert, ob die Rechtslage dort gegen Irreführungen durch Waren oder ähnlich gesehen wird. Mittlerweile lie- Dienstleistungen, die nicht aus dem gen aus allen drei Städten Rückmel- betreffenden Ort stammen? Liegt eine dungen vor. Im Ergebnis halten alle Qualitätstäuschung durch vorgebliche Städte eine Verletzung der städtischen Ortsansässigkeit vor? Namensrechte für möglich. Köln und Berlin haben in engem zeitlichem Zu- Antwort: Das städtische Namensrecht sammenhang mit der Münchner Auf- kann gegenüber Privaten nur auf dem forderung vergleichbare Schreiben an Zivilrechtsweg durchgesetzt werden. die Firma GRE aufgesetzt und ver- Darüber hinaus schützen sowohl das sandt. Hamburg wartet zunächst ab.
Seite 16 GEDANKEN Gutmensch Ein Schimpfwort erfreut sich zuneh- unseren Mitmenschen harmonische mender Beliebtheit. Fast wäre "Gut- Beziehungen pflegen. So ist es jeden- mensch" zum Unwort des Jahres 2011 falls die Regel. Voraussetzung für sozi- erwählt worden. "Gutmenschen" legen ale Harmonie ist Empathie als die Fä- es darauf an, mündige Bürger gegen higkeit und Bereitschaft, sich in die ihren Willen zu einem Leben ohne Fehl Gedanken- und Gefühlswelt anderer und Tadel zu erziehen. Was Fehl und hineinzuversetzen und sie zu verste- Tadel sind, bestimmen natürlich sie, die hen. Daraus erwächst auch ein Mitge- "Gutmenschen". Sie sind eben unaus- fühl für andere. Dem Raucher fällt es in stehlich selbstgerecht. der Regel schwer, seinen nicht rau- chenden Mitmenschen Mitgefühl ent- So etwa sieht das Feindbild derjenigen gegenzubringen. Deren deutlich vorge- Raucher aus, denen ihre intoleranten tragene Abscheu vor Tabakrauch Widersacher die Zornesröte ins Gesicht missversteht er als unwillkommene treiben. "Ich lasse mir das Rauchen Belehrung in Sachen gesunde Lebens- nicht verbieten!" Prominente Verfechter führung. Als mündiger Bürger darf er – dieses Spruches kennen wir – und die wie er meint – schließlich selbst ent- Raucher natürlich auch. Nun aber sind scheiden, ob und wie er sich in Gefahr die "intoleranten Nichtraucher" keine begibt. eingeschworenen Moralapostel, wie der Raucher gern glauben mag. Ihnen Wenn selbst die offizielle Meinung zu geht es schlicht und einfach um das den grundsätzlichen Freiheitsrechten eigene Wohlbefinden. auch das Recht auf Selbstschädigung zählt, dann ist das im Grunde auch ein Um sein Wohlbefinden geht es auch Freibrief für die Legalisierung bisher dem Raucher. Doch das erreicht er nur, illegaler Drogen. Das vorgebliche nachdem er seine Zigarette geraucht Recht auf Selbstschädigung taugt aber hat. Rücksicht nehmen geht dann nicht. nicht als Freibrief für den Tabak. Hier Der Raucher besteht auf seine "Frei- geht es nicht vordergründig um Selbst- heit", sich eine anzustecken, um sein schädigung, sondern um Fremdschädi- Wohlbefinden zu reparieren. Aber auf gung durch Tabakrauch. Dieses Gift- ihre Freiheit bestehen Nichtraucher gemisch nimmt sich die Freiheit, auch natürlich auch. Sie wollen frische, sau- in die Nasen derer zu ziehen, die sich bere Luft atmen und sich nicht vor den im Bannkreis von Rauchern aufhalten. giftigen Ausscheidungen der Raucher Alle Zwangsberauchten setzen sich der verkriechen müssen. Gefahr schwer wiegender Gesund- heitsschäden aus, die im Extremfall Wir Menschen sind von Natur aus har- auch den Tod zur Folge haben können. moniebedürftig. Unser Wohlbefinden Das Recht auf freie Entfaltung der Per- finden wir im Einklang mit uns selbst sönlichkeit endet dort, wo die Rechte und mit unseren Mitmenschen. Wir anderer verletzt werden. Diesen Ver- wollen uns selbst mögen und mit fassungsgrundsatz muss auch der
GEDANKEN Seite 17 Raucher respektieren. Niemand ist besser anfühlen als der ständig quä- selbstgerecht, der sein gutes Recht auf lende Gedanke an die nächste Zigaret- saubere, schädigungsfreie Atemluft te und an die mögliche Reaktion seiner einfordert. Kontaktpartner auf die Zumutung, den giftigen Tabakrauch ungewollt einat- Wenn jemand darauf achtet, was ihm men zu müssen. gut tut, dann ist er noch lange kein "Gutmensch". Die Freiheit des Men- Was ist denn nun ein "Gutmensch", an schen besteht darin, das zu tun und zu dem sich der Raucher so reibt? Ja, der genießen, was sich für ihn gut anfühlt. weiß immer ganz genau, was gut und Er sollte sich dabei nicht davon leiten richtig ist; was sich schickt und was lassen, was andere tun und toll finden. nicht. Immer geht er konform mit herr- Schon gar nicht darf er sich in Abhän- schenden Moralauffassungen und gigkeiten begeben, die seinem Gespür Glaubenssätzen und erwartet das auch für den rechten eigenen Weg wider- von seinen Mitmenschen. Dabei sprechen. Raucher haben sich – wie zwängt er sich in ein Korsett, das in sie oft erst viel später merken – in die- vielen Teilen seiner Natur und damit se Abhängigkeitsfalle locken lassen. seinen Bedürfnissen und Sehnsüchten Obwohl es sich zunächst nicht gut an- zuwiderläuft. Aber er ist nicht bereit und fühlte, wollten sie diesen stinkenden, in der Lage, sich von dieser Abhängig- kratzenden Qualm schlucken, weil es keit zu lösen. die anderen auch taten und toll fanden. Nun müssen sie rauchen, ob sie wollen Aber begibt sich nicht auch der Rau- oder nicht. Die Abhängigkeit vom Niko- cher in eine solche Situation? Auch er tin zwingt sie dazu, weil ihr Wohlbefin- zwängt sich in ein Korsett, das seiner den davon abhängt. Natur zuwiderläuft. Er folgt dem Glau- benssatz vom mündigen Bürger, der Wenn der Raucher diesen Verlust an seine Unabhängigkeit und Durchset- Selbstbestimmung als seine persönli- zungskraft durch provozierendes Rau- che Freiheit ausgibt, dann zeugt das chen beweisen muss. Dabei sucht er von gestörter Selbstwahrnehmung. Er Konformität mit der Gruppe Gleichge- kann als "mündiger Bürger" eben nicht sinnter und verzichtet so auf vieles, mehr frei entscheiden, ob, wann und was ihm aufgrund seiner individuellen wie viel er raucht. Die Tabaklobby hat Veranlagung gut täte. Der Zwang zum es geschafft, ihn in das Heer ihrer Niko- Rauchen schiebt sich vor allen anderen tinsklaven einzureihen und ihn dauer- Bedürfnissen in den Vordergrund. "Ich haft an sich zu binden. Er hat jetzt nicht rauche gern" heißt die ihm vom Ta- mehr die Freiheit, das zu tun und zu bakmarketing eingehämmerte Verhal- genießen, was sich gut für ihn anfühlt. tensformel. Sie wird schließlich zum Sein Wohlbefinden steht und fällt mit Lebensmotto. Für die Tabaklobby ist der vorhandenen oder nicht vorhande- der Raucher der eigentliche "Gut- nen Gelegenheit zum Rauchen. Und so mensch". Denn gut ist, wer unseren wird er oft zum ungewollten Sonderling Verheißungen glaubt und unsere Kas- in einer geselligen Runde. Ein unbe- sen klingen lässt! schwertes Miteinander würde sich dort Dr. Wolfgang Schwarz
Seite 18 WISSENSCHAFT Das Deutsche Krebsforschungszentrum (dkfz) hat seinen ersten Tabakatlas aus dem Jahr 2009 auf den neuesten Stand gebracht. Auf 164 Seiten sind die wich- tigsten Erkenntnisse über das Rauchen und Passivrauchen mit vielen Grafiken, Diagrammen und Bildern gut verständ- lich wiedergegeben. Der Tabakatlas 2015 ist als pdf-Datei unter http://www.tabakkontrolle.de kos- tenlos abrufbar (44 MB). Journalisten erhalten das Handbuch kostenfrei bei der Pressestelle des dkfz. Der Tabak- atlas 2015 ist im Pabst-Verlag er- schienen (ISBN: 978-3-95853-123-9), im Buchhandel zum Preis von 19,95 Euro erhältlich und in den National- bibliotheken von Deutschland, der Schweiz und Österreich einsehbar. 121.000 Rauchertote im Jahr 2013 Im Jahr 2013 starben in Deutschland Die regionalen Unterschiede in der rund 121.000 Menschen an den Folgen tabakbedingten Sterblichkeit spiegeln des Rauchens. Damit waren 13,5 Pro- das unterschiedliche Rauchverhalten in zent aller Todesfälle durch Rauchen den Bundesländern wider: In den nörd- bedingt. Die im Vergleich zu früheren lichen Bundesländern sterben mehr Berechnungen deutlich höhere Zahl Menschen durch das Rauchen als in (Tabakatlas 2009: 107.000) ist darauf den südlichen. Die meisten Raucherto- zurückzuführen, dass erstmals auch de finden sich bei beiden Geschlech- Todesfälle aufgrund von Darm- und tern in Bremen und Berlin, die wenigs- Leberkrebs, Typ-2-Diabetes und Tu- ten bei Männern in Baden-Württemberg berkulose berücksichtigt wurden. und Bayern sowie bei Frauen in Sach- sen und Thüringen. Seit einigen Jahren sinkt der Raucher- anteil in allen Bevölkerungsgruppen. Krebserkrankungen Da sich die Gesundheitsschäden durch das Rauchen oft erst in höherem Alter verursachen den größten bemerkbar machen, ist davon auszu- Anteil der tabakbedingten gehen, dass der Rückgang des Rau- Todesfälle – 52 Prozent bei cheranteils erst nach vielen Jahren zu den Männern und rund einer merklich geringeren Sterblichkeit 41 Prozent bei den Frauen. infolge des Rauchens führt.
WISSENSCHAFT Seite 19 80 Prozent der Raucher entwickeln COPD Deutlich mehr Raucher als bisher an- ger als 350 Meter in sechs Minuten. In genommen – rund 80 anstatt der mit einem Fragebogen überschritt ein Vier- gängigen Diagnosetests ermittelten ca. tel von ihnen einen Wert, der eine kli- 50 Prozent – entwickeln eine chronisch nisch relevante Einschränkung der obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Lebensqualität markiert. Insgesamt war die mit fortschreitenden Lungenschä- bei mehr als der Hälfte (55 Prozent) die den einhergeht. Häufig leidet die Lunge Lungengesundheit in irgendeiner Form lange unbemerkt, Symptome wie Kurz- beeinträchtigt. Die Wissenschaftler atmigkeit oder morgendlicher Husten gehen davon aus, dass dies frühe An- werden oftmals nicht ernst genommen. zeichen einer COPD sind. Irreversible Schäden bereits Zur Diagnose einer COPD wird in der bei ersten Beschwerden Regel die Spirometrie herangezogen. Dabei wird u.a. gemessen, wie viel Luft Was das für die Lunge bedeutet, erklärt die Patienten einatmen und in einer Lungenexperte Professor Dr. Felix Sekunde ausatmen können. Dass da- Herth vom Universitätsklinikum Heidel- mit die Folgen langjährigen Rauchens berg: "Bei Einschränkungen im Lun- auf die Lunge bisher gravierend unter- genfunktionstest gehen wir davon aus, schätzt wurden, hat nun eine neue dass bereits ein Viertel des Lungenge- Studie einer Lungenfachklinik belegt. webes zerstört ist. Bis dahin ist viel Raum für erhebliche Schäden, die Be- Wissenschaftler um Elisabeth Regan troffene nicht bewusst wahrnehmen vom National Jewish Health in Denver oder wahrnehmen wollen. Hier gilt es, untersuchten 8.872 aktive und ehema- durch entsprechende Beratung zu sen- lige Raucher im Alter zwischen 45 und sibilisieren." Außerdem sollte bei Rau- 80 Jahren. Alle hatten mindestens zehn chern die Therapie der COPD, z. B. in Jahre lang mindestens eine Packung Form von Sprays zum Inhalieren, bei Zigaretten pro Tag, die meisten deut- entsprechenden Beschwerden schon lich mehr, geraucht. Bei rund der Hälfte früher als bisher einsetzen, auch wenn der Teilnehmer fanden sich beim Lun- der Lungenfunktionstest noch keinen genfunktionstest keine Anzeichen einer Anlass zur Sorge gibt. "Vorausset- COPD. Ihre Lungen wurden als gesund zung ist allerdings, dass der Patient eingestuft. das Rauchen aufgibt, sonst hat die Behandlung ohnehin keinen Erfolg", CT liefert aussagekräftigere Daten so der Lungenspezialist. Computertomographische Untersu- JAMA International Medicine, 9/2015 chungen zeichneten allerdings ein an- deres Bild: Bei 42 Prozent der zuvor als gesund eingestuften Teilnehmer zeig- ten CT-Untersuchungen Veränderun- Chronic Obstructive gen der Atemwege oder Emphyseme. 23 Prozent litten unter Atemnot, 15 Pulmonary Disease Prozent schafften beim Gehtest weni-
Seite 20 WISSENSCHAFT Kosten der Lungenkrebsversorgung Mit jährlich über 50.000 Neuerkrankun- Betroffenen) deutlich besser. Die Ex- gen ist Lungenkrebs eine der häufigs- perten geben allerdings zu bedenken, ten Krebserkrankungen in Deutschland. dass nicht in jedem Fall ein operativer Die Wissenschaftler um Dr. Larissa Eingriff möglich oder sinnvoll ist. In Schwarzkopf und Prof. Dr. Reiner Leidl diesem Zusammenhang gewinnt nach vom Institut für Gesundheitsökonomie Ansicht des Forscherteams die Weiter- und Management im Gesundheitswe- entwicklung von Früherkennungsmaß- sen am Helmholtz Zentrum München nahmen an Bedeutung. Denn auf diese untersuchten die Daten von über Weise erhöht sich die Chance einer 17.000 Lungenkrebspatienten (ca. Diagnosestellung in einem noch ope- 12.000 Männer und ca. 5.000 Frauen). rablen Krankheitsstadium. "Unsere Ergebnisse beruhen auf den Helmholtz Zentrum München, 1.10.15 bundesweiten Leistungsdaten der AOK. Erfasst wurden Lungenkrebsfälle Lauterbach-Interview aus dem Jahr 2009, deren Entwicklung dann über einen Zeitraum von drei Jah- ZEIT: Wann rechnen Sie denn über- ren beobachtet wurde", erklärt Larissa haupt damit, dass die entscheidenden Schwarzkopf. Dabei registrierten die Medikamente auf den Markt kommen? Wissenschaftler Operationen, Chemo- Lauterbach: Für einige wenige Krebs- therapien und Bestrahlungen. arten wie den schwarzen Hautkrebs, das maligne Melanom, zeichnen sich Die Forscher fanden heraus, dass die Therapien schon heute ab. Die großen höchsten Kosten in den ersten sechs Durchbrüche erwarte ich dagegen lei- Monaten nach der Diagnose anfallen. der erst in zwanzig bis dreißig Jahren. Dies sei vor allem bedingt durch einen ZEIT: Was kann so ein armer Baby- stationären Aufenthalt der Betroffenen. boomer denn machen, um sein Schick- Ambulante onkologische Betreuung sal zu verbessern? spiele demnach eine untergeordnete Lauterbach: Mit dem Rauchen aufhö- Rolle. Der durchschnittliche finanzielle ren. Aufwand pro Fall von Lungenkrebs betrug etwa 20.000 Euro. Je nach Art ZEIT: Und was noch? der Behandlung variiert dieser Wert Lauterbach: Mit dem Rauchen aufhö- aber sehr stark. Auffällig ist, dass etwa ren. Nein, wirklich, der größte Risiko- ein Fünftel der Patienten keine krebs- faktor ist das Rauchen in jeder Form spezifische Therapie erhielt. und Dosierung. Und zwar nicht nur für den Lungenkrebs, sondern auch für Insgesamt stellten die Wissenschaftler viele andere Tumorformen, wo man es fest, dass etwa ein Drittel der Patien- früher nicht vermutet hatte, wie etwa ten durch eine Operation behandelt Blasenkrebs, Nierenkrebs oder Brust- wurde. Die Prognose dieser Gruppe krebs. Wahrscheinlich steckt im Kampf war im Vergleich mit anderen Behand- gegen den Tabak die Hälfte des ge- lungsarten wie Bestrahlung oder Che- samten Vorsorgepotenzials. (...) motherapie (insgesamt knapp 47% der www.zeit.de, 14.9.15
WISSENSCHAFT Seite 21 Raucher verlieren früher die Zähne Wie eine große Langzeitstudie des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) unter Leitung von Heiner Boeing nun zeigt, haben Raucher ein deutlich höheres Risiko als Nichtraucher, ihre Zähne bereits in jungen Jahren zu verlieren. Die gute Nachricht ist: Menschen, die mit dem Rauchen aufhören, können ihr Risikoniveau schon nach kurzer Zeit verringern und schließlich auf das einer Per- son senken, die niemals geraucht hat. Allerdings kann das mehr als 10 Jahre dauern. Zahnlosigkeit ist weltweit immer noch älteren. Zudem beobachteten die Wis- eines der großen Gesundheitsproble- senschaftler, dass die ermittelten Risi- me, die es zu lösen gilt. In Deutschland kobeziehungen wie zu erwarten dosis- sind über 20 Prozent der Menschen im abhängig waren. Starke Raucher, die Alter zwischen 65 und 74 Jahren be- mehr als 15 Zigaretten pro Tag konsu- troffen. Untersuchungen der letzten mierten, hatten ein höheres Risiko als Jahre weisen darauf hin, dass Rauchen diejenigen, die weniger rauchten. Zahn- auch das Risiko für einen frühzeitigen fleischentzündungen bei Rauchern Zahnausfall erhöht. Die Ergebnisse der lassen sich als erstes greifbares Warn- Potsdamer EPIC-Studie (European signal sehen, das darauf hinweist, dass Prospective Investigation into Cancer die Zahngesundheit durch den Tabak- and Nutrition), die auf Daten von konsum bereits stark geschädigt ist 23.376 männlichen und weiblichen DIfE, 14.9.15 Studienteilnehmern basieren, unter- mauern nun diese Befunde. Die Studie ist die erste große deutsche prospekti- Zur Auswahl! ve Langzeitbeobachtungsstudie, die den Zusammenhang zwischen Rau- chen, Raucherentwöhnung und Zahn- ausfall in drei verschiedenen Alters- gruppen (Gruppe 1: Personen unter 50 Jahren; Gruppe 2: Personen im Alter zwischen 50 und 59 Jahren; Gruppe 3: Personen im Alter zwischen 60 und 70 Jahren) untersucht hat. Im Vergleich zu Studienteilnehmern, die nie geraucht haben, hatten weibli- che bzw. männliche Raucher ein bis zu 2,5- bzw. 3,6-fach erhöhtes Risi- ko, ihre Zähne vorzeitig zu verlieren, und dies unabhängig von anderen Risi- kofaktoren wie zum Beispiel Diabetes. Der Zusammenhang war bei jüngeren Personen stärker ausgeprägt als bei
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